Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 20. März 2014 - 15 K 2271/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die Ungültigerklärung ihrer Dissertationsschrift als Promotionsleistung und die Rücknahme ihres Doktorgrades.
3Die Philosophische Fakultät der beklagten Universität verlieh der Klägerin nach ihrem Studium der Erziehungswissenschaften (Hauptfach) und der Philosophie (Nebenfach) an der beklagten Universität aufgrund ihrer Dissertation mit dem Titel “Person und Gewissen“ und dem Untertitel “Studien zu den Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ sowie den am 20. und 27. November 1980 abgenommenen mündlichen Prüfungen den Grad einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.). Die auf den Tag der letzten mündlichen Prüfung (27. November 1980) ausgestellte Promotionsurkunde wurde der Klägerin nach Drucklegung und Veröffentlichung der Arbeit am 9. Januar 1981 ausgehändigt.
4Die Eröffnung des Promotionsverfahrens, das auf den Studienabschluss und die Erlangung der Doktorwürde gerichtet war (sogenanntes grundständiges Promotionsverfahren), hatte die Klägerin unter dem 4. September 1980 beantragt. Mit dem Gesuch um Zulassung zum Promotionsverfahren hatte die Klägerin schriftlich an Eides Statt unter anderem das Folgende versichert:
5“Ich versichere, dass ich die vorgelegte Dissertation [Titel: …] selbst und ohne unerlaubte Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.“
6Die Begutachtung der Dissertation erfolgte durch Prof. Dr. H. X. (beklagte Universität, Erziehungswissenschaftliches Institut; Gutachten vom 20. Oktober 1980) als Referent und Betreuer sowie durch Prof. Dr. X1. I. (beklagte Universität, Abteilung O. , Seminar für Pädagogik und Philosophie; Gutachten vom 21. Oktober 1980) als Korreferent. Beide Gutachter (bzw. Referenten) bewerteten die Arbeit mit dem Prädikat “opus admodum laudabile“ (heute: „magna cum laude“).
7Anfang Mai 2012 wurde der beklagten Universität anonym eine zeitgleich im Internet (www.T. .de) eingestellte Materialzusammenstellung zugesandt, aus der sich ergeben sollte, dass die Klägerin in ihrer Dissertation getäuscht habe. Nach erster Sichtung der Vorwürfe durch den Dekan der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität (nachfolgend: Dekan) erteilte dieser dem seinerzeitigen Prodekan der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität, Prof. Dr. S. , in seiner Eigenschaft als Vorsitzendem des Promotionsausschusses mit Schreiben vom 3. Mai 2012 den Auftrag, die Dissertation der Klägerin daraufhin zu untersuchen, ob “die Eventualität eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ vorliege. In dem Schreiben heißt es weiter, dass auch die Klägerin selbst in einer fernmündlichen Äußerung gegenüber dem Rektor der beklagten Universität um entsprechende Prüfung gebeten habe. Mit Schreiben vom 8. Mai 2012 wurde die Klägerin von dieser Verfahrensweise in Kenntnis gesetzt.
8Der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität (nachfolgend: Promotionsausschuss) beschloss in seiner Sitzung vom 16. Mai 2012 zunächst, Frau Prof. Dr. T1. mit der Erstellung eines “Gutachtens“ darüber zu beauftragen, ob und gegebenenfalls in welchen Passagen die Dissertation Prüfungsleistungen enthalte, die den Vorwurf des Plagiats bzw. Wissenschaftsbetruges stützen könnten. Nach deren Rücktritt betraute der Promotionsausschuss in seiner Sitzung vom 27. Juni 2012 Prof. Dr. S. mit der “Berichterstattung“.
9Unter dem 27. September 2012 schloss Prof. Dr. S. seine Untersuchungen ab. In seinem 75 Seiten umfassenden Bericht, in dem er Passagen der Dissertationsschrift und die Vergleichstexte synoptisch gegenübergestellte, gelangte er abschließend zu der Feststellung, dass die Überprüfung der Dissertationsschrift für eine erhebliche Zahl von Befundstellen das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise ergeben habe, in der ein das Profil der Dissertationsschrift wesentlich mitprägendes Element zu sehen sei. Im Wesentlichen stützte er seine Einschätzung darauf, dass prägnante Merkmale einer solchen Vorgehensweise nicht nur vereinzelt, sondern in einer Mehrzahl von Fällen und in einer Weise zu verzeichnen seien, die auf eine bestimmte Systematik schließen ließen. Dies sei insbesondere im Hinblick darauf festzustellen, dass mit gewisser Regelmäßigkeit der Eindruck bedeutender eigenständiger Rezeptionsleistungen vermittelt werde, während tatsächlich eine weitgehende oder auch vollständige Abhängigkeit von entsprechenden Leistungen anderer bestehe. Zudem komme dem Nachvollzug der Theoriebildung und der Forschungsdiskussion in der vorliegenden Dissertationsschrift besonderes Gewicht zu, wie sich bereits am bloßen Umfang des den “Theorien über das Gewissen“ gewidmeten zweiten Hauptteils der Dissertationsschrift ablesen lasse. Angesichts des allgemeinen Musters des Gesamtbildes und der spezifischen Merkmale einer signifikanten Zahl von Befundstellen sei eine leitende Täuschungsabsicht zu konstatieren. Auf den weiteren Inhalt des Berichts wird ergänzend Bezug genommen.
10Der von Prof. Dr. S. erstellte und mit dem Vermerk “Vertraulich“ betitelte Bericht wurde nachfolgend den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Promotionsausschusses persönlich ausgehändigt sowie ferner dem Dekan und der Klägerin zugeleitet. Auf ungeklärtem Wege gelangte ferner eine Version des Berichts an das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“.
11Nachfolgend befasste sich der Promotionsausschuss in seiner Sitzung am 17. Oktober 2012, an der auch der Dekan teilnahm, mit dem Bericht. Laut Sitzungsprotokoll erläuterte Prof. Dr. S. seinen Bericht; desweiteren wurden die wesentlichen Befundstellen erörtert. Der Promotionsausschuss stellte einstimmig fest, dass die essentiellen abschließenden Wertungen des Berichts durch den erhobenen Befund zwar hinlänglich belegt und nachvollziehbar seien, aber vor einem Beschluss über das weitere Vorgehen eine Stellungnahme der Klägerin zu den Vorhaltungen abgewartet werden solle. Der Promotionsausschuss beschloss sodann, dem Dekan zu empfehlen, die Klägerin um eine Äußerung zu den im Einzelnen im Bericht vom 27. September 2012 von Prof. Dr. S. aufgeführten Befunden zu bitten.
12Mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 gab der Dekan der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Bericht von Prof. Dr. S. unter Berücksichtigung der den Befundteil betreffenden Passagen des Berichts sowie zum “Vorwurf des Plagiatsverdachts“ binnen eines Monats zu äußern.
13Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. November 2012 und begleitender persönlicher Stellungnahme der Klägerin, der weitere Stellungnahmen von Fachvertretern bzw. Erziehungswissenschaftlern (Prof. Dr. h.c. M. I1. , Prof. Dr. E. C. , Prof. Dr. I2. -F. U. , Prof. Dr. I3. G. und Prof. Dr. h. c. mult. I2. I4. ) beigefügt waren, äußerte sich die Klägerin zu den Vorwürfen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Sie beanstandete die fehlende Befassung des für die Frage der Entziehung des Doktorgrades allein zuständigen Fakultätsrats, stellte die Sachkunde von Prof. Dr. S. für die Prüfung des Plagiatsverdachts in Abrede und vertrat die Ansicht, dass die dargestellten Mängel kein wissenschaftliches Fehlverhalten dokumentierten. In der Sache machte sie geltend, dass ihre Dissertation aus der Beschäftigung mit der im Literaturverzeichnis angegebenen Primär- und Sekundärliteratur und in regelmäßigen Gesprächskontakten mit den Professoren C1. und X. entstanden sei. Ihre Lektüreergebnisse sowie weiterführende Gedanken und Zitate aus der Primär- und Sekundärliteratur habe sie auf Karteikarten in einem Zettelkasten festgehalten. Die beanstandeten Textpassagen ihrer Arbeit würden sich ungleichmäßig auf die drei Hauptteile ihrer Dissertation verteilen. Die meisten fänden sich im zweiten Teil, der schon vom Titel her (“Theorien des Gewissens“) keinen Anspruch auf eigenständige Analysen erhebe, sondern bekannte Theorien zur Entstehung und Funktion normativer Regulierung in der Humangenese referiere und auswerte. Nur wenige monierte Fundstellen fänden sich im dritten Teil der Dissertation, der ihre eigenständige wissenschaftliche Leistung enthalte und resümiere. Einzelne handwerkliche Fehler würden eingeräumt. Der Nachweis derartiger Fehler bis hin zu fehlenden Nachweisen für Paraphrasen beweise allerdings nicht, dass ganze Passagen des zweiten Teils der Dissertation ein Plagiat seien. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie Theorien des Gewissens, die von anderen Autoren stammten, als ihre eigene Theorie hierzu ausgegeben hätte. Eine solche Gesamtdeutung sei jedoch schon von den Überschriften her ausgeschlossen. In der Arbeit stecke das Bemühen, möglichst viel Literatur zu verarbeiten und Positionen gleichermaßen aus der Primär- und Sekundärliteratur zu erschließen. Eine Täuschungsabsicht habe sie zu keinem Zeitpunkt der Arbeit an ihrer Dissertation gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Stellungnahme der Klägerin sowie auf den Inhalt der beigefügten Anlagen Bezug genommen.
14Der Promotionsausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 12. Dezember 2012, an der der Dekan ebenfalls teilnahm, unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin und der von ihr vorgelegten Anlagen erneut mit der der Klägerin zum Vorwurf gemachten Täuschung. Er kam einstimmig zu dem Ergebnis, dass die im Bericht von Prof. Dr. S. bezeichneten Vorhalte, nämlich die erhebliche Zahl von gravierenden Verstößen gegen die Regeln der korrekten wissenschaftlichen Arbeit und das erkennbare Muster unzureichender Kennzeichnung von Quellenzitaten und der Übernahme der wissenschaftlichen Rezeptionsleistungen Dritter, durch die Stellungnahme der Klägerin nicht aus dem Weg geräumt worden seien, so dass ein Vorsatz anzunehmen sei. Der Promotionsausschuss empfahl dem Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität (nachfolgend: Fakultätsrat), das Verfahren zur Erklärung der Ungültigkeit der schriftlichen Promotionsleistung zu eröffnen.
15Mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 informierte der Dekan die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darüber, dass der Promotionsausschuss seine Prüfung abgeschlossen habe und der Fakultätsrat nunmehr in seiner nächsten Sitzung am 22. Januar 2013 entscheiden werde, ob die vom Promotionsausschuss ermittelten Befunde schwerwiegend genug seien, um das Aberkennungsverfahren einzuleiten. Die Erklärung des Promotionsausschusses wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf deren Bitte hin mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 übersandt. Desweiteren wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 2013 ein zwischenzeitlich von der beklagten Universität in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ihres Prozessbevollmächtigten übermittelt, das den bisherigen Ablauf des Verwaltungsverfahrens in juristischer Hinsicht für beanstandungsfrei befand.
16Mit Schreiben vom 15. Januar 2013 beraumte der Dekan für den 22. Januar 2013 die bereits angekündigte Sitzung des Fakultätsrats an und setzte unter Ziffer 12 eine Entscheidung über den “Plagiatsfall“ der Klägerin auf die Tagesordnung. Am 22. Januar 2013 befasste sich der Fakultätsrat mit dem vorgenannten Tagesordnungspunkt in nicht-öffentlicher Sitzung. Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurde der Fakultätsrat durch den Dekan und Prof. Dr. S. in den Sachverhalt eingeführt. Gegenstand der Ausführungen von Prof. Dr. S. war sein von ihm im Nachgang zu der Sitzung des Promotionsausschusses vom 12. Dezember 2012 ergänzter und vom Promotionsausschuss gebilligter Bericht (Stand: 12. Dezember 2012). Für den Fall der Eröffnung eines Verfahrens wurden die Mitglieder des Fakultätsrats auf die Möglichkeit zur Akteneinsicht in die im Nachgang zur Sitzung im Dekanat zur Verfügung stehenden Unterlagen (Stehordner) informiert. Sämtliche Unterlagen standen den Mitgliedern des Fakultätsrats auch während der Sitzung am 22. Januar 2013 zur Verfügung. Nach abschließender Beratung beschloss der Fakultätsrat mit 14 Stimmen, bei einer Enthaltung, “ein förmliches Rücknahmeverfahren“ hinsichtlich der Promotion der Klägerin einzuleiten. Als weiterer Sitzungstermin wurde der 5. Februar 2013 anberaumt.
17Mit einer den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorab zur Kenntnis übersandten Erklärung vom gleichen Tag informierte der Dekan die Presse über die vom Fakultätsrat nach geheimer Abstimmung mit 14 Ja-Stimmen beschlossene Einleitung des “Haupt-verfahrens“ sowie darüber, dass für den 5. Februar 2013 eine weitere Sitzung des Fakultätsrats einberufen werden solle. Auf die Anfrage der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24. Januar 2013, welche Planungen hinsichtlich der weiteren Gestaltung des Verfahrens bestünden und ob noch eine Entscheidung über die Einholung weiterer Gutachten getroffen worden sei oder getroffen werden solle, wies der Dekan mit Schreiben vom gleichen Tage darauf hin, dass der Fakultätsrat in seiner Sitzung vom 22. Januar 2013 “das Verfahren zur Entscheidung über eine eventuelle Ungültigerklärung der schriftlichen Promotionsleistung der Klägerin“ eingeleitet habe, dass die bereits übersandten Unterlagen der Klägerin auch im weiteren Verfahren berücksichtigt würden und dass es der Klägerin unbenommen bleibe, zum Rechtsgutachten Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 führte er ergänzend aus, dass der Fakultätsrat einstimmig beschlossen habe, jedenfalls derzeit keine externe Expertise hinzuzuziehen.
18Mit Schreiben vom 4. Februar 2013 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) für die Dissertation der Klägerin, Prof. Dr. X. und Prof. Dr. I. , als sachverständige Zeugen dazu zu hören, dass sie bei der Bewertung der Dissertation der Klägerin nicht davon ausgegangen seien, die aus der Sekundärliteratur rezipierten Darstellungen von Primärliteratur seien durchgängig selbständig erarbeitet worden, soweit sie nicht ausdrücklich am Ort der Darstellung auf Sekundärliteratur gestützt worden seien. Sie beantragten ferner, ein Sachverständigengutachten eines Erziehungswissenschaftlers zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass die in dem Bericht von Prof. Dr. S. beanstandete Arbeitsweise, auf die der Vorwurf der “leitenden Täuschungsabsicht“ gestützt sei, in den Erziehungswissenschaften zur Zeit der Erstellung der Dissertation nicht unüblich gewesen sei.
19Am 5. Februar 2013 beschloss der Fakultätsrat in nichtöffentlicher Sitzung, an der neben den abstimmungsberechtigten 15 Mitgliedern außerdem der Dekan, der seinerzeitige Prodekan Prof. Dr. S. , der Studiendekan und die Gleichstellungsbeauftragte der beklagten Universität teilnahmen, zum einen die Dissertation als Promotionsleistung der Klägerin für ungültig zu erklären und zum anderen, ihr den Doktortitel abzuerkennen. Grundlage der vorangegangenen Beratung zu den erhobenen Plagiatsvorwürfen gegen die Klägerin waren der Bericht des Promotionsausschusses mit Stand vom 12. Dezember 2012 sowie die von der Klägerin eingereichte Stellungnahme nebst den mit Schriftsatz vom 5. November 2012 übersandten Anlagen. Ausweislich des Protokolls setzten sich die Fakultätsratsmitglieder in ihrer Diskussion eingehend mit einer Vielzahl von Textpassagen exemplarisch auseinander, prüften im Diskurs die Relevanz der vorgetragenen Argumente in Bezug auf den Plagiatsvorwurf und beschäftigten sich ferner mit der Frage, ob zum Zeitpunkt der Abfassung der Dissertation andere Zitierregeln als heute gegolten hätten, was mehrheitlich verneint wurde. Nach einer Gesamtbetrachtung der beanstandeten Passagen in der Dissertation sowie deren Abgleich mit der Arbeit im Übrigen kamen die Mitglieder des Fakultätsrats sodann zu dem Ergebnis, dass die gravierende Anzahl von Regelverstößen ein erkennbares Muster aufweise und dies den Rückschluss auf eine vorsätzliche Täuschung zulasse. Die Notwendigkeit der Beiziehung eines zusätzlichen auswärtigen Gutachtens verneinte der Fakultätsrat ebenso, wie die Einvernahme der seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) im Promotionsverfahren, Prof. Dr. X. und Prof. Dr. I. , als Zeugen. Ausweislich des Protokolls diskutierten die Mitglieder des Fakultätsrats nach einleitender Erläuterung durch den Prozessbevollmächtigten der beklagten Universität anhand einer den Teilnehmern der Fakultätsratssitzung vorgelegten Handreichung dazu, welche Punkte im Hinblick auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beachten seien, abschließend im Rahmen einer Abwägung des öffentlichen Interesses und des privaten Interesses der Klägerin das Für und Wider einer Ungültigerklärung der Dissertation und einer Entziehung des Doktorgrades. In geheimer und getrennter Abstimmung stimmten jeweils 12 Fakultätsratsmitglieder für die Ungültigerklärung und Aberkennung des Doktorgrades, zwei Mitglieder stimmten jeweils dagegen, ein Mitglied enthielt sich jeweils.
20Das Ergebnis der Sitzung vom 5. Februar 2013 einschließlich weiterer Erläuterungen im Einzelnen machte der Dekan im Rahmen einer Presseerklärung, die der Klägerin vorab per Fax über ihre Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis zugeleitet worden war, öffentlich bekannt.
21In Ausführung des Beschlusses des Fakultätsrats erklärte der Dekan mit Bescheid vom 14. Februar 2013 die Dissertationsschrift der Klägerin als Promotionsleistung für ungültig und nahm die Verfügung vom 27. November 1980, durch die der Klägerin der Doktorgrad “Dr. phil.“ verliehen worden war, zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Ungültigerklärung der schriftlichen Promotionsleistung sowie der Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades liege die Entscheidung des Fakultätsrats vom 5. Februar 2013 zugrunde. Die Durchführung des Rücknahmeverfahrens sei nach der aktuell gültigen Promotionsordnung vom 4. Juli 2000 erfolgt, die in den §§ 20 und 21 die Entscheidung über die Aberkennung von Teilleistungen im Promotionsverfahren und den Entzug des Doktortitels dem Fakultätsrat zuweise. Für die Rücknahme oder Entziehung des Doktorgrades, die in § 21 der Promotionsordnung geregelt sei, werde dort ergänzend auf § 48 VwVfG (NRW) verwiesen. Die Promotion der Klägerin erweise sich als durch vorsätzliche Täuschung erlangt, so dass die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen vorlägen. Der Fakultätsrat habe bei seiner Prüfung darauf abgestellt, inwiefern und in welchem Umfang in der Arbeit Textplagiate vorlägen und ob das Einfügen nicht gekennzeichneter Textpassagen in ihrer Dissertation als Täuschungsabsicht der Klägerin zu bewerten sei. Dabei seien insbesondere diejenigen als kritisch eingestuften Passagen gewürdigt worden, deren Existenz grundsätzlich auch in den von der Klägerin eingereichten Stellungnahmen von C. , U. und G. nicht bestritten worden sei. Der Fakultätsrat sei dabei von einem allgemein anerkannten, auch von der einschlägigen Rechtsprechung zugrunde gelegten Verständnis von Textplagiaten ausgegangen, wonach ein Plagiat die wörtliche und gedankliche Übernahme fremden geistigen Eigentums ohne entsprechende Kenntlichmachung sei. Etwaige Besonderheiten beim Zitieren unter Berücksichtigung der erziehungswissenschaftlichen Promotionskultur in den frühen 80er Jahren seien nicht ersichtlich. Vielmehr deuteten entsprechende Handreichungen für das Fach Erziehungswissenschaften, wie etwa die von Kramp “Hinweise zur Anfertigung von Seminararbeiten, 8. Aufl. 1978“ darauf hin, dass auch in den Erziehungswissenschaften nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte seinerzeit als Textplagiate gewertet worden seien. Dies zugrunde legend habe für den Fakultätsrat auch kein Anlass bestanden, den Beweisanregungen der Klägerin nachzukommen. Auf die Frage, ob sich die damaligen Gutachter (bzw. Referenten) der Arbeit getäuscht gefühlt hätten, komme es nicht an, da Adressat einer Promotionsleistung die Fakultät sei, die den Doktorgrad verleihe. Die Einholung erziehungswissenschaftlicher Gutachten sei nicht erforderlich, weil es vorliegend allein um die Feststellung von Textplagiaten gehe, zu deren Beurteilung die Fakultät über hinreichenden Sachverstand verfüge. Die Fakultät sei unter Berücksichtigung der ihr vorliegenden Unterlagen auch in der Lage, sich ein genaues Bild von den bei Einreichung der Dissertation gültigen wissenschaftlichen Standards zu machen. Nach den Feststellungen der Fakultät handele es sich bei den im Bericht von Prof. Dr. S. aufgezeigten Textstellen in der Dissertation um objektiv schwerwiegende Verstöße gegen geltende Zitierstandards, die den Schluss zuließen, dass vorsätzlich über das Vorhandensein eigenständiger wissenschaftlicher Leistungen getäuscht worden sei. Entlastende Erklärungen für die vielfältigen, in ihrer Qualität durchaus unterschiedlichen Zitierfehler habe die Fakultät bei sachgerechter Würdigung des umfänglichen Befundes nicht zu ihrer Überzeugung ermitteln können. Namentlich sei es nicht möglich, die beanstandeten Textstellen etwa als bloße Ungenauigkeit oder Flüchtigkeitsfehler zu werten. Zwar komme bei isolierter Betrachtung in Bezug auf einige Stellen der beanstandeten Passagen, namentlich bei übernommenen Textstellen aus Publikationen von Niklas Luhmann, die nicht als Zitat gekennzeichnet seien, und deshalb den Eindruck eines eigenständigen Referats vermittelten, auch in Betracht, darin eine unsorgfältig ausgewiesene Paraphrase zu sehen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Arbeit und unter Berücksichtigung zahlreicher sonstiger eindeutiger Plagiate sei eine solche Sichtweise allerdings nicht mehr möglich. Entsprechendes gelte auch für solche Passagen, bei denen sich die Frage stelle, ob lediglich allgemein bekanntes lexikalisches Wissen wiedergegeben werde oder ob nicht in der Übernahme einzelner Wendungen aus den Werken beispielsweise von Gehlen, Buytendijk und Landmann eine “collagenhafte“ Technik der Aneignung von Syntheseleistungen aus fremden Texten zu erkennen sei. Unter Berücksichtigung der sehr deutlichen wörtlichen Entsprechungen in der Formulierung und im Lichte des Gesamtkontextes der Arbeit sei eine entlastende Bewertung jedoch ausgeschlossen. Im Ergebnis entscheidend sei, dass sämtliche Passagen einem durchgängigen – obschon im Detail variierenden – Muster folgten, das die gesamte Dissertation durchziehe und bei übergreifender Betrachtung zur Überzeugung der Fakultät ein System erkennen lasse, entlehntes Wissen – namentlich gelungene Zusammenfassungen von Streit- und Forschungsständen – an entscheidenden Stellen durch Weglassen der jeweiligen Quellen als eigene Erkenntnis bzw. eigene Formulierung und Komprimierung erscheinen zu lassen. Bekräftigt werde das durch eine Reihe eindeutiger und nicht anders als durch eine vorsätzliche Vorgehensweise zu erklärender Passagen, wie etwa der Textstücke, die aus dem Werk “Psychoanalyse und Gewissen“ von Ernst Stadter übernommen worden seien. In der Gesamtheit komme der Fakultätsrat vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass die in der Voruntersuchung zusammengetragenen Befunde nur als schwerwiegende und auf Grund ihrer Systematik auch vorsätzliche Verstöße gegen die Regeln wissenschaftlichen Zitierens gedeutet werden könnten. Hierbei sei man zudem davon ausgegangen, dass bereits die eindeutigen Plagiate, die sich insbesondere in Bezug auf die übernommene Textpassagen aus dem Werk von Stadter selbst bei isolierter Betrachtung nur durch vorsätzliches Vorgehen sinnvoll erklären ließen, für sich gesehen ausreichend seien, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären. Die von der Klägerin angeführten Erklärungen zum angeblichen Zustandekommen der Zitierfehler seien unbeachtlich, da sie sich entweder gar nicht auf die Vorhaltungen bezögen bzw. allgemein exkulpatorischer Art oder sachfremd seien. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin jenseits der beanstandeten Passagen grundsätzlich durchgängig richtig zitiere, bei Bedarf Anführungszeichen verwende und paraphrasiere. Schließlich habe der Fakultätsrat die plagiierten Stellen auch in ihrem Verhältnis zur Gesamtheit der Arbeit beurteilt. Eine hierarchische Unterordnung des zweiten empirischen Teils der Dissertationsschrift und der dort festgestellten gehäuften “Zitierfehler“ sei nicht erkennbar, weil entgegen der anderslautenden Behauptung der Klägerin das zweite Kapitel schon von seiner Ausdehnung her ein Kernelement der Dissertation bilde, dessen Anspruch gerade auch darin gelegen habe, sich dem Thema vergleichend aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen und ihrer Methoden zu nähern. Dies gelte umso mehr, als gerade dieser Teil in den Gutachten der seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) besonders gelobt worden sei.
