Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 28. Sept. 2011 - 1 S 1633/10

bei uns veröffentlicht am28.09.2011

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stutt-gart vom 09. Juni 2010 - 7 K 2734/09 - geändert:

Die Verfügung der Gemeinde Cleebronn vom 10.06.2009 und der Wider-spruchsbescheid des Landratsamts Heilbronn vom 15.07.2009 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine Gesellschaft im Konzern der Deutschen Telekom AG, errichtet und betreibt Antennenträger, die sie hauptsächlich an Mobilfunkanbieter, aber auch an Rundfunk- und Fernsehsender und andere Nutzer vermietet. Sie wendet sich gegen eine Verfügung, mit der die zunächst beklagte Gemeinde Cleebronn sie zur entschädigungslosen Duldung eines digitalen Alarmumsetzers (DAU) auf ihrem Funkturm Brackenheim I (Scheiterhäule) verpflichtet hat.
Dieser rd. 125 m hohe Funkturm befindet sich auf dem Flurstück Nr. .../1 in der Gemarkung Cleebronn. Das Grundstück steht im Eigentum des Landes Baden-Württemberg. Das Land hat der Klägerin die entgeltliche Benutzung des Grundstücks zur Errichtung und zum Betrieb des Funkturms und eines angrenzenden Betriebsgebäudes für die Dauer von 15 Jahren gestattet. Der Vertrag verlängert sich automatisch um jeweils 5 Jahre, soweit er nicht gekündigt wird. In dem Vertrag hat sich die Klägerin dazu verpflichtet, den Turm und das Betriebsgebäude nach Auslaufen des Nutzungsvertrags zurückzubauen.
Fernmündlich und mit Schreiben vom 20.03.2009 bat der nunmehr beklagte Landkreis Heilbronn, dem die zunächst beklagte Gemeinde Cleebronn angehört, um die Zustimmung der Klägerin zur unentgeltlichen Mitnutzung des Turmes durch den Beklagten. Dabei wurden die Anforderungen an die Anbringung des DAU im Einzelnen dargelegt. Außerdem sei dem Personal des Beklagten zur Wartung der Zugang zu dem DAU zu gewähren. Die Klägerin lehnte diese Ansinnen mit Schreiben vom 21.04.2009 ab. Mit Schreiben vom 14.05.2009 teilte der Bürgermeister der Gemeinde Cleebronn der Klägerin mit, die Gemeinde beabsichtige, die Klägerin durch Verfügung zur entschädigungslosen Duldung der Anbringung eines digitalen Alarmumsetzers (DAU) zu verpflichten. Zugleich stellte die Gemeinde die Übernahme der Kosten für die Stromversorgung durch den Beklagten in Aussicht. Nachdem sich die Klägerin diesem Ansinnen versagte, verpflichtete die Gemeinde die Klägerin mit dem angegriffenen Bescheid vom 10.06.2009 dazu, entschädigungslos zu dulden, dass der Beklagte auf dem Funkturm Brackenheim I einen DAU, bestehend aus einer Antenne und einem 19 Zoll großen Gehäuse, anbringe und nutze. Der Bescheid wurde für sofort vollziehbar erklärt.
Mit ihrem am 22.06.2009 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Voraussetzungen für den Erlass einer Duldungsanordnung nach § 33 Abs. 3 FwG i.d.F. vom 10.02.1987 seien schon tatbestandlich nicht erfüllt. Sie – die Klägerin – sei zwar Eigentümerin und Besitzerin des Funkturms, aber nicht auch Besitzerin des Grundstücks. Der Turm sei vielmehr nur ein Scheinbestandteil des Grundstücks. Nach altem Recht dürften Duldungsanordnungen aber nur gegenüber dem Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks ergehen. Der Bescheid überschreite deshalb den Kreis tauglicher Adressaten. Zudem greife die Auferlegung einer Pflicht zur entschädigungslosen Duldung ungerechtfertigt in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ein.
Nachdem die Gemeinde dem Widerspruch nicht abgeholfen hatte, wies das Landratsamt Heilbronn den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 als unbegründet zurück. Unter Hinweis auf das Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228) führte es zur Begründung aus, bei dem Funkturm handle es sich um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks; die Klägerin sei Besitzerin des Grundstücks i.S.d. § 33 Abs. 3 FwG a.F. Die Duldungsverfügung greife zwar in die Berufsfreiheit der Klägerin ein. Der Eingriff sei aber zumutbar. Die Gemeinde verdränge insbesondere nicht zahlende Kunden, da der Funkturm genügend Raum für weitere Funkanlagen biete.
Daraufhin erhob die Klägerin am 17.07.2009 Anfechtungsklage gegen die Gemeinde Cleebronn zum Verwaltungsgericht Stuttgart. Zur Begründung ihrer Klage wiederholte die Klägerin ihren bisherigen Sachvortrag. Sie wies insbesondere darauf hin, dass sie kein tauglicher Adressat für eine auf § 33 Abs. 3 FwG a.F. gestützte Verfügung sei, weil die Verfügung sie allein in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin und Besitzerin des Funkturms treffe. Als bloßer Scheinbestandteil des Grundstücks nach § 95 BGB sei der Sendemast kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Duldungsverfügung; die Duldungspflicht sei nicht auf Gebäude oder bauliche Anlagen, sondern lediglich auf Grundstücke und deren Bestandteile nach § 94 BGB bezogen. Im Gegensatz zu den Duldungspflichten nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 FwG a.F. erwähne § 33 Abs. 3 FwG a.F. die Eigentümer und Besitzer von Gebäuden nicht. Der Gemeinde falle zudem ein Ermessensfehler zur Last. Bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung hätte sie das Land Baden-Württemberg – Forstdirektion – auf Duldung eines DAU an dem benachbarten Forstbetriebshof in Anspruch nehmen müssen. Vor allem aber verstoße die entschädigungslose Inanspruchnahme gegen Grundrechte der Klägerin, namentlich die Berufsfreiheit.
Die zunächst beklagte Gemeinde Cleebronn ist dem entgegen getreten. Sie hält die Verfügung für rechtmäßig. Zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes verweist sie auf das Urteil des Senats vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 –. Das Gesetz sei auch ordnungsgemäß angewendet worden. Die Errichtung eines neuen Funkmasten auf dem Gelände des Forstbetriebshofes sei von Rechts wegen nicht geboten gewesen. Aus ökologischen Gründen, aber auch im Interesse eines sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln habe vielmehr die Inanspruchnahme des bestehenden Funkmasten der Klägerin näher gelegen.
Mit Urteil vom 09.06.2010 – 7 K 2734/09 – hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Unabhängig davon, ob die angegriffene Verfügung an § 33 Abs. 3 FwG a.F. oder § 31 Abs. 3 FwG n.F. zu messen sei, sei sie jedenfalls rechtmäßig. Die Klägerin erfülle bereits die persönlichen Voraussetzungen des alten Rechts, weil sie im Rechtssinne Besitzerin des Grundstücks sei, auf dem sich der Funkturm „Brackenheim I“ befinde. Die Duldungsverfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Es sei nicht zu beanstanden, dass die für den Erlass der Verfügung zuständige Gemeinde Cleebronn einer Bündelung von Sendeeinrichtungen auf dem bestehenden Funkturm den Vorzug vor der Errichtung eines kostspieligen zusätzlichen Sendemasten in geringer Entfernung hiervon gegeben habe. Auch Grundrechte der Klägerin seien nicht verletzt.
Mit der – vom Verwaltungsgericht zugelassenen – Berufung verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Zur Begründung trägt sie vor, die Vorschrift des § 31 Abs. 3 FwG n.F., an der die Duldungsverfügung zu messen sei, decke die angegriffene Duldungsverfügung nicht. Die Rechtsanwendung im Einzelfall sei ermessensfehlerhaft und begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Weil weder die Gemeinde noch das Landratsamt – wie auch die zeitlichen Abläufe des Verwaltungsverfahrens ausweislich der Akten zeigten – Alternativstandorte ernstlich in Erwägung gezogen hätten, liege ein Ermessensausfall vor. Bei der Auswahl eines Standorts für den DAU habe der benachbarte, im Eigentum des Landes stehende Forstbetriebshof nicht ausgeschieden werden dürfen. Die angegriffene Verfügung verletze aber auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Inanspruchnahme Privater sei von Verfassungs wegen nachrangig gegenüber einer Anbringung des DAU auf öffentlichem Grund. Die Auferlegung einer Pflicht zur unentgeltlichen und entschädigungslosen Duldung sei rechtswidrig. Der Staat sei grundsätzlich gehalten, seinen Bedarf zu üblichen Konditionen entgeltlich auf dem Markt zu decken. Er dürfe private Dienstleistungen und Einrichtungen Privater grundsätzlich nicht entschädigungslos in Anspruch nehmen. Das gelte insbesondere im Verhältnis zu der Klägerin, die ersichtlich als einzige Adressatin von auf § 33 Abs. 3 FwG a.F. bzw. § 31 Abs. 3 FwG n.F. gestützten Bescheiden gerade die Anbringung und den Betrieb funktechnischer Geräte für Dritte gewerblich anbiete. Sie habe an insgesamt 22 Standorten in Baden-Württemberg DAU der Feuerwehren zu dulden und sei dadurch in ihrer Berufsfreiheit betroffen. Zudem sei die Neufassung des FwG entstehungsgeschichtlich speziell auf sie zugeschnitten. § 31 Abs. 3 FwG n.F. stelle die Entbehrlichkeit einer Entschädigung gerade mit Blick auf gewerbliche Betreiber von Antennenanlagen unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Dies sei durch einen Schriftwechsel zwischen der Klägerin und dem damaligen Justizminister ......... belegt. Mit Schreiben vom 14.09.2009 habe dieser der Klägerin gegenüber erklärt, aus der Gesetzesbegründung zu der Neuregelung des Feuerwehrgesetzes werde abzulesen sein, dass die Befugnis zur entschädigungslosen Inanspruchnahme Privater nur dann gewährt werden dürfe, wenn andere Lösungen tatsächlich nicht machbar oder wirtschaftlich nicht realisierbar seien. In diesem Sinne habe sich auch der Abgeordnete ...... in der Sitzung des Landtages vom 07.10.2009 (Plenarprotokoll 14/74, S. 5355) geäußert, in der die Neufassung des Feuerwehrgesetzes beraten worden sei. Zudem trägt die Klägerin vor, dass andernorts Entschädigungen auch in Fällen geleistet würden, in denen DAU der Feuerwehr z.B. an Masten des Südwestrundfunks (SWR) oder an Masten von Überlandleitungen angebracht seien. Ihr werde durch die Inanspruchnahme ihres Funkturms schließlich auch insofern ein ungerechtfertigtes Sonderopfer abverlangt, als sie bereits durch die Belastung mit Feuerschutzsteuer einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der Feuerwehren leiste und von dem Funkturm keine gesteigerte Brandgefahr ausgehe, die eine zusätzliche Inanspruchnahme rechtfertige.
10 
In der mündlichen Berufungsverhandlung hat die Klägerin ergänzend darauf hingewiesen, dass die Auferlegung einer Pflicht zur entschädigungslosen Duldung nur für DAU der Feuerwehren gelte; demgegenüber entrichte die öffentliche Hand für Umsetzer, die dem Polizeifunk dienen, üblicherweise den marktüblichen Preis. Aus allen diesen Gründen verstoße die Auferlegung einer Pflicht zu entschädigungsloser Duldung gegen die Berufsfreiheit.
11 
Mit Beschluss vom 04.08.2011 hat der Senat auf Antrag der Klägerin den Landkreis Heilbronn zunächst zu dem Verfahren beigeladen. Mit Schriftsatz vom 24.08.2011 hat der Landkreis unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 FwG n.F. vorgetragen, nunmehr selbst für die Anbringung und das Betreiben des DAU zuständig zu sein. In der mündlichen Verhandlung am 28.09.2011 hat der Senat daraufhin unter Hinweis auf den gesetzlichen Parteiwechsel, durch den der Landkreis Heilbronn in die Stellung der Gemeinde Cleebronn als Beklagter eingerückt ist, den Beiladungsbeschluss vom 04.08.2011 aufgehoben.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09.06.2010 - 7 K 2734/09 - zu ändern und die Verfügung der Gemeinde Cleebronn vom 10.06.2009 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Heilbronn vom 15.07.2009 aufzuheben.
14 
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, er habe sich gegenüber der Klägerin dazu bereit erklärt, den DAU anzubringen und zu warten und die laufenden Stromkosten zu übernehmen. Der Klägerin sei daher kein Schaden i.S.e. negativen Interesses entstanden. Ein Entgelt oder ein Entgeltsurrogat stehe der Klägerin nicht zu. Das folge aus § 33 Abs. 3 FwG a.F. bzw. § 31 Abs. 3 FwG n.F. Wäre der Gesetzgeber von einem generellen Vorrang vertraglicher Vereinbarungen auf der Gleichordnungsebene ausgegangen, hätte es dieser Regelungen von vornherein nicht bedurft. Im Gebiet des Landkreises würden auch in keinem anderen Fall finanzielle Gegenleistungen – etwa eine Miete oder eine Entschädigung – für die Installation eines DAU auf öffentlichen oder privaten Gebäuden geleistet.
17 
Die Verfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Das Staatswaldgrundstück, das als Alternativstandort in Erwägung gezogen worden sei, komme aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht in Betracht. Schon die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit sei zweifelhaft. Wenn – wie hier – ein optimal gelegenes Bauwerk vorhanden sei, müsse eine Bebauung des Außenbereichs ausscheiden. Die Errichtung eines eigenen Sendemasten sei zudem zu kostspielig.
18 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend ausgeführt, der gewählte Standort sei für die Alarmierung der Feuerwehr nicht nur gut geeignet, sondern auch erforderlich. Zwar sei nicht auszuschließen, dass allein zur Abdeckung des Gebiets der Gemeinde Cleebronn ein anderer Standort technisch ebenfalls möglich gewesen wäre. Für den Beklagten sei aber – auch im Hinblick auf die Pflicht zu interkommunaler Rücksichtnahme und Solidarität – der Nutzen für die Nachbargemeinden beachtlich. Durch den gewählten Standort seien in den Nachbargemeinden und für den Beklagten unnötige Kosten vermieden worden. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Dritten sei ebenfalls nicht festzustellen. Der Beklagte leiste insbesondere keine Entschädigung an Rundfunkanstalten oder Energieversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit der Duldung digitaler Alarmumsetzer der Feuerwehr.
19 
Auf ein Auskunftsersuchen des Senats vom 16.09.2011 hat das Innenministerium Baden-Württemberg fernmündlich mitgeteilt, dass fast alle der 35 Landkreise in Baden-Württemberg inzwischen über DAU verfügten. Pro Landkreis sei von rund 25 bis 35 DAU auszugehen. Landesweit dürften damit derzeit insgesamt etwa 800 bis 1.000 DAU im Einsatz sein. Alle DAU seien technisch in der Lage, die Angehörigen mehr als einer gemeindlichen Feuerwehr zu alarmieren. Wegen der begrenzten Zahl verfügbarer Frequenzen (Kanäle) plane aber jeder Landkreis so, dass Funksignale nur im eigenen Landkreis zu empfangen seien, damit es keine schädlichen Interferenzen mit den Funksignalen anderer Landkreise gebe. Die DAU eines Landkreises dienten nach Inhalt und Codierung der Signale nur der Alarmierung der Gemeindefeuerwehren in diesem einen Landkreis. Die Standorte der DAU seien dem Innenministerium nicht bekannt. Sie seien nicht zentral erfasst. Generell werde aber in den Landkreisen so verfahren, dass vorrangig öffentliche Gebäude als Standorte für DAU verwendet werden.
20 
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die dem Gericht vorliegenden Verfahrens- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
21 
Infolge des zum 19.11.2009 vollzogenen Zuständigkeitswechsels hinsichtlich der im Streit befindlichen Duldungsverfügung war das Rubrum auf der Beklagtenseite von Amts wegen – und im allseitigen Einvernehmen – zu ändern. An die Stelle der Gemeinde Cleebronn tritt als Beklagter der Landkreis Heilbronn. Durch das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.2009 (GBl. S. 633) ist die Zuständigkeit für den Erlass und den Vollzug von Verfügungen nach § 33 Abs. 3 FwG a.F. (nunmehr § 31 Abs. 3 FwG n.F.) von den Gemeinden auf die Landkreise übergegangen. Dieser Zuständigkeitswechsel ergibt sich aus der Herausnahme des Tatbestands der Beschaffung von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen in § 3 Abs. 2 Satz 1 FwG a.F. („Aufgaben der Gemeinden“) und die Ergänzung von § 4 FwG um einen neuen Absatz 3, der die Landkreise dazu verpflichtet, zur Alarmierung der Gemeindefeuerwehren geeignete Kommunikationsnetze zu errichten und zu betreiben, sofern nicht solche des Landes hierfür verwendet werden können.
22 
1. Geht – wie hier – während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Zuständigkeit zum Erlass eines Verwaltungsakts auf eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft über, findet ein gesetzlicher Parteiwechsel statt, der keine Klageänderung nach §§ 125 Abs. 1 und 91 VwGO darstellt und lediglich zu einer Rubrumsberichtigung von Amts wegen führt. Die nunmehr zuständige Körperschaft tritt an die Stelle der bislang zuständigen Körperschaft in das anhängige Verfahren ein, ohne dass es besonderer Prozesserklärungen bedürfte (vgl. BVerwG, Urteil v. 02.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148; Urteil v. 30.05.2002 - 5 C 14.01 - BVerwGE 116, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 13.03.1969 - II 708/67 - ESVGH 20,145; Urteil v. 08.03.1995 - 8 S 3345/94 - RdL 1995, 279 = ZfW 1996, 386; Urteil v. 25.11.2008 - 10 S 2702/06 - NuR 2009, 650).
23 
2. Der Parteiwechsel kann auch im zweiten Rechtszug noch festgestellt werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.03.2004 – 4 S 675/02 – ESVGH 54, 175 = VBlBW 2004, 303 = DÖV 2004, 668; vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, NVwZ-RR 1990, 44 f. m.w.N.). Dem Beklagten wird dadurch zwar eine Instanz genommen. Das ist aber jedenfalls dann hinzunehmen, wenn die bislang zu Unrecht als Beklagte bezeichnete Körperschaft der Klage – wie hier – sorgfältig und ersichtlich mit sachkundiger Hilfe der Beamten des Landratsamts entgegen getreten ist und der Beklagte dem Parteiwechsel zugestimmt hat.
24 
3. Der Parteiwechsel erstreckt sich einheitlich auf den gesamten Verfahrensgegenstand. Die Klägerin wendet sich nicht allein gegen die tatsächliche Anbringung des Alarmumsetzers. Vielmehr richtet sich das klägerische Begehren im Wesentlichen gegen die Auferlegung einer Pflicht zur entschädigungslosen Duldung der dauerhaften Nutzung und Wartung des DAU, weshalb hier der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt.
II.
25 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht Stuttgart statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die angegriffene Duldungsverfügung der Gemeinde Cleebronn vom 10.06.2009 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Heilbronn vom 15.07.2009 ist materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26 
Maßstab für die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der Verfügung ist dabei im vorliegenden Fall allein § 31 Abs. 3 FwG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.2009 (GBl. S. 633), weil der Schwerpunkt des Begehrens der Klägerin nicht auf der Abwehr der Anbringungspflicht, sondern auf der Auferlegung einer dauernden Pflicht zur entschädigungslosen Duldung liegt (vgl. BVerwG, Urteil v. 25.04.2001 – 6 C 6/00 – BVerwGE 114, 160 (166) = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 1 S. 4; Urteil v. 19.09.2007 – 6 C 34/06 – Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2; Urteil v. 18.06.2008 – 3 C 5/08 – Buchholz 418.72 WeinG Nr. 31; jeweils m.w.N.).
27 
1. Zwar liegt mit § 31 Abs. 3 FwG n.F. eine wirksame Rechtsgrundlage vor. Insoweit knüpft der Senat an die Überlegungen an, die er mit Blick auf die frühere Fassung dieser Norm bereits in seinem Urteil vom 24.04.2008 - 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228 <228 ff.>) entwickelt hat. Schon in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren hatte die Klägerin die Verfassungsmäßigkeit ihrer unentgeltlichen Inanspruchnahme am Maßstab der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit in Zweifel gezogen. Der Senat hat damals in der gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 3 FwG a.F. einen Eingriff in beide Grundrechte erblickt, ihn aber als gerechtfertigt angesehen; die Klage hatte im Ergebnis (nur) wegen eines beachtlichen Verstoßes gegen die bisherigen Regelungen über die sachliche Zuständigkeit Erfolg.
28 
Durch das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.2009 (GBl. S. 633) ist der bisherige § 33 Abs. 3 FwG (nunmehr § 31 Abs. 3 FwG) – der technischen Entwicklung entsprechend (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FwG n.F. auf LT-Drs. 14/5103, S. 32) – auf alle Kommunikationseinrichtungen ausgeweitet worden, die zur Erfüllung der Aufgaben der Feuerwehr notwendig sind. Außerdem hat die Vorschrift eine sprachliche Schärfung erfahren, die den ohnehin geltenden (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <230 f.>) Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Ausdruck verleiht. Soweit diese Anforderungen gewahrt sind, kann der Eingriff aber auch nach der Neufassung entschädigungslos vorgenommen werden.
29 
An der Wirksamkeit einer derartigen gesetzlichen Regelung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung im Ergebnis fest.
30 
a. § 31 Abs. 3 FwG n.F. verstößt nicht gegen die Berufsfreiheit.
31 
aa. Die gesetzliche Regelung als solche stellt schon keinen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG dar. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228 <229>) festgestellt hat, ist die Berufsfreiheit grundsätzlich nur dann beeinträchtigt, wenn sich der zur Prüfung gestellte Hoheitsakt unmittelbar auf die Berufstätigkeit bezieht oder zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweist (grundlegend BVerfG, Beschl. v. 23.04.1974 – 1 BvL 19/73 – BVerfGE 37, 121 <131>). Das setzt zwar nicht voraus, dass spezifisch einzelne Berufe betroffen sind. Auch Regelungen, die zahlreiche oder alle Berufe betreffen und insofern berufsneutral sind, können an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sein (BVerfG, Beschl. v. 18.11.2003 – 1 BvR 302/96 – BVerfGE 109, 64 <85>). Die Berufsfreiheit scheidet aber als Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit gesetzlicher Regelungen aus, die sich nicht zumindest typischerweise auf ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten beziehen (BVerfG, Urteil v. 24.11.2010 – 1 BvF 2/05, DVBl 2011, 100 = NVwZ 2011, 94, unter C.II.4.a.aa.). Abstrakt-generelle Regelungen, die sich an einen breiten Adressatenkreis richten und damit zwar auch Berufstätige, in gleicher Weise und Intensität aber ebenso Nichtberufstätige betreffen, müssen sich daher nicht an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen. Ebenso wie § 33 Abs. 3 FwG a.F. ermächtigt auch die gesetzliche Regelung des § 31 Abs. 3 FwG n.F. nach Wortlaut und Sinn zu einem behördlichen Handeln, das sich unterschiedslos gegen Berufsträger i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG und gegen Personen richten kann, die das betroffene Grundstück zu eigenen Wohnzwecken oder im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung, mithin nicht beruflich nutzen.
32 
bb. Dass der Anwendung von § 31 Abs. 3 FwG n.F. im Einzelfall – wie das Beispiel der Klägerin zeigt – eine berufsregelnde Tendenz zukommen kann (vgl. § 36 FwG n.F.), ändert an der Berufsneutralität der abstrakt-generellen gesetzlichen Regelung nichts, kann aber Anlass zu einer verfassungskonformen – restriktiven – Auslegung von § 31 Abs. 3 FwG n.F. im Lichte der Berufsfreiheit geben, soweit sich die entschädigungslose Inanspruchnahme gewerblicher Infrastrukturanbieter im Einzelfall als nicht erforderlich oder nicht angemessen erweist.
33 
