Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Feb. 2017 - 9 K 6154/14

bei uns veröffentlicht am10.02.2017

Tenor

Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer II. der Verfügung vom 3. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Dezember 2014 ausgesprochene Untersagung, „innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kinder, Jugendliche (unter 18 Jahren) […] insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten.“ rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfügung, mit der ihm die Kontaktaufnahme sowie weitere Handlungen gegenüber Minderjährigen befristet untersagt wurden.

2

Der am […] geborene Kläger wurde wiederholt wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtskräftig verurteilt:

3

1. Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2000: Verurteilung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die bis zum 4. Oktober 2003 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung liegen zwei Vorfälle aus dem September 1999 zugrunde. In einem Fall filmte der Kläger eine junge Frau in einem Wartehäuschen, versuchte dann unter ihrem Rock zu filmen und fasste die Frau an die Brust. Im zweiten Fall verfolgte und filmte der Kläger eine Frau mit ihren beiden Kindern. Er sprach die Frau an und kniff ihr dann in die rechte Gesäßhälfte, worauf sich die Frau in einen nahegelegenen Hauseingang begab und klingelte. Der Kläger folgte ihr, hielt ihr mit einer Hand den Mund zu, griff mit der anderen Hand unter den Rock zwischen die Beine der Frau und forderte sie auf, nicht zu klingeln. Der Kläger ließ von der Frau ab, als im Haus ein Hund bellte. Bei der Tat führte der Kläger einen Elektroschocker bei sich.

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2. Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Juni 2001: Verurteilung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung und mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten. Der Verurteilung liegt ein Vorfall aus dem März 2001 zugrunde. Danach bemerkte der Kläger auf dem Rückweg von einer Feier gegen 3.30 Uhr eine 16-jährige Frau in einer ansonsten menschenleeren Straße. Der Kläger entschloss sich, der jungen Frau, die sich auf dem Heimweg befand, aufzulauern und sie zu vergewaltigen. Dazu parkte der Kläger seinen Pkw, passte sie hinter einem Lkw versteckt ab und sprach sie an. Als die junge Frau ausweichen und weitergehen wollte, packte der Kläger sie und zog sie in eine Parkbucht. Die Frau wehrte sich heftig, woraufhin der Kläger sie zu Boden riss und durch wiederholte Gewaltanwendung gefügig zu machen versuchte. Der Kläger griff ihr dabei wiederholt kräftig zwischen die Beine. Bei dem Versuch, die Frau zu fesseln, gelang es ihr, sich aufzuraffen und zu fliehen.

5

3. Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 6. Mai 2009: Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Der Verurteilung liegt ein Vorfall aus dem März 2008 zugrunde. Dabei filmte der Kläger eine junge erwachsene Frau mit einer für die Nachtsicht ausgerüsteten Digitalkamera und folgte ihr im Abstand von wenigen Metern. Da sie dies als unangenehm empfand, wollte sie die Straßenseite wechseln. In diesem Moment trat der Kläger an sie heran und schob die Kamera unter ihren Rock zwischen die Beine. Der Kläger führte während der Tat einen Handschuh in seiner Jackentasche mit sich.

6

4. Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 14. August 2015: Verurteilung wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften und tätlicher Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Danach bezog der Kläger am 12. Februar 2012 über das Internet 619 kinderpornografische Bilder, die zum Teil erheblichen sexuellen Missbrauch an Kindern unter 14 Jahren wiedergaben. Am 12. Oktober 2012 verfolgte der Kläger früh morgens eine junge erwachsene Frau, die sich auf dem Heimweg befand, und griff ihr, als sie gerade ihre Haustür aufschließen wollte, zwischen die Beine und führte kreisartige Bewegungen mit seinem Daumen aus. Nach wenigen Sekunden ließ er von ihr ab und lief davon. Die gegen das Urteil vom Kläger und der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen wurden jeweils zurückgenommen.

7

Im Rahmen der Strafvollstreckung kam es zu zwei Bewährungswiderrufen, zudem unterliegt der Kläger seit dem 19. Januar 2015 Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht:

8

Der Strafrest der mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Juni 2001 verhängten Freiheitsstrafe (s.o. Ziffer 2.) wurde zunächst mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20. September 2005 für die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährung wurde aufgrund der Verurteilung unter Ziffer 3. mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. Juli 2010 widerrufen, die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 22. Dezember 2011 verworfen. Das Landgericht Hamburg setzte mit Beschluss vom 6. November 2012 erneut die Vollstreckung des Restes dieser Freiheitsstrafe unter Erteilung von Weisungen für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung aus. Der Kläger wurde am 20. November 2012 aus der Strafhaft entlassen.

9

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2013 ergänzte das Landgericht Hamburg diesen Bewährungsbeschluss um vier weitere Weisungen (Weisungen Ziffern 6. bis 9.). Unter Ziffer 6. wurde dem Kläger ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber Minderjährigen auferlegt, Ziffer 7. betraf ein Verbot, sich im Umkreis von weniger als 50 Metern um Orte aufzuhalten, an denen sich typischerweise Minderjährige befinden. Durch die Weisung Ziffer 9. wurde dem Kläger untersagt, sich auf nichtöffentlichem Gelände aufzuhalten. Die unter Ziffer 8. ausgesprochene Weisung lautete wie folgt:

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8. Dem Verurteilten wird untersagt, Kinder, Jugendliche und Frauen zu verfolgen, ihnen nachzusteigen, aufzulauern, sie zu beobachten, auszuspähen, zu fotografieren oder zu filmen. Von dem Film- und Fotografieverbot ausgenommen sind Personen aus dem eigenen Familien- und Bekanntenkreis.“

11

Die ergänzenden Weisungen begründete das Landgericht mit der Gefahr der Begehung weiterer Sexualstraftaten durch den Kläger. Es stützte sich bei seiner Beurteilung maßgeblich auf die Hinweise des Landeskriminalamtes Hamburg, das den Kläger in den vorgehenden Monaten wiederholt observiert und dabei verdächtiges Verhalten und Vorbereitungshandlungen beobachtet habe. So habe er in einem Fall ein Kind bis zu einem Kleingarten verfolgt, in einem anderen Fall habe er durch ein Fenster einer Wohnung eine Frau gefilmt und seine Spuren beim Verlassen der Örtlichkeit verwischt. In einem weiteren Fall habe der Kläger eine erwachsene Frau mit seinem Pkw verfolgt und sich hinter ihrem Haus aufgehalten. Des Weiteren sei der Kläger vermehrt dabei beobachtet worden, dass er Schulmädchen angesprochen und eines auch in den Arm genommen habe. Bei einer Durchsuchung bei dem Kläger seien kinderpornografisches Material sowie digitale Darstellungen mit sexueller Gewalt und Fesselungen auf einem PC gefunden worden. Zudem sei das Muster zu erkennen, dass der Kläger gezielt bestimmte Orte zu bestimmten Zeiten aufsuche: Tagsüber halte er sich häufig in der Nähe von Schulen auf, nachts sei er wiederholt vor S- und U-Bahnstationen sowie an Nachtbushaltestellen beobachtet worden. Die Beschwerde des Klägers gegen die zitierten Weisungen Ziffern 6. und 7. wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2014 zurückgewiesen.

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Unter dem 4. September 2014 ordnete das Landgericht Hamburg aufgrund von Verstößen gegen die oben genannten Weisungen Ziffern 7., 8. und 9. und einer angenommenen unmittelbaren Gefahr neuer Sexualdelinquenz des Klägers Sicherungshaftbefehl gemäß § 453c StPO gegen diesen an und widerrief mit Beschluss vom 9. September 2014 die Aussetzung der Reststrafe. Das Landgericht stützte sich dabei wiederum auf Observationen des Landeskriminalamtes Hamburg. Danach habe der Kläger am 7. August 2014 einen in einer Grünanlage befindlichen Kinderspielplatz, wo sich zwei Frauen und zwei Kinder befunden hätten, beobachtet und betreten und habe dabei ein ca. neunjähriges Kind verfolgt. Zwischen dem 31. Juli und 12. August 2014 habe er in vier Fällen Kinder und Frauen beobachtet oder verfolgt und in einem weiteren Fall habe er nachts ein umfriedetes Grundstück betreten. Darin lägen beharrliche Verstöße gegen vorgenannte Weisungen, obwohl der Kläger in einer mündlichen Anhörung vom 12. Dezember 2013 über die Bedeutung der Weisungen aufgeklärt worden sei und er zudem von den wiederholten Observationen gewusst habe. Das Verhalten stehe in eindeutiger Fortsetzung des schon den Verurteilungen zugrunde liegenden Verhaltens des „Cruisens“ und Beobachtens. Das Gericht bezieht sich ferner auf die am 22. April 2014 erhobene Anklage gegen den Kläger wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften sowie des Verdachts einer tätlichen Beleidigung mit Tatzeit vom 12. Oktober 2012 (s.o. Verurteilung Ziffer 4.). Weiter ergibt sich, dass der Kläger aufgrund seiner Strafdelikte über Jahre in psychotherapeutischer Behandlung war. Diese sei durch Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20. September 2005 für die Dauer von drei Jahren als Weisung festgelegt worden, sei bei dem Therapeuten […] durchzuführen gewesen und sei am 15. Januar 2008 regulär abgeschlossen worden. Von Herbst 2008 bis März 2010 habe er sich freiwillig in Behandlung bei dem Therapeuten […], ab dem 31.März 2009 zusätzlich bei dem Therapeuten Prof. Dr. […] befunden. Das Landgericht Hamburg geht in seinem Beschluss, u.a. unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe des Beschlusses vom 9. Juli 2010 sowie ein Prognosegutachten des psychologischen Sachverständigen […] vom 30. September 2012, davon aus, dass die Therapien an dem Verhalten des Klägers nichts ändern konnten. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. September 2014 wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 10. Oktober 2014 zurückgewiesen, weil ein gröblicher Verstoß gegen die Weisung, sich nicht im Umkreis von weniger als 50 Metern von Orten aufzuhalten, an denen sich typischerweise Minderjährige aufhalten, vorgelegen habe. Das Hanseatische Oberlandesgericht deutete in diesem Beschluss u.a. Zweifel an der Bestimmtheit der oben zitierten Weisung Ziffer 8. an, ließ dies aber im Ergebnis offen. Der Kläger verbüßte daraufhin den Strafrest bis zum 21. Oktober 2014.

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Mit Beschluss vom 19. Januar 2015 setzte das Landgericht Hamburg die gemäß § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht auf die Dauer von fünf Jahren ab Entlassung aus dem Strafvollzug fest und untersagte dem Kläger, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen und sich im Umkreis von weniger als 50 Metern um Orte aufzuhalten, an denen sich üblicherweise Kinder und Jugendliche aufhalten. Dem Kläger wurde zudem die Weisung erteilt, eine Fußfessel zu tragen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Klägers wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 6. Mai 2015 zurückgewiesen. Das Gericht ging unter Einbezug der früheren Verurteilungen und Bewährungswiderrufe davon aus, dass die Persönlichkeit des Klägers erheblich defizitär sei. Es liege bei ihm eine sexuelle Devianz vor, die sich in den Sexualstraftaten niedergeschlagen habe und die weder durch den Strafvollzug noch durch langjährige therapeutische Behandlungen behoben worden sei.

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Die streitgegenständliche Verfügung der Beklagten erging am 3. Juli 2014, d.h. vor dem Bewährungswiderruf vom 9. September 2014, indem die Beklagte die Verfügung dem Bevollmächtigten des Klägers per Telefax übersandte. Die erste Seite des Telefax bestand aus einem mit Briefkopf versehenen Anschreiben der Beklagten an den Bevollmächtigten des Klägers, mit dem er informiert wurde, dass die Übersendung an ihn mit dem Kläger telefonisch vorab besprochen und der Kläger mündlich bereits über den Inhalt der Verfügung und die Möglichkeit der Anordnung eines Zwangsgeldes informiert worden sei. Die weiteren Seiten des Telefax enthielten die als Anlage zu dem Anschreiben übersandte streitgegenständliche Verfügung, die weder datiert war noch einen Briefkopf enthielt. Sie war indes unterschrieben und mit „LKA42“ gekennzeichnet.

15

Mit der streitgegenständlichen Verfügung wurde unter der Ziffer I. angeordnet:

16

[…] aufgrund des § 12 b Absatz 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung […] wird es Ihnen untersagt, innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kontakt zu Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren) aufzunehmen, sofern sie nicht in der Begleitung und der Aufsicht eines Erziehungsberechtigten sind, insbesondere sie anzusprechen, zu berühren, zu beaufsichtigen, zu beherbergen, in einem Fahrzeug zu befördern, durch Gesten oder Handlungen zur Kontaktaufnahme aufzufordern.

17

Das Kontakt- und Näherungsverbot gilt nicht für die Kinder Ihrer Lebensgefährtin Frau […], soweit die Kontaktaufnahme nicht gegen ein anderes behördliches oder gerichtliches Verbot verstößt.

18

Sofern im Einzelfall ein berechtigtes Interesse zur Kontaktaufnahme zu bestimmten anderen Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren) bestehen sollte, kann eine Sondererlaubnis bei der im Briefkopf angegebenen Dienststelle beantragt werden […].“

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Unter der Ziffer II. der streitgegenständlichen Verfügung hieß es weiter:

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Ihnen wird ferner aufgrund des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung […] untersagt, innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kinder, Jugendliche (unter 18 Jahren) zu verfolgen, ihnen aufzulauern, sie insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten.“

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Zugleich wurde die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung die Verfügung mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt sowie ein Zwangsgeld erhoben werden könnte. Sofern das Zwangsgeld erfolglos bliebe und ein anderes Zwangsmittel nicht erfolgversprechend sei, könne auch Erzwingungshaft angeordnet werden. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Verfügung wurde gemäß § 14 HmbVwVG ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro festgesetzt.

22

Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die in der Vergangenheit ergangenen Strafurteile, die eingeleiteten Ermittlungsverfahren und die durch den Kläger verursachten polizeilich festgestellten Gefährdungen die Prognose zulassen würden, dass eine Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit der in der Verfügung genannten Personengruppen erforderlich sei und die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht entgegenstehe. Dazu wurden die oben unter den Ziffern 1. bis 3. genannten Urteile angeführt und das jeweilige Tatgeschehen wiedergegeben. Ferner wurde die Begründung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 wiedergegeben. Des Weiteren führte die Beklagte drei weitere Vorfälle vom 18. und 19. November 2013 sowie vom 26. Juni 2014 an, die der Polizei durch (Straf-)Anzeigen bekannt geworden seien: Am 18. November 2013 habe der Kläger ein bestimmtes Schulkind mit seinem Pkw auf dem Schulweg verfolgt und es dann bei geöffneter Beifahrertür zum Mitkommen aufgefordert. Am 19. November 2013 habe der Kläger nach demselben Schulkind, das sich mit dem Fahrrad auf dem Schulweg befunden habe, gegriffen und es am Ärmel erfasst, das Kind habe sich jedoch losreißen und weiterfahren können. Am 26. Juni 2014 habe dasselbe Kind, während es den Hund ausgeführt habe, bemerkt, dass ihm ein Pkw in seinem Schritttempo gefolgt sei. Es habe durch das heruntergelassene Beifahrerfenster den Kläger wiedererkannt, worauf es verängstigt davon gelaufen sei. Der Kläger habe dann die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs auf die Laufgeschwindigkeit des Kindes angepasst und habe es bis zur Höhe seiner Haustür verfolgt. Das Kind habe den Kläger aus einer Wahllichtbildvorlage sicher wiedererkannt.

23

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 legte der Kläger Widerspruch gegen die streitgegenständliche Verfügung ein. Zur Begründung führte er aus, dass § 12b Abs. 3 HmbSOG keine geeignete Rechtsgrundlage für die unter Ziffer I. der Verfügung ausgesprochene Untersagung sei, weil ein solches Verbot nur in Bezug auf eine konkrete andere Person, nicht aber auf einen nur abstrakt bestimmten Personenkreis wie Kinder und Jugendliche gestützt werden könne. Zu den im Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 geschilderten Vorkommnissen sei es ebenso wenig gekommen wie zu den Vorkommnissen am 26. Juni 2014 und zuvor. Des Weiteren sei die Untersagung in Ziffer II. der Verfügung zu unbestimmt.

24

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2014 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Begründung der Verfügung vom 3. Juli 2014 sowie unter weiterer Bezugnahme auf die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 4. und 9. September 2014 sowie den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. Oktober 2014 zurück. Ergänzend wurde im Hinblick auf Ziffer I. der streitgegenständlichen Verfügung ausgeführt, dass das Verhalten des Klägers vom 26. Juni 2014 gezeigt habe, dass die Weisungen des Landgerichts Hamburg aus dem Beschluss vom 16. Dezember 2013 für die Zwecke der Gefahrenabwehr nicht ausreichend gewesen seien. Sanktion eines Verstoßes gegen Bewährungsweisungen sei allein der Widerruf der Bewährung, was in der Regel nicht kurzfristig erfolge und daher keinen Eingriff in ein akut gefahrenbegründendes Geschehen ermögliche. Die streitgegenständliche Verfügung sei auch nach wie vor erforderlich, weil nach dem Bewährungswiderruf durch das Landgericht und vollständiger Reststrafenverbüßung die Bewährungsweisungen nicht mehr in Kraft seien sowie die kraft Gesetz eintretende Führungsaufsicht noch nicht durch konkrete Weisungen ausgestaltet worden sei. Dies sei erst für Januar 2015 zu erwarten. Die Beklagte kündigte zudem an, dass die streitgegenständliche Verfügung mit Rechtskraft der dem Kläger nach § 68b StGB zu erteilenden Weisungen aufgehoben würde, da diese dann aufgrund der für Gefahrenabwehrzwecke ausreichenden Strafandrohung des § 145a StGB im Fall des Weisungsverstoßes nicht mehr erforderlich sei. Im Übrigen reiche im Rahmen des § 12b Abs. 3 HmbSOG eine hinreichende Bestimmbarkeit der zu schützenden Personengruppe. Die unter Ziffer II. der Verfügung erfolgten Anordnungen seien nicht unbestimmt, weil die Begriffe aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich seien und die Formulierung „planmäßig angelegt zu beobachten“ in § 163f StPO verwendet werde. Diese Formulierung mache hinreichend deutlich, dass eine nicht nur zufällige, sondern einem Plan folgende Beobachtung von dem Verbot erfasst sei.

25

Am 22. Dezember 2014 hat der Kläger dagegen unter Aufrechterhaltung der Argumentation aus dem Widerspruch Klage erhoben. Ergänzend führt der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass neben den nur unter engen Voraussetzungen möglichen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht polizeiliche Maßnahmen nicht zulässig seien. Daneben sei § 3 Abs. 1 HmbSOG keine geeignete Rechtsgrundlage für die in Ziffer II. der Verfügung geregelte Untersagung, weil § 12b Abs. 3 HmbSOG insofern die speziellere Rechtsgrundlage sei. Die Vorfälle vom 18. und 19. November 2013 sowie dem 26. Juni 2014 seien ebenso wie bestimmte Observationsergebnisse nie vollständig überprüft worden, weder von der Beklagten noch von den Strafgerichten, die die polizeilichen Feststellungen weitgehend ungeprüft übernommen hätten. Bei den vermeintlichen polizeilichen Feststellungen handele es sich lediglich um Verdachtsfälle. Die vermeintliche sexuelle Devianz des Klägers sei nie fachmännisch festgestellt worden. Die in der Verfügung enthaltenen Verbote seien des Weiteren nicht zur Gefahrenabwehr geeignet, weil sie zu unbestimmt seien und von den untersagten Handlungen keine Gefahr ausgehe. Die Anordnung unter Ziffer I. sei ferner unverhältnismäßig, weil dem Kläger die Einholung einer polizeilichen Sondererlaubnis für eine Kontaktaufnahme für bestimmte Minderjährige – z.B. Verwandte – nicht zumutbar sei. Darin liege eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Lebensgestaltung des Klägers und eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 und Art. 6 GG. Zudem sei die Sachakte unvollständig.

26

Nachdem der Kläger zunächst einen Antrag auf Aufhebung der streitgegenständlichen Verfügung gestellt hatte, beantragt er nunmehr,

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festzustellen, dass die Verfügungen der Beklagten vom 3. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Dezember 2014 rechtswidrig gewesen sind.

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Die Beklagte beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in der streitgegenständlichen Verfügung und in dem Widerspruchsbescheid sowie auf die in Bezug genommenen gerichtlichen Entscheidungen. Ergänzend führt sie aus, dass Verdachtsfälle grundsätzlich eine ausreichende Grundlage im Gefahrenabwehrrecht seien, einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bedürfe es nicht.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch überwiegend keinen Erfolg. Die Verfügung der Beklagten vom 3. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2014 war insoweit rechtswidrig, als dem Kläger untersagt wurde, „innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kinder, Jugendliche (unter 18 Jahren) […] insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten“. Im Übrigen war die Verfügung rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

33

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Die streitgegenständliche Verfügung erledigte sich nach Klageerhebung am 3. Januar 2015 durch Zeitablauf. Dem Kläger steht aufgrund einer potenziell erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigung durch die streitgegenständliche Verfügung (Rehabilitationsinteresse) sowie der Möglichkeit des Erlasses einer ähnlichen Verfügung in der Zukunft – jedenfalls nach Ablauf der Führungsaufsicht – (Wiederholungsgefahr) auch das erforderliche Feststellungsinteresse zur Seite.

34

2. Die Klage ist nur in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

35

a) Der Rückgriff der Beklagten auf die Ermächtigungsnormen der § 12b Abs. 3 und § 3 Abs. 1 HmbSOG war vorliegend nicht dadurch gesperrt, dass der Bundesgesetzgeber für den hier fraglichen Sachbereich der „Abwehr von konkreten Gefahren durch rückfallgefährdete Sexualstraftäter“ durch die Regelungen im Vierten Titel des Dritten Abschnitts des Strafgesetzbuches („Strafaussetzung zur Bewährung“, §§ 56 ff. StGB) eine abschließende Regelung getroffen hätte.

36

Sofern der Kläger ausführt, dass neben den nur unter engen Voraussetzungen möglichen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht zusätzliche gefahrenabwehrrechtliche Weisungen durch die Beklagte nicht zulässig seien, verkennt er, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verfügung keine Führungsaufsicht für den Kläger bestand. Vielmehr unterlag er zu diesem Zeitpunkt verschiedenen Weisungen nach § 56c Abs. 2 StGB, von denen zwei Weisungen den mit der streitgegenständlichen Verfügung festgelegten Untersagungen ähnelten.

37

Diese Bewährungsweisungen haben die Anwendung polizeirechtlicher Gefahrenabwehrbefugnisse nicht gesperrt, weil sie unterschiedliche Regelungskreise betreffen.

38

Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG dürfen die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Gesetze nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Landesrechtliche Regelungen sind daher grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bundesgesetzliche Regelung dieses Sachbereichs abschließenden Charakter hat. Ob eine bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht, kann nur einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29.3.2000, 2 BvL 3/96, juris, Rn. 83 m.w.N.).

39

Die Regelungen der §§ 56 ff. StGB beruhen auf dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG („Strafrecht“), wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dieser Kompetenztitel weit zu verstehen ist (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Urt. v. 10.2.2004, 2 BvR 834/02 u. 1588/02, juris, Rn. 86 ff.). Zu dem Bereich des Strafrechts gehören nicht nur „Strafen“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern die Gesamtheit der Rechtsnormen, die für eine rechtswidrige Tat eine Strafe, Buße oder Maßregel der Besserung und Sicherung festsetzen. Daher können auch präventive Maßnahmen Gegenstand dieses Kompetenztitels sein. Es bedarf dabei eines Sachzusammenhangs zwischen der Strafe und der rein präventiven Sanktion. Ansatzpunkt des Kompetenztitels ist eine begangene Straftat, die Anlasstat. Ist die Anlasstat dagegen nicht notwendige Bedingung einer Präventivmaßnahme, besteht kein die Kompetenz des Strafgesetzgebers begründender Sachzusammenhang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.7.2013, 2 BvR 2302/11, juris, Rn. 55; BVerfG, Urt. v. 10.2.2004, a.a.O., Rn. 102).

40

Die streitgegenständliche Verfügung knüpfte nicht an eine bestimmte Straftat als Anlasstat an, sondern wurde durch den Vorfall vom 26. Juni 2014 veranlasst. Dies ergibt sich aus der Begründung der streitgegenständlichen Verfügung und insbesondere aus der Begründung des Widerspruchsbescheides (dort S. 8: „Durch das Verhalten des Widersprechenden am 26.06.2014 lagen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bewährungsweisungen […] nicht ausreichten und zur effektiven Gefahrenabwehr […] ergänzt werden musste.“). Im Rahmen der Gefahrenprognose wurden zwar auch die vom Kläger begangenen Straftaten berücksichtigt, diese waren aber nicht originärer Anlass der Verfügung. Es fehlte daher bereits an dem für eine Kompetenz des Strafgesetzgebers erforderlichen Sachzusammenhangs zwischen der Präventivmaßnahme und einer Anlassstraftat, so dass es für die hier in Frage stehende Maßnahme bei der Gesetzgebungskompetenz des Landes blieb.

41

Dem stehen die Ausführungen des VG Freiburg in seinem Urteil vom 14. Februar 2013 (4 K 1115/12, juris, Rn. 41 ff.) nicht entgegen. Dieses hat für den Bereich der Führungsaufsicht nach den §§ 68 ff. StGB die Auffassung vertreten, dass ein Rückgriff auf die polizeirechtlichen Ermächtigungsnormen nach Art. 72 Abs. 1 GG für den Sachbereich „Gefahr durch rückfallgefährdete Sexualstraftäter“ – jedenfalls in Bezug auf Dauermaßnahmen – aufgrund abschließender Regelungen in den §§ 68 ff. StGB verwehrt sein könnte, hat diese Frage aber letztlich offen gelassen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch grundlegend von dem Fall, der dem Urteil des VG Freiburg zugrunde lag. Zum einen hatte das VG Freiburg einen Fall zu beurteilen, in dem die polizeiliche Maßnahme nicht wie vorliegend an neue, tatsächliche Anhaltspunkte der Gefahr der Begehung einer Straftat anknüpfte, sondern ausschließlich auf die potenzielle Gefährlichkeit des verurteilten Sexualstraftäters gestützt wurde (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 14.2.2013, a.a.O., Rn. 8). Zum anderen handelt es sich vorliegend um keinen Fall einer unter Führungsaufsicht stehenden Person.

42

Die Ausführungen des VG Freiburg sind auch nicht übertragbar, weil Bewährungsweisungen einen anderen Zweck als Weisungen im Rahmen der Führungsaufsichtverfolgen und an andere Voraussetzungen geknüpft sind. Die Bewährung stellt eine Modifikation der Freiheitsstrafe dar, während die Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung neben der Freiheitsstrafe angeordnet wird. Als Zielstellung kann dem Wortlaut des § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB entnommen werden, dass die (Bewährungs-)Weisung eine Hilfestellung für den Betroffenen darstellt („wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen.“). Es geht daher vornehmlich um eine Resozialisierung des Verurteilten, die Weisungen sollen ihm beim Erreichen des Bewährungsziels helfen (vgl. OLG Jena, Urt. v. 13.12.2010, 1 Ws 455/10, juris, Rn. 23; von Heintschel-Heinegg, in: Beck'scher Online Kommentar StGB, 32. Aufl. 2016, § 56c Rn. 1; Hubrach, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 56c Rn. 1). Die Weisung soll verhaltenslenkende, spezialpräventive Wirkung zugunsten des Verurteilten entfalten. Der Zweck von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b StGB liegt darüber hinaus, wenn nicht sogar vorrangig, im Schutz der Allgemeinheit (vgl. BT-Drs. 17/3403, S. 13f.; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 68 Rn. 3 m.w.N.). Weisungen nach § 68b StGB haben stärker kontrollierenden und überwachenden Charakter (vgl. BT-Drs. 17/3403, S. 13f.; Heuchemer, in: Beck'scher Online Kommentar StGB, 32. Aufl. 2016, § 68b Rn. 2) und weisen daher eine größere Nähe zur Gefahrenabwehr auf. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des VG Freiburg zur möglichen Sperrwirkung der §§ 68 ff. StGB zu sehen (vgl. Urt. v. 14.2.2013, a.a.O., Rn. 43 ff.). Die landesrechtliche Kompetenz zur Gefahrenabwehr wird durch die spezialpräventiven Zwecken dienenden Bewährungsweisungen jedenfalls nicht verdrängt.

43

b) Die streitgegenständliche Verfügung war formell rechtmäßig. Zwar enthielt das den eigentlichen Verfügungstext und die Begründung wiedergebende Dokument, das dem Klägervertreter als Telefax übersandt wurde, weder Briefkopf noch Datum, sondern nur eine Unterschrift mit der handschriftlichen Kennzeichnung „LKA 42“. Dem eigentlichen Verfügungstext war jedoch mit demselben Telefaxvorgang ein Anschreiben vorgelagert, aus dem sich die handelnde Behörde ohne Weiteres ergab und mit dem auf den nachfolgenden Verfügungstext hingewiesen wurde. Es bestehen auch keine Zweifel an der Empfangsberechtigung des Klägervertreters, da der Kläger der Beklagten die Empfangsbevollmächtigung vorab mündlich mitgeteilt hatte.

44

Des Weiteren wurde der Kläger vor Erlass der Verfügung zwar nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 HmbVwVfG angehört. Dies war indes unbeachtlich, ein möglicher Anhörungsmangel wurde jedenfalls durch die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt, vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG.

45

c) Die Verfügung war insoweit rechtswidrig, als dem Kläger untersagt wurde, Kinder und Jugendliche planmäßig angelegt zu beobachten. Im Übrigen war sie rechtmäßig.

46

aa) Nicht zu beanstanden war das unter Ziffer I. der streitgegenständlichen Verfügung ausgesprochene Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber Minderjährigen.

47

(1) Die Beklagte stützte das Kontakt- und Näherungsverbot jedoch zu Unrecht auf § 12b Abs.3 HmbSOG. Diese Norm ermächtigt dazu, einer Person zu untersagen, 1. Verbindung zu einer anderen Person, auch unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln, aufzunehmen sowie 2. das Zusammentreffen mit einer anderen Person herbeizuführen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit dieser Person insbesondere in engen sozialen Beziehungen erforderlich ist und der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht entgegensteht. Bereits der Wortlaut der Norm („einer anderen Person“, „dieser Person“) legt nahe, dass es sich bei der oder den zu schützenden Personen um bestimmte, konkret zu benennende Personen und nicht um abstrakt beschriebene Personenkreise, die namentlich nicht näher bekannt sind, handelt. Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Dort wird ausgeführt:

48

Mit der Ergänzung des § 12b soll eine Lücke geschlossen werden, die trotz des Gewaltschutzgesetzes und des im 2007 geschaffenen Straftatbestandes des Näherungsverbotes in § 238 StGB nach wie vor besteht. Das Kontakt- und Näherungsverbot soll Eskalationen insbesondere in Nähebeziehungen verhindern und – wie auch die Wegweisung in Absatz 1 – dem Betroffenen ermöglichen, eine entsprechende Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken. Die Wegweisung aus der Wohnung und ein gegebenenfalls damit verknüpftes Aufenthaltsverbot für bestimmte bekannte Bereiche, an denen sich das Opfer in der Regel aufhält (Arbeitsplatz, Kindergarten u. ä.), schützen nicht vor den Gefahren, die zum Beispiel durch obsessives Belästigen durch Telefonanrufe, SMS, Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, Sendungen von E-Mails zu allen Tages- und Nachtzeiten oder durch das Verfolgen und Auflauern auf dem Weg von und zur Wohnung entstehen können. Durch das Wort „insbesondere“ wird klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich zwar in erster Linie auf enge soziale Beziehungen erstrecken wird, dass aber auch Fälle denkbar sind, in denen das Opfer zwar den Störer kennt, aber nicht in einer engen Beziehung zu ihm steht.“ (Bü-Drs. 20/1923, S. 23).

49

Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber ausschließlich Konstellationen vor Augen hatte, die denen des Gewaltschutzgesetzes (Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen vom 11. Dezember 2001, BGBl. I S. 3513) bzw. der Nachstellung gemäß § 238 StGB gleichen, die betroffene Person und der Störer also entweder in engen sozialen Beziehungen stehen oder sich zumindest – wenn auch nicht unbedingt namentlich – kennen. In einer solchen Situation soll die betroffene Person vor einer anderen bestimmten Person geschützt werden. Ein darüber hinausgehendes Verständnis, dass sich sowohl von der Notwendigkeit des „Kennens“ von betroffener Person und Störer als auch von der Konkretisierung der betroffenen Person(en) löst, wäre weder mit dem Wortlaut noch dem gesetzgeberischen Willen zu vereinen. Eine Anwendung des § 12b Abs. 3 HmbSOG auf lediglich abstrakt beschreibbare Personengruppen, wie zum Beispiel „Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren)“, scheidet daher aus.

50

(2) Das Kontakt- und Näherungsverbot konnte indes auf § 3 Abs. 1 HmbSOG gestützt werden. Danach treffen die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihres Geschäftsbereichs nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Maßnahmen, um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen.

51

(a) § 3 Abs. 1 HmbSOG wurde vorliegend nicht durch § 12b Abs. 3 HmbSOG gesperrt.

52

(aa) Ein Rückgriff auf die Generalermächtigung des § 3 Abs. 1 HmbSOG ist grundsätzlich nicht möglich, wenn die fragliche Maßnahme in den Anwendungsbereich einer der in den §§ 11 ff. HmbSOG geregelten spezielleren Befugnisse („Besondere Maßnahmen“, auch Standardmaßnahmen genannt) fällt. Dies war vorliegend nicht der Fall, weil es um ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber einem abstrakten Personenkreis ging, der wie aufgezeigt von § 12b Abs. 3 HmbSOG nicht erfasst ist.

53

Ferner wird teilweise vertreten, dass ein Rückgriff auf die Generalermächtigung dann ausscheide, wenn es um eine Maßnahme gehe, die einer speziell geregelten Maßnahme ähnele, dabei aber weiter reiche (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, Rn. 38; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 717). Regele der Gesetzgeber eine bestimmte Maßnahme, so sei eine gleichartige, aber eingriffsintensivere Maßnahme ausgeschlossen (vgl. Rachor, a.a.O., Kap. E Rn. 718). So sei es beispielsweise nicht möglich, ein längerfristiges Aufenthaltsverbot auszusprechen, wenn gesetzlich lediglich der kurzfristige Platzverweis geregelt sei (vgl. Schenke, a.a.O., Rn. 38; Rachor, a.a.O., Kap. E Rn. 717; s.a. VGH Kassel, Beschl. v. 28.1.2003, 11 TG 2548/02, juris).

54

Selbst wenn man dieser Ansicht folgen würde, führte dies vorliegend nicht zur Sperrung einer Anwendung des § 3 Abs. 1 HmbSOG, weil das hier in Frage stehende Kontakt- und Näherungsverbot nicht durch § 12b Abs. 3 HmbSOG erfasst war und es sich nicht um eine vergleichbare Maßnahme handelte. Ähnlichkeit besteht zwar insofern als sowohl die streitgegenständliche Verfügung als auch § 12b Abs. 3 HmbSOG ein Kontakt- und Näherungsverbot zum Gegenstand haben. Der vorstehend zitierten Gesetzesbegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass § 12b Abs. 3 HmbSOG ausschließlich der Schließung einer Lücke im Bereich des Gewaltschutzgesetzes und der Nachstellung gemäß § 238 StGB dient. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass sich der Anwendungsbereich des § 12b Abs. 3 HmbSOG auf die dort genannten Konstellationen beschränkt, ohne dass dadurch ein Kontakt- und Näherungsverbote in anderen Konstellationen ausgeschlossen werden sollte. Eine weitergehende Sperrwirkung im Hinblick auf Kontakt- und Näherungsverbote in anderen Zusammenhängen war nicht nur nicht beabsichtigt, sondern würde diesem gesetzgeberischen Willen zuwider laufen.

55

(bb) Des Weiteren lag in dem vorliegenden Kontakt- und Näherungsverbot keine Maßnahme, die einer Spezialermächtigung bedurft hätte.

56

§ 3 Abs. 1 HmbSOG kommt als Generalermächtigung eine wichtige Auffangfunktion für komplexe, atypische Gefahrenlagen, die von den spezielleren Regelungen der §§ 11 ff. HmbSOG nicht erfasst sind, zu (vgl. zum Verhältnis Generalklausel zu Standardbefugnissen OVG Bremen, Urt. v. 24.3.10998, 1 BA 27-97, juris, Rn. 27; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, § 7 Rn. 18; Lambiris, Klassische Standardbefugnisse im Polizeirecht, 2001, S. 45 ff., 64). Stellt sich eine Gefahrenlage aber nicht (mehr) als atypisch oder unvorhersehbar dar, kann dies zu einem gesetzlichen Regelungsbedürfnis führen (vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, a.a.O., § 7 Rn. 20). Ein Indiz stellt insofern der wiederholte – sozusagen standardmäßige – Einsatz bestimmter Maßnahmen in vergleichbaren Situationen dar.

57

Die Beklagte teilte auf Nachfrage des Gerichts mit, dass ähnliche Kontakt- und Näherungsverbote in Einzelfällen bereits zur Anwendung gekommen seien, beispielsweise bei einer Frau, die gedroht habe, bestimmte Kinder umzubringen. Konkrete Fallgruppen konnte die Beklagte nicht benennen, es handele sich um Einzelfallbetrachtungen. Das Gericht geht daher davon aus, dass sich für die Anwendung solcher Verbote bislang keine feststehende Praxis bei der Beklagten gebildet hat. Der Rechtsprechung kann auch für andere Bundesländer nichts Gegenteiliges entnommen werden (vgl. VGH München, Beschl. v. 1.2.2016, 10 CS 15.2689, juris, Rn. 16; VG München, Beschl. v. 18.11.2015, M 22 S 15.2057, juris; VG Darmstadt, Beschl. v. 16.10.2009, 3 L 1179/09, juris; vgl. auch Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 3. Aufl. 2011, Art. 11 Rn. 204: Kontaktverbot kann auf Generalklausel gestützt werden). Sollte die Beklagte jedoch beabsichtigen, derartige Verbote zukünftig wiederholt und nicht nur in seltenen Einzelfällen auszusprechen, liegt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung von Kontakt- und Näherungsverboten für lediglich abstrakt beschreibbare Personengruppen nahe.

58

Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage kann zudem bei länger andauernden und dadurch besonders schwerwiegenden polizeilichen Maßnahmen erforderlich werden, wobei der Rückgriff auf die Generalermächtigung aber im Rahmen einer Überganszeit zulässig bleiben kann; dies wurde insbesondere zu der Fallgruppe der Dauerobservation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter angenommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.11.2012, 1 BvR 22/12, juris, Rn. 25; OVG Saarlouis, Urt. v. 6.9.2013, 3 A 13/13, juris, Rn. 75 ff.; OVG Münster, Urt. v. 5.7.2013, 5 A 607/11, juris, Rn. 97 ff.; VG Hamburg, Urt. v. 27.11.2013, 13 K 1715/13, n.v.).

59

Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung sowie auf die in einigen Bundesländern vorhandenen spezialgesetzlichen Regelungen zu Kontakt- und Näherungsverboten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt hat das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 18. November 2015 (M 22 S 15.2057, juris, Rn. 33) für ein gefahrenabwehrrechtliches Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber Minderjährigen die Notwendigkeit einer polizeirechtlichen Spezialbefugnis angenommen. Dieser Ansicht trat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entgegen (Beschl. v. 1.2.2016, 10 CS 15.2689, juris), einer spezialgesetzlichen Regelung bedürfe es nicht. Insbesondere sei die Beeinträchtigung der Grundrechte im Fall eines Kontakt- und Näherungsverbots nicht vergleichbar oder gar gleichzusetzen mit dem Fall einer jahrelangen Dauerobservation, bei der einem außerhalb der Wohnung unablässig Polizisten folgten (VGH München, Beschl. vom 1.2.2016, a.a.O., Rn. 16).

60

Die Kammer folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts München ebenfalls nicht. Ein auf sechs Monate befristetes Kontakt- und Näherungsverbot stellt keinen derart schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar, dass es einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfte. Zwar greift das Kontakt- und Näherungsverbot in die Lebensführung und damit in Grundrechte des Betroffenen, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, ein. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Betroffene dadurch grundsätzlich gehindert würde, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen; im Fall des Klägers fehlt es dazu auch an substantiiertem Vortrag. Etwas anderes mag nur in Ausnahmefällen gelten, z.B. wenn das Verbot unbefristet oder jedenfalls sehr lange Zeiträume Geltung haben soll. Grundsätzlich ist die Eingriffsintensität eines befristeten Kontakt- und Näherungsverbots jedoch nicht vergleichbar mit den Fällen jahrelanger Dauerobservationen. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 12b Abs. 3 HmbSOG, dessen Einführung als neue Standardmaßnahme des HmbSOG wie aufgezeigt nur dazu diente, eine Lücke im Bereich häuslicher Gewalt und des „Stalkings“ zu schließen [s.o. 2.c)(aa)(1)], nicht aber, weil damit grundsätzlich ein der jahrelangen Dauerobservation vergleichbarer Grundrechtseingriff verbunden wäre.