22Der Fakultätsrat habe das ihm nach den §§ 20, 21 der Promotionsordnung eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, dass er sowohl die schriftliche Promotionsleistung für ungültig erklärt als auch den Doktorgrad entzogen habe. Dabei sei er davon ausgegangen, dass eine Rücknahme nach § 48 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 VwVfG NRW nur erfolgen könne, wenn kein Vertrauensschutz bestehe, ferner, dass eine Rücknahme (allein) wegen – hier zweifelsfrei festgestellter – objektiver Falschangaben zwar im Hinblick auf den Zeitablauf unverhältnismäßig sei, eine Entziehung aber deswegen in Betracht komme, weil der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt worden sei. Im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung habe der Fakultätsrat keine in der Person der Klägerin oder in den besonderen Umständen des Einzelfalls liegenden, die öffentlichen Interessen, nämlich die wissenschaftliche Redlichkeit als Grundlage der Titelführung zu schützen sowie die verletzten wissenschaftlichen Verhaltensregeln zu rehabilitieren, überwiegenden Gründe feststellen können, die angesichts des Umfangs und der Schwere der vorsätzlichen Täuschung einer Ungültigerklärung der schriftlichen Promotionsleistung und dem Entzug des Doktortitels entgegenstünden bzw. einen Verzicht hierauf als zweckmäßig erscheinen ließen. Auch eine möglicherweise nachlässige Betreuung durch die damaligen Gutachter (bzw. Referenten) ändere nichts daran, dass die Klägerin als damalige Promovendin für die gesamte Dissertation in dem abgegebenen Zustand die volle Verantwortung getragen habe. Den Umstand, dass die Entziehung des Doktorgrades nach über 30 Jahren für die Betroffene “einen nicht unerheblichen Eingriff“ darstelle, habe der Fakultätsrat im Rahmen der Abwägung ebenso gewürdigt wie die Tatsache, dass es sich bei der Arbeit um eine sogenannte grundständige Promotion handele. Beide Umstände hätten indes kein hinreichendes Gewicht, das öffentliche Interesse an der Korrektur der rechtswidrigen Promotion zu überwinden. Frequenz und Umfang der betroffenen Passagen, auch wenn sie sich einer genauen quantitativen Messung entzögen, seien als so gravierend gewichtet worden, dass es nicht als hinnehmbar erachtet worden sei, auf eine Ungültigerklärung der Promotionsleistung sowie eine Entziehung des Doktorgrades, für dessen Verleihung nunmehr der Rechtsgrund weggefallen sei, zu verzichten. Dabei sei man davon ausgegangen, dass die Ermächtigung zur Entziehung keiner Verjährung unterworfen sei. Die Hochschule habe zudem ein qualifiziertes Interesse daran, die fehlerhaften Weichenstellungen im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurszusammenhangs auch nach längerer Zeit noch zu korrigieren, damit nicht aufgrund von Täuschungshandlungen, die in der Einflusssphäre des Täuschenden entstanden seien, schwerwiegender Schaden an der Wissenschaftlichkeit als solcher, an der Validität akademischer Grade und an der Richtigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse eintrete. Die Komplexität, der Anspruch und die entsprechend langsame Zeittaktung wissenschaftlicher Forschung, die nicht mit der Ableistung berufsqualifizierender Leistungen verglichen werden könne, erfordere es daher, auch noch über längere Zeiträume hinweg das signifikante Entdeckungsrisiko aufrechtzuerhalten. Die Fakultät habe deswegen dem allgemeinen Präventionsinteresse höheres Gewicht beigemessen als den – mangels unmittelbarer Abhängigkeit von einer konkreten Berufsqualifikation ohnehin im Vergleich zu anderen Fällen bei einer Folgenbetrachtung zu relativierenden – Nachteilen, die der Klägerin durch die Entziehung entstünden. Schließlich habe der Fakultätsrat auch die gleichmäßige Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie seine bisherige Praxis in Plagiatsfällen berücksichtigt. Um einen Bagatellfall handele es sich vorliegend ebenfalls nicht.
23Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 20. Februar 2013 Klage erhoben.
24Sie beruft sich auf Verfahrensfehler und hält die Sachentscheidung für rechtswidrig. Zur Begründung macht sie hierzu im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsverfahren sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft durchgeführt worden. Es fehle an einem Verfahren vor der Untersuchungskommission gemäß den Grundsätzen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der beklagten Universität vom 27. Juni 2002. Jedenfalls sei es rechtwidrig, zur Vorbereitung eines Einleitungsbeschlusses des Fakultätsrats nach § 22 VwVfG NRW an Stelle des Verfahrens vor der Untersuchungskommission Ermittlungen im Promotionsausschuss durchzuführen und diese Ermittlungen dann zur Grundlage sowohl der Einleitungsentscheidung als auch der Entziehungsentscheidung zu machen. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Durchführung des Verfahrens vor der Untersuchungskommission zu einer anderen Empfehlung an den Fakultätsrat geführt hätte als die Empfehlung durch den Promotionsausschuss. Das durchgeführte Verfahren sei zudem nicht mit § 21 PromO i. V. m. § 22 Satz 1 VwVfG NRW vereinbar. Der Dekan und der Promotionsausschuss hätten praktisch ein eigenes Verwaltungsverfahren ohne die dazu erforderliche Ermächtigung durch den zuständigen Fakultätsrat durchgeführt. Darüber hinaus sei der angefochtene und durch den Dekan verfasste Bescheid nicht nach vorheriger Verständigung mit dem Fakultätsrat über die tragenden Gründe ergangen. Das Vorbereitungsverfahren durch den Promotionsausschuss sei auch deswegen rechtswidrig, weil in Bezug auf die Mitglieder dieses Ausschusses unter Berücksichtigung der Indiskretionen gegenüber der Presse die Besorgnis der Befangenheit bestehe. Auch in Bezug auf die Mitglieder des Fakultätsrats bestehe eine entsprechende Besorgnis der Befangenheit, weil wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung am 5. Februar 2013 in der Presse über die Schrift “Hinweise zur Anfertigung von Seminararbeiten“ von Kramp berichtet worden sei sowie ferner darüber, dass die gegen sie, die Klägerin, erhobenen Vorwürfe durch diese Schrift angeblich gestützt würden. Die Information der Öffentlichkeit in diesem Stadium des Verfahrens könne nur durch das Dekanat oder Mitglieder des Fakultätsrats erfolgt sein und allein dem Zweck gedient haben, die Willensbildung im Fakultätsrat zu beeinflussen. Die gemäß § 21 PromO i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW gebotene Anhörung vor der Entscheidung über die Rücknahme des Doktorgrades sei vollständig unterblieben. Die beklagte Universität habe ferner bei der Ermittlung des Sachverhaltes § 24 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW verletzt. Die Beweisanträge, die sie, die Klägerin, schriftlich gestellt habe, seien mit fehlerhaften Erwägungen abgelehnt worden.
25Zur Entscheidung in der Sache macht die Klägerin geltend: Der Entscheidung nach § 20 Satz 1 PromO, die Dissertation für ungültig zu erklären, liege ein unzutreffendes Verständnis des Begriffs der Täuschung zu Grunde. Im Übrigen seien die hierzu getroffenen Feststellungen im Ergebnis falsch und die Entscheidung ermessensfehlerhaft. Im Einzelnen wird hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Eine Täuschung sei nicht ohne Erregung eines Irrtums möglich. Die am Promotionsverfahren beteiligten Gutachter (bzw. Referenten) seien aber keinem Irrtum unterlegen. Die von der beklagten Universität erhobenen Beanstandungen seien auch nicht geeignet, den Täuschungsvorsatz zu belegen. Eine Erarbeitung des interdisziplinären beschreibenden zweiten Teils der Dissertation allein aus der jeweiligen Primärliteratur habe von ihr nicht erwartet werden können. Ein Rückgriff auf die Sekundärliteratur sei zwingend erforderlich gewesen, was sie im Grundsatz auch offen gelegt habe. Der Vorwurf, sie habe bedeutende Rezeptionsleistungen Dritter fälschlich als eigene Leistungen dargestellt, werde durch die Feststellungen nicht gestützt. Soweit sie einzelne Stellen nicht als Rezeptionsleistungen Dritter gekennzeichnet habe, komme diesen Befunden jedenfalls im Gesamtzusammenhang der Arbeit nur eine geringe Bedeutung zu. Soweit sie bei der Heranziehung von Sekundärliteratur Satzteile und Wendungen übernommen habe, folgten die Darlegungen ihren eigenen Gedanken. Auch seien die Titel – bis auf zwei – sämtlich im Literaturverzeichnis angegeben. Im Übrigen habe die beklagte Universität bei ihrer Beurteilung ausgeblendet, dass Primär- und Sekundärliteratur oftmals übereinstimmten und dass ohne eine Analyse dieser Übereinstimmungen überhaupt nicht erkennbar sei, in welchem Maße die benutzte Sekundärliteratur eine wissenschaftliche Eigenleistung enthalte, die sie sich zu Eigen gemacht haben könnte. Schließlich müsse man auch berücksichtigen, dass die von ihr praktizierte Vorgehensweise im Umgang mit der Primär- und Sekundärliteratur in den Erziehungswissenschaften seinerzeit verbreitet gewesen sei. In Bezug auf vereinzelte Stellen räume sie Zitierfehler ein, allerdings habe sie insoweit nicht in Täuschungsabsicht gehandelt. Das gelte erst recht für die Stellen, in denen die Hinweise auf die benutzte Sekundärliteratur lückenhaft seien.
26Das Ermessen zu § 20 Satz 1 PromO sei fehlerhaft ausgeübt worden. Die Bedeutung des Zeitablaufs von mehr als 32 Jahren sei nicht ausreichend gewichtet worden. Unberücksichtigt geblieben sei, dass es in vielen Prüfungsordnungen Verjährungsfristen von kürzerer Dauer gebe und die hier streitgegenständliche grundständige Promotion der Klägerin auch eine berufsqualifizierende Prüfung darstelle. Die Erwägungen zum öffentlichen Interesse seien nicht tragfähig. Dass die Dissertation im Vergleich zu anderen Prüfungsleistungen eine Sonderstellung einnehme, sei nicht ersichtlich. Eine Schädigung der Lauterkeit und Richtigkeit des wissenschaftlichen Diskurszusammenhangs komme heute nur noch in Betracht, wenn durch Mängel der Dissertation Gefahren für wissenschaftliches Arbeiten Dritter im Rahmen eines Rückgriffs auf die Dissertation begründet würden. Hierzu verhalte sich der Bescheid nicht. Generalpräventive Erwägungen, insbesondere der Ansatz, das signifikante Entdeckungsrisiko und die damit einhergehenden Schwierigkeiten einer Aufdeckung wissenschaftlichen Fehlverhaltens auch noch über längere Zeiträume hinweg aufrechtzuerhalten, seien hier angesichts des zu wahrenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die verstrichene Zeit nicht angezeigt. Auf den Einzelfall bezogene Erwägungen, wie etwa die Frage nach dem wissenschaftlichen Wert der Dissertation im Übrigen oder die Bedeutung der Befunde unter Berücksichtigung ihres Umfangs mit Blick auf die insgesamt erbrachte Leistung im Übrigen, seien im Bescheid nicht enthalten.
27Die Entscheidung nach § 21 PromO i. V. m. § 48 VwVfG NRW zur Rücknahme des Doktorgrades sei schon deswegen rechtswidrig, weil keine rechtmäßige Entscheidung gemäß § 20 PromO vorliege. Darüber hinaus fehle es an einer bewussten Täuschung, so dass der Vertrauensschutz nicht entfalle. Auch habe der Fakultätsrat bei seiner Entscheidung in seiner Ermessensausübung nicht ausreichend zwischen § 20 PromO und § 21 PromO differenziert; insbesondere seien für die Rücknahme weitere Ermessensaspekte zu berücksichtigen, da hier wegen der Grundständigkeit der Promotion und des gleichzeitigen Entzugs des Hochschulabschlusses in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen werde. Schließlich habe der Fakultätsrat auch nicht geprüft, ob unter den genannten Umständen eine Entscheidung nur nach § 20 PromO ausreichend gewesen wäre. Die Berufung des Fakultätsrats auf die Behandlung ähnlich gelagerter Fälle sei mangels entsprechender Belegfälle nicht nachvollziehbar.
28Die Klägerin beantragt,
29den Bescheid des Dekans der Philosophischen Fakultät der Beklagten vom 14. Februar 2013 aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Zur Begründung führt sie aus: Verfahrensfehler seien nicht ersichtlich. Ein Verfahren vor der Untersuchungskommission nach Maßgabe der Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der beklagten Universität habe nicht durchgeführt werden müssen. Maßgeblich sei hier allein das satzungsrechtlich in der Promotionsordnung vorgesehene Verfahren. Die dort einschlägigen Spezialermächtigungen gingen der Arbeit der Untersuchungskommission vor. Die jeweiligen Zuständigkeiten von Dekan und Fakultätsrat seien beachtet worden. Über die Entziehung entscheide der Fakultätsrat. Der Dekan, der auch Vorsitzender des Fakultätsrats sei, treffe die außenwirksame Entscheidung als zuständige Behörde, wobei hier die Begründung des Bescheides vorab mit dem Fakultätsrat besprochen worden sei. Dem Dekan obliege es außerdem, gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW das Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen einzuleiten und den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, um eine entsprechende Entscheidung des Fakultätsrats vorzubereiten. Er könne sich hierbei auch Dritter, wie hier veranlasst durch die Beauftragung des Promotionsausschusses, bedienen, die ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützten. Ungeachtet dessen habe der Fakultätsrat die Vorgehensweise des Dekans jedenfalls in seiner ersten Sitzung am 22. Januar 2013 nachträglich gebilligt. Das Anhörungserfordernis sei gewahrt; eine vorherige Anhörung bezogen auf jeden Einzelaspekt sei nicht erforderlich. Eine Besorgnis der Befangenheit bestehe nicht. Dass das Gutachten von Prof. Dr. S. auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt sei, bedeute nicht, dass damit jedes Mitglied des Fakultätsrats automatisch als befangen gelte. Die Beweisanregungen der Klägerin seien hinreichend berücksichtigt worden. Deren Ablehnung sei rechtmäßig gewesen.
33Auch in materieller Hinsicht lägen keine Fehler vor: Die Klägerin habe plagiiert, weil sie Textpassagen aus einschlägigen Sekundärquellen übernommen und diese nicht durch Nachweise gekennzeichnet habe; auf die insoweit mit der Klageschrift geltend gemachten Einwände sei im Einzelnen eingegangen worden. Die Klägerin habe objektiv bei dem Betreuer (bzw. Referent) und dem Korreferenten sowie den anderen promotionsberechtigten Mitgliedern der Fakultät einen Irrtum darüber erregt, dass keine anderen als die jeweils angegebenen Quellen genutzt und wörtliche oder sinngemäße Übernahmen als solche gekennzeichnet worden seien. Auch habe die Klägerin den Täuschungsvorwurf selbst eingeräumt, indem sie zugestanden habe, dass sie stellenweise Rezeptionsleistungen Dritter übernommen, aber nicht hinreichend belegt habe. Ein Täuschungsvorsatz liege nach eingehender Gesamtwürdigung der Befunde vor. Ob die eingereichte Dissertation annahmefähig gewesen wäre, wenn sie die fehlenden Nachweise enthalten hätte, sei irrelevant. Eine “geltungserhaltende Reduktion“ finde nicht statt. Auf die Quantität der Plagiate im Verhältnis zur Länge der Arbeit komme es jenseits einer hier nicht ernstlich zu erwägenden Bagatellgrenze rechtlich nicht an. Maßgeblich seien die große Zahl und vor allem die teils ganz erhebliche Gravität der festgestellten Plagiate.
34Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Die Entscheidungen zu den §§ 20 und 21 PromO seien im Fakultätsrat separat und nach getrennten Abstimmungen erfolgt; ungeachtet dessen stünden die Regelungen in einem funktionalen Zusammenhang. Deshalb ließen sich die konkreten Ermessenserwägungen nicht voneinander trennen. Im Rahmen der Rücknahmeentscheidung seien schließlich auch die persönlichen Folgen einer Doktorgradentziehung für die Klägerin berücksichtigt worden. Eine Regelung zur Verjährung gebe es nicht und, selbst wenn, hätte die Klägerin einen entsprechenden Einwand verwirkt, da sie selbst um Überprüfung gebeten habe und die Begünstigung im Übrigen durch vorsätzliche Täuschung erlangt worden sei. Der vorliegende Fall könne auch nicht mit anderen Prüfungsordnungen, in denen sich vereinzelt Verjährungsregelungen fänden, verglichen werden, da es dort im Regelfall lediglich um berufsqualifizierende Abschlüsse gehe und diese anders als eine Dissertation nicht als Beleg für eine besondere wissenschaftliche Befähigung dienten. Es gehe bei einer Promotion um den Kern der wissenschaftlichen Leistung und ihrer rechtlichen Funktion, die auch über längere Zeiträume hinweg die jeweilige Qualifikation in akademischer Hinsicht ausmachten. Schwerwiegende Verstöße gegen korrektes wissenschaftliches Verhalten ließen die Leistung als solche hinfällig werden, und zwar unabhängig von dem Zeitraum, der verstrichen sei. Dass die Bedeutung einer Dissertation für den wissenschaftlichen Diskurs praktisch gesehen sehr unterschiedlich sei und mit der Zeit verblassen könne, sei rechtlich bedeutungslos. Entscheidend sei, dass eine Dissertation den Anspruch haben müsse, als wissenschaftlicher Diskursbeitrag jederzeit aufgegriffen zu werden. Deshalb sei auch namentlich das Strafrecht, das mit vergleichbar kurzen Verjährungsfristen operiere, kein taugliches Vergleichsobjekt.
35Der in der mündlichen Verhandlung für die Klägerin anwesende Prozessbevollmächtigte hat Beweisanträge gestellt und beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass die Methode des Nachweises der von der Klägerin in der Dissertation benutzten und im Beweisantrag im Einzelnen aufgeführten Werke in der erziehungswissenschaftlichen Literatur 1980 nicht unüblich gewesen sei, ein Sachverständigengutachten einzuholen sowie ferner zum Beweis der Tatsache, dass die seinerzeitigen Gutachter im Promotionsverfahren bei der Bewertung der Dissertation der Klägerin nicht angenommen hätten, die auf den zuvor genannten Seiten aus der Literatur rezipierten Darstellungen der Auffassungen anderer Autoren seien aus der Primärliteratur durchgängig selbständig erarbeitet worden, Referent und Korreferent als sachverständige Zeugen zu vernehmen. Die Kammer hat die Beweisanträge abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der beklagten Universität Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Die Klage hat keinen Erfolg.
39Die Klage, die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig ist, ist unbegründet.
40Der angefochtene Bescheid des Dekans der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität vom 14. Februar 2013 und die diesem zugrunde liegende Entscheidung des Fakultätsrats, mit dem die Dissertation als schriftliche Promotionsleistung der Klägerin für ungültig erklärt und unter Berücksichtigung dessen der der Klägerin durch Übergabe der Promotionsurkunde vom 27. November 1980 verliehene Doktorgrad “Dr. phil.“ zurückgenommen wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dies steht zur Überzeugung der Kammer ohne die Notwendigkeit fest, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen oder entsprechend den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen der Klägerin bzw. ihren ergänzenden schriftsätzlichen Beweisanregungen weiter aufzuklären.
41Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides und der diesem zugrunde liegenden Entscheidungen des Fakultätsrats ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen.
42Vgl. hierzu auch VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K 3335/11, juris (Rdnr. 28).
43Zugrunde zu legen ist daher das Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG) vom 31. Oktober 2006 (GV NRW S. 474) in der bezogen auf den vorgenannten Zeitpunkt durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2012 (GV NRW S. 672) geänderten Fassung sowie die zu diesem Zeitpunkt geltende und auf der Grundlage des Hochschulgesetzes erlassene Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität vom 4. Juli 2000 (Amtl. Bek. vom 11. Juli 2000) - PromO -, in der Fassung der zuletzt mit Ordnung vom 8. März 2011 erfolgten Änderungen.
44Gemäß § 20 Satz 1 PromO können die Promotionsleistungen durch den Fakultätsrat unter anderem dann für ungültig erklärt werden, wenn sich nach Aushändigung der Promotionsurkunde ergibt, dass sich die Doktorandin oder der Doktorand bei der Zulassung zum Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht hat (vgl. dazu nachfolgend Ziffer 2). Gemäß § 21 PromO kann zudem der Doktorgrad entzogen bzw. zurückgenommen werden, wobei die Regelung auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen verweist (vgl. dazu nachfolgend Ziffer 3).
45Die Entscheidungen des Fakultätsrats sind danach formell (vgl. Ziffer 1) und materiell (vgl. Ziffer 2 und 3) rechtmäßig ergangen.
461.) Die Einwände der Klägerin gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Fakultätsrats greifen nicht durch.
47a) Für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen rechtlich unerheblich ist, ob die von der Klägerin gerügten Rechtsmängel den Maßnahmen anhaften, die Dekan und Promotionsausschuss zwecks Klärung der Frage ergriffen haben, ob sich der Fakultätsrat mit den gegen die Klägerin erhobenen “Plagiatsvorwürfen“ befassen soll. Dieses “Vorprüfungsverfahren“ ist nicht Bestandteil des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens, auf dessen Überprüfung die gerichtliche Rechtskontrolle beschränkt ist.
48Gemäß §§ 20, 21 PromO entscheidet über die Ungültigkeit der Promotionsleistung und über die Rücknahme oder Entziehung des Doktorgrades der Fakultätsrat, so dass das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verwaltungsverfahren mit der erstmaligen Befassung des Fakultätsrats begann. Die zuvor ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen des Dekans und des von ihm beauftragten Promotionsausschusses waren deshalb Bestandteil einer dem Verfahren beim Fakultätsrat vorgelagerten Vorprüfung, deren Ziel allein die Klärung der Frage war, ob die mit der “Anzeige“ gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe im Tatsächlichen hinreichend Anlass boten, den Sachverhalt dem Fakultätsrat zur Entscheidung darüber vorzulegen, ob in einem Verwaltungsverfahren die Gültigkeit der Promotionsleistung der Klägerin sowie deren Berechtigung zur Führung des Doktorgrades überprüft werden sollten. Gemäß § 24 Abs. 1 VwVfG NRW, der gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG NRW Anwendung findet, ermittelt die Behörde bzw. hier die beklagte Universität, vertreten durch den Dekan, der gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 HG den Fachbereich (bzw. die Fakultät) leitet und ihn (bzw. sie) innerhalb der Hochschule vertritt, den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt hierbei Art und Umfang der Ermittlungen. Als Grundlage für die Entscheidung, ob ein Verwaltungsverfahren eingeleitet werden soll, sowie dafür, ob dieses Verfahren gegebenenfalls mit einer Regelung abgeschlossen werden soll, begründen etwaige formelle Mängel dieser Untersuchung deshalb grundsätzlich keine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition und damit auch keinen Ansatz für einen eigenen Verfahrensfehler, der sich auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Regelung auswirken kann.
49Vgl. zum Zweck des § 24 VwVfG und zur Verfahrensposition im Falle der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes: Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 24 Rdnr. 5 ff.
50b) Mit dem Fakultätsrat hat, wie dargelegt, das nach §§ 20, 21 PromO zuständige Organ entschieden. Ob der Fakultätsrat die bei der beklagten Universität auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 der Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der beklagten Universität vom 27. Juni 2002 (Amtl. Bek. Nr. 14/2002 vom 28. Juli 2002) - nachfolgend: Grundsätze - zum Zwecke der Verfolgung wissenschaftlichen Fehlverhaltens eingerichtete ständige Untersuchungskommission hätte bitten dürfen, dem Verdacht gegen die Klägerin nachzugehen und den Sachverhalt aufzuklären, kann offen bleiben. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu bestand entgegen der Auffassung der Klägerin jedenfalls nicht. Eine solche ergibt sich weder aus den vorgenannten Grundsätzen selbst noch aus der Promotionsordnung. Vielmehr bestimmt § 8 Abs. 2 Satz 1 der Grundsätze, dass das Verfahren vor der Untersuchungskommission nicht andere, gesetzlich bzw. satzungsrechtlich geregelte Verfahren ersetzt. Dementsprechend stellt § 8 Abs. 2 Satz 2 der Grundsätze auch ausdrücklich klar, dass die anderweitig gesetzlich oder satzungsrechtlich geregelten Verfahren von den jeweils zuständigen Organen eingeleitet werden. Erfüllt daher – wie im vorliegenden Fall – die Behauptung wissenschaftlichen Fehlverhaltens zugleich möglicherweise einen Tatbestand, der nach der einschlägigen Promotionsordnung Sanktionen rechtfertigt, so ist das dafür vorgesehene Verfahren unter Beachtung der in der Promotionsordnung normierten Zuständigkeiten durchzuführen.
51Vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung auch VG Berlin, Urteil vom 25. Juni 2009, 3 A 319.05, juris (Rdnr. 36 ff).
52c) Eine Anhörung der Klägerin in dem Verfahren, das der Fakultätsrat mit den Entscheidungen zur Ungültigkeit der Dissertation und zur Rücknahme des Doktorgrades “Dr. phil.“ abgeschlossen hat, ist gemäß § 20 Satz 2 PromO, der der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regelung in § 28 Abs. 1 VwVfG NRW entspricht und wonach der Fakultätsrat seine Entscheidung nach Anhörung der oder des Betroffenen durch den Dekan trifft, bzw. gemäß § 21 PromO i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erfolgt.
53Anhörung im Sinne der vorgenannten Vorschriften bedeutet, dass die Behörde, das heißt der Amtsträger, der für die in der Sache zu treffenden Entscheidung zuständig ist, dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zum Gang des Verfahrens, zum Gegenstand, zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und zum möglichen Ergebnis innerhalb einer angemessenen Frist gibt.
54Vgl. Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 14. Aufl. 2013 (Kopp/Ramsauer), § 28 Rdnr. 12 m. w. N. aus der Rechtsprechung.
55Danach ist hier bezogen auf beide Entscheidungen des Fakultätsrats eine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin erfolgt.
56Abgesehen davon, dass dem Fakultätsrat im Rahmen seiner Sitzung am 22. Januar 2013 bereits ausführliche Stellungnahmen der Klägerin aus dem Vorprüfungsverfahren vorlagen und der Klägerin der Bericht von Prof. Dr. S. bereits bekannt war, hatte die Klägerin auch nach der Sitzung des Fakultätsrats vom 22. Januar 2013, in der dieser allein die “Einleitung eines förmlichen Rücknahmeverfahrens“ beschlossen hatte, hinreichend Gelegenheit zum Sach- und Streitstand weiter vorzutragen. Über die vom Fakultätsrat beschlossene Einleitung des “Hauptverfahrens“ sowie darüber, dass der Fakultätsrat für den 5. Februar 2013 zu einer weiteren Sitzung einberufen werden sollte, ist die Klägerin durch die vom Dekan an ihre Prozessbevollmächtigten übermittelte Presseerklärung am Tag der Beschlussfassung am 22. Januar 2013 informiert worden. Auf die Anfrage der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24. Januar 2013, welche Planungen hinsichtlich der weiteren Gestaltung des Verfahrens bestünden und ob noch eine Entscheidung über die Einholung weiterer Gutachten getroffen worden sei oder getroffen werden solle, hat der Dekan mit Schreiben vom gleichen Tage nochmals ergänzend klargestellt, dass der Fakultätsrat in seiner Sitzung vom 22. Januar 2013 “das Verfahren zur Entscheidung über eine eventuelle Ungültigkeitserklärung der schriftlichen Promotionsleistung der Klägerin“ eingeleitet habe, und zugleich darauf hingewiesen, dass die bereits übersandten Unterlagen der Klägerin auch im weiteren Verfahren berücksichtigt würden und dass es der Klägerin unbenommen bleibe, zum Rechtsgutachten Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 führte der Dekan zudem ergänzend aus, dass der Fakultätsrat einstimmig beschlossen habe, jedenfalls derzeit keine externe Expertise hinzuzuziehen. Damit waren der Klägerin die Grundlagen der weiteren Verfahrensweise des Fakultätsrats in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entsprechend der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs offen gelegt. Dass der in der Presseerklärung verwandte Begriff “Hauptverfahren“ dabei untechnisch gemeint war und sowohl das Verfahren zur Erklärung der Ungültigkeit als auch das Verfahren zur Rücknahme des Doktorgrades beinhaltete, musste sich für die Klägerin bei lebensnaher Betrachtungsweise aus den bisherigen Verfahrensabläufen ergeben, in denen der Dekan ihr gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht hatte, dass es um die Frage der Einleitung eines “Aberkennungsverfahrens“ im Sinne der vorgenannten Verfahrensschritte gehe. Dementsprechend haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 4. Februar 2013 die Gelegenheit, für die Klägerin vorzutragen, auch tatsächlich genutzt und Beweisanträge gestellt sowie im Rahmen ihrer Stellungnahme unter Bezugnahme auf das Rechtsgutachten des Prozessbevollmächtigten der beklagten Universität zum Verfahrensablauf außerdem zum Ausdruck gebracht, dass ihnen (und damit der Klägerin) unter Berücksichtigung der im Gutachten ausdrücklich erfolgten rechtlichen Befassung mit der Möglichkeit einer Entziehung des Doktorgrades auf der Grundlage von § 21 PromO i. V. m. § 48 VwVfG NRW vor dem Hintergrund einer Ungültigerklärung der Promotionsleistung nach § 20 PromO die Tragweite der mit der Presseerklärung bekannt gemachten Einleitung des gegen die Klägerin gerichteten Verfahrens bewusst war. Eine darüber hinaus gehende Verpflichtung, die Betroffene auf die Möglichkeit zu Äußerungen zur Sache ausdrücklich hinzuweisen oder sie dazu aufzufordern bzw. dafür eine Frist zu setzen, bestand nicht.
57Vgl. dazu Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 28 Rdnr. 20 m. w. N.
58Ungeachtet der vorherigen Ausführungen wäre ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG NRW aber auch geheilt.
59d) Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 7 HG war es Aufgabe des Dekans, den Beschluss des Fakultätsrats vom 5. Februar 2013 auszuführen. Anhaltspunkte dafür, dass der Dekan den Beschluss dem objektiv erkennbaren Willen des Fakultätsrats zuwider vollzogen hat,
60vgl. zur Umsetzung solcher Beschlüsse nach Maßgabe der früheren Regelung in § 27 Universitätsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1993 (GV NRW S. 532): Leuze in Leuze/Bender, Kommentar zum WissHG NW, letzter Stand Dezember 1998, § 27 Rdnr. 6; vgl. ferner Denninger, Kommentar zum Hochschulrahmengesetz (1984), S. 420 f zu § 64 Rndr. 64 ff.,
61sind unter Zugrundelegung der protokollierten Beschlussfassung nicht ersichtlich. Einer vorhergehenden Genehmigung des genauen Wortlauts des Bescheides durch den Fakultätsrat bedurfte es entgegen der anderslautenden Auffassung der Klägerin nicht. Ein solches Gebot findet sich weder im Hochschulgesetz noch in anderen hier maßgeblichen Regelungen bzw. Ordnungen.
62e) Formell rechtswidrig sind die angefochtenen Entscheidungen des Fakultätsrats auch nicht mit Blick auf die von der Klägerin behauptete Befangenheit der Mitglieder des Fakultätsrats. Für eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 21 VwVfG NRW, der hier gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG NRW Anwendung findet, bestehen objektiv keine Anhaltspunkte. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin erschöpft sich in Mutmaßungen und ist unsubstantiiert. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, die Befangenheit der Mitglieder des Fakultätsrats ergebe sich aus dem Umstand, dass der von Prof. Dr. S. Ende September 2012 dem Promotionsausschuss vorgelegte Bericht auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt sei. Inwieweit dieser Umstand geeignet sein soll, die Besorgnis zu begründen, dass die Mitglieder des Fakultätsrats nicht unparteilich entscheiden würden, erschließt sich aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
63f) Der Umstand, dass, wie von der Klägerin beanstandet, die seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) ihrer Dissertation nicht als sachverständiger Zeuge vernommen wurden, begründet schon vom Ansatz her keinen selbständigen formellen Mangel. Ungeachtet dessen kam es auf ihre Einvernahme aber auch nicht an, wie im Weiteren noch auszuführen sein wird.
64Die angefochtenen Entscheidungen des Fakultätsrats, die Dissertation der Klägerin für ungültig zu erklären (vgl. dazu nachfolgend Ziffer 2) und den Doktorgrad “Dr. phil.“ zurückzunehmen (vgl. dazu nachfolgend Ziffer 3), sind auch materiell rechtmäßig.
652.) Nach § 20 Satz 1 PromO können die Promotionsleistungen durch den Fakultätsrat unter anderem dann für ungültig erklärt werden, wenn sich nach Aushändigung der Promotionsurkunde ergibt, dass sich die Doktorandin oder der Doktorand bei der Zulassung zum Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht hat. Die tatbestandlichen Voraussetzungen (vgl. Ziffer 2 a – c) sind gegeben. Schließlich hat der Fakultätsrat auch das ihm nach der Vorschrift eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl. Ziffer 2 d).
66Mit dem Begriff der Täuschung knüpft die Promotionsordnung an die dem Tatbestand des § 263 StGB innewohnenden Merkmale an. Danach sind Voraussetzungen einer Täuschung das Vorliegen einer rechtserheblichen Täuschungshandlung - durch Vorspiegeln oder Unterdrücken von Tatsachen - (vgl. dazu Ziffer 2 a), ferner das Erregen eines Irrtums sowie die Ursächlichkeit der Täuschungshandlung für den erregten Irrtum (vgl. dazu Ziffer 2 b) und schließlich das Vorliegen eines Täuschungsvorsatzes (vgl. dazu Ziffer 2 c).
67Dass der Fakultätsrat diese Voraussetzungen in objektiver und subjektiver Hinsicht in Bezug auf die Dissertation der Klägerin als gegeben angesehen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, wobei die Frage der Erheblichkeit der Täuschungshandlung wegen des dem Fakultätsrat hier eingeräumten Beurteilungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.
68Vgl. zum Beurteilungsspielraum im vorbeschriebenen Zusammenhang etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99, juris (Rdnr. 34); vgl. ferner im Rahmen eines Überblicks über die Rechtsprechung: Schroeder, Die Entziehung des Doktorgrades wegen Täuschung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, NWVBl 2010 S. 176 (179); vgl. zu den Grenzen des Beurteilungsspielraums im Prüfungsrecht allgemein: Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rdnr. 639 ff.
69a) Eine rechtserhebliche Täuschungshandlung durch Vorspiegeln oder Unterdrücken von Tatsachen liegt, soweit hier von Interesse, vor, wenn Passagen der zur Bewertung abgegebenen Dissertation nicht vom Promovenden selbst, sondern von einem anderen Autor stammen und der Promovend dies nicht kennzeichnet.
70Vgl. VG Berlin, Urteil vom 15. April 2009, 12 A 319.08, juris (Rdnr. 21) und BayVGH, Beschluss vom 19. August 2004, 7 CE 04.2058, juris (Rdnr. 18).
71aa) Unter Zugrundelegung des für das Prüfungsrecht aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) abgeleiteten Gebots, eine Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, ist Grundvoraussetzung für eine der Bewertung zugängliche und außerdem für den Abschluss des Studiums bedeutende Prüfungsleistung, wie hier in Gestalt der grundständigen Promotion der Klägerin, dass der Promovend die für den Erfolg maßgeblichen Leistungen eigenständig und unverfälscht erbringt. Die Anforderungen, die an den Nachweis der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen sind, ergeben sich aus dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit. Dieses erfordert wiederum, geistiges Eigentum Dritter nachprüfbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden.
72Diese Anforderungen entsprechen auch der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), das hierzu in seinem Urteil vom 20. Dezember 1991 (15 A 77/89) im Zusammenhang mit einer Täuschung bei einer im Jahre 1976 angefertigten Habilitationsschrift das Folgende ausgeführt hat (vgl. juris, Rdnr. 11):
73“...Es ist ein grundlegendes, jedermann einsichtiges und allseits anerkanntes Gebot der Redlichkeit, in einer wissenschaftlichen Arbeit Gedanken anderer Autoren, selbst wenn sie nur Ausgangspunkt eigener Überlegungen sein sollen, als solche kenntlich zu machen, sei es im Text oder in den beigefügten Zitaten. Noch mehr und erst recht gilt dies, wenn eine fremde gedankliche Leistung in weithin nur wiederholender Darstellung aufgegriffen und lediglich in Einzelheiten weitergeführt, vervollkommnet [...] werden soll. Unterbleibt in diesem [...] Fall die Kenntlichmachung der fremden Leistung, so muss der unbefangene Leser in dem selbstverständlichen Vertrauen, dass jene grundlegende Regel wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten ist, einen falschen Eindruck von Umfang und Wert der eigenen Leistung des Verfassers gewinnen; zumindest aber gerät er in die Gefahr, einem solchen Irrtum zu erliegen....“
74Dementsprechend hat die Klägerin auch gemäß § 3 Ziff. 3c der zum Zeitpunkt der Anfertigung ihrer Dissertation einschlägigen Promotionsordnung vom 15. Februar 1977 (nachfolgend: PromO a.F.), genehmigt mit Erlass des damaligen “Ministerium für Wissenschaft und Forschung“ des Landes Nordrhein-Westfalen – abgekürzt: MWF NW – Az. I B 2 8101/071 (Amtl. Bek. 1/1977 vom 27. Mai 1977), eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts abgegeben, dass sie die vorgelegte Dissertation selbst und ohne unerlaubte Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.
75Hier hat die Klägerin über den Umfang der Eigenständigkeit ihrer Leistung getäuscht, wobei dem Fakultätsrat die maßgeblichen Umstände erst nach Aushändigung der Promotionsurkunde bekannt geworden sind.
76Entgegen den zuvor dargestellten Anforderungen hat die Klägerin in rechtserheblichem Umfang ohne erforderliche Kennzeichnung und ohne Angabe der von ihr genutzten Quellen wörtliche oder leicht umgewandelte oder sinngemäß übernommene Passagen aus den von ihr verwendeten Quellen in ihre Dissertation übernommen und damit den falschen Eindruck erweckt, der Dissertationsschrift liege auch insoweit eine eigene gedankliche Leistung zugrunde. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach Maßgabe des dem Fakultätsrat vorliegenden Berichts von Prof. Dr. S. (Stand: 12. Dezember 2012) fest, der nach einer eigenständigen Überprüfung der Dissertation der Klägerin anhand der Originaltexte im Rahmen einer synoptischen Gegenüberstellung der einzelnen Belegstellen aus der Dissertation mit den jeweils nicht genannten Quellen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, dass die Dissertationsschrift mit den in dem Bericht im Einzelnen bezeichneten Textstellen Passagen enthält, die als nicht eigenständige Leistung der Klägerin zu werten sind. Die Kammer hat im Rahmen eines von ihr selbst vorgenommenen Textabgleichs die von Prof. Dr. S. behaupteten Textgleichheiten oder Textähnlichkeiten, die sich in allen drei Teilen der Dissertation, im Schwerpunkt allerdings im zweiten Teil der Arbeit (“Theorien über das Gewissen“), finden, überprüft. Danach sind die in dem Bericht von Prof. Dr. S. aufgeführten Befunde (vgl. zusammenfassend Seite 87 des Berichts) in ihrer Richtigkeit nicht in Zweifel zu ziehen.
77Im Einzelnen handelt es sich um folgende Befundstellen:
78(1) Erster Teil der Arbeit (“Der Verstehenshorizont“, S. 20 – 58):
79Zu Recht hat Prof. Dr. S. moniert, dass Seite 23 der Dissertation mehrfache Übernahmen aus der Schrift von David Katz (Mensch und Tier. Studien zur vergleichenden Psychologie, Zürich 1948) enthält, ohne dass ein Verweis auf diese Arbeit erfolgt. Den Autor erwähnt die Klägerin in anderem Zusammenhang erstmals in einer Fußnote auf Seite 25 (und nicht wie von ihr behauptet auf Seite 24) und im Fließtext erstmals auf Seite 27.
80Seite 26 der Dissertation beinhaltet, wie im Bericht von Prof. Dr. S. zutreffend aufgeführt wird, nicht kenntlich gemachte wörtlich übernommene oder leicht angepasste bzw. leicht abgewandelte Textstellen aus den Schriften von F.J. Byutendijk (Mensch und Tier, Hamburg 1970) und Arnold Gehlen (Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, Frankfurt 1974), die sich beide zu Jakob von Uexküll (Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen, Stuttgart 1970) verhalten und den Eindruck erwecken, dass unmittelbar auf die Primärquelle (von Uexküll) zurückgegriffen wurde. Als Zitat aus Byutendijk ist lediglich ein Halbsatz im Fließtext ausgewiesen.
81Auf Seite 45 finden sich im Sinne von Prof. Dr. S. “Collagen von Versatzstücken“ aus der Arbeit von Helmut Fend (Sozialisierung und Erziehung. Eine Einführung in die Sozialisierungsforschung, Weinheim, Berlin, Basel 1969), in denen sich die Klägerin mit den Aussagen von Emile Durkheim (= Primärquelle) auseinandersetzt. Belegt wird als Zitat aus der Schrift von Fend nur ein Halbsatz; auch Durkheim selbst wird, was die Kammer ergänzend festgestellt hat, erst in einer Fußnote auf Seite 46 belegt.
82Auf Seite 47 bezieht sich die Dissertationsschrift der Klägerin auf die deutsche Ausgabe des Werks von George Herbert Mead (Geist, Identität und Gesellschaft, Zürich und Stuttgart 1971), der auch – allerdings ohne konkrete Seitenangabe – in der Fußnote aufgeführt wird. Die komplette Argumentation entspricht allerdings, wie von Prof. Dr. S. zutreffend ausgeführt wird, der Arbeit von Helmut Fend (a.a.O.), der lediglich in Bezug auf ein in einem Halbsatz befindliches wörtliches Zitat als Beleg angeführt wird.
83Das wörtliche Zitat auf Seite 49 der Dissertation, für das als Beleg das Werk von Theodor Scharmann (Die individuelle Entwicklung in der sozialen Wirklichkeit, in: Handbuch der Psychologie, Bd. 6: Entwicklungspsychologie, hrsg. von Hand Thomae, Göttingen 1959, S. 535 – 582) aufgeführt wird, wurde aus einer anderen als der angegebenen Veröffentlichung von Scharmann übernommen (nämlich aus Theodor Scharmann, Psychologische Beiträge zu einer Theorie der sozial-individuellen Integration, in: Sozialisation und Personalisation, Beiträge zu Begriff und Theorie der Sozialisation aus der Sicht der Soziologie, Psychologie, Arbeitswissenschaft, Medizin, Pädagogik, Sozialarbeit, Kriminologie, Politologie, hrsg. von Gerhard Wurzbacher, Stuttgart 1974). Auch der bibliographische Nachweis entstammt dem vorgenannten Werk von Scharmann, wobei der in der Dissertation der Klägerin unter Fußnote 3 aufgeführte Titel allerdings fehlerhaft aus einer unmittelbar benachbarten Fußnote des vorgenannten Werkes von Scharmann bezogen wird. Auf die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. S. auf Seite 24 seines Berichts wird ergänzend Bezug genommen.
84Die Seiten 50 – 52 der Dissertation enthalten, wie Prof. Dr. S. zu Recht rügt, Übernahmen aus der Arbeit von Joseph Speck (Die anthropologische Fundierung erzieherischen Handelns. Zur Problematik “personaler“ Pädagogik, Münster 1968), die sich zum Personenbegriff verhalten, wie ihn Max Müller und Alois Halder (Person – I. Begriff und Wesen der Person, in Staatslexikon: Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Bd. 6, Freiburg 1961, Sp. 197 – 206) entwickelt haben, ohne diese Übernahmen als solche kenntlich zu machen.
85Auf Seite 56 umfasst die Dissertation einen Absatz, der als Zitat von Karl Jaspers (Allgemeine Psychopathologie, Berlin, Heidelberg 1948, S. 275) gekennzeichnet wird. Tatsächlich handelt es sich aber, wie von Prof. Dr. S. zu Recht beanstandet wird, um ein “Zitat im Zitat“; dabei wurde der Absatz in Gänze aus einer Arbeit von Walter Tröger (Erziehungsziele, München 1967) übernommen.
86(2) Zweiter Teil der Arbeit (“Theorien über das Gewissen“, S. 59 – 253):
87Die Seiten 62 – 70 der Dissertation, auf denen sich die Klägerin mit zwei Arbeiten von Niklas Luhmann auseinandersetzt (Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, in: Archiv des Öffentlichen Rechts, Bd. 90, H. 3 (1965), S. 257 – 286, und, Das Phänomen des Gewissens und die normative Selbstbestimmung der Persönlichkeit, in: Naturrecht in der Kritik, hrsg. von Franz Böckle und Ernst-Wolfgang Böckenförde, Mainz 1973, S. 223 – 243), umfassen, wie im Bericht von Prof. Dr. S. zutreffend moniert wird, etliche nicht kenntlich gemachte Textübernahmen (Satzstücke und/oder Wendungen) aus den vorgenannten Publikationen von Luhmann. Stellenweise (vgl. etwa Seite 70 der Dissertation) wird der Eindruck erweckt, ein korrekt ausgewiesenes Luhmann-Zitat werde mit einer bereits zuvor gebrachten vermeintlich eigenständigen, tatsächlich aber ebenfalls aus den Werken von Luhmann stammenden Folgerung verbunden. Auf den Bericht von Prof. Dr. S. (vgl. dort die Seiten 29 – 42) wird insoweit Bezug genommen.
88Die auf den Seiten 75 – 76 der Dissertation dargestellte Freud-Rezeption ist, wie im Bericht von Prof. Dr. S. ebenfalls zu Recht beanstandet wird, fast vollständig aus nicht gekennzeichneten, identisch übernommenen oder geringfügig abgewandelten Textbausteinen aus der Schrift von Ernst Stadter (Psychoanalyse und Gewissen. Von der Stimme “Gottes“ zum “Über-Ich“, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1970) zusammengefügt worden. Stadter wird auch gar nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt.
89Zu Recht hat Prof. Dr. S. ferner gerügt, dass sich Seite 78 der Dissertation nahezu in Gänze als “Collage“ von solchen Textstellen erweist, die ohne Kennzeichnung aus den Werken von Josef Nuttin (Psychoanalyse und Persönlichkeit, Freiburg/Schweiz 1956), Gustav Bally (Einführung in die Psychoanalyse Siegmund Freuds, Hamburg 1974) sowie Jean Laplanche und Jean-Bertrand Pontalis (Das Vokabular der Psychoanalyse, 2 Bde., Frankfurt am Main 1972) übernommen wurden. Letzteres Werk wird ebenfalls nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt.
90Auf den Seiten 82 – 83 der Dissertation finden sich, wie im Bericht von Prof. Dr. S. zutreffend ausgeführt wird, über mehrere Abschnitte hinweg nicht kenntlich gemachte Übernahmen fast identischer oder sprachlich nur geringfügig veränderter Textpassagen aus einer Arbeit von Heinz Häfner (Das Gewissen in der Neurose, in: Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie unter Einschluss wichtiger Grenzgebiete, hrsg. von Victor E. Frankl u.a., Bd. 2: Spezielle Neurosenlehre, München 1959, S. 692 – 726).
91Seite 84 der Dissertation betrifft die Rezeption von Erik H. Erikson (Identität und Lebenszyklus, Frankfurt 1972). Diese umfasst, worauf Prof. Dr. S. zu Recht hinweist, nicht kenntlich gemachte wörtliche oder leicht angepasst übernommene Textbausteine aus einer Arbeit von Gerhard Klier (Gewissensfreiheit und Psychologie. Der Beitrag der Psychologie zur Normbereichsanalyse des Grundrechts der Gewissensfreiheit, Berlin 1978).
92Auf den Seiten 90 – 94 der Dissertation finden sich, wie im Bericht von Prof. Dr. S. richtigerweise ausgeführt wird, nicht kenntlich gemachte, wörtlich übernommene oder sprachlich leicht angepasste Textpassagen und Textstellen aus den Werken von Henry Jacoby (Alfred Adlers Individualpsychologie und dialektische Charakterkunde, Frankfurt/Main 1974), Antoni J. Nowak (Gewissen und Gewissensbildung heute in tiefenpsychologischer und theologischer Sicht, Wien, Freiburg, Basel 1978) und Otto Baumhauer (Das Vor-Urteil des Gewissens, Limburg 1970), die allesamt Rezeptionen von Alfred Adler betreffen.