(1) Die Formulierung „ohne Entschädigung“ in § 31 Abs. 3 FwG n.F. ist nicht als Verbot einer – u.U. verfassungsrechtlich gebotenen – Kompensationsleistung zu verstehen, sondern lediglich als Ermächtigung der öffentlichen Hand, in Fällen einer geringfügigen und zumutbaren Belastung von der Zahlung einer Entschädigung abzusehen. In der Neufassung von § 31 Abs. 3 FwG lässt das Zusammenspiel der Worte „ohne Entschädigung“ mit dem nachgelagerten Nebensatz („wenn dies zu keiner unverhältnismäßigen Belastung […] führt“) der Behörde deshalb nicht nur die Wahl zwischen der Inanspruchnahme Privater auf entschädigungslose Duldung und dem völligen Verzicht auf den Erlass einer Duldungsanordnung. Der auch grammatikalisch nahe liegende Bezug des Pronomens „dies“ auf die vorangehenden Worte „ohne Entschädigung“ lässt vielmehr erkennen, dass das Gesetz durchaus Raum für eine entschädigungspflichtige Duldung lässt. Auch die Befugnis zur Anordnung einer entschädigungspflichtigen Duldung ist – als Minus gegenüber der entschädigungslosen Inanspruchnahme – eine von § 31 Abs. 3 FwG gedeckte Rechtsfolge. Sie ist in allen Fällen von Bedeutung, in denen die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs im Einzelfall nur durch Zahlung einer Entschädigung gewahrt werden kann.
34 
(2) Die öffentliche Hand ist auch gegenüber gewerblichen Anbietern von Funkinfrastruktur von Verfassungs wegen nicht dazu verpflichtet, für die Inanspruchnahme von Kapazitäten zu öffentlichen Zwecken ein marktübliches Entgelt zu entrichten. Ebenso wie die Eigentumsfreiheit schützt die Berufsfreiheit allein das negative Interesse des Betroffenen. Wer nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. zur Duldung von Kommunikationseinrichtungen verpflichtet und dadurch mehr als geringfügig in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt wird, kann deshalb nur verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er ohne die Inanspruchnahme für öffentliche Zwecke stünde. Geboten ist danach ein Ersatz der konkreten Grenzkosten, die dem Betroffenen ohne diese Inanspruchnahme nicht entstanden wären. Eine Beteiligung der öffentlichen Hand an den Gemeinkosten des Betroffenen ist demgegenüber verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Senat hält deshalb auch daran fest, dass ein Ersatz des entgangenen Gewinn nur in Betracht kommt, wenn durch die Inanspruchnahme ein zahlender Nutzer verdrängt wird (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <231>).
35 
b. § 31 Abs. 3 FwG n.F. verstößt auch nicht gegen die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG). Wie der Senat in seinem Urteil vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228 <231>) dargelegt hat, begegnet die gesetzliche Grundlage für die Auferlegung einer Duldungspflicht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Regelung begrenzt zwar die privatautonome und privatnützige Verwendbarkeit eigentumsfähiger Gegenstände und greift damit in den Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung ein. Bei verfassungskonformer Auslegung hält sich aber die Anordnung, dass die Anbringung ohne Entschädigung zu dulden ist, wenn dies zu keiner unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers oder Besitzers führt, im Rahmen der Grenzen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 GG.
36 
aa. Anders als Enteignungsregelungen (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) bedürfen Inhalts- und Schrankenbestimmungen grundsätzlich keiner Ausgleichs- oder Entschädigungsklausel. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur, wenn die Inhalts- und Schrankenbestimmung für sich genommen unzumutbar wäre, weil sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließt (BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 <243 f.>). Dazu muss bereits bei der Normgebung erkennbar sein, dass die angegriffene Vorschrift nach ihrer Konzeption regelmäßig oder jedenfalls in einer bedeutenden Zahl von Anwendungsfällen so intensiv in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumspositionen eingreift, dass die Inanspruchnahme der betroffenen Adressaten nur durch eine anderweitige, regelmäßig in Geld zu bemessende Kompensation den Anforderungen der Angemessenheit noch entspräche. Entsprechendes gilt, wenn zwar die Zahl der Adressaten verschwindend gering, in diesen wenigen Fällen die Schwere der Eigentumsbeeinträchtigung aber so hoch wäre, dass sich diese Anwendungsfälle in einer bereits dem Gesetzgeber erkennbaren Weise als Härtefälle darstellen. Eine gesetzliche Ausgleichsklausel ist aber nicht schon dann erforderlich, wenn es in atypischen und seltenen Einzelfällen zu Eigentumsbeeinträchtigungen kommen kann, die sich allein vor dem Hintergrund anderer Freiheitsrechte (hier: der Berufsfreiheit) als auf der Rechtsanwendungsebene ausgleichspflichtig erweisen, eigentumsrechtlich aber noch keine besondere und unzumutbare Härte i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen, sondern sich innerhalb der Grenzen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums halten und bei denen die – engen, den Abstand zu Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG wahrenden – Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausgleichsklausel in die gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung (BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 <243 f.>) nicht vorliegen.
37 
bb. Nach diesen Maßstäben bedurfte § 31 Abs. 3 FwG n.F. keiner Ausgleichs- oder Entschädigungsklausel. Traditionell bestehen in jedem Landkreis zahlreiche Feuermelde- und Alarmierungseinrichtungen. Der Gesetzgeber war sich dieser kleinteiligen Strukturen bewusst. Das Gesetz weist insofern eine hohe Streubreite auf. Wie bereits die Vorgängernorm (dazu Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <229>) ist auch § 31 Abs. 3 FwG n.F. nach der Konzeption des Gesetzgebers Rechtsgrundlage für eine Vielzahl von Duldungsverfügungen; sie zielt auf einen breiten und heterogenen Adressatenkreis. Zu ihm zählen neben der Klägerin vor allem Eigentümer und Besitzer privater Wohngebäude, rein vermögensverwaltende Eigentümer von Gewerbeimmobilien, daneben aber auch staatliche, kommunale und kirchliche Körperschaften, Anstalten und Zweckvermögen des öffentlichen oder des privaten Rechts.
38 
Der Senat verkennt nicht, dass die Aufnahme des in der Vorgängerfassung noch nicht explizit enthaltenen Verhältnismäßigkeitsvorbehalts in § 31 Abs. 3 FwG n.F. in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vorgehen der Klägerin gegen ihre unentgeltliche und entschädigungslose Inanspruchnahme stand und dass gerade die Klägerin – als einzige professionelle Betreiberin von Funkinfrastrukturstandorten – an insgesamt 22 Standorten in Baden-Württemberg DAU für die Feuerwehren zu dulden hat (Schriftsatz v. 26.09.2011, Bl. 155 der Akten). Auch wenn sich in ihrem Fall ex ante abgezeichnet hat, dass sie an mehr als einem Standort Alarmierungseinrichtungen zu dulden haben würde, durfte der Gesetzgeber die Beeinträchtigungen ihres eigentumsrechtlich geschützten Integritätsinteresses noch als so gering ansehen, dass sie sich innerhalb des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 GG gesetzten Rahmens halten (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <231>).
39 
2. Die angegriffene Verfügung ist auch tatbestandlich von § 31 Abs. 3 FwG n.F. gedeckt.
40 
a. Die Klägerin gehört zu dem Kreis derjenigen, die aus § 31 Abs. 3 FwG n.F. verpflichtet werden können. Sie ist Inhaberin der unmittelbaren Sachherrschaft über das Grundstück, auf dem der Funkturm errichtet ist, und über diesen Funkturm selber. Damit ist sie zugleich Besitzerin des Grundstücks und Besitzerin einer baulichen Anlage. Sie erfüllt mithin die persönlichen Voraussetzungen des für die heutige Beurteilung der angegriffenen Verfügung allein maßgeblichen § 31 Abs. 3 FwG n.F.
41 
Die Rechtslage wäre aber selbst dann nicht abweichend zu beurteilen gewesen, wenn man die Gesetzesfassung zugrunde gelegt hätte, die bei Erlass der Verfügung galt. Damals war der Kreis tauglicher Adressaten nach dem Wortlaut von § 33 Abs. 3 FwG a.F. auf die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken (nicht auch von baulichen Anlagen) beschränkt. Soweit die Nutzung einer baulichen Anlage aber zwingend eine exklusive Zuordnung des unmittelbaren Besitzes eines Teils des Grundstücks (hier: der Standfläche des Funkturms) zu dem Besitzer der baulichen Anlage voraussetzte, erfüllten auch nach alter Rechtslage die Besitzer dieser baulichen Anlage die Anforderungen des § 33 Abs. 3 FwG a.F. Dies galt unabhängig davon, ob der Funkturm zivilrechtlich als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks i.S.d. §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 BGB oder als bloßer Scheinbestandteil anzusehen war (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <232>).
42 
b. Der zur Alarmierung der Feuerwehr bestimmte DAU ist auch gegenständlich von § 31 Abs. 3 FwG n.F. erfasst. Der Senat hat bereits zu § 33 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 FwG a.F. entschieden, dass Geräte zur sog. „stillen Alarmierung“ als Alarmeinrichtungen i.S.d. § 33 Abs. 3 FwG i.V.m. § 3 Abs. 2 FwG a.F. anzusehen waren (Senatsurt. v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <232>). Auch in ihrer Neufassung erstreckt sich die Vorschrift auf alle zur Aufgabenerfüllung der Feuerwehr notwendigen Einrichtungen zur Kommunikation, insbesondere zur Alarmierung. Zu ihnen zählen neben klassischen Feuermeldern und -sirenen auch Funkanlagen wie der streitgegenständliche DAU, die der Alarmierung der Mitglieder der Feuerwehr durch die Leitstelle dienen.
43 
3. Die Duldungsverfügung ist aber ermessensfehlerhaft. Die Gemeinde Cleebronn hat die Anforderungen, die nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. i.V.m. § 40 LVwVfG und den Grundrechten in der konkreten Situation an den Erlass einer Duldungsverfügung zu stellen waren, nicht gewahrt.
44 
a. Dabei kann offen bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Duldungsverfügung wegen ihrer Dauerwirkung auch insoweit einheitlich nach der heutigen Rechtslage zu beurteilen ist, als es um die eher prozesshaften Anforderungen an die ordnungsmäßige Ermessensausübung geht. Wenn es maßgeblich auf das zum Erlasszeitpunkt anwendbare alte Recht ankommen sollte, ergäbe sich ein Verstoß gegen § 40 LVwVfG bereits aus einem Ermessensausfall der Gemeinde Cleebronn. Denn die Gemeinde hat das nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FwG a.F. allein ihr obliegende Auswahlermessen ersichtlich nicht selber ausgeübt, sondern erschien bei Vorbereitung und Erlass der angegriffenen Verfügung als Werkzeug einer übergemeindlichen Planung des beklagten Landkreises.
45 
b. Wenn man demgegenüber von der einheitlichen Maßgeblichkeit des heutigen Rechts für die Vereinbarkeit eines Dauerverwaltungsakts mit den Anforderungen des materiellen Rechts ausgeht, erweist sich die angegriffene Verfügung ebenfalls als ermessensfehlerhaft. Die beteiligten Behörden haben sich nicht in ausreichendem Umfang mit der Frage auseinander gesetzt, ob es eines Alarmumsetzers auf dem von der Klägerin betriebenen Funkturm bedurfte.
46 
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ermessensausübung ist allerdings nicht schon dadurch verletzt, dass der DAU auf dem Funkturm der Klägerin ersichtlich ein weit über das Gebiet der Gemeinde Cleebronn hinausreichendes Gebiet versorgen sollte. Zwar ist die Feuerwehr nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FwG eine gemeindliche Einrichtung; daran hat auch die Novelle des FwG vom 10.11.2009 (GBl. S. 633) nichts geändert. Deshalb müssen die nach § 4 Abs. 3 FwG n.F. von den Landkreisen vorzuhaltenden Alarmierungseinrichtungen und die darauf bezogene Inanspruchnahme Privater nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. primär den örtlichen Bedürfnissen entsprechen. Anders als vor der Verlagerung der Zuständigkeit für Errichtung und Betrieb der Kommunikationsnetze von den Gemeinden auf die Landkreise ist nach § 4 Abs. 3 FwG n.F. aber ein landkreisweit einheitliches, in der Infrastruktur nicht nach Gemeinden segmentiertes Kommunikationsnetz zulässig und geboten. Das Anliegen einer gemeindeübergreifenden Kommunikationsinfrastruktur ist deshalb insoweit nicht mehr zu beanstanden, als die Alarmierungseinrichtungen nach der – maßgeblichen – heutigen Rechtslage gemeindeübergreifend angelegt und betrieben werden sollen. Im Grundsatz dürfen die Standorte für DAU daher durchaus so gewählt werden, dass sie in ihrer Gesamtheit der Alarmierung sämtlicher Feuerwehren auf dem Gebiet eines Landkreises dienen.
47 
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228) ausgeführt hat, unterliegt die Ausübung des behördlichen Entschließungs- und Auswahlermessens im Anwendungsbereich der Grundrechte aber erhöhten Rechtfertigungsanforderungen. Soweit die Behörde den verfolgten Zweck auch ohne Eingriffe in die Berufs- oder Eigentumsfreiheit erreichen könnte und ihr Ermessen gleichwohl in der Weise auszuüben beabsichtigt, dass sie in Grundrechte eingreift, sind erhöhte Anforderungen an die Ermessensausübung zu stellen. Sie ergeben sich unmittelbar aus dem betroffenen Grundrecht und dem in ihm enthaltenen – in § 31 Abs. 3 FwG n.F. nunmehr ausdrücklich in Bezug genommenen – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus ihm folgt, dass die Inanspruchnahme Privater nur nachrangig in Betracht kommt (Senatsurt. v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <230 f.>).
48 
Die Anforderungen an eine Einschränkung von Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sind dabei umso höher, je lockerer der Konnex zwischen dem Grundrechtseingriff und dem individuellen Nutzen ist, den der Eingriff für den Grundrechtsträger hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.01.1995 – 1 BvL 18/93 u.a. – BVerfGE 92, 91 <120 f.>). Solange die Errichtung und der Betrieb von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen genuin gemeindliche Aufgaben waren, bestand typischerweise eine enge Verknüpfung zwischen der Duldungspflicht und dem individuellen Brandschutz. Dieser örtlich radizierte Eingriffs-Nutzen-Zusammenhang war gerade für das Feuerwehrrecht charakteristisch. Mit Übergang der Zuständigkeit für Errichtung und Betrieb der zur Alarmierung der Gemeindefeuerwehren geeigneten Kommunikationsnetze auf die Landkreise (§ 4 Abs. 3 FwG n.F.) ist dieser Zusammenhang von Rechts wegen aber weiter gelockert worden. Durch die überörtliche, nunmehr auf das gesamte Gebiet eines Landkreises erstreckte Bedeutung der Kommunikationsnetze hat auch jeder einzelne DAU seinen funktionalen Bezug auf ein spezifisches Gemeindegebiet verloren. Zugleich steigt die Neigung zu einer Konzentration von DAU an zentralen und exponierten Standorten. Damit verändert sich auch die Zusammensetzung des Kreises möglicher Adressaten von Duldungsverfügungen nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. Dies zeigt die verstärkte Inanspruchnahme der Klägerin an 22 Standorten, ohne dass von ihr eine gesteigerte Feuergefahr ausginge.
49 
c. Diesen gesteigerten Anforderungen hält die angegriffene Verfügung nicht stand. Die angegriffene Duldungsverfügung greift in die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG), aber auch in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Klägerin ein (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <229, 231>). Je für sich begründen beide Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension im konkreten Fall einen grundsätzlichen Vorrang der Nutzung öffentlicher Grundstücke und baulicher Anlagen für die Anbringung und den Betrieb von DAU. Der Erlass einer gegen Private gerichteten Duldungsverfügung setzt deshalb voraus, dass keine gleich geeigneten öffentlichen Flächen zur Verfügung stehen, dass die Anbringung der Kommunikationseinrichtungen auf öffentlichem Grund nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder aus anderen Gründen mit erheblichen Nachteilen verbunden ist.
50 
Zwar hat der Beklagte konkret erwogen, auf dem staatlichen Nachbargrundstück im Bereich der Ausbildungsstätte und des Forstbetriebshofs „Turmhütte“ in einer Entfernung von 110 m von dem Funkturm der Klägerin einen eigenen Sendemast zu errichten und zu betreiben (Schreiben an die Klägerin v. 20.03.2009, Bl. 3 der Akten des Landratsamts; Schreiben an das Regierungspräsidium Tübingen – Forstdirektion – v. 03.03.2009, Bl. 5 der Akten des Landratsamts). Da sich dieser Standort aber nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand von rd. 50.000 Euro für die Errichtung und Erschließung eines neuen Sendemasten und unter Inkaufnahme zusätzlicher Eingriffe in die Natur für die Anbringung eines DAU hätte nutzen lassen, brauchte die Behörde diese Option nicht weiter zu verfolgen.
51 
Ein Ermessensfehler liegt aber darin, dass die Behörden allein den exponierten Standort auf dem Stromberg-Hauptrücken in den Blick genommen, aber keine weiteren Alternativstandorte in Erwägung gezogen haben. Weder die zunächst beklagte Gemeinde noch der beklagte Landkreis haben darlegen können, dass es zur Abdeckung des Gebiets des Beklagten zwingend der Anbringung eines DAU an diesem Standort bedurfte. Nach Auskunft des Innenministeriums betreibt jeder Landkreis in Baden-Württemberg durchschnittlich 25 bis 35 DAU. Auch angesichts dieser Zahl erscheint es dem Senat als zweifelhaft, inwieweit der zentrale DAU auf dem Stromberg-Hauptrücken für die Versorgung des Kreisgebiets des Beklagten zwingend geboten war. Auch und gerade unter Berücksichtigung der Sinnhaftigkeit redundanter Alarmierungseinrichtungen wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich gewesen, ob auch die Verwendung dezentraler DAU an anderer Stelle möglich, technisch ausreichend und finanziell vertretbar gewesen wäre. Hierfür hätte der Beklagte insbesondere eigene Gebäude, Gebäude des Landes, der Gemeinden oder nicht in ihrer Berufsfreiheit betroffener Dritter in Betracht ziehen können. Da sich die angegriffene Duldungsverfügung mit diesen Fragen nicht auseinandergesetzt und der Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren keine entsprechenden Gründe nachgeschoben hat, erweist sich die Verfügung als rechtsfehlerhafte Ermessensunterschreitung.
52 
Sollte die erneute Ermessensausübung der Beklagten zum Ergebnis kommen, dass allein der Standort der Klägerin für die vom Beklagten verfolgten Ziele einer größtmöglichen Erreichbarkeit der Gemeinden im Landkreis in Betracht kommt, so würde dies nach Auffassung des Senats dazu führen, dass für diese Inanspruchnahme des Funkturms der Klägerin eine Entschädigung nach Maßgabe der in II.1.a.bb (2) der Entscheidungsgründe dargelegten Grundsätze zu gewähren wäre, da hier die allgemeine Eingriff-Nutzen-Relation, die der Gesetzgeber auch in § 31 Abs.3 FwG vor Augen hatte, nicht mehr gegeben ist.
III.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
54 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung beruht auf einer engen Auslegung der Anforderungen, die nach dem grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an die Ermessensausübung und –begründung, insbesondere die Nachrangigkeit der Inanspruchnahme Privater und die evtl. Bemessung einer Entschädigung, zu stellen sind.
55 
Beschluss vom 28.09.2011
56 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG).
57 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
21 
Infolge des zum 19.11.2009 vollzogenen Zuständigkeitswechsels hinsichtlich der im Streit befindlichen Duldungsverfügung war das Rubrum auf der Beklagtenseite von Amts wegen – und im allseitigen Einvernehmen – zu ändern. An die Stelle der Gemeinde Cleebronn tritt als Beklagter der Landkreis Heilbronn. Durch das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.2009 (GBl. S. 633) ist die Zuständigkeit für den Erlass und den Vollzug von Verfügungen nach § 33 Abs. 3 FwG a.F. (nunmehr § 31 Abs. 3 FwG n.F.) von den Gemeinden auf die Landkreise übergegangen. Dieser Zuständigkeitswechsel ergibt sich aus der Herausnahme des Tatbestands der Beschaffung von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen in § 3 Abs. 2 Satz 1 FwG a.F. („Aufgaben der Gemeinden“) und die Ergänzung von § 4 FwG um einen neuen Absatz 3, der die Landkreise dazu verpflichtet, zur Alarmierung der Gemeindefeuerwehren geeignete Kommunikationsnetze zu errichten und zu betreiben, sofern nicht solche des Landes hierfür verwendet werden können.
22 
1. Geht – wie hier – während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Zuständigkeit zum Erlass eines Verwaltungsakts auf eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft über, findet ein gesetzlicher Parteiwechsel statt, der keine Klageänderung nach §§ 125 Abs. 1 und 91 VwGO darstellt und lediglich zu einer Rubrumsberichtigung von Amts wegen führt. Die nunmehr zuständige Körperschaft tritt an die Stelle der bislang zuständigen Körperschaft in das anhängige Verfahren ein, ohne dass es besonderer Prozesserklärungen bedürfte (vgl. BVerwG, Urteil v. 02.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148; Urteil v. 30.05.2002 - 5 C 14.01 - BVerwGE 116, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 13.03.1969 - II 708/67 - ESVGH 20,145; Urteil v. 08.03.1995 - 8 S 3345/94 - RdL 1995, 279 = ZfW 1996, 386; Urteil v. 25.11.2008 - 10 S 2702/06 - NuR 2009, 650).
23 
2. Der Parteiwechsel kann auch im zweiten Rechtszug noch festgestellt werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.03.2004 – 4 S 675/02 – ESVGH 54, 175 = VBlBW 2004, 303 = DÖV 2004, 668; vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, NVwZ-RR 1990, 44 f. m.w.N.). Dem Beklagten wird dadurch zwar eine Instanz genommen. Das ist aber jedenfalls dann hinzunehmen, wenn die bislang zu Unrecht als Beklagte bezeichnete Körperschaft der Klage – wie hier – sorgfältig und ersichtlich mit sachkundiger Hilfe der Beamten des Landratsamts entgegen getreten ist und der Beklagte dem Parteiwechsel zugestimmt hat.
24 
3. Der Parteiwechsel erstreckt sich einheitlich auf den gesamten Verfahrensgegenstand. Die Klägerin wendet sich nicht allein gegen die tatsächliche Anbringung des Alarmumsetzers. Vielmehr richtet sich das klägerische Begehren im Wesentlichen gegen die Auferlegung einer Pflicht zur entschädigungslosen Duldung der dauerhaften Nutzung und Wartung des DAU, weshalb hier der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt.
II.
25 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht Stuttgart statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die angegriffene Duldungsverfügung der Gemeinde Cleebronn vom 10.06.2009 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Heilbronn vom 15.07.2009 ist materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26 
Maßstab für die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der Verfügung ist dabei im vorliegenden Fall allein § 31 Abs. 3 FwG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.2009 (GBl. S. 633), weil der Schwerpunkt des Begehrens der Klägerin nicht auf der Abwehr der Anbringungspflicht, sondern auf der Auferlegung einer dauernden Pflicht zur entschädigungslosen Duldung liegt (vgl. BVerwG, Urteil v. 25.04.2001 – 6 C 6/00 – BVerwGE 114, 160 (166) = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 1 S. 4; Urteil v. 19.09.2007 – 6 C 34/06 – Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2; Urteil v. 18.06.2008 – 3 C 5/08 – Buchholz 418.72 WeinG Nr. 31; jeweils m.w.N.).
27 