61

(b) Der Austausch der Rechtsgrundlage ist zulässig. Die Verwaltungsgerichte haben im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.4.1991, 8 C 92.89, juris, Rn. 9; Urt. v. 19.8.1988, 8 C 29.87, juris, Rn. 13). Weiter sind alle Umstände zu berücksichtigen, die die Aufrechterhaltung des angefochtenen Bescheides zu rechtfertigen vermögen (BVerwG, Urt. v. 25.2.1994, 8 C 14.92, juris, Rn. 25). Wird die in einem Bescheid verfügte Regelung auf einer anderen Rechtsgrundlage als der im Bescheid genannten aufrechterhalten, lässt dies die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung unberührt, wenn sie auf dasselbe Regelungsziel gerichtet bleibt und infolge des „Austauschs“ der Rechtsgrundlage keine Wesensänderung erfährt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.10.1993, 8 C 33/92, NVwZ 1994, 903).

62

Im vorliegenden Fall führt der Austausch der Rechtsgrundlage zu keiner Wesensänderung der streitgegenständlichen Verfügung, die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung bleibt erhalten. Die Beklagte bleibt bei Anwendung des § 3 Abs. 1 HmbSOG zuständige Behörde. Sowohl Bescheidstenor als auch die Begründung der Verfügung können ferner unverändert erhalten werden. Außerdem handelt es sich bei beiden Normen um Ermessensentscheidungen.

63

(3) Das Kontakt- und Näherungsverbot war auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn die durch ihn getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen ist, dass für den Adressaten erkennbar ist, was genau von ihm gefordert wird und wie er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1993, 8 C 57/91, juris, Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.8.2016, 11 ME 61/16, juris, Rn. 8; OVG Münster Beschl. v. 11.8.2016, 13 A 98/16, juris, Rn. 4) und die vollziehende Behörde den Inhalt des Verwaltungsakts etwaigen Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.4.2005, 4 C 18/03, juris, Rn. 53; VGH Kassel, Beschl. v. 24.3.2000, 11 TG 3096/99, juris, Rn. 7; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 5).

64

Die untersagten Handlungen waren für den Kläger subjektiv verständlich und nachvollziehbar formuliert. Der Begriff des Kontakts dürfte bereits aus sich selbst heraus verständlich sein, er wird darüber hinaus durch verschiedene Handlungsvarianten („sie anzusprechen, zu berühren, zu beaufsichtigen, zu beherbergen, in einem Fahrzeug zu befördern, durch Gesten oder Handlungen zur Kontaktaufnahme aufzufordern“) hinreichend konkretisiert. Die Formulierung orientiert sich weitgehend an der gesetzlichen Formulierung in § 56c Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB. Das Kontakt- und Näherungsverbot war zudem hinreichend bestimmt, um Grundlage für die Festsetzung eines Zwangsgelds zu sein. Bei den untersagten Handlungen handelte es sich um solche, die von Dritten regelmäßig ohne Schwierigkeiten festgestellt werden können.

65

(4) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 HmbSOG lagen vor.

66

Die Maßnahme der Beklagten diente dem Schutz von Leib, Leben, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung Minderjähriger und damit dem Schutz von Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

67

Die Gefahrprognose der Beklagten begegnet keinen Bedenken. § 3 Abs. 1 HmbSOG erfordert eine bevorstehende, d.h. konkrete Gefahr. Diese liegt vor, wenn im Einzelfall bei ungehindertem Geschehensablauf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt besteht. Es handelt sich dabei um eine Prognoseentscheidung, die sich in erster Linie auf festgestellte Tatsachen gründen muss. Nur so kann die Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auch gerichtlich überprüft werden (vgl. zum Gefahrbegriff BVerwG, Urt. v. 20.10.2016, 7 C 20/15, juris, Rn. 18 m.w.N.; Beaucamp/Ettemeyer/Rogosch/Stammer, HmbSOG/PolEDVG, 2. Aufl. 2009, § 3 Rn. 22ff.; Merten/Merten, Hamburgisches Polizei- und Ordnungsrecht, 2007, § 3 Rn. 21 ff.). Je höherwertiger das Rechtsgut dabei ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen (st. Rspr. vgl. nur BVerwG, Urt. v. 15.1.2013, 1 C 10.12 , juris, Rn. 15; Merten/Merten, a.a.O., § 3 Rn. 23).

68

Zur Begründung der von dem Kläger ausgehenden Gefahr bezog sich die Beklagte im Ausgangsbescheid auf die zu dem damaligen Zeitpunkt rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers (vgl. Tatbestand Ziffern 1. bis 3.), den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013, mit dem die Bewährungsweisungen des Kläger verschärft wurden, sowie drei Gefährdungsfälle zum Nachteil desselben Schulkindes vom 18./19. November 2013 und vom 26. Juni 2014. Die Beklagte nahm auf der Grundlage dieser Tatsachen eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Minderjährigen an. Im Widerspruchsbescheid führte sie ergänzend aus, dass durch das Verhalten des Klägers am 26. Juni 2014 tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, dass die Bewährungsweisungen für eine effektive Gefahrenabwehr nicht ausreichend seien und es daher zusätzlicher Gefahrenabwehrmaßnahmen bedürfe. Darüber hinaus wurde für den Zeitpunkt des Widerspruchbescheides die Gefahrprognose unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse aus den nach dem 3. Juli 2014 durchgeführten Observationsmaßnahmen, aus dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. September 2014, mit dem die Bewährung des Klägers widerrufen wurde, sowie aus dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. Oktober 2014, mit dem die Beschwerde gegen den Bewährungswiderruf zurückgewiesen wurde, aktualisiert.

69

Die Gefahrprognose der Beklagten war nicht zu beanstanden. Der Kläger wurde wiederholt wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt und hat sich trotz erlittener Strafhaft nicht von der Begehung weiterer Sexualstraftaten abhalten lassen. Dies hatte im Jahr 2010 zu einem ersten Bewährungswiderruf geführt.Nach erneuter Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung im November 2012 fiel der Kläger wiederholt durch verdächtige Handlungen, die als Vorbereitungshandlungen gewertet werden konnten, auf. In dieser Zeit begann der Kläger vermehrt die Nähe von Schulkindern zu suchen und sprach diese vermehrt an. Diese Vorfälle können im Einzelnen dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 entnommen werden. Darüber hinaus wurden im Rahmen einer Durchsuchung im Jahr 2012 kinderpornografisches Material – dies führte zu der letzten rechtskräftigen Verurteilung des Klägers – sowie digitale Darstellungen sexueller Gewalt und Fesselungen auf einem PC des Klägers gefunden. Darin lag zwar als solches keine Gefährdung der angeführten Rechtsgüter, vor dem Hintergrund der Kontaktaufnahmeversuche des Klägers und der strafrechtlichen Verurteilungen – auch zum Nachteil Minderjähriger – konnte dies jedoch als Indiz bei der Gefahrenbewertung herangezogen werden. Hinzu treten die geschilderten Vorfälle vom 18./19. November 2013, bei denen dasselbe Kind betroffen war wie bei dem Vorfall vom 26. Juni 2014. Der letztgenannte Vorfall konnte zudem als Fortsetzung des für die bisherigen Straftaten und Vorfälle typischen Verhaltens des „Cruisens“ und Beobachtens aus dem Pkw heraus bewertet werden. Angesichts der in Frage stehenden besonders schützenswerten Rechtsgüter von Leib, Leben, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung Minderjähriger war zudem von einem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Schadenseintritt auszugehen. Der Vorfall vom 26. Juni 2014 war vor diesem Hintergrund hinreichend für die Annahme einer vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die genannten Rechtsgüter.

70

Die Gefahrenprognose bestätigte sich nachfolgend und war auch noch im Zeitpunkt des Widerspruchbescheides zutreffend. Aufgrund beharrlicher Weisungsverstöße wurde die Bewährung des Klägers am 9. September 2014 durch das Landgericht Hamburg widerrufen, was am 10. Oktober 2014 durch das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigt wurde. Das Hanseatische Oberlandesgericht ging ebenfalls von einer vom Kläger ausgehenden Gefahr aus und wertete den Vorfall vom 26. Juni 2014 als mögliche Vorbereitungshandlung (vgl. Beschl. v. 10. Oktober 2014, S. 10 unten).

71

Zwar dürfte während der nach dem Widerruf der Bewährung verbüßten Haftzeit keine Gefahr für die genannten Rechtsgüter durch den Kläger bestanden haben. Allerdings bedurfte es insofern keiner Aufhebung des Kontakt- und Näherungsverbots, da aufgrund der nur kurzen Reststrafe absehbar war, dass der Kläger ab dem 21. Oktober 2014 wieder in Freiheit sein würde. Auch hatte sich durch die Verbüßung der kurzen Reststrafe keine Notwendigkeit ergeben, die Gefahrenlage anders zu beurteilen.

72

Die Beklagte durfte ihrer Gefahrenprognose die in den strafrechtlichen Verfahren festgehaltenen Handlungen des Klägers und die Vorfälle vom 18./19. November 2013 und vom 26. Juni 2014 zugrunde legen. Dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 kann entnommen werden, dass der Kläger die Gelegenheit hatte, sich zu den dort relevanten Vorwürfen zu äußern, was er jedoch nicht tat. Das Vorbringen hinsichtlich der Vorwürfe, die zum Widerruf der Bewährung im Jahr 2014 führten, hat das Hanseatische Oberlandesgericht im Beschluss vom 10. Oktober 2014 nachvollziehbar als unglaubhaft bewertet. Auch hinsichtlich der Vorfälle vom 18./19. November 2013 und dem 26. Juni 2014 hat der Kläger nichts vorgetragen, was Zweifel an den Feststellungen zu diesen Vorfällen begründen könnte. Sofern der Kläger die jeweiligen Vorfälle pauschal bestreitet und die Ansicht vertritt, es handele sich lediglich um unbewiesene Verdachtsfälle, die in den strafrechtlichen Verfahren und von der Beklagten ebenso wie die vermeintliche sexuelle Devianz des Klägers nie einwandfrei bzw. fachmännisch bewiesen worden seien, verkennt er, dass der ex post-Nachweis einer Gefahr keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme darstellt. Vielmehr hat die Beklagte eine ex ante-Beurteilung anhand der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse durchzuführen. Diese war aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden.

73

(5) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere war die Maßnahme verhältnismäßig.

74

(a) Die Beklagte hat ihre Entscheidung auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage getroffen. Dem steht es nicht entgegen, dass die Sachakte der Beklagten, die ohnehin erst für das gerichtliche Verfahren zusammengestellt worden ist, nach Ansicht des Klägers unvollständig ist. Eine vollständige Sachakte ist für sich genommen keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrmaßnahme. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Entscheidung Umstände unberücksichtigt geblieben sind, die zu Gunsten des Klägers einzubeziehen gewesen wären, liegen nicht vor. Der Kläger hat dies auch nicht substantiiert geltend gemacht.

75

(b) Das Kontakt- und Näherungsverbot verfolgte mit dem Schutz der Rechtsgüter Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger ein legitimes Ziel. Die Maßnahme war dafür auch geeignet. Soweit der Kläger vorträgt, die Maßnahme sei ungeeignet gewesen, weil sie nicht unmittelbar dem Schutz der Opfer diene und die Maßnahme für sich betrachtet eine neue Straftat des Klägers nicht verhindern könne, geht dies fehl. Denn für die Geeignetheit einer Maßnahme ist es ausreichend, dass sie die Gefahr nur vermindert oder vorübergehend abwehrt, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG. Dies war vorliegend der Fall, weil die Androhung eines Zwangsgelds für jeden Verstoß spürbare (finanzielle) Folgen für den Kläger gehabt hätte, was grundsätzlich geeignet war, die erwünschte Lenkungswirkung entfalten zu entfalten.

76

(c) Die Maßnahme war erforderlich, da kein milderes, gleich effektives Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels zur Verfügung stand.

77

Ein milderes Mittel lag insbesondere nicht in der nach dem Beschluss des Landgerichts vom 16. Dezember 2013 bestehenden Weisung nach § 56c Abs. 2 StGB, wonach dem Kläger (ebenfalls) untersagt wurde, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Zwar kann ein Verstoß gegen diese Weisung zum Widerruf der Bewährung, einer empfindlichen Rechtsfolge, führen. Allerdings kann § 56f Abs. 1 StGB entnommen werden, dass ein Widerruf der Bewährung an andere – höhere – Voraussetzungen geknüpft ist als die Verwirkung des Zwangsgeldes im Falle eines Verstoßes gegen das vorliegende Kontakt- und Näherungsverbot. Danach erfolgt ein Widerruf der Bewährung, 1. wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat; oder 2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird; oder 3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt. Die Tatbestandsalternativen „Straftat“ und „gröblicher“ bzw. „beharrlicher“ Weisungsverstoß verdeutlichen die erhöhten Anforderungen an einen Widerruf der Bewährung. Zudem besteht nach § 56f Abs. 2 StGB die Möglichkeit, von einem Widerruf der Bewährung trotz Erfüllung einer der drei Varianten des § 56f Abs. 1 StGB abzusehen. Dagegen konnte bei dem vorliegenden Kontakt- und Näherungsverbot auch ein noch nicht die Grenzen des § 56f Abs. 1 StGB überschreitender Verstoß zur Verwirkung des Zwangsgeldes führen und damit der bestehenden Gefahr effektiver begegnen. Hinzu kommt, dass das Zwangsgeld als Verwaltungsmaßnahme zum einen regelmäßig schneller als ein Bewährungswiderruf, der eines gerichtlichen Beschlusses bedarf, und zum anderen während des Geltungszeitraums von sechs Monaten durchgängig zur Anwendung kommen konnte, während die Bewährungsweisung nach Widerruf der Bewährung außer Kraft war. Auch insofern konnte in der Bewährungsweisung vorliegend kein milderes, gleich geeignetes Mittel liegen.

78

Im Übrigen ist die Beklagte vor dem Hintergrund des Verhaltens des Klägers vom 26. Juni 2014 zu Recht von der Annahme ausgegangen, dass die Bewährungsweisungen für die Zwecke der Gefahrenabwehr nicht ausreichten. Diese Annahme manifestierte sich nachträglich in dem am 9. September 2014 erfolgten Bewährungswiderruf durch das Landgericht Hamburg aufgrund beharrlicher und gröblicher Weisungsverstöße.

79

(d) Schließlich war das Kontakt- und Näherungsverbot angemessen.

80

Für den Kläger stellte das sechsmonatige Verbot keine unzumutbaren Anforderungen an seine Lebensführung. Sein Beruf erforderte keinen Kontakt zu Minderjährigen und auch sonst ist kein Grund ersichtlich oder vorgetragen, warum das Verbot die Lebensführung des Klägers unverhältnismäßig eingeschränkt hätte. Die Kinder seiner Lebensgefährtin waren von dem Verbot ausgenommen. Für den Kontakt mit anderen Minderjährigen, z.B. im Rahmen einer Familienfeier, konnte der Kläger mit Nachweis eines berechtigten Interesses eine „Sondererlaubnis“ bei der Beklagten beantragen. Darin liegt zwar eine Beschränkung der Lebensführung des Klägers. Dies erscheint angesichts der bedrohten und besonders schützenswerten Rechtsgüter unter Berücksichtigung der Situation des Klägers jedoch verhältnismäßig.

81

Für eine angemessene Ausgestaltung des Kontakt- und Näherungsverbots ist es allerdings im Grundsatz erforderlich, dass die Beklagte „Sondererlaubnisanträge“ in angemessener Zeit entscheidet und die Nachweisanforderungen nicht zu hoch ansetzt. Im Regelfall wird eine Entscheidung innerhalb von 1 bis 2 Tagen getroffen werden müssen, bei kurzfristigen Ereignissen (z.B. spontaner Besuch eines minderjährigen Verwandten) auch schneller; zudem dürfte eine Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses regelmäßig ausreichen. Im vorliegenden Fall sind indes keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Anforderungen nicht eingehalten worden wären. Weder beanspruchte der Kläger die Möglichkeit der Sondererlaubnis noch hat er vorgetragen, dass er durch diesen Erlaubnisvorbehalt in konkreten Fällen beeinträchtigt worden wäre.

82

Die Dauer des Kontakt- und Näherungsverbots von sechs Monaten begegnet angesichts der Wichtigkeit der gefährdeten Rechtsgüter und der zum Zeitpunkt der Festlegung unsicheren Frage eines Bewährungswiderrufs bzw. der Anordnung und Ausgestaltung einer Führungsaufsicht keinen Bedenken. Ob die im Zusammenhang mit dem Kontakt- und Näherungsverbot des § 12b Abs. 3 HmbSOG vom Gesetzgeber erwogene Höchstfrist von sechs Monaten (vgl. Bü-Drs. 20/1923, S.23) im Rahmen des § 3 Abs. 1 HmbSOG entsprechend zur Anwendung kommt, kann dahinstehen, denn diese Frist wurde hier nicht überschritten. Auch im Zeitpunkt des Widerspruchbescheides war die verbleibende Dauer der Untersagung von weniger als einem Monat noch verhältnismäßig, zumal die Beklagte ankündigte, die Verfügung aufzuheben, sobald die Führungsaufsicht über den Kläger durch Weisungen konkretisiert würde.

83

bb) Die unter Ziffer II. der Verfügung ausgesprochene Untersagung war insofern rechtswidrig, als dem Kläger damit untersagt wurde, Kinder und Jugendliche „insbesondere an ihrer Wohnanschrift oder ihrem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten“; die weitere Untersagung, Kinder und Jugendliche zu verfolgen oder ihnen aufzulauern, war rechtmäßig.

84

(1) § 3 Abs. 1 HmbSOG konnte für die Untersagung als Rechtsgrundlage herangezogen werden.

85

Der Rückgriff auf § 3 Abs. 1 HmbSOG ist nicht durch 12b Abs. 3 HmbSOG gesperrt. Es mangelt bereits an einem § 12b Abs. 3 HmbSOG ähnlichen Regelungsgehalt, weil die untersagten Handlungen keine Kontaktaufnahme beinhalten, sondern Handlungen betreffen, die regelmäßig vor einer Kontaktaufnahme liegen. Davon unabhängig entfaltet § 12b Abs. 3 HmbSOG über den vom Gesetzgeber festgelegten Anwendungsbereich hinaus keine Sperrwirkung [s.o. 2.c)aa)(1)].

86

Des Weiteren ist weder ersichtlich, dass die Beklagte derartige Untersagungen häufiger anordnet, noch, dass damit ein derart schwerwiegender Eingriff verbunden wäre, dass er einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedurft hätte [s.o. 2.c)aa)(2)(bb)].

87

(2) Die Untersagung, Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) zu verfolgen und Ihnen aufzulauern, genügte den Anforderungen an die Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Dagegen war das Verbot Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten zu unbestimmt und daher rechtswidrig.

88

(a) Die unter Ziffer II. untersagten Handlungen stellten drei unterschiedliche, isoliert vollstreckungsfähige Tatbestände (zu verfolgen, aufzulauern, planmäßig angelegt zu beobachten) dar. Dies entsprach Sinn und Zweck der Maßnahme, zudem hat die Beklagte dies auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Entsprechend bedurfte es einer getrennten Beurteilung der drei untersagten Handlungen.

89

(b) Die Untersagung, Kinder und Jugendliche zu verfolgen, genügte den Anforderungen des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Danach muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein, d.h. die durch ihn getroffene Regelung muss für den Adressaten so verständlich sein, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann und die vollziehende Behörde muss den Inhalt des Verwaltungsakts etwaigen Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen können [s.o. 2.c)aa)(3)].

90

Die Bedeutung des Begriffs des Verfolgens, d.h. jemandem gezielt hinterherzugehen oder nachzufahren, war bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich und bedurfte keiner konkretisierenden Erläuterung. Für den Kläger war dadurch ohne Weiteres erkennbar, was von ihm verlangt wurde, zumal für ihn subjektiv ohnehin keine Zweifel bestehen können, ob er jemanden verfolgt oder nicht. Die Handlung des Verfolgens lässt sich auch hinreichend sicher durch die Beklagte feststellen und kann daher Gegenstand eines Zwangsgeldes sein. Dies zeigt sich bereits an den begangenen Straftaten des Klägers (vgl. Tatbestand Ziffer 1., 3. und 4.), denen jeweils ein Verfolgen vorherging. Gleiches gilt für verschiedene Observationsergebnisse der Beklagten, wonach der Kläger Frauen oder Kindern gezielt folgte. Zwar mag es Situationen geben, in denen Minderjährige zufällig in dieselbe Richtung gehen. Es ist dann eine Frage des Einzelfalls, wann dies in ein Verfolgen umschlägt. In diesen Fällen ist es Aufgabe der Beklagten, hinreichend Belege zu sammeln, die deutlich auf ein Verfolgen hindeuten (z.B. unnatürlich lange Dauer des Folgens, Inkaufnahme von Umwegen).

91

(c) Auch der Begriff des Auflauerns war hinreichend bestimmt, da er aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich ist: Ein Auflauern liegt vor, wenn man versteckt und typischerweise mit böser Absicht auf jemanden wartet, um bestimmte Handlungen vorzunehmen, z.B. die aufgelauerte Person zu überfallen (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006). Für den Kläger war damit verständlich, was von ihm verlangt war. Für die Beklagte dürfte dagegen die Feststellung, ob der Kläger jemandem auflauert, schwieriger zu beurteilen gewesen sein als der Fall des Verfolgens. Denn während das Verfolgen eine aktive Handlung des Klägers erfordert, ist das Auflauern für sich betrachtet eher durch Passivität gekennzeichnet und manifestiert sich meist erst durch eine nachfolgende Handlung bezogen auf die aufgelauerte Person, z.B. eine Kontaktaufnahme. Dies führte jedoch nicht zur Unbestimmtheit der untersagten Tathandlung oder der Unmöglichkeit der Feststellung eines Auflauerns. Vielmehr war es Aufgabe der Beklagten, einen Verstoß hinreichend durch nach außen tretendes, entsprechend einzuordnendes Verhalten des Klägers zu belegen. Als Beispiel kommt insbesondere ein Verbergen an bestimmten Orten in Betracht, die absehbar von Minderjährigen passiert werden (wie beispielsweise im Zusammenhang mit der im Tatbestand unter Ziffer 2. angeführten Verurteilung geschehen).

92

(d) Die Untersagung, Kinder und Jugendliche insbesondere an ihrer Wohnanschrift oder auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten, war dagegen zu unbestimmt.

93

Die Formulierung „planmäßig angelegt zu beobachten“ war nicht ohne Weiteres aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich. Insbesondere stellt sich die Frage der Abgrenzung zu einem nicht planmäßig angelegten Beobachten. Die untersagte Handlung „planmäßig angelegt zu beobachten“ wurde in der streitgegenständlichen Verfügung nicht definiert. Im Widerspruchsbescheid nahm die Beklagte auf § 163f Abs. 1 Satz 1 StPO Bezug, wo diese Formulierung Verwendung findet. Ergänzend wurde ausgeführt, dass eine nicht nur zufällige, sondern einem Plan folgende Beobachtung untersagt sei. In der mündlichen Verhandlung führte die Beklagte zudem aus, dass die Begrifflichkeit „planmäßig angelegt“ als Einschränkung gegenüber einem Verbot Minderjährige „zu beobachten“ zu verstehen sei, es ginge nur um das gezielte, bewusste Beobachten von Minderjährigen.

94

Für den Kläger dürfte es zwar subjektiv jederzeit klar sein, ob er jemanden gezielt und damit nach Ansicht der Beklagten planmäßig angelegt beobachtet. Allerdings mangelte es der Beklagten an einem hinreichend klaren Verständnis der untersagten Handlung, insbesondere hinsichtlich einer Abgrenzung zu einem nicht planmäßigen Beobachten.

95

Die Bezugnahme auf § 163f Abs. 1 Satz 1 StPO trägt eher zur Unschärfe denn zur Konkretisierung bei: Zum einen wird dort die Begrifflichkeit „planmäßig angelegte Beobachtung“ zwar verwendet, aber nicht definiert. Zum anderen erweckt der Regelungsgegenstand der Norm, die längerfristige Observation, den Eindruck, als ob es auf die dort genannte Dauer der Beobachtung ankomme – was weder zielführend noch von der Beklagten so gemeint war. Zudem verbindet man im allgemeinen Sprachgebrauch den Begriff der Observation eher mit einer Tätigkeit der Polizei oder ggf. noch privaten Ermittlern als mit Privatpersonen.

96

Sofern die Beklagte weiter ausführt, dass nur das gezielte, bewusste Beobachten von Minderjährigen sanktioniert werden sollte, fehlt es an Ausführungen dazu, wie sie hinreichend sicher feststellen wollte, ob nur ein zufälliges oder ein gezieltes und damit „planmäßiges“ Beobachten vorlag. Ohne eine Konkretisierung dazu kam der als Einschränkung gedachten Formulierung „planmäßig angelegt“ kein erkennbarer Bedeutungsinhalt zu. Dadurch würden alltägliche Handlungen sanktioniert – das Verweilen auf einer Bank, das Sitzen in einem Café, während sich Minderjährige in der Nähe aufhalten oder vorbeigehen, letztlich jeder über einen Moment hinausgehende Blick in die Richtung eines Minderjährigen könnte so als „planmäßiges“ Beobachten gewertet werden. Ein solch weitgehendes Verständnis war von der Beklagten nach Ansicht der Kammer nicht beabsichtigt, andernfalls hätte sie auf die als Einschränkung verwendete Formulierung „planmäßig angelegt“ verzichten können. Vor diesem Hintergrund konnte ohne Konkretisierung nicht sichergestellt werden, dass die oberservierenden Beamten ein einheitliches Verständnis dafür entwickelten, wann ein Verstoß gegen die untersagte Handlung vorlag und wann nicht.

97

Auf eine Einschränkung konnte auch nicht verzichtet werden, denn die Untersagung jeglichen Beobachtens wäre aufgrund des damit verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffs unverhältnismäßig. Eine derart weitgehende Untersagung würde eine angemessene Lebensführung ausschließen. Der Kläger müsste dann befürchten, stets sanktioniert zu werden, wenn er sich in der Öffentlichkeit bewegt bzw. wenn Minderjährige in der Nähe sind, selbst wenn er darauf keinen Einfluss hat.

98

Eine Konkretisierung des „planmäßigen“ Beobachtens wäre zwar möglich gewesen, etwa indem nur auf Verhaltensweisen abgestellt wird, in denen sich das „planmäßige“ des Beobachtens nach außen deutlich manifestiert. Denkbar wäre beispielsweise eine Bezugnahme auf die Verwendung von Hilfsmitteln wie Kameras, die der Kläger in der Vergangenheit immer wieder einsetzte, oder das wiederholte Aufsuchen bestimmter Orte und der längere Aufenthalt an diesen Orten ohne erkennbaren Zweck außer der Beobachtung Minderjähriger. Jedoch wäre es die Aufgabe der Beklagten gewesen, die Indizien, die kennzeichnend für das Planmäßige einer Beobachtung sind (z.B. Verwendung technischer Hilfsmittel; Vorbereitung der Beobachtung; gezieltes, wiederholtes Aufsuchen von bestimmten Orten; Zeitmoment / Aufenthaltsdauer) näher zu definieren.

99

Dies war auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil mit der Verfügung zugleich ein Zwangsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzt wurde, so dass die Beklagte unmittelbar daraus gegen den Kläger vorgehen konnte. Aus der Definition muss daher präzise hervorgehen, was im Einzelnen untersagt wird; dies war hier nicht der Fall.

100

(3) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 HmbSOG lagen vor, insbesondere war die Gefahrprognose der Beklagten nicht zu beanstanden [s.o. 2.c)aa)(4)]. Sofern der Kläger vorträgt, dass in den untersagten Handlungen des Verfolgens und des Auflauerns keine Gefahr begründet liege, so ist dem entgegen zu halten, dass diese Handlungen seinen Straftaten typischerweise voraus gingen und auch für den Vorfall vom 26. Juni 2014 zutrafen.

101

(4) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere war die Untersagung verhältnismäßig.

102

Die Untersagung des Verfolgens und Auflauerns Minderjähriger verfolgte das legitime Ziel des Schutzes von Leib, Leben, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung Minderjähriger. Die Untersagung war auch generell geeignet, Anbahnungssituationen zu verhindern, während die „bloße“ Festsetzung von Bewährungsweisungen dies nicht hätte bewirken können. Es waren keine milderen Mittel ersichtlich. Hinsichtlich der Bewährungsweisungen kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden [s.o. 2.c)aa)(5)(c)]. Die Untersagung war angemessen in Anbetracht der Wichtigkeit der zu schützenden Rechtsgüter und angesichts des bisherigen Vorgehens des Klägers bei seinen verurteilten Straftaten, denen jeweils ein Verfolgen bzw. Auflauern vorausging. Zwar führte die Untersagung dieser Handlungen zu gewissen Auswirkungen auf die Lebensführung des Klägers. So konnte das Verbot des Verfolgens beispielsweise dazu führen, dass der Kläger in Situationen, in denen sich Minderjährige in dieselbe Richtung wie er bewegten, ein Zwangsgeld befürchten musste. Dem konnte er jedoch durch einfache und zumutbare Maßnahmen, wie beispielsweise ein kurzes Zuwarten bis sich die Minderjährigen entfernt haben, entgehen.

II.

103

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das unter Ziffer I. der Verfügung ausgesprochene Kontakt- und Näherungsverbot ist nach Ansicht der Kammer gleich zu gewichten wie die Untersagung unter Ziffer II. Von den drei Untersagungstatbeständen der Ziffer II. wiegt das Verbot, Kinder und Jugendliche planmäßig angelegt zu beobachten, schwerer als die anderen Untersagungstatbestände, weil damit der stärkste Grundrechtseingriff für den Kläger verbunden war. Die Kosten waren daher im Verhältnis 3/4 zu 1/4 zu teilen.

104

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

105

Die Entscheidung, die Berufung zuzulassen, folgt aus § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Fragen des (Konkurrenz-)Verhältnisses von strafrechtlichen Weisungen nach § 56c StGB zu den polizeirechtlichen Befugnisnormen sowie der Reichweite des Anwendungsbereichs des § 12b Abs. 3 HmbSOG und einer potenziellen Sperrwirkung gegenüber § 3 Abs. 1 HmbSOG für ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber abstrakt beschriebenen Personenkreisen sind in Hamburg bisher nicht obergerichtlich geklärt worden.

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Feb. 2017 - 9 K 6154/14 zitiert 24 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 72


(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. (2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1

Strafgesetzbuch - StGB | § 68b Weisungen


(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, 1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,2. sich nicht an

Strafgesetzbuch - StGB | § 56f Widerruf der Strafaussetzung


(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,2. gegen Weisungen gröblich od

Strafgesetzbuch - StGB | § 56c Weisungen


(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 238 Nachstellung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt 1. die räuml

Strafgesetzbuch - StGB | § 68f Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes


(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig

Strafgesetzbuch - StGB | § 145a Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht


Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf A

Strafprozeßordnung - StPO | § 453c Vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung


(1) Sind hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Aussetzung widerrufen wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls, u

Strafprozeßordnung - StPO | § 163f Längerfristige Observation


(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die 1. durchgehend länger als 24 Stunden

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(1) Sind hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Aussetzung widerrufen wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls, unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2, oder, wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, daß der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen werde, einen Haftbefehl erlassen.

(2) Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe angerechnet. § 33 Abs. 4 Satz 1 sowie die §§ 114 bis 115a, 119 und 119a gelten entsprechend.

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

(2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel entfällt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

1.
durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2.
an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,

