Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 27. Mai 2016 - 9 A 653/11.A
Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 31. Januar 2011, soweit es Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, geändert.
Nr. 1 bis Nr. 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Januar 2009 werden aufgehoben.
Unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftigen Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit.
3Im Jahr 1993 reiste er erstmals nach Deutschland ein. Zur Begründung seines Asylantrags trug er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nachfolgend: Bundesamt) am 7. Mai 1993 vor: Er habe von 1983 bis 1985 Militärdienst geleistet. Danach, etwa ab 1986, sei er als „Miliz“ für die PKK tätig gewesen, d.h. er habe als einfacher Sympathisant, ohne selbst Kämpfer gewesen zu sein, die PKK durch Überbringung von Informationen sowie durch Beschaffung von Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung unterstützt. Auch die Mobilisierung der Dorf-Bevölkerung zur Teilnahme an Newroz-Festen, an Protestaktionen sowie Beerdigungsmärschen und die Verteilung von Flugblättern habe zu den Aufgaben der sog. Miliz gehört. Eine Waffe habe er nur vorübergehend zum eigenen Schutz getragen; zu bewaffneten Übergriffen sei es in seinem Heimatort Dargecit aber nicht gekommen. Im Jahr 1988 seien in seinem Dorf 6 Lehrer, die der Konterguerilla zugerechnet worden seien, von der PKK erschossen worden seien. In diesem Zusammenhang sei er selbst bei der Kontrolle eines Kleinbusses festgenommen, einen Monat lang festgehalten und während der Verhöre auch gefoltert worden. Da gegen ihn aber keine Anzeige und auch kein konkreter Verdacht vorgelegen habe, habe er nach seiner Freilassung weiter als Miliz arbeiten können. Im Februar 1993 seien bei einer bewaffneten Auseinandersetzung, an der er nicht beteiligt gewesen sei, zwei Guerilla-Kämpfer und ein Miliz-Angehöriger festgenommen worden. Er gehe davon aus, dass der Miliz-Angehörige seinen Namen verraten habe. Das Militär habe eine große Razzia in seinem Heimatdorf durchgeführt, bei der zahlreiche Dorfbewohner festgenommen worden seien und das Haus des ehemaligen Milizangehörigen niedergewalzt worden sei. Auch nach ihm sei gesucht worden. Deshalb habe er sich nicht mehr in sein Heimatdorf zurückgetraut.
4Das Bundesamt erkannte den Kläger durch Bescheid vom 27. Mai 1993 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei glaubhaft, dass der Kläger mit friedlichen Mitteln für die kurdische Partei tätig gewesen sei und politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen mit nicht unerheblichen Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit und der körperlichen Unversehrtheit habe hinnehmen müssen.
5Im Jahr 1994 verließ der Kläger das Bundesgebiet, nachdem er sich eigenen Angaben zufolge auch in den Niederlanden aufgehalten hatte. Am 3. Dezember 1996 wurde er im Melderegister als unbekannt verzogen von Amts wegen abgemeldet; im Ausländerzentralregister wurde am 3. Juni 1997 vermerkt, dass die Anerkennung als Asylberechtigter erloschen sei. Näheres darüber ist nicht bekannt, da die seinerzeit geführte Ausländerakte nicht mehr existiert.
6Am 23. Juni 2006 reiste der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau, mit der er seit dem 17. Februar 1988 verheiratet ist, mit gefälschten Pässen auf dem Luftweg von Teheran kommend erneut in das Bundesgebiet ein. Bei seiner Befragung gab er an: Er sei ab Ende 1994 als Widerstandskämpfer in den Bergen gewesen. Zuletzt habe er sich einige Monate zur Behandlung seiner Augenschmerzen in Maxmur/Mahmur (Irak) in einer Kaserne der PKK aufgehalten, dann sei er über Süleymaniya nach Teheran gelangt und wenige Tage später nach Düsseldorf geflogen. Nach langjähriger Mitgliedschaft in der PKK habe sich jetzt von der Organisation gelöst.