93Die Seiten 101 – 105 weisen zahlreiche nicht kenntlich gemachte textidentische oder nur geringfügig abgewandelte Elemente aus der Arbeit von Jolande Jacobi (Der Weg zur Individuation, Zürich, Stuttgart 1965) auf. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bericht von Prof. Dr. S. (vgl. dort die Seiten 54 – 58) wird Bezug genommen.
94Die Seiten 113 – 114 der Dissertation umfassen, wie von Prof. Dr. S. im Bericht zu Recht beanstandet wird, über mehrere Absätze hinweg und im Umfang einer vollen Seite weitgehend wörtlich übernommene oder leicht angepasste “Textbausteine“ aus dem Werk von Nowak (a.a.O.) in Bezug auf die Rezeption der Texte von Igor A. Caruso (Der Vorstoß ins Weltall als psychologisches Problem, in: “Der Psychologe“ 12, 11, 1960), wobei Nowak auf den vorgenannten Seiten nur in Bezug auf zwei kleinere Halbsätze als Autor zitiert wird.
95Zutreffend weist Prof. Dr. S. ferner darauf hin, dass Seite 135 der Dissertation textidentisch übernommene oder leicht angepasste, teilweise voneinander getrennte und neu zusammengefügte Textpassagen aus dem Werk von Alfred L. Baldwin (Theorien primärer Sozialisationsprozesse, 2 Bde., Weinheim, Basel 1974) umfasst, die sich unmittelbar auf Piaget (= Originalquelle) beziehen. Baldwin wird lediglich als Urheber eines Satzes durch ein Zitat ausgewiesen.
96Auf den Seiten 140 – 143 der Dissertation finden sich, was Prof. Dr. S. zutreffend rügt, nicht kenntlich gemachte vollständig übernommene oder leicht abgewandelte Textbausteine aus dem Werk von Fritz Oser (Das Gewissen lernen. Probleme intentionaler Lernkonzepte im Bereich der moralischen Erziehung, Olten, Freiburg 1976), die sich ebenfalls zu Piaget verhalten. Oser wird nur im Zusammenhang mit vereinzelten Textstellen als Autor, nicht aber auch als Ausgangsquelle im Übrigen benannt.
97Der Text auf Seite 165 der Dissertation, der sich mit Kant auseinandersetzt (vgl. Ziffer 6. der Dissertation der Klägerin “Das Gewissen als Richter der Vernunft“), enthält über das korrekt ausgewiesene Zitat (Fußnote 4) hinaus weitere, nicht kenntlich gemachte Übernahmen aus einer Arbeit von Johannes Schwartländer (Der Mensch ist Person, Kants Lehre vom Menschen, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1968), in denen die Klägerin mit den von Schwartländer übernommenen Textpassagen eigenständige Überlegungen vorspiegelt. Ergänzend wird insoweit auf Seite 65 des Berichts von Prof. Dr. S. Bezug genommen.
98Auf den Seiten 216 – 217 der Dissertation finden sich, wie Prof. Dr. S. weiter zu Recht moniert, erneut wörtlich übernommene oder sprachlich leicht angepasste Textbausteine aus dem Werk von Reinhold Mokrosch (Das religiöse Gewissen, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1979) in Bezug auf die Wiedergabe der Traditionsgeschichte des Gewissens als Gegenstand theologischer Reflexion. Mokrosch wird lediglich im Zusammenhang mit zwei wörtlichen Zitaten aus seinem Werk als Beleg aufgeführt.
99Die Seiten 225 – 227 und 231 – 233 der Dissertation weisen in erheblichem Umfang (teilweise über mehrere Absätze hinweg im Umfang einer vollen Seite) nicht kenntlich gemachte wörtlich übernommene oder leicht abgewandelte “Textbausteine“ aus einer Arbeit von Alfons Auer (Autonome Moral und christlicher Glaube, in: Katechetische Blätter, Zeitschrift für Religionsunterricht, Gemeindekatechese, kirchliche Jugendarbeit, 102 [1977], S. 60 – 76) zum Verständnis der Moraltheologie in der Auseinandersetzung zwischen Vertretern einer Glaubensethik und einer autonomen Moral im christlichen Kontext auf. Verweise auf Auer als Autor erfolgen nur in Bezug auf vereinzelte Aussagen (vgl. S. 226, Fußnote 1) und in Bezug auf ein wörtliches Zitat (vgl. S. 227, Fußnote 2). Die Ausführungen auf Seite 231 der Dissertation, die fast vollständig textidentisch von Auer übernommen wurden, enthalten ebenso wie die auf Seite 232 abgehandelten und von Auer übernommenen Darlegungen zu den Positionen von Wilhelm H. van der Marck und Josef Fuchs keinerlei Nachweise auf das Werk von Auer. Auf den Bericht von Prof. Dr. S. (vgl. dort die Seiten 69 – 73) wird ergänzend Bezug genommen.
100Seite 241 der Dissertation umfasst, worauf Prof. Dr. S. zu Recht hinweist, nicht kenntlich gemachte Übernahmen eines Textausschnitts und eines Zitats zu Bruno Schüller aus dem Werk von Wilhelm Korff (Kernenergie und Moraltheologie. Der Beitrag der theologischen Ethik zur Frage ethischer Kri-terien allgemeiner Entscheidungsprozesse, Frankfurt a. M., 1979).
101(3) Dritter Teil der Arbeit (“Thesen zu einem pädagogischen Begriff des Gewissens und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“), S. 254 – 335:
102Auf den Seiten 259 – 260 folgt die Dissertationsschrift im Rahmen der Rezeption von Martin Buber (Ich und Du, in: Das dialogische Prinzip, Heidelberg 1973, S. 7 – 136) vollständig dem Aufbau und den Formulierungen in der Arbeit von Johannes Nosbüsch (Das Personenproblem in der gegenwärtigen Philosophie, in: Personale Erziehung. Beiträge zur Pädagogik der Gegenwart, hrsg. von Berthold Gerner, Darmstadt 1965, S. 33 – 88), ohne die jeweils übernommenen Textpassagen kenntlich zu machen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. S. auf Seite 76 des Berichts wird ergänzend Bezug genommen.
103Die Ausführungen auf den Seiten 279 - 280 der Dissertation weisen im Sinne von Prof. Dr. S. nicht kenntlich gemachte “Collagen aus Textbausteinen“ auf, die zunächst aus dem Werk von Johannes Stelzenberger (Das Gewissen. Besinnliches zur Klarstellung eines Begriffes, Paderborn 1961), zum weit überwiegenden Teil aber aus dem Werk von Alexander F. Schischkin (Das Gewissen, in: Das Gewissen in der Diskussion, hrsg. von Jürgen Blühdorn, Darmstadt 1976, S. 343 – 352) übernommen wurden. Zur weiteren Begründung nimmt die Kammer insoweit auf die Seiten 77 – 79 des Berichts von Prof. Dr. S. Bezug.
104Zu Recht moniert Prof. Dr. S. weiter, dass die Seiten 296 - 297 der Dissertation nicht kenntlich gemachte, fast vollständig textidentische Übernahmen aus dem Werk von Dietmar Mieth (Normative Sittlichkeit und ethisches Lernen, in: Ethisch handeln lernen. Zu Konzeption und Inhalt ethischer Erziehung, hrsg. von Günter Stachel und Dietmar Mieth, Zürich 1978, S. 183 – 201) beinhalten, die sich zu Johannes Schwartländer verhalten. Die diese Passage beschließende Fußnote auf Seite 297 (Fußnote 1) signalisiert dagegen eine unmittelbare und eigenständige Rezeption Schwartländers durch die Klägerin.
105Die Seiten 307 – 308 der Dissertation vermitteln, wie im Bericht von Prof. Dr. S. zutreffend ausgeführt wird, den Eindruck, dass die relevante und in den Fußnoten aufgeführte Literatur in Bezug auf den Text eigenständig rezipiert wurde. Tatsächlich wurden die zitierten Begriffsprägungen ebenso wie die entsprechenden Nachweise in den Fußnoten und auch die auf Seite 308 dargestellten Textausschnitte ohne dies kenntlich zu machen vollständig aus dem Werk von Antoni J. Nowak (a.a.O.) übernommen. Hinsichtlich der im Fließtext übernommenen Bezugnahme auf Griesl fehlt es darüber hinaus gänzlich an einem bibliographischen Nachweis. Seine Arbeit ist auch im Literaturverzeichnis nicht aufgeführt.
106Auf den Seiten 312, 315, 316 und 322 der Dissertation finden sich nicht kenntlich gemachte Übernahmen von textidentischen oder leicht abgewandelten Stellen aus dem Werk von Lutz Hupperschwiller (Gewissen und Gewissensbildung in jugendkriminologischer Sicht, Stuttgart 1970), die sich zu S. Freud., H. Roth, H. Zulliger, E. Hapke und Igor A. Caruso verhalten und, wie Prof. Dr. S. in seinem Bericht zu Recht ausführt, den Anschein einer eigenständigen Leistung der Klägerin erwecken.
107Die gegen die Annahme einer Täuschungshandlung gerichteten Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Sie sind schon sämtlich nicht schlüssig, weil sie inhaltlich den Kern der der Klägerin zum Vorwurf gemachten Täuschungshandlungen nicht treffen.
108Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin die meisten der betroffenen Werke, aus denen sie Textpassagen wortgleich oder leicht abgewandelt übernommen hat, in das Literaturverzeichnis aufgenommen hat. Denn es entspricht der wissenschaftlichen Redlichkeit, dass etwaige Übernahmen von anderen Autoren bei den jeweiligen Textstellen als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich gemacht werden.
109Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2010, 14 A 847/09, m. w. N., juris (Rdnr. 18); vgl. ferner VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K 3335/11, m. w. N., juris (Rdnr. 78), VG Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2007, 12 E 2262/05, juris (Rdnr. 14).
110Der Fakultätsrat ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die von ihm zugrunde gelegten Anforderungen, dass jeder Gedankengang und jede Fußnote, die nicht aus eigener gedanklicher Leistung, sondern von dem Werk eines anderen herrühren, sowie sämtliche aus fremden Werken wörtlich übernommenen oder ähnlichen Textpassagen als solche kenntlich zu machen sind und auch indirekte, umschreibende Fremdtextwiedergaben (Paraphrasierung) so deutlich gemacht werden müssen, dass der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht.
111Vgl. zu den Anforderungen: OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 1991, 15 A 77/89, a. a. O.
112Die Rechtmäßigkeit dieser Anforderungen wird von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt.
113Die Behauptung der Klägerin, die von ihr in der Dissertation praktizierte Vorgehensweise habe der üblichen Zitierweise in den 80er Jahren entsprochen, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits rechtlich unerheblich, weil eine solche Zitierpraxis unter Berücksichtigung der sich allein aus dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit ergebenden Anforderungen an den Nachweis der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens rechtswidrig gewesen wäre. Auf die insoweit von der Klägerin mit dem Beweisantrag zu 1.) und den ergänzenden schriftsätzlichen Beweisanregungen begehrte Sachaufklärung dazu, dass die von ihr praktizierte Methode zum Nachweis von Literatur üblich gewesen sei, kam es und kommt es daher offenkundig ebenso wenig an, wie darauf, dass sich in den 80er Jahren ein als verbindlich angesehener Standard, der die von ihr praktizierte Darstellungsweise ausgeschlossen habe, nicht etabliert habe.
114Daran ändert auch die diese Behauptung der Klägerin stützende Stellungnahme des emeritierten Professors für Philosophie an der Universität C2. , M. I1. , nichts, der zufolge in den Fächern der Erziehungswissenschaften in den 80er Jahren eine Praxis der Quellenverweise als geläufig zu beobachten gewesen sei, bei der nur summarisch verfahren worden sei in der Annahme, für den fachkundigen Leser habe kein Zweifel daran bestanden, dass sich auch die dem kenntlich gemachten wörtlichen Zitat voraufgehende und folgende Paraphrase auf diesen Autor beziehe. Abgesehen davon, dass diese Verfahrensweise ohnehin nicht alle in der Dissertation der Klägerin beanstandeten Befundstellen abdecken würde, da die Klägerin mehrfach auch ohne Bezug zu irgendeinem wörtlichen Zitat Textstellen aus der Sekundärliteratur übernommen hat (vgl. etwa auf S. 75 – 76, S. 78, S. 297 und S. 308 der Dissertation), und abgesehen davon, dass bei etlichen Befundstellen zwischen dem wörtlichen Zitat und den übernommenen Textstellen schon wegen des erheblichen Umfangs der Paraphrasen kein unmittelbarer Bezug mehr zwischen dem wörtlichem Zitat und der Paraphrase festzustellen ist (vgl. etwa S. 26 und S. 50 – 51 der Dissertation ), redet I1. in seiner Stellungnahme etwaigen Verstößen gegen die wissenschaftliche Redlichkeit in Gestalt der von der Klägerin reklamierten Vorgehensweise das Wort, in dem er vom “Verschleierungszitat“ (also einer Textstelle, die erkennbar von einer fremden Quellen abstammt, aber umformuliert und weder als Paraphrase noch als Zitat erkennbar gemacht worden ist) bis hin zur “Bauernopferreferenz“ (bei der zwar eine Fußnote eingefügt wird, der übernehmende Autor den Leser jedoch über den Umfang der Übernahme im Unklaren lässt),
115vgl. zum Begriff “Bauernopfer“: Weber-Wulff, Technische Möglichkeiten der Aufdeckung von Plagiaten – Was kann, wie und durch wen kontrolliert werden, in: Plagiate, Wissenschaftsethik und Recht, hrsg. von Thomas Dreier und Ansgar Ohly, Tübingen 2013, unter Hinweis auf Lahusen, Goldene Zeiten – Anmerkungen zu Hans-Peter Schwintowski, Juristische Methodenlehre, UTB basics Recht und Wirtschaft, 2005, KJ 2008, 398, 405,
116Arbeitsmethoden als wissenschaftsadäquat rechtfertigt, die das Vortäuschen der Eigenständigkeit einer wissenschaftlichen Leistung erlauben.
117Im Übrigen bestehen auch keine verifizierbaren Anhaltspunkte für die Annahme, dass gerade für das Fach Erziehungswissenschaften an der philosophischen Fakultät der beklagten Universität etwas anderes gegolten habe. Vielmehr sprechen alle Umstände auch hier für eine umfassende Kennzeichnungspflicht im Sinne der eingangs dargestellten Anforderungen. So heißt es etwa in den in einer Schrift von Wolfgang Kramp von 1978 (Düsseldorfer Materialien zum Studium der Erziehungswissenschaften) enthaltenen Hinweisen zur Literaturverarbeitung in Seminar-Arbeiten, deren Mitverfasser der für die Dissertation der Klägerin zuständige Erstgutachter (bzw. Referent) Prof. Dr. X. war, unter Ziffer 6.) zur Wiedergabe sinngemäßer Zitate:
118“... Wenn man längere Ausführungen eines Autors zusammenfassend wiedergeben will, kommt an Stelle eines wörtlichen nur ein sinngemäßes Zitat, das man in eigene Worte fassen muss, in Frage. Jedes sinngemäße Zitat muss genauso wie ein wörtliches Zitat mit einer genauen Quellenangabe versehen werden. ...“,
119und unter Ziffer 9.) zu Quellenangaben bei Zitaten aus erster und zweiter Hand:
120“... Zitiert wird grundsätzlich der Originaltext, nicht die Sekundärschrift, aus der u.U. das Zitat entnommen ist. Kann der Originaltext nicht eingesehen werden, so schreibt man bei Verwendung des MLA-Zitiersystems: “...“ (Goffman 1959, S. 145 f ; zit. nach Cicourel 1974, S. 98 f); entsprechend verfährt man auch bei Quellenangaben in Fußnoten oder Anmerkungen. ...“.
121Es unterliegt aus Sicht der Kammer keinem Zweifel, dass auch seinerzeit die Anforderungen an die Darstellungs- und Zitierweise in einer Dissertation nicht unterhalb derjenigen Anforderungen gelegen haben, die an die Anfertigung einer Seminararbeit gestellt wurden.
122Ungeachtet dessen spricht gegen die Behauptung der Klägerin, ihr Vorgehen habe den Anforderungen an die Zitierweise zum Zeitpunkt der Erstellung der Dissertation entsprochen, schließlich auch, dass sie in ihrer Arbeit an den nicht beanstandeten Stellen im Einklang mit den vorbeschriebenen Regeln zitiert. Das gilt sowohl für die Kennzeichnung unmittelbar wörtlicher oder sinngemäßer Übernahmen (vgl. etwa den ersten Absatz auf S. 279 und Fußnote 2 auf S. 280), als auch für die Kennzeichnung der Übernahme von Zitaten aus Zitaten in den Werken Dritter (vgl. etwa auf S. 46 sowie ähnlich auf S. 53, 54, 55, 160, 165, 223, 266, 280, 289, 295 und 322), sowie für die Kennzeichnung der Übernahme von Literaturangaben aus den Werken Dritter (vgl. etwa Fußnote 4 auf S. 279 der Dissertation).
123Rechtlich unerheblich ist schließlich, ob es in der Vergangenheit an der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität bei der Anfertigung von Dissertationen zu Verstößen gegen das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit gekommen ist, die in rechtswidriger Weise unbeanstandet geblieben sind. Auf eine Gleichbehandlung im Unrecht kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen.
124Ob die Klägerin, wie sie weiter behauptet, die von ihr benannten Quellen der Primärliteratur tatsächlich selbst überprüft hat oder nicht und ob sie die Werke in ihrer Bibliothek vorhält, ist ebenfalls rechtlich ohne Bedeutung. Der Vortrag geht in der Sache am objektiven Gehalt des Täuschungsvorwurfs vorbei, der beinhaltet, dass die Klägerin ihre Entlehnungen aus der Sekundärliteratur zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur, wie bereits dargelegt, in ihrer Dissertation nicht durchweg hinreichend kenntlich gemacht hat. Dass die Klägerin insbesondere in Bezug auf die den zweiten Teil der Dissertation betreffenden Befunde und die von ihr dort dargestellten “Theorien des Gewissens“ keine eigenen Lösungen präsentiert, sondern lediglich fremdes Wissen rezipiert, ist für die Frage, ob eine Täuschungshandlung vorliegt, ebenfalls irrelevant und bedarf keiner weiteren Sachaufklärung. Denn auch der Reproduktion bzw. der Paraphrasierung fremder Texte liegt stets eine fachlich wertende wissenschaftliche Leistung zu Grunde, die darin besteht, wie die Inhalte erfasst und komprimiert wiedergegeben werden. Mithin unterliegt auch die Verwendung solcher fremd erstellten Reproduktionen und Paraphrasierungen genauso den wissenschaftlichen Zitierregeln, wie die Schöpfung eines gänzlich neuen Inhalts.
125Vgl. VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012, 6 K 2684/12, juris (Rdnr. 20), vgl. ferner VG Münster, Urteil vom 20. Februar 2009, 10 K 1212/07, juris (Rdnr. 24), nachgehend OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2010, 14 A 847/09, juris.
126Es ist ferner rechtlich unerheblich, ob von der Klägerin, wie sie unterstützt durch die von ihr hierzu vorgelegten Stellungnahmen von I3. G. und I2. -F. U. moniert, eine Erarbeitung des interdisziplinären beschreibenden zweiten Teils der Arbeit allein aus der jeweiligen Primärliteratur nicht erwartet werden konnte. Der Vortrag geht auch hier am Kern des Täuschungsvorwurfs vorbei. Maßgeblich ist insoweit ausschließlich, ob und inwieweit die der Sekundärliteratur entnommenen Paraphrasen, die sich zu den Primärquellen verhalten, als solche kenntlich gemacht worden sind. Fehlt es, wie hier, an einer solchen Kenntlichmachung und bezieht sich die Klägerin auf eine Primärquelle, deren Inhalt und / oder Deutung sie letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, täuscht sie. Dabei muss der Rückgriff auf Sekundärliteratur auch nicht lediglich im Grundsatz offen gelegt werden, sondern immer, also in jedem Einzelfall, in dem Sekundärliteratur gedanklich bzw. sinngemäß oder wörtlich übernommen wird. Unerheblich ist daher auch, ob und gegebenenfalls inwieweit sich eine von der Klägerin verwendete Textaussage bereits aus der angegebenen Primärquelle erschließt. Entscheidend ist lediglich, dass sie Passagen wörtlich oder leicht abgewandelt ohne entsprechenden Nachweis der “Zwischenquelle“ übernommen hat, ohne diese Fremdleistung erkennbar zu machen.
127Rechtlich bedeutungslos ist auch der Einwand der Klägerin, die Darstellung des “Zeckenbeispiels“ von Uexküll (vgl. Fußnote 1 auf S. 26 der Dissertation) habe seinerzeit zum Standardwissen in den Erziehungswissenschaften gehört. Selbst wenn es sich hierbei um selbstverständliches Allgemeinwissen der Erziehungswissenschaften gehandelt haben sollte, ändert dieser Umstand nichts daran, dass sich das “Zeckenbeispiel“ in der von der Klägerin in ihrer Dissertation geschilderten Fassung in dieser konkreten Form gerade nicht in der Originalquelle wiederfindet, sondern so einer von ihr an dieser Stelle nicht kenntlich gemachten Sekundärquelle entnommen worden ist. Auf die von der Klägerin angeregte Sachaufklärung dazu, dass es sich bei dem “Zeckenbeispiel“ um erziehungswissenschaftliches Allgemeinwissen gehandelt habe, kommt es daher ebenso wenig an wie darauf, ob die Wiedergabe dieses Standardbeispiels in ihrer Dissertation eine wissenschaftliche Leistung darstellt.
128Soweit die Klägerin in Bezug auf die die Seiten 225 ff der Dissertation betreffenden Befundstellen (hier die Übernahme von Textpassagen aus der Arbeit von Alfons Auer, a.a.O.), geltend macht, das Thema (Verständnis der Moraltheologie) sei Gegenstand der Vorlesungen bei Franz Böckle sowie zahlreicher Buchveröffentlichungen gewesen, außerdem entsprächen ihre Formulierungen an vielen Stellen der damaligen moraltheologischen Literatur und gehörten gleichsam zum Allgemeingut der Moraltheologie dieser Zeit, verfehlt auch dieser Einwand den Kern der Täuschungsvorwürfe. Die Abhängigkeit der beanstandeten Textpassagen von den von Alfons Auer (a.a.O.) gewählten Formulierungen, dessen Text die Klägerin teilweise wörtlich übernommen oder leicht angepasst bzw. teilweise zerlegt und neu arrangiert hat, wird damit nicht etwa widerlegt, sondern im Gegenteil von der Klägerin der Sache nach eingeräumt.
129Dass einzelne Autoren (zum Beispiel Stadter und Fend) sich durch das Nichtzitieren ihrer Werke in der Dissertation der Klägerin nicht nachteilig betroffen fühlen, ist für die hier allein entscheidende Frage, nämlich ob die Klägerin getäuscht hat, offensichtlich ebenfalls irrelevant.
130bb) Nicht zu beanstanden ist aus Rechtsgründen auch, dass der Fakultätsrat die Täuschungshandlung als erheblich angesehen hat und davon ausgegangen ist, dass kein Bagatellfall vorliegt.
131Hinsichtlich der Frage, ob eine erhebliche Täuschungshandlung oder nur ein Bagatellfall vorliegt, verbleibt dem zuständigen wissenschaftlichen Gremium ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum. Zwar obliegt diesem im “Aberkennungsverfahren“ keine fachlich (neue) Beurteilung der Dissertation als Prüfungsleistung. Ein Beurteilungsspielraum besteht aber hinsichtlich des Umfangs oder des Gewichts eines Plagiats und des Ausmaßes der damit verbundenen Schädigung der öffentlichen Interessen.
132Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99, a. a. O.
133Die Beurteilung dieser nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls nach prüfungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beantwortenden Fragen hat der Satzungsgeber in § 20 PromO bewusst dem Fakultätsrat als wissenschaftlichem Gremium zugewiesen. Innerhalb dieses Beurteilungsspielraums ist die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob die getroffene Entscheidung gegen das Willkürverbot verstößt oder von sachfremden Erwägungen getragen wird.
134Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99, a. a. O.; vgl. ferner im Rahmen eines Überblicks über die Rechtsprechung: Schroeder, Die Entziehung des Doktorgrades wegen Täuschung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, a. a. O.; vgl. ferner zu den Grenzen des Beurteilungsspielraums im Prüfungsrecht allgemein: Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rdnr. 639 ff.
135Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Willkürverbot oder aber dafür, dass der Verneinung eines Bagatellfalls durch den Fakultätsrat sachfremde Erwägungen zugrunde gelegen hätten, sind nicht ersichtlich.
136Der Fakultätsrat hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass für die Beurteilung der Frage, ob die Täuschungshandlung der Klägerin erheblich ist, maßgeblich auf die Quantität und Qualität der aufgedeckten Befunde abzustellen ist.