1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,

1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die seit dem 10. September 2010 durchgeführte Observation des Klägers weiterhin durchzuführen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Fortdauer seiner Observation.
Der am ...1959 geborene Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Jugendschöffengericht - vom 05.07.1976 (20 Js/Ls 361/76) wegen eines Verbrechens der versuchten Vergewaltigung sowie in zwei Fällen eines Vergehens der Beleidigung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt. Der Verurteilung wegen Beleidigung lag zugrunde, dass der Kläger an zwei aufeinander folgenden Tagen im April 1976 Frauen an die Brust gefasst hatte. Am 20.04.1976 folgte er einer 39-jährigen Frau in ein Waldstück, fiel über sie her, riss ihr die Hose herunter, bis die sich wehrende und schreiende Frau zu Boden fiel. Von der beabsichtigten Vergewaltigung ließ er - bereits mit entblößtem Geschlechtsteil - erst ab, als ein Fußgänger auftauchte. Durch weiteres Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Jugendschöffengericht - vom 21.09.1979 (28-108/79) wurde der Kläger wegen Vergewaltigung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der Kläger in der Silvesternacht 1978/1979 eine auf ein Taxi wartende Frau in seinem Auto mitgenommen und sie - nachdem er eine abgelegene Stelle aufgesucht hatte - unter Gewalt zum Geschlechtsverkehr mit ihm gezwungen hatte. Wegen positiven Verlaufs seiner Behandlung im Psychiatrischen Landeskrankenhaus ... wurde der Kläger im Mai 1981 bedingt entlassen. (Auch) Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich geschlossene (zweite) Ehe wurde ihm die Maßregel und die Führungsaufsicht am 06.06.1984 erlassen.
Mit am 16.08.1985 rechtskräftig gewordenem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 06.03.1985 (15 KLs 273/84) wurde der Kläger wegen zweier Verbrechen der Vergewaltigung, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Vergehen der Entführung gegen den Willen der Entführten, sowie wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde angeordnet. Der Verurteilung lagen folgende Taten zugrunde: Der Kläger hatte am 22.03.1984 eine 19-jährige Schülerin als Anhalterin mitgenommen und sie unter Androhung von Gewalt mithilfe eines mitgeführten Messers in einem abgelegenen Waldstück vergewaltigt. Noch im selben Monat, spätestens aber im April 1984, nahm er eine 18-jährige an einer Bushaltestelle wartende Schülerin in seinem Auto mit. Die von ihm - wiederum unter Zuhilfenahme eines Messers - beabsichtigte Vergewaltigung scheiterte, weil der Schülerin die Flucht aus seinem Auto gelang. Am 17.05.1985 kam es zu einer Vergewaltigung einer damals 18 Jahre alten Schülerin, die sich auf dem Weg zu einer Bushaltestelle befand, sich aber vom Kläger in dessen Auto mitnehmen ließ.
Zum Vollzug der Sicherungsverwahrung wurde der Kläger am 28.06.1989 in die Justizvollzugsanstalt Freiburg verlegt. Im Jahr 1991 bestand er die Probezeit der Realschule mit einem Notendurchschnitt von 1,1. Vorschläge des im Jahr 1991 mit einer Begutachtung des Klägers betrauten Sachverständigen Dr. ... hinsichtlich der Lockerung des Vollzugs fanden nicht die Billigung des Justizministeriums. Wegen des Verdachts der Beteiligung an einer geplanten gemeinschaftlichen Geiselnahme - der Kläger wurde wegen dieses Vorwurfs später freigesprochen - wurde der Kläger im Jahr 1993 in die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlegt. Die im Rahmen eines gestuften Lockerungs- und Entlassungsprogramms beabsichtigte Verlegung in das Bodelschwingh-Haus in Karlsruhe kam nicht zustande. Seit 1997 befand sich der Kläger zum Vollzug der Sicherungsverwahrung wieder in der Justizvollzugsanstalt Freiburg.
Der Kläger wurde in der Zeit von 1999 bis 2010 wiederholt fachärztlich und psychologisch begutachtet. Das letzte psychiatrische Gutachten datiert vom 05.03.2010. Darin heißt es zusammenfassend (S. 82 des Gutachtens):
„Zusammenfassend wird somit die im Gutachtenauftrag gestellte Frage dahingehend beantwortet, dass bei einer unmittelbar beschlossenen Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ohne Vorbereitung und ohne Erprobung und ohne einigermaßen gesicherten sozialen Empfangsraum die Voraussetzungen für die Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB nicht vorliegen, dass demgegenüber bei der Vorbereitung, Erprobung und Sicherung des sozialen Empfangsraums und bei gleichzeitiger Kooperation der Verantwortlichen und des Klägers die Voraussetzungen für die Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB aus forensisch-psychiatrischer Sicht anzunehmen sind.“
Mit Beschluss vom 10.09.2010 erklärte das Oberlandesgericht Karlsruhe (2 Ws 290/10) die Sicherungsverwahrung für erledigt, setzte die Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre fest und unterstellte den Kläger der Bewährungshilfe. In den Gründen der Entscheidung heißt es, die Überprüfung der Vollstreckungshindernisse ergebe, dass die Sicherungsverwahrung erledigt sei. Denn nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.12.2009 - 19359/04 - (NJW 2010, 2495) sei die mit Gesetz vom 26. Januar 1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vorgenommene Änderung des § 67d StGB, mit der die Befristung der ersten angeordneten Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 1 StGB auf zehn Jahre entfallen sei und die in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB auch diejenigen Sicherungsverwahrten erfasse, für die die Befristung im Zeitpunkt ihrer Verurteilung noch bestand, mit dem Freiheitsrecht des Art. 5 EMRK und dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK nicht vereinbar. Mit am 13.04.2011 rechtskräftig gewordenem Urteil vom 13.01.2011 - 27360/04 und 42225/07 - stellte der EGMR fest, dass der Kläger vom 26.06.1999 bis zu seiner Entlassung am 10.09.2010 unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art. 7 Abs. 1 EMRK in Sicherungsverwahrung untergebracht gewesen sei. Die Bundesrepublik Deutschland wurde zur Zahlung einer Entschädigung für den immateriellen Schaden in Höhe von 70.000,-- EUR verurteilt.
Der Kläger verließ die Justizvollzugsanstalt Freiburg noch am 10.09.2010. Bereits im August 2010 erstellte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg auf der Grundlage der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu einer ressortübergreifenden Konzeption zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (VwV KURS) vom 9. März 2010 eine Risikobewertung des Klägers. Er wurde in die Gefahrenkategorie 1 (Risikoprobanden mit herausragendem Gefährdungspotential) eingestuft. In der Gesamtschau bestehe - so die Annahme des Landeskriminalamts am 12.08.2010 - mehr als die bloße Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für hochrangige Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit sowie Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von potentiellen Opfern. Ein Schadenseintritt könne aufgrund der Vorgeschichte und der nicht behobenen psychischen Probleme des Klägers aus präventivpolizeilicher Sicht als hinreichend wahrscheinlich und konkret angenommen werden (vgl. Risikobewertung vom 12.08.2010, S. 17). Im Hinblick auf die Gefährdungseinschätzung ordnete der Leiter der Polizeidirektion Freiburg am 31.08.2010 die längerfristige Observation des Klägers im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG an, die zunächst auf vier Wochen befristet war. Diese Anordnung ist seither - ohne Unterbrechung - 17 Mal verlängert worden. Die letzte, auf acht Wochen befristete Anordnung datiert vom 22.01.2013 und sieht die längerfristige Observation des Klägers bis zum 22.03.2013 vor.
Der Kläger lebt seit seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Freiburg in einem Übergangswohnheim in Freiburg und bezieht Leistungen nach dem SGB II. Er, dessen erste - im Jahr 1979 geschlossene - Ehe nach wenigen Tagen gescheitert war, hat weder zu seinem aus zweiter Ehe stammenden Sohn S. noch zu der Kindsmutter Kontakt. Sein Vater ist verstorben; seine Mutter lebt betagt und körperlich beeinträchtigt in seiner Heimat. Mit ihr hält der Kläger von Zeit zu Zeit telefonisch und schriftlich Kontakt. Zu seinen fünf Geschwistern und Halbgeschwistern besteht keine Verbindung. In dem dem Kläger in dem Übergangswohnheim zugewiesenen Zimmer von etwa 11 qm Größe findet keine Überwachung durch die Polizei statt. Bei Verlassen des Wohnheims folgen dem Kläger hingegen stets bis zu vier - anfänglich auch fünf - Polizisten. Im Rahmen der Führungsaufsicht sind seitens des Landgerichts Freiburg (Strafvollstreckungskammer) folgende Weisungen ergangen:
10 
- Wohnsitznahme in Freiburg, ... Den Wohnort darf der Kläger nur mit Einwilligung der Führungsaufsichtsstelle verlassen. Ein Wohnortwechsel ist sofort der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen;
- Wöchentliche Meldung beim Bewährungshelfer;
- Zwei Mal wöchentliche Meldung bei den KURS-Koordinatoren der PD Freiburg;
- Vorstellungsweisung vier Mal monatlich, mindestens drei Mal monatlich, bei der Forensischen Ambulanz Freiburg;
- Untersagung, gefährliche Gegenstände, die dazu geeignet oder bestimmt sind, Verletzungen hervorzurufen, bei sich zu führen. Messer mit Klingenlänge über 5 cm, Schusswaffen, auch Schreckschusswaffen, Gasdruckwaffen, Schlagstöcke und Ninjawurfsterne darf er weder besitzen noch bei sich führen oder für sich verwahren lassen;
- Kein Aufenthalt allein mit Frauen in einem KfZ.
11 
Zwischenzeitlich sind die Weisungen zum Teil geändert worden: Der Kläger darf sich auch im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald aufhalten. Handelsübliche Küchenmesser darf er in gewöhnlichem Umfang in seiner Wohnung besitzen und verwenden. Einbestellungen des Bewährungshelfers hat er Folge zu leisten, wöchentliche Meldungen sind nicht mehr erforderlich. Die Weisungen, sich ein Mal wöchentlich bei der Forensischen Ambulanz Freiburg und zwei Mal wöchentlich bei den KURS-Koordinatoren der Polizeidirektion Freiburg vorzustellen, sind entfallen (Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 27.03.2012 - 12 StVK 284/08 -). Seit Dezember 2010 ist der Kläger - der Empfehlung seines Bewährungshelfers folgend - ein Mal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung bei Dipl.-Psychologen ... ... Außerdem bemüht er sich - bislang erfolglos - um Arbeit im Rahmen eines so genannten Ein-Euro-Jobs. Eine Arbeitsaufnahme im „Freiburger ...“ scheiterte.
12 
Am 13.06.2012 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung seines auf Unterlassen der seit dem 10.09.2010 durchgeführten Observation gerichteten Begehrens macht er geltend: Er leide zunehmend unter der ihm aufgezwungenen Situation, die ihm keinen unbeobachteten Moment zulasse und die ihn zunehmend in Einsamkeit und Verzweiflung treibe. Dem beklagten Land sei es nicht möglich darzulegen, warum von ihm eine konkrete und gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit ausgehe. Die Gutachten von Dres. ... (2006) und ... (2009) dürften nicht mehr herangezogen werden. Das Gutachten von Prof. Dr. ... (2010) enthalte wiederum auch positive Aussagen, insbesondere bei gegebenem sozialen Empfangsraum. Er lebe seit nunmehr über zwei Jahren in einem gesicherten Umfeld, habe sich im Dezember 2010 freiwillig in Psychotherapie begeben und suche seinen Therapeuten einmal wöchentlich auf. Obwohl er diesen von seiner Schweigepflicht entbunden habe, habe der Beklagte keine Stellungnahme von diesem eingeholt. Er - der Kläger - sei einsichtig und therapiebereit. Trotzdem werde jede seiner Verhaltensweisen registriert und bewertet. So habe er ein Küchenmesser bei sich geführt, um Löwenzahn für das Kaninchen eines Freundes zu schneiden. Dies habe ihm der Beklagte als Verstoß gegen die Weisungen der Führungsaufsicht ausgelegt. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg insoweit angemahnt habe, dieser Umstand dürfe nicht überbewertet werden, sei der Kauf eines weiteren Küchenmessers im Januar 2012 wiederum als Verstoß gegen die Weisungen der Führungsaufsicht ausgelegt, das Messer sei beschlagnahmt worden. Die Führungsaufsicht habe jedoch von der Stellung eines Strafantrages abgesehen. Zum Recht, sich zu ernähren, gehöre es auch, über Essbesteck und sonstige, für die Zubereitung von Speisen notwendige Gerätschaften zu verfügen. Er sehe sich durch die offene und dauernde Überwachung in schlimmer Weise stigmatisiert. Eine erneute Begutachtung werde nicht für notwendig erachtet; er werde an einer erneuten Begutachtung nicht mitwirken.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die seit dem 10. September 2010 unvermindert durchgeführte Observation weiterhin durchzuführen.
15 
Das beklagte Land beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Zur Begründung wird ausgeführt, die Observation des Klägers finde ihre Rechtsgrundlage nach wie vor in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG. Die Heranziehung dieser Norm sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Anordnungen beruhten auf Fallkonferenzen unter Beteiligung der Vertreter der Führungsaufsichtsstelle, der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanz Baden mit der Polizei. Das Gutachten von Prof. Dr. ... weise eine Gefährdung durch den Kläger als hinreichend konkret und wahrscheinlich aus. Zudem habe die Observation Erkenntnisse erbracht, die zumindest Zweifel an der Ungefährlichkeit des Klägers nährten. Hierzu gehöre vor allem, dass das Verhalten des Klägers als so wenig kooperativ wie noch nie und aggressiv beschrieben werden müsse. Gesprächen mit den Observierungskräften stehe er ablehnend gegenüber, Aktivitäten kündige er nicht mehr vorher an. Bei einem Besuch bei seinem Bewährungshelfer habe er das Gebäude durch einen anderen Ausgang verlassen und sei mit dem Fahrrad davon gefahren. Das kommentarlose Verlassen der Wohnung und sein Davonfahren mit dem Fahrrad habe sich auch in der Folgezeit wiederholt. Daher sei nicht absehbar, wie der Kläger reagiere, wenn das „Feindbild Polizei“ nicht mehr vorhanden sei. Die Risikobewertung werde ständig aktualisiert. Dies zeige auch der Umstand, dass von anfänglich acht aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftätern nunmehr nur noch wenige überwacht würden. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Insbesondere weigere sich der Kläger, eine elektronische Fußfessel zu tragen.
18 
Bereits mit Beschluss vom 02.09.2010 hat die erkennende Kammer einen Antrag des seinerzeit noch in Sicherungsverwahrung befindlichen Klägers auf vorläufiges Unterlassen der Observation abgelehnt (4 K 1570/10). Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 23.09.2010 verworfen (1 S 2149/10). Einen am 18.05.2011 erneut gestellten Eilantrag hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 16.08.2011 wiederum abgelehnt (4 K 917/11). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die hiergegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 08.11.2011 zurück (1 S 2538/11). Auf die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde lehnte das Bundesverfassungsgericht einen Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 27.02.2012 ab. Mit Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 1 BvR 22/12 - (DVBl. 2013, 169) stellte das Bundesverfassungsgericht fest, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 - 1 S 2538/11 - und des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.08.2011 - 4 K 917/11 - verletzten den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die genannten Beschlüsse wurden aufgehoben und die Sache wurde an das Verwaltungsgericht Freiburg zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Verfassungsbeschwerde des Klägers zurückverwiesen. Das an das Verwaltungsgericht Freiburg zurückverwiesene Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen 4 K 2433/12 geführt; auch in diesem Eilverfahren hat das Gericht am 14.02.2013 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
19 
Bereits mit Beschluss vom 12.11.2012 hat das Verwaltungsgericht Freiburg dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewilligt und ihm seinen Prozessbevollmächtigten zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.
20 
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung von Dipl.-Psychologen ... als sachverständigen Zeugen, Polizeihauptkommissar ... und Polizeioberkommissar ... sowie Bewährungshelfer ... als Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
21 
Ferner hat das Gericht Polizeioberrat ... (Landeskriminalamt Baden-Württemberg) zur Vorgehensweise von GZS-KURS bei der Risikobewertung generell und im konkreten Fall als amtliche Auskunftsperson befragt. Polizeioberrat ... hat hierbei ausgeführt, die Risikobewertung erfolge grundsätzlich aufgrund einer Einschätzung der Persönlichkeit des Probanden sowie seines Aggressionspotentials, das insbesondere anhand Art, Schwere und Häufigkeit der begangenen Taten ermittelt werde. Ferner seien das Verhalten während der Führungsaufsicht und das aktuelle Umfeld des Probanden von Bedeutung. Die Einzelheiten ergäben sich aus der Verwaltungsvorschrift zu KURS. Bei der Risikobewertung sei man von dem Gutachten ... und der dortigen Aussage ausgegangen, wenn beim Kläger kein sozialer Empfangsraum vorhanden sei, sei die Prognose eher ungünstig. Da ein sozialer Empfangsraum weiterhin nicht bestehe, insbesondere keine beschützende Unterbringung erfolgt sei, sei der Kläger in die höchste Gefahrenkategorie eingestuft worden. Im Mai 2011 habe man die Tendenz zu einer niedrigen Gefahrenkategorie festgehalten. Seinerzeit sei man davon ausgegangen, der Kläger entwickele sich. Im Fortgang habe sich der Kläger jedoch zunehmend distanziert und kaum noch kooperiert. Der Kontakt zur Forensischen Ambulanz bestehe nicht mehr. Nach außen sei eine positive Entwicklung beim Kläger nicht wahrnehmbar geworden. Von den übrigen aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Sexualstraftätern sei der Kläger nunmehr der letzte, der noch observiert werde. Die übrigen hätten sich kooperativer verhalten und sich beispielsweise auch bereit erklärt, einen Sender bei sich zu führen. Es hätten auch Absprachen hinsichtlich der Reiseziele getroffen werden können. Dadurch habe der Überwachungsdruck gelockert werden können. Hinsichtlich des Klägers sei ihm zwar bekannt geworden, dass dieser anfänglich zur Kooperation bereit gewesen sei. Er könne nicht ausschließen, dass ein kooperatives Verhalten seinerzeit auch durch das Zutun der Polizei nicht habe aufrecht erhalten werden können. Da insgesamt aber keine positive Entwicklung sichtbar geworden sei, habe man auch weiterhin den Auftrag zu erfüllen, Gefahren für die Allgemeinheit durch die Observation abzuwehren.
22 
Der ebenfalls als amtliche Auskunftsperson vom Gericht befragte Polizeibeamte ... (Polizeidirektion Freiburg) hat zu Art und Weise der Observation Folgendes ausgeführt: Als im Jahr 2010 sehr plötzlich der Auftrag auf die Polizeidirektion Freiburg zugekommen sei, aus der Sicherungsverwahrung entlassene, rückfallgefährdete Sexualstraftäter zu überwachen, habe man eine generelle Führungs- und Einsatzanweisung erlassen. Diese trage dem Anliegen der Probanden, sich soweit wie möglich frei bewegen zu können, insoweit Rechnung, als es das Grundanliegen des Schutzes der Allgemeinheit verantwortbar erscheinen lasse. Es seien Verhaltensvorgaben für die observierenden Kräfte entwickelt worden, die sich später auch in der Praxis bewährt hätten. Die Dichte der Observation werde situationsabhängig gehandhabt. So seien die Beamten, die stets Zivilkleidung trügen, beispielsweise samstags in der Innenstadt näher bei den Probanden als in der freien Natur. Ziel sei es, neben der Sicherheit der Allgemeinheit auch die Grundrechte der Probanden zu gewährleisten. Der Kläger werde derzeit von drei Beamten rund um die Uhr bewacht.
23 
Schließlich hat das Gericht die Polizeibeamtin ... (KURS-Koordinatorin) als amtliche Auskunftsperson befragt. Sie hat ausgeführt, sie sei mit einer weiteren Person als Koordinatorin und Ansprechpartnerin für etwa 20 Personen zuständig. Ihr Ziel sei es, ein Vertrauensverhältnis mit den Probanden herzustellen und diese in gewissem Umfang auch zu begleiten. Zu diesem Zwecke besuche sie die Probanden und spreche mit ihnen über die Situation. Ihre Tätigkeit diene vornehmlich dem Ziel, die Weisungen der Führungsaufsicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr zu überwachen. Der Kläger habe ihr gegenüber aber keine Bereitschaft zur Kooperation erkennen lassen und lehne den Kontakt ab.
24 
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht auch den Kläger informatorisch befragt. Dieser hat ausgeführt, anfangs der Observation habe er sich bemüht, mit den Polizeibeamten zu kooperieren, habe beispielsweise angeboten, per Handy immer erreichbar zu sein. Ihm sei dann jedoch entgegnet worden, er solle den Beamten nicht vorschreiben, wie sie ihre Arbeit zu tun hätten. Die Forensische Ambulanz sei ihm aufgezwungen worden. Die Berichte des Herrn ... seien direkt an die Polizei gegangen. Es sei jedoch nicht seine Schuld, dass er dort nicht mehr hingehe. Vielmehr sei die Finanzierung durch das Land in Frage gestellt worden. Er könne bei seiner Situation nicht auch noch Verständnis für die Polizeibeamten entwickeln. (Befragt zu seinen Straftaten:) Nachdem die Sicherungsverwahrung unbegrenzt verlängert worden sei, habe man ihn einschließen können. Auf ein 08/15-Gutachten sei das nächste gefolgt. Es sei ihm nicht möglich, seine Nicht-Gefährlichkeit zu beweisen. Er habe im Vollzug so viele enttäuschende Erlebnisse gehabt. (Auf Nachfrage:) Mit seinen Taten habe er sich auseinander gesetzt. Er sei lange Zeit in der psychiatrischen Abteilung im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg gewesen. Bei seinen Opfern habe er sich brieflich entschuldigt. Er wisse, dass seine Taten falsch gewesen seien, sie seien ein Tiefpunkt seines Lebens. Natürlich bereue man das. Die Sicherungsverwahrung sei das Druckmittel gewesen, eine Therapie zu machen. Er habe eine solche Therapie gemacht und sei trotzdem nicht freigekommen. (Auf nochmalige Nachfrage:) Die Umstände, dass sein Sohn damals klein gewesen sei und dies möglicherweise die Ehe belastet habe und dass er seine Arbeit verloren habe, könnten keine Ausrede für die Straftaten sein. (Befragt zur Gefährlichkeit:) Er glaube nicht, dass er heute so etwas noch einmal tun könne. Dagegen sprächen sein Alter, seine Weiterbildung und die Schulbildung während des Vollzugs sowie seine sonst gewonnenen Erkenntnisse. Auch seine Triebhaftigkeit habe nachgelassen. Mit Machtausübung hätten die Taten - entgegen der Einschätzung einiger Gutachter - allerdings nichts zu tun gehabt. Er habe viele Enttäuschungen und Niederlagen erlitten und gelernt, sich durch Schreiben zu wehren, nicht durch Rache an Schwächeren. Zu seinem Sohn und seiner früheren Ehefrau, die zwischenzeitlich wiederverheiratet sei und weitere Kinder bekommen habe, habe er keinen Kontakt. Zu seiner Mutter bestehe telefonischer Kontakt; sie habe nicht gewollt, dass er sie in Begleitung von Polizei besuche. Sie sei körperlich stark beeinträchtigt und benötige Pflege. Er könne sich aber momentan nicht vorstellen, in ihre Nähe zu ziehen und sie zu pflegen. Die Suche nach Freunden und Bekannten habe er aufgegeben. Nach dem Vorfall in dem Tafelladen habe er es auch aufgegeben, soziale Beziehungen knüpfen zu wollen, denn durch die Observation werde sowieso alles zunichte gemacht. Er habe es deshalb auch weitgehend aufgegeben, von Zeit zu Zeit in eine Kneipe zu gehen. (Befragt zu seinen Plänen:) Er brauche auf jeden Fall Beschäftigung. Zur Zeit habe er einen Rentenanspruch von 150,-- EUR pro Monat. Außerdem würde er sich gerne eine Wohnung suchen - und er wünsche sich eine Beziehung mit gegenseitigem Verständnis. (Befragt zu den Vorfällen im Jahr 2011:) Der Brief mit pornografischem Inhalt sei an ihn gerichtet worden - bekommen habe er ihn ja nicht, da er abgefangen worden sei - von einem Dritten, den er nicht persönlich kenne. Der „Kontakt“ sei wohl über einen früheren Mitgefangenen aus Bruchsal zustande gekommen, da sich der Autor des Briefes nicht mit „rechtlichen Dingen“ ausgekannt habe. Jener sei zwischenzeitlich aus der Justizvollzugsanstalt Straubing entlassen worden. Insofern frage er sich, warum er ihm, der er den Brief gar nicht kenne, weiterhin zum Vorwurf gemacht werde. Er wisse nicht, wie dieser Mann dazu gekommen sei, ihm einen solchen Brief zu schreiben. (Auf weitere Frage:) In der Veranstaltung an der katholischen Fachhochschule habe er seine Taten nicht verharmlost. Er habe lediglich aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart zitiert, das bei ihm wegen des vergleichsweise schonenden Umgangs mit den Opfern Strafmilderungsgründe gesehen habe.
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Dem Gericht liegen neben den Gerichtsakten, auch aus den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, drei Band Akten des Beklagten und Auszüge aus der Akte der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage in Gestalt der (vorbeugenden) Unterlassungsklage statthaft. Der vom Kläger geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist gerichtet auf die Abwehr der von dem Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG am 31.08.2010 erstmals angeordneten und zuletzt am 22.01.2013 verlängerten längerfristigen Observation. Hierbei handelt es sich - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Namentlich ändert sich die Rechtsqualität von Verwaltungshandeln nicht gleichsam automatisch dadurch, dass die Eingriffsintensität des Handelns hoch ist und mit fortdauernder Zeit weiter zunimmt. Zwar kann dieser Umstand prozedurale Sicherungen erforderlich machen, die Zulässigkeit schlichten Verwaltungshandelns ist aber grundsätzlich nicht auf Eingriffe geringen oder mittleren Umfangs in Freiheitsrechte beschränkt (vgl. zum Ganzen auch Hermes, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. [2012], § 39 RdNrn. 56 ff.), was etwa durch die Rechtsqualität des so genannten finalen Rettungsschusses besonders anschaulich wird. Dem Kläger steht auch die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zur Seite, denn er kann geltend machen, durch die längerfristige Observation möglicherweise in seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt zu sein (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239 [241]; Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Greve/Lucius, DÖV 2012, 97 [102 f.]).
27 
Die somit zulässige Klage ist auch begründet, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der längerfristigen Observation zu. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die hier im Streit stehende präventiv-polizeiliche Überwachung rund um die Uhr von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (dazu nachfolgend I.). Selbst wenn man als Rechtsgrundlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (noch) die polizeiliche Generalklausel in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen heranziehen wollte, lägen deren Voraussetzungen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Kläger nicht vor (II.).
I.
28 
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch das erkennende Gericht besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die längerfristige präventiv-polizeiliche Überwachung von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern zum Zwecke der Abwehr weiterer Sexualstraftaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163f StPO sind eindeutig nicht gegeben und werden von dem Beklagten auch nicht in Anspruch genommen. Der Eingriff kann aber auch weder auf § 22 PolG (1.), noch auf die polizeiliche Generalklausel nach §§ 1, 3 PolG gestützt werden (2.). Die polizeiliche Generalklausel steht auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr zur Verfügung (3.). Daher bedarf es letztlich keiner Entscheidung, ob die Anwendbarkeit des Polizeirechts im vorliegenden Fall auch deshalb gesperrt ist, weil der Bund für den hier interessierenden Sachbereich von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat (4.).
29 
1. Die am 22.01.2013 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg angeordnete längerfristige Überwachung des Klägers ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von § 22 PolG gedeckt. Als besonderes Mittel der Datenerhebung benennt § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation). Nach § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten durch besondere Mittel der Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen (Nr. 2) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Die durch § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommene Vorschrift des § 20 Abs. 2 PolG bestimmt, dass die Polizei Daten der in den §§ 6 oder 7 PolG genannten Personen sowie anderer Personen erheben kann, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist und die Befugnisse der Polizei nicht anderweitig geregelt sind. Straftaten mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG sind - soweit hier erheblich - Verbrechen (§ 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten (§ 22 Abs. 5 Nr. 2a PolG). Der Einsatz von Mitteln nach § 22 Abs. 1 PolG, ausgenommen der verdeckte Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG, bedarf der Anordnung eines Regierungspräsidenten oder des Leiters des Landeskriminalamtes, eines Polizeipräsidiums oder einer Polizeidirektion. Diese können die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen (§ 22 Abs. 6 PolG). Der Betroffene ist von einer Maßnahme nach § 22 Abs. 3 PolG zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann (§ 22 Abs. 8 PolG).
30 
Die Vorschrift hat ihren systematischen Standort im mit „Datenerhebung“ überschriebenen Dritten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts („Maßnahmen der Polizei“) gefunden. Die Stellung der Vorschrift des § 22 PolG in diesem Unterabschnitt und der spezifische Bezug zur Datenerhebung spiegeln sich im Wortlaut der Norm wider. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nennt die längerfristige Observation als ein „besonderes Mittel der Datenerhebung“, § 22 Abs. 3 PolG lässt „die Erhebung personenbezogener Daten“ durch die längerfristige Observation zu. Auch die Historie der Vorschrift und des gesamten Dritten Unterabschnitts, die in Umsetzung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1) durch Änderungsgesetz vom 22. Oktober 1991 in das Polizeigesetz aufgenommen worden sind (vgl. dazu näher Heckmann, VBlBW 1992, 164 [165]), sprechen dafür, dass der Landesgesetzgeber in § 22 PolG nur verschiedene besondere Mittel der Datenerhebung geregelt hat und keine umfassende gefahrenabwehrrechtliche Regelung über die offene (begleitende) Observation von potenziellen Straftätern treffen wollte (in diese Richtung auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]; Greve/Lucius, a.a.O., S. 100).
31 
Die Datenerhebung ist im vorliegenden Fall nicht Zweck der Observation des Klägers. Unter den in § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommenen „personenbezogenen Daten“ werden gemäß § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) verstanden. „Erheben“ ist das Beschaffen von personenbezogenen Daten über den Betroffenen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 LDSG). Die Polizei bezweckt in vorliegendem Fall keineswegs das Beschaffen von Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse des Klägers oder Dritter. Die Observation dient vielmehr gleichsam als eine Art „gefahrenabwehrrechtlicher Ersatz“ für den aus Rechtsgründen nicht mehr zulässigen Maßregelvollzug betreffend latent gefährliche Menschen mit psychopathologischer Neigung (so auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100). Von dem § 22 PolG zugrunde liegenden gefahrenabwehrrechtlichen Leitbild der Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das vermutliche weitere Vorgehen eines Überwachten und der Erstellung von „Bewegungsprofilen“ unterscheidet sich die Observation des Klägers mithin deutlich (so auch VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23).
32 
Allerdings hat die erkennende Kammer in der Vergangenheit auch erwogen, ob § 22 PolG als eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen - zumindest übergangsweise - dann als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt (ebenso OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010, a.a.O., juris RdNr. 24; skeptisch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100), zumal der von § 22 PolG erfasste Gesetzeszweck der Informationsbeschaffung über den Kläger und sein Verhalten zumindest als Randerscheinung der Observation „mitverwirklicht“ wird. Ungeachtet etwaiger Einwände im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitserfordernis (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 - vorbeugende Telekommunikationsüberwachung) spricht dagegen allerdings, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG nicht als jahrelange Dauer-Maßnahme konzipiert ist. Denn den Regelungen liegt das Leitbild zugrunde, dass sich nach einer überschaubaren Zeit - § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG spricht von einem Zeitraum innerhalb einer Woche und länger als eine Woche, nicht aber von Monaten und Jahren - wird entscheiden lassen, ob Strafverfolgungsmaßnahmen (ggf. wegen einer Versuchsstraftat) erfolgen können oder ob die Maßnahme voraussichtlich ergebnislos bleiben wird (vgl. zur „Schwestervorschrift“ in § 28 PolG des Saarlandes: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O., RdNr. 16; Rachor, in: Lisken/Den-ninger, a.a.O., RdNrn. 283 ff.). Die Frage, ob die Heranziehung des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG für die Observation des Klägers jedenfalls übergangsweise zulässig gewesen ist (vgl. in diese Richtung insbesondere Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239; zustimmend: Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Rachor, a.a.O., RdNr. 279; ebenso zu § 16a PolG NW: VG Aachen, Urteil vom 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, juris RdNrn. 51 ff.), bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens allerdings keiner Entscheidung. Denn diese Übergangsfrist hätte spätestens mit Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Beklagten im November 2011 zu laufen begonnen, nachdem sich dort - wie auch schon früher (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -; zweifelnd auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100) - verschiedene Hinweise darauf finden, dass § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG als Ermächtigungsgrundlage für eine jahrelange Dauerobservation möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Da der Landesgesetzgeber die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - nicht zum Anlass für eine Neuregelung genommen hat, findet die hier im Streit stehende 17. Verlängerung der Anordnung der längerfristigen Observation vom 22.01.2013, die sich weiterhin ausdrücklich nur auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG stützt, in § 22 PolG keine gesetzliche Grundlage mehr.
33 
2. Da sich mithin § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als Ermächtigungsgrundlage nicht (mehr) als tragfähig erweist und eine sonstige spezielle Ermächtigungsgrundlage schon thematisch nicht ersichtlich ist, stellt sich die Frage, ob die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Klägers ihre Rechtsgrundlage in der polizeilichen Generalklausel gemäß §§ 1, 3 PolG findet. Dies ist nicht der Fall.
34 
aa) Die erkennende Kammer kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Rückgriff auf die Generalklausel schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich um einen Fall einer „gewollten Nichtregelung einer Befugnis“ handelt. Regelt ein Gesetzgeber eine Materie ausdrücklich und eine andere - typologisch eng verwandte - nicht, kann davon auszugehen sein, dass die eingriffsintensivere Maßnahme wegen des insoweit beredten Schweigens des Gesetzgebers nicht zugelassen ist. Im vorliegenden Fall wäre damit die Frage aufgeworfen, ob aus der expliziten Regelung der längerfristigen Observation zum Zwecke der Aufhellung eines „Dunkelfeldes“ geschlossen werden kann, dass sie zu anderen Zwecken als zur Informationsbeschaffung, insbesondere bei - wie hier - höherer Grundrechtsintensität, ausgeschlossen sein soll (vgl. so z.B. im Zusammenhang mit Durchsuchung und körperlicher Untersuchung: Rachor, a.a.O., RdNr. 718).
35 
bb) Diese Frage mag indes für das vorliegende Verfahren auf sich beruhen. Denn nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verpflichten das Rechtstaatsprinzip und das Demokratieprinzip sowie das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie). Der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber muss die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst treffen und dadurch sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat daher Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005, a.a.O.; Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 u.a. -, NJW 2008, 822 - „Online-Durchsuchung“; Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. -, NJW 2008, 1505 - automatisierte Kfz-Kennzeichenerfassung; Greve/Lucius, a.a.O., S. 103 f.; Guckelberger, a.a.O., S. 212 f.). Dies gilt umso eher, je stärker eine Maßnahme in Grundrechte eingreift. Zwar verstößt die polizeiliche Generalklausel als solche nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem Sinn des Gesetzesvorbehalts widerstreitet es aber, eine so weit gespannte Generalklausel wie die polizeiliche stets als ausreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zu verwenden. Intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe muss der Gesetzgeber deshalb als solche ausdrücklich regeln (vgl. statt vieler: Rachor, a.a.O., RdNr. 723; einschränkend: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. 2007, RdNr. 49). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen haben die Landesgesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass sie einzelne Befugnisse - die sog. Standardmaßnahmen - aus dem Anwendungsbereich der Generalklausel herausgelöst und hinsichtlich Voraussetzung, Mittel und Zweck genauer umschrieben haben.