1. Zwar liegt mit § 31 Abs. 3 FwG n.F. eine wirksame Rechtsgrundlage vor. Insoweit knüpft der Senat an die Überlegungen an, die er mit Blick auf die frühere Fassung dieser Norm bereits in seinem Urteil vom 24.04.2008 - 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228 <228 ff.>) entwickelt hat. Schon in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren hatte die Klägerin die Verfassungsmäßigkeit ihrer unentgeltlichen Inanspruchnahme am Maßstab der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit in Zweifel gezogen. Der Senat hat damals in der gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 3 FwG a.F. einen Eingriff in beide Grundrechte erblickt, ihn aber als gerechtfertigt angesehen; die Klage hatte im Ergebnis (nur) wegen eines beachtlichen Verstoßes gegen die bisherigen Regelungen über die sachliche Zuständigkeit Erfolg.
28 
Durch das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.2009 (GBl. S. 633) ist der bisherige § 33 Abs. 3 FwG (nunmehr § 31 Abs. 3 FwG) – der technischen Entwicklung entsprechend (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FwG n.F. auf LT-Drs. 14/5103, S. 32) – auf alle Kommunikationseinrichtungen ausgeweitet worden, die zur Erfüllung der Aufgaben der Feuerwehr notwendig sind. Außerdem hat die Vorschrift eine sprachliche Schärfung erfahren, die den ohnehin geltenden (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <230 f.>) Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Ausdruck verleiht. Soweit diese Anforderungen gewahrt sind, kann der Eingriff aber auch nach der Neufassung entschädigungslos vorgenommen werden.
29 
An der Wirksamkeit einer derartigen gesetzlichen Regelung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung im Ergebnis fest.
30 
a. § 31 Abs. 3 FwG n.F. verstößt nicht gegen die Berufsfreiheit.
31 
aa. Die gesetzliche Regelung als solche stellt schon keinen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG dar. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228 <229>) festgestellt hat, ist die Berufsfreiheit grundsätzlich nur dann beeinträchtigt, wenn sich der zur Prüfung gestellte Hoheitsakt unmittelbar auf die Berufstätigkeit bezieht oder zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweist (grundlegend BVerfG, Beschl. v. 23.04.1974 – 1 BvL 19/73 – BVerfGE 37, 121 <131>). Das setzt zwar nicht voraus, dass spezifisch einzelne Berufe betroffen sind. Auch Regelungen, die zahlreiche oder alle Berufe betreffen und insofern berufsneutral sind, können an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sein (BVerfG, Beschl. v. 18.11.2003 – 1 BvR 302/96 – BVerfGE 109, 64 <85>). Die Berufsfreiheit scheidet aber als Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit gesetzlicher Regelungen aus, die sich nicht zumindest typischerweise auf ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten beziehen (BVerfG, Urteil v. 24.11.2010 – 1 BvF 2/05, DVBl 2011, 100 = NVwZ 2011, 94, unter C.II.4.a.aa.). Abstrakt-generelle Regelungen, die sich an einen breiten Adressatenkreis richten und damit zwar auch Berufstätige, in gleicher Weise und Intensität aber ebenso Nichtberufstätige betreffen, müssen sich daher nicht an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen. Ebenso wie § 33 Abs. 3 FwG a.F. ermächtigt auch die gesetzliche Regelung des § 31 Abs. 3 FwG n.F. nach Wortlaut und Sinn zu einem behördlichen Handeln, das sich unterschiedslos gegen Berufsträger i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG und gegen Personen richten kann, die das betroffene Grundstück zu eigenen Wohnzwecken oder im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung, mithin nicht beruflich nutzen.
32 
bb. Dass der Anwendung von § 31 Abs. 3 FwG n.F. im Einzelfall – wie das Beispiel der Klägerin zeigt – eine berufsregelnde Tendenz zukommen kann (vgl. § 36 FwG n.F.), ändert an der Berufsneutralität der abstrakt-generellen gesetzlichen Regelung nichts, kann aber Anlass zu einer verfassungskonformen – restriktiven – Auslegung von § 31 Abs. 3 FwG n.F. im Lichte der Berufsfreiheit geben, soweit sich die entschädigungslose Inanspruchnahme gewerblicher Infrastrukturanbieter im Einzelfall als nicht erforderlich oder nicht angemessen erweist.
33 
(1) Die Formulierung „ohne Entschädigung“ in § 31 Abs. 3 FwG n.F. ist nicht als Verbot einer – u.U. verfassungsrechtlich gebotenen – Kompensationsleistung zu verstehen, sondern lediglich als Ermächtigung der öffentlichen Hand, in Fällen einer geringfügigen und zumutbaren Belastung von der Zahlung einer Entschädigung abzusehen. In der Neufassung von § 31 Abs. 3 FwG lässt das Zusammenspiel der Worte „ohne Entschädigung“ mit dem nachgelagerten Nebensatz („wenn dies zu keiner unverhältnismäßigen Belastung […] führt“) der Behörde deshalb nicht nur die Wahl zwischen der Inanspruchnahme Privater auf entschädigungslose Duldung und dem völligen Verzicht auf den Erlass einer Duldungsanordnung. Der auch grammatikalisch nahe liegende Bezug des Pronomens „dies“ auf die vorangehenden Worte „ohne Entschädigung“ lässt vielmehr erkennen, dass das Gesetz durchaus Raum für eine entschädigungspflichtige Duldung lässt. Auch die Befugnis zur Anordnung einer entschädigungspflichtigen Duldung ist – als Minus gegenüber der entschädigungslosen Inanspruchnahme – eine von § 31 Abs. 3 FwG gedeckte Rechtsfolge. Sie ist in allen Fällen von Bedeutung, in denen die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs im Einzelfall nur durch Zahlung einer Entschädigung gewahrt werden kann.
34 
(2) Die öffentliche Hand ist auch gegenüber gewerblichen Anbietern von Funkinfrastruktur von Verfassungs wegen nicht dazu verpflichtet, für die Inanspruchnahme von Kapazitäten zu öffentlichen Zwecken ein marktübliches Entgelt zu entrichten. Ebenso wie die Eigentumsfreiheit schützt die Berufsfreiheit allein das negative Interesse des Betroffenen. Wer nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. zur Duldung von Kommunikationseinrichtungen verpflichtet und dadurch mehr als geringfügig in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt wird, kann deshalb nur verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er ohne die Inanspruchnahme für öffentliche Zwecke stünde. Geboten ist danach ein Ersatz der konkreten Grenzkosten, die dem Betroffenen ohne diese Inanspruchnahme nicht entstanden wären. Eine Beteiligung der öffentlichen Hand an den Gemeinkosten des Betroffenen ist demgegenüber verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Senat hält deshalb auch daran fest, dass ein Ersatz des entgangenen Gewinn nur in Betracht kommt, wenn durch die Inanspruchnahme ein zahlender Nutzer verdrängt wird (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <231>).
35 
b. § 31 Abs. 3 FwG n.F. verstößt auch nicht gegen die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG). Wie der Senat in seinem Urteil vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228 <231>) dargelegt hat, begegnet die gesetzliche Grundlage für die Auferlegung einer Duldungspflicht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Regelung begrenzt zwar die privatautonome und privatnützige Verwendbarkeit eigentumsfähiger Gegenstände und greift damit in den Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung ein. Bei verfassungskonformer Auslegung hält sich aber die Anordnung, dass die Anbringung ohne Entschädigung zu dulden ist, wenn dies zu keiner unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers oder Besitzers führt, im Rahmen der Grenzen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 GG.
36 
aa. Anders als Enteignungsregelungen (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) bedürfen Inhalts- und Schrankenbestimmungen grundsätzlich keiner Ausgleichs- oder Entschädigungsklausel. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur, wenn die Inhalts- und Schrankenbestimmung für sich genommen unzumutbar wäre, weil sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließt (BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 <243 f.>). Dazu muss bereits bei der Normgebung erkennbar sein, dass die angegriffene Vorschrift nach ihrer Konzeption regelmäßig oder jedenfalls in einer bedeutenden Zahl von Anwendungsfällen so intensiv in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumspositionen eingreift, dass die Inanspruchnahme der betroffenen Adressaten nur durch eine anderweitige, regelmäßig in Geld zu bemessende Kompensation den Anforderungen der Angemessenheit noch entspräche. Entsprechendes gilt, wenn zwar die Zahl der Adressaten verschwindend gering, in diesen wenigen Fällen die Schwere der Eigentumsbeeinträchtigung aber so hoch wäre, dass sich diese Anwendungsfälle in einer bereits dem Gesetzgeber erkennbaren Weise als Härtefälle darstellen. Eine gesetzliche Ausgleichsklausel ist aber nicht schon dann erforderlich, wenn es in atypischen und seltenen Einzelfällen zu Eigentumsbeeinträchtigungen kommen kann, die sich allein vor dem Hintergrund anderer Freiheitsrechte (hier: der Berufsfreiheit) als auf der Rechtsanwendungsebene ausgleichspflichtig erweisen, eigentumsrechtlich aber noch keine besondere und unzumutbare Härte i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen, sondern sich innerhalb der Grenzen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums halten und bei denen die – engen, den Abstand zu Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG wahrenden – Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausgleichsklausel in die gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung (BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 <243 f.>) nicht vorliegen.
37 
bb. Nach diesen Maßstäben bedurfte § 31 Abs. 3 FwG n.F. keiner Ausgleichs- oder Entschädigungsklausel. Traditionell bestehen in jedem Landkreis zahlreiche Feuermelde- und Alarmierungseinrichtungen. Der Gesetzgeber war sich dieser kleinteiligen Strukturen bewusst. Das Gesetz weist insofern eine hohe Streubreite auf. Wie bereits die Vorgängernorm (dazu Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <229>) ist auch § 31 Abs. 3 FwG n.F. nach der Konzeption des Gesetzgebers Rechtsgrundlage für eine Vielzahl von Duldungsverfügungen; sie zielt auf einen breiten und heterogenen Adressatenkreis. Zu ihm zählen neben der Klägerin vor allem Eigentümer und Besitzer privater Wohngebäude, rein vermögensverwaltende Eigentümer von Gewerbeimmobilien, daneben aber auch staatliche, kommunale und kirchliche Körperschaften, Anstalten und Zweckvermögen des öffentlichen oder des privaten Rechts.
38 
Der Senat verkennt nicht, dass die Aufnahme des in der Vorgängerfassung noch nicht explizit enthaltenen Verhältnismäßigkeitsvorbehalts in § 31 Abs. 3 FwG n.F. in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vorgehen der Klägerin gegen ihre unentgeltliche und entschädigungslose Inanspruchnahme stand und dass gerade die Klägerin – als einzige professionelle Betreiberin von Funkinfrastrukturstandorten – an insgesamt 22 Standorten in Baden-Württemberg DAU für die Feuerwehren zu dulden hat (Schriftsatz v. 26.09.2011, Bl. 155 der Akten). Auch wenn sich in ihrem Fall ex ante abgezeichnet hat, dass sie an mehr als einem Standort Alarmierungseinrichtungen zu dulden haben würde, durfte der Gesetzgeber die Beeinträchtigungen ihres eigentumsrechtlich geschützten Integritätsinteresses noch als so gering ansehen, dass sie sich innerhalb des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 GG gesetzten Rahmens halten (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <231>).
39 
2. Die angegriffene Verfügung ist auch tatbestandlich von § 31 Abs. 3 FwG n.F. gedeckt.
40 
a. Die Klägerin gehört zu dem Kreis derjenigen, die aus § 31 Abs. 3 FwG n.F. verpflichtet werden können. Sie ist Inhaberin der unmittelbaren Sachherrschaft über das Grundstück, auf dem der Funkturm errichtet ist, und über diesen Funkturm selber. Damit ist sie zugleich Besitzerin des Grundstücks und Besitzerin einer baulichen Anlage. Sie erfüllt mithin die persönlichen Voraussetzungen des für die heutige Beurteilung der angegriffenen Verfügung allein maßgeblichen § 31 Abs. 3 FwG n.F.
41 
Die Rechtslage wäre aber selbst dann nicht abweichend zu beurteilen gewesen, wenn man die Gesetzesfassung zugrunde gelegt hätte, die bei Erlass der Verfügung galt. Damals war der Kreis tauglicher Adressaten nach dem Wortlaut von § 33 Abs. 3 FwG a.F. auf die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken (nicht auch von baulichen Anlagen) beschränkt. Soweit die Nutzung einer baulichen Anlage aber zwingend eine exklusive Zuordnung des unmittelbaren Besitzes eines Teils des Grundstücks (hier: der Standfläche des Funkturms) zu dem Besitzer der baulichen Anlage voraussetzte, erfüllten auch nach alter Rechtslage die Besitzer dieser baulichen Anlage die Anforderungen des § 33 Abs. 3 FwG a.F. Dies galt unabhängig davon, ob der Funkturm zivilrechtlich als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks i.S.d. §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 BGB oder als bloßer Scheinbestandteil anzusehen war (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <232>).
42 
b. Der zur Alarmierung der Feuerwehr bestimmte DAU ist auch gegenständlich von § 31 Abs. 3 FwG n.F. erfasst. Der Senat hat bereits zu § 33 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 FwG a.F. entschieden, dass Geräte zur sog. „stillen Alarmierung“ als Alarmeinrichtungen i.S.d. § 33 Abs. 3 FwG i.V.m. § 3 Abs. 2 FwG a.F. anzusehen waren (Senatsurt. v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <232>). Auch in ihrer Neufassung erstreckt sich die Vorschrift auf alle zur Aufgabenerfüllung der Feuerwehr notwendigen Einrichtungen zur Kommunikation, insbesondere zur Alarmierung. Zu ihnen zählen neben klassischen Feuermeldern und -sirenen auch Funkanlagen wie der streitgegenständliche DAU, die der Alarmierung der Mitglieder der Feuerwehr durch die Leitstelle dienen.
43 
3. Die Duldungsverfügung ist aber ermessensfehlerhaft. Die Gemeinde Cleebronn hat die Anforderungen, die nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. i.V.m. § 40 LVwVfG und den Grundrechten in der konkreten Situation an den Erlass einer Duldungsverfügung zu stellen waren, nicht gewahrt.
44 
a. Dabei kann offen bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Duldungsverfügung wegen ihrer Dauerwirkung auch insoweit einheitlich nach der heutigen Rechtslage zu beurteilen ist, als es um die eher prozesshaften Anforderungen an die ordnungsmäßige Ermessensausübung geht. Wenn es maßgeblich auf das zum Erlasszeitpunkt anwendbare alte Recht ankommen sollte, ergäbe sich ein Verstoß gegen § 40 LVwVfG bereits aus einem Ermessensausfall der Gemeinde Cleebronn. Denn die Gemeinde hat das nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FwG a.F. allein ihr obliegende Auswahlermessen ersichtlich nicht selber ausgeübt, sondern erschien bei Vorbereitung und Erlass der angegriffenen Verfügung als Werkzeug einer übergemeindlichen Planung des beklagten Landkreises.
45 
b. Wenn man demgegenüber von der einheitlichen Maßgeblichkeit des heutigen Rechts für die Vereinbarkeit eines Dauerverwaltungsakts mit den Anforderungen des materiellen Rechts ausgeht, erweist sich die angegriffene Verfügung ebenfalls als ermessensfehlerhaft. Die beteiligten Behörden haben sich nicht in ausreichendem Umfang mit der Frage auseinander gesetzt, ob es eines Alarmumsetzers auf dem von der Klägerin betriebenen Funkturm bedurfte.
46 
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ermessensausübung ist allerdings nicht schon dadurch verletzt, dass der DAU auf dem Funkturm der Klägerin ersichtlich ein weit über das Gebiet der Gemeinde Cleebronn hinausreichendes Gebiet versorgen sollte. Zwar ist die Feuerwehr nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FwG eine gemeindliche Einrichtung; daran hat auch die Novelle des FwG vom 10.11.2009 (GBl. S. 633) nichts geändert. Deshalb müssen die nach § 4 Abs. 3 FwG n.F. von den Landkreisen vorzuhaltenden Alarmierungseinrichtungen und die darauf bezogene Inanspruchnahme Privater nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. primär den örtlichen Bedürfnissen entsprechen. Anders als vor der Verlagerung der Zuständigkeit für Errichtung und Betrieb der Kommunikationsnetze von den Gemeinden auf die Landkreise ist nach § 4 Abs. 3 FwG n.F. aber ein landkreisweit einheitliches, in der Infrastruktur nicht nach Gemeinden segmentiertes Kommunikationsnetz zulässig und geboten. Das Anliegen einer gemeindeübergreifenden Kommunikationsinfrastruktur ist deshalb insoweit nicht mehr zu beanstanden, als die Alarmierungseinrichtungen nach der – maßgeblichen – heutigen Rechtslage gemeindeübergreifend angelegt und betrieben werden sollen. Im Grundsatz dürfen die Standorte für DAU daher durchaus so gewählt werden, dass sie in ihrer Gesamtheit der Alarmierung sämtlicher Feuerwehren auf dem Gebiet eines Landkreises dienen.
47 
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 24.04.2008 – 1 S 174/08 – (ESVGH 58, 228) ausgeführt hat, unterliegt die Ausübung des behördlichen Entschließungs- und Auswahlermessens im Anwendungsbereich der Grundrechte aber erhöhten Rechtfertigungsanforderungen. Soweit die Behörde den verfolgten Zweck auch ohne Eingriffe in die Berufs- oder Eigentumsfreiheit erreichen könnte und ihr Ermessen gleichwohl in der Weise auszuüben beabsichtigt, dass sie in Grundrechte eingreift, sind erhöhte Anforderungen an die Ermessensausübung zu stellen. Sie ergeben sich unmittelbar aus dem betroffenen Grundrecht und dem in ihm enthaltenen – in § 31 Abs. 3 FwG n.F. nunmehr ausdrücklich in Bezug genommenen – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus ihm folgt, dass die Inanspruchnahme Privater nur nachrangig in Betracht kommt (Senatsurt. v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <230 f.>).
48 
Die Anforderungen an eine Einschränkung von Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sind dabei umso höher, je lockerer der Konnex zwischen dem Grundrechtseingriff und dem individuellen Nutzen ist, den der Eingriff für den Grundrechtsträger hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.01.1995 – 1 BvL 18/93 u.a. – BVerfGE 92, 91 <120 f.>). Solange die Errichtung und der Betrieb von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen genuin gemeindliche Aufgaben waren, bestand typischerweise eine enge Verknüpfung zwischen der Duldungspflicht und dem individuellen Brandschutz. Dieser örtlich radizierte Eingriffs-Nutzen-Zusammenhang war gerade für das Feuerwehrrecht charakteristisch. Mit Übergang der Zuständigkeit für Errichtung und Betrieb der zur Alarmierung der Gemeindefeuerwehren geeigneten Kommunikationsnetze auf die Landkreise (§ 4 Abs. 3 FwG n.F.) ist dieser Zusammenhang von Rechts wegen aber weiter gelockert worden. Durch die überörtliche, nunmehr auf das gesamte Gebiet eines Landkreises erstreckte Bedeutung der Kommunikationsnetze hat auch jeder einzelne DAU seinen funktionalen Bezug auf ein spezifisches Gemeindegebiet verloren. Zugleich steigt die Neigung zu einer Konzentration von DAU an zentralen und exponierten Standorten. Damit verändert sich auch die Zusammensetzung des Kreises möglicher Adressaten von Duldungsverfügungen nach § 31 Abs. 3 FwG n.F. Dies zeigt die verstärkte Inanspruchnahme der Klägerin an 22 Standorten, ohne dass von ihr eine gesteigerte Feuergefahr ausginge.
49 
c. Diesen gesteigerten Anforderungen hält die angegriffene Verfügung nicht stand. Die angegriffene Duldungsverfügung greift in die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG), aber auch in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Klägerin ein (Senatsurteil v. 24.04.2008 – 1 S 174/08 – ESVGH 58, 228 <229, 231>). Je für sich begründen beide Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension im konkreten Fall einen grundsätzlichen Vorrang der Nutzung öffentlicher Grundstücke und baulicher Anlagen für die Anbringung und den Betrieb von DAU. Der Erlass einer gegen Private gerichteten Duldungsverfügung setzt deshalb voraus, dass keine gleich geeigneten öffentlichen Flächen zur Verfügung stehen, dass die Anbringung der Kommunikationseinrichtungen auf öffentlichem Grund nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder aus anderen Gründen mit erheblichen Nachteilen verbunden ist.
50 
Zwar hat der Beklagte konkret erwogen, auf dem staatlichen Nachbargrundstück im Bereich der Ausbildungsstätte und des Forstbetriebshofs „Turmhütte“ in einer Entfernung von 110 m von dem Funkturm der Klägerin einen eigenen Sendemast zu errichten und zu betreiben (Schreiben an die Klägerin v. 20.03.2009, Bl. 3 der Akten des Landratsamts; Schreiben an das Regierungspräsidium Tübingen – Forstdirektion – v. 03.03.2009, Bl. 5 der Akten des Landratsamts). Da sich dieser Standort aber nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand von rd. 50.000 Euro für die Errichtung und Erschließung eines neuen Sendemasten und unter Inkaufnahme zusätzlicher Eingriffe in die Natur für die Anbringung eines DAU hätte nutzen lassen, brauchte die Behörde diese Option nicht weiter zu verfolgen.
51 
Ein Ermessensfehler liegt aber darin, dass die Behörden allein den exponierten Standort auf dem Stromberg-Hauptrücken in den Blick genommen, aber keine weiteren Alternativstandorte in Erwägung gezogen haben. Weder die zunächst beklagte Gemeinde noch der beklagte Landkreis haben darlegen können, dass es zur Abdeckung des Gebiets des Beklagten zwingend der Anbringung eines DAU an diesem Standort bedurfte. Nach Auskunft des Innenministeriums betreibt jeder Landkreis in Baden-Württemberg durchschnittlich 25 bis 35 DAU. Auch angesichts dieser Zahl erscheint es dem Senat als zweifelhaft, inwieweit der zentrale DAU auf dem Stromberg-Hauptrücken für die Versorgung des Kreisgebiets des Beklagten zwingend geboten war. Auch und gerade unter Berücksichtigung der Sinnhaftigkeit redundanter Alarmierungseinrichtungen wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich gewesen, ob auch die Verwendung dezentraler DAU an anderer Stelle möglich, technisch ausreichend und finanziell vertretbar gewesen wäre. Hierfür hätte der Beklagte insbesondere eigene Gebäude, Gebäude des Landes, der Gemeinden oder nicht in ihrer Berufsfreiheit betroffener Dritter in Betracht ziehen können. Da sich die angegriffene Duldungsverfügung mit diesen Fragen nicht auseinandergesetzt und der Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren keine entsprechenden Gründe nachgeschoben hat, erweist sich die Verfügung als rechtsfehlerhafte Ermessensunterschreitung.
52 
Sollte die erneute Ermessensausübung der Beklagten zum Ergebnis kommen, dass allein der Standort der Klägerin für die vom Beklagten verfolgten Ziele einer größtmöglichen Erreichbarkeit der Gemeinden im Landkreis in Betracht kommt, so würde dies nach Auffassung des Senats dazu führen, dass für diese Inanspruchnahme des Funkturms der Klägerin eine Entschädigung nach Maßgabe der in II.1.a.bb (2) der Entscheidungsgründe dargelegten Grundsätze zu gewähren wäre, da hier die allgemeine Eingriff-Nutzen-Relation, die der Gesetzgeber auch in § 31 Abs.3 FwG vor Augen hatte, nicht mehr gegeben ist.
III.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
54 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung beruht auf einer engen Auslegung der Anforderungen, die nach dem grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an die Ermessensausübung und –begründung, insbesondere die Nachrangigkeit der Inanspruchnahme Privater und die evtl. Bemessung einer Entschädigung, zu stellen sind.
55 
Beschluss vom 28.09.2011
56 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG).
57 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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(1) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist.