7Das Bundesamt wertete die Angaben des Klägers zunächst als erneuten Asylantrag. Bei seiner diesbezüglichen Anhörung am 27. Juni 2006 trug der Kläger u.a. vor: Während seines früheren Aufenthalts in Deutschland habe er Leute von der PKK kennengelernt, die ihn angeworben hätten. Es sei nicht seine Absicht gewesen, zur PKK zu gehen, aber die Massaker, die die türkische Armee begangen habe, hätten ihn dazu gezwungen. So sei er im Jahr 1994 nach Syrien gegangen, wo er eine politische Ausbildung habe erhalten sollen. Tatsächlich sei er dann für die Guerilla, und zwar auch an Waffen, ausgebildet worden. Er habe einmal mit einem Raketenwerfer auf einen Panzer geschossen; dieser sei aber nur beschädigt worden. Wegen einer Augenverletzung, die er Ende 1996 oder Anfang 1997 bei einem Angriff von Fliegern durch eine Explosion in den Bergen erlitten habe, sei er verschiedentlich, u.a. in Bagdad, und zuletzt im Lager Maxmur behandelt worden. Er habe das Sehvermögen auf dem Auge verloren. Seine Frau, die zuvor in der Türkei gelebt habe und die er während der gesamten Zeit nicht gesehen habe, sei etwa 5 Monate vor der Ausreise zu ihm in das Lager gekommen; sie hätten dort aber nicht zusammen leben dürfen. Er habe sich von der Organisation inzwischen gelöst. Das Leben in den Bergen sei nicht einfach gewesen. Man habe hinnehmen müssen, dass man getötet werde oder selber töte. In der Bergregion Yüksehova/Hakkari habe er gesehen, wie bei einem türkischen Luftangriff vier Dörfer dem Erdboden gleichgemacht worden seien; in den Medien habe es geheißen, die PKK selbst sei das gewesen. Gestört hätten ihn aber auch das Verhalten der kurdischen Dorfschützer und die Konflikte mit Kurden aus dem Irak. Man überlege ständig, ob man etwas falsch gemacht habe. Er fürchte, im Falle einer Rückkehr in die Türkei inhaftiert oder Opfer eines aufgeklärten Todesfalls zu werden. Er habe in Maxmur erfahren, dass Druck auf seine Familie ausgeübt worden sei, damit er sich stelle.
8Im Rahmen eines wegen der Erteilung eines Reiseausweises für Flüchtlinge geführten Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg (8 K 1746/07) wurde der frühere Status des Klägers im Ausländerzentralregister wieder hergestellt; die Ausländerbehörde erteilte ihm einen internationalen Reiseausweis und eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Das Bundesamt teilte dem Kläger sodann mit Schreiben vom 28. Juli 2008 mit, dass der Asylantrag nach Klärung des asyl- bzw. ausländerrechtlichen Status nicht weiter bearbeitet werde.
9Nach Einleitung eines Widerrufsverfahrens hörte das Bundesamt den Kläger mit Schreiben vom 12. August 2008 zu dem beabsichtigten Widerruf an. Hierzu nahm er durch seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 15. September 2008 Stellung: Eine nachträgliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse liege nicht vor; eine politische Verfolgung von Personen, die unter Separatismusverdacht stünden, finde in der Türkei weiterhin statt. Der Widerruf könne auch nicht auf § 3 Abs. 2 AsylVfG gestützt werden; die bloße Mitgliedschaft in der PKK reiche dafür nicht aus.
10Durch Bescheid vom 19. Januar 2009 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27. Mai 1993 erfolgte Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen. Zur Begründung führte das Bundesamt u.a. aus: Der Anspruch auf Verfolgungsschutz sei infolge einer nachträglichen Änderung der Rechtslage entfallen. Der Widerruf werde auf § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG (i.d.F. vom 28. August 2007), der inhaltlich den Vorgängerregelungen in § 51 Abs. 3 AuslG 2002 und § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG 2004 entspreche, gestützt. Aufgrund der langjährigen Zugehörigkeit des Klägers zur PKK-Guerilla, seiner Aktivitäten als Kämpfer der PKK in der Konfliktregion und der damit geleisteten dauerhaften und qualifizierten Unterstützung der PKK lägen schwerwiegende Gründe für die Annahme vor, dass er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebietes begangen habe.
11Der Kläger hat am 31. Januar 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Seine in der Vergangenheit abgeschlossene Tätigkeit im nationalen Befreiungskampf stelle keine schwere nichtpolitische Straftat im Sinne der Ausschlussvorschrift dar. Die bloße Mitgliedschaft in der PKK reiche dazu nicht aus. Einen konkreten Vorwurf einer schweren nichtpolitischen Straftat habe die Beklagte nicht beweisen können. Im Übrigen habe er - der Kläger - von dem früheren Bürgermeister seines Heimatdorfes, der im Jahr 2005 festgenommen und verhört worden sei, erfahren, dass er weiterhin in der Türkei als Angehöriger der Guerilla gesucht werde.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Bescheid des Bundesamtes vom 19. Januar 2009 aufzuheben,
14hilfsweise,
15die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 4 des Bescheides des Bundesamtes vom 19. Januar 2009 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in seiner Person vorliegen.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat ergänzend vorgetragen: Der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG liege vor. Die PKK führe Angriffe gegen zivile Ziele und die Zivilbevölkerung durch, etwa Bombenattentate in Städten und Touristenzentren. Der Nachweis einer bestimmten Einzeltat des Klägers sei nicht im Sinne eines Vollbeweises erforderlich. Die Annahme einer nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erforderlichen individuellen Verantwortung sei hier gerechtfertigt, weil aufgrund der von 1994 bis 2006 währenden langjährigen Zugehörigkeit des Klägers zur PKK anzunehmen sei, dass er Kenntnis von den terroristischen Gewalttaten gehabt und diese aktiv unterstützt habe.