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Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich die längerfristige offene Observation von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern jedenfalls dann nicht auf die polizeiliche Generalklausel stützen, wenn die Maßnahme - wie hier - über sehr lange Zeit durchgeführt wird. Die erkennende Kammer und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die besonders hohe Grundrechtsrelevanz der Observation hingewiesen. Denn das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen - auch dem Kläger als Mehrfach-Sexualstraftäter - einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann, wobei die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361 [384]; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Ungeachtet der Frage, ob der Kläger die Beschränkung dieses Grundrechts derzeit (noch) hinnehmen muss, überrascht daher die Auffassung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg in dessen schriftlicher Anordnung vom 22.01.2013, wonach „mit der Maßnahme keine schwerwiegenden Grundrechtseingriffe verbunden sind“ (ebenda, S. 5). Denn zweifellos stellt die 17. Verlängerung der vor etwa zweieinhalb Jahren begonnenen und seither ohne Unterlass durchgeführten längerfristigen Observation des Klägers einen besonders weitreichenden und schweren Grundrechtseingriff dar. Durch die fast lückenlose Präsenz der ihn außerhalb des von ihm bewohnten Zimmers überwachenden Polizisten wird die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, sehr weitgehend beeinträchtigt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung erneut deutlich geworden. Der Kläger hat dort nachvollziehbar und eindrücklich geschildert, dass er es wegen dieser Situation aufgegeben habe, Kontakte zu knüpfen oder auch nur abends „auf ein Bier“ in eine Kneipe zu gehen. Dass die Observation auch sonst, beispielsweise bei der Arbeits- und Wohnungssuche, erheblich negative Folgen hat, kann daher schwerlich bezweifelt werden. Nicht zuletzt wegen der Intensität der Beeinträchtigung hat der Landesgesetzgeber einen anderen - regelhaft weniger grundrechtsintensiven - Sachverhalt bewusst einer ausdrücklichen Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zugeführt. Auch daraus ist zu schließen, dass der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot einer dauerhaften Anwendung der Generalklausel auf Fälle der vorliegenden Art entgegenstehen (ebenso Greve/Lucius, a.a.O., S. 101; Söllner, DVBl. 2013, 171 [173]).
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3. Die polizeiliche Generalklausel steht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schließlich auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht hat es insoweit - offensichtlich anknüpfend an eine weit verbreitete Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.10.2001 - 6 C 3.01 -, BVerwGE 115, 189 [194 ff.] - Laserdrome) und Literatur (statt vieler: Greve/Lucius, a.a.O., S. 105) - für möglich gehalten, die Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter als eine neue Form polizeilicher Maßnahmen anzusehen, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden ist, die aber aufgrund ihrer weitreichenden Folgen einer dem Bestimmtheitsgebot entsprechenden normativen Typisierung in Gestalt einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bedarf (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Bei dieser Sachlage - so die 1. Kammer des Ersten Senats (a.a.O.) - begegne es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die polizeiliche Generalklausel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach werde damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend verstanden, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren. So ermöglichten es die Gerichte dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers, hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012, a.a.O.).
38 
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht die polizeiliche Generalklausel mit den oben genannten Prämissen dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg, der sich in seinen Anordnungen im Übrigen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2012 weiterhin allein auf § 22 PolG stützt, nicht (mehr) als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Nach der zu Beschränkungen der Berufsfreiheit ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Vorlagebeschluss vom 24.10.2001, a.a.O.) ist dem Gesetzgeber zuzubilligen, dass er vor der Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung die Entwicklung des potentiell regelungsbedürftigen Sachverhalts erst eine Zeit lang beobachtet. Für diesen Zeitraum kann die polizeiliche Generalklausel, die insoweit einer verfassungskonformen Interpretation bedarf, übergangsweise als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen. Übertragen auf den vorliegenden Fall wird man - gerade im Hinblick auf die außerordentliche Grundrechtsrelevanz des Eingriffs der Dauerüberwachung - die Be-obachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber nicht allzu großzügig bemessen können, zumal auch die regelungsbedürftige Sachmaterie überschaubar ist, namentlich für den Beklagten feststeht, welche Personengruppe mit welchem vermutetem Gefährdungspotential dauerhaft überwacht werden soll.
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Das beklagte Land geht spätestens seit Inkrafttreten der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu einer ressortübergreifenden Konzeption zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (VwV KURS) vom 9. März 2010 am 01.04.2010 davon aus, dass bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern auch eine Observation in Betracht zu ziehen sein wird (vgl. Nr. 4.7.2 VwV KURS 2010; heute Nr. 5.8.2 VwV KURS 2012). Wenngleich die Gruppe der im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 (a.a.O.) aus der Sicherungsverwahrung zu entlassenden Straftäter nicht unmittelbar Anlass der VwV KURS war (vgl. hierzu etwa LT-Drs. 14/4965 vom 05.08.2009), ist das Phänomen im Hinblick auf Personenkreis (Täterprofil) und Maßnahmenkatalog unter Einschluss der Observation dem beklagten Land seit spätestens 01.04.2010 hinreichend bekannt. Zweifel an der dauerhaften Tragfähigkeit der von den die Observation anordnenden Behördenleitern in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage des § 22 PolG sind in Rechtsprechung und Literatur sehr früh laut geworden (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 29.10.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 [240 f.]: verfassungskonforme Auslegung notwendig, § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauerüberwachung ohne ständige Überprüfung, Problem fehlender verfahrensmäßiger Sicherungen; nachfolgend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -: hilfsweise Generalklausel in Betracht zu ziehen; zweifelnd auch Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [210 ff.]; zur saarländischen Regelung zweifelnd: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23). Das Land hat die zweifelnden Hinweise in Rechtsprechung und Literatur nicht zum Anlass für eine Gesetzesinitiative genommen und ist auch danach noch untätig geblieben, als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - in der Entscheidung über das Eilverfahren des Klägers (Beschluss vom 08.11.2011, a.a.O., BA S. 6 und 7) seine Zweifel an der Tragfähigkeit der vom beklagten Land in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG noch einmal betont hat. In dieser Entscheidung weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zudem - in unzweifelhafter Deutlichkeit - darauf hin, dass eine Dauer-Observation des Klägers selbst bei fortbestehender Gefährlichkeit mangels Rechtsgrundlage allenfalls für eine „gewisse Übergangszeit“ noch hingenommen werden kann (ebenda S. 12). Diese Einschätzung wird auch in der seither bekannt gewordenen Literatur geteilt (vgl. nur Greve/Lucius, a.a.O., S. 99 ff.). Selbst die Ablehnung des vom Kläger gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht am 27.02.2012 hat nicht zu einem Tätigwerden des Landesgesetzgebers geführt, obwohl es in der Beschlussbegründung heißt, dass die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen, namentlich ob die herangezogenen Vorschriften des Polizeigesetzes „grundsätzlich oder möglicherweise nur vorübergehend und befristet bis zur Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage tragen können“ (BA S. 4), in einem Hauptsacheverfahren zu klären seien.
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Bei dieser Sachlage geht die erkennende Kammer davon aus, dass die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung steht. Für eine bereichsspezifische Regelung des hinreichend klar umrissenen und letztlich auch überschaubaren Sachverhalts der Dauerüberwachung rückfallgefährdeter (Sexual-)Straftäter zum Zwecke der Verhinderung erneuter Tatbegehung stand dem Gesetzgeber bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit zur Verfügung, ohne dass er bislang - soweit für das Gericht ersichtlich - ein Gesetzgebungsvorhaben initiiert hätte. Es ist dem Kläger auch angesichts der erheblichen Beschränkung seiner Freiheitsrechte nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zumutbar, wegen Untätigkeit des Gesetzgebers auch weiterhin signifikante Einbußen seiner Freiheitsrechte hinnehmen zu müssen. Das mag nicht ausschließen, dass die Überwachungsbedürftigkeit des Klägers nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung erneut zu prüfen sein mag. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch mangels zur Verfügung stehender Rechtsgrundlage keine Handhabe zur dauerhaften Observation dieses Personenkreises mehr.
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4. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf nach dem Vorstehenden die Frage, ob der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel auch deshalb gesperrt sein könnte, weil der Sachbereich „Gefahr durch rückfallgefährdete (Sexual-)Straftäter“ abschließend im Sechsten Titel des Dritten Abschnitts des Strafgesetzbuchs („Maßregeln der Besserung und Sicherung“) - namentlich in den Vorschriften über die Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) - geregelt ist. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg der Rückgriff auf das Polizeirecht des Landes schon kompetenziell nicht möglich. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit geklärt, dass der Kompetenztitel „Strafrecht“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weit zu verstehen ist und beispielsweise keine ergänzende Länderkompetenz im Bereich der Sicherungsverwahrung besteht (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10.02.2004 - 2 BvR 834/02 u.a. -, BVerfGE 109, 190 - nachträgliche Sicherungsverwahrung). Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG dürfen die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Gesetze nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Demnach sind landesrechtliche Regelungen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bundesgesetzliche Regelung dieses Sachbereichs abschließenden Charakter hat. Ob eine bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht, kann nur einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000 - 2 BvL 3/96 -, BVerfGE 102, 99 [114] - Landesabfallgesetz Nordrhein-Westfalen). Allerdings rechtfertigt der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von einer Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist (vgl. wiederum BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O.). Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/06 u.a. -, BVerfGE 98, 265 [300 f.] - Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz).
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Hat der Bund einen Sachbereich in Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder in diesem Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen zu widersprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O., S. 115). Die Länder sind nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine - abschließende - Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten; das Grundgesetz weist ihnen insbesondere nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers „nachzubessern“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998, a.a.O., S. 300).
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Im vorliegenden Fall könnte sich daher auch die Frage stellen, ob nicht die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (so ausdrücklich § 68 Abs. 1 StGB) jedenfalls bei demjenigen Personenkreis, bei dem Führungsaufsicht angeordnet ist oder kraft Gesetzes besteht, abschließend im Strafgesetzbuch (§§ 68 ff. StGB) geregelt ist, sodass den Ländern ein Zugriff auf diese Materie im Wege des allgemeinen oder besonderen Polizeirechts verwehrt wäre. Der vorrangige Zweck der Führungsaufsicht besteht - nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (vgl. hierzu und zum Folgenden wörtlich BT-Drs. 17/3403 S. 13 f.) - darin, durch Maßnahmen der Betreuung und Überwachung eine erneute Straffälligkeit der verurteilten Person nach Entlassung zu vermeiden. Dem staatlichen Auftrag, die Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern zu schützen, kommt dabei bei solchen Verurteilten besondere Bedeutung zu, bei denen die Gefahr besteht, dass sie erneut schwere Straftaten, insbesondere schwere Gewalt- oder Sexualdelikte, begehen werden. Dies kann nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (a.a.O., S. 13 und 14)
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„vor allem bei solchen Personen angenommen werden, die aufgrund der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Nr. 19359/04) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, obwohl bei ihnen weiterhin die Gefahr besteht, dass sie erhebliche Straftaten begehen werden, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. (…) Aufgrund dieser Entscheidung muss damit gerechnet werden, dass (…) als gefährlich eingestufte Täter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, bei denen die Sach- und Rechtslage gleichgelagert ist; solche Entlassungen sind auch schon erfolgt. Aber auch davon unabhängig hat die Führungsaufsicht mit verurteilten Personen zu tun, bei denen die Gefahr erneuter schwerer Straftaten, insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten, hoch ist, aber zum Beispiel die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach vollständiger Verbüßung der Haft aus Rechtsgründen ausscheidet. (…) Vor diesem Hintergrund und zur weiteren Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor schweren Wiederholungstaten verfolgt der Entwurf das Ziel, das zuletzt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513) erweiterte Instrumentarium der Führungsaufsicht weiter auszubauen. Daneben soll die Möglichkeit der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht ausgedehnt werden.“
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Die im Zusammenhang mit der längerfristigen Observation durch Polizeibeamte interessierende Frage der Gesetzgebungs- und Regelungskompetenz der Länder stellt sich nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2301 f.]) auch besonders deshalb, weil der Gesetzgeber die Weisung, die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB überführt hat und damit jedenfalls einen wichtigen Teilbereich der Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht geregelt hat. In diesem Zusammenhang hat er auch besondere Anforderungen an die Zulässigkeit dieser Weisung statuiert (§ 68b Abs. 1 Satz 3 StGB). Die Regelung eines gewichtigen Teils der Überwachung könnte dafür sprechen, dass der Personenkreis der der Führungsaufsicht unterstehenden rückfallgefährdeten (Sexual-)Straftäter, zu dem der Beklagte auch den Kläger rechnet, jedenfalls in Bezug auf die Dauermaßnahmen - für einmalige, situationsabhängige Maßnahmen, wie etwa die Gefährdetenansprache, wird ein Rückgriff auf das Polizeirecht möglich bleiben - (nur) den entsprechenden Regelungen des Strafgesetzbuchs unterworfen sein soll. Hierfür könnte - neben den prozeduralen Sicherungen (richterliche Entscheidung, regelmäßige Überprüfung, Befristung) - auch sprechen, dass als Zweck der so genannten elektronischen Fußfessel ausdrücklich genannt wird, den Täter im Sinne einer positiven und negativen Spezialprävention von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (BT-Drs. 17/3403 S. 17). Der Gesetzgeber erhofft sich von der Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB demzufolge auch, dass
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„die elektronische Überwachung auch eine enge polizeiliche Überwachung in Form einer fortwährenden unmittelbaren Begleitung des Betroffenen durch Polizeibeamte entbehrlich machen kann, wie sie derzeit zum Teil bei als gefährlich eingestuften Entlassenen praktiziert wird. Die mit dieser Begleitung zwangsläufig verbundene Stigmatisierung der verurteilten Person und ihr negativer Effekt auf deren Reintegration würden durch eine unauffällige, nach außen nicht erkennbare elektronische Überwachung vermieden“ (BT-Drs. 17/3403 S. 19).
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Diese Formulierung lässt Fragen offen. Sie könnte für eine Rest-Kompetenz der Länder ebenso sprechen wie für eine „Voll-Regelung“ im Bereich der Führungsaufsicht. Für die Personengruppe der „wegen rückwirkender Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung nicht länger in der Sicherungsverwahrung unterzubringender verurteilter Personen“ hat der Bundesgesetzgeber überdies - was als Abrundung der Frage der Gesetzgebungs- und damit auch Anordnungskompetenz nicht außer Betracht bleiben darf -, wiederum gestützt auf seine Annexkompetenz zum Kompetenztitel „Strafrecht“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BT-Drs. 17/3403 S. 20) - das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2305]) erlassen. Nach alledem könnten einige Gründe dafür sprechen, dass dem Land Baden-Württemberg für eine Observation des hier in Rede stehenden Personenkreises zu den hier maßgeblichen Zwecken eine Gesetzgebungskompetenz überhaupt nicht (mehr) zusteht. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg - selbstverständlich - auch der Rückgriff auf das Polizeirecht, gleich welcher Rechtsgrundlage, nicht eröffnet. Einer abschließenden Entscheidung bedarf dies freilich nicht. Denn selbst wenn eine „Reservekompetenz“ für eine präventiv-polizeiliche Regelung durch die Länder gegeben wäre, könnte die Observation des Klägers aus den oben genannten Gründen hierauf nicht mehr gestützt werden.
II.
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Selbst wenn die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - noch als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen sollte, wenn also die Beobachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber großzügiger zu bemessen wäre, als dies nach Auffassung der Kammer der Fall ist, stünde dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Denn eine hinreichende Gefahrenprognose des Beklagten liegt nicht vor (1.) und es sind auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter durch den Kläger sprechen könnten (2.).
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1. Eine auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Handlungsbefugnis setzt stets voraus, dass für das betroffene Schutzgut eine konkrete Gefahr besteht. Die insoweit zu treffende Prognoseentscheidung ist Sache der Polizei. Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für ein Schutzgut eintreten wird. Die Gefahrbeurteilung erfolgt aus der Perspektive ex-ante, wobei - insoweit ist die Generalklausel durch § 22 Abs. 6 PolG anzureichern - auf den Wissenshorizont eines sorgfältigen Behördenleiters der Polizeidirektion abzustellen ist. Maßgeblich für die Prognoseentscheidung ist also dessen Beurteilung zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Observation getroffen worden ist, hier der Zeitpunkt der 17. Verlängerung der Anordnung am 22.01.2013. Nicht jede Gefahr reicht als Voraussetzung für ein polizeiliches Tätigwerden aus. Die von der Generalklausel vorausgesetzte hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts liegt zwischen der Sicherheit und der nahezu, aber nicht völlig auszuschließenden Möglichkeit. Je größer der zu erwartende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit. Die Schadenswahrscheinlichkeit kann dabei vor allem auf der Ebene des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Rolle spielen. Für den vorliegenden Fall folgt hieraus dreierlei: Die von dem Beklagten behauptete und vom Kläger in Abrede gestellte konkrete Gefahr kann die Observation nur rechtfertigen, wenn sie in der Begehung von Straftaten gegen das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung besteht. Davon geht auch der Beklagte aus. In anderer Hinsicht nicht gegebenes Wohlverhalten des Klägers (z.B. Straftaten gegen das Eigentum, Ordnungswidrigkeiten, etc.) hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Im Hinblick auf die anzustellende Gefahrenprognose dürfen hingegen auch solche Umstände Berücksichtigung finden, wenn sie einen Bezug zu der „einschlägigen Gefahr“ haben, wenn etwa die emotionale Steuerungs- und Kontrollfähigkeit des Klägers nicht gegeben wäre und dies in seinem Verhalten (z.B. Körperverletzung gegenüber Polizeibeamten) sichtbar würde. Da es sich bei der sexuellen Selbstbestimmung etwaiger Opfer (bislang durchweg junge, aber volljährige Frauen) um höchste Rechtsgüter handelt, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen. In zeitlicher Hinsicht kann die Gefahrenprognose nur unbeanstandet bleiben, wenn sie zugrunde legt, dass die Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger gerade (auch) innerhalb des geregelten Zeitraums (hier vom 22.01.2013 bis zum 22.03.2013) besteht. Der Prognosehorizont von in der Sicherungsverwahrung - mit Blick auf § 67d Abs. 3 StGB - erstellten Gutachten (vgl. zu diesem Prognosemaßstab: Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 67d RdNr. 7; § 56 RdNrn. 15a ff.) ist dagegen ein anderer.
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Die vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg am 22.01.2013 getroffene Prognoseentscheidung rechtfertigt die Annahme einer vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten nicht. Sie ist bereits in ihrem rechtlichen Ansatz - da weiterhin ausschließlich auf § 22 PolG gestützt - fraglich, legt aber - vor allem - der Prognoseentscheidung Umstände zugrunde, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr berücksichtigungsfähig sind. In seinem Beschluss vom 08.11.2012 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
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„Die Gerichte durften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte haben ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 5. März 2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens haben die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück lag. (…) Zum anderen stand der Verwendung des Gutachtens vom 5. März 2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegen, dass die Begutachtung erfolgte, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befand. Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebt der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen.“
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Die Beteiligten sind an diesen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick sowohl auf dessen Rechtskraft als auch auf die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (vgl. nur Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. [2005], § 93c RdNrn. 13 ff.), können also - trotz mancher durch den Beschluss aufgeworfenen (und nicht beantworteten) Fragen - nicht geltend machen, die Entscheidung sei in ihren tragenden Erwägungen unrichtig und daher nicht zu beachten. Obwohl in dem genannten Beschluss die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnungen der Polizeidirektion Freiburg vom 05.09.2011, 11.07.2011, 18.05.2011, 21.03.2011, 28.01.2011, 02.12.2010, 03.11.2010, 07.10.2010 und vom 31.08.2010 - wenn auch ohne Begründung - zurückgewiesen wurde, steht mit dem genannten Beschluss doch fest, dass der Beklagte seine Prognoseentscheidung jedenfalls seither nicht mehr auf das Gutachten ... vom 05.03.2010 stützen darf. Denn wenn die Gerichte bei ihrer die Verwaltung kontrollierenden Tätigkeit das Gutachten „nicht maßgeblich“ zugrunde legen dürfen, kann für das beklagte Land nichts anderes gelten. Gleichwohl geht die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg weiterhin maßgeblich von dem Gutachten ... aus und begründet die ungünstige Rückfallprognose zudem mit einem weiteren (noch älteren) Gutachten (Anordnung vom 22.01.2013, S. 2). Die aufgrund dieser Gutachten angenommene Einschätzung als „Risikoproband mit herausragendem Gefährdungspotential“ (ebenda) wird in der 17. Verlängerung der Observationsanordnung gleichsam fortgeschrieben, indem davon ausgegangen wird, „Hinweise auf eine positive Änderung der Persönlichkeitsstruktur“ lägen nicht vor, was im Folgenden näher dargelegt wird. Damit wird der gebotene Prognosemaßstab verkannt: Nicht der Kläger muss das Gutachten ... und frühere Vorgutachten entkräften, mit anderen Worten seine Ungefährlichkeit dartun, sondern der Beklagte muss dessen Gefährlichkeit - unter Außerachtlassung der nicht mehr „maßgeblich“ verwertbaren Gutachten - begründen. Diesen rechtlichen Anforderungen genügt die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg vom 22.01.2013 - ungeachtet des Umstands, dass sie auch im Hinblick auf die einschneidende Wirkung der Observation für den Kläger auf ein Fehlverständnis hindeutet (S. 5) - nicht.
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Die in einem anderen Zusammenhang auf der Basis der VwV KURS erstellte Risikobewertung betreffend den Kläger vom 07.02.2013 ist ebenfalls ungeeignet, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die zu treffende Prognose-entscheidung Rechnung zu tragen. Darin wird zwar immerhin dargestellt, dass die noch in der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten keine Verwendung mehr finden dürfen (Risikobewertung vom 07.02.2013, S. 2). Hieraus wird aber nicht die gebotene rechtliche Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Gefährlichkeit des Klägers nunmehr nur mit neuen Anknüpfungstatsachen begründen lässt. Insofern werden zwar einige Umstände genannt, namentlich, dass sich der Kläger unkooperativ gegenüber den Polizeibeamten und der KURS-Koordinatorin verhält (ebenda, S. 6 und 7) und dass er gegenüber den Polizeibeamten seit einiger Zeit aggressiver und ablehnender auftritt (S. 8). Diese Umstände sind aber nicht geeignet, die konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu begründen. Der Kläger ist seit der Erledigung der Sicherungsverwahrung ein „freier Mann“, der die Weisungen der Führungsaufsicht einzuhalten hat und dessen Aufenthalt deshalb auf den Stadtkreis Freiburg und den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald beschränkt ist, der sich aber im Übrigen von Rechts wegen ebenso verhalten kann wie jeder andere freie Mensch. Der Kläger ist namentlich rechtlich nicht dazu verpflichtet, Kontakt zu der für ihn zuständigen KURS-Koordinatorin zu halten, nachdem diese Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht ausdrücklich aufgehoben worden ist. Auch seine Aktivitäten, insbesondere Fahrradtouren, muss er den observierenden Kräften nicht vorher ankündigen. Für das Gelingen der Observation muss er nicht Sorge tragen. Es mag sein, dass die Regeln des Anstands und der gegenseitigen Rücksichtnahme ein solches Verhalten wünschenswert erscheinen lassen. Eine Rechtspflicht des Klägers besteht aber nicht; sein Verhalten kann deshalb insoweit auch nicht zur Begründung einer konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten herhalten. Verstöße gegen die Weisungen der Führungsaufsicht hat der Beklagte selbst nicht behauptet; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Soweit der Kläger im März 2011 ein Messer zum Löwenzahnschneiden mit sich geführt hat und ein Jahr später ein Küchenmesser im Laden erworben hat, das er dem begleitenden Beamten sofort übergeben hat, mag darin zwar ein Verstoß gegen die gegenteilige Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht zu sehen sein. Allerdings hat schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 08.11.2011 (a.a.O., S. 10) mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass der Verstoß vom März 2011 nicht überbewertet werden darf. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass der zweite (formale) Verstoß zu einer Änderung der entsprechenden Weisung geführt hat, indem klargestellt wurde, dass der Kläger in seinem Wohnraum Küchenmesser besitzen darf. In beiden Fällen ist bezeichnenderweise seitens der Führungsaufsicht auch kein Strafantrag gestellt worden. Auch der Beklagte zieht diese Vorfälle nicht mehr zur Begründung der Gefährlichkeit des Klägers heran. Da somit weder die 17. Verlängerung der Anordnung der Observation vom 22.01.2013 noch die Risikobewertung des Landeskriminalamts vom 07.02.2013 hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straf-taten durch den Kläger beinhalten, können die dort getroffenen prognostischen Einschätzungen die Observation des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht rechtfertigen (vgl. auch zur Gewichtigkeit von Anknüpfungstatsachen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 7 ff.).
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2. Auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer sind keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straftaten durch den Kläger sprechen könnten. Die beiden von der Kammer vernommenen, für die Koordination der Observierung verantwortlichen Polizeibeamten ... und ... haben übereinstimmend berichtet, die observierenden Beamten hätten über die Gefährlichkeit des Klägers keine Erkenntnisse gewonnen. Die Zeugen ... und ... sind für die Koordination der Observation seit dem 18.11.2011 verantwortlich. Der vom Zeugen ... berichtete Vorfall, dass der Kläger ohne Ankündigung auf sein Fahrrad gestiegen und davon geradelt sei, mag für die mit der Observation betrauten Beamten misslich sein. Allerdings ist auch insoweit festzuhalten, dass der Kläger von Rechts wegen nicht gehalten ist, die Einsatzbereitschaft der Polizeibeamten abzuwarten oder sein Tempo gar an deren Fitnesszustand oder dem zur Verfügung stehenden Fahrradmaterial zu orientieren. Verbale Entgleisungen und aggressive Sprachmuster wären für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen. Der Zeuge ... hat insofern aber auch ausgesagt, er habe keinerlei Rückmeldungen über verbale Entgleisungen des Klägers erhalten. Es habe auch keine Erkenntnisse über ein Interesse des Klägers an jüngeren Frauen oder sonstiges Tatverhalten gegeben, wie dieser es in der Vergangenheit gezeigt habe. Der Zeuge ... hat diese Aussage auch für die jüngere Zeit (ab September 2012) bestätigt und - in der Sache selbstverständlich zutreffend - hinzugefügt, dass bei der Observation so gearbeitet werde, dass gefährliche Situationen gerade vermieden würden. Der Umstand, dass dem Kläger zurechenbare gefährliche Situationen für Dritte durch die Observation bislang vermieden wurden, kann aber - wiederum selbstverständlich - nicht als Argument dafür dienen, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen.
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Die erkennende Kammer ist aufgrund der Beweiserhebung auch zu der Auffassung gelangt, dass die gegen eine Gefährlichkeit des - insoweit freilich nicht materiell beweisbelasteten - Klägers sprechenden Umstände durchaus erheblich sind. Der Kläger hat - auf Anregung von Hausarzt und Bewährungshelfer - im Dezember 2010 freiwillig eine psychotherapeutische Behandlung begonnen und nimmt die in der Regel im Wochenabstand stattfindenden Termine regelmäßig und pünktlich wahr. Sein in der mündlichen Verhandlung als sachverständiger Zeuge vernommener Psychotherapeut, Dipl.-Psych. ..., hat - für die erkennende Kammer gut nachvollziehbar - Fortschritte in der Behandlung und Entwicklung geschildert und die Observation auch und gerade für den Erfolg der Psychotherapie als eher ungünstig wirkenden Umstand beschrieben. Für die erkennende Kammer insbesondere schlüssig und nachvollziehbar war die vom sachverständigen Zeugen herausgearbeitete Differenzierung zwischen sozialer Kompetenz und Gefährlichkeit des Klägers. In der Tat mag - so auch der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung - der Kläger manchmal schroff und unwirsch wirken; auch mag es sein, dass er gegenüber labilen Persönlichkeiten aufgrund seiner zweifellos gut ausgeprägten Intelligenz eine gewisse Dominanz entfalten kann. Diese Haltung mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Kläger zwar einerseits schwere Straftaten begangen hat, er aber andererseits auch zehn Jahre zu Unrecht in Sicherungsverwahrung verbracht hat. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass beim Kläger sich (auch) eine gewisse Opferhaltung entwickelt hat, die ihn zuweilen - auch im Umgang mit den Polizeibeamten - strikt, verletzend, schroff und ablehnend erscheinen lässt und die im Hinblick auf die (Re-) Integration des Klägers in die Zivilgesellschaft Probleme mit sich bringen könnte. Auch am Frauenbild des Klägers sei - so sein Psychotherapeut - noch zu arbeiten. Das Nähe-/Distanzverhältnis sei entwicklungsbedürftig, und es sei auch noch Entwicklungspotenzial hinsichtlich des Umstands notwendig, dass die Grenzen auch die Frau mitbestimme. Dies hat der sachverständige Zeuge ..., der gerade diese Themen mit dem Kläger im Rahmen der Psychotherapie bearbeitet, für die Kammer nachvollziehbar dargelegt. Er hat aber auch - und vor allem - ausgesagt, er habe im Laufe der Behandlung nie den Eindruck gehabt, der Kläger könne wieder gefährlich werden. Die Gefahr von Grenzverletzungen gegenüber Frauen sah der sachverständige Zeuge nicht als besonders ausgeprägt an, er sehe eher Tapsigkeiten und Ungeschicklichkeiten gegenüber Frauen im Vordergrund. Diese - für einen behandelnden Psychotherapeuten keineswegs selbstverständliche - differenzierte Beurteilung des Klägers lässt den Schluss auf eine konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger nicht zu, spricht im Gegenteil eher dafür, dass der Kläger bei - derzeit u.a. auch observationsbedingt nicht gegebenen - günstigeren Rahmenbedingungen (eigene Wohnung, Arbeitsplatz) auf einem guten Weg ist, einerseits ein angemessenes Verhältnis zu seinen Straftaten zu finden und andererseits möglicherweise bestehende Schwächen in seiner Persönlichkeitsstruktur zu verringern. Sowohl der Zeuge ... wie der sachverständige Zeuge ... haben im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Observation des Klägers dessen derzeitige Lebenssituation sehr in den Vordergrund rücke. Dieser Umstand mache es tendenziell eher schwieriger, die Straftaten und deren Einschätzung durch den Kläger angemessen aufzuarbeiten.
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Der Zeuge ... hat die Einschätzung des sachverständigen Zeugen ... zur - seiner Meinung nach nicht gegebenen - Gefährlichkeit des Klägers bestätigt und sehr klar dargelegt, dass er das Risiko der Begehung von weiteren Sexualstraftaten durch den Kläger als nicht hoch einschätzen würde, er sogar bei einer Besprechung gesagt habe, er würde die Verantwortung für die Beendigung der Observation des Klägers übernehmen. Dazu stehe er immer noch. Der Kläger könne heute einen angemessenen Umgang mit Frauen entwickeln, und auch die Fähigkeit, Mitgefühl zu entwickeln, sei beim Kläger ausgeprägt vorhanden. Wichtig sei vor allem, Arbeit und eine Wohnung für ihn zu finden. Der Zeuge ... und der sachverständige Zeuge ... sind von allen von der erkennenden Kammer gehörten Vernehmungspersonen diejenigen, die den engsten Kontakt zum Kläger haben und - nicht zuletzt aufgrund ihres professionellen Hintergrunds - auch hinreichend kritisch gegenüber bloßen Besserungs- und Wohlverhaltensversprechen sind. Da auch diese beiden Vernehmungspersonen keinerlei Anhaltspunkte für die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu benennen vermochten, kann von einer solchen nicht ausgegangen werden.
57 
Die Kammer fühlt sich in dieser Annahme bestärkt durch einige Aussagen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Zunächst ist der Kläger einer Frage des Vorsitzenden zu seinen Straftaten ausgewichen. Erst auf Nachfrage hat er sich um eine Antwort bemüht. Diese fiel keineswegs glatt und bestimmt aus. Im Gegenteil hat der Kläger - zuvor noch etwas aufgebracht argumentierend, auf einmal eher ruhig und nachdenklich - ausgesagt, er habe sich mit seinen Taten auseinander gesetzt. Er habe im Vollzug selbst um eine Therapie gebeten und sei „auf dem Hohenasperg“ jahrelang behandelt worden. Er wisse, dass seine Taten falsch gewesen seien, sie seien - insoweit wiederholte er die Fragestellung des Gerichts - ein Tiefpunkt seines Lebens. Die Umstände, dass sein Sohn damals klein gewesen sei und dies möglicherweise die Ehe belastet habe und dass er seine Arbeit verloren habe, könnten keine Ausrede für die Straftaten sein. Er bereue seine Taten und habe auch versucht, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Wenngleich sich in seiner Aussage auch distanzierende Formulierungen fanden - wie etwa das Wort „man“ („natürlich bereut man das“) -, hat das Gericht doch den Eindruck gewonnen, dass der Kläger ein akzeptables Verhältnis zu seinen Straftaten entwickelt hat. Überzeugend wirkte auf die Kammer auch, dass der Kläger seine Rückfallgefahr keineswegs absolut verneint, sondern - wiederum eher nachdenklich und reflektiert - ausgeführt hat, er glaube nicht, dass er heute so etwas noch einmal tun könne. Dagegen spreche sein Alter, seine Weiterbildung und die Schule während des Vollzugs und seine sonst gewonnenen Erkenntnisse. Auch seine Triebhaftigkeit habe nachgelassen. Er habe viele Enttäuschungen und Niederlagen erlitten und gelernt, sich durch Schreiben zu wehren, nicht durch Rache an Schwächeren. Seine völlige Ungefährlichkeit hat der Kläger, der im Übrigen auch den „Vorfall“ an der katholischen Fachhochschule nachvollziehbar erklären konnte, damit zwar weder behauptet noch bewiesen; er muss diesen - im Grunde nicht möglichen - Nachweis aber von Rechts wegen auch nicht führen.
58 
Bei dieser Sachlage, in der sich einerseits aus der Gefährlichkeitsprognose des Beklagten keinerlei Anknüpfungstatsachen für eine Gefährlichkeit des Klägers ergeben haben und andererseits die mündliche Verhandlung nicht ansatzweise einen Hinweis auf die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger erbracht hat, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch das erkennende Gericht - ungeachtet der hiermit verbundenen (erheblichen) rechtlichen Unklarheiten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.2003 - 1 BvR 2222/01 -, BVerfG(K) 1, 167; BGH, Beschluss vom 17.02.2010 - XII ZB 68/09 -, BGHZ 184, 269) - nicht in Betracht. Obwohl das beklagte Land insoweit für sich die rechtliche Kompetenz in Anspruch nimmt, den Kläger auch zwangsweise - auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel - zu einer psychiatrischen Begutachtung verpflichten zu können (dies erwägend auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 11; dagegen Greve/Lucius, a.a.O., S. 105), hat es selbst bislang offenbar keinen Anlass gesehen, von dieser - rechtlich zweifelhaften - Möglichkeit Gebrauch zu machen.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keinen Anlass, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Auch für eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Ausspruchs in der Hauptsache ist kein Raum (vgl. statt vieler: Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 167 RdNr. 21 m.w.N.).
60 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache). Die Kammer hält die Klärung der mit dem prinzipiellen Bestehen einer Ermächtigungsgrundlage für die dauerhafte Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter verbundenen Rechtsfragen für rechtlich grundsätzlich bedeutsam.