(2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. November 2001 - 9 K 1711/00 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist Frauenvertreterin bei dem Universitätsklinikum Tübingen und rügt die Verletzung ihrer sich aus dem Frauenförderungsgesetz - FG - ergebenden Teilnahme- und Beteiligungsrechte durch den Beklagten.
Mit Schreiben vom 21.09.1998 wandte sich die Klägerin an den Vorsitzenden des Beklagten mit der Bitte, ihr Gelegenheit zur Teilnahme an den Klinikumsvorstandssitzungen zu geben und ihr die Tagesordnungen der Sitzungen vorab zur Kenntnis vorzulegen. Daraufhin beschloss der Beklagte am 27.10.1998, dass eine Herausgabe der gesamten Tagesordnung im Vorfeld der Klinikumsvorstandssitzungen nicht erfolge, sondern der Vorsitzende des Vorstands entscheide, zu welchen einzelnen und Frauenbelange berührenden Tagesordnungspunkten die Klägerin als Frauenvertreterin zur Besprechung mit dem Klinikumsvorstand hinzugezogen und über welche Punkte sie vorab informiert werde.
Die von der Klägerin dagegen erhobene und gegen das Universitätsklinikum Tübingen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20.11.2001 nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.
Mit der vom Senat durch Beschluss vom 08.03.2002 zugelassenen Berufung beantragt die Klägerin sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20.11.2001 - 9 K 1711/00 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr vor jeder Sitzung des Klinikumsvorstandes die Tagesordnung für die Sitzung zu übersenden sowie sie zu den Sitzungen des Klinikumsvorstandes zuzulassen und ihr auf diesen Sitzungen Rederecht zu gewähren.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ungeachtet ihrer Zuordnung zur Dienststellenleitung und ihrer Eingliederung in die Verwaltung seien ihr in ihrer Funktion als Frauenvertreterin in § 14 Abs. 1 FG Informations- und Beteiligungsrechte, insbesondere das Recht auf Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Dienststellenleitungsbesprechungen eingeräumt. Bezüglich der Wahrnehmung dieser Verfahrensrechte stehe der Dienststellenleitung keinerlei Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu. Diese Rechtsposition spreche dafür, dass die gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen eingeklagt werden könnten, auch wenn dies nicht ausdrücklich normiert sei. Aus der Vorschrift des § 15 FG könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, da das dort geregelte Beanstandungsverfahren nicht die organschaftlichen Befugnisse der Frauenvertreterin, sondern allein die Rechte vermeintlich benachteiligter Frauen in der Dienststelle betreffe.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus, die Klägerin sei als Frauenvertreterin Teil der Verwaltung des Universitätsklinikums und könne in dieser Funktion keine eigenen subjektiven Rechte geltend machen. Die der Frauenvertreterin im Frauenförderungsgesetz eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse dienten allein der Unterstützung der Dienststellenleitung bei der Umsetzung des Gesetzes, vermittelten dieser jedoch keine organschaftliche Rechtsstellung. Der Gesetzgeber habe den Frauenvertreterinnen insofern bewusst keinen gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung gestellt.
10 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts (AZ 9 K 1711/00) und des Beklagten (1 Band) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
12 
Die zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, wobei die Zulässigkeit des Rechtswegs vom Senat nicht zu prüfen ist (§ 17a Abs. 5 GVG).
13 
Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung der Klägerin, ihr stehe als Frauenvertreterin ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme an den Sitzungen des Klinikumsvorstandes, auf Einräumung eines Rederechtes in diesen Sitzungen sowie auf vorherige Übersendung der entsprechenden Tagesordnungen zu. Richtiger Beklagter kann dementsprechend nur diejenige Stelle sein, der gegenüber - nach der insoweit zu Grunde zu legenden rechtlichen Auffassung der Klägerin - die geltend gemachten Rechtspositionen bestehen sollen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.1989, NVwZ 1990, 188). Das ist hier nicht das Universitätsklinikum Tübingen, vertreten durch den Klinikumsvorstand, sondern der Klinikumsvorstand selbst. Dementsprechend war das Passivrubrum zu berichtigen und statt des Universitätsklinikums Tübingen dessen Klinikumsvorstand als Beklagter aufzuführen. Darin liegt keine Klageänderung in Gestalt eines Parteiwechsels gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO. Denn mit der Änderung des Rubrums wird lediglich klargestellt, dass der bisher als Vertreter des beklagten Universitätsklinikums bezeichnete Klinikumsvorstand selbst die Rechtsstellung eines Beteiligten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.1992, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 33 m.w.N.). Ist der Beklagte falsch bezeichnet, aber - wie hier - zweifelsfrei erkennbar, gegen wen sich die Klage in der Sache richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen, unbeschadet dessen, dass das fälschlich als Beklagter bezeichnete Universitätsklinikum in der Vorinstanz als solcher behandelt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, NVwZ-RR 1990, 44 f. m.w.N.).
14 
Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unzulässig ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
15 
Stehen sich eine Funktionsträgerin und ein Organ - hier die Frauenvertreterin sowie der Klinikumsvorstand (§ 8 Satz 1 Universitätsklinika-Gesetz - UKG -) - derselben juristischen Person - hier des Universitätsklinikums Tübingen als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UKG) - in einem Rechtsstreit gegenüber, handelt es sich um ein Organstreitverfahren, das die Rechtsbeziehungen innerhalb der juristischen Person zum Gegenstand hat. Die Rechtsprechung räumt bei derartigen internen Kompetenzkonflikten rechtlich unselbständigen Organen oder Funktionsträgern unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis ein, sich gegen die Verletzung ihnen organisationsrechtlich zugewiesener Zuständigkeiten zu wehren (grundlegend BVerwG, Urteil vom 21.06.1974, NJW 1974, 1836; vgl. auch Urteil vom 06.11.1991, NJW 1992, 927, sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.11.1989 - 11 S 320/89 -, VBlBW 1990, 192 f.). Zwar ist mit der Zuordnung einer Kompetenz an ein Organ bzw. an einen Funktionsträger in aller Regel nicht zugleich auch eine Rechtsposition verbunden, die wie ein subjektives Recht im Außenverhältnis gegen "Übergriffe" anderer Organe oder Funktionsträger durch Anrufung des Gerichts verteidigt werden könnte. Denn unabhängig davon, dass die Möglichkeit körperschaftsinterner Auseinandersetzungen jeder Kompetenzverteilung immanent ist, erfolgt die Kompetenzzuweisung grundsätzlich nicht zum Schutze "eigennützig" wahrzunehmender Interessen der kompetenzbelehnten Stelle, sondern dient in der Regel allein dem einwandfreien und reibungslosen Funktionsablauf innerhalb der Gesamtorganisation und damit der Wahrung öffentlicher Interessen (vgl. Wißmann, ZBR 2003, 303; Martensen, JuS 1995, 989; Schoch, JuS 1987, 786; Bethge, DVBl. 1980, 313; Papier, DÖV 1980, 294; s. auch OVG Sachsen, Beschlüsse vom 15.08.1996, LKV 1997, 229 f., sowie vom 25.09.1998, NJW 1999, 2832 f.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.).
16 
Ausnahmsweise ist jedoch dann von der Übertragung einklagbarer Wahrnehmungsbefugnisse auszugehen, wenn dies entweder vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden ist oder wenn im Wege der Auslegung der jeweils einschlägigen Bestimmungen ermittelt werden kann, dass einem Funktionsträger als "Kontrastorgan" zum Zwecke einer sachgerechten Ausbalancierung innerkörperschaftlicher Interessengegensätze die eigenständige Bewältigung bestimmter Aufgabenbereiche zugewiesen wird und er insofern mit einer wehrfähigen Rechtsposition von der Rechtsordnung ausgestattet worden ist (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 95 f.; Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 40 Rdnr. 15; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.02.1997 - 10 S 59/97 -, DÖV 1997, 693 f.; Beschluss vom 27.10.1977 - IX 2682/77 -, DVBl. 1978, 274 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.1999, NVwZ-RR 2000, 375 f.; Beschluss vom 01.12.1994, NVwZ-RR 1995, 411 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 20.02.1989, NVwZ 1990, 174 f.; Martensen, JuS 1995, S. 989; Herbert, DÖV 1994, 108 ff.; Schoch, JuS 1987, S. 786). Die Beteiligungsfähigkeit des Organs bzw. Funktionsträgers wird hierbei in entsprechender Anwendung der für kommunalverfassungsrechtliche Streitverfahren geltenden Grundsätze aus § 61 VwGO hergeleitet, wobei offen bleiben kann, ob sich dies aus einer analogen Anwendung des § 61 Nr. 1 oder der Nr. 2 VwGO ergibt (zum Meinungsstand vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 61 Rdnr. 3). Für die Klagebefugnis, die bei Bejahung der Beteiligungsfähigkeit regelmäßig vorliegt, ist - unabhängig von der gewählten Klageart - die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend heranzuziehen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.10.1984, NVwZ 1985, 112 f., und vom 22.12.1988, Buchholz 415.1 Nr. 80).
17 
Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind für den hier zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführten Rechtsstreit nicht erfüllt. Denn der Gesetzgeber hat der Klägerin - wie die Auslegung der einschlägigen Vorschriften ergibt - in ihrer Funktion als Frauenvertreterin keine gerichtlich durchsetzbaren bzw. gerichtlich zu klärenden Rechtspositionen eingeräumt. Das folgt aus dem mit dem Frauenförderungsgesetz verfolgten Regelungszweck (dazu 1.) sowie aus der Systematik der im Gesetz getroffenen materiell- und verfahrensrechtlichen Befugnisse der Frauenvertreterin (dazu 2.) unter Berücksichtigung der entsprechenden Gesetzesmaterialien (dazu 3.).
18 
1. Ausgehend von dem Verfassungsgebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zielt das Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen und der Vereinbarung von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg - Frauenförderungsgesetz (FG) - vom 21.12.1995 (GBl. S. 890), verkündet als Art. 1 Landesgleichberechtigungsgesetz, auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes (vgl. § 1 FG). Die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes ist danach Pflichtaufgabe der staatlichen Dienststellen sowie der im Frauenförderungsgesetz genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung verpflichtet sind also nicht etwa die Frauenvertreterinnen als solche, sondern die genannten Dienststellen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Aufgabe der Frauenvertreterin ist es, die Dienststellenleitung bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu unterstützen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 FG) und insofern die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zu fördern. Letzteres geschieht im öffentlichen Interesse und bringt die Frauenvertreterin nicht in die Position einer gesetzlichen Interessenvertreterin der Frauen, die sie gewählt haben. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber lediglich eines mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Amtes innerhalb der Verwaltungsorganisation, um seine Pflichten zur Grundrechtsverwirklichung (besser) erfüllen zu können.
19 
Unter diesem rechtlichen Blickwinkel lässt sich nicht feststellen, dass der Gesetzgeber der Frauenvertreterin die Funktion eines "Kontrastorgans" zugewiesen hat, etwa um die Austragung von Interessengegensätzen und das Austarieren von Partikularinteressen innerhalb der Dienststelle institutionell abzusichern. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz nicht als eigenständiges Organ geschaffen worden - was grundsätzlich möglich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.1994, PersR 1995, 224 ff.) -, sondern der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 FG). Sie ist daher weder eine andere interne Organisationseinheit noch eine externe Stelle, sondern vielmehr Teil der Verwaltung, deren Verpflichtung, die Gleichberechtigung der Frauen in der Dienststelle durchzusetzen, sie unterstützt (vgl. auch Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Diese Anbindung an die Verwaltung lässt den gesetzgeberischen Willen erkennen, das Amt der Frauenvertreterin gerade nicht im Sinne einer Repräsentantin eines mit den Interessen der Dienststelle kollidierenden Fremdinteresses zu konzipieren (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f., VGH Hessen, Beschluss vom 30.08.1996, PersR 1997, 411 ff., sowie OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 ff., auf der Grundlage der jeweiligen Frauenförderungsgesetze, welche die Frauenvertreterinnen ebenfalls den Dienststellenleitungen unmittelbar zuordnen). Insofern grenzt die Zuordnung zur Leitung der Dienststelle das Amt der Frauenvertreterin deutlich von der als Repräsentativ- und damit als echtes Interessenvertretungsorgan der Beschäftigten wirkenden Personalvertretung ab, die einen ganz spezifischen Kontrollauftrag gegenüber der jeweiligen Dienststelle wahrnimmt und deshalb mit entsprechenden Klagebefugnissen ausgestattet ist (vgl. den die Beteiligungsrechte der Personalvertretungsorgane erfassenden § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG). Da die Dienststellenleitung und die ihr unmittelbar zugeordnete Frauenvertreterin nach der Konzeption des Frauenförderungsgesetzes nicht in einem derartigen, aus Interessengegensätzen resultierenden Spannungsverhältnis stehen, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sie mit der rechtlichen Bewehrung von Interessen dienenden Rechten ausstatten wollte.
20 
Eine andere Auslegung ist auch nicht im Hinblick auf die fachliche Weisungsfreiheit der Frauenvertreterin (§ 13 Abs. 1 Satz 2 FG) geboten. Diese soll allein deren sachliche Unabhängigkeit als fachkompetente Instanz gewährleisten und korrespondiert insofern mit ihrer Aufgabenstellung, die auf kritische Reflexion angelegt ist. Die Freistellung von Weisungen garantiert, dass frauenspezifische Belange ohne vorherige "Filterung" in die Willensbildung der Dienststellenleitung einfließen können und beim Durchlaufen der Verwaltungshierarchie nicht verfälscht oder gar unterdrückt werden. Sie bewirkt, dass die Frauenvertreterin insoweit vom Wohlwollen anderer Verwaltungsstellen unabhängig ist und dass die von ihr eingebrachten Gesichtspunkte nicht einfach übergangen werden können. Daraus folgt aber nicht, dass sie die von ihr zu vertretenden Belange als eigene Rechte ausübt (vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 f., zur gleichlautenden Vorschrift im sächsischen Frauenförderungsgesetz). Insbesondere ändert die weisungsfreie Tätigkeit nichts an dem zwischen Dienststellenleitung und Frauenvertreterin bestehenden Koordinationsverhältnis, in dessen Rahmen und entsprechend dem Gesetzeszweck beide gemeinsam auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu achten haben. Eine wehrfähige Rechtsposition wird hierdurch nicht begründet.
21 
Dieses aus dem Gesetzeszweck gewonnene Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist als Staatszielbestimmung ausgestaltet und beauftragt den einfachen Gesetzgeber, entsprechende Förderungs- und Nachteilsbeseitigungsregelungen zu erlassen, um ein Höchstmaß an tatsächlicher Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu bewirken. Über konkrete Maßnahmen, ihre aktuelle Erforderlichkeit sowie ihre Geeignetheit im Einzelnen sagt die Verfassung nichts aus (vgl. Scholz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2, Rdnr. 61). Die Entscheidung darüber, ob zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern die Institution einer Frauenvertreterin geschaffen wird und dieser auch gerichtlich durchsetzbare Beteiligungsrechte eingeräumt werden, obliegt demnach allein dem einfachen Gesetzgeber und wird von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f.).
22 
2. Die Annahme, der Klägerin stünden klagebewehrte Verfahrensrechte zu, findet auch im Übrigen im Frauenförderungsgesetz keine Stütze. Wehrfähige Wahrnehmungszuständigkeiten lassen sich nicht aus den der Frauenvertreterin konkret zugewiesenen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten, insbesondere auch nicht aus dem von der Klägerin geltend gemachten Teilnahmerecht an Dienststellenleitungsbesprechungen ableiten.
23 
Ob eine Verfahrensvorschrift dem durch sie Begünstigten - gegebenenfalls auch unabhängig vom materiellen Recht - eine gerichtlich selbständig durchsetzbare Rechtsposition gewähren will, hängt von der Zielrichtung und dem Schutzzweck der Norm in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung ab (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1980, DÖV 1980, 516 f. m.w.N.). Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass durch die insbesondere in § 13 bzw. § 14 FG eingeräumten Vortrags- bzw. Initiativ-, Beteiligungs-, Äußerungs- und Teilnahmerechte auch eine Anrufung der Gerichte zur unmittelbaren Entscheidung damit verbundener Fragen zugelassen wird.
24 
Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 FG normierte direkte Vortragsrecht besagt lediglich, dass der übliche Dienstweg nicht eingehalten werden muss und die Frauenvertreterin sich direkt an die Dienststellenleitung wenden kann, soweit sie Klärungsbedarf in Gleichberechtigungsfragen sieht. Das der Frauenvertreterin gemäß § 14 Abs. 2 FG zustehende Initiativrecht stellt nach der Gesetzesbegründung allein sicher, dass die Frauenvertreterin nicht nur auf Planungen der Dienststelle reagieren muss, sondern auch von sich aus aktiv Maßnahmen anregen kann (vgl. Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Die frühzeitige Beteiligung an - die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden - personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FG) soll im Sinne einer effektiven Verwaltungsarbeit verhindern, dass schon weitreichend konkretisierte Maßnahmen nochmals von vorn überdacht werden müssen, weil sich herausstellt, dass Gesichtspunkte der Gleichberechtigung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Von seinem Umfang und seiner gesetzlichen Ausgestaltung her räumt ein solches Beteiligungsrecht - ebenso wenig wie das Recht, sich zu frauenspezifischen Fragen zu äußern (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FG) oder an Dienststellenleitungsbesprechungen teilzunehmen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 FG) - der Frauenvertreterin keinerlei Entscheidungsbefugnis ein, sondern dient allein einer besseren Einbindung der gleichberechtigungsrelevanten Gesichtspunkte in den verwaltungsinternen Entscheidungsprozess. Bei dieser Art der Mitwirkung wird die Frauenvertreterin gewissermaßen gutachtlich und wegen Berührung ihrer Zuständigkeit gehört; ein rechtlich bindender Einfluss auf das Ergebnis der von der Dienststellenleitung zu treffenden Sachentscheidung wird ihr nicht eingeräumt. Hält sie im konkreten Fall Ergänzungen oder sachliche Änderungen für erforderlich, so setzt dies gegebenenfalls einen weiteren Abstimmungsprozess in Gang. Kommt es dabei zu keiner Einigung, verbleibt die Entscheidungskompetenz bei der zuständigen Verwaltungsspitze (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 FG). Zwar kann den genannten Vorschriften entnommen werden, dass die Frauenvertreterin eine selbständige Verfahrensstellung gegenüber der Dienststellenleitung einnehmen soll. Daraus folgt aber nicht, dass der Frauenvertreterin auch eigene, mit verwaltungsgerichtlicher Klage durchsetzbare Rechte im Verhältnis zur Dienststellenleitung zustehen. Denn die genannten Befugnisse sollen allein die innerbehördliche Kompetenzwahrnehmung durch die Frauenvertreterin sicherstellen, ihr aber keine organisatorisch verselbständigte Innenrechtsposition einräumen, die sie wie ein eigenes partikulares Interesse gegen Beeinträchtigungen auf dem Klageweg verteidigen könnte.
25 
Dass dies auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich insbesondere aus der Vorschrift des § 15 Abs. 3 FG, der die Folgen der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilung ausdrücklich regelt. Danach soll der Vollzug einer die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden Maßnahme bis zum Ablauf einer Woche nach Unterrichtung der Frauenvertreterin ausgesetzt werden, wenn diese entgegen § 14 Abs. 1 Satz 2 FG nicht oder nicht rechtzeitig beteiligt worden ist. Konsequenz der Nichtbeteiligung der Frauenvertreterin ist daher lediglich die kurzfristige aufschiebende Wirkung der beschlossenen Maßnahme, deren Eintritt - da es sich um eine bloße Soll-Vorschrift handelt - nicht einmal zwingend vorgeschrieben ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Frauenvertreterin sämtliche von der Dienststellenleitung getroffenen personellen, sozialen sowie organisatorischen Maßnahmen, die gleichberechtigungsrelevante Bereiche betreffen, hinnehmen muss, auch wenn diesbezüglich ihre Beteiligung gänzlich unterblieben ist. Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass das Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin nicht als rechtsschutzfähige Position zu verstehen ist und es im Streitfall daher auch nicht einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann. Für die übrigen der Frauenvertreterin eingeräumten Befugnisse, die als Informations- und Äußerungsrechte dem Beteiligungsrecht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FG in ihrer Bedeutung nachstehen, kann nichts anderes gelten.
26 
3. Hätte der Gesetzgeber der Frauenvertreterin demgegenüber klagebewehrte Kompetenzen einräumen wollen, so ist davon auszugehen, dass er ihr auch entsprechend ausgestaltete verfahrensrechtliche Befugnisse zugewiesen hätte. Im Gegensatz zu § 22 Abs. 1 des Bundesgleichstellungsgesetzes - BGleiG -, der der Gleichstellungsbeauftragten - so die Bezeichnung der Frauenvertreterin nach diesem Gesetz - eine Klagebefugnis wegen Verletzung ihrer sich aus dem Bundesgleichstellungsgesetz ergebenden Rechte ausdrücklich zuspricht, ist eine entsprechende Bestimmung in das Frauenförderungsgesetz - ebenso wenig wie in die Frauenförderungs- bzw. Gleichberechtigungsgesetze der übrigen Bundesländer - jedoch nicht aufgenommen worden. Dass dies nicht auf einer bloßen "Nachlässigkeit" des Gesetzgebers beruht, sondern dass hiervon ganz bewusst abgesehen wurde, zeigt nicht nur die Tatsache, dass auch in Kenntnis der bundesgesetzlichen Regelung in § 22 BGleiG eine nachträgliche Ergänzung des Frauenförderungsgesetzes bislang nicht stattgefunden hat, sondern ergibt sich außerdem aus den Gesetzesmaterialien.
27 
So monierte der Deutsche Gewerkschaftsbund - Landesbezirk Baden-Württemberg - in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Frauenförderungsgesetzes, dass die Sanktionsmöglichkeiten der Frauenvertreterin bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Unterrichtung zu schwach ausgeprägt seien (LT-Drucks. 11/6632, S. 11). Der Verein der Verwaltungsrichter des Landes Baden-Württemberg äußerte gegen die vorgeschlagene Regelung des § 15 FG Bedenken, weil die Folgen der fehlenden Beteiligung der Frauenvertreterin offen blieben und die Bestimmung bezüglich der Vollzugsaussetzung nur als Sollvorschrift ausgestaltet sei (LT-Drucks. 11/6632, S. 16). Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft forderte ein ausdrückliches Vetorecht der Frauenvertreterinnen, weil deren ernsthafte Mitwirkung in der Dienststelle auch die Ausstattung mit den entsprechend notwendigen Rechten voraussetze (LT-Drucks. 11/6632, S. 30). Die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalratsvorsitzenden des Landes Baden-Württemberg bemängelte, dass das Gesetz bei Missachtung des Beanstandungsrechts nach § 15 FG keine weiteren Sanktionen vorsehe. Außerdem sprach sie sich dafür aus, § 15 Abs. 3 FG statt als Soll- als Mussvorschrift zu verabschieden (LT-Drucks. 11/6632, S. 40).
28 
Alle diese auf die Stärkung der Rechtsstellung der Frauenvertreterin zielenden Vorschläge haben in der endgültigen Gesetzesfassung jedoch ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie der Antrag der Fraktion der GRÜNEN, § 15 Abs. 3 FG dahingehend zu ändern, dass die Frauenvertreterin im Falle ihrer Nichtbeteiligung die Aussetzung des Vollzugs der betreffenden Maßnahme verlangen kann (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 32 und 67). Gleiches gilt für die Anregung eines Abgeordneten der FDP/DVP, ein Klagerecht der Frauenvertreterin einzuführen, soweit Maßnahmen die Rechte von Frauen verletzen und "um dem Gesetz die notwendige Substanz zu geben" (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 52). In Kenntnis dieser im parlamentarischen Verfahren unterbreiteten Änderungsvorschläge und obwohl bei den Beratungen des Gesetzentwurfs mehrfach der Vorwurf erhoben wurde, die Frauenvertreterin sei ihrer zugedachten Rechtsstellung nach ein "zahnloser Tiger" (vgl. Protokolle über die Sitzungen vom 19.07.1995 (Erste Beratung), PlPr 11/71, S. 5891, und vom 13.12.1995 (Zweite Beratung), PlPr 11/77, S. 6471), hat sich der Gesetzgeber ganz bewusst dafür entschieden, die verfahrensrechtliche Stellung der Frauenvertreterin nicht mit der Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der eigenen Rechtsposition zu verbinden.
29 
Entgegen dem Berufungsvorbringen folgt nach Auffassung des Senats daraus allerdings nicht, dass die der Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz zustehenden Befugnisse substantiell ausgehöhlt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Grenze überschritten wäre, kann hier offen bleiben. Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und von der Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen -, dass die Wirksamkeit der auf die tatsächliche Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zielenden Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Frauenvertreterinnen in der Praxis maßgeblich an der fehlenden gerichtlichen Durchsetzbarkeit leidet. Insofern ist davon auszugehen, dass die Klägerin die ihr als Frauenvertreterin übertragenen Aufgaben und Zuständigkeiten auch ohne deren Aufwertung zu einklagbaren Rechten dem Gesetzeszweck entsprechend wahrnehmen kann. Unabhängig davon verbleibt der Klägerin bei Kompetenzstreitigkeiten mit der Dienststellenleitung stets noch die Möglichkeit, sich zwecks sachgemäßer Lösung solcher Konflikte gemäß § 14 Abs. 5 FG an die oberste Dienstbehörde zu wenden.
30 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe

 
11 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
12 
Die zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, wobei die Zulässigkeit des Rechtswegs vom Senat nicht zu prüfen ist (§ 17a Abs. 5 GVG).
13 
Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung der Klägerin, ihr stehe als Frauenvertreterin ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme an den Sitzungen des Klinikumsvorstandes, auf Einräumung eines Rederechtes in diesen Sitzungen sowie auf vorherige Übersendung der entsprechenden Tagesordnungen zu. Richtiger Beklagter kann dementsprechend nur diejenige Stelle sein, der gegenüber - nach der insoweit zu Grunde zu legenden rechtlichen Auffassung der Klägerin - die geltend gemachten Rechtspositionen bestehen sollen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.1989, NVwZ 1990, 188). Das ist hier nicht das Universitätsklinikum Tübingen, vertreten durch den Klinikumsvorstand, sondern der Klinikumsvorstand selbst. Dementsprechend war das Passivrubrum zu berichtigen und statt des Universitätsklinikums Tübingen dessen Klinikumsvorstand als Beklagter aufzuführen. Darin liegt keine Klageänderung in Gestalt eines Parteiwechsels gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO. Denn mit der Änderung des Rubrums wird lediglich klargestellt, dass der bisher als Vertreter des beklagten Universitätsklinikums bezeichnete Klinikumsvorstand selbst die Rechtsstellung eines Beteiligten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.1992, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 33 m.w.N.). Ist der Beklagte falsch bezeichnet, aber - wie hier - zweifelsfrei erkennbar, gegen wen sich die Klage in der Sache richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen, unbeschadet dessen, dass das fälschlich als Beklagter bezeichnete Universitätsklinikum in der Vorinstanz als solcher behandelt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, NVwZ-RR 1990, 44 f. m.w.N.).
14 
Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unzulässig ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
15 
Stehen sich eine Funktionsträgerin und ein Organ - hier die Frauenvertreterin sowie der Klinikumsvorstand (§ 8 Satz 1 Universitätsklinika-Gesetz - UKG -) - derselben juristischen Person - hier des Universitätsklinikums Tübingen als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UKG) - in einem Rechtsstreit gegenüber, handelt es sich um ein Organstreitverfahren, das die Rechtsbeziehungen innerhalb der juristischen Person zum Gegenstand hat. Die Rechtsprechung räumt bei derartigen internen Kompetenzkonflikten rechtlich unselbständigen Organen oder Funktionsträgern unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis ein, sich gegen die Verletzung ihnen organisationsrechtlich zugewiesener Zuständigkeiten zu wehren (grundlegend BVerwG, Urteil vom 21.06.1974, NJW 1974, 1836; vgl. auch Urteil vom 06.11.1991, NJW 1992, 927, sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.11.1989 - 11 S 320/89 -, VBlBW 1990, 192 f.). Zwar ist mit der Zuordnung einer Kompetenz an ein Organ bzw. an einen Funktionsträger in aller Regel nicht zugleich auch eine Rechtsposition verbunden, die wie ein subjektives Recht im Außenverhältnis gegen "Übergriffe" anderer Organe oder Funktionsträger durch Anrufung des Gerichts verteidigt werden könnte. Denn unabhängig davon, dass die Möglichkeit körperschaftsinterner Auseinandersetzungen jeder Kompetenzverteilung immanent ist, erfolgt die Kompetenzzuweisung grundsätzlich nicht zum Schutze "eigennützig" wahrzunehmender Interessen der kompetenzbelehnten Stelle, sondern dient in der Regel allein dem einwandfreien und reibungslosen Funktionsablauf innerhalb der Gesamtorganisation und damit der Wahrung öffentlicher Interessen (vgl. Wißmann, ZBR 2003, 303; Martensen, JuS 1995, 989; Schoch, JuS 1987, 786; Bethge, DVBl. 1980, 313; Papier, DÖV 1980, 294; s. auch OVG Sachsen, Beschlüsse vom 15.08.1996, LKV 1997, 229 f., sowie vom 25.09.1998, NJW 1999, 2832 f.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.).
16 
Ausnahmsweise ist jedoch dann von der Übertragung einklagbarer Wahrnehmungsbefugnisse auszugehen, wenn dies entweder vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden ist oder wenn im Wege der Auslegung der jeweils einschlägigen Bestimmungen ermittelt werden kann, dass einem Funktionsträger als "Kontrastorgan" zum Zwecke einer sachgerechten Ausbalancierung innerkörperschaftlicher Interessengegensätze die eigenständige Bewältigung bestimmter Aufgabenbereiche zugewiesen wird und er insofern mit einer wehrfähigen Rechtsposition von der Rechtsordnung ausgestattet worden ist (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 95 f.; Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 40 Rdnr. 15; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.02.1997 - 10 S 59/97 -, DÖV 1997, 693 f.; Beschluss vom 27.10.1977 - IX 2682/77 -, DVBl. 1978, 274 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.1999, NVwZ-RR 2000, 375 f.; Beschluss vom 01.12.1994, NVwZ-RR 1995, 411 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 20.02.1989, NVwZ 1990, 174 f.; Martensen, JuS 1995, S. 989; Herbert, DÖV 1994, 108 ff.; Schoch, JuS 1987, S. 786). Die Beteiligungsfähigkeit des Organs bzw. Funktionsträgers wird hierbei in entsprechender Anwendung der für kommunalverfassungsrechtliche Streitverfahren geltenden Grundsätze aus § 61 VwGO hergeleitet, wobei offen bleiben kann, ob sich dies aus einer analogen Anwendung des § 61 Nr. 1 oder der Nr. 2 VwGO ergibt (zum Meinungsstand vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 61 Rdnr. 3). Für die Klagebefugnis, die bei Bejahung der Beteiligungsfähigkeit regelmäßig vorliegt, ist - unabhängig von der gewählten Klageart - die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend heranzuziehen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.10.1984, NVwZ 1985, 112 f., und vom 22.12.1988, Buchholz 415.1 Nr. 80).
17 
Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind für den hier zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführten Rechtsstreit nicht erfüllt. Denn der Gesetzgeber hat der Klägerin - wie die Auslegung der einschlägigen Vorschriften ergibt - in ihrer Funktion als Frauenvertreterin keine gerichtlich durchsetzbaren bzw. gerichtlich zu klärenden Rechtspositionen eingeräumt. Das folgt aus dem mit dem Frauenförderungsgesetz verfolgten Regelungszweck (dazu 1.) sowie aus der Systematik der im Gesetz getroffenen materiell- und verfahrensrechtlichen Befugnisse der Frauenvertreterin (dazu 2.) unter Berücksichtigung der entsprechenden Gesetzesmaterialien (dazu 3.).
18 
1. Ausgehend von dem Verfassungsgebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zielt das Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen und der Vereinbarung von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg - Frauenförderungsgesetz (FG) - vom 21.12.1995 (GBl. S. 890), verkündet als Art. 1 Landesgleichberechtigungsgesetz, auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes (vgl. § 1 FG). Die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes ist danach Pflichtaufgabe der staatlichen Dienststellen sowie der im Frauenförderungsgesetz genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung verpflichtet sind also nicht etwa die Frauenvertreterinnen als solche, sondern die genannten Dienststellen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Aufgabe der Frauenvertreterin ist es, die Dienststellenleitung bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu unterstützen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 FG) und insofern die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zu fördern. Letzteres geschieht im öffentlichen Interesse und bringt die Frauenvertreterin nicht in die Position einer gesetzlichen Interessenvertreterin der Frauen, die sie gewählt haben. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber lediglich eines mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Amtes innerhalb der Verwaltungsorganisation, um seine Pflichten zur Grundrechtsverwirklichung (besser) erfüllen zu können.
19 
Unter diesem rechtlichen Blickwinkel lässt sich nicht feststellen, dass der Gesetzgeber der Frauenvertreterin die Funktion eines "Kontrastorgans" zugewiesen hat, etwa um die Austragung von Interessengegensätzen und das Austarieren von Partikularinteressen innerhalb der Dienststelle institutionell abzusichern. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz nicht als eigenständiges Organ geschaffen worden - was grundsätzlich möglich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.1994, PersR 1995, 224 ff.) -, sondern der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 FG). Sie ist daher weder eine andere interne Organisationseinheit noch eine externe Stelle, sondern vielmehr Teil der Verwaltung, deren Verpflichtung, die Gleichberechtigung der Frauen in der Dienststelle durchzusetzen, sie unterstützt (vgl. auch Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Diese Anbindung an die Verwaltung lässt den gesetzgeberischen Willen erkennen, das Amt der Frauenvertreterin gerade nicht im Sinne einer Repräsentantin eines mit den Interessen der Dienststelle kollidierenden Fremdinteresses zu konzipieren (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f., VGH Hessen, Beschluss vom 30.08.1996, PersR 1997, 411 ff., sowie OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 ff., auf der Grundlage der jeweiligen Frauenförderungsgesetze, welche die Frauenvertreterinnen ebenfalls den Dienststellenleitungen unmittelbar zuordnen). Insofern grenzt die Zuordnung zur Leitung der Dienststelle das Amt der Frauenvertreterin deutlich von der als Repräsentativ- und damit als echtes Interessenvertretungsorgan der Beschäftigten wirkenden Personalvertretung ab, die einen ganz spezifischen Kontrollauftrag gegenüber der jeweiligen Dienststelle wahrnimmt und deshalb mit entsprechenden Klagebefugnissen ausgestattet ist (vgl. den die Beteiligungsrechte der Personalvertretungsorgane erfassenden § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG). Da die Dienststellenleitung und die ihr unmittelbar zugeordnete Frauenvertreterin nach der Konzeption des Frauenförderungsgesetzes nicht in einem derartigen, aus Interessengegensätzen resultierenden Spannungsverhältnis stehen, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sie mit der rechtlichen Bewehrung von Interessen dienenden Rechten ausstatten wollte.
20 
Eine andere Auslegung ist auch nicht im Hinblick auf die fachliche Weisungsfreiheit der Frauenvertreterin (§ 13 Abs. 1 Satz 2 FG) geboten. Diese soll allein deren sachliche Unabhängigkeit als fachkompetente Instanz gewährleisten und korrespondiert insofern mit ihrer Aufgabenstellung, die auf kritische Reflexion angelegt ist. Die Freistellung von Weisungen garantiert, dass frauenspezifische Belange ohne vorherige "Filterung" in die Willensbildung der Dienststellenleitung einfließen können und beim Durchlaufen der Verwaltungshierarchie nicht verfälscht oder gar unterdrückt werden. Sie bewirkt, dass die Frauenvertreterin insoweit vom Wohlwollen anderer Verwaltungsstellen unabhängig ist und dass die von ihr eingebrachten Gesichtspunkte nicht einfach übergangen werden können. Daraus folgt aber nicht, dass sie die von ihr zu vertretenden Belange als eigene Rechte ausübt (vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 f., zur gleichlautenden Vorschrift im sächsischen Frauenförderungsgesetz). Insbesondere ändert die weisungsfreie Tätigkeit nichts an dem zwischen Dienststellenleitung und Frauenvertreterin bestehenden Koordinationsverhältnis, in dessen Rahmen und entsprechend dem Gesetzeszweck beide gemeinsam auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu achten haben. Eine wehrfähige Rechtsposition wird hierdurch nicht begründet.
21 
Dieses aus dem Gesetzeszweck gewonnene Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist als Staatszielbestimmung ausgestaltet und beauftragt den einfachen Gesetzgeber, entsprechende Förderungs- und Nachteilsbeseitigungsregelungen zu erlassen, um ein Höchstmaß an tatsächlicher Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu bewirken. Über konkrete Maßnahmen, ihre aktuelle Erforderlichkeit sowie ihre Geeignetheit im Einzelnen sagt die Verfassung nichts aus (vgl. Scholz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2, Rdnr. 61). Die Entscheidung darüber, ob zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern die Institution einer Frauenvertreterin geschaffen wird und dieser auch gerichtlich durchsetzbare Beteiligungsrechte eingeräumt werden, obliegt demnach allein dem einfachen Gesetzgeber und wird von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f.).
22 
2. Die Annahme, der Klägerin stünden klagebewehrte Verfahrensrechte zu, findet auch im Übrigen im Frauenförderungsgesetz keine Stütze. Wehrfähige Wahrnehmungszuständigkeiten lassen sich nicht aus den der Frauenvertreterin konkret zugewiesenen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten, insbesondere auch nicht aus dem von der Klägerin geltend gemachten Teilnahmerecht an Dienststellenleitungsbesprechungen ableiten.
23 
Ob eine Verfahrensvorschrift dem durch sie Begünstigten - gegebenenfalls auch unabhängig vom materiellen Recht - eine gerichtlich selbständig durchsetzbare Rechtsposition gewähren will, hängt von der Zielrichtung und dem Schutzzweck der Norm in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung ab (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1980, DÖV 1980, 516 f. m.w.N.). Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass durch die insbesondere in § 13 bzw. § 14 FG eingeräumten Vortrags- bzw. Initiativ-, Beteiligungs-, Äußerungs- und Teilnahmerechte auch eine Anrufung der Gerichte zur unmittelbaren Entscheidung damit verbundener Fragen zugelassen wird.
24 
Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 FG normierte direkte Vortragsrecht besagt lediglich, dass der übliche Dienstweg nicht eingehalten werden muss und die Frauenvertreterin sich direkt an die Dienststellenleitung wenden kann, soweit sie Klärungsbedarf in Gleichberechtigungsfragen sieht. Das der Frauenvertreterin gemäß § 14 Abs. 2 FG zustehende Initiativrecht stellt nach der Gesetzesbegründung allein sicher, dass die Frauenvertreterin nicht nur auf Planungen der Dienststelle reagieren muss, sondern auch von sich aus aktiv Maßnahmen anregen kann (vgl. Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Die frühzeitige Beteiligung an - die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden - personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FG) soll im Sinne einer effektiven Verwaltungsarbeit verhindern, dass schon weitreichend konkretisierte Maßnahmen nochmals von vorn überdacht werden müssen, weil sich herausstellt, dass Gesichtspunkte der Gleichberechtigung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Von seinem Umfang und seiner gesetzlichen Ausgestaltung her räumt ein solches Beteiligungsrecht - ebenso wenig wie das Recht, sich zu frauenspezifischen Fragen zu äußern (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FG) oder an Dienststellenleitungsbesprechungen teilzunehmen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 FG) - der Frauenvertreterin keinerlei Entscheidungsbefugnis ein, sondern dient allein einer besseren Einbindung der gleichberechtigungsrelevanten Gesichtspunkte in den verwaltungsinternen Entscheidungsprozess. Bei dieser Art der Mitwirkung wird die Frauenvertreterin gewissermaßen gutachtlich und wegen Berührung ihrer Zuständigkeit gehört; ein rechtlich bindender Einfluss auf das Ergebnis der von der Dienststellenleitung zu treffenden Sachentscheidung wird ihr nicht eingeräumt. Hält sie im konkreten Fall Ergänzungen oder sachliche Änderungen für erforderlich, so setzt dies gegebenenfalls einen weiteren Abstimmungsprozess in Gang. Kommt es dabei zu keiner Einigung, verbleibt die Entscheidungskompetenz bei der zuständigen Verwaltungsspitze (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 FG). Zwar kann den genannten Vorschriften entnommen werden, dass die Frauenvertreterin eine selbständige Verfahrensstellung gegenüber der Dienststellenleitung einnehmen soll. Daraus folgt aber nicht, dass der Frauenvertreterin auch eigene, mit verwaltungsgerichtlicher Klage durchsetzbare Rechte im Verhältnis zur Dienststellenleitung zustehen. Denn die genannten Befugnisse sollen allein die innerbehördliche Kompetenzwahrnehmung durch die Frauenvertreterin sicherstellen, ihr aber keine organisatorisch verselbständigte Innenrechtsposition einräumen, die sie wie ein eigenes partikulares Interesse gegen Beeinträchtigungen auf dem Klageweg verteidigen könnte.
25 
Dass dies auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich insbesondere aus der Vorschrift des § 15 Abs. 3 FG, der die Folgen der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilung ausdrücklich regelt. Danach soll der Vollzug einer die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden Maßnahme bis zum Ablauf einer Woche nach Unterrichtung der Frauenvertreterin ausgesetzt werden, wenn diese entgegen § 14 Abs. 1 Satz 2 FG nicht oder nicht rechtzeitig beteiligt worden ist. Konsequenz der Nichtbeteiligung der Frauenvertreterin ist daher lediglich die kurzfristige aufschiebende Wirkung der beschlossenen Maßnahme, deren Eintritt - da es sich um eine bloße Soll-Vorschrift handelt - nicht einmal zwingend vorgeschrieben ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Frauenvertreterin sämtliche von der Dienststellenleitung getroffenen personellen, sozialen sowie organisatorischen Maßnahmen, die gleichberechtigungsrelevante Bereiche betreffen, hinnehmen muss, auch wenn diesbezüglich ihre Beteiligung gänzlich unterblieben ist. Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass das Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin nicht als rechtsschutzfähige Position zu verstehen ist und es im Streitfall daher auch nicht einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann. Für die übrigen der Frauenvertreterin eingeräumten Befugnisse, die als Informations- und Äußerungsrechte dem Beteiligungsrecht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FG in ihrer Bedeutung nachstehen, kann nichts anderes gelten.
26 
3. Hätte der Gesetzgeber der Frauenvertreterin demgegenüber klagebewehrte Kompetenzen einräumen wollen, so ist davon auszugehen, dass er ihr auch entsprechend ausgestaltete verfahrensrechtliche Befugnisse zugewiesen hätte. Im Gegensatz zu § 22 Abs. 1 des Bundesgleichstellungsgesetzes - BGleiG -, der der Gleichstellungsbeauftragten - so die Bezeichnung der Frauenvertreterin nach diesem Gesetz - eine Klagebefugnis wegen Verletzung ihrer sich aus dem Bundesgleichstellungsgesetz ergebenden Rechte ausdrücklich zuspricht, ist eine entsprechende Bestimmung in das Frauenförderungsgesetz - ebenso wenig wie in die Frauenförderungs- bzw. Gleichberechtigungsgesetze der übrigen Bundesländer - jedoch nicht aufgenommen worden. Dass dies nicht auf einer bloßen "Nachlässigkeit" des Gesetzgebers beruht, sondern dass hiervon ganz bewusst abgesehen wurde, zeigt nicht nur die Tatsache, dass auch in Kenntnis der bundesgesetzlichen Regelung in § 22 BGleiG eine nachträgliche Ergänzung des Frauenförderungsgesetzes bislang nicht stattgefunden hat, sondern ergibt sich außerdem aus den Gesetzesmaterialien.
27 
So monierte der Deutsche Gewerkschaftsbund - Landesbezirk Baden-Württemberg - in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Frauenförderungsgesetzes, dass die Sanktionsmöglichkeiten der Frauenvertreterin bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Unterrichtung zu schwach ausgeprägt seien (LT-Drucks. 11/6632, S. 11). Der Verein der Verwaltungsrichter des Landes Baden-Württemberg äußerte gegen die vorgeschlagene Regelung des § 15 FG Bedenken, weil die Folgen der fehlenden Beteiligung der Frauenvertreterin offen blieben und die Bestimmung bezüglich der Vollzugsaussetzung nur als Sollvorschrift ausgestaltet sei (LT-Drucks. 11/6632, S. 16). Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft forderte ein ausdrückliches Vetorecht der Frauenvertreterinnen, weil deren ernsthafte Mitwirkung in der Dienststelle auch die Ausstattung mit den entsprechend notwendigen Rechten voraussetze (LT-Drucks. 11/6632, S. 30). Die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalratsvorsitzenden des Landes Baden-Württemberg bemängelte, dass das Gesetz bei Missachtung des Beanstandungsrechts nach § 15 FG keine weiteren Sanktionen vorsehe. Außerdem sprach sie sich dafür aus, § 15 Abs. 3 FG statt als Soll- als Mussvorschrift zu verabschieden (LT-Drucks. 11/6632, S. 40).
28 
Alle diese auf die Stärkung der Rechtsstellung der Frauenvertreterin zielenden Vorschläge haben in der endgültigen Gesetzesfassung jedoch ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie der Antrag der Fraktion der GRÜNEN, § 15 Abs. 3 FG dahingehend zu ändern, dass die Frauenvertreterin im Falle ihrer Nichtbeteiligung die Aussetzung des Vollzugs der betreffenden Maßnahme verlangen kann (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 32 und 67). Gleiches gilt für die Anregung eines Abgeordneten der FDP/DVP, ein Klagerecht der Frauenvertreterin einzuführen, soweit Maßnahmen die Rechte von Frauen verletzen und "um dem Gesetz die notwendige Substanz zu geben" (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 52). In Kenntnis dieser im parlamentarischen Verfahren unterbreiteten Änderungsvorschläge und obwohl bei den Beratungen des Gesetzentwurfs mehrfach der Vorwurf erhoben wurde, die Frauenvertreterin sei ihrer zugedachten Rechtsstellung nach ein "zahnloser Tiger" (vgl. Protokolle über die Sitzungen vom 19.07.1995 (Erste Beratung), PlPr 11/71, S. 5891, und vom 13.12.1995 (Zweite Beratung), PlPr 11/77, S. 6471), hat sich der Gesetzgeber ganz bewusst dafür entschieden, die verfahrensrechtliche Stellung der Frauenvertreterin nicht mit der Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der eigenen Rechtsposition zu verbinden.
29 
Entgegen dem Berufungsvorbringen folgt nach Auffassung des Senats daraus allerdings nicht, dass die der Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz zustehenden Befugnisse substantiell ausgehöhlt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Grenze überschritten wäre, kann hier offen bleiben. Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und von der Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen -, dass die Wirksamkeit der auf die tatsächliche Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zielenden Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Frauenvertreterinnen in der Praxis maßgeblich an der fehlenden gerichtlichen Durchsetzbarkeit leidet. Insofern ist davon auszugehen, dass die Klägerin die ihr als Frauenvertreterin übertragenen Aufgaben und Zuständigkeiten auch ohne deren Aufwertung zu einklagbaren Rechten dem Gesetzeszweck entsprechend wahrnehmen kann. Unabhängig davon verbleibt der Klägerin bei Kompetenzstreitigkeiten mit der Dienststellenleitung stets noch die Möglichkeit, sich zwecks sachgemäßer Lösung solcher Konflikte gemäß § 14 Abs. 5 FG an die oberste Dienstbehörde zu wenden.
30 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Bundesnetzagentur bestimmt den Inhalt der Körbe. Dabei dürfen Zugangsdienste nur insoweit in einem Korb zusammengefasst werden, als sich die erwartete Stärke des Wettbewerbs bei diesen Diensten nicht wesentlich unterscheidet.