137Rechtlich nicht zu beanstanden ist insoweit, dass der Fakultätsrat unter Berücksichtigung der Anzahl der Täuschungsverstöße in der Dissertation, die laut Bericht von Prof. Dr. S. insgesamt 60 Befunde betreffen, in der Gesamtschau davon ausgegangen ist, dass damit quantitativ die Bagatellgrenze überschritten wird. Denn in der Sache zutreffend hat er dabei darauf abgestellt, dass die vorgenannten Befundstellen alle drei Teile der Arbeit betreffen, sich jeweils mindestens über mehrere Zeilen, wenn nicht sogar über mehrere Seiten erstrecken und sich auf eine Vielzahl von Werken verschiedener Autoren beziehen. Dass die Dissertation seiner Meinung nach in erheblichem Umfang Verstöße gegen das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit enthält, hat der Fakultätsrat damit in sich schlüssig und nachvollziehbar begründet.
138Aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Fakultätsrat darauf abgestellt hat, die Befunde beträfen auch in qualitativer Hinsicht wesentliche Teile der Arbeit. Ohne erkennbare Rechtsfehler hat er dabei angenommen, dass dem zweiten Teil der Dissertation, in dem sich die festgestellten Täuschungsbefunde schwerpunktmäßig finden und in dem die verschiedenen “Theorien des Gewissens“ vorgestellt werden, keine nur untergeordnete wissenschaftliche Bedeutung zukommt. Seine diesbezügliche Begründung, das zweite Kapitel, das schon von seinen Ausdehnungen her einen Großteil der Arbeit einnehme, bilde auch inhaltlich ein Kernelement der Arbeit, deren Anspruch gerade darin gelegen habe, sich dem Thema vergleichend aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen und ihrer Methoden zu nähern, ist plausibel und daher rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit er außerdem die korrekte Aufbereitung des Materials, seine Einordnung und wechselseitige Zuordnung sowie das Verständnis der unterschiedlichen – teils disparaten – Sichtweisen als einen wesentlichen Teil der spezifischen Promotionsleistung der Klägerin angesehen hat, ist dies nachvollziehbar. Denn auch die komprimierte Darstellung der Theorien und die Gewinnung gedanklicher Schlussfolgerungen auf der Grundlage von Auffassungen anderer Wissenschaftler, die Strukturierung und Gewichtung dieser Schlussfolgerungen sowie ihre sprachliche Umsetzung in einen wissenschaftlichen Text stellen eigenständige wissenschaftliche Leistungen dar.
139Die Bedeutung des dies leistenden zweiten Kapitels der Dissertation der Klägerin hat der Fakultätsrat dabei rechtsfehlerfrei aus den Stellungnahmen der Gutachter (bzw. Referenten) des seinerzeitigen Promotionsverfahrens entnommen. Wie sich aus diesen Stellungnahmen ergibt, wurde gerade der abgewogenen Darstellung und Interpretation der Primärquellen durch die Klägerin im Rahmen der theoretischen Synthese - und insoweit dem Mittelteil ihrer Dissertation (Theorien über das Gewissen) - eine zentrale Bedeutung für ihre Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten und die Qualität ihrer schriftlichen Promotionsleistung beigemessen.
140Im Gutachten des Erstgutachters (bzw. Referenten) Prof. Dr. X. heißt es hierzu wörtlich:
141“...Der zweite, weitaus umfangreichste Teil der Arbeit leistet eine ausgreifende Orientierung über Gewissenstheorien, wie sie von verschiedenen Disziplinen in unterschiedlicher Form und Absicht vorgelegt wurden. [...] Das Spektrum der vorgestellten Theorien über das Gewissen ist breit und vermag umfassend zu orientieren. [...] Die zehn Kapitel dieses zweiten Teils stellen durchweg die Fähigkeit der Verfasserin unter Beweis, unterschiedliche theoretische Konzepte auf den wesentlichen Kern zu bringen; dabei wird die Verfasserin in ihren Darlegungen der z.T. höchst unterschiedlichen Terminologien der Theorien gerecht, ohne dass dabei die gesamte Arbeit an durchgängiger Lesbarkeit verliert [...] eine jeweils stimmige Leistung....“
142Auch der Zweitgutachter (bzw. Korreferent) Prof. Dr. I. hebt in seinem Gutachten hervor, dass “vor allem der umfangreiche Mittelteil `Theorien des Gewissens´ von zentraler Bedeutung“ sei, “die Ausbreitung einer Reihe von Gewissenstheorien […] der Untersuchung ein hohes Maß an sachlicher Korrektheit“ gebe, “die Einbindung der hier vorliegenden Fragestellung in Nachbardisziplinen wie Philosophie und Psychologie“ deutlich werde und “der Aufbereitung der einzelnen Gewissenstheorien […] ein Bearbeitungsschema zugrunde“ liege, “das die Lesbarkeit“ fördere “und der Vergleichbarkeit der einzelnen Ansätze“ diene.
143Angesichts dessen kann offen bleiben, ob allein schon die von der Klägerin aus der Arbeit von Ernst Stadter (Psychoanalyse und Gewissen) auf den Seiten 75 und 76 der Dissertation übernommenen und nicht kenntlich gemachten Textpassagen dazu führen könnten, von einer erheblichen Täuschungshandlung auszugehen.
144Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 847/09, juris (Rdnr. 22) zur Täuschungssanktion und Verhältnismäßigkeit bei einem Plagiat über 1 1/3 Seiten bei einer 47-seitigen Arbeit.
145b) Die Klägerin hat durch ihre Verfahrensweise bei den seinerzeitigen Gutachtern (bzw. Referenten) sowie bei den übrigen an der Promotionsentscheidung beteiligten Mitgliedern der Fakultät auch einen Irrtum erregt.
146Irrtum ist jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit. Die Erregung bzw. Hervorrufung eines Irrtums setzt voraus, dass die Fehlvorstellung des Getäuschten durch die Täuschungshandlung begründet wird.
147Vgl. Fischer, Kommentar zum StGB, 61. Aufl. 2014 (Fischer), § 263 Rdnr. 54 und 64.
148Zur Überzeugung der Kammer steht auch ohne die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung, wie sie von der Klägerin mit dem Beweisantrag zu 2.) und den entsprechenden Beweisanregungen beantragt worden ist, fest, dass die Klägerin im Sinne der vorbezeichneten Definition dadurch, dass sie in ihrer Dissertation schriftlich in den vom Fakultätsrat beanstandeten Passagen Gedanken anderer Autoren aufgenommen hat, ohne dies (hinreichend) kenntlich zu machen, bei dem vorgenannten Personenkreis die tatsächlich fehlerhafte Vorstellung herbeigeführt hat, auch diese Textstellen seien von ihr im Sinne der eidesstattlichen Erklärung ohne Hilfsmittel verfasst worden und damit das Ergebnis einer eigenständigen wissenschaftlichen Leistung. Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) die Annahme der Dissertation der Klägerin in der vorgelegten Form empfohlen hätten, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass die Klägerin dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit und ihrer eidesstattlichen Erklärung zuwider in ihrer Arbeit im vorbezeichneten Umfang sowohl andere als die von ihr in den Fußnoten angegebenen Quellen verwendet als auch wörtliche oder sinngemäße Übernahmen als solche nicht gekennzeichnet hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeitungsartikel vom 16. Dezember 2012 (XX Online). Dass sich der seinerzeitige Erstgutachter (bzw. Referent) Prof. Dr. X. danach nicht vorstellen kann, dass die Klägerin getäuscht hat, belegt im Gegenteil, dass er von der der Klägerin zum Vorwurf gemachten plagiierenden Verfahrensweise gerade keine Kenntnis hatte. Für die Berechtigung des andernfalls den Gutachtern (bzw. Referenten) gegenüber zu erhebenden Vorwurfs, sie hätten rechtswidrig, wenn nicht sogar in kollusivem Zusammenwirken mit der Klägerin, deren Arbeit in Kenntnis um die Verstöße gegen das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit angenommen, spricht ebenfalls nichts.
149Abgesehen davon wäre es aber auch rechtlich unerheblich und bedurfte auch deshalb keiner weiteren Sachaufklärung, wenn, wie die Klägerin behauptet, die Gutachter (bzw. Referenten) Kenntnis von den Übereinstimmungen der Arbeit mit den von der Klägerin an den beanstandeten Stellen nicht gekennzeichneten Sekundärquellen gehabt hätten bzw. dem Umstand, dass die Klägerin aus der Sekundärliteratur Quellen der Primärliteratur übernommen hat, ohne diese entsprechend zu kennzeichnen, keine Bedeutung beigemessen haben sollten. Weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich ist nämlich, dass dieser Umstand allen am Promotionsverfahren beteiligten Mitgliedern der Fakultät bekannt gewesen ist. Denn ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt auch bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt worden sind.
150Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 1991, 15 A 77/89, a .a. O., juris (Rdnr. 25)
151Für die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Täuschung und dem Irrtum ist es schließlich unerheblich, ob die Dissertation der Klägerin ohne die diskreditierten Textstellen noch eine eigenständige wissenschaftliche Leistung darstellt (die gegebenenfalls mit einer schlechteren Note hätte bewertet werden können), und ob ohne die beanstandeten Stellen bzw. bei korrekter Zitierung die Promotionsleistung der Klägerin angenommen und der Doktorgrad hätte verliehen werden können. Die Kammer folgt insoweit den Rechtsausführungen des VGH Baden-Württemberg,
152vgl. Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99. juris (Rdnr. 25),
153in denen es unter Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 18. November 1980, IX 1302/78, [ESVGH 31, 54 (57)] heißt:
154“… Auszugehen ist von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit. Es ist für die Frage der Ursächlichkeit nicht von Bedeutung, ob dem Kläger für eine andere Arbeit, als er sie tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre, und erst recht nicht, ob der Anteil selbständiger Eigenleistung an seiner Dissertation mit irgend einer – auch einer schlechteren – Note hätte bewertet werden können. Die Dissertation ist ein Form- und Sinnganzes, das der zuständigen Fakultät zur Bewertung vorliegt. Sie soll beweisen, dass der Bewerber selbständig wissenschaftlich arbeiten kann. […] Diesen Beweis kann sie nur als eigenständige – inhaltliche und formale – Gesamtleistung erbringen. Die Arbeit wird so, wie sie vom Bewerber vorgelegt worden ist, entweder angenommen oder abgelehnt oder mit bestimmten Änderungen angenommen. […] Eine hypothetische Beurteilung einer in dieser Form und mit diesem Inhalt nicht vorgelegten Arbeit ist nicht möglich; denn sie würde eine gedankliche Äußerung des Bewertungsgegenstandes voraussetzen, die auf den Beurteiler und nicht auf den Urheber des Bewertungsgegenstandes zurückgeht. Das gilt selbst für die Beantwortung der […] Frage, was geschehen wäre, `wenn der Kläger die Arbeit […] ordnungsgemäß zitiert hätte´. Denn es lässt sich nicht unterstellen, dass der Kläger eine in dieser Form gedachte Arbeit überhaupt noch mit gleichem Text vorgelegt hätte oder hätte vorlegen können. […]“
155Die vorbezeichneten Erwägungen gelten auch für die streitgegenständliche Dissertation der Klägerin.
156c) Die Klägerin hat auch zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt.
157Vgl. dazu, dass bedingter Vorsatz genügt: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99, juris (Rdnr. 24), ferner VG Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2007, 12 E 2262/05, juris (Rdnr. 15) und BayVGH, Urteil vom 4. April 2006, 7 BV 05.388, juris (Rdnr. 13).
158Danach muss der Täuschende zumindest billigend in Kauf nehmen, dass bei dem Getäuschten ein Irrtum hervorgerufen wird.
159Vgl. Fischer, a. a. O., § 263 Rdnr. 180.
160Diese Voraussetzung liegt hier vor.
161Die Klägerin hat bei der Anfertigung ihrer Dissertation zumindest zustimmend akzeptiert und damit billigend in Kauf genommen, dass die von ihr vorgelegte schriftliche Promotionsleistung durch die Gutachter (bzw. Referenten) und sonstigen promotionsberechtigten Mitgliedern der Fakultät durchgängig, soweit sie keine anderen Quellen angeführt hat, als gedanklich eigenständige von ihr verfasste wissenschaftliche Leistung begutachtet worden ist. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem wiederholten Zuwiderhandeln gegen das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit, obwohl sie sich zu dessen Einhaltung durch die von ihr unterschriebene eidesstattliche Versicherung ausdrücklich verpflichtet hatte.
162Dem kann die Klägerin auch nicht entgegenhalten, die aufgedeckten Übereinstimmungen erklärten sich daraus, dass sich die Art und Weise, wie die betroffenen Textpassagen gestaltet bzw. abgesetzt worden seien, durch Verwendung derselben Primärquellen sozusagen zwangsläufig ergeben hätten, weil sie gewissermaßen parallel zu den Sekundärquellen vorgegangen sei, dabei auf dieselben Primärquellen gestoßen sei und durch deren Auswertung im Wortlaut und in der Syntax unvermeidbar gleich- oder ähnlich lautende Textpassagen produziert habe, wie sie in den (von ihr nicht) zitierten Sekundärquellen zu finden seien. Selbst wenn sich derartige inhaltliche Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten ergeben sollten, was die Kammer ausdrücklich nicht ausschließt, wären sie kein Beleg dafür, dass die Klägerin durch eigenständige Wiedergabe dieser Primärquellen nur zufällig bzw. zwangsläufig zu ihrer Art der Darstellung gekommen ist. Denn die in der Dissertation der Klägerin durch Prof. Dr. S. aufgedeckten, nicht hinreichend gekennzeichneten Textstellen lassen sich in ihrer Gesamtheit nach dem Eindruck der Kammer nicht anders erklären, als dass die Klägerin gezielt mit von ihr nicht genannten und aufgeführten Sekundärquellen gearbeitet und ihre textliche Übernahmen hieraus insoweit bewusst verschleiert hat. Die in Bezug auf die übernommenen Textstellen vorgenommenen Umformulierungen und Umstellungen der Syntax (vgl. beispielsweise die Textpassage auf S. 45 der Dissertation “…Nach Durkheim lebt der Mensch durch Triebe ständig bedrängt von Natur aus in einem instabilen Zustand. Erst durch soziale Normen und Werte erfährt sein Streben Begrenzung und Zielsetzung und werden die Triebe und Wünsche der Mitglieder einer Gesellschaft in realisierbare Bahnen gelenkt. Die Reichweite möglicher Verhaltensweisen wird durch die moralische Ordnung als dem umfassenden System von Verboten und Geboten bestimmt...“, die ohne Kennzeichnung aus dem Werk von Helmut Fend, Sozialisierung und Erziehung, S. 28 – 30 übernommen wurde, wo es heißt: “…Der Mensch lebt nach Durkheim von Natur aus in einem unstabilen Zustand, in dem er von Trieben bedrängt wird. […] Eine Begrenzung und Zielsetzung erfolgt aber durch soziale Normen und Werte. Durch sie werden die Triebe und Wünsche der Mitglieder einer Gesellschaft in realisierbare Bahnen gelenkt. Eine moralische Ordnung ist für Durkheim ein umfassendes System von Verboten und Geboten. Ihr Ziel ist es, die Reichweite der möglichen Verhaltensweisen zu begrenzen…“), die Verwendung von Synonymen (vgl. beispielsweise auf S. 83 der Dissertation “…Versagung von Bedürfnisbefriedigung…“ statt nach Häfner, Das Gewissen in der Neurose, S. 702, “…Versagung primitiver Bedürfnisse…“, sowie auf S. 92 der Dissertation “…die Genese eines Menschen…“, statt nach Nowak, Gewissen und Gewissensbildung, S. 31 – 32, “…die Geschichte eines Menschen…“) sowie einzelne Auslassungen (vgl. z.B. auf den S. 75 – 76, S. 105 der Dissertation u. a.) lassen ebenfalls keinen anderen Schluss zu als den einer gezielten Auswertung und Verwendung von Sekundärquellen durch die Klägerin. Dem hat die Klägerin letztlich substantiiert nichts entgegengesetzt. Sie behauptet lediglich pauschal für die Fälle, in denen sie Zitatfehler einräumt, diese beruhten jeweils auf einem Versehen im Sinne von Fahrlässigkeit. Angesichts der dargestellten Art und Weise ihrer Befassung mit den nicht kenntlich gemachten Sekundärtexten bzw. Textstellen ohne hinreichende Quellenangabe kann jedoch von einem bloß versehentlichen Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot nicht die Rede sein. Auch der Hinweis der Klägerin, etwaige von ihr nicht kenntlich gemachte Rezeptionsleistungen Dritter, auf die sie sich bei der Abfassung der Dissertation gestützt habe, seien auf die damals übliche und fehleranfällige Arbeitsweise (“Zettelkasten“) zurückzuführen und stellten bloße “handwerkliche“ Fehler dar, entlastet sie nicht. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, fehlerhafte Zitierungen als bloße Zitierfehler außer Acht zu lassen. Der hier zu verzeichnende Täuschungsbefund und der dabei deutlich werdende Umgang der Klägerin mit den von ihr benutzten, aber nicht kenntlich gemachten Sekundärquellen, bei denen sie Formulierungen entweder wörtlich übernommen oder nur in Details verändert hat, indem sie Sätze umgestellt, Begriffe durch Synonyme ersetzt hat usw., spricht allerdings dagegen, dass die beanstandeten Textpassagen auf bloßen “Montagefehlern“ oder einer ungenauer Arbeitsweise beruhen. Das gilt erst recht für die von der Klägerin aus dem Werk von Ernst Stadter übernommenen Textpassagen (vgl. S. 75 – 76 der Dissertation), dessen Arbeit sie auch im Literaturverzeichnis nicht angeführt hat.
163d) Ist damit der Tatbestand des § 20 Satz 1 PromO erfüllt, hält die zu Lasten der Klägerin getroffene, in das Ermessen des Fakultätsrats gestellte Entscheidung, die Promotionsleistung nachträglich für ungültig zu erklären, der gemäß § 114 Satz 1 VwGO auf eine reine Rechtskontrolle beschränkten gerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Das Gericht prüft insoweit, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
164Die Entscheidung des Fakultätsrats die Dissertation für ungültig zu erklären, lässt danach keine Ermessensfehler erkennen.
165aa) Der Fakultätsrat hat sein Ermessen in dem rechtlich gebotenen Umfang ausgeübt. Der hiergegen gerichtete Einwand der Klägerin geht fehl. Dem Protokoll über die Sitzung des Fakultätsrats vom 5. Februar 2013 ist zu entnehmen, dass im Rahmen einer Abwägung des öffentlichen Interesses einerseits und des privaten Interesses der Klägerin andererseits das Für und Wider einer Ungültigerklärung diskutiert wurde. Auch der angefochtene Bescheid vom 14. Februar 2013 stellt auf Seite 19 ausdrücklich darauf ab, dass der Fakultätsrat das ihm von § 20 PromO eingeräumte Ermessen ausgeübt und hierbei das öffentliche Interesse mit dem privaten Interesse der Klägerin abgewogen hat. Zwar verhalten sich die weiteren Ausführungen zum Ermessen im Rahmen der Begründung dieses Ergebnisses in dem Bescheid wörtlich nur zu der “Entziehung“. Allerdings ist der Begriff der “Entziehung“ im vorgenannten Zusammenhang offensichtlich nur untechnisch gemeint und erfasst – wie sich auch aus den ausdrücklich genannten Normen ergibt –, sowohl die Ungültigerklärung der Dissertation als auch die Rücknahme des Doktorgrades. Angesichts des durch den Fakultätsrat danach ausgeübten Ermessens ist es rechtlich unerheblich, ob – wie die beklagte Universität im gerichtlichen Verfahren erstmals und wohl zu Unrecht geltend gemacht hat – eine schwerwiegende Täuschung im Regelfall sanktioniert werden müsse.
166Vgl. zum sog. intendierten Ermessen: BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012, 6 C 3.11, BVerwGE 143, 87, juris (Rdnr. 51), sowie Beschluss vom 7. Juli 2004, 6 C 24.03, BVerwGE 121, 226, juris (Rdnr. 15).
167bb) Die Ermessensausübung durch den Fakultätsrat lässt auch im Übrigen keine Ermessensfehler erkennen. Der Fakultätsrat ist insbesondere von einer richtigen, auf der Grundlage des Berichts von Prof. Dr. S. und der Stellungnahmen der Klägerin vollständig ermittelten Tatsachengrundlage ausgegangen, er hat alle widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen umfassend gewürdigt und gegeneinander abgewogen und hierbei auch in der Sache zutreffende Rechtsauffassungen zugrunde gelegt.
168(1) Die vom Fakultätsrat zugunsten des öffentlichen Interesses eingestellten Aspekte begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
169Soweit der Fakultätsrat die wissenschaftliche Redlichkeit als öffentliches Interesse in seine Abwägung eingestellt hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Denn hierbei handelt es sich um ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in dem objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut.
170Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013, 6 C 9/12, m. w. N, juris (Rdnr. 31)
171Dabei ist der Fakultätsrat rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Einhaltung “wissenschaftlicher Lauterkeit“ zu den Kardinalspflichten jedes Wissenschaftlers gehört und Plagiate, die wegen ihrer Dimension nicht als Bagatellfall einzustufen sind, als eine schwerwiegende Störung des wissenschaftlichen Diskurses zu werten und entsprechend zu sanktionieren sind. Denn dass die Nutzung fremden Gedankenguts durch die genaue Angabe der Quelle (Fundstelle) kenntlich gemacht werden muss, hat - neben urheberrechtlichen Gründen - im wissenschaftlichen Diskurs den Sinn, Aussagen, Fakten und Daten überprüfbar zu machen und dem Leser die Möglichkeit zu geben, selbst weiter zu forschen. Der wissenschaftliche Erkenntnisprozess kann sich überhaupt nur dann sachgerecht fortentwickeln, wenn der wahre Urheber einer Aussage bekannt ist. Es liegt auf der Hand, dass die Nichtkenntlichmachung benutzter Quellen diesen Ansatz nachhaltig beeinträchtigt. Das gilt auch für die insbesondere im zweiten Teil der Dissertation von der Klägerin praktizierte Verfahrensweise, ihre “Zwischenquelle“ oder Sekundärquelle, also die Fundstelle, aus der die von ihr wörtlich oder sinngemäß übernommene Textpassage tatsächlich stammt und die ihrerseits wiederum auf die “Primärquelle“ verweist, nicht anzugeben.
172So auch VG Berlin, Urteil vom 15. April 2009, 12 A 319.08, juris (Rn 25).
173Denn, wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt, führt auch diese Handhabung nicht nur dazu, dass der Autor nicht offen legt, wie er zu der Primärquelle gelangt ist, und bloße Formulierungen übernimmt. Vielmehr wird auch nicht sichtbar, dass die in der Dissertation befindliche komprimierte Darstellung und Interpretation der Primärquelle hinsichtlich der darin enthaltenen fachlichen wissenschaftlichen Wertung gar nicht von dem Autor selbst vorgenommen, sondern von ihm aus einer “Zwischenquelle“ übernommen worden ist.
174Dass der Fakultätsrat entgegen der anderslautenden Auffassung der Klägerin nicht davon ausgegangen ist, ihrer Dissertation komme heute keine messbare Bedeutung mehr zu, und dementsprechend auch nicht zugrunde gelegt hat, dass sich die Störung des wissenschaftlichen Diskurses als nicht mehr so gewichtig darstelle, hält ebenfalls einer Rechtskontrolle stand. Denn für die Beurteilung der Bedeutung einer Dissertation für den wissenschaftlichen Diskurs gibt es unter Berücksichtigung des eingetretenen Zeitablaufs keinen allgemeingültigen, objektiven Gradmesser. Vielmehr ist die wissenschaftliche Bedeutung einer angenommenen Dissertation immer eine potentielle, weil es an den nicht verlässlich vorhersehbaren Forschungsthemen, Methoden und Fragestellungen der einzelnen Wissenschaftler liegt, welche ältere Arbeit wieder Bedeutung erlangt. Dass für die Dissertation der Klägerin etwas anderes gilt, ist weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
175Rechtsfehlerfrei hat der Fakultätsrat in seine Abwägung auf Seiten des öffentlichen Interesses ferner eingestellt, dass der Sanktionierung auch ein generalpräventiver Zweck zukomme, und dies beanstandungsfrei damit begründet, diejenigen, die ihren akademischen Grad redlich erworben hätten, müssten vor einer Entwertung ihrer eigenen Leistungen durch derartige Täuschungen geschützt werden und deshalb müsse auch über längere Zeiträume hinweg das Entdeckungsrisiko aufrechterhalten werden. Innerhalb bestimmter Schranken ist die Hochschule grundsätzlich befugt, auch auf generalpräventive Gründe abzustellen, soweit diese nicht so verselbständigt werden, dass andere Umstände des Falles als von vornherein bedeutungslos zurücktreten.
176Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1980, 1 C 19/78, m. w. N. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, juris (Rdnr. 23) .