Gründe

 
26 
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage in Gestalt der (vorbeugenden) Unterlassungsklage statthaft. Der vom Kläger geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist gerichtet auf die Abwehr der von dem Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG am 31.08.2010 erstmals angeordneten und zuletzt am 22.01.2013 verlängerten längerfristigen Observation. Hierbei handelt es sich - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Namentlich ändert sich die Rechtsqualität von Verwaltungshandeln nicht gleichsam automatisch dadurch, dass die Eingriffsintensität des Handelns hoch ist und mit fortdauernder Zeit weiter zunimmt. Zwar kann dieser Umstand prozedurale Sicherungen erforderlich machen, die Zulässigkeit schlichten Verwaltungshandelns ist aber grundsätzlich nicht auf Eingriffe geringen oder mittleren Umfangs in Freiheitsrechte beschränkt (vgl. zum Ganzen auch Hermes, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. [2012], § 39 RdNrn. 56 ff.), was etwa durch die Rechtsqualität des so genannten finalen Rettungsschusses besonders anschaulich wird. Dem Kläger steht auch die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zur Seite, denn er kann geltend machen, durch die längerfristige Observation möglicherweise in seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt zu sein (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239 [241]; Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Greve/Lucius, DÖV 2012, 97 [102 f.]).
27 
Die somit zulässige Klage ist auch begründet, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der längerfristigen Observation zu. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die hier im Streit stehende präventiv-polizeiliche Überwachung rund um die Uhr von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (dazu nachfolgend I.). Selbst wenn man als Rechtsgrundlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (noch) die polizeiliche Generalklausel in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen heranziehen wollte, lägen deren Voraussetzungen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Kläger nicht vor (II.).
I.
28 
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch das erkennende Gericht besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die längerfristige präventiv-polizeiliche Überwachung von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern zum Zwecke der Abwehr weiterer Sexualstraftaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163f StPO sind eindeutig nicht gegeben und werden von dem Beklagten auch nicht in Anspruch genommen. Der Eingriff kann aber auch weder auf § 22 PolG (1.), noch auf die polizeiliche Generalklausel nach §§ 1, 3 PolG gestützt werden (2.). Die polizeiliche Generalklausel steht auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr zur Verfügung (3.). Daher bedarf es letztlich keiner Entscheidung, ob die Anwendbarkeit des Polizeirechts im vorliegenden Fall auch deshalb gesperrt ist, weil der Bund für den hier interessierenden Sachbereich von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat (4.).
29 
1. Die am 22.01.2013 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg angeordnete längerfristige Überwachung des Klägers ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von § 22 PolG gedeckt. Als besonderes Mittel der Datenerhebung benennt § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation). Nach § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten durch besondere Mittel der Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen (Nr. 2) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Die durch § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommene Vorschrift des § 20 Abs. 2 PolG bestimmt, dass die Polizei Daten der in den §§ 6 oder 7 PolG genannten Personen sowie anderer Personen erheben kann, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist und die Befugnisse der Polizei nicht anderweitig geregelt sind. Straftaten mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG sind - soweit hier erheblich - Verbrechen (§ 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten (§ 22 Abs. 5 Nr. 2a PolG). Der Einsatz von Mitteln nach § 22 Abs. 1 PolG, ausgenommen der verdeckte Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG, bedarf der Anordnung eines Regierungspräsidenten oder des Leiters des Landeskriminalamtes, eines Polizeipräsidiums oder einer Polizeidirektion. Diese können die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen (§ 22 Abs. 6 PolG). Der Betroffene ist von einer Maßnahme nach § 22 Abs. 3 PolG zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann (§ 22 Abs. 8 PolG).
30 
Die Vorschrift hat ihren systematischen Standort im mit „Datenerhebung“ überschriebenen Dritten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts („Maßnahmen der Polizei“) gefunden. Die Stellung der Vorschrift des § 22 PolG in diesem Unterabschnitt und der spezifische Bezug zur Datenerhebung spiegeln sich im Wortlaut der Norm wider. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nennt die längerfristige Observation als ein „besonderes Mittel der Datenerhebung“, § 22 Abs. 3 PolG lässt „die Erhebung personenbezogener Daten“ durch die längerfristige Observation zu. Auch die Historie der Vorschrift und des gesamten Dritten Unterabschnitts, die in Umsetzung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1) durch Änderungsgesetz vom 22. Oktober 1991 in das Polizeigesetz aufgenommen worden sind (vgl. dazu näher Heckmann, VBlBW 1992, 164 [165]), sprechen dafür, dass der Landesgesetzgeber in § 22 PolG nur verschiedene besondere Mittel der Datenerhebung geregelt hat und keine umfassende gefahrenabwehrrechtliche Regelung über die offene (begleitende) Observation von potenziellen Straftätern treffen wollte (in diese Richtung auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]; Greve/Lucius, a.a.O., S. 100).
31 
Die Datenerhebung ist im vorliegenden Fall nicht Zweck der Observation des Klägers. Unter den in § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommenen „personenbezogenen Daten“ werden gemäß § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) verstanden. „Erheben“ ist das Beschaffen von personenbezogenen Daten über den Betroffenen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 LDSG). Die Polizei bezweckt in vorliegendem Fall keineswegs das Beschaffen von Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse des Klägers oder Dritter. Die Observation dient vielmehr gleichsam als eine Art „gefahrenabwehrrechtlicher Ersatz“ für den aus Rechtsgründen nicht mehr zulässigen Maßregelvollzug betreffend latent gefährliche Menschen mit psychopathologischer Neigung (so auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100). Von dem § 22 PolG zugrunde liegenden gefahrenabwehrrechtlichen Leitbild der Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das vermutliche weitere Vorgehen eines Überwachten und der Erstellung von „Bewegungsprofilen“ unterscheidet sich die Observation des Klägers mithin deutlich (so auch VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23).
32 
Allerdings hat die erkennende Kammer in der Vergangenheit auch erwogen, ob § 22 PolG als eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen - zumindest übergangsweise - dann als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt (ebenso OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010, a.a.O., juris RdNr. 24; skeptisch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100), zumal der von § 22 PolG erfasste Gesetzeszweck der Informationsbeschaffung über den Kläger und sein Verhalten zumindest als Randerscheinung der Observation „mitverwirklicht“ wird. Ungeachtet etwaiger Einwände im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitserfordernis (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 - vorbeugende Telekommunikationsüberwachung) spricht dagegen allerdings, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG nicht als jahrelange Dauer-Maßnahme konzipiert ist. Denn den Regelungen liegt das Leitbild zugrunde, dass sich nach einer überschaubaren Zeit - § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG spricht von einem Zeitraum innerhalb einer Woche und länger als eine Woche, nicht aber von Monaten und Jahren - wird entscheiden lassen, ob Strafverfolgungsmaßnahmen (ggf. wegen einer Versuchsstraftat) erfolgen können oder ob die Maßnahme voraussichtlich ergebnislos bleiben wird (vgl. zur „Schwestervorschrift“ in § 28 PolG des Saarlandes: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O., RdNr. 16; Rachor, in: Lisken/Den-ninger, a.a.O., RdNrn. 283 ff.). Die Frage, ob die Heranziehung des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG für die Observation des Klägers jedenfalls übergangsweise zulässig gewesen ist (vgl. in diese Richtung insbesondere Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239; zustimmend: Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Rachor, a.a.O., RdNr. 279; ebenso zu § 16a PolG NW: VG Aachen, Urteil vom 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, juris RdNrn. 51 ff.), bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens allerdings keiner Entscheidung. Denn diese Übergangsfrist hätte spätestens mit Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Beklagten im November 2011 zu laufen begonnen, nachdem sich dort - wie auch schon früher (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -; zweifelnd auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100) - verschiedene Hinweise darauf finden, dass § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG als Ermächtigungsgrundlage für eine jahrelange Dauerobservation möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Da der Landesgesetzgeber die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - nicht zum Anlass für eine Neuregelung genommen hat, findet die hier im Streit stehende 17. Verlängerung der Anordnung der längerfristigen Observation vom 22.01.2013, die sich weiterhin ausdrücklich nur auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG stützt, in § 22 PolG keine gesetzliche Grundlage mehr.
33 
2. Da sich mithin § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als Ermächtigungsgrundlage nicht (mehr) als tragfähig erweist und eine sonstige spezielle Ermächtigungsgrundlage schon thematisch nicht ersichtlich ist, stellt sich die Frage, ob die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Klägers ihre Rechtsgrundlage in der polizeilichen Generalklausel gemäß §§ 1, 3 PolG findet. Dies ist nicht der Fall.
34 
aa) Die erkennende Kammer kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Rückgriff auf die Generalklausel schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich um einen Fall einer „gewollten Nichtregelung einer Befugnis“ handelt. Regelt ein Gesetzgeber eine Materie ausdrücklich und eine andere - typologisch eng verwandte - nicht, kann davon auszugehen sein, dass die eingriffsintensivere Maßnahme wegen des insoweit beredten Schweigens des Gesetzgebers nicht zugelassen ist. Im vorliegenden Fall wäre damit die Frage aufgeworfen, ob aus der expliziten Regelung der längerfristigen Observation zum Zwecke der Aufhellung eines „Dunkelfeldes“ geschlossen werden kann, dass sie zu anderen Zwecken als zur Informationsbeschaffung, insbesondere bei - wie hier - höherer Grundrechtsintensität, ausgeschlossen sein soll (vgl. so z.B. im Zusammenhang mit Durchsuchung und körperlicher Untersuchung: Rachor, a.a.O., RdNr. 718).
35 
bb) Diese Frage mag indes für das vorliegende Verfahren auf sich beruhen. Denn nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verpflichten das Rechtstaatsprinzip und das Demokratieprinzip sowie das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie). Der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber muss die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst treffen und dadurch sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat daher Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005, a.a.O.; Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 u.a. -, NJW 2008, 822 - „Online-Durchsuchung“; Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. -, NJW 2008, 1505 - automatisierte Kfz-Kennzeichenerfassung; Greve/Lucius, a.a.O., S. 103 f.; Guckelberger, a.a.O., S. 212 f.). Dies gilt umso eher, je stärker eine Maßnahme in Grundrechte eingreift. Zwar verstößt die polizeiliche Generalklausel als solche nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem Sinn des Gesetzesvorbehalts widerstreitet es aber, eine so weit gespannte Generalklausel wie die polizeiliche stets als ausreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zu verwenden. Intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe muss der Gesetzgeber deshalb als solche ausdrücklich regeln (vgl. statt vieler: Rachor, a.a.O., RdNr. 723; einschränkend: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. 2007, RdNr. 49). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen haben die Landesgesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass sie einzelne Befugnisse - die sog. Standardmaßnahmen - aus dem Anwendungsbereich der Generalklausel herausgelöst und hinsichtlich Voraussetzung, Mittel und Zweck genauer umschrieben haben.
36 
Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich die längerfristige offene Observation von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern jedenfalls dann nicht auf die polizeiliche Generalklausel stützen, wenn die Maßnahme - wie hier - über sehr lange Zeit durchgeführt wird. Die erkennende Kammer und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die besonders hohe Grundrechtsrelevanz der Observation hingewiesen. Denn das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen - auch dem Kläger als Mehrfach-Sexualstraftäter - einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann, wobei die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361 [384]; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Ungeachtet der Frage, ob der Kläger die Beschränkung dieses Grundrechts derzeit (noch) hinnehmen muss, überrascht daher die Auffassung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg in dessen schriftlicher Anordnung vom 22.01.2013, wonach „mit der Maßnahme keine schwerwiegenden Grundrechtseingriffe verbunden sind“ (ebenda, S. 5). Denn zweifellos stellt die 17. Verlängerung der vor etwa zweieinhalb Jahren begonnenen und seither ohne Unterlass durchgeführten längerfristigen Observation des Klägers einen besonders weitreichenden und schweren Grundrechtseingriff dar. Durch die fast lückenlose Präsenz der ihn außerhalb des von ihm bewohnten Zimmers überwachenden Polizisten wird die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, sehr weitgehend beeinträchtigt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung erneut deutlich geworden. Der Kläger hat dort nachvollziehbar und eindrücklich geschildert, dass er es wegen dieser Situation aufgegeben habe, Kontakte zu knüpfen oder auch nur abends „auf ein Bier“ in eine Kneipe zu gehen. Dass die Observation auch sonst, beispielsweise bei der Arbeits- und Wohnungssuche, erheblich negative Folgen hat, kann daher schwerlich bezweifelt werden. Nicht zuletzt wegen der Intensität der Beeinträchtigung hat der Landesgesetzgeber einen anderen - regelhaft weniger grundrechtsintensiven - Sachverhalt bewusst einer ausdrücklichen Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zugeführt. Auch daraus ist zu schließen, dass der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot einer dauerhaften Anwendung der Generalklausel auf Fälle der vorliegenden Art entgegenstehen (ebenso Greve/Lucius, a.a.O., S. 101; Söllner, DVBl. 2013, 171 [173]).
37 
3. Die polizeiliche Generalklausel steht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schließlich auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht hat es insoweit - offensichtlich anknüpfend an eine weit verbreitete Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.10.2001 - 6 C 3.01 -, BVerwGE 115, 189 [194 ff.] - Laserdrome) und Literatur (statt vieler: Greve/Lucius, a.a.O., S. 105) - für möglich gehalten, die Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter als eine neue Form polizeilicher Maßnahmen anzusehen, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden ist, die aber aufgrund ihrer weitreichenden Folgen einer dem Bestimmtheitsgebot entsprechenden normativen Typisierung in Gestalt einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bedarf (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Bei dieser Sachlage - so die 1. Kammer des Ersten Senats (a.a.O.) - begegne es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die polizeiliche Generalklausel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach werde damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend verstanden, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren. So ermöglichten es die Gerichte dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers, hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012, a.a.O.).
38 
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht die polizeiliche Generalklausel mit den oben genannten Prämissen dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg, der sich in seinen Anordnungen im Übrigen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2012 weiterhin allein auf § 22 PolG stützt, nicht (mehr) als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Nach der zu Beschränkungen der Berufsfreiheit ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Vorlagebeschluss vom 24.10.2001, a.a.O.) ist dem Gesetzgeber zuzubilligen, dass er vor der Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung die Entwicklung des potentiell regelungsbedürftigen Sachverhalts erst eine Zeit lang beobachtet. Für diesen Zeitraum kann die polizeiliche Generalklausel, die insoweit einer verfassungskonformen Interpretation bedarf, übergangsweise als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen. Übertragen auf den vorliegenden Fall wird man - gerade im Hinblick auf die außerordentliche Grundrechtsrelevanz des Eingriffs der Dauerüberwachung - die Be-obachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber nicht allzu großzügig bemessen können, zumal auch die regelungsbedürftige Sachmaterie überschaubar ist, namentlich für den Beklagten feststeht, welche Personengruppe mit welchem vermutetem Gefährdungspotential dauerhaft überwacht werden soll.
39 
Das beklagte Land geht spätestens seit Inkrafttreten der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu einer ressortübergreifenden Konzeption zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (VwV KURS) vom 9. März 2010 am 01.04.2010 davon aus, dass bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern auch eine Observation in Betracht zu ziehen sein wird (vgl. Nr. 4.7.2 VwV KURS 2010; heute Nr. 5.8.2 VwV KURS 2012). Wenngleich die Gruppe der im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 (a.a.O.) aus der Sicherungsverwahrung zu entlassenden Straftäter nicht unmittelbar Anlass der VwV KURS war (vgl. hierzu etwa LT-Drs. 14/4965 vom 05.08.2009), ist das Phänomen im Hinblick auf Personenkreis (Täterprofil) und Maßnahmenkatalog unter Einschluss der Observation dem beklagten Land seit spätestens 01.04.2010 hinreichend bekannt. Zweifel an der dauerhaften Tragfähigkeit der von den die Observation anordnenden Behördenleitern in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage des § 22 PolG sind in Rechtsprechung und Literatur sehr früh laut geworden (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 29.10.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 [240 f.]: verfassungskonforme Auslegung notwendig, § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauerüberwachung ohne ständige Überprüfung, Problem fehlender verfahrensmäßiger Sicherungen; nachfolgend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -: hilfsweise Generalklausel in Betracht zu ziehen; zweifelnd auch Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [210 ff.]; zur saarländischen Regelung zweifelnd: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23). Das Land hat die zweifelnden Hinweise in Rechtsprechung und Literatur nicht zum Anlass für eine Gesetzesinitiative genommen und ist auch danach noch untätig geblieben, als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - in der Entscheidung über das Eilverfahren des Klägers (Beschluss vom 08.11.2011, a.a.O., BA S. 6 und 7) seine Zweifel an der Tragfähigkeit der vom beklagten Land in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG noch einmal betont hat. In dieser Entscheidung weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zudem - in unzweifelhafter Deutlichkeit - darauf hin, dass eine Dauer-Observation des Klägers selbst bei fortbestehender Gefährlichkeit mangels Rechtsgrundlage allenfalls für eine „gewisse Übergangszeit“ noch hingenommen werden kann (ebenda S. 12). Diese Einschätzung wird auch in der seither bekannt gewordenen Literatur geteilt (vgl. nur Greve/Lucius, a.a.O., S. 99 ff.). Selbst die Ablehnung des vom Kläger gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht am 27.02.2012 hat nicht zu einem Tätigwerden des Landesgesetzgebers geführt, obwohl es in der Beschlussbegründung heißt, dass die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen, namentlich ob die herangezogenen Vorschriften des Polizeigesetzes „grundsätzlich oder möglicherweise nur vorübergehend und befristet bis zur Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage tragen können“ (BA S. 4), in einem Hauptsacheverfahren zu klären seien.
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Bei dieser Sachlage geht die erkennende Kammer davon aus, dass die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung steht. Für eine bereichsspezifische Regelung des hinreichend klar umrissenen und letztlich auch überschaubaren Sachverhalts der Dauerüberwachung rückfallgefährdeter (Sexual-)Straftäter zum Zwecke der Verhinderung erneuter Tatbegehung stand dem Gesetzgeber bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit zur Verfügung, ohne dass er bislang - soweit für das Gericht ersichtlich - ein Gesetzgebungsvorhaben initiiert hätte. Es ist dem Kläger auch angesichts der erheblichen Beschränkung seiner Freiheitsrechte nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zumutbar, wegen Untätigkeit des Gesetzgebers auch weiterhin signifikante Einbußen seiner Freiheitsrechte hinnehmen zu müssen. Das mag nicht ausschließen, dass die Überwachungsbedürftigkeit des Klägers nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung erneut zu prüfen sein mag. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch mangels zur Verfügung stehender Rechtsgrundlage keine Handhabe zur dauerhaften Observation dieses Personenkreises mehr.
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4. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf nach dem Vorstehenden die Frage, ob der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel auch deshalb gesperrt sein könnte, weil der Sachbereich „Gefahr durch rückfallgefährdete (Sexual-)Straftäter“ abschließend im Sechsten Titel des Dritten Abschnitts des Strafgesetzbuchs („Maßregeln der Besserung und Sicherung“) - namentlich in den Vorschriften über die Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) - geregelt ist. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg der Rückgriff auf das Polizeirecht des Landes schon kompetenziell nicht möglich. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit geklärt, dass der Kompetenztitel „Strafrecht“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weit zu verstehen ist und beispielsweise keine ergänzende Länderkompetenz im Bereich der Sicherungsverwahrung besteht (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10.02.2004 - 2 BvR 834/02 u.a. -, BVerfGE 109, 190 - nachträgliche Sicherungsverwahrung). Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG dürfen die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Gesetze nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Demnach sind landesrechtliche Regelungen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bundesgesetzliche Regelung dieses Sachbereichs abschließenden Charakter hat. Ob eine bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht, kann nur einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000 - 2 BvL 3/96 -, BVerfGE 102, 99 [114] - Landesabfallgesetz Nordrhein-Westfalen). Allerdings rechtfertigt der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von einer Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist (vgl. wiederum BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O.). Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/06 u.a. -, BVerfGE 98, 265 [300 f.] - Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz).
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Hat der Bund einen Sachbereich in Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder in diesem Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen zu widersprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O., S. 115). Die Länder sind nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine - abschließende - Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten; das Grundgesetz weist ihnen insbesondere nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers „nachzubessern“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998, a.a.O., S. 300).
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Im vorliegenden Fall könnte sich daher auch die Frage stellen, ob nicht die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (so ausdrücklich § 68 Abs. 1 StGB) jedenfalls bei demjenigen Personenkreis, bei dem Führungsaufsicht angeordnet ist oder kraft Gesetzes besteht, abschließend im Strafgesetzbuch (§§ 68 ff. StGB) geregelt ist, sodass den Ländern ein Zugriff auf diese Materie im Wege des allgemeinen oder besonderen Polizeirechts verwehrt wäre. Der vorrangige Zweck der Führungsaufsicht besteht - nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (vgl. hierzu und zum Folgenden wörtlich BT-Drs. 17/3403 S. 13 f.) - darin, durch Maßnahmen der Betreuung und Überwachung eine erneute Straffälligkeit der verurteilten Person nach Entlassung zu vermeiden. Dem staatlichen Auftrag, die Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern zu schützen, kommt dabei bei solchen Verurteilten besondere Bedeutung zu, bei denen die Gefahr besteht, dass sie erneut schwere Straftaten, insbesondere schwere Gewalt- oder Sexualdelikte, begehen werden. Dies kann nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (a.a.O., S. 13 und 14)
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„vor allem bei solchen Personen angenommen werden, die aufgrund der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Nr. 19359/04) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, obwohl bei ihnen weiterhin die Gefahr besteht, dass sie erhebliche Straftaten begehen werden, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. (…) Aufgrund dieser Entscheidung muss damit gerechnet werden, dass (…) als gefährlich eingestufte Täter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, bei denen die Sach- und Rechtslage gleichgelagert ist; solche Entlassungen sind auch schon erfolgt. Aber auch davon unabhängig hat die Führungsaufsicht mit verurteilten Personen zu tun, bei denen die Gefahr erneuter schwerer Straftaten, insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten, hoch ist, aber zum Beispiel die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach vollständiger Verbüßung der Haft aus Rechtsgründen ausscheidet. (…) Vor diesem Hintergrund und zur weiteren Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor schweren Wiederholungstaten verfolgt der Entwurf das Ziel, das zuletzt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513) erweiterte Instrumentarium der Führungsaufsicht weiter auszubauen. Daneben soll die Möglichkeit der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht ausgedehnt werden.“
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Die im Zusammenhang mit der längerfristigen Observation durch Polizeibeamte interessierende Frage der Gesetzgebungs- und Regelungskompetenz der Länder stellt sich nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2301 f.]) auch besonders deshalb, weil der Gesetzgeber die Weisung, die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB überführt hat und damit jedenfalls einen wichtigen Teilbereich der Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht geregelt hat. In diesem Zusammenhang hat er auch besondere Anforderungen an die Zulässigkeit dieser Weisung statuiert (§ 68b Abs. 1 Satz 3 StGB). Die Regelung eines gewichtigen Teils der Überwachung könnte dafür sprechen, dass der Personenkreis der der Führungsaufsicht unterstehenden rückfallgefährdeten (Sexual-)Straftäter, zu dem der Beklagte auch den Kläger rechnet, jedenfalls in Bezug auf die Dauermaßnahmen - für einmalige, situationsabhängige Maßnahmen, wie etwa die Gefährdetenansprache, wird ein Rückgriff auf das Polizeirecht möglich bleiben - (nur) den entsprechenden Regelungen des Strafgesetzbuchs unterworfen sein soll. Hierfür könnte - neben den prozeduralen Sicherungen (richterliche Entscheidung, regelmäßige Überprüfung, Befristung) - auch sprechen, dass als Zweck der so genannten elektronischen Fußfessel ausdrücklich genannt wird, den Täter im Sinne einer positiven und negativen Spezialprävention von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (BT-Drs. 17/3403 S. 17). Der Gesetzgeber erhofft sich von der Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB demzufolge auch, dass
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„die elektronische Überwachung auch eine enge polizeiliche Überwachung in Form einer fortwährenden unmittelbaren Begleitung des Betroffenen durch Polizeibeamte entbehrlich machen kann, wie sie derzeit zum Teil bei als gefährlich eingestuften Entlassenen praktiziert wird. Die mit dieser Begleitung zwangsläufig verbundene Stigmatisierung der verurteilten Person und ihr negativer Effekt auf deren Reintegration würden durch eine unauffällige, nach außen nicht erkennbare elektronische Überwachung vermieden“ (BT-Drs. 17/3403 S. 19).
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Diese Formulierung lässt Fragen offen. Sie könnte für eine Rest-Kompetenz der Länder ebenso sprechen wie für eine „Voll-Regelung“ im Bereich der Führungsaufsicht. Für die Personengruppe der „wegen rückwirkender Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung nicht länger in der Sicherungsverwahrung unterzubringender verurteilter Personen“ hat der Bundesgesetzgeber überdies - was als Abrundung der Frage der Gesetzgebungs- und damit auch Anordnungskompetenz nicht außer Betracht bleiben darf -, wiederum gestützt auf seine Annexkompetenz zum Kompetenztitel „Strafrecht“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BT-Drs. 17/3403 S. 20) - das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2305]) erlassen. Nach alledem könnten einige Gründe dafür sprechen, dass dem Land Baden-Württemberg für eine Observation des hier in Rede stehenden Personenkreises zu den hier maßgeblichen Zwecken eine Gesetzgebungskompetenz überhaupt nicht (mehr) zusteht. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg - selbstverständlich - auch der Rückgriff auf das Polizeirecht, gleich welcher Rechtsgrundlage, nicht eröffnet. Einer abschließenden Entscheidung bedarf dies freilich nicht. Denn selbst wenn eine „Reservekompetenz“ für eine präventiv-polizeiliche Regelung durch die Länder gegeben wäre, könnte die Observation des Klägers aus den oben genannten Gründen hierauf nicht mehr gestützt werden.
II.
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Selbst wenn die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - noch als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen sollte, wenn also die Beobachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber großzügiger zu bemessen wäre, als dies nach Auffassung der Kammer der Fall ist, stünde dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Denn eine hinreichende Gefahrenprognose des Beklagten liegt nicht vor (1.) und es sind auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter durch den Kläger sprechen könnten (2.).
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1. Eine auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Handlungsbefugnis setzt stets voraus, dass für das betroffene Schutzgut eine konkrete Gefahr besteht. Die insoweit zu treffende Prognoseentscheidung ist Sache der Polizei. Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für ein Schutzgut eintreten wird. Die Gefahrbeurteilung erfolgt aus der Perspektive ex-ante, wobei - insoweit ist die Generalklausel durch § 22 Abs. 6 PolG anzureichern - auf den Wissenshorizont eines sorgfältigen Behördenleiters der Polizeidirektion abzustellen ist. Maßgeblich für die Prognoseentscheidung ist also dessen Beurteilung zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Observation getroffen worden ist, hier der Zeitpunkt der 17. Verlängerung der Anordnung am 22.01.2013. Nicht jede Gefahr reicht als Voraussetzung für ein polizeiliches Tätigwerden aus. Die von der Generalklausel vorausgesetzte hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts liegt zwischen der Sicherheit und der nahezu, aber nicht völlig auszuschließenden Möglichkeit. Je größer der zu erwartende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit. Die Schadenswahrscheinlichkeit kann dabei vor allem auf der Ebene des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Rolle spielen. Für den vorliegenden Fall folgt hieraus dreierlei: Die von dem Beklagten behauptete und vom Kläger in Abrede gestellte konkrete Gefahr kann die Observation nur rechtfertigen, wenn sie in der Begehung von Straftaten gegen das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung besteht. Davon geht auch der Beklagte aus. In anderer Hinsicht nicht gegebenes Wohlverhalten des Klägers (z.B. Straftaten gegen das Eigentum, Ordnungswidrigkeiten, etc.) hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Im Hinblick auf die anzustellende Gefahrenprognose dürfen hingegen auch solche Umstände Berücksichtigung finden, wenn sie einen Bezug zu der „einschlägigen Gefahr“ haben, wenn etwa die emotionale Steuerungs- und Kontrollfähigkeit des Klägers nicht gegeben wäre und dies in seinem Verhalten (z.B. Körperverletzung gegenüber Polizeibeamten) sichtbar würde. Da es sich bei der sexuellen Selbstbestimmung etwaiger Opfer (bislang durchweg junge, aber volljährige Frauen) um höchste Rechtsgüter handelt, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen. In zeitlicher Hinsicht kann die Gefahrenprognose nur unbeanstandet bleiben, wenn sie zugrunde legt, dass die Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger gerade (auch) innerhalb des geregelten Zeitraums (hier vom 22.01.2013 bis zum 22.03.2013) besteht. Der Prognosehorizont von in der Sicherungsverwahrung - mit Blick auf § 67d Abs. 3 StGB - erstellten Gutachten (vgl. zu diesem Prognosemaßstab: Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 67d RdNr. 7; § 56 RdNrn. 15a ff.) ist dagegen ein anderer.
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Die vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg am 22.01.2013 getroffene Prognoseentscheidung rechtfertigt die Annahme einer vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten nicht. Sie ist bereits in ihrem rechtlichen Ansatz - da weiterhin ausschließlich auf § 22 PolG gestützt - fraglich, legt aber - vor allem - der Prognoseentscheidung Umstände zugrunde, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr berücksichtigungsfähig sind. In seinem Beschluss vom 08.11.2012 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
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„Die Gerichte durften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte haben ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 5. März 2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens haben die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück lag. (…) Zum anderen stand der Verwendung des Gutachtens vom 5. März 2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegen, dass die Begutachtung erfolgte, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befand. Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebt der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen.“
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Die Beteiligten sind an diesen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick sowohl auf dessen Rechtskraft als auch auf die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (vgl. nur Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. [2005], § 93c RdNrn. 13 ff.), können also - trotz mancher durch den Beschluss aufgeworfenen (und nicht beantworteten) Fragen - nicht geltend machen, die Entscheidung sei in ihren tragenden Erwägungen unrichtig und daher nicht zu beachten. Obwohl in dem genannten Beschluss die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnungen der Polizeidirektion Freiburg vom 05.09.2011, 11.07.2011, 18.05.2011, 21.03.2011, 28.01.2011, 02.12.2010, 03.11.2010, 07.10.2010 und vom 31.08.2010 - wenn auch ohne Begründung - zurückgewiesen wurde, steht mit dem genannten Beschluss doch fest, dass der Beklagte seine Prognoseentscheidung jedenfalls seither nicht mehr auf das Gutachten ... vom 05.03.2010 stützen darf. Denn wenn die Gerichte bei ihrer die Verwaltung kontrollierenden Tätigkeit das Gutachten „nicht maßgeblich“ zugrunde legen dürfen, kann für das beklagte Land nichts anderes gelten. Gleichwohl geht die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg weiterhin maßgeblich von dem Gutachten ... aus und begründet die ungünstige Rückfallprognose zudem mit einem weiteren (noch älteren) Gutachten (Anordnung vom 22.01.2013, S. 2). Die aufgrund dieser Gutachten angenommene Einschätzung als „Risikoproband mit herausragendem Gefährdungspotential“ (ebenda) wird in der 17. Verlängerung der Observationsanordnung gleichsam fortgeschrieben, indem davon ausgegangen wird, „Hinweise auf eine positive Änderung der Persönlichkeitsstruktur“ lägen nicht vor, was im Folgenden näher dargelegt wird. Damit wird der gebotene Prognosemaßstab verkannt: Nicht der Kläger muss das Gutachten ... und frühere Vorgutachten entkräften, mit anderen Worten seine Ungefährlichkeit dartun, sondern der Beklagte muss dessen Gefährlichkeit - unter Außerachtlassung der nicht mehr „maßgeblich“ verwertbaren Gutachten - begründen. Diesen rechtlichen Anforderungen genügt die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg vom 22.01.2013 - ungeachtet des Umstands, dass sie auch im Hinblick auf die einschneidende Wirkung der Observation für den Kläger auf ein Fehlverständnis hindeutet (S. 5) - nicht.
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Die in einem anderen Zusammenhang auf der Basis der VwV KURS erstellte Risikobewertung betreffend den Kläger vom 07.02.2013 ist ebenfalls ungeeignet, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die zu treffende Prognose-entscheidung Rechnung zu tragen. Darin wird zwar immerhin dargestellt, dass die noch in der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten keine Verwendung mehr finden dürfen (Risikobewertung vom 07.02.2013, S. 2). Hieraus wird aber nicht die gebotene rechtliche Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Gefährlichkeit des Klägers nunmehr nur mit neuen Anknüpfungstatsachen begründen lässt. Insofern werden zwar einige Umstände genannt, namentlich, dass sich der Kläger unkooperativ gegenüber den Polizeibeamten und der KURS-Koordinatorin verhält (ebenda, S. 6 und 7) und dass er gegenüber den Polizeibeamten seit einiger Zeit aggressiver und ablehnender auftritt (S. 8). Diese Umstände sind aber nicht geeignet, die konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu begründen. Der Kläger ist seit der Erledigung der Sicherungsverwahrung ein „freier Mann“, der die Weisungen der Führungsaufsicht einzuhalten hat und dessen Aufenthalt deshalb auf den Stadtkreis Freiburg und den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald beschränkt ist, der sich aber im Übrigen von Rechts wegen ebenso verhalten kann wie jeder andere freie Mensch. Der Kläger ist namentlich rechtlich nicht dazu verpflichtet, Kontakt zu der für ihn zuständigen KURS-Koordinatorin zu halten, nachdem diese Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht ausdrücklich aufgehoben worden ist. Auch seine Aktivitäten, insbesondere Fahrradtouren, muss er den observierenden Kräften nicht vorher ankündigen. Für das Gelingen der Observation muss er nicht Sorge tragen. Es mag sein, dass die Regeln des Anstands und der gegenseitigen Rücksichtnahme ein solches Verhalten wünschenswert erscheinen lassen. Eine Rechtspflicht des Klägers besteht aber nicht; sein Verhalten kann deshalb insoweit auch nicht zur Begründung einer konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten herhalten. Verstöße gegen die Weisungen der Führungsaufsicht hat der Beklagte selbst nicht behauptet; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Soweit der Kläger im März 2011 ein Messer zum Löwenzahnschneiden mit sich geführt hat und ein Jahr später ein Küchenmesser im Laden erworben hat, das er dem begleitenden Beamten sofort übergeben hat, mag darin zwar ein Verstoß gegen die gegenteilige Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht zu sehen sein. Allerdings hat schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 08.11.2011 (a.a.O., S. 10) mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass der Verstoß vom März 2011 nicht überbewertet werden darf. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass der zweite (formale) Verstoß zu einer Änderung der entsprechenden Weisung geführt hat, indem klargestellt wurde, dass der Kläger in seinem Wohnraum Küchenmesser besitzen darf. In beiden Fällen ist bezeichnenderweise seitens der Führungsaufsicht auch kein Strafantrag gestellt worden. Auch der Beklagte zieht diese Vorfälle nicht mehr zur Begründung der Gefährlichkeit des Klägers heran. Da somit weder die 17. Verlängerung der Anordnung der Observation vom 22.01.2013 noch die Risikobewertung des Landeskriminalamts vom 07.02.2013 hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straf-taten durch den Kläger beinhalten, können die dort getroffenen prognostischen Einschätzungen die Observation des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht rechtfertigen (vgl. auch zur Gewichtigkeit von Anknüpfungstatsachen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 7 ff.).
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2. Auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer sind keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straftaten durch den Kläger sprechen könnten. Die beiden von der Kammer vernommenen, für die Koordination der Observierung verantwortlichen Polizeibeamten ... und ... haben übereinstimmend berichtet, die observierenden Beamten hätten über die Gefährlichkeit des Klägers keine Erkenntnisse gewonnen. Die Zeugen ... und ... sind für die Koordination der Observation seit dem 18.11.2011 verantwortlich. Der vom Zeugen ... berichtete Vorfall, dass der Kläger ohne Ankündigung auf sein Fahrrad gestiegen und davon geradelt sei, mag für die mit der Observation betrauten Beamten misslich sein. Allerdings ist auch insoweit festzuhalten, dass der Kläger von Rechts wegen nicht gehalten ist, die Einsatzbereitschaft der Polizeibeamten abzuwarten oder sein Tempo gar an deren Fitnesszustand oder dem zur Verfügung stehenden Fahrradmaterial zu orientieren. Verbale Entgleisungen und aggressive Sprachmuster wären für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen. Der Zeuge ... hat insofern aber auch ausgesagt, er habe keinerlei Rückmeldungen über verbale Entgleisungen des Klägers erhalten. Es habe auch keine Erkenntnisse über ein Interesse des Klägers an jüngeren Frauen oder sonstiges Tatverhalten gegeben, wie dieser es in der Vergangenheit gezeigt habe. Der Zeuge ... hat diese Aussage auch für die jüngere Zeit (ab September 2012) bestätigt und - in der Sache selbstverständlich zutreffend - hinzugefügt, dass bei der Observation so gearbeitet werde, dass gefährliche Situationen gerade vermieden würden. Der Umstand, dass dem Kläger zurechenbare gefährliche Situationen für Dritte durch die Observation bislang vermieden wurden, kann aber - wiederum selbstverständlich - nicht als Argument dafür dienen, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen.
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Die erkennende Kammer ist aufgrund der Beweiserhebung auch zu der Auffassung gelangt, dass die gegen eine Gefährlichkeit des - insoweit freilich nicht materiell beweisbelasteten - Klägers sprechenden Umstände durchaus erheblich sind. Der Kläger hat - auf Anregung von Hausarzt und Bewährungshelfer - im Dezember 2010 freiwillig eine psychotherapeutische Behandlung begonnen und nimmt die in der Regel im Wochenabstand stattfindenden Termine regelmäßig und pünktlich wahr. Sein in der mündlichen Verhandlung als sachverständiger Zeuge vernommener Psychotherapeut, Dipl.-Psych. ..., hat - für die erkennende Kammer gut nachvollziehbar - Fortschritte in der Behandlung und Entwicklung geschildert und die Observation auch und gerade für den Erfolg der Psychotherapie als eher ungünstig wirkenden Umstand beschrieben. Für die erkennende Kammer insbesondere schlüssig und nachvollziehbar war die vom sachverständigen Zeugen herausgearbeitete Differenzierung zwischen sozialer Kompetenz und Gefährlichkeit des Klägers. In der Tat mag - so auch der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung - der Kläger manchmal schroff und unwirsch wirken; auch mag es sein, dass er gegenüber labilen Persönlichkeiten aufgrund seiner zweifellos gut ausgeprägten Intelligenz eine gewisse Dominanz entfalten kann. Diese Haltung mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Kläger zwar einerseits schwere Straftaten begangen hat, er aber andererseits auch zehn Jahre zu Unrecht in Sicherungsverwahrung verbracht hat. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass beim Kläger sich (auch) eine gewisse Opferhaltung entwickelt hat, die ihn zuweilen - auch im Umgang mit den Polizeibeamten - strikt, verletzend, schroff und ablehnend erscheinen lässt und die im Hinblick auf die (Re-) Integration des Klägers in die Zivilgesellschaft Probleme mit sich bringen könnte. Auch am Frauenbild des Klägers sei - so sein Psychotherapeut - noch zu arbeiten. Das Nähe-/Distanzverhältnis sei entwicklungsbedürftig, und es sei auch noch Entwicklungspotenzial hinsichtlich des Umstands notwendig, dass die Grenzen auch die Frau mitbestimme. Dies hat der sachverständige Zeuge ..., der gerade diese Themen mit dem Kläger im Rahmen der Psychotherapie bearbeitet, für die Kammer nachvollziehbar dargelegt. Er hat aber auch - und vor allem - ausgesagt, er habe im Laufe der Behandlung nie den Eindruck gehabt, der Kläger könne wieder gefährlich werden. Die Gefahr von Grenzverletzungen gegenüber Frauen sah der sachverständige Zeuge nicht als besonders ausgeprägt an, er sehe eher Tapsigkeiten und Ungeschicklichkeiten gegenüber Frauen im Vordergrund. Diese - für einen behandelnden Psychotherapeuten keineswegs selbstverständliche - differenzierte Beurteilung des Klägers lässt den Schluss auf eine konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger nicht zu, spricht im Gegenteil eher dafür, dass der Kläger bei - derzeit u.a. auch observationsbedingt nicht gegebenen - günstigeren Rahmenbedingungen (eigene Wohnung, Arbeitsplatz) auf einem guten Weg ist, einerseits ein angemessenes Verhältnis zu seinen Straftaten zu finden und andererseits möglicherweise bestehende Schwächen in seiner Persönlichkeitsstruktur zu verringern. Sowohl der Zeuge ... wie der sachverständige Zeuge ... haben im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Observation des Klägers dessen derzeitige Lebenssituation sehr in den Vordergrund rücke. Dieser Umstand mache es tendenziell eher schwieriger, die Straftaten und deren Einschätzung durch den Kläger angemessen aufzuarbeiten.
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Der Zeuge ... hat die Einschätzung des sachverständigen Zeugen ... zur - seiner Meinung nach nicht gegebenen - Gefährlichkeit des Klägers bestätigt und sehr klar dargelegt, dass er das Risiko der Begehung von weiteren Sexualstraftaten durch den Kläger als nicht hoch einschätzen würde, er sogar bei einer Besprechung gesagt habe, er würde die Verantwortung für die Beendigung der Observation des Klägers übernehmen. Dazu stehe er immer noch. Der Kläger könne heute einen angemessenen Umgang mit Frauen entwickeln, und auch die Fähigkeit, Mitgefühl zu entwickeln, sei beim Kläger ausgeprägt vorhanden. Wichtig sei vor allem, Arbeit und eine Wohnung für ihn zu finden. Der Zeuge ... und der sachverständige Zeuge ... sind von allen von der erkennenden Kammer gehörten Vernehmungspersonen diejenigen, die den engsten Kontakt zum Kläger haben und - nicht zuletzt aufgrund ihres professionellen Hintergrunds - auch hinreichend kritisch gegenüber bloßen Besserungs- und Wohlverhaltensversprechen sind. Da auch diese beiden Vernehmungspersonen keinerlei Anhaltspunkte für die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu benennen vermochten, kann von einer solchen nicht ausgegangen werden.
57 
Die Kammer fühlt sich in dieser Annahme bestärkt durch einige Aussagen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Zunächst ist der Kläger einer Frage des Vorsitzenden zu seinen Straftaten ausgewichen. Erst auf Nachfrage hat er sich um eine Antwort bemüht. Diese fiel keineswegs glatt und bestimmt aus. Im Gegenteil hat der Kläger - zuvor noch etwas aufgebracht argumentierend, auf einmal eher ruhig und nachdenklich - ausgesagt, er habe sich mit seinen Taten auseinander gesetzt. Er habe im Vollzug selbst um eine Therapie gebeten und sei „auf dem Hohenasperg“ jahrelang behandelt worden. Er wisse, dass seine Taten falsch gewesen seien, sie seien - insoweit wiederholte er die Fragestellung des Gerichts - ein Tiefpunkt seines Lebens. Die Umstände, dass sein Sohn damals klein gewesen sei und dies möglicherweise die Ehe belastet habe und dass er seine Arbeit verloren habe, könnten keine Ausrede für die Straftaten sein. Er bereue seine Taten und habe auch versucht, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Wenngleich sich in seiner Aussage auch distanzierende Formulierungen fanden - wie etwa das Wort „man“ („natürlich bereut man das“) -, hat das Gericht doch den Eindruck gewonnen, dass der Kläger ein akzeptables Verhältnis zu seinen Straftaten entwickelt hat. Überzeugend wirkte auf die Kammer auch, dass der Kläger seine Rückfallgefahr keineswegs absolut verneint, sondern - wiederum eher nachdenklich und reflektiert - ausgeführt hat, er glaube nicht, dass er heute so etwas noch einmal tun könne. Dagegen spreche sein Alter, seine Weiterbildung und die Schule während des Vollzugs und seine sonst gewonnenen Erkenntnisse. Auch seine Triebhaftigkeit habe nachgelassen. Er habe viele Enttäuschungen und Niederlagen erlitten und gelernt, sich durch Schreiben zu wehren, nicht durch Rache an Schwächeren. Seine völlige Ungefährlichkeit hat der Kläger, der im Übrigen auch den „Vorfall“ an der katholischen Fachhochschule nachvollziehbar erklären konnte, damit zwar weder behauptet noch bewiesen; er muss diesen - im Grunde nicht möglichen - Nachweis aber von Rechts wegen auch nicht führen.
58 
Bei dieser Sachlage, in der sich einerseits aus der Gefährlichkeitsprognose des Beklagten keinerlei Anknüpfungstatsachen für eine Gefährlichkeit des Klägers ergeben haben und andererseits die mündliche Verhandlung nicht ansatzweise einen Hinweis auf die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger erbracht hat, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch das erkennende Gericht - ungeachtet der hiermit verbundenen (erheblichen) rechtlichen Unklarheiten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.2003 - 1 BvR 2222/01 -, BVerfG(K) 1, 167; BGH, Beschluss vom 17.02.2010 - XII ZB 68/09 -, BGHZ 184, 269) - nicht in Betracht. Obwohl das beklagte Land insoweit für sich die rechtliche Kompetenz in Anspruch nimmt, den Kläger auch zwangsweise - auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel - zu einer psychiatrischen Begutachtung verpflichten zu können (dies erwägend auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 11; dagegen Greve/Lucius, a.a.O., S. 105), hat es selbst bislang offenbar keinen Anlass gesehen, von dieser - rechtlich zweifelhaften - Möglichkeit Gebrauch zu machen.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keinen Anlass, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Auch für eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Ausspruchs in der Hauptsache ist kein Raum (vgl. statt vieler: Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 167 RdNr. 21 m.w.N.).
60 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache). Die Kammer hält die Klärung der mit dem prinzipiellen Bestehen einer Ermächtigungsgrundlage für die dauerhafte Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter verbundenen Rechtsfragen für rechtlich grundsätzlich bedeutsam.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,

1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,

1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. November 2015 wird der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist der Hauptbegründer und einziger Vorstand des eingetragenen Vereins „... e.V.“ mit Sitz in M., der u. a. Sport- und Ferienreisen für Kinder und Jugendliche veranstaltet und Sportunterricht anbietet. Die Reisen leitet ausweislich des Internet-Auftritts des Vereins „... e.V.“ seit 1994 alle der Antragsteller „als Hauptbegründer und 1. Vorstand des Vereins“. Weiter ist der Antragsteller im Gewerberegister der Antragsgegnerin mit den Gewerben „Durchführung von Reiseveranstaltungen“, „Organisation von Reiseveranstaltungen“ und „Erteilung von Sportunterricht“ gemeldet. In einem dem Antragsteller (privat) gehörenden Haus in B. am Plattensee in Ungarn werden Feriencamps des Vereins „... e.V.“ für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren durchgeführt. Für diese Veranstaltungen tritt der Antragsteller nach eigenem Vorbringen als selbstständiger Reiseveranstalter auf, der die Ferienaufenthalte für den Verein durchführt und dem Verein dafür seine Kosten sowie den Arbeitsaufwand pauschal in Rechnung stellt. Den Sportunterricht in Form von Karatetraining führt der Antragsteller nach eigenen Angaben in der von ihm gewerblich betriebenen Sportschule „Karate ...“ durch, wobei jeder angemeldete Teilnehmer zusätzlich Vereinsmitglied beim Verein „... e.V.“ wird und der Antragsteller von den Kursgebühren die darin enthaltenen Mitgliedsbeiträge an den Verein abführt.

Aufgrund des Verdachts fortgesetzter sexueller Übergriffe während eines Freizeitcamps am Plattensee in Ungarn in der Zeit vom 1. bis zum 10. August 2014 wird gegen den Antragsteller ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren (Az.: ... Js ...) wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB geführt. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens fand beim Amtsgericht M. eine ermittlungsrichterliche Vernehmung der beiden Anzeigenerstatter und Geschädigten als Zeugen statt. Die Antragsgegnerin wurde über diese Ermittlungen der Staatsanwaltschaft informiert.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2015 verfügte die Antragsgegnerin ein Kontaktverbot, mit dem dem Antragsteller bis zum Abschluss des Ermittlungs-/Strafverfahrens wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern untersagt wird, Kontakt mit Kindern aufzunehmen; insbesondere dürfe er sich nicht mit ihnen ohne Anwesenheit der Erziehungsberechtigten in seiner Wohnung, in anderen Räumen, Fahrzeugen, Schwimmbädern, Kinos oder an abgelegenen Orten aufhalten. Im Besonderen sei ihm die Durchführung und Planung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, untersagt (Nr. 1.). Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde angeordnet (Nr. 2.) und ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- Euro für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Kontaktverbot angedroht (Nr. 3.).

Dagegen erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts am 22. Mai 2015 Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2015 aufzuheben. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Mit Beschluss vom 18. November 2015 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2015 wiederhergestellt bzw. im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung angeordnet. Der angefochtene Bescheid erweise sich voraussichtlich als rechtswidrig. Soweit dem Antragsteller darin ausdrücklich auch die Durchführung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, verboten werde, sei die Anordnung schon wegen Heranziehung der falschen Rechtsgrundlage rechtswidrig. Insoweit sei die maßgebliche Rechtsgrundlage § 35 GewO, der gegenüber der herangezogenen Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG die spezielle gewerberechtliche Eingriffsnorm darstelle. Ein Austausch der falschen Rechtsgrundlage sei hier schon deswegen nicht möglich, da es sich bei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG um eine Ermessensentscheidung, bei § 35 GewO dagegen um eine gebundene Entscheidung handle. Der Sache nach werde hier eine Teiluntersagung des vom Antragsteller im Gewerberegister angemeldeten Gewerbes „Erteilung von Sportunterricht“ (hier: als Trainer im Karate ...) und „Organisation von Reiseveranstaltungen“ (hier: Organisation und Durchführung von Ferienveranstaltungen in B. in Ungarn) verfügt. § 35 GewO ermögliche auch eine derartige Teiluntersagung. Der Einwand der Antragsgegnerin, die Tätigkeit des Antragstellers sei nicht gewerberechtlich, sondern rein vereinsrechtlich zu qualifizieren, gehe fehl. Denn das Abrechnungsmodell zwischen dem Verein und dem Antragsteller belege, dass der Antragsteller bei der Organisation der Feriencamps gegenüber dem Verein als gewerblicher Leistungserbringer fungiere. Ebenso verhalte es sich mit dem Karatetraining des Antragstellers in der von ihm betriebenen Karateschule. Eine Maßnahme nach § 35 GewO setze im Übrigen nicht zwingend eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung voraus. Soweit dem Antragsteller mit der streitbefangenen Anordnung auch eine Kontaktaufnahme mit Kindern im privaten Bereich verboten werde, sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG als zutreffende Rechtsgrundlage herangezogen worden. Nach Auffassung des Gerichts bedeute die Verfügung des Kontaktverbots zu Kindern eine durchaus erhebliche Einschränkung der grundrechtlichen Freiheit des Antragstellers, die wohl nicht mehr auf die sicherheitsrechtliche Generalklausel gestützt werden könne, sondern einer Spezialbefugnis bedürfe. Jedenfalls vor dem Hintergrund des hohen Ranges des Schutzes von Kindern vor sexuellem Missbrauch könne aber die Generalklausel während einer Übergangszeit bis zu einer Regelung der Thematik durch den Landesgesetzgeber als (tragfähige) Grundlage herangezogen werden. Allerdings genüge die durch die Antragsgegnerin angestellte Gefahrenprognose nicht den an sie zu stellenden Anforderungen. Zwar habe das Gericht nach dem Studium der Ermittlungsakten keinen Anlass, die Ordnungsgemäßheit der Befragungen der Zeugen durch die zuständigen Strafverfolgungsorgane oder deren Einschätzung von der Glaubwürdigkeit der beiden Kinder und ihres Vortrags in Zweifel zu ziehen. Vorläufig habe deshalb bei der sicherheitsrechtlichen Prognose von einem relevanten Verdacht eines Vergehens des Antragstellers nach § 176 StGB im Rahmen des Ferienlagers 2014 ausgegangen werden können. Diese Vorfälle genügten jedoch nicht, um hier die erforderliche, hinreichend fundierte Wiederholungsgefahr annehmen zu können. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass auf derartige Vorfälle in der Regel weitere folgen würden. Die von der Antragsgegnerin angenommene Wiederholungsgefahr habe nicht ohne fachgutachterliche Hilfe festgestellt werden können. Insoweit sei vielmehr eine individuelle fachgutachterliche Abklärung beim Antragsteller erforderlich.

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragsgegnerin im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid werde um folgende Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO ergänzt: Mittlerweile seien zwei weitere Vorfälle gemeldet worden, die Anlass für polizeiliche Ermittlungen gegen den Antragsteller wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs gäben. So habe ein Teilnehmer des Feriencamps vom 30. August bis zum 6. September 2015 in Ungarn über ein Fehlverhalten des Antragstellers, der einem anderen teilnehmenden Jungen das Knie gestreichelt und die Hand gehalten habe, berichtet. Auch eine an einer Fahrt teilnehmende Studentin der Fachakademie für Sozialpädagogik habe angegeben, dass sie beobachtet habe, wie sich der Antragsteller in das Bett eines Kindes gelegt und es unter der Decke wohl gekitzelt habe. Aufgrund dieser neuerlichen Vorfälle habe das zuständige Referat der Antragsgegnerin als Sachaufwandsträgerin und Eigentümerin der Schulanlage mit Bescheid vom 14. Dezember 2015 ein Hausverbot gegenüber dem Antragsteller für die gesamte Schulanlage, in der er seinen Karateunterricht durchführe, ausgesprochen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Prognose bezüglich der Wiederholungsgefahr beim Antragsteller tragfähig. So habe sich die Antragsgegnerin für ihre Prognose auf die bis dahin gesammelten Erfahrungen, die öffentlich zugänglichen Informationen von Behörden und privaten Stellen, die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen sowie die wissenschaftlichen Abhandlungen gestützt, auch wenn diese nicht explizit im Bescheid aufgeführt worden seien. Im Übrigen sei die Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen höchstrichterlich ausdrücklich anerkannt. Insoweit beziehe sich die Antragsgegnerin nunmehr ausdrücklich auf die Erkenntnisse des Prof. Dr. B. der Charité der H.-Universität zu Berlin zur Rückfallgefahr von Tätern mit einer pädophilen Präferenzstörung. Das Verwaltungsgericht verkenne auch, dass das verfügte Kontaktverbot den privaten Bereich des Antragstellers, den Bereich als Vereinsvorstand und schließlich wohl auch denjenigen als Gewerbetreibender betreffe. Die Antragsgegnerin gehe nach wie vor davon aus, dass der Antragsteller hinsichtlich der Reiseveranstaltungen und des Karateunterrichts einzig in seiner Funktion als (alleiniger) Vereinsvorstand in Erscheinung getreten sei. Allenfalls ergänzend für einen kleinen Teilbereich könne das Gewerbe „Durchführung von Reiseveranstaltungen“ und „Erteilung von Sportunterricht“ betroffen sein. Das Gewerbe „Organisation von Reiseveranstaltungen“ sei vom Kontaktverbot dagegen ohnehin nicht betroffen gewesen. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses habe die Antragsgegnerin eine Gewerbeuntersagung nicht in Betracht gezogen, da wegen des Auftretens des Antragstellers als Vereinsvorstand hinsichtlich der Reisen und des Karateunterrichts eine gewerbliche Tätigkeit auch nicht auf der Hand gelegen habe. Die Vereinstätigkeit habe bei ihm immer im Vordergrund gestanden. Die Gewerbetätigkeit habe dagegen allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt und sei von der Vereinstätigkeit überlagert. § 35 GewO sei jedenfalls als Rechtsgrundlage für ein Verbot der Vereinstätigkeit nicht geeignet. Da der Antragssteller wegen des ihm zur Last gelegten Tatvorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht rechtskräftig verurteilt sei und sich die Antragsgegnerin für ihren Bescheid auch nicht auf dem Beweis zugängliche eingetretene Tatsachen stützen habe können, sei eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO auch gar nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei entgegen der vom Verwaltungsgericht geäußerten Auffassung ein Austausch der falschen Rechtsgrundlage hier nicht von vornherein unmöglich. Eine Grenze des Nachschiebens von Gründen sei nur dort gegeben, wo durch die zusätzlichen Begründungsteile der Verwaltungsakt in seinem Wesen verändert werde. Letzteres sei bei der Umwandlung einer Ermessensentscheidung in eine gebundene Entscheidung gerade nicht der Fall. Gleichwohl sei der Austausch der Rechtsgrundlage hier nicht angezeigt, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Vereinstätigkeiten habe untersagen wollen und müssen. Dafür sei allein Art. 7 Abs. 2 LStVG die richtige und geeignete Rechtsgrundlage. Auch wenn aufgrund der Überschneidung von Gewerbe- und Vereinstätigkeit das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG des Antragsgegners betroffen wäre, sei ein Kontaktverbot auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 LStVG zulässig. Das angeordnete Kontaktverbot sei zeitlich begrenzt und betreffe die Durchführung von Reiseveranstaltungen und das Erteilen von Sportunterricht nur mit Kindern. Somit handle es sich lediglich um eine Berufsausübungsregelung, die zulässig sei, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls diese als zweckmäßig erscheinen ließen. Der Schutz überragender Rechtsgüter wie der körperlichen Unversehrtheit und der Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch überwiege letztlich deutlich gegenüber dem relativ geringfügigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers. Unzutreffend sei auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose sei nicht tragfähig. Die zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses durch die Polizei und eigene Recherchen erlangten Kenntnisse über die Konstruktion der vereinsbezogenen Tätigkeit des Antragstellers, die in dessen Privathaus durchgeführten Ferienfahrten des Vereins, den angezeigten sexuellen Übergriff auf zwei damals 13-jährige Jungen und das anschließende Verhalten des Antragstellers (intensiver Kontakt zu den beiden Jungen auch nach der Ferienfahrt) ließe klare einschlägige Täterstrategien wie langfristige Planung des Missbrauchs, sexualisierte Annäherung sowie langfristige Aufrechterhaltung des Zugriffs auf das Kind erkennen. Sexualdelikte seien regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und könnten deshalb die Gefahr der Wiederholung auch bei erstmaliger Begehung mit sich bringen. In Anbetracht der schwerwiegenden Folgen für kindliche Missbrauchsopfer und des erkennbaren Vorgehens des Antragstellers nach bekanntem Täterschema habe das Vorkommnis vom August 2014 auch ohne Beiziehung einer fachgutachterlichen Stellungnahme ausgereicht, um die Prognose über eine konkrete Wiederholungsgefahr eines solchen Sexualdelikts anzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 18. November 2015 den Eilantrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO abzulehnen.

Der Antragsteller tritt der Beschwerde unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses entgegen. Die vermeintlich neuen Erkenntnisse der Antragsgegnerin seien im Übrigen nicht Gegenstand eines Straftatbestandes und könnten daher nicht als weitere Vorfälle herangezogen werden. Er greife die verleumderischen Methoden der Antragsgegnerin an, die ihm jeweils Unwahrheiten unterstelle. Der angefochtene Verwaltungsakt sei ein unzulässiger Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt, aber auf die Abgabe einer eigenen Stellungnahme verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung der mit der Beschwerde angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung. Aus den in der Beschwerde dargelegten Gründen ergibt sich, dass die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers zu treffende Abwägungsentscheidung zu einem anderen Ergebnis und zur Ablehnung des Eilantrags hätte führen müssen.

Der vom Antragsteller angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2015 erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung bezüglich des in Nr. 1. verfügten Kontaktverbots mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig, soweit damit eine Kontaktaufnahme mit Kindern im privaten Bereich sowie im Rahmen der Vereinstätigkeit des Antragstellers beim Verein „... e.V.“ untersagt wird (1.). Soweit das angefochtene Kontaktverbot darüber hinaus materiell (auch) eine gewerberechtliche Regelung im Sinne der vom Verwaltungsgericht angenommenen Teilgewerbeuntersagung (s. § 35 GewO) enthalten sollte (2.1.), lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines solchen Verbots dagegen nicht eindeutig beantworten (2.2.). Die danach erforderliche Interessenabwägung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen diese Verfügung insgesamt nicht wiederhergestellt werden kann, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Kontaktverbots das private, aber auch berufliche Suspensivinteresse des Antragstellers letztlich deutlich überwiegt (3.).

1. Soweit sich das streitbefangene Kontaktverbot mit Kindern auf den privaten Bereich des Antragstellers und vor allem dessen Vereinstätigkeit beim Verein „... e.V.“ als Veranstalter und Leiter von Feriencamps und Sportunterricht für Kinder bezieht (zur Teilbarkeit eines Verwaltungsaktes vgl. allgemein Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 17 und Schmidt, a. a. O., § 113 Rn. 9), bestehen bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken des Senats. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG ist - jedenfalls insoweit - eine tragfähige gesetzliche Ermächtigung für das erlassene Kontaktverbot (1.1.). Die Antragsgegnerin hat die Tatbestandsvoraussetzungen dieser sicherheitsrechtlichen Befugnisnorm auch zu Recht als gegeben angesehen und dabei insbesondere eine rechtlich nicht zu beanstandende Gefahrenprognose hinsichtlich einer beim Antragsteller anzunehmenden Wiederholungsgefahr angestellt (1.2.).

1.1. Die allerdings nicht entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob die polizeiliche Generalklausel eine tragfähige Rechtsgrundlage für die Dauerobservation eines aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen bzw. eines mehrfach wegen sexueller Gewaltdelikte vorbestraften Mannes darstellt (vgl. BVerfG, B. v. 8.11.2012 - 1 BvR 22/12 - juris; BVerwG, B. v. 13.1.2014 - 6 B 59.13 - juris), bedürfe das Kontaktverbot zu Kindern als erhebliche Einschränkung der grundrechtlichen Freiheit des Antragstellers einer Spezialbefugnis und könne demgemäß nicht auf die sicherheitsrechtliche Generalklausel gestützt werden, vermag der Senat aus den nachfolgenden Gründen nicht zu teilen:

In beiden zitierten Entscheidungen ist nicht abschließend entschieden worden, dass die polizeiliche Generalklausel als Rechtsgrundlage für die dort streitbefangene Dauerbeobachtung nicht in Betracht komme. Dass es in anderen Bundesländern polizeirechtliche Sonderregelungen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt und in diesem Rahmen Standardermächtigungen auch für Näherungs- und Kontaktverbote gibt (vgl. dazu Guckelberger/Gard, NJW 2014, 2822), ist ebenfalls kein durchgreifendes Argument gegen die Anwendung der Generalklausel in Bayern. Vor allem ist aber bezüglich der Beeinträchtigung der Grundrechte eine dauerhafte lückenlose Präsenz der den Betroffenen außerhalb seines Zimmers überwachenden Polizisten (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 23 ff.) nicht vergleichbar oder gar gleichzusetzen mit dem hier angefochtenen zeitlich begrenzten Kontaktverbot mit Kindern. Schließlich liegt der sicherheitsbehördlichen Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 LStVG im Gegensatz zur polizeirechtlichen Befugnisgeneralklausel (s. Art. 11 Abs. 1 PAG) immer noch das landesrechtliche überkommene Prinzip der Spezialermächtigung (abschließende Aufzählung: „... nur treffen, um ...“) zugrunde (vgl. Gallwas/Lindner in Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 304 ff. und 358 ff.; Kraft in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG -, Kommentar, Stand: September 2015, vor Art. 6, Rn. 3), so dass sich angesichts der gegenüber der Generalbefugnis des Polizeirechts eingeschränkter normierten Tatbestandsvoraussetzungen die vom Verwaltungsgericht geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich einer (erforderlichen) hinreichend differenzierten Rechtsgrundlage (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 25) auch systematisch nicht ohne weiteres übertragen lassen (zur sicherheitsrechtlichen Generalklausel und dem grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalt vgl. auch Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 7 Rn. 8 ff.).