(2) Die Bundesnetzagentur stellt das Ausgangsentgeltniveau der in einem Korb zusammengefassten Zugangsleistungen fest. Sofern bereits genehmigte Entgelte vorliegen, ist von diesen auszugehen.

(3) Die Maßgrößen für die Genehmigung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 umfassen

1.
eine gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate,
2.
die zu erwartende Produktivitätsfortschrittsrate des Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht und
3.
Nebenbedingungen, die geeignet sind, einen Missbrauch nach § 28 zu verhindern.

(4) Bei der Vorgabe der Maßgrößen, insbesondere bei der Festlegung der Produktivitätsfortschrittsrate, ist das Verhältnis des Ausgangsentgeltniveaus zu den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 Absatz 1 zu berücksichtigen.

(5) Bei der Vorgabe der Maßgrößen sind die Produktivitätsfortschrittsraten von Unternehmen auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten zu berücksichtigen.

(6) Die Bundesnetzagentur bestimmt, für welchen Zeitraum die Maßgrößen unverändert bleiben, anhand welcher Referenzzeiträume der Vergangenheit die Einhaltung der Maßgrößen geprüft wird und unter welchen Voraussetzungen der Inhalt von Körben geändert oder Preisdifferenzierungen innerhalb eines Korbes durchgeführt werden können.

(1) Ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten, von Leistungen nach § 78 Absatz 2 Nummer 4 und 5 oder von telekommunikationsgestützten Diensten, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, oder ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, darf seine Stellung nicht missbräuchlich ausnutzen. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder deren Wettbewerbsmöglichkeiten ohne sachlich gerechtfertigten Grund erheblich beeinträchtigt werden.

(2) Ein Missbrauch im Sinne des Absatzes 1 wird vermutet, wenn ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht sich selbst, seinen Tochter- oder Partnerunternehmen den Zugang zu seinen intern genutzten oder zu seinen am Markt angebotenen Leistungen zu günstigeren Bedingungen oder zu einer besseren Qualität ermöglicht, als es sie anderen Unternehmen bei der Nutzung der Leistung für deren Telekommunikationsdienste oder mit diesen in Zusammenhang stehenden Diensten einräumt, es sei denn, das Unternehmen weist Tatsachen nach, die die Einräumung ungünstigerer Bedingungen sachlich rechtfertigen.

(3) Ein Missbrauch im Sinne des Absatzes 1 wird auch dann vermutet, wenn ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit beträchtlicher Marktmacht seiner Verpflichtung aus § 22 Abs. 1 nicht nachkommt, indem die Bearbeitung von Zugangsanträgen ohne sachlichen Grund verzögert wird.

(4) Auf Antrag oder von Amts wegen trifft die Bundesnetzagentur eine Entscheidung, um die missbräuchliche Ausnutzung einer marktmächtigen Stellung zu beenden. Dazu kann sie dem Unternehmen, das seine marktmächtige Stellung missbräuchlich ausnutzt, ein Verhalten auferlegen oder untersagen oder Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Unternehmen seine marktmächtige Stellung auf Endkundenmärkten missbräuchlich auszunutzen droht. Eine solche Entscheidung soll in der Regel innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Einleitung des Verfahrens getroffen werden. Bei einer Antragstellung nach Satz 1 ist der Eingang des Antrags der Fristbeginn. Den Antrag nach Satz 1 kann jeder Anbieter von Telekommunikationsdiensten stellen, der geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