177Da der Fakultätsrat seine das öffentliche Interesse begründenden Ermessenserwägungen auf ein ganzes Bündel von Gründen und nur unter anderem auch auf den vorgenannten generalpräventiven Zweck gestützt hat, kann von einer Verselbständigung dieses Grundes hier nicht die Rede sein. Die vom Fakultätsrat zugrunde gelegten generalpräventiven Erwägungen sind auch nicht sachwidrig. Denn zum einen nimmt die Hochschule gegenüber den Doktoranden bzw. Promovierten, die ihre Dissertation redlich erwerben wollen bzw. erworben haben, eine Schutzverantwortung wahr. Zum anderen wäre die Hochschule ihrerseits vorsätzlichen Täuschungen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert, würde das Damoklesschwert der Sanktionierung nicht über unredlich erlangten Dissertationen schweben.
178(2) Der Fakultätsrat hat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung auch die privaten Belange der Klägerin und die Beeinträchtigung ihrer beruflichen und sozialen Stellung hinreichend eingestellt.
179(a) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet insoweit, dass und wie der Fakultätsrat die Tatsache, dass seit Aushändigung der Promotionsurkunde mehr als 30 Jahre vergangen sind, und den Umstand, dass es im Falle der Klägerin um eine grundständige Promotion geht, bei der mit der Promotion zugleich das Hochschulstudium abgeschlossen wird und die Promotion auch den (einzigen) akademischen Hochschulabschluss darstellt, in seiner dem Bescheid vom 14. Februar 2013 zugrunde liegenden Abwägung berücksichtigt hat. Auf die erstmals im gerichtlichen Verfahren - und insoweit wohl auch verfehlt - vertretene Auffassung der beklagten Universität, der Klägerin sei die Berufung auf den Aspekt des Zeitablaufs verwehrt, weil sie nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe in der Öffentlichkeit selbst gegenüber der beklagten Universität eine Überprüfung ihrer Dissertation beantragt hat, kommt es daher rechtlich nicht an.
180Dass der Fakultätsrat den Zeitfaktor nur als Gewichtungsfaktor berücksichtigt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
181Zutreffend ist der Fakultätsrat davon ausgegangen, dass sich weder aus der Promotionsordnung selbst noch aus sonstigen Regelungen eine absolute Ausschluss- bzw. Verjährungsfrist für die Ungültigerklärung von Promotionsleistungen ergibt.
182Vgl. in Bezug auf eine Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln mit ähnlichen Erwägungen: VG Köln, Urteil vom 23. März 2012, 6 K 6097/11, juris (Rdnr. 53).
183Für eine analoge Anwendung von sonstigen Verjährungsregeln (aus anderen Rechtsgebieten) besteht ebenfalls kein Raum. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegen könnte, sind nicht ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass sonstige Hochschulabschlüsse den jeweils einschlägigen Prüfungsordnungen zufolge im Regelfall nur binnen einer Ausschlussfrist – überwiegend gilt hier eine Fünfjahresfrist (vgl. etwa auch § 29 Abs. 4 Satz 2 der aktuellen Ordnung für die Prüfung zur Magistra Artium oder zum Magister Artium der Philosophischen Fakultät der I5. -I6. -Universität E1. vom 19. März 1998) – entzogen werden können.
184Die unterschiedliche Ausgestaltung der Prüfungsordnungen einerseits und der hier einschlägigen Promotionsordnung für die grundständige Promotion der Klägerin andererseits verstößt auch nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn die jeweiligen Ordnungen sind bezüglich ihres Regelungsgegenstandes und in ihren Zielrichtungen nicht miteinander vergleichbar.
185Vgl. hierzu auch VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012, 6 K 2684/12, juris (Rdnr. 34).
186Sachlicher Grund für die Fristenregelungen in den Prüfungsordnungen sind die Folgen einer Aberkennung bzw. Entziehung des berufsqualifizierenden Abschlusses für die Berufsfreiheit des Betroffenen (Art. 12 Abs. 1 GG). Die Promotion, und insoweit auch die grundständige Promotion, stellt dagegen in erster Linie eine wissenschaftliche Arbeit dar, mit der eine wissenschaftliche Qualifikation nachgewiesen wird und insoweit vorrangig eine andere Zielrichtung verfolgt wird als mit einem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss.
187Durch die Promotion wird gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 HG regelmäßig eine über das allgemeine Studienziel gemäß § 58 Abs. 1 HG hinausgehende Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen, bei der es maßgeblich darum geht, eigenständige und kreative Gedanken mit bereits vorliegenden wissenschaftlichen Befunden systematisch und kontrolliert zu verbinden. Die Dissertation stellt dabei als schriftliche Promotionsleistung im Rahmen der Promotion – anders als eine den Berufs-zugang vermittelnde Hochschulabschlussprüfung – die maßgebliche wissenschaftliche Leistung dar, mit der sich ein Bewerber für die akademische Laufbahn empfiehlt oder jedenfalls eine herausgehobene besondere wissenschaftliche Befähigung nachweist. Vor diesem Hintergrund betreffen Verstöße gegen wissenschaftliche Sorgfaltspflichten bei einer Promotion regelmäßig nicht nur handwerkliche Mängel. Vielmehr geht es um den Kern der wissenschaftlichen Leistung sowie ihrer tatsächlichen und rechtlichen Funktion, die auch noch über längere Zeiträume hinaus den jeweiligen Wert einer Promotion in akademischer Hinsicht ausmacht. Dass die Promotion der Klägerin wegen des von ihr absolvierten grundständigen Promotionsverfahrens gleichzeitig einen ersten und einzigen Abschluss auch ihres Hochschulstudiums darstellt, ändert an der Zielrichtung der auch im Rahmen eines grundständigen Promotionsverfahrens ausschließlich wissenschaftlich ausgerichteten schriftlichen Promotionsarbeit nichts. Dieser Ansatz verletzt auch nicht den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit. Dass dem Absolventen eines grundständigen Promotionsstudiums die Möglichkeit eingeräumt wird, sein Studium ausschließlich mit der Promotion und ohne weiteren akademischen Abschluss zu beenden, stellt gegenüber den sonst üblichen mit einer akademischen Abschlussprüfung zu beendenden Hochschulstudiengängen insbesondere mit Blick auf die deutlich geringere Arbeitsbelastung sowie in zeitlicher Hinsicht einen erheblichen Vorteil dar. Gleichzeitig erhöht sich für den Absolventen allerdings wegen der Abhängigkeit von Promotion und Studienabschluss das Risiko eines erfolglosen Hochschulabschlusses. Das hat zur Folge, dass der Promovend als Kehrseite der von ihm freiwillig getroffenen Risikoentscheidung für eine grundständige Promotion nicht nur den erfolgreichen Abschluss seines Studiums vom Erfolg der Promotion abhängig macht, sondern zugleich in Kauf nimmt bzw. nehmen muss, dass sein Hochschulabschluss auch zukünftig das weitere Schicksal seiner Promotion teilt.
188Aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass sich der Fakultätsrat nicht gezwungen gesehen hat, wegen des Zeitablaufs von über 30 Jahren seit Beendigung des Promotionsverfahrens aus Gründen der Verwirkung auf eine Ungültigerklärung zu verzichten. In der Rechtsprechung ist zwar geklärt, dass die Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Recht angesichts der verstrichenen Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), er zudem tatsächlich auch darauf vertraut hat (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
189Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2011, 3 B 36.11, juris (Rdnr. 5), und vom 12. Januar 2004, 3 B 101.03, juris (Rdnr. 3) sowie Urteil vom 7. Februar 1974, 3 C 115.71, BVerwGE 44, 339 (343 f); vgl. ferner zu diesem Ansatz auch VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012, 6 K 2684/12, juris (Rdnr. 36).
190Davon ist hier aber nicht auszugehen. Die beklagte Universität, die von den Täuschungsvorwürfen erstmals im Mai 2012 erfahren hat, hat dies umgehend zum Anlass genommen, den Sachverhalt aufzuklären, und sie hat den Fakultätsrat im Januar 2013 mit den vorgenannten Vorwürfen befasst. Anhaltspunkte für ein gegenüber der Klägerin festzumachendes früheres Verhalten der beklagten Universität oder des Fakultätsrats, aus dem die Klägerin darauf schließen und vertrauen konnte, dass nicht mehr gegen sie eingeschritten werden würde, sind nicht ersichtlich.
191(b) Dass der Zeitfaktor, auch wenn diesem für sich allein keine eigenständige Bedeutung zukommt, im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, weil die verstrichene Zeit neben anderen Umständen ein gewichtiger Beurteilungsfaktor dafür ist, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des Einzelfalles eine nachträgliche Ungültigerklärung noch als rechtmäßig anzusehen ist,
192vgl. zur Frage der Bedeutung des Zeitablaufs bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts gemäß § 48 VwVfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 8. November 2012, 11 A 1548/11, juris, sowie ferner BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976, III C 21.75, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57,
193hat der Fakultätsrat ebenfalls rechtsfehlerfrei in seine Ermessensentscheidung als Abwägungskriterium eingestellt. Ausweislich der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Begründung hat der Fakultätsrat seiner Abwägung insoweit zugrunde gelegt, dass die Sanktionierung der hier in Rede stehenden Täuschung nach über 30 Jahren, und damit einem Zeitraum, nach dessen Ablauf in weiten Teilen der Rechtsordnung spätestens eine Verjährung eintritt (vgl. z.B. § 78 StGB, § 197 BGB), für die Klägerin “einen nicht unerheblichen Eingriff“ in ihre Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Dabei ist vom Fakultätsrat auch berücksichtigt worden, dass es sich im Falle der Klägerin um eine grundständige Promotion handelt.
194(c) Dass der Fakultätsrat das Interesse der Klägerin an der Bewahrung ihrer Promotionsleistung dennoch, also auch vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs, dem öffentlichen Interesse an einer Sanktionierung der mit dem Makel der Täuschung behafteten Dissertation und insoweit der Durchsetzung der Regeln der wissenschaftlichen Redlichkeit untergeordnet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat der Fakultätsrat dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den berechtigten Belangen der Klägerin Rechnung getragen und mit der nachträglichen Ungültigerklärung gegebenenfalls für die Klägerin einhergehende nachteilige Folgen für ihre Reputation und die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit von Berufswahl und Berufsausübung auch rechtsfehlerfrei gewichtet.
195Die vom Fakultätsrat dem Fehlverhalten, das der Klägerin mit Blick auf den quantitativen und qualitativen Umfang der aufgedeckten Täuschung vorzuwerfen ist, beigemessene Schwere, stellt einen rechtlich zu billigenden Anlass dar, der betroffenen Promotionsleistung ihre Funktionstauglichkeit als Teil des wissenschaftlichen Diskurses zu entziehen. Gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit bedürfen einer wirkungsvollen Sanktionsmöglichkeit, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft nicht zu beschädigen und die Vertrauensbasis der Wissenschaftler untereinander zu erhalten, ohne die erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit nicht möglich ist. Anlass, stattdessen etwaige mildere Mittel, z.B. in Gestalt einer Rüge, zu erwägen, bestand deshalb für den Fakultätsrat nicht. Abgesehen davon enthält weder die Promotionsordnung eine Ermächtigungsgrundlage hierzu, noch ist eine solche sonst ersichtlich.
196Das Ergebnis steht auch mit den Grundrechten in Einklang. Die Maßnahme greift zwar in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Sphäre der Berufsfreiheit ein. Einschränkungen der Berufsfreiheit und faktische Beeinträchtigungen einer Berufsausübung, die sich als Folge einer nachträglichen Ungültigerklärung einer Promotionsleistung ergeben, sind allerdings erforderlich und auch sonst verhältnismäßig und damit hinzunehmen, wenn sie, wie hier durch den Fakultätsrat, ohne Rechtsfehler zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses, einem überragend wichtigen und verfassungsrechtlich, wie bereits an anderer Stelle dargelegt, in dem objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Gemeinschaftsgutes für notwendig gehalten werden. Fachlich zutreffend hat der Fakultätsrat darüber hinaus in seine Abwägung eingestellt, dass die Klägerin durch die nachträgliche Ungültigerklärung ihrer Promotion auch nicht zur Beendigung ihrer im Zeitpunkt der Entscheidung konkret ausgeübten beruflichen Tätigkeit gezwungen wird. Sie kann vielmehr auch ohne gültige Promotion und ohne Hochschulabschluss weiterhin als Berufspolitikerin mit den sich daraus ergebenden Verwendungsmöglichkeiten arbeiten, was ihr im Status einer Bundestagsabgeordneten auch gegenwärtig bereits gelingt.
197(d) Rechtlich unbedenklich ist ferner der Hinweis des Fakultätsrats, er habe bei seiner Entscheidung auch die gleichmäßige Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen. Die Behauptung der Klägerin, eine Gleichbehandlung von Inhabern des Doktorgrades, die wie sie vor langer Zeit promoviert worden seien und dadurch zugleich den einzigen berufsqualifizierenden Abschluss erlangt hätten, sei dadurch nicht gewährleistet, geht schon deswegen fehl, weil die insoweit darlegungspflichtige Klägerin keinen Referenzfall für eine etwaige Ungleichbehandlung benannt oder einen entsprechenden Nachweis geführt hat. Auf den Umstand, dass künftige Sachverhalte voraussichtlich keine Fallgestaltungen mit grundständiger Promotion und damit eine andere Ausgangskonstellation betreffen werden, kommt es für die vom Fakultätsrat zugesicherte gleichmäßige Rechtsanwendung in Täuschungsfällen nicht an.
198(e) Der Fakultätsrat hat auch zu Recht dem Umstand, dass Erstgutachter (bzw. Referent) und Zweitgutachter (bzw. Korreferent) die Täuschungsbefunde nicht schon bei der Annahme bzw. bei der Bewertung der Dissertation der Klägerin entdeckt haben und dass die Betreuung der Dissertation durch die seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) insoweit möglicherweise nachlässig war, keine Bedeutung zugemessen. Denn weder rechtfertigt dies, die elementaren Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens missachten zu dürfen, noch lässt sich daraus ein “Mitverschulden“ Dritter und damit eine Verschiebung der persönlichen Verantwortung des Promovenden für die Dissertation konstruieren.
199Vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K 3335/11, juris (Rdnr. 93) m. w. N. auf BayVGH, Urteil vom 4. April 2006, 7 BV 05.388, juris (Rdnr. 13).
200Insbesondere bestand auf Seiten der seinerzeitigen Gutachter (bzw. Referenten) keine Verpflichtung, die Dissertation der Klägerin bereits bei ihrer Abgabe und unabhängig von einem konkret begründeten Verdacht auf einen Verstoß gegen die allgemeinen Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens zu kontrollieren. Darüber hinaus hat der Fakultätsrat ausweislich der Begründung im Bescheid zutreffend darauf abgestellt, dass etwaige Mängel in der Betreuung jedenfalls nicht als kausal für die festgestellte Täuschung anzusehen seien, da die Klägerin an zahlreichen Stellen ihrer Dissertation durch korrekte Angabe ihrer Quellen zu erkennen gegeben hat, dass ihr die gebotene Vorgehensweise durchaus bekannt war.
2013.) Angesichts der danach rechtlich nicht zu beanstandenden Ungültigerklärung der schriftlichen Promotionsleistung der Klägerin erweist sich auch die Rücknahme des der Klägerin mit Promotionsurkunde vom 27. November 1980 verliehenen Doktorgrades, gestützt auf § 21 PromO i. V. m. § 48 VwVfG NRW, als rechtsfehlerfrei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind hier ebenfalls erfüllt (vgl. Ziffer 3 a). Außerdem hat der Fakultätsrat das ihm hiernach eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl. Ziffer 3 b).
202a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme sind gegeben. Nach § 21 Satz 1 PromO entscheidet der Fakultätsrat über die Rücknahme oder Entziehung des Doktorgrades unter Beachtung des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen. In der Sache wird damit auf die in § 48 VwVfG NRW geregelte Möglichkeit zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte verwiesen.
203Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden, wobei im Falle der Rücknahme eines - wie hier - begünstigenden Verwaltungsaktes, dieser gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden darf.
204Ein rechtswidriger Verwaltungsakt liegt hier vor, weil die Dissertation der Klägerin gemäߠ § 20 Satz 1 PromO rechtmäßig für ungültig erklärt wurde und damit die Grundlage für die Verleihung des Doktorgrades entfallen ist.
205b) Die Entscheidung des Fakultätsrats, den der Klägerin mit Promotionsurkunde vom 27. November 1980 verliehenen Doktorgrad “Dr. phil“ zurückzunehmen, weist auch im Übrigen keine Rechtsfehler auf.
206Der Fakultätsrat hat nicht verkannt, dass die Entscheidung gemäß § 48 VwVfG NRW in seinem Ermessen steht. Er hat unter Zugrundelegung der Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 2013 sein Ermessen in dem gebotenen Maße ausgeübt und seine Entscheidung umfassend begründet. Auf die im gerichtlichen Verfahren von Seiten der beklagten Universität vertretene Auffassung, eine schwerwiegende Täuschung sei im Regelfall durch Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades zu sanktionieren, und auf die damit verbundene Frage, ob der Entscheidung zur Rücknahme der Grundsatz des intendierten Ermessens zugrunde zu legen ist, kommt es daher nicht an.
207Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2005, 13 A 1181/02, juris (Rdnr. 26) im Zusammenhang mit der Rücknahme der Anerkennung zum Führen der Bezeichnung “Praktische Ärztin“, wonach der Grundsatz des intendierten Ermessens auch im Hinblick auf eine nach § 48 Abs. 1 und 3 VwVfG NRW zu treffende Rücknahmeentscheidung lediglich zu Begründungserleichterungen führt.
208Die Ermessenserwägungen des Fakultätsrats sind auch nicht rechtsfehlerhaft im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO.
209Dabei ist der Fakultätsrat zu Recht davon ausgegangen, dass (auch) § 48 VwVfG NRW weder eine absolute Ausschlussfrist für die Rücknahme bzw. Entziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes enthält, noch im Wege der Auslegung in die Norm eine solche hineinzulesen ist. Letzterem Ansatz steht schon der aus der Gesetzesbegründung erkennbare Wille des Gesetzgebers entgegen.
210Der Gesetzgeber hat beim Erlass des – insoweit wortgleichen – Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes die Frage einer absoluten Ausschlussfrist erwogen, letztlich aber nicht ins Gesetz aufgenommen. In der Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4 E-VwVfG (vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 71) heißt es:
211“... Eine absolute Ausschlussfrist, für die es auf Kenntnis der Ausschließungsgründe nicht ankommt, erscheint nicht gerechtfertigt, da es durchaus Fälle geben kann, in denen ein so weitgehender Schutz des Betroffenen nicht angemessen wäre (z.B. Rücknahme einer ärztlichen Approbation, durch strafbare Handlung erlangte Vermögensvorteile). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung dem Zeitablauf allein keine eigenständige Bedeutung beigemessen; es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die verstrichene Zeit ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein kann, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen ist (BVerwG, Beschl. vom 5. September 1972, III B 67.72)...“
212Auch unter Zugrundelegung der einschlägigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung. Die Kammer folgt insoweit den auf die vorgenannte Rechtsprechung eingehenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 8. November 2012, 11 A 1548/11 (juris). In den Entscheidungsgründen wird insoweit ausgeführt (vgl. juris, Rdnr. 44 - 56):
213“… Die auch vom Gesetzgeber in Bezug genommene damalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ging davon aus, dass die Zeit, die seit Unanfechtbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts bis zum Erlass des Änderungsbescheides verstrichen war, allein für sich gesehen keine eigenständige Bedeutung habe. Die verstrichene Zeit könne aber ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des Einzelfalles eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei.
214Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976, III C 21.75, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57, m. w. N.
215Auch nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetztes hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass weder § 48 Abs. 4 VwVfG noch den verwandten Vorschriften in der Abgabenordnung und des Sozialgesetzbuches ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könne, der auf eine absolute zeitliche Grenze hinauslaufe, nach deren Erreichen ein rechtswidriger Bescheid nicht mehr zurückgenommen werden dürfe. Auch eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG scheide aus,
216vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993, 3 B 7.93, NVwZ-RR 1994, 338.
217Die Behörde sei jedoch bei der Ermittlung der Rücknahmevoraussetzungen dem Grundsatz von Treu und Glauben unterworfen, der sich insbesondere im Rechtsinstitut der Verwirkung manifestiere,
218vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 1997, 3 B 66.97, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 87.
219Demgegenüber hat das Bundessozialgericht für die Parallelvorschrift des § 45 SGB X entschieden, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung 30 Jahre nach seinem Erlass nicht mehr für die Vergangenheit zurückgenommen werden könne, auch wenn er durch arglistige Täuschung erwirkt worden sei,
220vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1993, 9/9a RV 38/91, BSGE 72, 139 = NVwZ-RR 1994, 628 ff.
221In der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, unabhängig vom Gesichtspunkt der Verwirkung sei die Rücknahme mit Blick auf den Vertrauensgrundsatz der Rechtssicherheit nicht unbefristet vorstellbar,
222vgl. Meyer in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz. 9. Aufl. 2010, § 48 Rdnr. 44.
223Weiter findet sich der Hinweis, die verstrichene Zeit erlange als Beurteilungsfaktor u.a. vor allem bei längeren Zeiträumen im Hinblick zumal auf Verschlechterungen der Beweissituation besonderes Gewicht,
224vgl. Sachs in: Stelkens u.a., Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 48 Rdnr. 203.
225Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass § 48 VwVfG nach seinem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers keine absolute Ausschlussfrist enthält. Das Bundessozialgericht leitet die Annahme einer absoluten Ausschlussfrist von 30 Jahren letztlich – unter Einbeziehung weiterer übergreifender Gesichtspunkte – aus dem in § 45 SGB X geschaffenen Fristensystem her, das § 48 VwVfG in dieser Form nicht enthält. Diese Rechtsprechung ist daher auf § 48 VwVfG nicht übertragbar….“
226Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in die mündliche Verhandlung für die Klägerin eingeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
227Beschluss vom 5. März 2013, 1 BvR 2457/08, juris,
228die sich zur Verjährung von Geldleistungsansprüchen verhält und in dem Zusammenhang fordert, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und - vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Der darin zu Tage tretende Rechtsgrundsatz, dass der Bürger in den Bestand der Rechtsordnung vertrauen können müsse, ist weder neu noch auf den Fall der Klägerin übertragbar, der - anders als im entschiedenen Fall des Bundesverfassungsgerichts - keine abstrakt generelle Rechtslage, sondern einen individuellen Einzelakt betrifft.
229Der Zeitablauf ist jedoch, was der Fakultätsrat gesehen hat, auch hier, wie bei der Ungültigerklärung, im Rahmen der Ermessensentscheidung angemessen zu berücksichtigen. Insoweit gelten die Ausführungen der Kammer zur Überprüfung der Ermessensausübung im Rahmen von § 20 Satz 1 PromO (vgl. Ziffer 2 d) entsprechend. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.
230Ein möglicherweise vorhandenes Vertrauen der Klägerin darauf, dass ihr der verliehene Grad erhalten bleibt, steht dessen Rücknahme hier ebenfalls nicht entgegen. Zum einen hindert ein Vertrauensschutz die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, der, wie hier, keine Geld- oder Sachleistung gewährt, grundsätzlich nicht, da § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW in solchen Fällen nicht gilt (§ 48 Abs. 3 VwVfG NRW). Im Übrigen wäre die Klägerin aber auch nach § 48 Abs. 2 VwVfG NRW nicht gegen eine Rücknahme der Begünstigung geschützt, da sie die Gradverleihung durch arglistige Täuschung bewirkt hat (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Arglist in diesem Sinne liegt vor, wenn die bewusste Irreführung darauf gerichtet war, auf den Erklärungswillen der Behörde einzuwirken.
231Vgl. etwa Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 48 Rndr. 152.
232Sie ist damit bei einer vorsätzlichen Täuschung wie der der Klägerin regelmäßig gegeben; Anhaltspunkte für das Gegenteil liegen nicht vor.
233Vgl. dazu: VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013, 7 K 3335/11, juris (Rdnr. 90) und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000, 9 S 2435/99, juris (Rdnr. 27).
234Damit steht ferner fest, dass der Entziehung des Doktorgrades auch die Vorschrift des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW nicht entgegensteht, die bestimmt, dass die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig ist. Denn die Jahresfrist ist nach § 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG NRW in den Fällen arglistiger Täuschung nicht zu beachten. Dies gilt auch für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 3 VwVfG NRW.
235Vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 48 Rndr. 209 m. w. N.
236Davon abgesehen ist die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW hier auch eingehalten worden. Sie beginnt erst zu laufen, sobald eine Behörde Kenntnis von allen die Rücknahme rechtfertigenden - also auch von den für eine Ermessensentscheidung maßgeblichen - Tatsachen hat. Nach dieser Maßgabe begann die Jahresfrist hier mit der ersten Befassung durch den Fakultätsrat in seiner Sitzung am 22. Januar 2013 zu laufen. Selbst wenn man die Übermittlung der Materialzusammenstellung aus dem Internet an die beklagte Universität im Mai 2012 zugrunde legen würde, wäre zum Zeitpunkt der Entscheidung des Fakultätsrats am 5. Februar 2013 die Jahresfrist noch nicht abgelaufen gewesen.