Soweit ersichtlich wird demgemäß in der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur ein Kontaktverbot auch auf der Grundlage der polizeilichen Befugnisgeneralklausel für zulässig angesehen (vgl. z. B. VG München, B. v. 20.7.2007 - M 7 S 07.2792 - BeckRS 2007, 36564; Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2014, Art. 11 Rn. 204; Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, Handkommentar, 20. Aufl. 2010, Art. 16 Rn. 6; zu einem auf die allgemeine Befugnis für die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden nach § 11 HSOG gestützten Kontakt- und Annäherungsverbot vgl. auch HessVGH, B. v. 30.9.2011 - 8 B 1329/11 - BeckRS 2011, 56078).

1.2. Die Antragsgegnerin hat die Tatbestandsvoraussetzungen der hier anwendbaren sicherheitsrechtlichen Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG auch zu Recht als gegeben angesehen. Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes (hier: § 176 StGB - Sexueller Missbrauch von Kindern) verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Nr. 1.) oder Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen (Nr. 3.). Nach § 176 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt. Die zu verhütende Straftat muss aber konkret drohen. Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund objektiver Tatsachen oder bestimmter Verhaltensweisen mit dem Eintritt des Schadens für die geschützten Rechtsgüter in dem konkreten Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden muss; bloße Vermutungen reichen dafür nicht. Allerdings gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B. v. 17.9.2015 - 10 CS 15.1435, 10 C 1510 C 15.1434 - juris Rn. 21). Geht es um den Schutz hochrangiger Rechtsgüter, wie etwa auch die Gesundheit von Menschen, dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, dass die Möglichkeit von Schäden an diesen Rechtsgütern realistischerweise nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. etwa BVerwG, U. v. 31.5.2012 - 3 A 1.11 - juris Rn. 31).

Gemessen daran ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin, angesichts des vom Antragsteller gezeigten Verhaltens sei auch künftig zu erwarten, dass er sich Kindern zum Zwecke der Befriedigung seiner pädophilen Veranlagung und des sexuellen Missbrauchs nähern und erneut sexuelle Handlungen an Kindern vornehmen werde, rechtlich nicht zu beanstanden. Die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Lebenserfahrung stützende Prognose (Gefahreinschätzung bzw. -beurteilung) ist vom Gericht in vollem Umfang nachzuvollziehen und auch hinsichtlich des darin enthaltenen Wahrscheinlichkeitsurteils nicht nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle zugänglich (st. Rspr.; vgl. BayVGH, U. v. 26.11.2014 - 10 B 14.1235 - juris Rn. 25 m. w. N.). Schon deshalb ist der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf § 114 Satz 2 VwGO und die Voraussetzungen der Ergänzung einer Ermessensentscheidung für das (nachträgliche) Heranziehen der Erkenntnisse des Prof. B. zur Rückfallgefahr bei Sexualstraftätern durch die Antragsgegnerin systematisch unzutreffend.

Im Zeitpunkt der Entscheidung der Antragsgegnerin lagen aber bereits Tatsachen vor, die die von der Antragsgegnerin getroffene Gefahrenprognose und die Annahme einer Wiederholungsgefahr beim Antragsteller hinreichend stützen. Das Verwaltungsgericht ist offensichtlich selbst davon ausgegangen, dass sich die vom Antragsteller bestrittenen Vorkommnisse (sexuelle Handlungen an den beiden Kindern im Rahmen des Feriencamps im Sommer 2014 in Ungarn) so abgespielt haben, wie es von den beiden Jungen bei ihren mehrfachen Vernehmungen nachvollziehbar und glaubhaft geschildert worden ist. Demgemäß hat das Verwaltungsgericht auch keinen Grund gesehen, von der Bewertung der Strafverfolgungsbehörden, dass beim Antragsteller ein hinreichender Tatverdacht eines Vergehens nach § 176 Abs. 1 StGB vorliege, im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose abzuweichen. Wenn das Verwaltungsgericht aber gleichwohl annimmt, diese Vorfälle genügten nicht für eine hinreichend fundierte Prognose der Wiederholungsgefahr beim Antragsteller, eine solche Prognose könne weder von der Antragsgegnerin noch vom Gericht ohne fachgutachterliche Hilfe geleistet werden, stellt es an diese Prognose zu strenge Anforderungen.

Grundsätzlich bewegen sich die Sicherheitsbehörde und das Gericht bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr mit ihrer tatsächlichen Würdigung der konkreten Umstände des Falles regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die (auch) dem Richter allgemein zugänglich sind; der Heranziehung eines Sachverständigen bedarf es danach nur ausnahmsweise (vgl. BVerwG, B. v. 25.7.1990 - 1 B 112/90 - juris Rn. 8; B. v. 11.9.2015 - 1 B 39/15 - juris Rn. 12). Ein Sachverständigengutachten könnte im Übrigen die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters auch nicht ersetzen, sondern hierfür nur eine Hilfestellung bieten und daher bezüglich der Wiederholungsgefahr als geeignetes Beweismittel zur Unterstützung der letztlich maßgeblichen richterlichen Überzeugungsbildung über das Bestehen einer Wiederholungsgefahr in Betracht kommen (BVerwG, B. v. 13.3.2009 - 1 B 20.08 u. a. - juris Rn. 5; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 35).

Die Antragsgegnerin hat für die von ihr angestellte Prognose im Wesentlichen folgende Erkenntnisse und Anknüpfungstatsachen herangezogen: die Werbung des Vereins für die Ferienfahrten nach Ungarn gerade auch für zurückhaltende Kinder, die Konstruktion der Planung und Durchführung dieser Fahrten durch den Antragsteller als alleinigem Vorstand des Vereins, der die Fahrten in sein Haus in Ungarn persönlich plant und durchführt und dabei weder vereinsintern noch sonst irgendeiner Kontrolle unterliegt, die angezeigten sexuellen Übergriffe auf zwei damals 13-jährige Jungen im August 2014 während des Feriencamps in Ungarn, das Verhalten des Antragstellers und dessen enger Kontakt zu den beiden Jungen auch nach Ende der Ferienfahrt und sogar nach deren Umzug nach Österreich. Daraus und aus allgemein zugänglichen Quellen (auch Veröffentlichungen im Internet) hat die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise beim Antragsteller einschlägige Täterstrategien wie langfristige Planung des Missbrauchs, das Suchen und Schaffen von Voraussetzungen für sexuellen Missbrauch, die sexualisierte Annäherung sowie eine langfristige Aufrechterhaltung des Zugriffs auf das Kind erkannt. Ebenso wenig zu beanstanden ist die weitere Annahme der Antragsgegnerin, dass Sexualdelikte regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt seien und deshalb die Gefahr der Wiederholung auch bei erstmaliger Begehung mit sich brächten. Zuzustimmen ist dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang lediglich insoweit, dass die Einordnung des Antragstellers in bestimmte Kategorien sexueller Orientierung insoweit nachrangig und nicht erheblich ist.

Gründe oder besondere Umstände, aufgrund derer die Gefahrenprognose gleichwohl nicht ohne spezielle, der Antragsgegnerin und dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnissen erstellt werden könnte, hat das Verwaltungsgericht weder genannt noch sind sie hier sonst ersichtlich.

Bei der anzustellenden Gefahrenprognose ist zudem ganz entscheidend, dass angesichts der besonders schwerwiegenden und langfristigen Folgen für kindliche Missbrauchsopfer keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schadenseintritts gestellt werden dürfen. Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung bekannter, auch vom Antragsteller benutzter Täterstrategien allein auf der Grundlage der Vorkommnisse vom August 2014 von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Wiederholungstat beim Antragsteller ausgehen.

Die durch die Antragsgegnerin erst (nachträglich) im Beschwerdeverfahren geltend gemachten neuen tatsächlichen Erkenntnisse über zwei weitere einschlägige Vorfälle im Feriencamp Ende August/Anfang September 2015 in Ungarn, die auf Angaben eines teilnehmenden Jungen und einer als Begleitperson engagierten Studentin der Sozialpädagogik beruhen und offensichtlich ebenfalls Anlass für strafrechtliche Ermittlungen gegen den Antragsteller wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs geben, sind geeignet, die durch die Antragsgegnerin angestellte Gefahrenprognose weiter zu stützen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das sicherheitsrechtliche Kontaktverbot als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren und deshalb im Rahmen der Gefahrenprognose auch neuen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen ist.

Die Antragsgegnerin hat schließlich zutreffend darauf hingewiesen, dass Anordnungen, die (auch) die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG tangierten, grundsätzlich auf Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützt werden könnten, und dass es sich bei dem zeitlich beschränkten Kontaktverbot für den Antragsteller um eine ihn nicht unzumutbar belastende Berufsausübungsregelung handle, weil der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und damit der Schutz ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) das Interesse des Antragstellers, weiterhin Ferienfahrten und Sportunterricht mit Kindern unter vierzehn Jahren durchzuführen, deutlich überwiege.

2. Würde man entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheids und dem Vorbringen der Antragsgegnerin auch im Beschwerdeverfahren im streitbefangenen Kontaktverbot (schwerpunktmäßig) eine gewerberechtliche Regelung im Sinne der vom Verwaltungsgericht angenommenen Teilgewerbeuntersagung (s. § 35 GewO) sehen, erwiese sich diese Anordnung dagegen weder als offensichtlich rechtswidrig noch als offensichtlich rechtmäßig.

2.1. Ob und inwieweit das angefochtene Kontaktverbot vor allem mit Blick auf den Zusatz in Nr. 1. des Bescheidstenors „Im Besonderen ist Ihnen die Durchführung und Planung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, untersagt.“ nach ihrem objektiven Erklärungswert (entsprechend §§ 133, 157 BGB) tatsächlich eine Teiluntersagung der vom Antragsteller im Gewerberegister der Antragsgegnerin angemeldeten Gewerbe „Durchführung von Reiseveranstaltungen“ und „Erteilung von Sportunterricht“ beinhaltet, lässt sich bei summarischer Prüfung nicht hinreichend sicher beantworten. Die Antragsgegnerin verweist jedenfalls zu Recht darauf, dass der Antragsteller bei seinen Reiseveranstaltungen (Feriencamps) und dem Sportunterricht (Karatetraining) auch ausweislich des Internetauftritts des Vereins „... e.V.“ ausschließlich in seiner Funktion als alleiniger 1. Vorstand des Vereins auftritt, der gleichzeitig die Funktionen „Cheftrainer Karate“ und Leiter der Feriencamps ausübt. Soweit der Antragsteller demgegenüber geltend macht, er trete als selbstständiger (gewerblicher) Reiseveranstalter und Trainer auf, der die betreffenden Veranstaltungen bzw. Kurse für den Verein durchführe und diesem die Kosten und den Arbeitsaufwand in Rechnung stelle, und hierzu auf entsprechende Rechnungen verweist, hat der Senat angesichts einer eher undurchsichtigen Konstruktion der Funktionen und Tätigkeiten des Antragstellers Zweifel, ob das Abrechnungsmodell - wie das Verwaltungsgericht meint - tatsächlich als zwingender Beleg für eine gewerbliche Leistungserbringung durch den Antragsteller angesehen werden muss. Zudem ist auch eine Teilgewerbeuntersagung, von der bestimmte Aktivitäten des Gewerbetreibenden erfasst werden (vgl. Brüning in Beck‘scher Online-Kommentar GewO, Stand: 1.10.2014, § 35 Rn. 43) letztlich darauf angelegt, eine grundsätzlich zeitlich nicht begrenzte Sperrwirkung für zukünftige entsprechende gewerbliche Tätigkeiten zu entfalten (vgl. Brüning, a. a. O., § 35 Rn. 10, 55), während vorliegend ein (zeitlich begrenztes) Kontaktverbot mit Kindern insbesondere auch bei der Durchführung (und Planung) von Sport-, Trainings- sowie Reiseveranstaltungen angeordnet wurde.

2.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wäre selbst im Fall einer solchen gewerberechtlich zu beurteilenden Teiluntersagung ein „Austausch“ der falschen Rechtsgrundlage (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG) nicht schon deswegen unmöglich, weil es sich bei § 35 GewO im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 2 LStVG um eine gebundene Entscheidung handelt. Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid (Verwaltungsakt) materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 31.3.2010 - 8 C 12.09 - NVwZ-RR 2010,636; vgl. auch Schmidt in Eyermann, a. a. O., § 113 Rn. 16 f.). Würde man die beiden Befugnisnormen hier austauschen, bliebe der Entscheidungstenor (Kontaktverbot mit dem darin enthaltenen Verbot der Durchführung und Planung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen) davon unberührt. Auch die Begründung dieses Verbots würde grundsätzlich keine wesentlich anderen Erwägungen erfordern, weil sich die gewerbliche Unzuverlässigkeit auch aus dem Vorliegen verwertbarer gewerbebezogener Verstöße gegen Strafvorschriften (hier: § 176 StGB) ergeben kann, die auf eine künftige gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Betroffenen schließen lassen (vgl. Brüning, a. a. O., § 35 Rn. 23d). Nachdem es sich bei der Befugnisnorm des § 35 GewO um eine gebundene Entscheidung handelt, wären letztlich auch keine anderen oder zusätzlichen (Ermessens-)Erwägungen anzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 31.3.2010 a. a. O.).

Ob vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen einer Teilgewerbeuntersagung nach § 35 GewO erfüllt wären, was die Antragsgegnerin nach ihrem eigenen Vorbringen mangels hinreichender Tatsachen im Sinne von § 35 Satz 1 GewO selbst bezweifelt, ist allerdings offen. Darauf hinzuweisen ist jedoch, dass es aufgrund des Schutzzwecks von § 35 GewO grundsätzlich ausreichend ist, wenn das dem Gewerbetreibenden vorgeworfene Verhalten einen Straftatbestand objektiv verwirklicht (vgl. Brüning, a. a. O., § 35 Rn. 23d); einer (rechtskräftigen) strafrechtlichen Verurteilung bedarf es nicht. Auch bei der Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG sind im Übrigen (Anknüpfungs-)Tatsachen erforderlich, die die Annahme (Prognose) der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer (erneuten) Schutzgutverletzung rechtfertigen. Solche Tatsachen hat die Antragsgegnerin - wie dargelegt - zu Recht in den Vorkommnissen vom August 2014 (sexuelle Handlungen an am Feriencamp teilnehmenden Kindern) gesehen.

Ist demnach bereits offen, ob das angefochtene Kontaktverbot tatsächlich eine Teiluntersagung der vom Antragsteller im Gewerberegister der Antragsgegnerin angemeldeten Gewerbe „Durchführung von Reiseveranstaltungen“ und „Erteilung von Sportunterricht“ beinhaltet und ob vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen einer Teilgewerbeuntersagung nach § 35 GewO erfüllt wären, bedarf es keiner näheren Erörterung mehr, ob eine gewerberechtliche Teiluntersagung auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügte.

3. Wäre nach alledem eine im angefochtenen Kontaktverbot enthaltene Teilgewerbeuntersagung weder offensichtlich rechtmäßig noch offensichtlich rechtswidrig, führt die erforderliche Interessenabwägung gleichwohl zu dem Ergebnis, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen diese Verfügung auch insoweit nicht wiederhergestellt werden kann, weil das öffentliche Interesse, Kinder auch schon vor dem Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsteller wirksam vor sexuellem Missbrauch zu schützen, das private, insbesondere wirtschaftliche Interesse des Antragstellers, (vorläufig) weiter Ferienfahrten und Sportunterricht mit Kindern unter vierzehn Jahren durchführen zu können, überwiegt. Die Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Freiheit des Antragstellers durch das streitbefangene Kontaktverbot wiegt weniger schwer als die mögliche Gefährdung des hochrangigen Rechtsguts der körperlichen und seelischen Unversehrtheit von Kindern durch erneute sexuelle Übergriffe bei solchen Veranstaltungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom ...5.2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ...5.2015 wird wiederhergestellt, im Hinblick auf Ziffer 3 des Bescheides (Androhung eines Zwangsgeldes) angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Jahr ... geborene Antragsteller ist (einziger) Vorstand des eingetragenen Vereins „... e.V.“ mit Sitz in ... Satzungsgemäß verfolgt der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Der Vereinszweck besteht nach der Satzung in der Förderung der Jugendhilfe und des Sports in den Bereichen Freizeit, Sport und Soziales; dieser Zweck wird in erster Linie verwirklicht durch das Abhalten von Sportunterricht sowie Veranstaltungen von Kursen, Seminaren, Freizeit-, Bildungs- und Sprachaufenthalten im In- und Ausland. Der Verein ist selbstlos tätig (§ 3 der Satzung, Bl. 9 der Behördenakte zum Az. M 22 K 15.2056).

Der Verein wird von der Antragsgegnerin (Referat für Bildung und Sport) gefördert.

Der Antragsteller ist im Gewerberegister der Antragsgegnerin mit dem Gewerbe „Durchführung von Reisveranstaltungen“, dem Gewerbe „Organisation von/im Reiseveranstaltungen“ und dem Gewerbe „Erteilung von Sportunterricht“ gemeldet.

Im Rahmen der beiden ersteren Gewerbe bietet er dem Verein die Vorbereitung, Organisation und Durchführung von Feriencamps für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren überwiegend in einem ihm gehörenden Ferienhaus in ... am ... in ... an; diese Dienstleistung stellt er dem Verein in Rechnung (Bl. 1 der Behördenakte zum Klageverfahren M 22 K 15.20556 und Bl. 15 der Gerichtsakte). Im Rahmen des letzteren Gewerbes erteilt der Antragsteller als Cheftrainer und „...“ Kindern und Jugendlichen ...-unterricht bei der von ihm betriebenen Sportschule „...“ in ... Die Teilnehmer am Sportunterricht werden gleichzeitig Mitglied im Verein. Die Unterrichtsgebühren werden einschließlich der darin enthaltenen Vereinsbeiträge an die Sportschule bezahlt; den Vereinsanteil führt der Antragsteller dann an den Verein ab (siehe Schriftsatz des Antragstellers vom ...11.2015).

Während des Freizeitcamps in ... vom ...8.2014 bis zum ...8.2014 soll es zu fortgesetzten sexuellen Übergriffen des Antragstellers auf zwei von ihrer Mutter angemeldete Campteilnehmer, nämlich zwei ...-jährige Kinder (...), gekommen sein. Nach den Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden, die gegen den Antragsteller wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB ermitteln (siehe Az. ...), habe der Antragsteller die Kinder gegen deren Widerstand mehrfach, fast jeden Tag, auf den Mund geküsst, die nur mit Badehose bekleideten Kinder im Genitalbereich berührt und am Penis gestreichelt; er habe einem Kind auch einmal „einen heruntergeholt“. Einmal habe der Antragsteller ein Kind auch aufgefordert, seinen - des Antragstellers - steifen Penis zu berühren. Er habe sich auch auf die Kinder gelegt. Bereits auf der Hinfahrt zum Camp mit dem Bus habe der Antragsteller einem Kind seine Hand auf das Gesäß gelegt und dort massiert. Nach Abschluss des Camps habe der Antragsteller weiter den Kontakt zu den bei ihrer Mutter in ... wohnenden Kindern gesucht und zu einem Schwimmbadbesuch und in seine private Wohnung nach ... eingeladen, bevor die Kinder mit ihrer Mutter Ende August 2014 nach ... verzogen. In der Wohnung sei es zu Übergriffen des Antragstellers auf eines der Kinder gekommen. Auch nach dem Umzug nach ... habe der Antragsteller Kontakt zu den Kindern gehalten. Dieser fortbestehende Kontakt habe die Mutter stutzig gemacht und zu näherer Aufklärung der Situation veranlasst. Die Ermittlungsbehörden stützen ihre - vom Antragsteller stets bestrittenen - Vorwürfe auf die Vernehmung der beiden Kinder durch die Jugendbeamtin der Polizeiinspektion ..., durch einen Beamten des Fachkommissariats ... und durch den Ermittlungsrichter, sowie auf die Vernehmung der Mutter der Kinder. Der ermittelnde Staatsanwalt hält die Einlassungen für absolut glaubhaft.

Die Strafverfolgungsbehörden informierten die Antragsgegnerin über die Ermittlungen.

Mit Bescheid vom ...5.2015 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, bis zum Abschluss des Ermittlungs-/Strafverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Kontakt mit Kindern aufzunehmen; insbesondere dürfe er sich nicht mit Kindern ohne Anwesenheit der Erziehungsberechtigten in seiner Wohnung, in anderen Räumen, Fahrzeugen, Schwimmbädern, Kinos oder an abgelegenen Orten aufhalten. Im Besonderen sei ihm die Durchführung und Planung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, untersagt (Ziffer 1 des Bescheides). Für den Fall eines Verstoßes gegen die Ziffer 1 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld von 2.000 Euro angedroht (Ziffer 3 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet (Ziffer 2 des Bescheides).

In seiner Begründung bezieht sich der Bescheid auf die polizeilichen Erkenntnisse. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller pädophil veranlagt sei und sich auch künftig wiederholt Kindern zum Zweck der Befriedigung seiner sexuellen Neigungen nähern werde und damit den Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB erfüllen werde. Die Kinder hätten Anspruch darauf, vor dem Antragsteller geschützt zu werden. Rechtsgrundlage für den Bescheid sei die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG (Verhütung weiterer einschlägiger Straftaten und Gefahren). Das Kontaktverbot sei auch verhältnismäßig. Es betreffe nicht die Tätigkeiten des Antragstellers in Kontakt mit Jugendlichen und Erwachsenen und sei bis zum Abschluss des Ermittlungs-/Strafverfahrens befristet; eine dann eventuell vorliegende Änderung der Bewertung könne dann berücksichtigt werden. Das dringliche Schutzinteresse der Kinder erfordere auch die sofortige Geltung des Kontaktverbots.

Zur Niederschrift der Geschäftsstelle erhob der Antragsteller am ...5.2015 Klage gegen den Bescheid vom ...5.2015 und beantragte dessen Aufhebung (Aktenzeichen des Klageverfahrens M 22 K 15.2056). Gleichzeitig beantragte der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wieder herzustellen bzw. anzuordnen.

Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit. Der Bescheid gefährde seine Existenz, da die meisten Teilnehmer an den Feriencamps und dem ...-training Kinder seien. In der Folge verwies er auf seine jahrzehntelange beanstandungsfreie Arbeit mit Kindern. Er verwies auf zahlreiche Dankesbekundungen von Eltern und Erklärungen von Kollegen. Er sei nicht pädophil.

Mit Schriftsatz vom ...6.2015 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Sie folge der Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Ermittlungsbehörden. Die Existenz des Antragstellers sei nicht gefährdet.

Das Gericht hat die Ermittlungsakte ... angefordert sowie die Staatsanwaltschaft um die Mitteilung des aktuellen Stands des Ermittlungsverfahrens und ihrer Einschätzung gebeten. Danach besteht strafrechtlich keine geänderte Situation, es werde in absehbarer Zeit Anklage erhoben.

Mit ausführlichem Hinweisschreiben vom 5.10.2015 äußerte das Gericht gegenüber der Antragsgegnerin Bedenken zur Rechtmäßigkeit des Bescheides. Soweit der Bescheid in der Sache einen gewerblichen Kontakt des Antragstellers mit Kindern untersage, sei die zutreffende Rechtsgrundlage § 35 GewO (Teiluntersagung) und nicht die sicherheitsrechtliche Generalklausel. Im Übrigen bedürfe ein präventives Kontaktverbot einer einzelfallbezogenen und durch eine Fachstelle gestützten tragfähigen Prognose dahingehend, dass der Antragsteller in der Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit weitere einschlägige Straftaten begehen werde; dabei könne entsprechend der Beurteilung der Strafverfolgungsbehörden von einem relevanten Verdacht ausgegangen werden, dass die Straftaten im Feriencamp August 2014 wie geschildert geschehen sind.

Das Gericht empfahl der Antragsgegnerin eine entsprechende Nachbesserung in einem neuen Bescheid.

Die Antragsgegnerin hielt im Schriftsatz vom ...10.2015 an ihrem Bescheid fest.

Gewerberecht sei nicht einschlägig, da der Antragsteller in seiner Eigenschaft als (einziger) Vereinsvorstand und nicht als Gewerbetreibender die Feriencamps organisiere und den ...-unterricht erteile. Die Abrechnung zwischen dem Verein und dem Antragsteller als Gewerbetreibenden sei vor dem Hintergrund des § 181 BGB (verbotenes Insichgeschäft) nichtig. Im Übrigen erlaube § 35 GewO nach der auch verwaltungsgerichtlich bestätigten Praxis nur die Untersagung nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung. Schließlich sei eine Untersagung nach § 35 GewO auf eine „dauerhafte“ Maßnahme ausgelegt. Bei positivem Ausgang seines strafrechtlichen Verfahrens müsse der Antragsteller den aufwändigen Weg des Wiedergestattungsverfahrens gehen. Der sicherheitsrechtliche Weg sei demgegenüber flexibler und für den Antragsteller verhältnismäßiger.

Die zutreffende Prognose eines Rückfalls des Antragstellers sei der Antragsgegnerin auch ohne vorherige Einholung einer fachgutachterlichen Stellungnahme möglich gewesen. Die Antragsgegnerin verwies auf Erkenntnisse von Prof. Dr. Dr. ..., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker und Professor für Sexualwissenschaft am ...-klinikum ..., die im Internet unter www...de veröffentlicht seien („5 Fragen an … Prof. Dr. Dr. ...“). Danach würden Täter mit einer pädophilen Präferenzstörung ein besonders hohes Risiko aufweisen, im weiteren Lebensverlauf wieder Taten zu begehen. Bei einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 25 Jahren liege die Rückfallwahrscheinlichkeit für diese Gruppe bei 80%, wobei sich die meisten der erneuten Übergriffe im Dunkelfeld ereigneten, also nicht justizbekannt würden. Diese Erkenntnisse seien im Bescheid zwar nicht erwähnt worden, hätten aber der Prognose zugrunde gelegen.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten, auch die des Hauptsacheverfahrens M 22 K 15.2056, verwiesen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO bestehende aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage, wenn die Behörde - wie vorliegend - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet hat.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung unter Abwägung des von der Behörde geltend gemachten Interesses an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und des Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Der angefochtene Bescheid vom ...5.2015 erweist sich als voraussichtlich rechtswidrig.

1. Soweit der Bescheid vom ...5.2015 dem Antragsteller insbesondere (und explizit) auch die Durchführung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, verbietet, d. h. auch die vom Antragsteller betriebene Organisation und Durchführung von Feriencamps, an denen Kinder teilnehmen, und den ...-unterricht von Kindern untersagt, ist dieser Regelungsteil schon wegen Heranziehung der falschen Rechtsgrundlage rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für diesen Regelungsteil wäre § 35 GewO gewesen und nicht die vom Bescheid herangezogene allgemeine sicherheitsrechtliche Eingriffsnorm des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG. Letztere Bestimmung wird gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LStVG durch die spezielle gewerberechtliche Eingriffsnorm des § 35 GewO verdrängt. Ein „Austausch“ der falschen Rechtsgrundlage durch die zutreffende ist schon deswegen nicht möglich, da es sich bei Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG um eine Ermessensentscheidung handelt, bei § 35 GewO dagegen um eine gebunden Entscheidung.

Die gewerberechtliche Untersagungsnorm des § 35 GewO ist die zutreffende Rechtsgrundlage für den genannten Regelungsteil des Bescheides. Der Sache nach wird nämlich durch diesen Regelungsteil eine Teiluntersagung des vom Antragsteller im Gewerberegister angemeldeten Gewerbes „Erteilung von Sportunterricht“ (hier Trainer im ...) und der weiter angemeldeten Gewerbe „Durchführung von Reiseveranstaltungen“ und „Organisation von/im Reiseveranstaltungen“ (hier Organisation und Durchführung von Ferienveranstaltungen in ... in ...) ausgesprochen. Dem Antragsteller wird nur im Hinblick auf den Kontakt mit Kindern die Ausübung seiner Gewerbe untersagt, im Hinblick auf Jugendliche und Erwachsene dagegen nicht. Eine solche Regelung ist der Sache nach eine Teiluntersagung nach § 35 GewO (vgl. das Beispiel bei Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 2011, § 35 Rn. 147: Beschränkung der Untersagung auf die Ausbildung weiblicher minderjähriger Auszubildender, wenn die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf sexuellen Handlungen gegenüber diesem Personenkreis beruht; siehe auch VG Stuttgart, Beschluss vom 21.1.2011, Az. 4 K 5220/10: Beschränkung der Untersagung auf die Unterrichtung und Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Rahmen des gewerblich ausgeübten Schachunterrichts wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften). Daher wäre für den genannten Regelungsteil des Bescheides die Bestimmung des § 35 GewO heranzuziehen und auf dieser Grundlage zu prüfen gewesen, ob sie die Regelung trägt oder nicht und ob ein Sofortvollzug angeordnet werden kann oder nicht.

Der Einwand der Antragsgegnerin, die Tätigkeit des Antragstellers sei nicht gewerberechtlich, sondern rein vereinsrechtlich zu qualifizieren, geht fehl. Wie das Abrechnungsmodell zwischen dem Verein und dem Antragsteller belegt, fungiert der Antragsteller bei der Organisation der Feriencamps gegenüber dem Verein als gewerblicher Leistungserbringer. Diese Dienste stellt er dem Verein in Rechnung, und vom Verein erhält er auch sein Honorar. Ob diese Abrechnungspraxis vor dem Hintergrund des § 181 BGB zivilrechtliche Probleme im Hinblick auf die Wirksamkeit der vertraglichen Beziehungen aufwirft, ist für das hier allein maßgebliche faktische Dienstleistungsverhältnis zwischen dem Antragsteller als Gewerbetreibenden und dem Verein nicht von Bedeutung. Diese Frage und überhaupt die Doppelrolle des Antragstellers als einziger Vertreter des Vereins und zugleich als gewerbetreibender Dienstleistungserbringer für den Verein mag allenfalls im Hinblick auf die an den Verein geleisteten Fördergelder aus öffentlichen Kassen Klärungsbedarf auslösen. Ebenso verhält es sich mit dem ...-training des Antragstellers in der von ihm betriebenen ...-schule in ...

Ebenso wenig trifft der Einwand der Antragsgegnerin zu, § 35 GewO böte keine flexible und verhältnismäßige Reaktion auf die inmitten stehende Gefahrenlage. Dieser Einwand betrifft schon nicht die zutreffende Wahl der Rechtsgrundlage. Wie oben ausgeführt ist für den genannten Regelungsteil § 35 GewO einschlägig, so dass ausschließlich anhand dieser Bestimmung die rechtliche Darstellbarkeit der Regelung zu prüfen ist unabhängig davon, ob die Vorschrift in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen die intendierten flexiblen Lösungen bietet oder nicht. Es ist aber zu bemerken, dass, wie schon das Institut der Teiluntersagung zeigt, § 35 GewO durchaus offen ist für ein differenziertes Vorgehen. Unter dem selbstverständlich auch im Gewerberecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind neben der Teiluntersagung auch Abmahnungen oder Auflagen oder zeitliche Begrenzungen von Maßnahmen möglich (siehe Pielow in BeckOK GewO § 35, Rn. 36 ff.). Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Maßnahmen nach § 35 GewO ist nicht ausgeschlossen, wie die der Antragsgegnerin mitgeteilten Beispiele aus der gewerberechtlichen Rechtsprechung zweier Verwaltungsgerichte zeigen (siehe wie schon erwähnt VG Stuttgart, Beschluss vom 21.1.2011, Az. 4 K 5220/10: Bestätigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Teiluntersagung der Unterrichtung und Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Rahmen des gewerblichen Schachunterrichts wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften; siehe auch VG Magdeburg, Beschluss vom 22.3.2004, Az. 3 B 31/04 MD: Bestätigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Untersagung der Ausübung des Gewerbes „Ausführen von Theaterprojekten sowie Puppentheater“ wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern; siehe zur letzteren Entscheidung auch die Hauptsacheentscheidung des VG Magdeburg, Urteil vom 28.6.2007, Az. 3 A 61/05). Die Ergreifung von Maßnahmen nach § 35 GewO setzt schließlich nicht zwingend rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen voraus (so ausdrücklich VG Stuttgart, Beschluss vom 21.1.2011, Az. 4 K 5220/10).

2. Soweit der streitgegenständliche Bescheid über die gewerberechtliche Regelung hinausgehend dem Antragsteller auch eine Kontaktaufnahme mit Kindern im privaten Bereich verbietet, zieht der Bescheid zutreffend Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG als Rechtsgrundlage heran, da vorrangige spezielle gesetzliche Eingriffsbefugnisse insoweit nicht bestehen.

Freilich ist es unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes nicht ohne Problem, ein Kontaktverbot wie das hier verfügte auf die allgemeine sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG zu stützen. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes betrifft nämlich nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch wie weit diese Regelung im Einzelnen zu gehen hat, also wie bestimmt und in welcher Regelungsdichte das Gesetz den Eingriff der Exekutive vorzeichnen muss (siehe hierzu Jarass/Pieroth, GG, 2014, Art. 20 Rn. 54 und Maunz/Dürig/Herzog, GG, 2007, Art. 20 Abs. 3 Rn. 111 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Anforderungen an die inhaltliche Regelungsdichte des Gesetzes mit der Intensität des Grundrechtseingriffs steigen: je intensiver der Grundrechtseingriff ausfällt, desto inhaltlich detaillierter muss die parlamentsgesetzliche Regelung ausfallen (Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 111; BVerfGE 8, 274, 325). So hat etwa das Bundesverfassungsgericht erhebliche Zweifel geäußert, ob die Anordnung einer rund um die Uhr vorzunehmenden Dauerobservation eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Gewalttäters auf eine polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne: es handele sich wohl um eine neue Form einer polizeilichen Maßnahme, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden sei und aufgrund ihrer weitreichenden Folgen möglicherweise einer ausdrücklichen, detaillierten Ermächtigungsgrundlage bedürfe (BVerfG, Beschluss vom 8.11.2012, Az. 1 BvR 22/12; siehe auch nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 13.1.2014, Az. 6 B 59/13). Das BVerfG hat jedoch ausgeführt, dass es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, „wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die Generalklausel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansehen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführen. Der Sache nach verstehen sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermöglicht, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grund genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichen so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies ist - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen werden“ (BVerfG a. a. O.).

Das erkennende Gericht hält die hier getroffene Maßnahme des Kontaktverbots zu Kindern für eine durchaus erhebliche Einschränkung der grundrechtlichen Freiheit des Antragstellers, die zwar nicht den Grad der dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Maßnahme der Dauerobservation erreichen dürfte, aber ebenso wohl nicht auf die Rechtsgrundlage der sicherheitsrechtlichen Generalklausel gestützt werden kann, sondern einer Spezialbefugnis bedarf (siehe zu polizeirechtlichen Spezialregelungen des Kontaktverbots im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt in anderen Bundesländer Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 2010, Art. 16 PAG Rn. 6). Jedenfalls vor dem Hintergrund des hohen Ranges des Schutzes von Kindern vor sexuellem Missbrauch kann aber die Generalklausel in einer Übergangszeit bis zu einer Regelung der Thematik durch den Landesgesetzgeber als Grundlage herangezogen werden. Die Sicherheitsbehörden müssen imstande sein, auf neue, vom Gesetzgeber noch nicht bedachte Lagen zu reagieren; sie sind insoweit auf eine, wenn auch begrenzte „Befugnisreserve“ angewiesen (siehe Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2015, Rn. 284). Allerdings wird der Bescheid nicht der von der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG geforderten tragfähigen Prognose eines Rückfalls des Antragstellers gerecht.

Die Norm des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG erfordert eine tragfähige Prognose dahingehend, dass der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft Straftaten von der Art, wie sie Gegenstand der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen sind, begehen wird oder von ihm sonstige einschlägige Gefahren ausgehen werden; diese Prognose ist im Übrigen auch bei der Prüfung des § 35 GewO anzustellen (siehe oben Nr. 1).

Dabei kann derzeit wie die Strafverfolgungsbehörden von einem relevanten Verdacht ausgegangen werden, dass die - vom Antragsteller stets bestrittenen - Vorkommnisse im Rahmen des Ferienlagers 2014 in ... so geschehen sind, wie sie von den beiden Kindern in den Vernehmungen vor der Polizei am ...2.2015 vormittags (Jugendbeamtin der Polizeiinspektion ...) und am ...2.2015 nachmittags (Beamter des Fachkommissariats ...) sowie vor dem Ermittlungsrichter am ...4.2015 geschildert wurden (siehe hierzu die strafrechtlichen Ermittlungsakten Bl. 4, Bl. 6 bis 34, Bl. 89 bis 126; siehe auch die Vernehmung der Mutter der Kinder Bl. 35 bis 40). Das Gericht hat nach dem Studium der Ermittlungsakten keinen Anlass, die Ordnungsmäßigkeit der Befragungen durch die zuständigen Strafverfolgungsorgane in Zweifel zu ziehen, ebenso wenig wie deren Einschätzung von der Glaubwürdigkeit der beiden Kinder und der Glaubhaftigkeit ihres Vortrags (siehe die Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch die Jugendbeamtin der PI ..., Bl. 5 der Ermittlungsakte, und den Eindrucksvermerk des Fachkommissariats ..., Bl. 23 und Bl. 34 der Ermittlungsakte). Auch der zuständige Ermittlungsrichter bejahte den Verdacht eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB (Bl. 50 der Ermittlungsakten). Schließlich sah auch der ermittelnde Staatsanwalt entgegen den vom Strafverteidiger des Antragstellers ins Feld geführten Widersprüchen in den Aussagen der beiden Kinder keine solchen Widersprüche und erachtete deren Aussagen für „absolut glaubhaft“ (siehe Ermittlungsakten Bl. 128). Der Staatsanwalt hielt nach Rückfrage des Gerichts an dieser Einschätzung aktuell fest (siehe Gerichtsakte Az. M 22 S 15.2057, Bl. 52). Es besteht für das Verwaltungsgericht kein Grund, von dieser aktuellen Bewertung der Strafverfolgungsorgane abzuweichen. Vorläufig konnte und kann deshalb bei der sicherheitsrechtlichen Prognose von einem relevanten Verdacht eines Vergehens des Antragstellers nach § 176 StGB im Rahmen des Ferienlagers 2014 ausgegangen werden.

Allerdings genügen diese Vorfälle für das hier zu prüfende zukunftsgerichtete sicherheitsrechtlich-präventive Kontaktverbot zu Kindern allein nicht, die erforderliche hinreichend fundierte Rückfallprognose für die Zukunft zu treffen. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass auf derartige Vorfälle in der Regel weitere folgen werden. Es bedarf vielmehr einer auf alle individuellen und sonstigen Umständen des Einzelfalls abzustellenden Prüfung der Frage, ob diese Vorfälle auch in Zukunft die Begehung derartiger Straftaten besorgen lassen. Dabei ist die Einordnung des Antragstellers in bestimmte Kategorien sexueller Orientierung zweitrangig. Wesentlich ist, wie ausgeführt, ob diese Vorkommnisse den Schluss zulassen, dass sie eine Neigung des Antragstellers zu derartigen Taten offenbaren und deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Wiederholung zu rechnen ist.

Diese Prüfung konnte von der Antragsgegnerin auch unter dem Druck der gebotenen zeitnahen Reaktion kaum ohne fachgutachterliche Hilfe geleistet werden, wobei die fachgutachterliche Stelle unter Umständen schon aus dem Inhalt der Verwaltungs- und Strafakten eine für die sicherheitsrechtliche Prognose relevante Einschätzung der Situation hätte abgeben können.

Der Hinweis der Antragsgegnerin auf die Aussagen von Prof. ... ist in diesem Zusammenhang unbehelflich. Dabei will das Gericht nicht näher darauf eingehen, ob der in der Bescheidsbegründung nicht enthaltene Bezug auf die Erkenntnisse des Professors im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überhaupt noch nachgeholt werden kann; § 114 Satz 2 VwGO erlaubt bei Ermessensentscheidungen - eine solche liegt bei Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG und bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vor - lediglich die Ergänzung von Ermessenserwägungen und nicht das Nachschieben neuer wesentlicher Grundlagen der Ermessenbetätigung (siehe zum Problem Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2015, § 114 Rn. 12e ff.). Jedenfalls geben die Erkenntnisse des Professors zur Rückfallgefahr inhaltlich nichts für die vorliegende Fallgestaltung her. Denn diese Erkenntnisse beziehen sich ausdrücklich nur auf „Täter mit einer pädophilen Präferenzstörung“. Grundlage der Feststellungen des Professors waren nach seinen Worten Gerichtsgutachten über „Sexualstraftäter“, die über viele Jahrzehnte kontinuierlich erstellt worden waren. Nur dieser Kreis der Begutachteten lag der Analyse durch den Professor zugrunde. Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse des Professors könnte demnach nur dann von einer relevanten Rückfallgefahr beim Antragsteller ausgegangen werden, wenn es sich bei ihm um einen „Sexualstraftäter mit einer pädophilen Präferenzstörung“ handeln würde. Ob diese - vom Antragsteller stets bestrittenen - Voraussetzungen beim Antragsteller vorliegen, vermag weder die Behörde noch das Gericht aus eigener Sachkunde zu beantworten. Die Frage kann nur individuell durch eine fachgutachterliche Stelle geklärt werden. Umgekehrt ist nach den Erkenntnissen des Professors die Annahme einer Rückfallgefahr nicht davon abhängig, ob es sich bei dem Betreffenden um einen „Sexualstraftäter mit einer pädophilen Präferenzstörung“ handelt. Wie der Professor in seiner Antwort zur Frage 2 ausführt, sind „über die Hälfte - wahrscheinlich etwa 60% - der Täter, die sexuelle Übergriffe auf Kinder begehen, nicht pädophil“. Diesen Taten nicht präferenzgestörter Täter liegen andere, vom Professor näher ausgeführte Ursachen zugrunde. Auch insoweit ist eine individuelle fachgutachterliche Abklärung beim Antragsteller erforderlich.