19In der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht den Kläger ergänzend angehört. Dabei hat er u.a. angegeben: Als Kurde habe er sich verantwortlich gefühlt, für sein Volk etwas zu unternehmen. Während seines früheren Aufenthalts in Deutschland habe er an einem Seminar über die Kultur des kurdischen Volkes teilgenommen. Danach habe er sich entschlossen zurückzukehren, um sich für sein Volk einzusetzen. Zunächst sei er für einige Monate zur Ausbildung nach Syrien gegangen; die Ausbildung habe neben politischer Ausbildung auch sportliche Aktivitäten umfasst, jedoch habe er bei der PKK (über die Waffenausbildung beim türkischen Wehrdienst hinaus) keine militärische Ausbildung erhalten. Im Jahr 1995 sei er von Syrien zur weiteren Ausbildung in den Irak nach Zagros geschickt worden, und – als er dort mit einer Gruppe auf dem Weg nach Qaqurqe (abweichende Schreibweise: Xakurke) gewesen sei – von Flugzeugen und Panzern angegriffen worden. Die Operation, bei der sie immer wieder in Panik geraten seien und fluchtartig den Aufenthaltsort gewechselt hätten, um sich in Sicherheit zu bringen, habe ca. drei Monate gedauert. Schließlich sei er in ein Camp in Avasin gelangt, wo er zum Wachdienst eingeteilt worden und bis zur Operation „Ungeheuer“ geblieben sei. Von seinem Wachposten auf einem Berg aus sei er Zeuge von bewaffneten Auseinandersetzungen im türkisch-irakischen Grenzgebiet geworden, insbesondere auch von Angriffen auf Dörfer. Das sei im Jahr 1996 auf irakischem Gebiet gewesen. Bei dieser Aktion („Ejder“) habe er auch selbst Waffen eingesetzt und auch einmal auf einen türkischen Panzer geschossen. Bei einem Angriff sei er selbst am Auge verletzt worden. Die Überlebenden habe man in das Lager Maxmur (Ninive/Irak) gebracht. Seine Verletzung habe nicht erfolgreich behandelt werden können; man habe ihm nur Schmerzmittel geben können. Bis 1999 sei er im dortigen Lager geblieben, wo er mit Einkäufen und Lagerung von Kleidung und Lebensmitteln befasst gewesen sei. Nach der Inhaftierung Öcalans habe die Organisation den Rückzug in verschiedene Lager im irakisch-iranisch-türkischen Grenzgebiet beschlossen. Er sei 2000/2001 nach Süleymaniya (Irak) geschickt worden und dort etwa 2 Jahre geblieben, bis er wieder nach Qaqurqe zurückgekehrt sei. Nach einem Zwischenaufenthalt in Kandil habe man ihn wegen einer erneuten Augenentzündung schließlich – für eine letztlich nicht erfolgreiche Behandlung seines Auges - in das Lager Maxmur (Irak) geschickt. Dort habe er einen Freund aus seiner Heimatregion getroffen und telefonischen Kontakt zu seiner Familie aufnehmen können. Seine Frau und sein älterer Bruder hätten ihn dann dort besucht. Schließlich habe man seine Ausreise organisiert.
20Durch das angefochtene Urteil vom 31. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 4 des Bescheides vom 19. Januar 2009 verpflichtet, festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG besteht; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Widerruf der Asylanerkennung und der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 51 Abs. 1 AuslG sei rechtmäßig, weil der Kläger sich im Sinne von § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG an schweren nichtpolitischen Straftaten verantwortlich beteiligt habe. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH sei die Vermutung einer individuellen Verantwortung aufgrund der langjährigen – 12 Jahre dauernden – Zugehörigkeit des Klägers zur PKK als aktiver Kämpfer begründet, zumal er auch im Lager eine verantwortliche Position gehabt habe; zudem habe die Abkehr des Klägers von der Organisation in erster Linie private Gründe gehabt und beruhe nicht auf einer echten inneren Abkehr. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG lägen aber vor, da dem Kläger in der Türkei – trotz der offiziellen Null-Toleranz-Politik – Folter und unmenschliche Behandlung drohten.
21Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, ist das Urteil rechtskräftig.
22Im Übrigen hat der vormals für Verfahren türkischer Asylbewerber zuständige 8. Senat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 6. März 2013 zugelassen.
23Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger ergänzend vor: Das Verwaltungsgericht habe keine tatsächlichen Umstände festgestellt, die die Annahme rechtfertigen, dass er den Tatbestand einer schweren nichtpolitischen Straftat verwirklicht habe. Das sei auch nicht der Fall. Vor seiner Ausreise aus der Türkei im Jahr 1993 habe er den Kämpfern lediglich logistische Hilfe geleistet. In der Zeit seiner Zugehörigkeit zur PKK ab 1994 habe er nicht an terroristischen Akten mitgewirkt. In der Abgeschiedenheit der Bergregionen im Nordirak habe er Informationen nur über die offiziellen PKK-Kanäle erhalten und das Bild vermittelt bekommen, dass sich die PKK um eine friedliche Lösung bemühe, was seinen Ausdruck in Waffenstillstandsangeboten gefunden habe. Als terroristisch einzustufende Akte der PKK seien ihm bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2005 nicht bekannt geworden. Er sei in einer Zeit in den Nordirak gelangt, als das türkische Militär unter Verletzung der Souveränität des irakischen Staates dort einmarschiert sei und die Guerilla militärisch angegriffen habe. Seine eigene Beteiligung an Gewaltakten beschränke sich auf legitime Selbstverteidigung. Im Übrigen sei er lediglich in der Organisation der PCDK im Nordirak tätig und im Lager mit Versorgungsaufgaben betraut gewesen. Wegen seiner Augenentzündung und deren Behandlung sei er in der Folgezeit nicht mehr aktiv tätig gewesen. Im Fall einer Rückkehr in die Türkei drohe ihm auch derzeit noch Verfolgung. Auch wenn gegen ihn keine förmlichen Ermittlungsverfahren anhängig seien bzw. gewesen seien, gehe er doch davon aus, dass er – was Grundlage für die seinerzeitige Asylanerkennung gewesen sei – als verdächtiger PKK-Unterstützer sicherheitsbehördlich in der Türkei erfasst sei. Zudem spreche sich in den Dörfern herum, wenn ein Angehöriger der Dorfgemeinschaft bei der PKK-Guerilla sei.
24Der Kläger beantragt,
25das angefochtene Urteil, soweit es nicht bereits rechtskräftig ist, zu ändern und Nr. 1 bis 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Januar 2009 aufzuheben.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Sie trägt vor: Die PKK sei eine terroristische Organisation; sie habe sich über viele Jahre hinweg und auch während der Mitgliedschaft des Klägers terroristischer Mittel bedient. Während seiner jahrzehntelangen Zugehörigkeit zu dieser Organisation habe der Kläger wichtige Unterstützungshandlungen erbracht.
29In den mündlichen Verhandlungen am 10. Oktober 2013 und am 27. Mai 2016 ist der Kläger ergänzend befragt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
30Ferner ist - ergänzend zu den bereits vorliegenden, in das Verfahren eingeführten Auskünften - Beweis dazu erhoben worden, welche nationalen und internationalen Gewaltakte der PKK gegenüber ihren eigenen Mitgliedern, der Zivilbevölkerung und Sicherheitskräften im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 allgemein bekannt geworden sind, sowie dazu, welche Tätigkeiten der Kläger für die PKK ausgeübt und welche Funktion er innerhalb der PKK innegehabt hat. Auf die Stellungnahmen des Auswärtigen Amts vom 3. Juni 2014 und des Sachverständigen Irmak vom 26. Juni 2015 wird Bezug genommen.
31Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst Beiakten Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Im Einverständnis der Beteiligten konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats als Einzelrichterin (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) entscheiden.
35Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage – soweit der angefochtene Bescheid vom 19. Januar 2009 Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – zu Unrecht abgewiesen. Der Widerruf der mit Bescheid vom 27. Mai 1993 gewährten Asylanerkennung sowie der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ist rechtswidrig. Demzufolge ist kein Raum für die hier unter Ziff. 3 des Bescheids erfolgte negative Feststellung zu § 60 Abs. 1 AufenthG.
36I. Im Berufungsverfahren ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und damit die aktuelle Rechtslage zugrunde zu legen.
37St. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 14.
38Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung sind mithin insbesondere das Asylgesetz und das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des sog. Asylpakets II (Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016, BGBl. I 2016, S. 390, und Gesetz zu erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016, BGBl. I 2016, S. 394).
39II. Der Widerruf geht nicht deshalb ins Leere, weil die dem Kläger im Jahr 1993 gewährte Rechtsstellung ohnehin bereits vor der Widerrufsentscheidung aus anderen Gründen erloschen wäre. Zu Recht gehen die Beteiligten inzwischen übereinstimmend davon aus, dass die Voraussetzungen, unter denen die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 72 AsylG erlöschen, nicht vorliegen.
40Der Kläger hat sich insbesondere nicht freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Der bei der erneuten Einreise im Jahr 2006 benutzte, auf Alias-Personalien ausgestellte Pass war verfälscht, also gerade nicht ihm vom türkischen Staat erteilt worden.