237Dem Fakultätsrat war nach der Begründung in dem angefochtenen Bescheid bei seiner Entscheidung schließlich bewusst, dass sich die im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Nachteile für das berufliche Fortkommen der Klägerin und insbesondere für deren Reputation auch bzw. im Besonderen im Zusammenhang mit der Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades auswirken können. Er ist allerdings auch insoweit beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass die aufgedeckten Plagiatsbefunde in der Dissertation gerade wegen des Gewichts der Täuschung neben der Ungültigerklärung auch eine Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades erforderlich machen und die Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades neben der Ungültigerklärung nicht unverhältnismäßig ist, insbesondere ein etwaiger, mit der Entziehung des Doktorgrades zusammenhängender Verlust gesellschaftlichen Ansehens und ein damit verbundener Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesse ebenfalls hinzunehmen sind. Auch stellt die Ungültigerklärung - entgegen der anderslautenden Auffassung der Klägerin - alleine keine geeignete Maßnahme dar, um den mit der Rücknahme bzw. Entziehung des Doktorgrades verfolgten weiteren Zweck zu erreichen. Denn mittels der Rücknahme des Doktorgrades infolge einer aufgedeckten Täuschung sollen nicht nur, wie bei der Ungültigerklärung, die akademischen Lauterkeitsregeln durchgesetzt und die Wissenschaftlichkeit des akademischen Promotionswesens von Störungen bereinigt werden. Die Rücknahme des Doktorgrades dient vielmehr auch dazu, außenwirksam klarzustellen, dass der Klägerin, der seinerzeit mit der Erlaubnis zur Führung eines Doktorgrades die Befähigung zu vertiefter – und auch selbständiger – wissenschaftlicher Arbeit bescheinigt worden war und die durch die Verleihung des Doktorgrades öffentlich sichtbar als Mitglied der akademischen Wissenschaftsgemeinde (“scientific community“) ausgewiesen war, aufgrund ihrer nachträglich für ungültig erklärten Promotionsleistung die erforderliche Qualifikation zur berechtigten Führung des Doktorgrades fehlt.
238Lediglich vorsorglich ist anzumerken, dass auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für mildere Maßnahmen ersichtlich sind.
239Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
240Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 20. März 2014 - 15 K 2271/13 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften
- 1.
von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss; - 2.
nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften
- 1.
von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss; - 2.
nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen.
(2) Dieses Gesetz gilt ferner nicht für
- 1.
Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach der Abgabenordnung, - 2.
die Strafverfolgung, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Rechtshilfe für das Ausland in Straf- und Zivilsachen und, unbeschadet des § 80 Abs. 4, für Maßnahmen des Richterdienstrechts, - 3.
Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und den bei diesem errichteten Schiedsstellen, - 4.
Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch, - 5.
das Recht des Lastenausgleichs, - 6.
das Recht der Wiedergutmachung.
(3) Für die Tätigkeit
- 1.
der Gerichtsverwaltungen und der Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dieses Gesetz nur, soweit die Tätigkeit der Nachprüfung durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder durch die in verwaltungsrechtlichen Anwalts-, Patentanwalts- und Notarsachen zuständigen Gerichte unterliegt; - 2.
der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen gelten nur die §§ 3a bis 13, 20 bis 27, 29 bis 38, 40 bis 52, 79, 80 und 96; - 3.
der Vertretungen des Bundes im Ausland gilt dieses Gesetz nicht.
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält.
(2) Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88) gilt § 20 Abs. 4 entsprechend.
(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen.
(2) Dieses Gesetz gilt ferner nicht für
- 1.
Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach der Abgabenordnung, - 2.
die Strafverfolgung, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Rechtshilfe für das Ausland in Straf- und Zivilsachen und, unbeschadet des § 80 Abs. 4, für Maßnahmen des Richterdienstrechts, - 3.
Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und den bei diesem errichteten Schiedsstellen, - 4.
Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch, - 5.
das Recht des Lastenausgleichs, - 6.
das Recht der Wiedergutmachung.
(3) Für die Tätigkeit
- 1.
der Gerichtsverwaltungen und der Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dieses Gesetz nur, soweit die Tätigkeit der Nachprüfung durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder durch die in verwaltungsrechtlichen Anwalts-, Patentanwalts- und Notarsachen zuständigen Gerichte unterliegt; - 2.
der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen gelten nur die §§ 3a bis 13, 20 bis 27, 29 bis 38, 40 bis 52, 79, 80 und 96; - 3.
der Vertretungen des Bundes im Ausland gilt dieses Gesetz nicht.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger wendet sich dagegen, dass ihm die beklagte Universität den von ihr verliehenen Doktorgrad unter Berufung darauf entzogen hat, er habe sich durch späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen.
- 2
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Der Kläger ist Physiker. Die Beklagte promovierte ihn im Januar 1998 auf Grund einer Dissertation auf dem Gebiet der Photovoltaik zum Doktor der Naturwissenschaften. Von Juli 1998 bis September 2002 arbeitete der Kläger in einer privaten Forschungseinrichtung, den zur Firma L. T. gehörenden B. L., in den USA. Für diese Tätigkeit hatte ihm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Postdoktorandenstipendium mit der Laufzeit von August 1998 bis Januar 2000 bewilligt. Der Kläger befasste sich während dieser Zeit mit Forschungen und Experimenten zur Supraleitung und zur Herstellung von Nano-Bauelementen. Er war an einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen beteiligt, die in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit teilweise als bahnbrechend gewürdigt wurden.
- 3
-
Im Mai 2002 setzte die Leitung der B. L. eine Kommission unter dem Vorsitz von Prof. B. von der S. University (im Folgenden: B.-Kommission) ein, um die Vorwürfe des wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu klären, die in der Fachöffentlichkeit unter Bezug auf von dem Kläger und verschiedenen Mitautoren verfasste Publikationen erhoben worden waren. Nach der Untersuchung von 24 Veröffentlichungen und einem unveröffentlichten Manuskript aus den Jahren 1998 bis 2002 kam die B.-Kommission in ihrem Abschlussbericht vom September 2002 (im Folgenden: B.-Report) zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Originaldaten und die verwendeten Proben seiner beschriebenen Experimente nicht systematisch archiviert habe. Zudem gebe es zwingende Belege dafür, dass er Daten manipuliert und falsch dargestellt habe. Eine Verantwortlichkeit auch der Mitautoren der betroffenen Ausarbeitungen scheide aus, da der Kläger die zu Grunde liegenden Versuche und Messungen mit wenigen Ausnahmen allein durchgeführt habe.
- 4
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Entsprechend einem von dem Promotionsausschuss Physik der Beklagten gefassten Beschluss entzog dessen Vorsitzender dem Kläger mit Bescheid vom 4. Juni 2004 unter Berufung auf § 55c Abs. 1 UG BW a.F. den verliehenen akademischen Grad eines Doktors der Naturwissenschaften, weil sich der Kläger im Sinne der Vorschrift durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen habe. Der Begriff der Unwürdigkeit sei wissenschaftsbezogen zu verstehen. Der Ausschuss sei auf Grund einer eigenen Würdigung des B.-Reports zu der Auffassung gelangt, dass ein wissenschaftliches Fehlverhalten des Klägers in Gestalt der Datenmanipulation, der Präsentation von Daten in falschem Zusammenhang und der künstlichen Erzeugung von Daten in einem in der deutschen Wissenschaftsgeschichte bisher beispiellosen Ausmaß nachgewiesen sei. Das Interesse der Beklagten, eine Person, die wissenschaftliches Fehlverhalten in einem derart erheblichen Umfang zu verantworten habe, nach außen sichtbar aus dem Kreis derjenigen auszuschließen, die durch den Doktorgrad die Zugehörigkeit zur qualifizierten wissenschaftlichen Forschung dokumentierten, überwiege das persönliche Interesse des Klägers, durch die Führung des Titels seine erfolgreiche Promotion zu belegen und seine beruflichen Chancen zu verbessern.
- 5
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Im Verlauf des Verfahrens über den von dem Kläger gegen die Entziehungsverfügung eingelegten Widerspruch untersuchte der Promotionsausschuss Physik der Beklagten sieben der in dem B.-Report aufgeführten Publikationen. In der hierüber gefertigten Analyse stellte der Promotionsausschuss fest, dass vielfach Originaldaten fehlten und im Übrigen Daten manipuliert, gefälscht und fabriziert worden seien; zudem würden in den Publikationen mehrfach geglättete Daten gezeigt, dabei werde jedoch suggeriert, dass es sich um gemessene Daten handele. Der Promotionsausschuss zog überdies die Entscheidung des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 bei, in der festgestellt worden war, dass dem Kläger im Hinblick auf zwei Veröffentlichungen aus den Jahren 1998 und 2000, die er in einem Bericht an die DFG benannt hatte und die auch von der B.-Kommission untersucht worden waren, wissenschaftliches Fehlverhalten in der Form der Fälschung und Manipulation von Daten sowie der unzureichenden Aufbewahrung und Dokumentation von Primärdaten zur Last zu legen sei. Nachdem sich der Promotionsausschuss für die Zurückweisung des Widerspruchs des Klägers ausgesprochen hatte, wurde dieser durch den Prorektor für Lehre der Beklagten unter dem 19. Oktober 2009 entsprechend beschieden. Die Voraussetzungen für den Entzug des Doktorgrades nach dem zwischenzeitlich an die Stelle des § 55c Abs. 1 UG BW a.F. getretenen, wortgleichen § 35 Abs. 7 LHG BW lägen vor. Der Kläger habe über einen längeren Zeitraum und in erheblichem Umfang wissenschaftliches Fehlverhalten an den Tag gelegt und dadurch seine Kernpflichten als Wissenschaftler massiv verletzt.
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Das Verwaltungsgericht hat der von dem Kläger erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben, weil es das der angefochtenen Entziehungsverfügung zu Grunde liegende wissenschaftsbezogene Verständnis des in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW enthaltenen Begriffs der Unwürdigkeit verfassungsrechtlich für nicht zulässig, stattdessen eine Beschränkung auf Fälle besonders zu missbilligender Straftaten für geboten und zudem die Entziehung des Doktorgrades des Klägers für unverhältnismäßig gehalten hat.
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Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Entziehung des Doktorgrades habe in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage. Das in der Norm enthaltene Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit sei wegen des in ihm angelegten Wissenschaftsbezugs hinreichend bestimmt. Ein Titelinhaber erweise sich als unwürdig zur Führung des verliehenen Doktorgrades, wenn er gravierend gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis bzw. die wissenschaftliche Redlichkeit verstoße, insbesondere Forschungsergebnisse fälsche. Derart ausgelegt, bestünden auch keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW mit den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dass dem Kläger ein die weitere Führung des verliehenen Doktorgrades ausschließender schwerwiegender Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zur Last zu legen sei, habe die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise angenommen. Da der Kläger die Primärdaten seiner Untersuchungen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt und die durchgeführten Experimente nicht hinreichend dokumentiert habe, könne im Wege des prima-facie-Beweises darauf geschlossen werden, dass die von dem Kläger behaupteten Experimente nicht in der beschriebenen Weise stattgefunden hätten. Unabhängig hiervon sei durch die Entscheidung des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 und die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durchgeführte Untersuchung des Promotionsausschusses Physik der Beklagten positiv nachgewiesen, dass der Kläger Daten gefälscht und manipuliert habe. Auch die Einwände des Klägers gegen die Ergebnisse der B.-Kommission überzeugten nicht. Bei dieser Sachlage sei eine weitere gerichtliche Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht veranlasst gewesen. Ein Ermessensfehler sei der Beklagten nicht unterlaufen. Insbesondere stehe die Entziehung des Doktorgrades in Ansehung der Gesamtumstände in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs.
- 8
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Zur Begründung seiner von dem Senat zugelassenen Revision gegen das Berufungsurteil macht der Kläger - teilweise gestützt auf die Erwägungen des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils - geltend: Der überkommene hochschulrechtliche Begriff der Unwürdigkeit gehöre dem revisiblen Recht an. Durch die von dem Verwaltungsgerichtshof vorgenommene wissenschaftsbezogene Auslegung gewinne dieser Begriff eine verfassungsrechtlich unzulässige Weite. Sie ermögliche eine dauerhafte Entwertung des korrekt erworbenen Doktorgrades auf Grund eines nachträglichen Fehlverhaltens ohne strafrechtliche Relevanz und dadurch einen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und die Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, erfasse unter Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nur diejenigen Inhaber eines Doktorgrades, die nach ihrer Promotion weiterhin im Wissenschaftsbereich tätig seien, und verletze die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Justitiabilität, weil sich verlässliche Kriterien für die Beantwortung der Frage, wann gravierendes wissenschaftliches Fehlverhalten vorliege, nicht finden ließen. Unabhängig hiervon sei der Verwaltungsgerichtshof in verfahrensfehlerhafter Weise zu seiner Feststellung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens gelangt. Er habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO - hier in seiner Ausprägung durch die gerichtliche Hinweis- und Erörterungspflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO und § 104 Abs. 1 VwGO - ein Überraschungsurteil erlassen und überdies die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil er den bestrittenen Sachvortrag der Beklagten ohne weitere Ermittlungen bzw. Beweiserhebung und ohne entsprechenden vorherigen Hinweis als gegeben vorausgesetzt habe. Eine Gehörsverletzung wegen des Erlasses eines Überraschungsurteils sei dem Verwaltungsgerichtshof auch deshalb vorzuwerfen, weil er nicht darauf hingewiesen habe, dass er der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts nicht folgen und den unbestimmten Rechtsbegriff der Unwürdigkeit auch in Abkehr von seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung wissenschaftsbezogen auslegen werde. In jedem Fall habe die Beklagte den Doktorgrad in ermessensfehlerhafter Weise entzogen, weil die Wissenschaftsgemeinschaft mit den gegen ihn, den Kläger, erhobenen Vorwürfen auch ohnedies bereits vertraut gewesen sei und im Übrigen der Titel bei wissenschaftlichen Publikationen im Fach Physik nicht angegeben werde.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2011 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22. September 2010 zurückzuweisen,
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hilfsweise,
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das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
- 11
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Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist sowohl mit ihrem Hauptantrag als auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet und deshalb gemäß § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil hat im Einklang mit Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO die Klage gegen die Entziehung des Doktorgrades abgewiesen.
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Die Vorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz BW - LHG BW) vom 1. Januar 2005 (GBl S. 1), hier anwendbar in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juli 2009 (GBl S. 317, 331), wonach der von einer baden-württembergischen Hochschule verliehene Hochschulgrad unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG BW entzogen werden kann, wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat, gehört dem nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisiblen Landesrecht an (1.). Sie verstößt in ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Grundgesetz (2.). Ebenso wenig ist revisionsgerichtlich zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die auf die Vorschrift gestützte Entziehungsverfügung der Beklagten im Übrigen als rechtmäßig beurteilt hat. An die den Tatbestand des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW ausfüllenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da der Kläger keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe gegen sie vorgebracht hat (3.). Einen Ermessensfehler der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verstoß gegen Bundesrecht verneint (4.).
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1. Der Kläger geht fehl, wenn er meint, der in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der Unwürdigkeit gehöre dem revisiblen Recht an. Er beruft sich zu Unrecht darauf, dass der Begriff aus der die Entziehung wegen nachträglicher Unwürdigkeit durch späteres Verhalten betreffenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) des früheren Gesetzes über die Führung akademischer Grade (GFaG) vom 7. Juni 1939 (RGBl I S. 985) mit bundeseinheitlicher Geltung überkommen sei und das Hochschulrecht der Länder den Entzug des Doktorgrades durchweg an die Voraussetzung der Unwürdigkeit knüpfe.
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Das vorkonstitutionelle Gesetz über die Führung akademischer Grade galt in seinem wesentlichen Normbestand nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wegen seiner Zugehörigkeit zum Hochschulrecht und damit zur Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 123 Abs. 1 GG als Landesrecht fort (stRspr seit dem Urteil vom 26. Februar 1960 - BVerwG 7 C 198.59 - BVerwGE 10, 195 <195 f.> = Buchholz 421.11 § 4 Ges. Akadem. Grade Nr. 1 S. 1 f., zuletzt Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 4.91 - BVerwGE 94, 73 <76 f.> = Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 14 S. 14). Die Geltung des Gesetzes in allen damaligen Ländern machte es nicht zu Bundesrecht und führte mangels einer ausdrücklichen Anordnung der Landesgesetzgeber nach Art. 99 GG auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtseinheit und des Anspruchs der Bürger auf Gleichbehandlung nicht dazu, dass es als revisibel angesehen werden konnte (Beschlüsse vom 26. November 1976 - BVerwG 7 B 48.75 - Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 4 S. 2, vom 17. März 1978 - BVerwG 7 B 14.77 - Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 6 S. 7 und vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 B 116.84 - Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 8 S. 4). Für Regelungen, die - wie § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW - nach der sukzessiven Aufhebung des Gesetzes über die Führung akademischer Grade in den Ländern an die Stelle des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) GFaG getreten sind, besteht erst recht kein Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Revisibilität (Beschluss vom 10. März 1997 - BVerwG 6 B 72.96 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 4), zumal längst nicht alle Länder derartige Nachfolgeregelungen erlassen haben (vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Landesvorschriften bei: Stumpf, BRJ Sonderausgabe 1/2011, 36 Fn. 325). Der Senat hat demnach nur zu prüfen, ob die durch den Verwaltungsgerichtshof ausgelegte Entziehungsvorschrift als solche oder ihre Anwendung auf den konkreten Fall dem (Verfassungs-)Recht des Bundes widerspricht.
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2. Die Vorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW ist nicht verfassungswidrig. Der in ihr enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der Unwürdigkeit erfährt durch seinen Wissenschaftsbezug, den der Verwaltungsgerichtshof im Wege der für den Senat nach § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO verbindlichen Normauslegung festgestellt hat (a)), eine Konkretisierung, die dem in dem Rechtsstaatsprinzip und damit im Wesentlichen in Art. 20 Abs. 3 GG zu verortenden Gebot der Gesetzesbestimmtheit genügt (b)). Die Norm ist in dieser Auslegung auch mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (c)), der in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit (d)), dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (e)) und dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (f)) vereinbar.
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a) Nach ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof ist die landesrechtliche Entziehungsvorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW wissenschaftsbezogen zu verstehen. Anders als dies bei den auf einen berufsqualifizierenden Abschluss gerichteten Hochschulgraden der Fall sei, werde durch den Doktorgrad nicht lediglich ein einmal erreichter Ausbildungsstand nachgewiesen. Vielmehr bescheinige die Erlaubnis zur Führung des Doktorgrades dem Inhaber gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 LHG BW die Befähigung zu vertiefter - und auch selbständiger - wissenschaftlicher Arbeit. Damit werde der Inhaber öffentlich sichtbar als Mitglied der akademischen Wissenschaftsgemeinde ("scientific community") ausgewiesen. Er gelange durch diese Zuschreibung in dem arbeitsteiligen Prozess des wissenschaftlichen Fortschritts in den Genuss eines Vertrauensvorschusses, was die Einhaltung der Regeln der Wissenschaftlichkeit anbelange. Die Kernpflicht wissenschaftlichen Arbeitens bestehe in der Wahrung der wissenschaftlichen Redlichkeit, zu der auch § 3 Abs. 5 Satz 1 LHG BW ausdrücklich verpflichte. Ein Titelinhaber erweise sich deshalb dann als unwürdig im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW, wenn sich der mit der Verleihung des Doktorgrades begründete Anschein wissenschaftskonformen Arbeitens angesichts gravierender Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit - insbesondere in Form der Fälschung von Forschungsergebnissen - als unzutreffend herausstelle und zum Schutz vor Irreführung korrigiert werden müsse. Demgemäß sehe auch § 3 Abs. 5 Satz 3 LHG BW vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben in wissenschaftserheblichem Zusammenhang als beispielhaft für einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis an.
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Durch diese Ausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof den Regelungsgehalt der landesrechtlichen Vorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW dahingehend umrissen, dass sie von den durch Prüfung erlangten Hochschulgraden nur den Doktorgrad erfasst und für dessen Entziehung wegen späterer Unwürdigkeit vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen wissenschaftliche Kernpflichten voraussetzt.
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b) Mit diesem Inhalt steht § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW nicht in Widerspruch zu dem in dem bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip wurzelnden (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <384>; BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 - BVerwG 6 CN 3.10 - BVerwGE 139, 210 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 175 Rn. 22) Gebot der hinreichenden gesetzlichen Bestimmtheit.
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Das Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand einer Norm mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt allein noch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justitiabilität. Das Gesetz muss nur so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings stets, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 a.a.O. S. 384 f. m.w.N.).
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Diese Bestimmtheitsanforderungen würden verfehlt, wollte man für die Bestimmung der Unwürdigkeit im Sinne der Entziehungsvorschrift, wie von der älteren Instanzrechtsprechung (etwa: OVG Münster, Urteil vom 14. Januar 1963 - V A 747/62 - MDR 1965, 515 <516>; OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Oktober 1965 - V OVG A 58/63 - OVGE 21, 441 <443 ff.>; VGH München, Urteile vom 21. Juli 1966 - Nr. 184 VI 65 - DVBl 1967, 89 und vom 14. Februar 1969 - Nr. 182 III 67 - VGHE 22, 111 <112>; vgl. auch noch: OVG Berlin, Urteil vom 26. April 1990 - 3 B 19/89 - NVwZ 1991, 188; OVG Koblenz, Urteil vom 31. Juli 1991 - 2 A 10260/91 - NVwZ-RR 1992, 79 <80>), der frühen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. September 1966 - BVerwG 7 B 201.65 - Buchholz 421.11 § 4 Ges. Akadem. Grade Nr. 2 S. 4) und großen Teilen der Literatur (z.B. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004 Rn. 420, 436 f., 441; Menzel, JZ 1960, 461) für die Vorgängernorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) GFaG vertreten, auf die Enttäuschung traditioneller gesellschaftlicher Vorstellungen über den Doktorgrad als öffentliche Würde eigener Art, als herausgehobener Rang oder als ehrenvolle Kennzeichnung der Persönlichkeit seines Trägers abstellen. Weder haben derartige allgemeine Vorstellungen, sofern sie in der Gesellschaft überhaupt auch heute noch bestehen, eine normative Grundlage, noch sind die Hochschulen institutionell oder fachlich zur Abgabe und Durchsetzung entsprechender Werturteile berufen. Die Fallgestaltungen, in denen eine Entziehung des Doktorgrades wegen späterer Unwürdigkeit gerechtfertigt wäre, würden nicht in hinreichender Weise erkennbar (Lorenz, DVBl 2005, 1244; Maurer, Promotion, in: Flämig/Kimminich/Krüger/Meusel/Rupp/Scheven/Schuster/Graf Stenbock-Fermor
, Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1996, S. 768 f., 776; Stumpf, a.a.O. S. 36).
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Dementsprechend haben das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht in den wenigen, sehr kurzen Entscheidungen, in denen explizit die Bestimmtheit des Unwürdigkeitsbegriffs des früheren § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) GFaG in Frage stand, der Sache nach eine restriktive, verfassungskonforme Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs für erforderlich gehalten. Bestimmend für diese Rechtsprechung ist der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88 - (juris Rn. 8 f.; vgl. im Übrigen noch: Beschluss vom 18. Dezember 1992 - 1 BvR 1475/92 - n.v. und dazu: BVerwG, Beschluss vom 10. März 1997 a.a.O.), dessen Erwägungen sich das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 7. September 1990 - BVerwG 7 B 127.90 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2 S. 9 und vom 25. August 1992 - BVerwG 6 B 31.91 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 3 S. 13) zu eigen gemacht hat. Das Bundesverfassungsgericht (Kammerbeschluss vom 30. November 1988 a.a.O.) hat die Unschärfe des Unwürdigkeitsbegriffs hervorgehoben und Zweifeln Ausdruck verliehen, inwieweit Verhaltensweisen, die keinen unmittelbaren Bezug zu der mit dem Doktorgrad verbundenen fachlich-wissenschaftlichen Qualifikation hätten, zur Begründung eines Unwerturteils herangezogen werden dürften. Deshalb werde eine Auslegung, die eine funktionelle Verknüpfung - des seinerzeit gegebenen strafbaren Verhaltens - mit dem Wesen und der Bedeutung des akademischen Grades herstelle, den verfassungsrechtlichen Anforderungen in besonderer Weise gerecht.