Nach alledem war dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stattzugeben, deswegen auch dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (Art. 21 a VwZVG) sofort vollziehbare Androhung eines Zwangsgeldes nach Ziffer 3 des Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg vom 8. November 2011 - 1 S 2538/11 - und des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. August 2011 - 4 K 917/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Freiburg zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

3. ...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren über die längerfristige Observation des aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Beschwerdeführers.

I.

2

1. Das Landgericht S. verurteilte den 1959 geborenen Beschwerdeführer - nach zwei einschlägigen Vorstrafen nach Jugendstrafrecht - im Jahre 1985 wegen zwei Vergewaltigungen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung.

3

Mit Beschluss vom 10. September 2010 erklärte das Oberlandesgericht K. im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Sicherungsverwahrung für erledigt, ordnete für die Dauer von fünf Jahren Führungsaufsicht an und unterstellte den Beschwerdeführer der Bewährungshilfe. Gleichzeitig mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Sicherungsverwahrung ordnete die Polizeidirektion Freiburg die längerfristige Observation des Beschwerdeführers zunächst für die Dauer von vier Wochen an und verlängerte diese Anordnung seither 14 mal, zuletzt bis zum 5. Oktober 2012. Die Polizei führt die Observation offen durch. Nach seinen im Ausgangsverfahren unwidersprochen gebliebenen Angaben bewohnt der Beschwerdeführer ein Zimmer in einer in einem Hinterhaus gelegenen Unterkunft. Im Hof vor diesem Hinterhaus parkt ständig ein Polizeifahrzeug, in dem sich drei Polizeibeamte aufhalten. Zwei weitere Beamte halten sich in der Küche der Unterkunft auf, wenn sich der Beschwerdeführer in seinem Zimmer befindet. Eine direkte Beobachtung des Beschwerdeführers in seinem eigentlichen Wohnraum findet nicht statt. Außerhalb seiner Wohnung begleiten ständig Polizisten den Beschwerdeführer. Bei Gesprächen des Beschwerdeführers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Nimmt der Beschwerdeführer ansonsten Kontakt zu Frauen auf, weisen die Polizisten sie mit einer sogenannten Gefährdetenansprache auf den Grund der Observation des Beschwerdeführers hin.

4

Mit Urteil vom 13. Januar 2011 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers in Sicherungsverwahrung vom 26. Juni 1999 bis zu seiner Entlassung am 10. September 2010 konventionswidrig war.

5

2. a) Mit Beschluss vom 2. September 2010 hatte das Verwaltungsgericht F. einen ersten Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, das antragsgegnerische Land zur Unterlassung der geplanten längerfristigen Observation zu verurteilen, abgelehnt. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 23. September 2010 zurück.

6

b) Einen weiteren Antrag des Beschwerdeführers, im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung auszusprechen, seine Observation umgehend einzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 16. August 2011 ab.

7

Die längerfristige Observation verstoße nicht gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK, da sie keine Freiheitsentziehung im Sinne dieser Vorschrift sei. Die praktizierte Observation bedeute zwar einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, sie trage dem Kernbereich privater Lebensgestaltung des Beschwerdeführers aber noch ausreichend Rechnung. Das psychiatrische Gutachten vom 5. März 2010 bestätige die vom Beschwerdeführer angenommene günstige Prognose nicht. Veränderte Umstände könnten nicht darin gesehen werden, dass der Beschwerdeführer seit dem 10. September 2010 aus der Haft entlassen sei, sich seit Dezember 2010 in therapeutischer Behandlung befinde und nach seinem Vortrag bisher keine Vorfälle aufgetreten seien, die weiterhin eine konkrete Gefahr anzunehmen rechtfertigten. Denn der Antragsgegner habe die Risikobewertung im Mai 2011 überprüft und die Gefahrenkategorie eins bestätigt. Auch dass der Beschwerdeführer nunmehr seinen Therapeuten gegenüber dem Gericht von der Schweigepflicht entbinde, führe zu keiner anderen Beurteilung, da das Verwaltungsgericht keine eigene Prognose treffe, sondern nur die Prognose des Antragsgegners auf ihre Vereinbarkeit mit geltendem Recht überprüfe. Insgesamt sehe das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes derzeit keinen Anlass, die Risikoeinschätzung durch den Antragsgegner anders zu beurteilen.

8

c) Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wies der Verwaltungsgerichtshof mit einem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 8. November 2011 zurück.

9

Es spreche einiges dafür, dass die längerfristige Observation des Beschwerdeführers (noch) eine Rechtsgrundlage im Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG BW) finde. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes könne offen bleiben, ob die polizeiliche Maßnahme unmittelbar auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG BW gestützt werden könne oder ob auf die polizeiliche Generalklausel der §§ 1, 3 PolG BW in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen und verfahrensrechtlichen Sicherungen des § 22 PolG BW zurückgegriffen werden müsse. In materieller Hinsicht stellte der Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigenden Vorbringens nicht mit dem erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass von dem Beschwerdeführer keine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter mehr ausgehe. Als Grundlage der Risikobewertung zog der Verwaltungsgerichtshof neben verschiedenen Umständen in dem seit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beim Beschwerdeführer beobachteten Verhalten das noch während der Sicherungsverwahrung erstellte psychiatrische Gutachten vom 5. März 2010 heran, wonach bei einer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ohne Vorbereitung, ohne Erprobung und ohne gesicherten sozialen Empfangsraum von einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen sei. Die längerfristige Observation sei daher im Zeitpunkt der Entscheidung insgesamt noch als verhältnismäßig anzusehen.

10

3. Das Bundesverfassungsgericht hat einen mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Februar 2012 - 1 BvR 22/12 -, juris).

11

4. Der Beschwerdeführer macht mit seiner Verfassungsbeschwerde geltend, die Observation sei verfassungswidrig, weil Kontrolle und Überwachung von aus der Haft Entlassenen ausschließlich Aufgabe der Strafjustiz mit Hilfe von Führungsaufsicht und Bewährungshilfe sei. Für die Notwendigkeit einer Verzahnung von Führungsaufsicht und polizeirechtlichen Maßnahmen bestehe kein Anlass. Die Maßnahmen durch die örtliche Polizei brächten keine zusätzliche Sicherheit und belasteten ihn unzumutbar. Die Observation führe dazu, dass er faktisch in Isolation leben müsse. Resozialisierungsbemühungen würden behindert und Rechtsschutz erschwert, da das Verfahren nicht rechtsstaatlich ausgestaltet sei. Das Gutachten, auf das sich der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs stütze, sei nicht aussagekräftig, da es noch im Rahmen der Vorbereitungen für die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung entstanden sei und darauf gezielt habe, durch eine Lockerungserprobung eine weitere Prognosebasis zu schaffen. Im Übrigen habe es eine Prognosedauer von nur wenigen Monaten. Seit dem 17. Dezember 2010 befinde er sich in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung.

12

5. Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Regierung des Landes Baden-Württemberg durch das Innenministerium Stellung genommen. Es hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

13

6. Der Beschwerdeführer hat inzwischen durch Klageerhebung ein Hauptsacheverfahren auf Unterlassung der Observation eingeleitet, in dem das Verwaltungsgericht F. noch keine Entscheidung getroffen hat.

II.

14

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs richtet, nimmt die Kammer sie zur Entscheidung an und gibt ihr statt (§§ 93b, 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

15

a) Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG liegen vor.

16

aa) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Ihr steht insbesondere nicht der Grundsatz der Subsidiarität entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entgegen. Wehrt sich ein Beschwerdeführer gegen Entscheidungen in einem letztinstanzlich abgeschlossenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, kann er nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn er gerade die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes rügt (vgl. BVerfGE 59, 63 <84>), wenn das Hauptsacheverfahren keine ausreichende Abhilfemöglichkeit bietet (vgl. BVerfGE 79, 275 <279 f.>; 104, 65 <71>) oder wenn dem Beschwerdeführer die Beschreitung des Hauptsacherechtswegs unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 86, 46 <49>). Diese Voraussetzungen liegen vor.

17

Zum einen rügt der Beschwerdeführer sinngemäß auch eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG gerade durch die Versagung des Eilrechtsschutzes. Zum anderen wäre in Anbetracht der nunmehr seit zwei Jahren andauernden so gut wie lückenlosen Überwachung des Beschwerdeführers eine Verweisung auf ein möglicherweise noch Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren unzumutbar.

18

bb) Die das Leben des Beschwerdeführers offensichtlich stark beeinträchtigenden Umstände der dauerhaften Observierung begründen auch einen Nachteil im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b Halbsatz 2 BVerfGG.

19

b) Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits entwickelt. Dies gilt insbesondere für die Anforderungen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz an gerichtliche Eilverfahren (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 93, 1 <13 f.>; 94, 166 <216>).

20

c) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Verfassungsbeschwerde als begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

21

aa) Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 79, 69 <75>; 93, 1 <14 f.>). Gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfGE 37, 150 <153>; 69, 220 <228>). Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben sich für die Gerichte Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>). Dabei ist effektiver vorläufiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht allein durch das auf den Suspensiveffekt aufbauende Rechtsschutzsystem des § 80 VwGO möglich; vielmehr ist grundsätzlich auch der Weg über § 123 VwGO geeignet, einen im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG ausreichenden effektiven Rechtschutz zu gewähren (vgl. BVerfGE 51, 268 <284 f.>; 65, 1 <70 f.>). Die Gerichte sind gehalten, bei der Auslegung und Anwendung von § 123 VwGO vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn sonst dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders wichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74 f.>; 93, 1 <13 f.>). Dann muss die Prüfung eingehend genug sein, um den Antragsteller vor erheblichen und unzumutbaren, anders weder abwendbaren noch reparablen Nachteilen effektiv zu schützen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 93, 1 <13 f.>). Bei solchen Nachteilen können sich die Gerichte nur insoweit auf eine - ansonsten ausreichende - summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage beschränken, als dies durch besondere Gründe auch angesichts der in Frage stehenden Nachteile gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGK 1, 292 <296>). Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (vgl. BVerfGK 5, 237 <242>).

22

bb) Diesen Anforderungen entsprechen die Entscheidungen im Ausgangsverfahren nicht in jeder Hinsicht.

23

Zunächst haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof richtigerweise erkannt, dass die dauernde Observation des Beschwerdeführers einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 35, 202 <220>; 79, 256 <268>. Dabei ist die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt (vgl. BVerfGE 101, 361 <384>). Dem Beschwerdeführer wird aber durch die fast lückenlose Präsenz der ihn außerhalb seines Zimmers überwachenden Polizisten die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, weitgehend genommen.

24

Die Gerichte, insbesondere der Verwaltungsgerichtshof, haben dem Beschwerdeführer Eilrechtsschutz versagt, weil ihm kein Anordnungsanspruch zur Seite stehe. Hierbei haben sie jedoch das besondere grundrechtliche Gewicht des Begehrens des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewürdigt.

25

Nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass die Gerichte für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die polizeiliche Generalklausel im baden-württembergischen Polizeirecht als noch ausreichende Rechtsgrundlage für die dauerhafte Observation des Beschwerdeführers angesehen haben. Zwar ist es zweifelhaft, ob die geltende Rechtslage hinreichend differenzierte Rechtsgrundlagen enthält, die die Durchführung solcher Observationen auf Dauer tragen können. Mit guten Gründen verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass die Regelung des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG BW möglicherweise nur eine Rechtsgrundlage für die Datenerhebung bildet, um die es den Polizeibehörden im Fall der Beobachtung des Beschwerdeführers jedenfalls nicht vorrangig geht. Erst recht ist fraglich, ob die ersatzweise herangezogene polizeiliche Generalklausel der §§ 1, 3 PolG BW geeignet ist, auch längerfristig die nunmehr seit mehreren Jahren andauernde Dauerbeobachtung des Beschwerdeführers zu tragen. Vielmehr handelt es sich wohl um eine neue Form einer polizeilichen Maßnahme, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden ist und aufgrund ihrer weitreichenden Folgen möglicherweise einer ausdrücklichen, detaillierten Ermächtigungsgrundlage bedarf. Es begegnet jedoch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die vorhandene Grundlage im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansehen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführen. Der Sache nach verstehen sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermöglicht, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichen so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungs-lücken zu schließen. Dies ist - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen werden.

26

Die angegriffenen Entscheidungen genügen jedoch aus einem anderen Grund nicht den Voraussetzungen für die hier von Verfassungs wegen gebotene Prüfungsintensität im Bereich des grundrechtsrelevanten einstweiligen Rechtsschutzes, die aus den oben genannten Gründen auch in der Beschwerdeinstanz gelten. Die Gerichte durften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte haben ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 5. März 2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens haben die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück lag. Der Verwaltungsgerichtshof hat selbst nicht geltend gemacht, durch das Prozessrecht - namentlich § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - daran gehindert zu sein, im Beschwerdeverfahren den Zeitablauf seit Erstellung des Gutachtens und damit etwaige neuere Entwicklungen in der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers berücksichtigen und gegebenenfalls ermitteln zu können. Zum anderen stand der Verwendung des Gutachtens vom 5. März 2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegen, dass die Begutachtung erfolgte, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befand. Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebt der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen.

27

2. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht, an das die Sache zurückzuverweisen ist (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), bei erneuter Befassung aufgrund einer aktuellen Tatsachengrundlage zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

28

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Subventionen, die ihr nach der Patentförderungs-Richtlinie (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Schutzes und der Verwertung von Innovationen, RdErl. des MW vom 13.9.2007 - MBl. LSA S. 741 ff.) gewährt wurden.

2

Mit Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 30.09.2009 wurde der Klägerin ein Zuschuss in Höhe von bis zu 1.120,00 € im Rahmen der Patentförderung als Projektförderung zur anteiligen Finanzierung in Höhe von bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben für das Projekt „Verfahren zur Herstellung von Halbleiterpartikeln“ bewilligt. Der Zuschussbetrag wurde ausgezahlt. Der Zuwendungsbescheid enthielt Nebenbestimmungen. Gemäß Ziffer 8 Buchst. b bb des Zuwendungsbescheides war das Ergebnis des geförderten Vorhabens/Projektes für die Dauer von mindestens 5 Jahren ab dem Ende des Bewilligungszeitraumes – hier 31.12.2010 – zu verwerten. Ferner wurde festgelegt, dass die Betriebsstätte innerhalb des Landes Sachsen-Anhalt beizubehalten sowie das Patent aufrechtzuerhalten sei. Weiter hieß es in der Nebenbestimmung, dass unter „Verwertung“ die produktive Umsetzung der Ergebnisse zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen im eigenen Unternehmen sowie die Vergabe von Nutzungsverträgen verstanden werde. Durch Änderungsbescheid vom 17.12.2009 wurde der Bewilligungszeitraum bis zum 31.12.2010 festgesetzt. Später wurde durch Bescheid vom 18.4.2011 der Zuschussbetrag auf 553,00 Euro geändert.

3

In der Folgezeit kam es zu verschiedenen Schriftwechseln zwischen der Klägerin und der Beklagten. In diesem Zusammenhang wurde u.a. auch in einem Gespräch am 8.6.2012 das Thema einer Betriebsverlegung nach Niedersachsen und die Frage der Produktion der geförderten Güter angesprochen. Es steht ferner fest, dass von Seiten der Klägerin durch Schriftsatz vom 27.06.2012 unter Hinweis auf ein Schreiben vom 23.03.2012 gegenüber der Beklagten angezeigt worden ist, dass die Fortsetzung der bekannten und notwendigen Entwicklungen bei der A. GmbH nicht möglich sei und die gesamte Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf unbestimmte Zeit habe abgebrochen werden müssen. Mit Schreiben vom 06.07.2012 erklärte die Klägerin nochmals, dass die Verwertung schon Ende 2010 abgebrochen werden musste. Die Gründe seien der Beklagten, so führte die Klägerin aus, bekannt. In diesem Zusammenhang hatte die Klägerin mit Schreiben vom 23.03.2012 im Einzelnen aufgelistet, dass etwa im Hinblick auf die ursprünglich auch beabsichtigte Verlegung des Sitzes der Gesellschaft nach Niedersachsen die Umstände für eine Verlegung sprechen würden, weil es im Zuge einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit einer ehemaligen Mitarbeiterin zu einem arbeitsgerichtlichen Prozess gekommen sei, ferner es zu einer willkürlichen Kündigung der Räumlichkeiten und Laborkapazitäten durch die Fachhochschule A-Stadt-S. gekommen sei, aus Liquiditätsgründen Ende letzten Jahres der Mietvertrag am Innovations- und Gründerzentrum A-Stadt gekündigt worden sei, es eine Auseinandersetzung mit dem Finanzamt A-Stadt im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt gebe und ein weiterer zu nennender Sachverhalt eingeleitete Ermittlungen im Zusammenhang mit möglichen strafbaren Handlungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität betreffe. Im Laufe der Monate des Sommers 2012 zog sich die Diskussion zwischen den Beteiligten über die Frage der Verwertung mit dem Austausch wechselseitiger Meinungen hin. In diesem Zusammenhang führte die Klägerin mit Schreiben vom 13.08.2012 aus, dass leider noch immer nicht eindeutig absehbar sei, wann die erforderliche Entwicklung und insofern die Verwertung fortgesetzt werden könne. An einer Verlegung des Geschäftssitzes nach Niedersachsen werde jedoch nicht mehr festgehalten.

4

Mit Bescheid vom 14.12.2012 widerrief die Beklagte den Zuwendungsbescheid vom 30.09.2009 in Gestalt der Bescheide vom 17.12.2009, 31.03.2011 und 18.04.2011 mit Wirkung vom 30.09.2009. Gleichzeitig forderte sie die Erstattung eines Betrages in Höhe von 553,00 Euro. Der zu erstattende Betrag sei zum Zeitpunkt der jeweiligen Auszahlung bis zum Eingang auf dem Konto der Beklagten zu verzinsen. Nach Eingang des Betrages auf dem Konto ergehe insoweit eine gesonderte Zinsberechnung. Die Klägerin habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Begründet wurde der Widerruf im Wesentlichen damit, dass ein Verstoß gegen die Auflage der Zweckbindung der Verwertung gemäß Ziffer 8 Buchst. b bb des Zuwendungsbescheides vorliege. Der Widerruf stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten und werde unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung ausgeübt, da die von der Klägerin vorgetragenen Gründe keine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Die Beklagte stützte dabei ihren Widerruf auf § 49 Abs. 3 VwVfG. Ausgeführt wurde weiter, dass darüber hinaus auch die Verlegung des Gesellschaftssitzes nach Niedersachsen einen Auflageverstoß darstellen würde und zur Rückforderung führen würde, wobei jedoch der Widerrufsbescheid ausdrücklich auf die fehlende Verwertung gestützt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Widerrufsbescheid verwiesen.

5

Am 13.1.2013 hat die Klägerin Klage erhoben.

6

Die Klägerin trägt vor: Sie bestreite die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts A-Stadt und das sog. „Tatortprinzip“. Sie sei der Auffassung, dass eine Durchführung des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Magdeburg für sie unzumutbar sei und zumindest eine Verweisung an ein Verwaltungsgericht außerhalb von Sachsen-Anhalt bzw. an das Bundesverwaltungsgericht in Betracht zu ziehen sei. Die Ansprüche der Klägerin habe sie an die Privatperson A. abgetreten, was die jüngste Vereinbarung vom 24.4.2014 belege (Bl. 213 der Gerichtsakte). Aus persönlichen Gründen sei es eine unzumutbare Härte, dass in dem vorliegenden Sachverhalt mit einer Vielzahl von Klagen, die durch die verschiedenen Bescheide verursacht worden seien, eine Auseinandersetzung zu erfolgen habe. Es sei es auch völlig unerheblich, ob und in welcher Weise zwischenzeitlich Zahlungen oder Zinszahlungen geleistet worden seien. In materiell-rechtlicher Hinsicht seien die Zuwendungsbescheide von vornherein rechtswidrig gewesen, weil sie unzumutbare Festlegungen und Auflagen enthalten hätten. Es sei nicht zu belegen, dass sie, die Klägerin, im Hinblick auf bestimmte Projekte die Verwertung derselben aufgegeben habe, da nicht konkret auf einzelne Vorhabensprojekte Aussagen von ihr getroffen worden seien. Auch seien die angesprochenen Auflagen nach der Gesetzesgrundlage nicht in zulässiger Weise von der Beklagten angeordnet worden und seien daher unbeachtlich. Im Übrigen könne auch nicht unter Ermessensgesichtspunkten ein Widerruf ausgesprochen werden. Wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 13.1.2013, 27.1.2013, 28.1.2013, 19.2.2013, 20.2.2013, 28.2.2013, 1.3.2013, 4.3.2013, 20.3.2013, 11.4.2013, 29.4.2013, 30.4.2013, 12.5.2013, 13.5.2013, 17.05.2013, 21.5.2013, 31.5.2013, 2.6.2013, 24.6.2013, 25.6.2013, 26.6.2013, 27.6.2013, 5.7.2013, 14.7.2013, 20.7.2013, 20.8.2013, 16.11.2013, 4.12.2013, 23.1.2014, 2.2.2014, 17.2.2014, 12.3.2014, 10.4.2014, 24.4.2014, 13.5.2014 und die gesonderte Klageschrift gem. § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO verwiesen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß bzw. wörtlich,

8

1. die Verweisung an ein Gericht außerhalb des Gerichtsbezirkes des Verwaltungsgerichts A-Stadt,

9

2. die Verweisung an das Bundesverwaltungsgericht auszusprechen,

10

3. im Wege des Eilantrages, dass das Gericht entscheidet, dass die Zwangsklauseln im Zuwendungsbescheid der Beklagten im Zusammenhang mit einem von der Beklagten gewollten Verwertungszwang nach Projektende bzw. nach Abschluss des Vorhabens und des aufgezwungenen Unternehmenssitzes nach Projektende bzw. nach Abschluss des Vorhabens, sowie weitere von der Rechtsgrundlage Richtlinie Patentförderung abweichende und/oder unübliche Auflagen nicht wirksam sind, weil seinerseits gegen hinlänglich bekannte grundlegende Rechtsnormen und Gesetze verstoßen und andererseits keine Willenserklärung der Klägerin zum Verzicht auf ihre grundlegenden Rechte und der anzuwendenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland vorliegt,

11

4. im Wege des Eilantrages der Beklagten mindestens vorübergehend, d. h. bis zur Sicherstellung der ordentlichen Anwendung aller grundlegenden Rechtsnormen und grundlegenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft das Recht auf eigene Rechtsprechung i.S.d. eigenverantwortlichen Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes zumindest für Zuwendungen gemäß der Richtlinie Patentförderung und FOE-Förderung zu entziehen und die vorübergehende Wahrnehmung dieser Tätigkeiten durch das Gericht zu bestimmen,

12

5. festzustellen, dass der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 14.12.2012 zumindestens in Teilen unwirksam seien, weil die Verwaltungsakte (gemäß vorangegangenen Zuwendungsbescheid und Widerruf) gegen hinlänglich bekannte grundlegende Rechtsnormen und Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union verstießen/verstoßen und eine Willenserklärung der Klägerin zum Verzicht auf ihre grundlegenden Rechte nicht vorlag/vorliegt und die Beklagte wissentlich wegen der fehlenden Widerrufsvoraussetzungen das Verfahren mutwillig und missbräuchlich gegen die Klägerin angewendet habe,

13

6. dass das Gericht in seiner Urteilsbegründung alle vorgelegten Beweismittel berücksichtigt,

14

7. festzustellen, dass die Behörde in der Eigenverantwortung steht, keine Verwaltungsakte zu erlassen, die gegen hinlänglich bekannte grundlegende Rechtsnormen und Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union verstoßen und dass sie bei Verstößen gesamtschuldnerisch hafte,

15

8. bei der Bescheidung von Verwaltungsakten in Schriftform die Texte für einen Laien verständlich und nachvollziehbar zu formulieren und die von der Behörde vorgebrachten Tatbestände genau zu benennen und vollumfänglich auszuweisen und die Beweismittel, wie sie die Behörde in den weiteren Verfahren verwenden wolle, genau und voll umfänglich zu bezeichnen,

16

9. festzustellen, dass eine auf Tatsachen und wahrheitsgetreue Verhältnisse zu stützende Entscheidung im Rahmen von Verwaltungsakten kein pflichtgemäßes Ermessen zulasse, weil dadurch die volle Entfaltung der Rechte der Betroffenen sowie die von grundlegenden Gesetzen eingeschränkt bzw. beschnitten sein könnten,

17

10. festzustellen, dass sie, die Klägerin, gegenüber der der Beklagten anvertrauten Weisungsbefugnis und ihrer Befugnis zur eigenen Rechtsprechung gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz unzureichend geschützt gewesen sei, weil die Beklagte ihre Befugnisse zumindest teilweise unzumutbar zum Nachteil der Klägerin angewendet habe und die Gesetzgebung keine Zumutsbarkeitsgrenze vorsehe,

18

11. festzustellen, dass die Beklagte rechtswidrige Klauseln wissentlich in den korrespondierenden Zuwendungsbescheid eingeführt habe, weil sie hinlänglich bekannte Rechtsnormen und Gesetze höheren Ranges (z.B. GG, BGB, EU-Recht) wider besseren Wissens außer Acht gelassen und dadurch die Verletzung grundlegender Rechte der Klägerin billigend in Kauf genommen habe,

19

12. festzustellen, dass die Beklagte am 8.6.2012 von sich aus keine ordentliche Anhörung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz durchgeführt habe,

20

13. dass die Beklagte für weitergehende Verfahren in der Beweispflicht stehe, weil Verwaltungsverfahren gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz, die eine Anhörung implizierten und in deren Ergebnis ein schriftlicher Bescheid erlassen werde und sie, die Klägerin, im Zuge der von der Beklagten angeordneten Anhörung ihren Verpflichtungen zur Aufklärung der tatsächlichen und wahrheitsgetreuen Verhältnisse schon vollumfänglich nachgekommen sei,

21

14. festzustellen, dass die gleichzeitige Zusammenballung von 20 Stück unterschiedlicher Widerrufe und 17 Stück Kostenfestsetzungsbescheiden für sie, die Klägerin i.S. eines Kleinstunternehmens, eine besonders große Härte darstelle,

22

15. festzustellen, dass die Kündigung der Klägerin gegenüber der Beklagten aus wichtigem Grunde wirksam sei, weil eine weitere Zusammenarbeit der Klägerin mit der Beklagten unzumutbar sei,

23

16. festzustellen, dass die Kosten des Verfahrens die Beklagte trage,

24

17. festzustellen, dass die von der Beklagten durch ihren Widerruf und durch ihren Kostenfestsetzungsbescheid unbegründet bei der Klägerin unmittelbar und mittelbar bewirkten Kosten, Aufwendungen und Leistungen Dritter die Beklagte trägt wie auch die im Vorverfahren,

25

18. festzustellen, dass alle im Zusammenhang mit dem Widerruf und dem Kostenfestsetzungsbescheid in Zukunft bei der Klägerin noch entstehenden direkten und indirekten Kosten, Aufwendungen und dergleichen (insofern auch die bei ihr selbst) die Beklagte trage,

26

19. dass eine gütliche Beilegung, ein Vergleich oder dergleichen gem. § 87 VwGO aufgrund der Schwere der von der Beklagten gegen die Klägerin gerichteten Handlung ausgeschlossen sei,

27

20. der Durchführung eines Musterverfahrens gem. § 93 a VwGO könne vorerst nicht zugestimmt werden, weil dadurch aufgrund einer begründeten Sorge die Rechte der Klägerin eingeschränkt seien; sie, die Klägerin, gehe unter Bezugnahme auf den vorliegenden Schriftsatz davon aus, dass die Beklagte weitere Überraschungen parat haben könnte,

28

21. die Berufung zuzulassen.

29

Die Beklagte beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin unter Bezugnahme auf den streitbefangenen Bescheid im Einzelnen entgegen und vertritt die Auffassung, dass weder die Voraussetzungen für einen Klägerwechsel gegeben seien noch in rechtlicher Hinsicht der streitbefangene Bescheid zu beanstanden sei.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

33

Das Gericht konnte im Termin vom 20.5.2014 über die Klage auch in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da die Klägerin mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung hierauf gem. § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen und ein persönliches Erscheinen nicht gem. § 95 VwGO angeordnet wurde.

34

Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2012 zulässig, im übrigen unzulässig, da für subsidiäre Feststellungsbegehren kein Raum bleibt und die Klage gegen den ursprünglichen Zuwendungsbescheid aufgrund dessen Bestandskraft unzulässig ist.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier die sachliche, instanzielle und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts A-Stadt gegeben. Es sind keine Umstände ersichtlich, die auch nur annähernd eine anderweitige Zuständigkeit nach sich ziehen könnten. Das Verwaltungsgericht Magdeburg ist gem. § 52 Nr. 1 VwGO zuständig, da es sich bei Streitigkeiten in Subventionsverfahren um Streitigkeiten handelt, die sich auf unbewegliches Vermögen bzw. ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen und demnach nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. Diese Zuständigkeitsregelung gilt auch bei dem Widerruf von Zuwendungen, da es sich hier eindeutig um Förderungen im Bereich von A-Stadt handelt und damit die Ortsgebundenheit gegeben ist. Es ist auch nicht entgegen der Auffassung der Klägerin ein anderes Verwaltungsgericht außerhalb Sachsen-Anhalts bzw. das Verwaltungsgericht Braunschweig zur Entscheidung zu berufen. Wie das erkennende Gericht bereits im Beschluss vom 23.7.2013 ausgeführt hat, ist gem. § 52 Nr. 1 VwGO nach der Belegenheit der vorhandenen Subventionsstätte und der später daraus resultierenden Rückforderung aufgrund der Ansiedlung in A-Stadt nur das Verwaltungsgericht Magdeburg zuständig. Diese Zuständigkeitsregelung kann auch nicht dadurch verändert werden, dass der Geschäftsführer der Klägerin im Hinblick auf eine von ihm angenommene Abtretung und deren Wirksamkeit, die von ihm unterstellt wird, von einer Gerichtsstandsvereinbarung bezüglich Braunschweig spricht. Die Frage der Zuständigkeit im Verwaltungsrecht steht nicht zur Disposition der Beteiligten, so dass auch aufgrund einer Vereinbarung an ein außerhalb von A-Stadt gelegenes Verwaltungsgericht keine anderweitige Zuständigkeit begründet wird.

36

Auch eine Verweisung an das Bundesverwaltungsgericht kommt nicht in Betracht. Gem. § 45 VwGO ist das Verwaltungsgericht zur Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig über die Streitigkeiten, für die der Verwaltungsrechtsweg offen steht. Die gewünschte Verweisung an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht gegeben, da eine instanzielle Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gem. § 49 VwGO nicht besteht; denn das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Rechtsmittel der Revision gegen Urteile des Oberverwaltungsgerichts, die Revision gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts und die Beschwerde nach §§ 99 Abs. 2, 133 Abs. 1 VwGO sowie in Verfahren nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG. Eine sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gem. § 50 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Die grundsätzlich gem. § 53 VwGO bestehende Möglichkeit, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit weiteren Rechtsstreitigkeiten beschäftigt, ist an enge, hier nicht gegebene Voraussetzungen geknüpft. Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist jeder am Rechtsstreit Beteiligte und jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht befugt, die im Rechtszug handelnden Gerichte oder das Bundesverwaltungsgericht anzurufen. Eine direkte Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts von Klägerseite und eine irgendwie geartete positive Entscheidung, dass sich das Bundesverwaltungsgericht für zuständig erklärt, liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht sieht auch keine Veranlassung, das Bundesverwaltungsgericht anzurufen. Es handelt sich um ein Subventionsverhältnis, für welches grundsätzlich die instanzielle Zuständigkeit des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts A-Stadt gegeben ist. Die zu entscheidenden Rechtsfragen, die von den Beteiligten kontrovers diskutiert werden, sind einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugänglich und von diesem zu entscheiden. Entgegen der vorgetragenen Argumentation von Klägerseite ist hier unabhängig von der Frage, ob dieser Fall überhaupt geeignet ist, die instanzielle Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu begründen, nicht von einer Unzumutbarkeit oder Unverhältnismäßigkeit oder gar einer überdimensionalen Belastung auf Klägerseite auszugehen. Wenn - wie hier - mehrere Bescheide über eine Rückforderung ergangen sind, so ist es zumutbar, sich gegen diese Bescheide im Einzelnen zu wenden, zumal auch von Klägerseite anfangs auf die Gleichförmigkeit der Bescheide hingewiesen worden ist und auch die Argumentation der Klägerin in allen Verfahren bisher gleich ist.

37

Soweit aus klägerischer Sicht das Verwaltungsgericht Magdeburg bisher nicht i.S. der Klägerseite gehandelt hat bzw. nicht schnell genug, ist dies dem Umstand geschuldet, dass vor dem klägerischen Verfahren noch 100 andere zeitlich vorrangige Verfahren zu entscheiden waren und demgemäß auch die Bearbeitung der Klageverfahren einen längeren Zeitraum in Anspruch nahm, ohne dass damit hier irgendwelche negativen Entscheidungen für die Klägerseite verbunden sind. Die rechtliche Erwägung, dass die Erfolgsaussichten der Klage als gering einzuschätzen sind, war kein Umstand, der zu einer Unzumutbarkeit der Durchführung der Verfahren am Verwaltungsgericht Magdeburg führen würde. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts liegen keine Gründe vor, die in irgendeiner Weise geeignet sind, auf eine Voreingenommenheit oder gewollte Beeinträchtigung der Klägerin schließen zu lassen, so dass der Antrag auf Verweisung an das Bundesverwaltungsgericht und dessen Anrufung abzulehnen ist. Das Gericht verweist im Übrigen auf den bereits ergangenen Beschluss vom 17.6.2013 (Bl. 113 der Gerichtsakte).

38

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vermeintlichen Abtretung des streitgegenständlichen Anspruchs an den Geschäftsführer der Klägerin. Bei der zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer geschlossenen Vereinbarung handelt es sich nicht um eine Abtretung i. S. v. § 398 BGB. Die Klägerin ist nicht Gläubigerin, sondern Schuldnerin des Rückforderungsanspruchs. Die Übertragung einer Schuld richtet sich nach § 414 ff. BGB und hängt gem. § 415 Abs. 1 BGB von der Genehmigung der Gläubigerin ab. Die Gläubigerin - hier die Beklagte - hat ihre Genehmigung zunächst konkludent verweigert, indem sie einer Klageänderung ausdrücklich widersprochen hat. Im Termin hat sie eine Schuldübernahme abgelehnt. Es kann somit dahin stehen, ob sich eine Schuldübernahme überhaupt auf die Adressateneigenschaft der Klägerin und damit auf die örtliche Zuständigkeit ausgewirkt hätte, da bereits zielgerichtet keine Schuldübertragung stattgefunden hat. Im wohlverstandenen Interesse der Klägerin ist das Gericht auch der Auffassung, dass quasi Geschäftsgrundlage der Abtretungsvereinbarung hier das Vorliegen einer wirksamen, allerdings nicht gegebenen Abtretung ist, so dass die Klägerin nach wie vor als Klägerin dieses Verfahrens auftritt und nicht der Geschäftsführer der Klägerin in seiner Eigenschaft als Privatperson, mag auch eine solche Erklärung objektiv betrachtet vorliegen. Da allerdings die Geschäftsgrundlage „wirksame Abtretung der früheren Schuldnerin“ nicht gegeben ist, ist quasi gleichsam für eine Abtretung die Geschäftsgrundlage entfallen, so dass sich das Gericht auch nicht mit der weitergehenden Frage einer etwaigen wirksamen Klageänderung auseinandersetzen muss, sondern als Klägerin dieses Verfahrens nach wie vor die A. GmbH führt.

39

Die Klage wird auch unter dem Gesichtspunkt, dass, wie die Beklagte im Termin dargelegt hat, zwischenzeitlich bereits eine vollständige Zahlung erfolgt ist, als zulässig angesehen, da nach der Diskussion von Klägerseite dort nach wie vor davon ausgegangen wird, dass der zugrundeliegende Zuwendungsbescheid und auch die Rückforderung rechtswidrig sein sollen.

40

Materiell ist dies jedoch nicht der Fall. Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen stellt das Gericht fest, dass es den Feststellungen und der Begründung des Widerrufsbescheides in vollem Umfang folgt, und sieht insoweit gem. § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Lediglich im Hinblick auf das schriftsätzliche Vorbringen im Gerichtsverfahren ist zu ergänzen:

41

Der maßgebliche Zuwendungsbescheid mit den darin enthaltenen Auflagen ist bestandskräftig geworden. Die Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft hätte nur durch eine Klageerhebung erfolgen können, was hier jedoch eindeutig nicht der Fall ist. Damit ist Bestandteil des Zuwendungsbescheides die Auflage gem. Ziff. 8 b bb. Danach war die Klägerin verpflichtet, das Ergebnis des geförderten Vorhabens/Projektes für die Dauer von mindestens 5 Jahren ab dem Ende des Bewilligungszeitraumes zu verwerten. Soweit die Klägerin der Sache nach geltend macht, der Widerruf wegen Nichterfüllung der Auflage sei rechtswidrig, weil diese Auflage im Zuwendungsbescheid rechtswidrig sei, kann dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

42

Die Rechtmäßigkeit des Zuwendungsbescheides ist nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 49 RdNr. 12 m.w.N.). Im Hinblick darauf ist für die Annahme der Widerrufsbefugnis auch nicht erforderlich, dass die erteilten Auflagen in einem bestandskräftigen Zuwendungsbescheid rechtmäßig sind (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 49 RdNr. 38 a m.w.N.). Ist der Zuwendungsbescheid bestandskräftig geworden, wird die Rechtmäßigkeit der Auflage bei seinem Widerruf im Grundsatz nicht mehr geprüft (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 49 RdNr. 72). Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Ausübung des Ermessens. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die Behörde bei Ausübung des Widerrufsermessens die Gültigkeit einer Nebenbestimmung grundsätzlich zugrunde legen kann und nicht verpflichtet ist, erneut die Rechtmäßigkeit zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1989 - 3 C 30/87 -, zit. nach juris; Sächs. OVG, Beschl. v. 24.1.2013 - 1 A 147/1 -). Ob im vorliegenden Fall ausnahmsweise etwas anderes anzunehmen ist, wenn die in Rede stehenden Auflagen offensichtlich rechtswidrig sind, ohne dass bereits die Grenze zur Nichtigkeit überschritten ist, kann hier dahinstehen, weil die Klägerin im vorliegenden Fall eine derartige Ausnahmesituation nicht hinreichend dargelegt hat. Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist daher aufgrund der Bestandskraft des Zuwendungsbescheides und des verstrichenen Zeitraumes eine Überprüfung des Zuwendungsbescheides rechtlich nicht mehr möglich. Die Klage ist insoweit unzulässig.

43

Zu dem Gesichtspunkt der mangelnden Verwertung (Auflage) konnte die Klägerin sich auch hinreichend äußern, unabhängig davon, ob aus formellen Gründen etwa die Anhörung, wie sie auf Seiten der Beklagten erfolgt ist, in der von der Klägerin geschilderten Art und Weise abgelaufen ist und möglicherweise Zweifel an der Korrektheit der Anhörung bestehen. Unabhängig von der Frage der persönlichen Anhörung hatte die Klägerin hinreichende Gelegenheit, sich auch schriftlich zu den allein entscheidungserheblichen Problemen der Verwertungsbefugnis zu äußern, so dass auch aus formellen Gründen keine Bedenken gegen die Widerrufsentscheidung bestehen, zumal Gelegenheit zur Nachholung einer Stellungnahme bestand und damit etwaige Anhörungsmängel gem. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG als geheilt anzusehen sind.

44

Die Rechtmäßigkeit der Auflage war auch aus vorstehenden Gründen im Rahmen der Widerrufsentscheidung nicht zu prüfen. Die Auflage ist insbesondere nicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist gem. § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Es ist jedoch kein schwerwiegender Fehler ersichtlich, geschweige denn ist von einer Offensichtlichkeit die Rede. Die Beifügung entsprechender Auflagen ist dem Gericht auch aus anderen Subventionsverfahren in hinreichendem Maße bekannt und trägt die Situation, dass einem Verwaltungsakt auch Auflagen beizufügen sind, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Patentförderungsrichtlinie diese Befugnis enthält. Nach dem aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Schriftverkehr ist es nach Auffassung des Gerichtes deutlich ersichtlich, dass hier von Seiten der Klägerin gegen die Auflage des Verwertungsverbotes verstoßen worden ist. Im Schriftsatz vom 27.6.2012 findet sich deutlich die Aussage, dass schon im Jahre 2010 die gesamten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf unbestimmte Zeit eingestellt worden sind. Auch wenn in diesem Zusammenhang kein direkter Bezug zu einem einzelnen Projekt hergestellt worden ist, ergibt sich aus der Formulierung der Einstellung der gesamten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, dass in allen geförderten Projekten eine Einstellung der Verwertung erfolgt ist. Jede andere Interpretation wäre gekünstelt und würde sich nicht mit dem Wortlaut des Schreibens decken. Auch im Schriftsatz vom 13.8.2012 wird ausgeführt, dass eine Wiederaufnahme und zu welchem Zeitpunkt fraglich ist, so wie es nach Auffassung des Gerichts feststeht, dass hier von Seiten der Klägerin gegen die Auflage verstoßen worden ist. Wenn in diesem Zusammenhang von Seiten der Beklagten noch kurz auf die Maßgeblichkeit des Geschäftssitzes in A-Stadt hingewiesen wird, so ist dies ohne Bedeutung, da doch von tragender Entscheidung das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Verwertungsverbot gegeben ist und unstreitig es zu einer Verlegung des Betriebssitzes nicht gekommen ist, so dass die Ausführungen hierzu lediglich noch ergänzenden Charakter haben, ohne dass in dem fraglichen Bescheid darauf tragend abgestellt wird.