67

1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

68

2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

69

der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

73

2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

74

3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

75

4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

76

(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

77

§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

79

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. November 2001 - 9 K 1711/00 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist Frauenvertreterin bei dem Universitätsklinikum Tübingen und rügt die Verletzung ihrer sich aus dem Frauenförderungsgesetz - FG - ergebenden Teilnahme- und Beteiligungsrechte durch den Beklagten.
Mit Schreiben vom 21.09.1998 wandte sich die Klägerin an den Vorsitzenden des Beklagten mit der Bitte, ihr Gelegenheit zur Teilnahme an den Klinikumsvorstandssitzungen zu geben und ihr die Tagesordnungen der Sitzungen vorab zur Kenntnis vorzulegen. Daraufhin beschloss der Beklagte am 27.10.1998, dass eine Herausgabe der gesamten Tagesordnung im Vorfeld der Klinikumsvorstandssitzungen nicht erfolge, sondern der Vorsitzende des Vorstands entscheide, zu welchen einzelnen und Frauenbelange berührenden Tagesordnungspunkten die Klägerin als Frauenvertreterin zur Besprechung mit dem Klinikumsvorstand hinzugezogen und über welche Punkte sie vorab informiert werde.
Die von der Klägerin dagegen erhobene und gegen das Universitätsklinikum Tübingen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20.11.2001 nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.
Mit der vom Senat durch Beschluss vom 08.03.2002 zugelassenen Berufung beantragt die Klägerin sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20.11.2001 - 9 K 1711/00 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr vor jeder Sitzung des Klinikumsvorstandes die Tagesordnung für die Sitzung zu übersenden sowie sie zu den Sitzungen des Klinikumsvorstandes zuzulassen und ihr auf diesen Sitzungen Rederecht zu gewähren.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ungeachtet ihrer Zuordnung zur Dienststellenleitung und ihrer Eingliederung in die Verwaltung seien ihr in ihrer Funktion als Frauenvertreterin in § 14 Abs. 1 FG Informations- und Beteiligungsrechte, insbesondere das Recht auf Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Dienststellenleitungsbesprechungen eingeräumt. Bezüglich der Wahrnehmung dieser Verfahrensrechte stehe der Dienststellenleitung keinerlei Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu. Diese Rechtsposition spreche dafür, dass die gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen eingeklagt werden könnten, auch wenn dies nicht ausdrücklich normiert sei. Aus der Vorschrift des § 15 FG könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, da das dort geregelte Beanstandungsverfahren nicht die organschaftlichen Befugnisse der Frauenvertreterin, sondern allein die Rechte vermeintlich benachteiligter Frauen in der Dienststelle betreffe.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus, die Klägerin sei als Frauenvertreterin Teil der Verwaltung des Universitätsklinikums und könne in dieser Funktion keine eigenen subjektiven Rechte geltend machen. Die der Frauenvertreterin im Frauenförderungsgesetz eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse dienten allein der Unterstützung der Dienststellenleitung bei der Umsetzung des Gesetzes, vermittelten dieser jedoch keine organschaftliche Rechtsstellung. Der Gesetzgeber habe den Frauenvertreterinnen insofern bewusst keinen gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung gestellt.
10 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts (AZ 9 K 1711/00) und des Beklagten (1 Band) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
12 
Die zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, wobei die Zulässigkeit des Rechtswegs vom Senat nicht zu prüfen ist (§ 17a Abs. 5 GVG).
13 
Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung der Klägerin, ihr stehe als Frauenvertreterin ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme an den Sitzungen des Klinikumsvorstandes, auf Einräumung eines Rederechtes in diesen Sitzungen sowie auf vorherige Übersendung der entsprechenden Tagesordnungen zu. Richtiger Beklagter kann dementsprechend nur diejenige Stelle sein, der gegenüber - nach der insoweit zu Grunde zu legenden rechtlichen Auffassung der Klägerin - die geltend gemachten Rechtspositionen bestehen sollen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.1989, NVwZ 1990, 188). Das ist hier nicht das Universitätsklinikum Tübingen, vertreten durch den Klinikumsvorstand, sondern der Klinikumsvorstand selbst. Dementsprechend war das Passivrubrum zu berichtigen und statt des Universitätsklinikums Tübingen dessen Klinikumsvorstand als Beklagter aufzuführen. Darin liegt keine Klageänderung in Gestalt eines Parteiwechsels gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO. Denn mit der Änderung des Rubrums wird lediglich klargestellt, dass der bisher als Vertreter des beklagten Universitätsklinikums bezeichnete Klinikumsvorstand selbst die Rechtsstellung eines Beteiligten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.1992, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 33 m.w.N.). Ist der Beklagte falsch bezeichnet, aber - wie hier - zweifelsfrei erkennbar, gegen wen sich die Klage in der Sache richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen, unbeschadet dessen, dass das fälschlich als Beklagter bezeichnete Universitätsklinikum in der Vorinstanz als solcher behandelt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, NVwZ-RR 1990, 44 f. m.w.N.).
14 
Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unzulässig ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
15 
Stehen sich eine Funktionsträgerin und ein Organ - hier die Frauenvertreterin sowie der Klinikumsvorstand (§ 8 Satz 1 Universitätsklinika-Gesetz - UKG -) - derselben juristischen Person - hier des Universitätsklinikums Tübingen als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UKG) - in einem Rechtsstreit gegenüber, handelt es sich um ein Organstreitverfahren, das die Rechtsbeziehungen innerhalb der juristischen Person zum Gegenstand hat. Die Rechtsprechung räumt bei derartigen internen Kompetenzkonflikten rechtlich unselbständigen Organen oder Funktionsträgern unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis ein, sich gegen die Verletzung ihnen organisationsrechtlich zugewiesener Zuständigkeiten zu wehren (grundlegend BVerwG, Urteil vom 21.06.1974, NJW 1974, 1836; vgl. auch Urteil vom 06.11.1991, NJW 1992, 927, sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.11.1989 - 11 S 320/89 -, VBlBW 1990, 192 f.). Zwar ist mit der Zuordnung einer Kompetenz an ein Organ bzw. an einen Funktionsträger in aller Regel nicht zugleich auch eine Rechtsposition verbunden, die wie ein subjektives Recht im Außenverhältnis gegen "Übergriffe" anderer Organe oder Funktionsträger durch Anrufung des Gerichts verteidigt werden könnte. Denn unabhängig davon, dass die Möglichkeit körperschaftsinterner Auseinandersetzungen jeder Kompetenzverteilung immanent ist, erfolgt die Kompetenzzuweisung grundsätzlich nicht zum Schutze "eigennützig" wahrzunehmender Interessen der kompetenzbelehnten Stelle, sondern dient in der Regel allein dem einwandfreien und reibungslosen Funktionsablauf innerhalb der Gesamtorganisation und damit der Wahrung öffentlicher Interessen (vgl. Wißmann, ZBR 2003, 303; Martensen, JuS 1995, 989; Schoch, JuS 1987, 786; Bethge, DVBl. 1980, 313; Papier, DÖV 1980, 294; s. auch OVG Sachsen, Beschlüsse vom 15.08.1996, LKV 1997, 229 f., sowie vom 25.09.1998, NJW 1999, 2832 f.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.).
16 
Ausnahmsweise ist jedoch dann von der Übertragung einklagbarer Wahrnehmungsbefugnisse auszugehen, wenn dies entweder vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden ist oder wenn im Wege der Auslegung der jeweils einschlägigen Bestimmungen ermittelt werden kann, dass einem Funktionsträger als "Kontrastorgan" zum Zwecke einer sachgerechten Ausbalancierung innerkörperschaftlicher Interessengegensätze die eigenständige Bewältigung bestimmter Aufgabenbereiche zugewiesen wird und er insofern mit einer wehrfähigen Rechtsposition von der Rechtsordnung ausgestattet worden ist (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 95 f.; Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 40 Rdnr. 15; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.02.1997 - 10 S 59/97 -, DÖV 1997, 693 f.; Beschluss vom 27.10.1977 - IX 2682/77 -, DVBl. 1978, 274 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.1999, NVwZ-RR 2000, 375 f.; Beschluss vom 01.12.1994, NVwZ-RR 1995, 411 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 20.02.1989, NVwZ 1990, 174 f.; Martensen, JuS 1995, S. 989; Herbert, DÖV 1994, 108 ff.; Schoch, JuS 1987, S. 786). Die Beteiligungsfähigkeit des Organs bzw. Funktionsträgers wird hierbei in entsprechender Anwendung der für kommunalverfassungsrechtliche Streitverfahren geltenden Grundsätze aus § 61 VwGO hergeleitet, wobei offen bleiben kann, ob sich dies aus einer analogen Anwendung des § 61 Nr. 1 oder der Nr. 2 VwGO ergibt (zum Meinungsstand vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 61 Rdnr. 3). Für die Klagebefugnis, die bei Bejahung der Beteiligungsfähigkeit regelmäßig vorliegt, ist - unabhängig von der gewählten Klageart - die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend heranzuziehen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.10.1984, NVwZ 1985, 112 f., und vom 22.12.1988, Buchholz 415.1 Nr. 80).
17 
Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind für den hier zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführten Rechtsstreit nicht erfüllt. Denn der Gesetzgeber hat der Klägerin - wie die Auslegung der einschlägigen Vorschriften ergibt - in ihrer Funktion als Frauenvertreterin keine gerichtlich durchsetzbaren bzw. gerichtlich zu klärenden Rechtspositionen eingeräumt. Das folgt aus dem mit dem Frauenförderungsgesetz verfolgten Regelungszweck (dazu 1.) sowie aus der Systematik der im Gesetz getroffenen materiell- und verfahrensrechtlichen Befugnisse der Frauenvertreterin (dazu 2.) unter Berücksichtigung der entsprechenden Gesetzesmaterialien (dazu 3.).
18 
1. Ausgehend von dem Verfassungsgebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zielt das Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen und der Vereinbarung von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg - Frauenförderungsgesetz (FG) - vom 21.12.1995 (GBl. S. 890), verkündet als Art. 1 Landesgleichberechtigungsgesetz, auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes (vgl. § 1 FG). Die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes ist danach Pflichtaufgabe der staatlichen Dienststellen sowie der im Frauenförderungsgesetz genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung verpflichtet sind also nicht etwa die Frauenvertreterinnen als solche, sondern die genannten Dienststellen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Aufgabe der Frauenvertreterin ist es, die Dienststellenleitung bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu unterstützen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 FG) und insofern die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zu fördern. Letzteres geschieht im öffentlichen Interesse und bringt die Frauenvertreterin nicht in die Position einer gesetzlichen Interessenvertreterin der Frauen, die sie gewählt haben. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber lediglich eines mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Amtes innerhalb der Verwaltungsorganisation, um seine Pflichten zur Grundrechtsverwirklichung (besser) erfüllen zu können.
19 
Unter diesem rechtlichen Blickwinkel lässt sich nicht feststellen, dass der Gesetzgeber der Frauenvertreterin die Funktion eines "Kontrastorgans" zugewiesen hat, etwa um die Austragung von Interessengegensätzen und das Austarieren von Partikularinteressen innerhalb der Dienststelle institutionell abzusichern. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz nicht als eigenständiges Organ geschaffen worden - was grundsätzlich möglich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.1994, PersR 1995, 224 ff.) -, sondern der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 FG). Sie ist daher weder eine andere interne Organisationseinheit noch eine externe Stelle, sondern vielmehr Teil der Verwaltung, deren Verpflichtung, die Gleichberechtigung der Frauen in der Dienststelle durchzusetzen, sie unterstützt (vgl. auch Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Diese Anbindung an die Verwaltung lässt den gesetzgeberischen Willen erkennen, das Amt der Frauenvertreterin gerade nicht im Sinne einer Repräsentantin eines mit den Interessen der Dienststelle kollidierenden Fremdinteresses zu konzipieren (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f., VGH Hessen, Beschluss vom 30.08.1996, PersR 1997, 411 ff., sowie OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 ff., auf der Grundlage der jeweiligen Frauenförderungsgesetze, welche die Frauenvertreterinnen ebenfalls den Dienststellenleitungen unmittelbar zuordnen). Insofern grenzt die Zuordnung zur Leitung der Dienststelle das Amt der Frauenvertreterin deutlich von der als Repräsentativ- und damit als echtes Interessenvertretungsorgan der Beschäftigten wirkenden Personalvertretung ab, die einen ganz spezifischen Kontrollauftrag gegenüber der jeweiligen Dienststelle wahrnimmt und deshalb mit entsprechenden Klagebefugnissen ausgestattet ist (vgl. den die Beteiligungsrechte der Personalvertretungsorgane erfassenden § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG). Da die Dienststellenleitung und die ihr unmittelbar zugeordnete Frauenvertreterin nach der Konzeption des Frauenförderungsgesetzes nicht in einem derartigen, aus Interessengegensätzen resultierenden Spannungsverhältnis stehen, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sie mit der rechtlichen Bewehrung von Interessen dienenden Rechten ausstatten wollte.
20 
Eine andere Auslegung ist auch nicht im Hinblick auf die fachliche Weisungsfreiheit der Frauenvertreterin (§ 13 Abs. 1 Satz 2 FG) geboten. Diese soll allein deren sachliche Unabhängigkeit als fachkompetente Instanz gewährleisten und korrespondiert insofern mit ihrer Aufgabenstellung, die auf kritische Reflexion angelegt ist. Die Freistellung von Weisungen garantiert, dass frauenspezifische Belange ohne vorherige "Filterung" in die Willensbildung der Dienststellenleitung einfließen können und beim Durchlaufen der Verwaltungshierarchie nicht verfälscht oder gar unterdrückt werden. Sie bewirkt, dass die Frauenvertreterin insoweit vom Wohlwollen anderer Verwaltungsstellen unabhängig ist und dass die von ihr eingebrachten Gesichtspunkte nicht einfach übergangen werden können. Daraus folgt aber nicht, dass sie die von ihr zu vertretenden Belange als eigene Rechte ausübt (vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 f., zur gleichlautenden Vorschrift im sächsischen Frauenförderungsgesetz). Insbesondere ändert die weisungsfreie Tätigkeit nichts an dem zwischen Dienststellenleitung und Frauenvertreterin bestehenden Koordinationsverhältnis, in dessen Rahmen und entsprechend dem Gesetzeszweck beide gemeinsam auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu achten haben. Eine wehrfähige Rechtsposition wird hierdurch nicht begründet.
21 
Dieses aus dem Gesetzeszweck gewonnene Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist als Staatszielbestimmung ausgestaltet und beauftragt den einfachen Gesetzgeber, entsprechende Förderungs- und Nachteilsbeseitigungsregelungen zu erlassen, um ein Höchstmaß an tatsächlicher Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu bewirken. Über konkrete Maßnahmen, ihre aktuelle Erforderlichkeit sowie ihre Geeignetheit im Einzelnen sagt die Verfassung nichts aus (vgl. Scholz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2, Rdnr. 61). Die Entscheidung darüber, ob zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern die Institution einer Frauenvertreterin geschaffen wird und dieser auch gerichtlich durchsetzbare Beteiligungsrechte eingeräumt werden, obliegt demnach allein dem einfachen Gesetzgeber und wird von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f.).
22 
2. Die Annahme, der Klägerin stünden klagebewehrte Verfahrensrechte zu, findet auch im Übrigen im Frauenförderungsgesetz keine Stütze. Wehrfähige Wahrnehmungszuständigkeiten lassen sich nicht aus den der Frauenvertreterin konkret zugewiesenen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten, insbesondere auch nicht aus dem von der Klägerin geltend gemachten Teilnahmerecht an Dienststellenleitungsbesprechungen ableiten.
23 
Ob eine Verfahrensvorschrift dem durch sie Begünstigten - gegebenenfalls auch unabhängig vom materiellen Recht - eine gerichtlich selbständig durchsetzbare Rechtsposition gewähren will, hängt von der Zielrichtung und dem Schutzzweck der Norm in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung ab (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1980, DÖV 1980, 516 f. m.w.N.). Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass durch die insbesondere in § 13 bzw. § 14 FG eingeräumten Vortrags- bzw. Initiativ-, Beteiligungs-, Äußerungs- und Teilnahmerechte auch eine Anrufung der Gerichte zur unmittelbaren Entscheidung damit verbundener Fragen zugelassen wird.
24 
Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 FG normierte direkte Vortragsrecht besagt lediglich, dass der übliche Dienstweg nicht eingehalten werden muss und die Frauenvertreterin sich direkt an die Dienststellenleitung wenden kann, soweit sie Klärungsbedarf in Gleichberechtigungsfragen sieht. Das der Frauenvertreterin gemäß § 14 Abs. 2 FG zustehende Initiativrecht stellt nach der Gesetzesbegründung allein sicher, dass die Frauenvertreterin nicht nur auf Planungen der Dienststelle reagieren muss, sondern auch von sich aus aktiv Maßnahmen anregen kann (vgl. Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Die frühzeitige Beteiligung an - die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden - personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FG) soll im Sinne einer effektiven Verwaltungsarbeit verhindern, dass schon weitreichend konkretisierte Maßnahmen nochmals von vorn überdacht werden müssen, weil sich herausstellt, dass Gesichtspunkte der Gleichberechtigung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Von seinem Umfang und seiner gesetzlichen Ausgestaltung her räumt ein solches Beteiligungsrecht - ebenso wenig wie das Recht, sich zu frauenspezifischen Fragen zu äußern (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FG) oder an Dienststellenleitungsbesprechungen teilzunehmen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 FG) - der Frauenvertreterin keinerlei Entscheidungsbefugnis ein, sondern dient allein einer besseren Einbindung der gleichberechtigungsrelevanten Gesichtspunkte in den verwaltungsinternen Entscheidungsprozess. Bei dieser Art der Mitwirkung wird die Frauenvertreterin gewissermaßen gutachtlich und wegen Berührung ihrer Zuständigkeit gehört; ein rechtlich bindender Einfluss auf das Ergebnis der von der Dienststellenleitung zu treffenden Sachentscheidung wird ihr nicht eingeräumt. Hält sie im konkreten Fall Ergänzungen oder sachliche Änderungen für erforderlich, so setzt dies gegebenenfalls einen weiteren Abstimmungsprozess in Gang. Kommt es dabei zu keiner Einigung, verbleibt die Entscheidungskompetenz bei der zuständigen Verwaltungsspitze (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 FG). Zwar kann den genannten Vorschriften entnommen werden, dass die Frauenvertreterin eine selbständige Verfahrensstellung gegenüber der Dienststellenleitung einnehmen soll. Daraus folgt aber nicht, dass der Frauenvertreterin auch eigene, mit verwaltungsgerichtlicher Klage durchsetzbare Rechte im Verhältnis zur Dienststellenleitung zustehen. Denn die genannten Befugnisse sollen allein die innerbehördliche Kompetenzwahrnehmung durch die Frauenvertreterin sicherstellen, ihr aber keine organisatorisch verselbständigte Innenrechtsposition einräumen, die sie wie ein eigenes partikulares Interesse gegen Beeinträchtigungen auf dem Klageweg verteidigen könnte.
25 
Dass dies auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich insbesondere aus der Vorschrift des § 15 Abs. 3 FG, der die Folgen der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilung ausdrücklich regelt. Danach soll der Vollzug einer die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden Maßnahme bis zum Ablauf einer Woche nach Unterrichtung der Frauenvertreterin ausgesetzt werden, wenn diese entgegen § 14 Abs. 1 Satz 2 FG nicht oder nicht rechtzeitig beteiligt worden ist. Konsequenz der Nichtbeteiligung der Frauenvertreterin ist daher lediglich die kurzfristige aufschiebende Wirkung der beschlossenen Maßnahme, deren Eintritt - da es sich um eine bloße Soll-Vorschrift handelt - nicht einmal zwingend vorgeschrieben ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Frauenvertreterin sämtliche von der Dienststellenleitung getroffenen personellen, sozialen sowie organisatorischen Maßnahmen, die gleichberechtigungsrelevante Bereiche betreffen, hinnehmen muss, auch wenn diesbezüglich ihre Beteiligung gänzlich unterblieben ist. Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass das Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin nicht als rechtsschutzfähige Position zu verstehen ist und es im Streitfall daher auch nicht einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann. Für die übrigen der Frauenvertreterin eingeräumten Befugnisse, die als Informations- und Äußerungsrechte dem Beteiligungsrecht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FG in ihrer Bedeutung nachstehen, kann nichts anderes gelten.
26 
3. Hätte der Gesetzgeber der Frauenvertreterin demgegenüber klagebewehrte Kompetenzen einräumen wollen, so ist davon auszugehen, dass er ihr auch entsprechend ausgestaltete verfahrensrechtliche Befugnisse zugewiesen hätte. Im Gegensatz zu § 22 Abs. 1 des Bundesgleichstellungsgesetzes - BGleiG -, der der Gleichstellungsbeauftragten - so die Bezeichnung der Frauenvertreterin nach diesem Gesetz - eine Klagebefugnis wegen Verletzung ihrer sich aus dem Bundesgleichstellungsgesetz ergebenden Rechte ausdrücklich zuspricht, ist eine entsprechende Bestimmung in das Frauenförderungsgesetz - ebenso wenig wie in die Frauenförderungs- bzw. Gleichberechtigungsgesetze der übrigen Bundesländer - jedoch nicht aufgenommen worden. Dass dies nicht auf einer bloßen "Nachlässigkeit" des Gesetzgebers beruht, sondern dass hiervon ganz bewusst abgesehen wurde, zeigt nicht nur die Tatsache, dass auch in Kenntnis der bundesgesetzlichen Regelung in § 22 BGleiG eine nachträgliche Ergänzung des Frauenförderungsgesetzes bislang nicht stattgefunden hat, sondern ergibt sich außerdem aus den Gesetzesmaterialien.
27 
So monierte der Deutsche Gewerkschaftsbund - Landesbezirk Baden-Württemberg - in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Frauenförderungsgesetzes, dass die Sanktionsmöglichkeiten der Frauenvertreterin bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Unterrichtung zu schwach ausgeprägt seien (LT-Drucks. 11/6632, S. 11). Der Verein der Verwaltungsrichter des Landes Baden-Württemberg äußerte gegen die vorgeschlagene Regelung des § 15 FG Bedenken, weil die Folgen der fehlenden Beteiligung der Frauenvertreterin offen blieben und die Bestimmung bezüglich der Vollzugsaussetzung nur als Sollvorschrift ausgestaltet sei (LT-Drucks. 11/6632, S. 16). Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft forderte ein ausdrückliches Vetorecht der Frauenvertreterinnen, weil deren ernsthafte Mitwirkung in der Dienststelle auch die Ausstattung mit den entsprechend notwendigen Rechten voraussetze (LT-Drucks. 11/6632, S. 30). Die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalratsvorsitzenden des Landes Baden-Württemberg bemängelte, dass das Gesetz bei Missachtung des Beanstandungsrechts nach § 15 FG keine weiteren Sanktionen vorsehe. Außerdem sprach sie sich dafür aus, § 15 Abs. 3 FG statt als Soll- als Mussvorschrift zu verabschieden (LT-Drucks. 11/6632, S. 40).
28 
Alle diese auf die Stärkung der Rechtsstellung der Frauenvertreterin zielenden Vorschläge haben in der endgültigen Gesetzesfassung jedoch ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie der Antrag der Fraktion der GRÜNEN, § 15 Abs. 3 FG dahingehend zu ändern, dass die Frauenvertreterin im Falle ihrer Nichtbeteiligung die Aussetzung des Vollzugs der betreffenden Maßnahme verlangen kann (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 32 und 67). Gleiches gilt für die Anregung eines Abgeordneten der FDP/DVP, ein Klagerecht der Frauenvertreterin einzuführen, soweit Maßnahmen die Rechte von Frauen verletzen und "um dem Gesetz die notwendige Substanz zu geben" (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 52). In Kenntnis dieser im parlamentarischen Verfahren unterbreiteten Änderungsvorschläge und obwohl bei den Beratungen des Gesetzentwurfs mehrfach der Vorwurf erhoben wurde, die Frauenvertreterin sei ihrer zugedachten Rechtsstellung nach ein "zahnloser Tiger" (vgl. Protokolle über die Sitzungen vom 19.07.1995 (Erste Beratung), PlPr 11/71, S. 5891, und vom 13.12.1995 (Zweite Beratung), PlPr 11/77, S. 6471), hat sich der Gesetzgeber ganz bewusst dafür entschieden, die verfahrensrechtliche Stellung der Frauenvertreterin nicht mit der Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der eigenen Rechtsposition zu verbinden.
29 
Entgegen dem Berufungsvorbringen folgt nach Auffassung des Senats daraus allerdings nicht, dass die der Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz zustehenden Befugnisse substantiell ausgehöhlt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Grenze überschritten wäre, kann hier offen bleiben. Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und von der Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen -, dass die Wirksamkeit der auf die tatsächliche Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zielenden Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Frauenvertreterinnen in der Praxis maßgeblich an der fehlenden gerichtlichen Durchsetzbarkeit leidet. Insofern ist davon auszugehen, dass die Klägerin die ihr als Frauenvertreterin übertragenen Aufgaben und Zuständigkeiten auch ohne deren Aufwertung zu einklagbaren Rechten dem Gesetzeszweck entsprechend wahrnehmen kann. Unabhängig davon verbleibt der Klägerin bei Kompetenzstreitigkeiten mit der Dienststellenleitung stets noch die Möglichkeit, sich zwecks sachgemäßer Lösung solcher Konflikte gemäß § 14 Abs. 5 FG an die oberste Dienstbehörde zu wenden.
30 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe

 
11 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
12 
Die zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, wobei die Zulässigkeit des Rechtswegs vom Senat nicht zu prüfen ist (§ 17a Abs. 5 GVG).
13 
Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung der Klägerin, ihr stehe als Frauenvertreterin ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme an den Sitzungen des Klinikumsvorstandes, auf Einräumung eines Rederechtes in diesen Sitzungen sowie auf vorherige Übersendung der entsprechenden Tagesordnungen zu. Richtiger Beklagter kann dementsprechend nur diejenige Stelle sein, der gegenüber - nach der insoweit zu Grunde zu legenden rechtlichen Auffassung der Klägerin - die geltend gemachten Rechtspositionen bestehen sollen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.1989, NVwZ 1990, 188). Das ist hier nicht das Universitätsklinikum Tübingen, vertreten durch den Klinikumsvorstand, sondern der Klinikumsvorstand selbst. Dementsprechend war das Passivrubrum zu berichtigen und statt des Universitätsklinikums Tübingen dessen Klinikumsvorstand als Beklagter aufzuführen. Darin liegt keine Klageänderung in Gestalt eines Parteiwechsels gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO. Denn mit der Änderung des Rubrums wird lediglich klargestellt, dass der bisher als Vertreter des beklagten Universitätsklinikums bezeichnete Klinikumsvorstand selbst die Rechtsstellung eines Beteiligten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.1992, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 33 m.w.N.). Ist der Beklagte falsch bezeichnet, aber - wie hier - zweifelsfrei erkennbar, gegen wen sich die Klage in der Sache richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen, unbeschadet dessen, dass das fälschlich als Beklagter bezeichnete Universitätsklinikum in der Vorinstanz als solcher behandelt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, NVwZ-RR 1990, 44 f. m.w.N.).
14 
Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unzulässig ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
15 
Stehen sich eine Funktionsträgerin und ein Organ - hier die Frauenvertreterin sowie der Klinikumsvorstand (§ 8 Satz 1 Universitätsklinika-Gesetz - UKG -) - derselben juristischen Person - hier des Universitätsklinikums Tübingen als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UKG) - in einem Rechtsstreit gegenüber, handelt es sich um ein Organstreitverfahren, das die Rechtsbeziehungen innerhalb der juristischen Person zum Gegenstand hat. Die Rechtsprechung räumt bei derartigen internen Kompetenzkonflikten rechtlich unselbständigen Organen oder Funktionsträgern unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis ein, sich gegen die Verletzung ihnen organisationsrechtlich zugewiesener Zuständigkeiten zu wehren (grundlegend BVerwG, Urteil vom 21.06.1974, NJW 1974, 1836; vgl. auch Urteil vom 06.11.1991, NJW 1992, 927, sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.11.1989 - 11 S 320/89 -, VBlBW 1990, 192 f.). Zwar ist mit der Zuordnung einer Kompetenz an ein Organ bzw. an einen Funktionsträger in aller Regel nicht zugleich auch eine Rechtsposition verbunden, die wie ein subjektives Recht im Außenverhältnis gegen "Übergriffe" anderer Organe oder Funktionsträger durch Anrufung des Gerichts verteidigt werden könnte. Denn unabhängig davon, dass die Möglichkeit körperschaftsinterner Auseinandersetzungen jeder Kompetenzverteilung immanent ist, erfolgt die Kompetenzzuweisung grundsätzlich nicht zum Schutze "eigennützig" wahrzunehmender Interessen der kompetenzbelehnten Stelle, sondern dient in der Regel allein dem einwandfreien und reibungslosen Funktionsablauf innerhalb der Gesamtorganisation und damit der Wahrung öffentlicher Interessen (vgl. Wißmann, ZBR 2003, 303; Martensen, JuS 1995, 989; Schoch, JuS 1987, 786; Bethge, DVBl. 1980, 313; Papier, DÖV 1980, 294; s. auch OVG Sachsen, Beschlüsse vom 15.08.1996, LKV 1997, 229 f., sowie vom 25.09.1998, NJW 1999, 2832 f.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.).
16 
Ausnahmsweise ist jedoch dann von der Übertragung einklagbarer Wahrnehmungsbefugnisse auszugehen, wenn dies entweder vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden ist oder wenn im Wege der Auslegung der jeweils einschlägigen Bestimmungen ermittelt werden kann, dass einem Funktionsträger als "Kontrastorgan" zum Zwecke einer sachgerechten Ausbalancierung innerkörperschaftlicher Interessengegensätze die eigenständige Bewältigung bestimmter Aufgabenbereiche zugewiesen wird und er insofern mit einer wehrfähigen Rechtsposition von der Rechtsordnung ausgestattet worden ist (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 95 f.; Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 40 Rdnr. 15; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.02.1997 - 10 S 59/97 -, DÖV 1997, 693 f.; Beschluss vom 27.10.1977 - IX 2682/77 -, DVBl. 1978, 274 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.1999, NVwZ-RR 2000, 375 f.; Beschluss vom 01.12.1994, NVwZ-RR 1995, 411 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 31.08.1999, LKV 2000, 453 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 20.02.1989, NVwZ 1990, 174 f.; Martensen, JuS 1995, S. 989; Herbert, DÖV 1994, 108 ff.; Schoch, JuS 1987, S. 786). Die Beteiligungsfähigkeit des Organs bzw. Funktionsträgers wird hierbei in entsprechender Anwendung der für kommunalverfassungsrechtliche Streitverfahren geltenden Grundsätze aus § 61 VwGO hergeleitet, wobei offen bleiben kann, ob sich dies aus einer analogen Anwendung des § 61 Nr. 1 oder der Nr. 2 VwGO ergibt (zum Meinungsstand vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 61 Rdnr. 3). Für die Klagebefugnis, die bei Bejahung der Beteiligungsfähigkeit regelmäßig vorliegt, ist - unabhängig von der gewählten Klageart - die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend heranzuziehen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.10.1984, NVwZ 1985, 112 f., und vom 22.12.1988, Buchholz 415.1 Nr. 80).
17 
Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind für den hier zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführten Rechtsstreit nicht erfüllt. Denn der Gesetzgeber hat der Klägerin - wie die Auslegung der einschlägigen Vorschriften ergibt - in ihrer Funktion als Frauenvertreterin keine gerichtlich durchsetzbaren bzw. gerichtlich zu klärenden Rechtspositionen eingeräumt. Das folgt aus dem mit dem Frauenförderungsgesetz verfolgten Regelungszweck (dazu 1.) sowie aus der Systematik der im Gesetz getroffenen materiell- und verfahrensrechtlichen Befugnisse der Frauenvertreterin (dazu 2.) unter Berücksichtigung der entsprechenden Gesetzesmaterialien (dazu 3.).
18 
1. Ausgehend von dem Verfassungsgebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zielt das Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen und der Vereinbarung von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg - Frauenförderungsgesetz (FG) - vom 21.12.1995 (GBl. S. 890), verkündet als Art. 1 Landesgleichberechtigungsgesetz, auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes (vgl. § 1 FG). Die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes ist danach Pflichtaufgabe der staatlichen Dienststellen sowie der im Frauenförderungsgesetz genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung verpflichtet sind also nicht etwa die Frauenvertreterinnen als solche, sondern die genannten Dienststellen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Aufgabe der Frauenvertreterin ist es, die Dienststellenleitung bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu unterstützen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 FG) und insofern die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zu fördern. Letzteres geschieht im öffentlichen Interesse und bringt die Frauenvertreterin nicht in die Position einer gesetzlichen Interessenvertreterin der Frauen, die sie gewählt haben. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber lediglich eines mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Amtes innerhalb der Verwaltungsorganisation, um seine Pflichten zur Grundrechtsverwirklichung (besser) erfüllen zu können.
19 
Unter diesem rechtlichen Blickwinkel lässt sich nicht feststellen, dass der Gesetzgeber der Frauenvertreterin die Funktion eines "Kontrastorgans" zugewiesen hat, etwa um die Austragung von Interessengegensätzen und das Austarieren von Partikularinteressen innerhalb der Dienststelle institutionell abzusichern. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz nicht als eigenständiges Organ geschaffen worden - was grundsätzlich möglich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.1994, PersR 1995, 224 ff.) -, sondern der Dienststellenleitung unmittelbar zugeordnet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 FG). Sie ist daher weder eine andere interne Organisationseinheit noch eine externe Stelle, sondern vielmehr Teil der Verwaltung, deren Verpflichtung, die Gleichberechtigung der Frauen in der Dienststelle durchzusetzen, sie unterstützt (vgl. auch Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Diese Anbindung an die Verwaltung lässt den gesetzgeberischen Willen erkennen, das Amt der Frauenvertreterin gerade nicht im Sinne einer Repräsentantin eines mit den Interessen der Dienststelle kollidierenden Fremdinteresses zu konzipieren (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f., VGH Hessen, Beschluss vom 30.08.1996, PersR 1997, 411 ff., sowie OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 ff., auf der Grundlage der jeweiligen Frauenförderungsgesetze, welche die Frauenvertreterinnen ebenfalls den Dienststellenleitungen unmittelbar zuordnen). Insofern grenzt die Zuordnung zur Leitung der Dienststelle das Amt der Frauenvertreterin deutlich von der als Repräsentativ- und damit als echtes Interessenvertretungsorgan der Beschäftigten wirkenden Personalvertretung ab, die einen ganz spezifischen Kontrollauftrag gegenüber der jeweiligen Dienststelle wahrnimmt und deshalb mit entsprechenden Klagebefugnissen ausgestattet ist (vgl. den die Beteiligungsrechte der Personalvertretungsorgane erfassenden § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG). Da die Dienststellenleitung und die ihr unmittelbar zugeordnete Frauenvertreterin nach der Konzeption des Frauenförderungsgesetzes nicht in einem derartigen, aus Interessengegensätzen resultierenden Spannungsverhältnis stehen, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sie mit der rechtlichen Bewehrung von Interessen dienenden Rechten ausstatten wollte.
20 
Eine andere Auslegung ist auch nicht im Hinblick auf die fachliche Weisungsfreiheit der Frauenvertreterin (§ 13 Abs. 1 Satz 2 FG) geboten. Diese soll allein deren sachliche Unabhängigkeit als fachkompetente Instanz gewährleisten und korrespondiert insofern mit ihrer Aufgabenstellung, die auf kritische Reflexion angelegt ist. Die Freistellung von Weisungen garantiert, dass frauenspezifische Belange ohne vorherige "Filterung" in die Willensbildung der Dienststellenleitung einfließen können und beim Durchlaufen der Verwaltungshierarchie nicht verfälscht oder gar unterdrückt werden. Sie bewirkt, dass die Frauenvertreterin insoweit vom Wohlwollen anderer Verwaltungsstellen unabhängig ist und dass die von ihr eingebrachten Gesichtspunkte nicht einfach übergangen werden können. Daraus folgt aber nicht, dass sie die von ihr zu vertretenden Belange als eigene Rechte ausübt (vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 03.11.1999, NVwZ-RR 2000, 728 f., zur gleichlautenden Vorschrift im sächsischen Frauenförderungsgesetz). Insbesondere ändert die weisungsfreie Tätigkeit nichts an dem zwischen Dienststellenleitung und Frauenvertreterin bestehenden Koordinationsverhältnis, in dessen Rahmen und entsprechend dem Gesetzeszweck beide gemeinsam auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu achten haben. Eine wehrfähige Rechtsposition wird hierdurch nicht begründet.
21 
Dieses aus dem Gesetzeszweck gewonnene Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist als Staatszielbestimmung ausgestaltet und beauftragt den einfachen Gesetzgeber, entsprechende Förderungs- und Nachteilsbeseitigungsregelungen zu erlassen, um ein Höchstmaß an tatsächlicher Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu bewirken. Über konkrete Maßnahmen, ihre aktuelle Erforderlichkeit sowie ihre Geeignetheit im Einzelnen sagt die Verfassung nichts aus (vgl. Scholz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2, Rdnr. 61). Die Entscheidung darüber, ob zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern die Institution einer Frauenvertreterin geschaffen wird und dieser auch gerichtlich durchsetzbare Beteiligungsrechte eingeräumt werden, obliegt demnach allein dem einfachen Gesetzgeber und wird von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 19.09.2003, NVwZ 2004, 247 f.).
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2. Die Annahme, der Klägerin stünden klagebewehrte Verfahrensrechte zu, findet auch im Übrigen im Frauenförderungsgesetz keine Stütze. Wehrfähige Wahrnehmungszuständigkeiten lassen sich nicht aus den der Frauenvertreterin konkret zugewiesenen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten, insbesondere auch nicht aus dem von der Klägerin geltend gemachten Teilnahmerecht an Dienststellenleitungsbesprechungen ableiten.
23 
Ob eine Verfahrensvorschrift dem durch sie Begünstigten - gegebenenfalls auch unabhängig vom materiellen Recht - eine gerichtlich selbständig durchsetzbare Rechtsposition gewähren will, hängt von der Zielrichtung und dem Schutzzweck der Norm in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung ab (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1980, DÖV 1980, 516 f. m.w.N.). Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass durch die insbesondere in § 13 bzw. § 14 FG eingeräumten Vortrags- bzw. Initiativ-, Beteiligungs-, Äußerungs- und Teilnahmerechte auch eine Anrufung der Gerichte zur unmittelbaren Entscheidung damit verbundener Fragen zugelassen wird.
24 
Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 FG normierte direkte Vortragsrecht besagt lediglich, dass der übliche Dienstweg nicht eingehalten werden muss und die Frauenvertreterin sich direkt an die Dienststellenleitung wenden kann, soweit sie Klärungsbedarf in Gleichberechtigungsfragen sieht. Das der Frauenvertreterin gemäß § 14 Abs. 2 FG zustehende Initiativrecht stellt nach der Gesetzesbegründung allein sicher, dass die Frauenvertreterin nicht nur auf Planungen der Dienststelle reagieren muss, sondern auch von sich aus aktiv Maßnahmen anregen kann (vgl. Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf, II. zu § 14, LT-Drucks. 11/6212). Die frühzeitige Beteiligung an - die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden - personellen, sozialen und organisatorischen Maßnahmen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FG) soll im Sinne einer effektiven Verwaltungsarbeit verhindern, dass schon weitreichend konkretisierte Maßnahmen nochmals von vorn überdacht werden müssen, weil sich herausstellt, dass Gesichtspunkte der Gleichberechtigung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Von seinem Umfang und seiner gesetzlichen Ausgestaltung her räumt ein solches Beteiligungsrecht - ebenso wenig wie das Recht, sich zu frauenspezifischen Fragen zu äußern (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FG) oder an Dienststellenleitungsbesprechungen teilzunehmen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 FG) - der Frauenvertreterin keinerlei Entscheidungsbefugnis ein, sondern dient allein einer besseren Einbindung der gleichberechtigungsrelevanten Gesichtspunkte in den verwaltungsinternen Entscheidungsprozess. Bei dieser Art der Mitwirkung wird die Frauenvertreterin gewissermaßen gutachtlich und wegen Berührung ihrer Zuständigkeit gehört; ein rechtlich bindender Einfluss auf das Ergebnis der von der Dienststellenleitung zu treffenden Sachentscheidung wird ihr nicht eingeräumt. Hält sie im konkreten Fall Ergänzungen oder sachliche Änderungen für erforderlich, so setzt dies gegebenenfalls einen weiteren Abstimmungsprozess in Gang. Kommt es dabei zu keiner Einigung, verbleibt die Entscheidungskompetenz bei der zuständigen Verwaltungsspitze (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 FG). Zwar kann den genannten Vorschriften entnommen werden, dass die Frauenvertreterin eine selbständige Verfahrensstellung gegenüber der Dienststellenleitung einnehmen soll. Daraus folgt aber nicht, dass der Frauenvertreterin auch eigene, mit verwaltungsgerichtlicher Klage durchsetzbare Rechte im Verhältnis zur Dienststellenleitung zustehen. Denn die genannten Befugnisse sollen allein die innerbehördliche Kompetenzwahrnehmung durch die Frauenvertreterin sicherstellen, ihr aber keine organisatorisch verselbständigte Innenrechtsposition einräumen, die sie wie ein eigenes partikulares Interesse gegen Beeinträchtigungen auf dem Klageweg verteidigen könnte.
25 
Dass dies auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich insbesondere aus der Vorschrift des § 15 Abs. 3 FG, der die Folgen der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilung ausdrücklich regelt. Danach soll der Vollzug einer die Belange der weiblichen Beschäftigten betreffenden Maßnahme bis zum Ablauf einer Woche nach Unterrichtung der Frauenvertreterin ausgesetzt werden, wenn diese entgegen § 14 Abs. 1 Satz 2 FG nicht oder nicht rechtzeitig beteiligt worden ist. Konsequenz der Nichtbeteiligung der Frauenvertreterin ist daher lediglich die kurzfristige aufschiebende Wirkung der beschlossenen Maßnahme, deren Eintritt - da es sich um eine bloße Soll-Vorschrift handelt - nicht einmal zwingend vorgeschrieben ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Frauenvertreterin sämtliche von der Dienststellenleitung getroffenen personellen, sozialen sowie organisatorischen Maßnahmen, die gleichberechtigungsrelevante Bereiche betreffen, hinnehmen muss, auch wenn diesbezüglich ihre Beteiligung gänzlich unterblieben ist. Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass das Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin nicht als rechtsschutzfähige Position zu verstehen ist und es im Streitfall daher auch nicht einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann. Für die übrigen der Frauenvertreterin eingeräumten Befugnisse, die als Informations- und Äußerungsrechte dem Beteiligungsrecht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FG in ihrer Bedeutung nachstehen, kann nichts anderes gelten.
26 
3. Hätte der Gesetzgeber der Frauenvertreterin demgegenüber klagebewehrte Kompetenzen einräumen wollen, so ist davon auszugehen, dass er ihr auch entsprechend ausgestaltete verfahrensrechtliche Befugnisse zugewiesen hätte. Im Gegensatz zu § 22 Abs. 1 des Bundesgleichstellungsgesetzes - BGleiG -, der der Gleichstellungsbeauftragten - so die Bezeichnung der Frauenvertreterin nach diesem Gesetz - eine Klagebefugnis wegen Verletzung ihrer sich aus dem Bundesgleichstellungsgesetz ergebenden Rechte ausdrücklich zuspricht, ist eine entsprechende Bestimmung in das Frauenförderungsgesetz - ebenso wenig wie in die Frauenförderungs- bzw. Gleichberechtigungsgesetze der übrigen Bundesländer - jedoch nicht aufgenommen worden. Dass dies nicht auf einer bloßen "Nachlässigkeit" des Gesetzgebers beruht, sondern dass hiervon ganz bewusst abgesehen wurde, zeigt nicht nur die Tatsache, dass auch in Kenntnis der bundesgesetzlichen Regelung in § 22 BGleiG eine nachträgliche Ergänzung des Frauenförderungsgesetzes bislang nicht stattgefunden hat, sondern ergibt sich außerdem aus den Gesetzesmaterialien.
27 
So monierte der Deutsche Gewerkschaftsbund - Landesbezirk Baden-Württemberg - in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Frauenförderungsgesetzes, dass die Sanktionsmöglichkeiten der Frauenvertreterin bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Unterrichtung zu schwach ausgeprägt seien (LT-Drucks. 11/6632, S. 11). Der Verein der Verwaltungsrichter des Landes Baden-Württemberg äußerte gegen die vorgeschlagene Regelung des § 15 FG Bedenken, weil die Folgen der fehlenden Beteiligung der Frauenvertreterin offen blieben und die Bestimmung bezüglich der Vollzugsaussetzung nur als Sollvorschrift ausgestaltet sei (LT-Drucks. 11/6632, S. 16). Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft forderte ein ausdrückliches Vetorecht der Frauenvertreterinnen, weil deren ernsthafte Mitwirkung in der Dienststelle auch die Ausstattung mit den entsprechend notwendigen Rechten voraussetze (LT-Drucks. 11/6632, S. 30). Die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalratsvorsitzenden des Landes Baden-Württemberg bemängelte, dass das Gesetz bei Missachtung des Beanstandungsrechts nach § 15 FG keine weiteren Sanktionen vorsehe. Außerdem sprach sie sich dafür aus, § 15 Abs. 3 FG statt als Soll- als Mussvorschrift zu verabschieden (LT-Drucks. 11/6632, S. 40).
28 
Alle diese auf die Stärkung der Rechtsstellung der Frauenvertreterin zielenden Vorschläge haben in der endgültigen Gesetzesfassung jedoch ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie der Antrag der Fraktion der GRÜNEN, § 15 Abs. 3 FG dahingehend zu ändern, dass die Frauenvertreterin im Falle ihrer Nichtbeteiligung die Aussetzung des Vollzugs der betreffenden Maßnahme verlangen kann (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 32 und 67). Gleiches gilt für die Anregung eines Abgeordneten der FDP/DVP, ein Klagerecht der Frauenvertreterin einzuführen, soweit Maßnahmen die Rechte von Frauen verletzen und "um dem Gesetz die notwendige Substanz zu geben" (vgl. LT-Drucks. 11/6837, S. 52). In Kenntnis dieser im parlamentarischen Verfahren unterbreiteten Änderungsvorschläge und obwohl bei den Beratungen des Gesetzentwurfs mehrfach der Vorwurf erhoben wurde, die Frauenvertreterin sei ihrer zugedachten Rechtsstellung nach ein "zahnloser Tiger" (vgl. Protokolle über die Sitzungen vom 19.07.1995 (Erste Beratung), PlPr 11/71, S. 5891, und vom 13.12.1995 (Zweite Beratung), PlPr 11/77, S. 6471), hat sich der Gesetzgeber ganz bewusst dafür entschieden, die verfahrensrechtliche Stellung der Frauenvertreterin nicht mit der Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der eigenen Rechtsposition zu verbinden.
29 
Entgegen dem Berufungsvorbringen folgt nach Auffassung des Senats daraus allerdings nicht, dass die der Frauenvertreterin nach dem Frauenförderungsgesetz zustehenden Befugnisse substantiell ausgehöhlt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Grenze überschritten wäre, kann hier offen bleiben. Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und von der Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen -, dass die Wirksamkeit der auf die tatsächliche Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrages zielenden Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Frauenvertreterinnen in der Praxis maßgeblich an der fehlenden gerichtlichen Durchsetzbarkeit leidet. Insofern ist davon auszugehen, dass die Klägerin die ihr als Frauenvertreterin übertragenen Aufgaben und Zuständigkeiten auch ohne deren Aufwertung zu einklagbaren Rechten dem Gesetzeszweck entsprechend wahrnehmen kann. Unabhängig davon verbleibt der Klägerin bei Kompetenzstreitigkeiten mit der Dienststellenleitung stets noch die Möglichkeit, sich zwecks sachgemäßer Lösung solcher Konflikte gemäß § 14 Abs. 5 FG an die oberste Dienstbehörde zu wenden.
30 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Bundesnetzagentur bestimmt den Inhalt der Körbe. Dabei dürfen Zugangsdienste nur insoweit in einem Korb zusammengefasst werden, als sich die erwartete Stärke des Wettbewerbs bei diesen Diensten nicht wesentlich unterscheidet.

(2) Die Bundesnetzagentur stellt das Ausgangsentgeltniveau der in einem Korb zusammengefassten Zugangsleistungen fest. Sofern bereits genehmigte Entgelte vorliegen, ist von diesen auszugehen.

(3) Die Maßgrößen für die Genehmigung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 umfassen

1.
eine gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate,
2.
die zu erwartende Produktivitätsfortschrittsrate des Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht und
3.
Nebenbedingungen, die geeignet sind, einen Missbrauch nach § 28 zu verhindern.

(4) Bei der Vorgabe der Maßgrößen, insbesondere bei der Festlegung der Produktivitätsfortschrittsrate, ist das Verhältnis des Ausgangsentgeltniveaus zu den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 Absatz 1 zu berücksichtigen.

(5) Bei der Vorgabe der Maßgrößen sind die Produktivitätsfortschrittsraten von Unternehmen auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten zu berücksichtigen.

(6) Die Bundesnetzagentur bestimmt, für welchen Zeitraum die Maßgrößen unverändert bleiben, anhand welcher Referenzzeiträume der Vergangenheit die Einhaltung der Maßgrößen geprüft wird und unter welchen Voraussetzungen der Inhalt von Körben geändert oder Preisdifferenzierungen innerhalb eines Korbes durchgeführt werden können.

(1) Ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten, von Leistungen nach § 78 Absatz 2 Nummer 4 und 5 oder von telekommunikationsgestützten Diensten, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, oder ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, darf seine Stellung nicht missbräuchlich ausnutzen. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder deren Wettbewerbsmöglichkeiten ohne sachlich gerechtfertigten Grund erheblich beeinträchtigt werden.

(2) Ein Missbrauch im Sinne des Absatzes 1 wird vermutet, wenn ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht sich selbst, seinen Tochter- oder Partnerunternehmen den Zugang zu seinen intern genutzten oder zu seinen am Markt angebotenen Leistungen zu günstigeren Bedingungen oder zu einer besseren Qualität ermöglicht, als es sie anderen Unternehmen bei der Nutzung der Leistung für deren Telekommunikationsdienste oder mit diesen in Zusammenhang stehenden Diensten einräumt, es sei denn, das Unternehmen weist Tatsachen nach, die die Einräumung ungünstigerer Bedingungen sachlich rechtfertigen.

(3) Ein Missbrauch im Sinne des Absatzes 1 wird auch dann vermutet, wenn ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit beträchtlicher Marktmacht seiner Verpflichtung aus § 22 Abs. 1 nicht nachkommt, indem die Bearbeitung von Zugangsanträgen ohne sachlichen Grund verzögert wird.

(4) Auf Antrag oder von Amts wegen trifft die Bundesnetzagentur eine Entscheidung, um die missbräuchliche Ausnutzung einer marktmächtigen Stellung zu beenden. Dazu kann sie dem Unternehmen, das seine marktmächtige Stellung missbräuchlich ausnutzt, ein Verhalten auferlegen oder untersagen oder Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Unternehmen seine marktmächtige Stellung auf Endkundenmärkten missbräuchlich auszunutzen droht. Eine solche Entscheidung soll in der Regel innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Einleitung des Verfahrens getroffen werden. Bei einer Antragstellung nach Satz 1 ist der Eingang des Antrags der Fristbeginn. Den Antrag nach Satz 1 kann jeder Anbieter von Telekommunikationsdiensten stellen, der geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

67

1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

68

2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

69

der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

73

2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

74

3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

75

4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

76

(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

77

§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

79

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.10.2008 - Az.: 2 C 187/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.923,77 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

(2) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.

(3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche wegen eines Motorschadens nach einer von der Beklagten durchgeführten Inspektion geltend.
Der Beklagte betreibt einen freien Kfz-Meisterbetrieb. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, Audi A3, amtliches Kennzeichen .... Das Fahrzeug wurde am 25.04.2000 zugelassen und verfügt über einen 4-Zylinder 5V-Benzinmotor.
Am 04.12.2007 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Durchführung einer Inspektion ihres Fahrzeuges. Dieses wies einen Kilometerstand von 109.137 km auf. Im Serviceheft des Pkw, welches dem Beklagten unstreitig vorlag, war angegeben, dass der Zahnriemen für Nockenwellenantrieb bei 4-Zylinder 5V-Benzinmotoren bei einem Kilometerstand von 180.000 zu ersetzen sei. Tatsächlich hatte der Hersteller bereits im November 2003 das Serviceintervall insoweit geändert, als der Zahnriemen nach 180.000 km, spätestens jedoch nach 5 Jahren, ausgetauscht werden muss. Hiervon hatten die Parteien keine Kenntnis. Bei der durchgeführten Inspektion wurde der Zahnriemen nicht ausgetauscht.
Am 22.12.2007 trat bei einem Kilometerstand von 109.721 ein Schaden am Zahnriemen ein, der zu einem Motorschaden führte.
In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.459,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 446,13 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den aktuell durch den Hersteller vorgegebenen Serviceumfang zu ermitteln, sondern habe sich auf die Angaben im Serviceheft verlassen dürfen.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil. Sie ist der Auffassung, dem Beklagten, der bei allen Fahrzeugmarken die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchführe, müssten die aktuellen Händlervorgaben bekannt sein.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens im zugesprochenen Umfang. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, bei der vorgenommenen Inspektion des klägerischen Fahrzeuges den Zahnriemen zu erneuern. Dessen Austausch gehörte bei dem sieben Jahre alten Pkw der Klägerin zu den üblichen - vom Hersteller in den Inspektionsrichtlinien aufgeführten - Wartungsarbeiten.
10 
Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach den Beklagten kein Verschulden treffe, wird von der Kammer nicht geteilt. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Den Entlastungsbeweis hat der Beklagte nicht geführt.
11 
a) Er durfte sich nicht auf die Angaben im Serviceheft, wonach der Zahnriemen erst nach einer Laufleistung von 180.000 km ausgetauscht werden müsse, verlassen, sondern hätte sich über die aktuellen Herstellervorgaben informieren müssen. Wenn ein Kfz-Meisterbetrieb, wie der des Beklagten damit wirbt, bei allen Fahrzeugtypen die erforderlichen Service- und Inspektionsarbeiten durchzuführen, darf der Kunde darauf vertrauen, dass diese Werkstatt von den aktuellen Herstellerrichtlinien Kenntnis hat, obwohl es sich nicht um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Dieses Ergebnis leitet die Kammer zudem aus folgender Überlegung ab: Der Hersteller Audi nimmt die Privilegien der Verordnung 2002/1400 EG der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Gruppenfreistellungsverordnung KFZ) in Anspruch. Er ist damit gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung u. a. verpflichtet, unabhängigen Marktteilnehmern wie dem Beklagten Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge erforderlichen technischen Informationen zu gewähren, wobei die Instandsetzungs- und Wartungsanleitungen ausdrücklich davon umfasst werden. Dieser Zugang muss unverzüglich, in nicht diskriminierender und verhältnismäßiger Form gewährt werden. Damit steht es dem Beklagten frei, sich wie eine markengebundene Vertragswerkstatt vor Durchführung der Inspektion mit den aktuellen Wartungsempfehlungen zu versorgen. Tut er dies nicht ohne dies mit seinem Auftraggeber ausdrücklich zu vereinbaren, so erfüllt er nicht die erforderliche Sorgfalt.
12 
b) Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2009 nunmehr vorträgt und unter Beweis stellt, dass ein Zugang zu den aktuellen Inspektionsinformationen von Audi für freie Werkstätten nicht existiere und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, reicht auch dies für seine Entlastung nicht aus. Denn in diesem Fall, hätte er die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihm lediglich eine Inspektion anhand des vorgelegten Servicehefts möglich ist und ihm etwaige Änderungen der Inspektions- und Wartungsrichtlinien des Herstellers nicht zugänglich sind. Hätte der Beklagte diesen Hinweis erteilt, so hätte die Klägerin die Inspektion nicht beim Beklagten sondern in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen.
13 
Dies folgt zwar noch nicht aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weil diese nur dann eingreift, wenn es für den Aufklärungsempfänger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGH XI ZR 405/04, U.v. 24.01.2006 m.w.N.), und die Klägerin sich auch nach der gebotenen Aufklärung hätte entscheiden können, die vermutlich billigere freie Werkstatt zu beauftragen. Die Kammer ist aber bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung der gesamten Umstände (siehe BGH NJW 96, 312, 314) davon überzeugt, dass die Klägerin sich dann wie bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, ihren Wagen in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dort liegen die aktuellen Herstellerinformationen vor und werden in aller Regel beachtet. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vertragswerkstatt der Klägerin den Zahnriemen im Jahr 2006 nicht erneuert hat, obwohl ihr Fahrzeug damals bereits älter als 5 Jahre gewesen ist. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch bei einer Inspektion im Jahr 2007 der Austausch unterblieben wäre.
14 
2. Auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Motorschaden bei Austausch des Zahnriemens nicht eingetreten wäre... [wird ausgeführt]
15 
3. Der Anspruch der Klägerin beträgt 2.923,77 EUR.... [wird ausgeführt]
III.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.