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Diesen bundesverfassungsgerichtlichen Ansatz hat der Verwaltungsgerichtshof unter Aufnahme einschlägiger dogmatischer Grundlegungen in der Literatur (Lorenz, a.a.O. S. 1242 ff.; v. Coelln, FuL 2011, 278 f.; im Ausgangspunkt auch Tiedemann, ZRP 2010, 55 und später Stumpf, a.a.O. S. 37 f.) durch die auf die systematischen Bezüge innerhalb des Landeshochschulgesetzes gestützte wissenschaftsbezogene Interpretation des Unwürdigkeitsbegriffs in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW weiterentwickelt. Er ist auf diese Weise zu einer konsistenten Beschreibung des Regelungsbereichs der Entziehungsvorschrift gelangt, die deren Begrenzung ohne Weiteres ersichtlich werden lässt. Die Vorschrift erfasst danach im Wesentlichen die Verletzung von Pflichten, die sich unabhängig von den innerhalb der Wissenschaft erarbeiteten Zusammenstellungen der Anforderungen an eine gute wissenschaftliche Praxis (zum Beispiel: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis - Empfehlungen der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft", Denkschrift 1998 mit Ergänzung vom Juli 2013) im Sinne eines Begriffskerns (vgl. dazu: Schmidt-Aßmann, NVwZ 1998, 1226; Schulze-Fielitz, WissR, Beiheft 21 <2011> S. 6) bereits aus dem Begriff der Wissenschaft als solchem, das heißt dem ernsthaften Versuch zur Ermittlung von Wahrheit ergeben. In vergleichbarer Weise hat der Senat (Urteil vom 11. Dezember 1996 - BVerwG 6 C 5.95 - BVerwGE 102, 304 <308 ff.> = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 150 S. 63 ff.) in anderem Zusammenhang die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte individuelle Forschungsfreiheit des Hochschullehrers in Beziehung zu der Verantwortung der Hochschule für die Pflege der Wissenschaften gesetzt, die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als objektiver, das Verhältnis von Wissenschaft und Staat regelnder wertentscheidender Grundsatznorm ableitbar ist. Dem im vorliegenden Fall in Rede stehenden Fälschungs- und Manipulationsverbot können danach - wie etwa § 3 Abs. 5 Satz 3 LHG BW im Hinblick auf Hochschulangehörige bestimmt - vor allem die vergleichbar gewichtigen Verbote der Verletzung des geistigen Eigentums und der Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit Anderer an die Seite gestellt werden.
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Mit dieser Auslegung des Unwürdigkeitsbegriffs verträgt es sich indes nicht, wenn der Verwaltungsgerichtshof - wenngleich nicht im Zusammenhang mit der Frage der Bestimmtheit der Entziehungsvorschrift, sondern mit derjenigen ihrer Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz - offen lässt, ob neben den Fällen einer wissenschaftsbezogen begründeten Unwürdigkeit auch bei schweren Verfehlungen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs eine Entziehung des Doktorgrades in Betracht kommen könnte. Der in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW enthaltene Unwürdigkeitsbegriff, der nach den Maßgaben des Landeshochschulrechts über die Bedeutung des Doktorgrades wissenschaftsbezogen zu verstehen ist, kann aus Gründen des bundesverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nicht zugleich unter Heranziehung anderer Kriterien interpretiert werden, die mangels normativer Regelung ihrerseits nur in der oben genannten Enttäuschung nicht hinreichend fassbarer gesellschaftlicher Vorstellungen über den Doktorgrad und dessen Träger bestehen können. Dies gilt auch für die unter anderem in der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 4 Abs. 1 GFaG (Urteil vom 18. März 1981 - IX 1496/79 - JZ 1981, 661 <663>; ebenso: Starosta, DÖV 1987, 1052) und in dem hiesigen Verfahren noch von dem erstinstanzlichen Urteil befürwortete Beschränkung des Unwürdigkeitsbegriffs auf besonders schwere oder verwerfliche Straftaten jedenfalls dann, wenn diese Taten keinen Wissenschaftsbezug aufweisen. Vor diesem Hintergrund ist der Senat zu der Feststellung befugt, dass die von dem Verwaltungsgerichtshof gefundene wissenschaftsbezogene Auslegung des Unwürdigkeitsbegriffs in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW als abschließend anzusehen ist (vgl. dazu allgemein: Urteil vom 17. Oktober 1986 - BVerwG 7 C 79.85 - BVerwGE 75, 67 <72> = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 18 S. 33).
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c) In der wissenschaftsbezogenen Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof ist § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
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Von vornherein kein Raum besteht für die Annahme, das individuelle Wissenschaftsfreiheitsrecht sei dadurch verletzt, dass die Unwürdigkeit im Sinne der landesrechtlichen Entziehungsvorschrift überhaupt in vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen gegen wissenschaftliche Kernpflichten gefunden werde. Denn ein derartiges wissenschaftliches Fehlverhalten wird bereits von dem Schutzbereich des Grundrechts nicht erfasst (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1996 a.a.O. S. 312 bzw. S. 67; Linke, WissR 1999, 160; Lorenz, a.a.O. S. 1244 f.).
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Ein unzulässiger Eingriff in die individuelle Wissenschaftsfreiheit liegt auch nicht darin begründet, dass die Vorschrift als Reaktion auf die in Rede stehenden späteren wissenschaftlichen Pflichtverstöße den Zugriff auf den Bestand des zuvor redlich erworbenen Doktorgrades ermöglicht. Denn der damit für den Träger des Grades verbundene Nachteil findet seine Rechfertigung in dem Gehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als objektiver Grundsatznorm, weil er nach dem von dem Verwaltungsgerichtshof festgestellten Regelungsgehalt der landesrechtlichen Entziehungsvorschrift der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses dient. In der Wissenschaft als prinzipiell offenem System muss jeder wissenschaftlich Tätige mit seinen Forschungen auf den Erkenntnissen anderer aufbauen und darauf vertrauen können, dass diese nicht manipuliert sind. Wird dieses Vertrauen verletzt, leidet neben der Qualität der jeweiligen Forschungsarbeit auch die Präzision des Fachdiskurses. Dies kann die Glaubwürdigkeit des Wissenschaftsbetriebs insgesamt beschädigen (vgl. Goeckenjan, JZ 2013, 725; Deutsche Forschungsgemeinschaft, a.a.O. S. 27). Vor diesem Hintergrund hat der Landesgesetzgeber nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs dem verliehenen Doktorgrad die Funktion zugeschrieben, im Fall der weiteren Teilnahme seines Trägers am Wissenschaftsprozess als Ausweis für dessen Willen und Fähigkeit zur permanenten Einhaltung der wissenschaftlichen Kernpflichten zu dienen. Der Landesgesetzgeber hat diese Zuschreibung mit einer entsprechenden Verhaltenserwartung verknüpft und für den Fall der Nichterfüllung der Erwartung die Entziehung des Doktorgrades vorgesehen. Dieses Regelungssystem stellt sich unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative und des Gestaltungsspielraums des Landesgesetzgebers nicht als unverhältnismäßig im weiteren Sinne dar. Insbesondere sind die gesetzgeberische Zuschreibung und Verhaltenserwartung nicht deshalb als fehlsam zu beurteilen, weil das entsprechende Vertrauen in den Doktorgrad in der Wissenschaft bzw. in einzelnen ihrer Bereiche in tatsächlicher Hinsicht unterschiedlich stark ausgeprägt sein mag.
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Einen unverhältnismäßigen Charakter gewinnt die in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW geregelte Entziehung des Doktorgrades wegen eines späteren wissenschaftsbezogenen unwürdigen Verhaltens ferner nicht deshalb, weil die Vorschrift keine Bestimmung über eine Befristung der Entziehungsentscheidung enthält. Denn in Fällen, in denen sich eine Aufrechterhaltung der Entziehungsverfügung als unzumutbar erweisen sollte, kann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rechnung getragen werden, dass die Entziehungsentscheidung auf der Grundlage der nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisiblen Vorschrift des § 49 Abs. 1 LVwVfG BW, auf die § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW ausdrücklich verweist, widerrufen wird (zur Aufhebung einer Entziehungsentscheidung nach dem früheren Gesetz über die Führung akademischer Grade unter Verweis auf § 4 Abs. 4 GFaG: VGH Mannheim, Urteil vom 18. März 1981 a.a.O. S. 664; Thieme, a.a.O. Rn. 446; vgl. auch: Maurer, a.a.O. S. 777). Unabhängig hiervon besteht grundsätzlich die Möglichkeit eines Neuerwerbs des Doktorgrades (Stumpf, a.a.O. S. 48).
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Schließlich können etwaige für das Grundrecht der subjektiven Wissenschaftsfreiheit bedeutsame Besonderheiten des Einzelfalles im Rahmen der nach § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW erforderlichen Ermessensausübung berücksichtigt werden.
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d) Die wissenschaftsbezogen ausgelegte Entziehungsvorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW verletzt nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
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Einschränkungen der Berufsfreiheit, die sich als Folge einer auf Grund der Vorschrift verfügten Entziehung des Doktorgrades für Tätigkeiten im Wissenschaftsbetrieb ergeben, sind entsprechend den Darlegungen zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gerechtfertigt, weil sie zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses, einem überragend wichtigen und verfassungsrechtlich in dem objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Gemeinschaftsgut, erforderlich und auch sonst verhältnismäßig sind. Deshalb müssen die von einer Entziehungsentscheidung Betroffenen auch mit dieser verbundene faktische Beeinträchtigungen einer Berufsausübung (vgl. zu solchen Beeinträchtigungen allgemein: Urteil vom 18. Oktober 1990 - BVerwG 3 C 2.88 - BVerwGE 87, 37 <41 ff.> = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 209 S. 27 ff.) außerhalb des Wissenschaftsbereichs hinnehmen. Der Landesgesetzgeber war auf Grund der ihm zustehenden Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis nicht verpflichtet, bereichsspezifische Verbote zur Führung des Doktorgrades vorzusehen. Eine im Einzelfall gegebene besondere Betroffenheit in beruflicher Hinsicht kann wiederum in die Ermessensausübung nach § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW einfließen.
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e) Aus den bisherigen Darlegungen folgt zugleich, dass - im Hinblick auf einen etwaigen, mit der Entziehung des Doktorgrades zusammenhängenden Verlust gesellschaftlichen Ansehens - das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht in der wissenschaftsbezogen interpretierten Norm des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW eine verfassungsmäßige Grenze findet.
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f) Der Umstand, dass der wohl überwiegende Teil der Promovierten mangels weiterer wissenschaftlicher Tätigkeit nach der Promotion dem Anwendungsbereich des wissenschaftsbezogen verstandenen § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW faktisch nicht unterfällt, begründet keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Er ist vielmehr deshalb sachlich gerechtfertigt, weil von den besagten Titelträgern keine Gefahr einer Störung des Wissenschaftsprozesses durch Verletzung wissenschaftlicher Kernpflichten ausgeht (vgl. Stumpf, a.a.O. S. 38).
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3. Gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger habe den Tatbestand des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW erfüllt, ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat - unmittelbar und unabhängig von dem ergänzend gezogenen, an eine mangelhafte Archivierung von Primärdaten und Dokumentation von Experimenten anknüpfenden prima-facie-Schluss - festgestellt, dass der Kläger während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in den USA schwerwiegend und wiederholt Daten seiner Forschungsergebnisse manipuliert und gefälscht hat. Auf diesen vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen Verstoß gegen das zum Kreis der wissenschaftlichen Kernpflichten gehörende Fälschungs- und Manipulationsverbot hat der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der Unwürdigkeit des Klägers im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW gestützt. Der Senat ist gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs und dessen auf dieser Grundlage vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung gebunden, weil der Kläger mit seinen hiergegen gerichteten Verfahrensrügen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (a)) und der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (b)) nicht durchzudringen vermag.
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a) Der Kläger macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen, weil das Berufungsurteil sowohl im Hinblick auf seine tatsächliche als auch in Bezug auf seine rechtliche Grundlage eine Überraschungsentscheidung darstelle. In tatsächlicher Hinsicht habe der Verwaltungsgerichtshof nicht nach § 86 Abs. 3 VwGO darauf hingewiesen bzw. nicht gemäß § 104 Abs. 1 VwGO erörtert, dass er die von ihm, dem Kläger, bestrittene Manipulation und Fälschung von Daten allein auf Grund des Akteninhalts als erwiesen ansehen werde. Eines solchen Hinweises habe es zwingend bedurft, da der Verwaltungsgerichtshof einerseits anders als das erstinstanzliche Urteil ein wissenschaftsbezogenes Unwürdigkeitsverständnis befürwortet, andererseits aber den für ein solches Verständnis entscheidungserheblichen umstrittenen Sachverhalt nicht durch eigene Ermittlungen und Beweiserhebungen aufgeklärt habe. Anders gewendet hätte der Verwaltungsgerichtshof in rechtlicher Hinsicht nicht ohne vorherigen Hinweis sein wissenschaftsbezogenes Unwürdigkeitsverständnis an die Stelle der von der Vorinstanz in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vertretenen Beschränkung auf besonders schwere oder verwerfliche Straftaten setzen dürfen. Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang ergänzend auf die auf den Zivilprozess bezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa Kammerbeschluss vom 16. Oktober 1991 - 2 BvR 458/89 - NJW 1992, 495 m.w.N.) und des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03 - FamRZ 2005, 700 f. m.w.N.) über zweitinstanzliche Vortragserleichterungen für die in erster Instanz siegreiche Partei bzw. zu deren Gunsten eingreifende Hinweispflichten des Berufungsgerichts nach § 139 ZPO in der prozessualen Situation, dass das Berufungsgericht den Rechtsstandpunkt der Vorinstanz nicht teilt. Er macht geltend, dass er, wenn der Verwaltungsgerichtshof den erforderlichen Hinweis in tatsächlicher Hinsicht erteilt hätte, in der Lage gewesen wäre, dazu Stellung zu nehmen, Vertagung zu beantragen und weiter vorzutragen oder einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, so dass eine für ihn günstigere Entscheidung des Berufungsgerichts nicht ausgeschlossen gewesen wäre. Auf eine verfahrensfehlerhafte Ablehnung eines gestellten Beweisantrages hätte er seine Nichtzulassungsbeschwerde stützen können. Auf den notwendigen Hinweis in rechtlicher Hinsicht hin hätte er den Verwaltungsgerichtshof mit seiner früheren Rechtsprechung konfrontiert.
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Der Gehörsrüge muss der Erfolg versagt bleiben. Sie erfüllt bereits nicht die Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, der für die Rüge eines Verfahrensmangels die Angabe der Tatsachen verlangt, die den Mangel ergeben. Wird ein Gehörsverstoß geltend gemacht, sind demnach substantiierte Ausführungen darüber erforderlich, was im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs über das bisherige Vorbringen hinaus noch entscheidungserheblich vorgetragen worden wäre bzw. welche Beweisanträge gestellt worden wären (vgl. Urteile vom 16. August 1983 - BVerwG 9 C 853.80 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 26 S. 10 und vom 24. September 1992 - BVerwG 3 C 88.88 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 61 S. 267 f.). Dies ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
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Davon abgesehen liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht vor, denn das angefochtene Urteil stellt keine diesen Grundsatz verletzende Überraschungsentscheidung dar. Auch unter Berücksichtigung der Ausprägung, die der Grundsatz durch die Hinweis- und Erörterungspflichten nach § 86 Abs. 3 VwGO und § 104 Abs. 1 VwGO erfährt, ist das Tatsachengericht nicht verpflichtet, die Beteiligten schon vor bzw. in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung (Beschlüsse vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2; vom 27. November 2008 - BVerwG 5 B 54.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 60 Rn. 8 und vom 29. Juni 2011 - BVerwG 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8). Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (Beschlüsse vom 27. November 2008 a.a.O. Rn. 8; vom 29. Juni 2011 a.a.O. Rn. 8 und vom 19. Juli 2010 - BVerwG 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 4; vgl. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>; Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <263>; Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 10/99 - BVerfGE 108, 341 <345 f.>). Die Annahme eines solchen Ausnahmefalls scheidet hier aus.
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In tatsächlicher Hinsicht hat die Beklagte die Annahme der wissenschaftsbezogen verstandenen Unwürdigkeit des Klägers im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW auf die Ergebnisse des B.-Reports vom September 2002, die Feststellungen des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 und die im Widerspruchsverfahren von ihrem Promotionsausschuss Physik erstellte Fehleranalyse gestützt. Der Kläger hatte im Verwaltungsverfahren Gelegenheit, ausführlich zu den in den genannten Untersuchungen enthaltenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Verwaltungsvorgänge, in denen das Material enthalten ist, sind im gerichtlichen Verfahren beigezogen worden. In der ersten Instanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben sich die Beteiligten weiter umfänglich darüber auseinander gesetzt. Nachdem sie in der Berufungsinstanz über die Rechtsfrage der - in dem erstinstanzlichen Urteil abgelehnten - wissenschaftsbezogenen Auslegung der Unwürdigkeit im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW gestritten hatten, hat der Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf die Behördenakten zurückgreife. Für den anwaltlich vertretenen Kläger konnte daher kein Zweifel bestehen, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, sollte sich dieser der Ablehnung des wissenschaftsbezogenen Unwürdigkeitsverständnisses durch das Verwaltungsgericht nicht anschließen, die Frage eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens des Klägers und der tatsächlichen Grundlagen dafür Bedeutung erlangen würde. Ebenso klar lag zu Tage, dass der Verwaltungsgerichtshof dann seiner ausdrücklichen Ankündigung gemäß auf die in den Behördenakten enthaltenen tatsächlichen Feststellungen abstellen würde. Der Kläger musste deshalb damit rechnen, dass das Berufungsgericht dabei die für ihn ungünstigen Ergebnisse der bereits von der Beklagten herangezogenen Untersuchungen als überzeugend erachten würde.
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Auch in rechtlicher Hinsicht musste der Kläger ohne weiteren gerichtlichen Hinweis gewärtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Unwürdigkeit als Voraussetzung für die Entziehung des Doktorgrades nach § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW wissenschaftsbezogen verstehen und insoweit seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 18. März 1981 a.a.O. S. 663) zu § 4 Abs. 1 GFaG fortentwickeln würde. Schließlich hatte die Beklagte ihre Entziehungsverfügung ausdrücklich auf ein solches wissenschaftsbezogenes Unwürdigkeitsverständnis gestützt. Die Beteiligten hatten darüber bereits in der ersten Instanz ausführlich und in der Berufungsinstanz fast ausschließlich gestritten.
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Weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht kann der Kläger aus der von ihm herangezogenen zivilprozessualen Rechtsprechung etwas zu seinen Gunsten herleiten, denn diese hat ihre Grundlage in dem Beibringungsgrundsatz, der den Zivilprozess prägt (vgl. zu diesem Zusammenhang: Beschluss vom 24. Juli 2008 - BVerwG 6 PB 18.08 - Buchholz 251.7 § 79 NWPersVG Nr. 7 Rn. 3), jedoch im Verwaltungsprozess nicht gilt.
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b) Die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO durch den Verwaltungsgerichtshof sieht der Kläger darin begründet, dass dieser, obwohl er, der Kläger, die Vorwürfe der Manipulation und Fälschung von Daten substantiiert bestritten und widerlegt habe, die in den Verfahrensakten enthaltenen Feststellungen übernommen habe, anstatt den Sachverhalt von Amts wegen näher zu ermitteln und gegebenenfalls das von der Beklagten in der ersten Instanz angeregte Sachverständigengutachten einzuholen.
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Für eine Prüfung dieses Verfahrensfehlers hat der Kläger keine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügende Grundlage unterbreitet. Für die ordnungsgemäße Begründung der Aufklärungsrüge muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände, die für das Gericht entscheidungserheblich waren, Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Dabei müssen die Beweismittel, deren Heranziehung sich dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen, angegeben werden, also zum Beispiel die Sachverständigen genannt und die im Einzelnen in ihr Wissen gestellten Tatsachen angeführt und dargelegt werden, inwiefern das Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Vernehmung beruht oder beruhen kann (stRspr, vgl. nur Urteile vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 25 und vom 14. Februar 2007 - BVerwG 6 C 28.05 - Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 3 Rn. 11).
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Die Revisionsbegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Kläger hätte dem von der Beklagten entsprechend den Ergebnissen des B.-Reports, der Entscheidung des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 und der Fehleranalyse des Promotionsausschusses Physik der Beklagten erhobenen Vorwurf der Manipulation und Fälschung von Daten sein abweichendes Vorbringen im Detail entgegenstellen müssen. Er hätte weiter angeben müssen, was der Verwaltungsgerichtshof insoweit - quasi auf der Hand liegend - mit welchem Ergebnis aufzuklären gehabt hätte. Dies hat der Kläger nicht ansatzweise getan.
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4. Ein Verstoß gegen Bundesrecht liegt schließlich nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ausübung des von § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW eingeräumten Ermessens durch die Beklagte gebilligt hat.
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Die wissenschaftsbezogene Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unwürdigkeit im Tatbestand der Entziehungsvorschrift bringt es mit sich, dass im Rahmen des eingeräumten Ermessens auf der Rechtsfolgeseite der Norm dem allgemeinen Interesse an der Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Tätigkeit besonderes Gewicht zukommt. Dem hat die Beklagte Rechnung getragen. Wegen der auch formellen Funktion des Doktorgrades als Vertrauenswürdigkeitsausweis geht das von dem Kläger verwandte Argument ins Leere, in seinem Fall sei die Wissenschaftsgemeinschaft durch das Aufsehen, das die gegen ihn gerichteten Vorwürfe erregt hätten, bereits materiell hinreichend unterrichtet und eine Entziehung des Doktorgrades nicht mehr erforderlich gewesen. Ferner ist es, anders als der Kläger meint, unerheblich, wenn der Doktorgrad bei wissenschaftlichen Publikationen im Fach Physik nicht angegeben wird, denn der Wissenschaftsprozess greift hierüber weit hinaus.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Bescheid oder der Teilbescheid kann in vollem Umfang oder hinsichtlich bestimmter Teile unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Änderung oder der Rücknahme erlassen werden, wenn der Antragsteller an der alsbaldigen Erteilung eines solchen Bescheids ein berechtigtes Interesse hat. Voraussetzung ist, daß der Bescheid über die Schadensfeststellung nach dem Feststellungsgesetz ebenfalls unter Vorbehalt ergangen ist oder eine Berechnung der genauen Höhe des Anspruchs, insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften des § 245 Nr. 3, des § 249 oder des § 266 noch nicht möglich ist und daher der Bescheid ohne Vorbehalt noch nicht erlassen werden kann. Aus dem Bescheid müssen sich Inhalt und Ausmaß des Vorbehalts ergeben. Ist die Ungewißheit beseitigt, ist dem Antragsteller insoweit ein abschließender Bescheid zu erteilen.
(2) Unberührt bleiben die Vorschriften dieses Gesetzes und die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, nach denen Bescheide ohne ausdrücklichen Vorbehalt geändert, zurückgenommen oder sonst aufgehoben werden können.
(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.
(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist
- 1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, - 2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, - 3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, - 4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, - 5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.
(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.
(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, - 2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, - 3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche, - 4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, - 5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und - 6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.
(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Bescheid oder der Teilbescheid kann in vollem Umfang oder hinsichtlich bestimmter Teile unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Änderung oder der Rücknahme erlassen werden, wenn der Antragsteller an der alsbaldigen Erteilung eines solchen Bescheids ein berechtigtes Interesse hat. Voraussetzung ist, daß der Bescheid über die Schadensfeststellung nach dem Feststellungsgesetz ebenfalls unter Vorbehalt ergangen ist oder eine Berechnung der genauen Höhe des Anspruchs, insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften des § 245 Nr. 3, des § 249 oder des § 266 noch nicht möglich ist und daher der Bescheid ohne Vorbehalt noch nicht erlassen werden kann. Aus dem Bescheid müssen sich Inhalt und Ausmaß des Vorbehalts ergeben. Ist die Ungewißheit beseitigt, ist dem Antragsteller insoweit ein abschließender Bescheid zu erteilen.
(2) Unberührt bleiben die Vorschriften dieses Gesetzes und die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, nach denen Bescheide ohne ausdrücklichen Vorbehalt geändert, zurückgenommen oder sonst aufgehoben werden können.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Tenor
-
1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.
-
2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.
-
3. ...
Gründe
-
A.
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.
-
I.
- 2
-
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.
- 3
-
2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.
- 4
-
3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:
- 5
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Art. 13
Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)
(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:
(…)
4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -
(…)
b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:
(…)
cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,
- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und
- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).
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Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:
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Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.
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4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.
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II.
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1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.
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Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.
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Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.
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2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.
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Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.
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3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
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III.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.
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2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.
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IV.
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Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.
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1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.
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Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.
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2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.
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Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.
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Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.
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3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).
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Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.
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Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.
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Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.
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4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.
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B.
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Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.
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I.
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Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).
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II.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.
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Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).
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C.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.
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I.
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1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.
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Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.
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Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.
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2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.
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II.
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.
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1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.
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2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.
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a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.
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Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.
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b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
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c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.
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3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.
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Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.
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D.
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I.
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Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).
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Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128
).
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II.
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Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.
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Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).
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III.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.