45

In diesem Zusammenhang ist auch hinreichend dargestellt worden, dass sich die Widerrufsbefugnis aus § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG ergibt und der Rückforderungs- sowie der Zinsanspruch aus § 49 a Abs. 1 bzw. 3 VwVfG.

46

Im Übrigen hat die Beklagte die von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nach § 114 VwGO – auch durch ihre Ausführungen im Gerichtstermin gem. § 114 S. 2 VwGO – berücksichtigt und ermessensfehlerfrei gewürdigt. Die Zuordnung der vorgebrachten Tatsachen zur unternehmerischen Risikosphäre der Klägerin begegnet keinerlei Bedenken von Seiten des Gerichts. So ist es ständige Rechtsprechung der Kammer, dass Unterkapitalisierung sowie arbeitsrechtliche Risiken keine Einflüsse darstellen, die von einem Widerruf abzusehen vermögen. Für die behaupteten Verfehlungen anderer Art liegen keine Anhaltspunkte vor.

47

Darüber hinaus sind keinerlei Aspekte ersichtlich, die in Anbetracht der bestehenden Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Auch im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten zum sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit Haushaltsmitteln aus § 7 LHO LSA ist hier keine rechtmäßige anderweitige Handlungsalternative als der Widerruf der bewilligten Fördermittel ersichtlich.

48

Die Ermessensentscheidung der Beklagten zum vollständigen Widerruf des Zuwendungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit war daher auch materiell rechtmäßig. Der Erstattungs- und Zinsanspruch ist zwingende Rechtsfolge des Widerrufs und lag nicht im Ermessen der Beklagten. Die Festsetzung des Erstattungsbetrages erfolgte wie in § 49 a Abs. 1 Satz 2 VwVfG vorgesehen ordnungsgemäß durch schriftlichen Verwaltungsakt. Unter Beachtung der Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG erfolgte die Rückforderung, da die Klägerin hinreichend die Auflage zur Einhaltung der Verwertungsbefugnis kannte und sich daran nicht gehalten hat.

49

Die Klage ist daher insgesamt unbegründet, da auch die sonstigen Argumente von Klägerseite keine positive Entscheidung rechtfertigen und die nur schriftsätzlich angekündigten und nicht gem. § 103 Abs. 3 VwGO, §§ 173 VwGO i.V.m. § 128 Abs. 1, 137 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO gestellten Anträge zudem auch teilweise prozessuale Anträge waren und im Übrigen lediglich Rechtsmeinungen der Klägerin wiedergeben und sich aufgrund der vorliegenden Entscheidung die Ablehnung der Anträge insgesamt ergibt.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

51

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

52

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 GKG und orientiert sich an dem geforderten Widerrufsbetrag.

53

Gründe für eine von Klägerseite begehrte Zulassung der Berufung i.S.v. § 124 VwGO sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.


Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom ...5.2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ...5.2015 wird wiederhergestellt, im Hinblick auf Ziffer 3 des Bescheides (Androhung eines Zwangsgeldes) angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Jahr ... geborene Antragsteller ist (einziger) Vorstand des eingetragenen Vereins „... e.V.“ mit Sitz in ... Satzungsgemäß verfolgt der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Der Vereinszweck besteht nach der Satzung in der Förderung der Jugendhilfe und des Sports in den Bereichen Freizeit, Sport und Soziales; dieser Zweck wird in erster Linie verwirklicht durch das Abhalten von Sportunterricht sowie Veranstaltungen von Kursen, Seminaren, Freizeit-, Bildungs- und Sprachaufenthalten im In- und Ausland. Der Verein ist selbstlos tätig (§ 3 der Satzung, Bl. 9 der Behördenakte zum Az. M 22 K 15.2056).

Der Verein wird von der Antragsgegnerin (Referat für Bildung und Sport) gefördert.

Der Antragsteller ist im Gewerberegister der Antragsgegnerin mit dem Gewerbe „Durchführung von Reisveranstaltungen“, dem Gewerbe „Organisation von/im Reiseveranstaltungen“ und dem Gewerbe „Erteilung von Sportunterricht“ gemeldet.

Im Rahmen der beiden ersteren Gewerbe bietet er dem Verein die Vorbereitung, Organisation und Durchführung von Feriencamps für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren überwiegend in einem ihm gehörenden Ferienhaus in ... am ... in ... an; diese Dienstleistung stellt er dem Verein in Rechnung (Bl. 1 der Behördenakte zum Klageverfahren M 22 K 15.20556 und Bl. 15 der Gerichtsakte). Im Rahmen des letzteren Gewerbes erteilt der Antragsteller als Cheftrainer und „...“ Kindern und Jugendlichen ...-unterricht bei der von ihm betriebenen Sportschule „...“ in ... Die Teilnehmer am Sportunterricht werden gleichzeitig Mitglied im Verein. Die Unterrichtsgebühren werden einschließlich der darin enthaltenen Vereinsbeiträge an die Sportschule bezahlt; den Vereinsanteil führt der Antragsteller dann an den Verein ab (siehe Schriftsatz des Antragstellers vom ...11.2015).

Während des Freizeitcamps in ... vom ...8.2014 bis zum ...8.2014 soll es zu fortgesetzten sexuellen Übergriffen des Antragstellers auf zwei von ihrer Mutter angemeldete Campteilnehmer, nämlich zwei ...-jährige Kinder (...), gekommen sein. Nach den Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden, die gegen den Antragsteller wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB ermitteln (siehe Az. ...), habe der Antragsteller die Kinder gegen deren Widerstand mehrfach, fast jeden Tag, auf den Mund geküsst, die nur mit Badehose bekleideten Kinder im Genitalbereich berührt und am Penis gestreichelt; er habe einem Kind auch einmal „einen heruntergeholt“. Einmal habe der Antragsteller ein Kind auch aufgefordert, seinen - des Antragstellers - steifen Penis zu berühren. Er habe sich auch auf die Kinder gelegt. Bereits auf der Hinfahrt zum Camp mit dem Bus habe der Antragsteller einem Kind seine Hand auf das Gesäß gelegt und dort massiert. Nach Abschluss des Camps habe der Antragsteller weiter den Kontakt zu den bei ihrer Mutter in ... wohnenden Kindern gesucht und zu einem Schwimmbadbesuch und in seine private Wohnung nach ... eingeladen, bevor die Kinder mit ihrer Mutter Ende August 2014 nach ... verzogen. In der Wohnung sei es zu Übergriffen des Antragstellers auf eines der Kinder gekommen. Auch nach dem Umzug nach ... habe der Antragsteller Kontakt zu den Kindern gehalten. Dieser fortbestehende Kontakt habe die Mutter stutzig gemacht und zu näherer Aufklärung der Situation veranlasst. Die Ermittlungsbehörden stützen ihre - vom Antragsteller stets bestrittenen - Vorwürfe auf die Vernehmung der beiden Kinder durch die Jugendbeamtin der Polizeiinspektion ..., durch einen Beamten des Fachkommissariats ... und durch den Ermittlungsrichter, sowie auf die Vernehmung der Mutter der Kinder. Der ermittelnde Staatsanwalt hält die Einlassungen für absolut glaubhaft.

Die Strafverfolgungsbehörden informierten die Antragsgegnerin über die Ermittlungen.

Mit Bescheid vom ...5.2015 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, bis zum Abschluss des Ermittlungs-/Strafverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Kontakt mit Kindern aufzunehmen; insbesondere dürfe er sich nicht mit Kindern ohne Anwesenheit der Erziehungsberechtigten in seiner Wohnung, in anderen Räumen, Fahrzeugen, Schwimmbädern, Kinos oder an abgelegenen Orten aufhalten. Im Besonderen sei ihm die Durchführung und Planung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, untersagt (Ziffer 1 des Bescheides). Für den Fall eines Verstoßes gegen die Ziffer 1 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld von 2.000 Euro angedroht (Ziffer 3 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet (Ziffer 2 des Bescheides).

In seiner Begründung bezieht sich der Bescheid auf die polizeilichen Erkenntnisse. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller pädophil veranlagt sei und sich auch künftig wiederholt Kindern zum Zweck der Befriedigung seiner sexuellen Neigungen nähern werde und damit den Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB erfüllen werde. Die Kinder hätten Anspruch darauf, vor dem Antragsteller geschützt zu werden. Rechtsgrundlage für den Bescheid sei die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG (Verhütung weiterer einschlägiger Straftaten und Gefahren). Das Kontaktverbot sei auch verhältnismäßig. Es betreffe nicht die Tätigkeiten des Antragstellers in Kontakt mit Jugendlichen und Erwachsenen und sei bis zum Abschluss des Ermittlungs-/Strafverfahrens befristet; eine dann eventuell vorliegende Änderung der Bewertung könne dann berücksichtigt werden. Das dringliche Schutzinteresse der Kinder erfordere auch die sofortige Geltung des Kontaktverbots.

Zur Niederschrift der Geschäftsstelle erhob der Antragsteller am ...5.2015 Klage gegen den Bescheid vom ...5.2015 und beantragte dessen Aufhebung (Aktenzeichen des Klageverfahrens M 22 K 15.2056). Gleichzeitig beantragte der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wieder herzustellen bzw. anzuordnen.

Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit. Der Bescheid gefährde seine Existenz, da die meisten Teilnehmer an den Feriencamps und dem ...-training Kinder seien. In der Folge verwies er auf seine jahrzehntelange beanstandungsfreie Arbeit mit Kindern. Er verwies auf zahlreiche Dankesbekundungen von Eltern und Erklärungen von Kollegen. Er sei nicht pädophil.

Mit Schriftsatz vom ...6.2015 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Sie folge der Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Ermittlungsbehörden. Die Existenz des Antragstellers sei nicht gefährdet.

Das Gericht hat die Ermittlungsakte ... angefordert sowie die Staatsanwaltschaft um die Mitteilung des aktuellen Stands des Ermittlungsverfahrens und ihrer Einschätzung gebeten. Danach besteht strafrechtlich keine geänderte Situation, es werde in absehbarer Zeit Anklage erhoben.

Mit ausführlichem Hinweisschreiben vom 5.10.2015 äußerte das Gericht gegenüber der Antragsgegnerin Bedenken zur Rechtmäßigkeit des Bescheides. Soweit der Bescheid in der Sache einen gewerblichen Kontakt des Antragstellers mit Kindern untersage, sei die zutreffende Rechtsgrundlage § 35 GewO (Teiluntersagung) und nicht die sicherheitsrechtliche Generalklausel. Im Übrigen bedürfe ein präventives Kontaktverbot einer einzelfallbezogenen und durch eine Fachstelle gestützten tragfähigen Prognose dahingehend, dass der Antragsteller in der Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit weitere einschlägige Straftaten begehen werde; dabei könne entsprechend der Beurteilung der Strafverfolgungsbehörden von einem relevanten Verdacht ausgegangen werden, dass die Straftaten im Feriencamp August 2014 wie geschildert geschehen sind.

Das Gericht empfahl der Antragsgegnerin eine entsprechende Nachbesserung in einem neuen Bescheid.

Die Antragsgegnerin hielt im Schriftsatz vom ...10.2015 an ihrem Bescheid fest.

Gewerberecht sei nicht einschlägig, da der Antragsteller in seiner Eigenschaft als (einziger) Vereinsvorstand und nicht als Gewerbetreibender die Feriencamps organisiere und den ...-unterricht erteile. Die Abrechnung zwischen dem Verein und dem Antragsteller als Gewerbetreibenden sei vor dem Hintergrund des § 181 BGB (verbotenes Insichgeschäft) nichtig. Im Übrigen erlaube § 35 GewO nach der auch verwaltungsgerichtlich bestätigten Praxis nur die Untersagung nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung. Schließlich sei eine Untersagung nach § 35 GewO auf eine „dauerhafte“ Maßnahme ausgelegt. Bei positivem Ausgang seines strafrechtlichen Verfahrens müsse der Antragsteller den aufwändigen Weg des Wiedergestattungsverfahrens gehen. Der sicherheitsrechtliche Weg sei demgegenüber flexibler und für den Antragsteller verhältnismäßiger.

Die zutreffende Prognose eines Rückfalls des Antragstellers sei der Antragsgegnerin auch ohne vorherige Einholung einer fachgutachterlichen Stellungnahme möglich gewesen. Die Antragsgegnerin verwies auf Erkenntnisse von Prof. Dr. Dr. ..., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker und Professor für Sexualwissenschaft am ...-klinikum ..., die im Internet unter www...de veröffentlicht seien („5 Fragen an … Prof. Dr. Dr. ...“). Danach würden Täter mit einer pädophilen Präferenzstörung ein besonders hohes Risiko aufweisen, im weiteren Lebensverlauf wieder Taten zu begehen. Bei einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 25 Jahren liege die Rückfallwahrscheinlichkeit für diese Gruppe bei 80%, wobei sich die meisten der erneuten Übergriffe im Dunkelfeld ereigneten, also nicht justizbekannt würden. Diese Erkenntnisse seien im Bescheid zwar nicht erwähnt worden, hätten aber der Prognose zugrunde gelegen.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten, auch die des Hauptsacheverfahrens M 22 K 15.2056, verwiesen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO bestehende aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage, wenn die Behörde - wie vorliegend - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet hat.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung unter Abwägung des von der Behörde geltend gemachten Interesses an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und des Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Der angefochtene Bescheid vom ...5.2015 erweist sich als voraussichtlich rechtswidrig.

1. Soweit der Bescheid vom ...5.2015 dem Antragsteller insbesondere (und explizit) auch die Durchführung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, verbietet, d. h. auch die vom Antragsteller betriebene Organisation und Durchführung von Feriencamps, an denen Kinder teilnehmen, und den ...-unterricht von Kindern untersagt, ist dieser Regelungsteil schon wegen Heranziehung der falschen Rechtsgrundlage rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für diesen Regelungsteil wäre § 35 GewO gewesen und nicht die vom Bescheid herangezogene allgemeine sicherheitsrechtliche Eingriffsnorm des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG. Letztere Bestimmung wird gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LStVG durch die spezielle gewerberechtliche Eingriffsnorm des § 35 GewO verdrängt. Ein „Austausch“ der falschen Rechtsgrundlage durch die zutreffende ist schon deswegen nicht möglich, da es sich bei Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG um eine Ermessensentscheidung handelt, bei § 35 GewO dagegen um eine gebunden Entscheidung.

Die gewerberechtliche Untersagungsnorm des § 35 GewO ist die zutreffende Rechtsgrundlage für den genannten Regelungsteil des Bescheides. Der Sache nach wird nämlich durch diesen Regelungsteil eine Teiluntersagung des vom Antragsteller im Gewerberegister angemeldeten Gewerbes „Erteilung von Sportunterricht“ (hier Trainer im ...) und der weiter angemeldeten Gewerbe „Durchführung von Reiseveranstaltungen“ und „Organisation von/im Reiseveranstaltungen“ (hier Organisation und Durchführung von Ferienveranstaltungen in ... in ...) ausgesprochen. Dem Antragsteller wird nur im Hinblick auf den Kontakt mit Kindern die Ausübung seiner Gewerbe untersagt, im Hinblick auf Jugendliche und Erwachsene dagegen nicht. Eine solche Regelung ist der Sache nach eine Teiluntersagung nach § 35 GewO (vgl. das Beispiel bei Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 2011, § 35 Rn. 147: Beschränkung der Untersagung auf die Ausbildung weiblicher minderjähriger Auszubildender, wenn die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf sexuellen Handlungen gegenüber diesem Personenkreis beruht; siehe auch VG Stuttgart, Beschluss vom 21.1.2011, Az. 4 K 5220/10: Beschränkung der Untersagung auf die Unterrichtung und Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Rahmen des gewerblich ausgeübten Schachunterrichts wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften). Daher wäre für den genannten Regelungsteil des Bescheides die Bestimmung des § 35 GewO heranzuziehen und auf dieser Grundlage zu prüfen gewesen, ob sie die Regelung trägt oder nicht und ob ein Sofortvollzug angeordnet werden kann oder nicht.

Der Einwand der Antragsgegnerin, die Tätigkeit des Antragstellers sei nicht gewerberechtlich, sondern rein vereinsrechtlich zu qualifizieren, geht fehl. Wie das Abrechnungsmodell zwischen dem Verein und dem Antragsteller belegt, fungiert der Antragsteller bei der Organisation der Feriencamps gegenüber dem Verein als gewerblicher Leistungserbringer. Diese Dienste stellt er dem Verein in Rechnung, und vom Verein erhält er auch sein Honorar. Ob diese Abrechnungspraxis vor dem Hintergrund des § 181 BGB zivilrechtliche Probleme im Hinblick auf die Wirksamkeit der vertraglichen Beziehungen aufwirft, ist für das hier allein maßgebliche faktische Dienstleistungsverhältnis zwischen dem Antragsteller als Gewerbetreibenden und dem Verein nicht von Bedeutung. Diese Frage und überhaupt die Doppelrolle des Antragstellers als einziger Vertreter des Vereins und zugleich als gewerbetreibender Dienstleistungserbringer für den Verein mag allenfalls im Hinblick auf die an den Verein geleisteten Fördergelder aus öffentlichen Kassen Klärungsbedarf auslösen. Ebenso verhält es sich mit dem ...-training des Antragstellers in der von ihm betriebenen ...-schule in ...

Ebenso wenig trifft der Einwand der Antragsgegnerin zu, § 35 GewO böte keine flexible und verhältnismäßige Reaktion auf die inmitten stehende Gefahrenlage. Dieser Einwand betrifft schon nicht die zutreffende Wahl der Rechtsgrundlage. Wie oben ausgeführt ist für den genannten Regelungsteil § 35 GewO einschlägig, so dass ausschließlich anhand dieser Bestimmung die rechtliche Darstellbarkeit der Regelung zu prüfen ist unabhängig davon, ob die Vorschrift in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen die intendierten flexiblen Lösungen bietet oder nicht. Es ist aber zu bemerken, dass, wie schon das Institut der Teiluntersagung zeigt, § 35 GewO durchaus offen ist für ein differenziertes Vorgehen. Unter dem selbstverständlich auch im Gewerberecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind neben der Teiluntersagung auch Abmahnungen oder Auflagen oder zeitliche Begrenzungen von Maßnahmen möglich (siehe Pielow in BeckOK GewO § 35, Rn. 36 ff.). Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Maßnahmen nach § 35 GewO ist nicht ausgeschlossen, wie die der Antragsgegnerin mitgeteilten Beispiele aus der gewerberechtlichen Rechtsprechung zweier Verwaltungsgerichte zeigen (siehe wie schon erwähnt VG Stuttgart, Beschluss vom 21.1.2011, Az. 4 K 5220/10: Bestätigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Teiluntersagung der Unterrichtung und Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Rahmen des gewerblichen Schachunterrichts wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften; siehe auch VG Magdeburg, Beschluss vom 22.3.2004, Az. 3 B 31/04 MD: Bestätigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Untersagung der Ausübung des Gewerbes „Ausführen von Theaterprojekten sowie Puppentheater“ wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern; siehe zur letzteren Entscheidung auch die Hauptsacheentscheidung des VG Magdeburg, Urteil vom 28.6.2007, Az. 3 A 61/05). Die Ergreifung von Maßnahmen nach § 35 GewO setzt schließlich nicht zwingend rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen voraus (so ausdrücklich VG Stuttgart, Beschluss vom 21.1.2011, Az. 4 K 5220/10).

2. Soweit der streitgegenständliche Bescheid über die gewerberechtliche Regelung hinausgehend dem Antragsteller auch eine Kontaktaufnahme mit Kindern im privaten Bereich verbietet, zieht der Bescheid zutreffend Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG als Rechtsgrundlage heran, da vorrangige spezielle gesetzliche Eingriffsbefugnisse insoweit nicht bestehen.

Freilich ist es unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes nicht ohne Problem, ein Kontaktverbot wie das hier verfügte auf die allgemeine sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG zu stützen. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes betrifft nämlich nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch wie weit diese Regelung im Einzelnen zu gehen hat, also wie bestimmt und in welcher Regelungsdichte das Gesetz den Eingriff der Exekutive vorzeichnen muss (siehe hierzu Jarass/Pieroth, GG, 2014, Art. 20 Rn. 54 und Maunz/Dürig/Herzog, GG, 2007, Art. 20 Abs. 3 Rn. 111 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Anforderungen an die inhaltliche Regelungsdichte des Gesetzes mit der Intensität des Grundrechtseingriffs steigen: je intensiver der Grundrechtseingriff ausfällt, desto inhaltlich detaillierter muss die parlamentsgesetzliche Regelung ausfallen (Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 111; BVerfGE 8, 274, 325). So hat etwa das Bundesverfassungsgericht erhebliche Zweifel geäußert, ob die Anordnung einer rund um die Uhr vorzunehmenden Dauerobservation eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Gewalttäters auf eine polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne: es handele sich wohl um eine neue Form einer polizeilichen Maßnahme, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden sei und aufgrund ihrer weitreichenden Folgen möglicherweise einer ausdrücklichen, detaillierten Ermächtigungsgrundlage bedürfe (BVerfG, Beschluss vom 8.11.2012, Az. 1 BvR 22/12; siehe auch nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 13.1.2014, Az. 6 B 59/13). Das BVerfG hat jedoch ausgeführt, dass es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, „wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die Generalklausel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansehen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführen. Der Sache nach verstehen sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermöglicht, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grund genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichen so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies ist - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen werden“ (BVerfG a. a. O.).

Das erkennende Gericht hält die hier getroffene Maßnahme des Kontaktverbots zu Kindern für eine durchaus erhebliche Einschränkung der grundrechtlichen Freiheit des Antragstellers, die zwar nicht den Grad der dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Maßnahme der Dauerobservation erreichen dürfte, aber ebenso wohl nicht auf die Rechtsgrundlage der sicherheitsrechtlichen Generalklausel gestützt werden kann, sondern einer Spezialbefugnis bedarf (siehe zu polizeirechtlichen Spezialregelungen des Kontaktverbots im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt in anderen Bundesländer Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 2010, Art. 16 PAG Rn. 6). Jedenfalls vor dem Hintergrund des hohen Ranges des Schutzes von Kindern vor sexuellem Missbrauch kann aber die Generalklausel in einer Übergangszeit bis zu einer Regelung der Thematik durch den Landesgesetzgeber als Grundlage herangezogen werden. Die Sicherheitsbehörden müssen imstande sein, auf neue, vom Gesetzgeber noch nicht bedachte Lagen zu reagieren; sie sind insoweit auf eine, wenn auch begrenzte „Befugnisreserve“ angewiesen (siehe Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2015, Rn. 284). Allerdings wird der Bescheid nicht der von der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG geforderten tragfähigen Prognose eines Rückfalls des Antragstellers gerecht.

Die Norm des Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG erfordert eine tragfähige Prognose dahingehend, dass der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft Straftaten von der Art, wie sie Gegenstand der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen sind, begehen wird oder von ihm sonstige einschlägige Gefahren ausgehen werden; diese Prognose ist im Übrigen auch bei der Prüfung des § 35 GewO anzustellen (siehe oben Nr. 1).

Dabei kann derzeit wie die Strafverfolgungsbehörden von einem relevanten Verdacht ausgegangen werden, dass die - vom Antragsteller stets bestrittenen - Vorkommnisse im Rahmen des Ferienlagers 2014 in ... so geschehen sind, wie sie von den beiden Kindern in den Vernehmungen vor der Polizei am ...2.2015 vormittags (Jugendbeamtin der Polizeiinspektion ...) und am ...2.2015 nachmittags (Beamter des Fachkommissariats ...) sowie vor dem Ermittlungsrichter am ...4.2015 geschildert wurden (siehe hierzu die strafrechtlichen Ermittlungsakten Bl. 4, Bl. 6 bis 34, Bl. 89 bis 126; siehe auch die Vernehmung der Mutter der Kinder Bl. 35 bis 40). Das Gericht hat nach dem Studium der Ermittlungsakten keinen Anlass, die Ordnungsmäßigkeit der Befragungen durch die zuständigen Strafverfolgungsorgane in Zweifel zu ziehen, ebenso wenig wie deren Einschätzung von der Glaubwürdigkeit der beiden Kinder und der Glaubhaftigkeit ihres Vortrags (siehe die Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch die Jugendbeamtin der PI ..., Bl. 5 der Ermittlungsakte, und den Eindrucksvermerk des Fachkommissariats ..., Bl. 23 und Bl. 34 der Ermittlungsakte). Auch der zuständige Ermittlungsrichter bejahte den Verdacht eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB (Bl. 50 der Ermittlungsakten). Schließlich sah auch der ermittelnde Staatsanwalt entgegen den vom Strafverteidiger des Antragstellers ins Feld geführten Widersprüchen in den Aussagen der beiden Kinder keine solchen Widersprüche und erachtete deren Aussagen für „absolut glaubhaft“ (siehe Ermittlungsakten Bl. 128). Der Staatsanwalt hielt nach Rückfrage des Gerichts an dieser Einschätzung aktuell fest (siehe Gerichtsakte Az. M 22 S 15.2057, Bl. 52). Es besteht für das Verwaltungsgericht kein Grund, von dieser aktuellen Bewertung der Strafverfolgungsorgane abzuweichen. Vorläufig konnte und kann deshalb bei der sicherheitsrechtlichen Prognose von einem relevanten Verdacht eines Vergehens des Antragstellers nach § 176 StGB im Rahmen des Ferienlagers 2014 ausgegangen werden.

Allerdings genügen diese Vorfälle für das hier zu prüfende zukunftsgerichtete sicherheitsrechtlich-präventive Kontaktverbot zu Kindern allein nicht, die erforderliche hinreichend fundierte Rückfallprognose für die Zukunft zu treffen. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass auf derartige Vorfälle in der Regel weitere folgen werden. Es bedarf vielmehr einer auf alle individuellen und sonstigen Umständen des Einzelfalls abzustellenden Prüfung der Frage, ob diese Vorfälle auch in Zukunft die Begehung derartiger Straftaten besorgen lassen. Dabei ist die Einordnung des Antragstellers in bestimmte Kategorien sexueller Orientierung zweitrangig. Wesentlich ist, wie ausgeführt, ob diese Vorkommnisse den Schluss zulassen, dass sie eine Neigung des Antragstellers zu derartigen Taten offenbaren und deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Wiederholung zu rechnen ist.

Diese Prüfung konnte von der Antragsgegnerin auch unter dem Druck der gebotenen zeitnahen Reaktion kaum ohne fachgutachterliche Hilfe geleistet werden, wobei die fachgutachterliche Stelle unter Umständen schon aus dem Inhalt der Verwaltungs- und Strafakten eine für die sicherheitsrechtliche Prognose relevante Einschätzung der Situation hätte abgeben können.

Der Hinweis der Antragsgegnerin auf die Aussagen von Prof. ... ist in diesem Zusammenhang unbehelflich. Dabei will das Gericht nicht näher darauf eingehen, ob der in der Bescheidsbegründung nicht enthaltene Bezug auf die Erkenntnisse des Professors im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überhaupt noch nachgeholt werden kann; § 114 Satz 2 VwGO erlaubt bei Ermessensentscheidungen - eine solche liegt bei Art. 7 Abs. 2 Ziffer 1 und 3 LStVG und bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vor - lediglich die Ergänzung von Ermessenserwägungen und nicht das Nachschieben neuer wesentlicher Grundlagen der Ermessenbetätigung (siehe zum Problem Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2015, § 114 Rn. 12e ff.). Jedenfalls geben die Erkenntnisse des Professors zur Rückfallgefahr inhaltlich nichts für die vorliegende Fallgestaltung her. Denn diese Erkenntnisse beziehen sich ausdrücklich nur auf „Täter mit einer pädophilen Präferenzstörung“. Grundlage der Feststellungen des Professors waren nach seinen Worten Gerichtsgutachten über „Sexualstraftäter“, die über viele Jahrzehnte kontinuierlich erstellt worden waren. Nur dieser Kreis der Begutachteten lag der Analyse durch den Professor zugrunde. Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse des Professors könnte demnach nur dann von einer relevanten Rückfallgefahr beim Antragsteller ausgegangen werden, wenn es sich bei ihm um einen „Sexualstraftäter mit einer pädophilen Präferenzstörung“ handeln würde. Ob diese - vom Antragsteller stets bestrittenen - Voraussetzungen beim Antragsteller vorliegen, vermag weder die Behörde noch das Gericht aus eigener Sachkunde zu beantworten. Die Frage kann nur individuell durch eine fachgutachterliche Stelle geklärt werden. Umgekehrt ist nach den Erkenntnissen des Professors die Annahme einer Rückfallgefahr nicht davon abhängig, ob es sich bei dem Betreffenden um einen „Sexualstraftäter mit einer pädophilen Präferenzstörung“ handelt. Wie der Professor in seiner Antwort zur Frage 2 ausführt, sind „über die Hälfte - wahrscheinlich etwa 60% - der Täter, die sexuelle Übergriffe auf Kinder begehen, nicht pädophil“. Diesen Taten nicht präferenzgestörter Täter liegen andere, vom Professor näher ausgeführte Ursachen zugrunde. Auch insoweit ist eine individuelle fachgutachterliche Abklärung beim Antragsteller erforderlich.

Nach alledem war dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stattzugeben, deswegen auch dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (Art. 21 a VwZVG) sofort vollziehbare Androhung eines Zwangsgeldes nach Ziffer 3 des Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 11. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.


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(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Informationszugang zu den aktuellen dienstlichen Telefonnummern von Bediensteten des Beklagten. Diese sind von ihren Kunden nicht unmittelbar telefonisch zu erreichen. Anrufe werden von einem eigens eingerichteten Service-Center unter einer einheitlichen Telefonnummer entgegengenommen.

2

Einen entsprechenden Antrag des Klägers lehnte der Beklagte ab. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Dem begehrten Informationszugang stehe der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG entgegen. Nach dieser Vorschrift bestehe der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden könne. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit sei wie im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht zu verstehen. Zu ihren Schutzgütern gehörten neben den Rechtsgütern des Einzelnen und der Unversehrtheit der Rechtsordnung auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Zu den staatlichen Einrichtungen zähle auch der Beklagte. Der Ausschlussgrund sei zu bejahen, wenn die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf das Schutzgut gegeben sei. Nachteilige Auswirkungen in diesem Sinne lägen vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtige. Im Streitfall würde die Funktionsfähigkeit des Beklagten beeinträchtigt, wenn die Telefonnummern seiner Sachbearbeiter Dritten zugänglich gemacht würden. Dazu sei nicht die Prognose erforderlich, dass ein Jobcenter seiner Funktion überhaupt nicht mehr gerecht werden könne. Der Ausschlussgrund greife vielmehr bereits dann ein, wenn die organisatorischen Vorkehrungen staatlicher Stellen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört würden und die Arbeit der betroffenen Amtsträger beeinträchtigt oder erschwert werde.

3

Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor: Das Berufungsgericht habe verkannt, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit in § 3 Nr. 2 IFG die Funktionsfähigkeit aller staatlichen Einrichtungen nur insoweit umfasse, als die Erfüllung gesetzlich vorgegebener Aufgaben betroffen sei. Nicht erfasst seien organisatorische Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. § 3 Nr. 2 IFG setze zudem eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne voraus; nachteilige Auswirkungen reichten nicht aus. Gemessen an diesem Maßstab sei der Ausschlusstatbestand bezüglich der Diensttelefonliste nicht erfüllt.

4

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23. Juli 2015, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 2014 und den Bescheid des Beklagten vom 19. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,

dem Kläger Informationszugang zu den aktuellen dienstlichen Durchwahlnummern aller Sachbearbeiter und Vermittler sowie der sachbearbeitenden Mitarbeiter der Widerspruchsstelle des Beklagten zu gewähren,

hilfsweise,

dem Kläger Informationszugang zu den aktuellen dienstlichen Durchwahlnummern aller Sachbearbeiter und Vermittler sowie der sachbearbeitenden Mitarbeiter der Widerspruchsstelle des Beklagten unter Angabe des jeweiligen Zuständigkeitsbereichs, aber ohne Nennung des Namens - bei Einsatz mehrerer Mitarbeiter in einem Zuständigkeitsbereich unter Individualisierung durch Nennung der ersten beiden Buchstaben des Nachnamens - zu gewähren.

5

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

1. Das beklagte Jobcenter ist nach §§ 6d, 44b Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) eine gemeinsame Einrichtung, gegenüber der sich der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes richtet (§ 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II).

9

2. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht die in Rede stehende Auflistung dienstlicher Telefonnummern als amtliche Information im Sinne des § 2 Nr. 1 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) qualifiziert. Es handelt sich bei dieser Liste um eine Aufzeichnung, die amtlichen Zwecken - der Sicherung der behördeninternen gegenseitigen Erreichbarkeit - dient.

10

Die insoweit geäußerten Zweifel (vgl. VGH München, Urteil vom 5. August 2015 - 5 BV 15.160 - BayVBl. 2016, 639 Rn. 18 ff. mit Nachweisen aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung) knüpfen an die Gesetzesbegründung zu § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG an. Danach macht diese Vorschrift, der zufolge Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, nicht zu den amtlichen Informationen gehören, keine Änderung der Aktenführung durch Trennung von Unterlagen erforderlich (BT-Drs. 15/4493 S. 9). Dem hieraus gezogenen Schluss, dass nur konkrete Verwaltungsvorgänge, nicht aber rein innerdienstliche Aufzeichnungen von dem Begriff der amtlichen Information erfasst würden, ist nicht zu folgen. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass innerdienstliche Vorgänge ohne Bezug zu einem konkreten Verwaltungsverfahren vom Informationszugang ausgenommen sein sollen. Auch der Gesetzgebungsgeschichte kann dies nicht entnommen werden. Selbst wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen sein sollte, dass sich Informationszugangsbegehren in der Regel auf konkrete Verwaltungsvorgänge beziehen, lässt sich gleichwohl keine damit verbundene Intention feststellen, innerdienstliche Informationen vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes auszuschließen; vielmehr betrachtet die Gesetzesbegründung die - ebenfalls rein innerdienstlichen - Geschäftsverteilungspläne ohne Weiteres als amtliche Information (BT-Drs. 15/4493 S. 16). Ein solches Verständnis entspricht auch der Zielsetzung der Regelung, nach der alle Formen von festgehaltener und gespeicherter Information von dem Begriff der amtlichen Information umfasst sein sollen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 8 f.), ohne dass es auf ihre Zuordnung zu bestimmten Verwaltungsvorgängen ankäme.

11

3. Keinen bundesrechtlichen Bedenken unterliegt die entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Informationsbegehren stehe § 3 Nr. 2 IFG entgegen. Nach dieser Ausnahmevorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann.

12

a) § 3 Nr. 2 IFG nimmt mit der "öffentlichen Sicherheit" einen Begriff des Gefahrenabwehrrechts auf (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über die Bundespolizei i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 , zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 ) und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften; vgl. zum nordrhein-westfälischen Landesrecht ebenso OVG Münster, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 - DVBl 2015, 1133 Rn. 62 ff.). Daran anknüpfend umfasst die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 3 Nr. 2 IFG ausweislich der Gesetzesbegründung die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 10).

13

aa) Zu diesen Schutzgütern gehört auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Dabei geht es um die Erfüllung der einer staatlichen Einrichtung jeweils zugewiesenen Aufgaben, die ihrerseits von geordneten verwaltungsinternen Abläufen abhängt (vgl. Schirmer, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, § 3 IFG Rn. 121). Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen im Informationsfreiheitsrecht gegenüber dem sonstigen Verständnis dieses Begriffs einengend zu interpretieren wäre, ergeben sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus sonstigen Umständen. Die Erwähnung "sensibler" Abläufe und Strukturen in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493 S. 10) benennt nur ein Beispiel herausgehobener Schutzwürdigkeit, hat aber im Wortlaut des § 3 Nr. 2 IFG keinen Niederschlag gefunden und lässt daher nicht den Schluss zu, die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen sei nur hinsichtlich bestimmter Abläufe vom Anwendungsbereich des Ausschlussgrundes erfasst.

14

Diesen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht - anders als die Revision meint - auch nicht dahingehend fehlinterpretiert, dass aus seiner Sicht Schutzgut des § 3 Nr. 2 IFG allein schon das Organisationsermessen bezüglich der behördeninternen Abläufe wäre, dessen Zuordnung zur öffentlichen Sicherheit teilweise kritisch beurteilt wird (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 158 m.w.N.). Geschützt wird vielmehr die geordnete Erfüllung der dem Beklagten gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, die unter anderem auf der sachgerechten Ausübung des Organisationsermessens durch den Beklagten aufbaut, welches damit lediglich ein Element des Schutzgutes darstellt.

15

bb) Diese die ordnungsgemäße behördliche Aufgabenerfüllung einschließende Interpretation des § 3 Nr. 2 IFG steht im Einklang mit der Systematik und dem Sinn und Zweck der zwischen Zugangsverschaffungs- und Veröffentlichungspflichten differenzierenden Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes (vgl. hierzu auch Schoch, IFG, 2. Aufl. § 11 Rn. 39). Nach § 11 Abs. 2 IFG sind Organisations- und Aktenpläne ohne Angabe personenbezogener Daten allgemein zugänglich zu machen. Geschäftsverteilungspläne, die Namen, dienstliche Rufnummer und Aufgabenbereich der Bediensteten enthalten, sind von dieser Veröffentlichungspflicht nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erfasst und als sonstige amtliche Information vorbehaltlich etwaiger Ausnahmetatbestände nur auf Antrag mitzuteilen; dies dient unter anderem dem behördlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 16).

16

Zu den Regelungszielen des Informationsfreiheitsgesetzes gehört daher auch die Gewährleistung einer geordneten Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der informationspflichtigen Stellen. Die Berücksichtigung dieses Anliegens als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit nach § 3 Nr. 2 IFG steht mithin im Bereich des antragsgebundenen Informationszugangs mit dem Gesetzeszweck im Einklang.

17

b) Ohne Verstoß gegen revisibles Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der beantragte Informationszugang zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen kann.

18

aa) Eine Gefährdung liegt vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 38 ff. und vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 13 Rn. 17). Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle Tatsachen darlegt, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzgutes ergeben kann. Diese Einschätzung kann insbesondere bei Vorgängen, die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 41). Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes hängt dabei nicht von der Person des konkreten Antragstellers ab; maßgeblich ist, ob das Bekanntwerden der Information objektiv geeignet ist, sich nachteilig auf das Schutzgut auszuwirken (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 37)

19

bb) In Anwendung dieses Maßstabs ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht erst dann zu bejahen, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer Funktion voraussichtlich überhaupt nicht mehr gerecht werden könnte, sondern schon dann, wenn die effektive Aufgabenerledigung gestört und die Arbeit der betroffenen Bediensteten beeinträchtigt werden kann. Bereits ein derartiger Geschehensablauf ist geeignet, sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit des Beklagten auszuwirken.

20

c) Auf der Grundlage dieser bundesrechtlich zutreffenden Auffassung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle eines Informationszugangs des Klägers die konkrete Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf den Arbeitsablauf und die Aufgabenerfüllung des Beklagten besteht. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

21

Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, so dass der Senat daran gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die rechtlichen Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 2006 - 4 C 2.05 - BVerwGE 126, 233) überschreitet das Berufungsurteil nicht; namentlich ist kein Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze oder gar gegen die Denkgesetze ersichtlich. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, der den Schlussfolgerungen des Oberverwaltungsgerichts entgegenstünde, besteht entgegen der Auffassung der Revision nicht. Einen nach allgemeiner Erfahrung unzweifelhaft geltenden und von keiner Ausnahme durchbrochenen Satz (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1991 - 1 C 24.90 - BVerwGE 89, 110 <117> und vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 14 Rn. 45) zu den Auswirkungen von Telefonanrufen bei den Bediensteten von Jobcentern gibt es nicht. Es erscheint vielmehr plausibel, dass sowohl die schriftliche Erledigung von Verwaltungsvorgängen als auch Beratungsgespräche mit persönlich anwesenden Kunden durch Anrufe erheblich beeinträchtigt werden, da diese zu einer Störung der Konzentration und dadurch zu einer Verminderung von Qualität und Quantität der Aufgabenerledigung führen. Dies steht im Einklang mit dem Befund, dass die Einrichtung eines Service-Centers generell eine spürbare Entlastung der Jobcenter mit sich bringt (vgl. BT-Drs. 18/735 S. 9).

22

4. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht schließlich den auf Herausgabe einer anonymisierten Liste gerichteten Hilfsantrag abgewiesen. Auch einem Informationszugang in dieser Form steht der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG entgegen. Die dargestellte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Gestalt einer Störung des geordneten Arbeitsablaufs würde auf der Grundlage der Tatsachenfeststellung und -würdigung des Berufungsgerichts auch dann eintreten, wenn der Inhaber des jeweiligen Telefonanschlusses nicht namentlich bekannt, sondern nur nach seiner sachlichen Zuständigkeit bezeichnet wäre.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,

1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,

1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

1.
durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2.
an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,

1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,

1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.