41Es spricht auch nichts dafür, dass er freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat, zurückgekehrt ist (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 1a AsylG). Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass er nach seinem früheren Aufenthalt im Bundesgebiet in den Jahren 1993 und 1994 nicht wieder in der Türkei gelebt hat, sondern sich zunächst in der Nähe von Damaskus in Syrien und sodann im Nordirak bzw. im Iran aufgehalten hat. Türkisches Staatsgebiet hat er dabei, wenn überhaupt, allenfalls gelegentlich betreten, keinesfalls aber kann angenommen werden, dass er sich dort niedergelassen hätte. Diese Würdigung beruht auf den – auch nach Einschätzung der Beklagten – glaubhaften Angaben des Klägers zu seinen Aufenthaltsorten in der Zeit von 1994 bis 2006. Diese Angaben, wonach er bis zu dem Wiedersehen mit seiner Ehefrau im Lager Maxmur im Jahr 2006 nicht in die Türkei, insbesondere nicht an seinen Heimatort zurückgekehrt sei, stehen im Einklang mit deren Vortrag. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist auch detailreich und gemessen an den objektiven Erkenntnissen über Lage und Funktion der im Einzelnen genannten Camps im irakisch-iranisch-türkischen Grenzgebiet, wie der Sachverständige Irmak ausgeführt hat, plausibel.
42Der langjährige Auslandsaufenthalt im Nordirak, in Syrien und im Iran erfüllt ebenfalls keinen Tatbestand des § 72 AsylG. Die Inanspruchnahme des Schutzes eines anderen Staates führt nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nur dann zum Erlöschen der Asylberechtigung und des Flüchtlingsstatus, wenn der Asylberechtigte auch die Staatsangehörigkeit dieses anderen Staates beantragt und erhalten hat. Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat auch nicht auf seine asylrechtliche Rechtsstellung im Sinne von § 72 Abs. 1 Nr. 4 AsylG verzichtet. Ein solcher Verzicht setzt mit Blick auf die weit reichenden Folgen, die im Übrigen auch einer Analogie zu einem der gesetzlichen Erlöschenstatbestände entgegen stehen, eine unmissverständliche Erklärung voraus, mit der der Asylberechtigte bzw. Flüchtling zum Ausdruck bringt, dass er den durch die Anerkennung erworbenen Status unbedingt und endgültig aufgeben will. Ein langjähriger Aufenthalt in einem anderen Staat, ohne dass die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, reicht dazu nicht aus.
43Vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AsylG, § 72 Rn. 26; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 72 AsylVfG/AsylG Rn. 23; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 72 Rn. 38 f.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1989 – 1 A 113.88 -, InfAuslR 1989, 166 (allerdings noch zu der früheren Rechtslage, bei der der Verzicht kein Erlöschens-, sondern Widerrufsgrund war; § 16 AsylVfG 1982); zur behördlichen Beratungspflicht bei Entgegennahme einer Verzichtserklärung vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20. Juni 2006– 1 S 1136/05 - , NVwZ 2006, 1305.
44Bei dieser Rechtslage spricht nichts für die Annahme, dass ein Verzicht auch konkludent erfolgen kann.
45Dies wohl für möglich haltend: Nds. OVG, Urteil vom 9. Dezember 1996 – 12 L 2486/96 -, NVwZ-Beil. 6/1997, 45.
46Jedenfalls aber fehlt es hier an Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Kläger bei seiner Ausreise aus Deutschland auf seinen Status verzichten wollte. Nach seinen Angaben bei der Anhörung am 27. Juni 2006 ist er in der Annahme nach Syrien ausgereist, dass er dort eine politische Ausbildung erhalten und dann nach Deutschland zurückkehren solle. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er diese Aussage dahin relativiert, dass eine Rückkehr nach Deutschland seinen Vorstellungen bzw. Wünschen entsprochen habe, dass er aber die weitere Entwicklung der Partei überlassen habe. Auch das reicht indessen für einen konkludenten Verzicht so nicht aus.
47III. Als Rechtsgrundlage für den Widerruf kommt hier nur § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Betracht. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Das ist hier aber nicht der Fall.
481. Bezüglich der einen Widerruf tragenden Gründe ist im vorliegenden Fall zwischen dem Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben (a) und einer Änderung der Rechtslage durch das nachträgliche Inkrafttreten der nunmehr in § 3 Abs. 2 AsylG geregelten Ausschlussgründe zu unterscheiden (b).
49a) Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylG ist der Widerruf insbesondere dann auszusprechen, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
50aa) Mit § 73 AsylVfG (nunmehr gleichlautend § 73 AsylG) hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 vom 30. September 2004, S. 12; berichtigt ABl. EU Nr. L 204 vom 5. August 2005, S. 24) bzw. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes
Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG sind unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. II S. 560; im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -) orientieren.
52Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der jeweiligen Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
53Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. März 2012 - 10 C 7.11 -, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43, juris Rn. 9 f., und vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 15 ff.
54Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 2. März 2010 - C-175/08 u. a. - weiter konkretisiert. Danach muss die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründet und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können.
55Vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-175/08 u. a. -, juris Rn. 72 ff.
56Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus; denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Abhängigkeit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose von Zeit und tatsächlichen Umständen Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 20, und vom 19. September 2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80, juris Rn. 12.
58bb) Für den nach Art. 14 Abs. 2 der jeweiligen Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht es nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt, gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören. Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 24.
60Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Maßgabe der Richtlinien 2004/83/EG bzw. Richtlinie 2011/95/EU anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 der jeweiligen Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben ist an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festzuhalten. Der Richtlinie 2004/83/EG bzw. Richtlinie 2011/95/EU ist ein solches materiell-rechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der jeweiligen Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "aus der begründeten Furcht vor Verfolgung" des Art. 2 Buchst. c RL 2004/83/EG bzw. Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i. V. m. Art. 10 der jeweiligen Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht.
61Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. März 2012 - 10 C 7.11 -, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43, juris Rn. 12, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 18, 21 f.
62cc) Hinsichtlich des Widerrufs der Asylberechtigung ist - hiervon abweichend - der Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrundezulegen, wenn der Kläger vor seiner Ausreise Verfolgung erlitten hat und deswegen als Asylberechtigter anerkannt worden ist.
63Vgl. zum von der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft abweichenden Verfolgungsmaßstab des Asylrechts BVerwG, Urteil vom 22. November 2011 - 10 C 29.10 -, BVerwGE 141, 161, juris Rn. 24 f.; Berlit, Flüchtlingsrecht im Umbruch, NVwZ 2012, 193 (196).
64b) § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG beschränkt den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung nicht auf Änderungen der Sachlage. Vielmehr ist ein Widerruf auch bei einer nachträglichen Änderung der Rechtslage zulässig.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 20.
66aa) Für den vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten der nunmehr in § 3 Abs. 2 AsylG geregelten Ausschlussgründe nachträglich geändert hat. Diese Ausschlussgründe sind erstmals am 1. Januar 2002 als § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG und damit nach der Anerkennung des Klägers durch Bescheid des Bundesamts vom 27. Mai 1993 in Kraft getreten. Diese Regelung wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 durch die gleichlautende Regelung in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG und mit Wirkung ab dem 28. August 2007 durch die ebenfalls gleichlautende Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG, nunmehr ebenfalls gleichlautend: § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG, ersetzt.
67Die in § 3 Abs. 2 AsylG geregelten Ausschlussgründe gelten entgegen dem Wortlaut dieser Norm nicht nur für den Ausschluss der Rechtsstellung als Flüchtling, sondern auch für den Ausschluss der Rechtsstellung als Asylberechtigter. Dies folgt zum einen aus § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG (entspricht § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG in der bis zum 23. Oktober 2015 geltenden Fassung), wonach Widerruf und Rücknahme als gebundene Entscheidungen ergehen, sofern die Voraussetzungen eines der in § 3 Abs. 2 AsylG vorgesehenen Ausschlussgrundes vorliegen. Da Widerruf und Rücknahme gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AsylG sowohl auf die Anerkennung als Asylberechtigter als auch auf die Zuerkennung als Flüchtling Anwendung finden, gelten die Ausschlussgründe für beide Anerkennungen. Dasselbe folgt aus § 30 Abs. 4 AsylG, wonach ein Asylantrag, der grundsätzlich sowohl auf die Anerkennung als Asylberechtigter als auch auf die Anerkennung als Flüchtling gerichtet ist (§ 13 Abs. 2 AsylG), u. a. auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen.
68Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2012 ‑ 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 18, und vom 31. März 2011 - 10 C 2.10 -, BVerwGE 139, 272, juris Rn. 44; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A -, OVGE 54, 95 juris Rn. 111.
69Die Erstreckung der Ausschlussklauseln auf Asylberechtigte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der deutsche Gesetzgeber hierdurch seiner Verpflichtung zur innerstaatlichen Anwendung des Unionsrechts nachgekommen ist.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 33, und vom 31. März 2011 - 10 C 2.10 -, BVerwGE 139, 272, juris Rn. 54; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A -, OVGE 54, 95, juris Rn. 111 ff.
71Art. 3 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat nach nationalem Recht einer Person, die gemäß Art. 12 Abs. 2 der jeweiligen Richtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, ein Asylrecht nach nationalem Recht zuerkennen kann, soweit diese andere Form des Schutzes nicht die Gefahr der Verwechslung mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie birgt.
72Vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 ‑ C‑57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285, juris Rn. 121; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2011 ‑ 11 A 1439/07.A -, OVGE 54, 95, juris Rn. 115.
73Eine solche Verwechslungsgefahr besteht hinsichtlich der Flüchtlingsanerkennung und der Asylanerkennung. Bei der Beurteilung, inwieweit eine Verwechslungsgefahr besteht, ist von der Erwägung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen, dass nationale Rechtsvorschriften, die von der Flüchtlingsanerkennung im Sinne der jeweiligen Richtlinie ausgeschlossenen Personen ein Asylrecht gewähren, das von der Richtlinie 2004/83/EG bzw. der Richtlinie 2011/95/EU geschaffene System nicht beeinträchtigen, wenn sie eine klare Unterscheidung des nationalen Schutzes von dem Schutz nach der Richtlinie erlauben.
74Vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 ‑ C 57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285, juris Rn. 120; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2011 ‑ 11 A 1439/07.A -, OVGE 54, 95, juris Rn. 117.
75An einer solchen klaren Unterscheidung fehlt es in Bezug auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A ‑, OVGE 54, 95, juris Rn. 119 ff.
77bb) Die Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling ist u. a. dann ausgeschlossen, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Betreffende ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, insbesondere im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG), dass – worauf die Beklagte den angefochtenen Bescheid gestützt hat – der Betreffende vor seiner Aufnahme eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebietes begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG), oder dass er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Dasselbe gilt nach Satz 2 der Regelung für Ausländer, die andere zu solchen Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.
78Mit diesen Ausschlussgründen hat der deutsche Gesetzgeber Art. 12 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG (nunmehr Richtlinie 2011/95/EU), der seinerseits auf die schon in Art. 1 Abschnitt F GFK aufgeführten Ausschlussgründe zurückgeht, umgesetzt.
79Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 ‑ 10 C 48.07 -, BVerwGE 132, 79, juris Rn. 16.
80Die Auslegung des § 3 Abs. 2 AsylG hat sich maßgeblich an den entsprechenden Regelungen in Art. 12 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU zu orientieren.
81Die einen Ausschlussgrund gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. Art. 12 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU verwirklichenden Handlungen müssen nicht definitiv im Sinne eines für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Beweisstandards erwiesen sein; ausreichend ist vielmehr ein gegenüber der nach § 108 VwGO erforderlichen Überzeugungsgewissheit abgesenktes Beweismaß.
82Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2009 ‑ 10 C 24.08 -, BVerwGE 135, 252, juris Rn. 30, 35, und vom 31. März 2011 - 10 C 2.10 -, BVerwGE 139, 272, juris Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A -, OVGE 54, 95, juris Rn. 57.
83Die Annahme der Verwirklichung von Handlungen im Sinne eines Ausschlussgrundes ist aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigt, wenn hierfür Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht vorliegen; dies ist in der Regel der Fall, wenn klare und glaubhafte Indizien für die Begehung der jeweils genannten Handlungen bestehen.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 - 10 C 2.10 -, BVerwGE 139, 272, juris Rn. 26.
85Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung setzt weder eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmemitgliedstaat noch eine auf den Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung des Ausschlusses unter erneuter Beurteilung des Schweregrades der begangenen Handlungen voraus; die Schwere der begangenen Handlungen ist vielmehr bereits bei der Prüfung des Vorliegens von Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU einzubeziehen und muss von einem solchen Grad sein, dass die betreffende Person nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz erheben kann.
86Vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 ‑ C‑57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285, juris Rn. 100 ff., 106 ff.
87cc) Ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG vorliegen, bestimmt sich gegenwärtig in erster Linie nach den im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl. 2000 II S. 1394) - IStGH-Statut - ausgeformten Tatbeständen dieser Delikte.
88In Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut werden Kriegsverbrechen differenzierend zwischen Taten in internationalen (Buchst. a und b) und innerstaatlichen (Buchst. c bis f) bewaffneten Konflikten definiert. Buchst. a stellt für den internationalen bewaffneten Konflikt ab auf schwere Verletzungen der vier Genfer Konventionen über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (1. Konvention - BGBl. 1954 II S. 783) sowie der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See (2. Konvention - BGBl. 1954 II S. 813), der Behandlung von Kriegsgefangenen (3. Konvention - BGBl. 1954 II S. 838) und zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (4. Konvention - BGBl. 1954 II S. 917, ber. 1956 II S. 1586) und zählt Tathandlungen gegen die davon geschützten Personen und Güter auf. Buchst. b benennt andere schwere Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche, die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbar sind. Demgegenüber knüpft Buchst. c für den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt an schwere Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 an. Er stellt u. a. Angriffe auf Leib und Leben hinsichtlich der Personen unter Strafe, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache außer Gefecht befindlich sind. Buchst. e erfasst andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt.
89Art. 8 Abs. 2 Buchst. d und f IStGH-Statut grenzen innerstaatliche bewaffnete Konflikte ab gegenüber Fällen innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder anderen ähnlichen Handlungen. Buchst. f setzt zudem voraus, dass zwischen staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht. Verlangt wird ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts, um den Eingriff in die Souveränität des betroffenen Staates zu rechtfertigen.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 ‑ 10 C 24.08 -, BVerwGE 135, 252, juris Rn. 31 ff.
91dd) § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG, auf den die Beklagte den Widerruf gestützt hat, dient wie Art. 1 F Buchst. b GFK dem Ausschluss "gemeiner Straftäter", denen man den Flüchtlingsschutz vorenthalten wollte, um den Status eines "bona fide refugee" aus Gründen der Akzeptanz in der internationalen Gemeinschaft nicht in Misskredit zu bringen. Daher rechtfertigt nicht jedes kriminelle Handeln des Schutzsuchenden vor seiner Einreise einen Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung.
92Vielmehr muss der Straftat zunächst ein gewisses Gewicht zukommen, wofür internationale und nicht lokale Standards maßgeblich sind. Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird.
93Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2009 ‑ 10 C 24.08 -, BVerwGE 135, 252, juris Rn. 41, und vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 20.
94Zugleich muss die Tat nichtpolitisch sein. Dazu ist auf den Delikttypus sowie die der konkreten Tat zugrunde liegenden Motive und die mit ihr verfolgten Zwecke abzustellen. Nichtpolitisch ist eine Tat, wenn sie überwiegend aus anderen Motiven, etwa aus persönlichen Beweggründen oder Gewinnstreben, begangen wird. Besteht keine eindeutige Verbindung zwischen dem Verbrechen und dem angeblichen politischen Motiv bzw. Ziel oder ist die betreffende Handlung in Bezug zum behaupteten politischen Ziel unverhältnismäßig, überwiegen nichtpolitische Beweggründe und kennzeichnen die Tat damit insgesamt als nichtpolitisch. So hat der Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 12 Abs. 2 Buchst. b letzter Halbsatz RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU insbesondere grausame Handlungen beispielhaft als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft, auch wenn mit ihnen vornehmlich politische Ziele verfolgt werden. Dies ist bei Gewalttaten, die gemeinhin als „terroristisch“ bezeichnet werden, regelmäßig der Fall.
95Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 ‑ 10 C 24.08 -, BVerwGE 135, 252, juris Rn. 42.
96Kennzeichnend für terroristische Handlungen ist die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung.
97Vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 ‑ C‑57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285, juris Rn. 81); BVerwG, Urteile vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 35, und vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 29.
98Als terroristisch kann auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele anzusehen sein.
99Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 1 B 24.10 -, juris Rn. 4, und vom 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 -, BVerwGE 132, 79, juris Rn. 20; vgl. auch EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – C-373/13 -, InfAuslR 2015, 357.
100Die vorsätzliche rechtswidrige und schuldhafte Tötung oder erhebliche Verletzung eines Menschen erweist sich in Bezug auf das behauptete politische Ziel grundsätzlich als unverhältnismäßig und ist daher in aller Regel eine schwere nichtpolitische Straftat unabhängig davon, ob das Opfer ein Angehöriger der staatlichen Sicherheitskräfte, der Zivilbevölkerung oder ein abtrünniges Mitglied der eigenen Organisation ist. Anderes mag allenfalls dann gelten, wenn sich mit Blick auf die Tötung von Sicherheitskräften und diesen nahestehenden Zivilpersonen feststellen ließe, dass die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i. S. d. Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 - IStGH-Statut - erfüllt sind.
101Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2012 ‑ 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 29, und vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 -, BVerwGE 135, 252, juris Rn. 34.
102Die Anwendung der auf Art. 12 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU zurückgehenden Ausschlussgründe setzt eine Einzelfallwürdigung der - bekannten - genauen tatsächlichen Umstände in Bezug auf die Handlungen des betreffenden Ausländers, der im Übrigen die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung erfüllt, voraus. So hat allein der Umstand einer Mitgliedschaft in einer anerkanntermaßen an terroristischen Handlungen beteiligten Organisation nicht automatisch den Ausschluss der betreffenden Person von der Anerkennung als Flüchtling zur Folge. Erforderlich ist vielmehr eine dem Beweisniveau der Annahme aus schwerwiegenden Gründen genügende Zurechnung eines Teils der Verantwortung für Handlungen, die von der Organisation im Zeitraum der Mitgliedschaft begangen wurden. Eine solche individuelle Verantwortung für die Verwirklichung der Handlungen der Organisation ist anhand sowohl objektiver als auch subjektiver Kriterien zu beurteilen, wobei die tatsächliche Rolle der betreffenden Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen, ihre Position innerhalb der Organisation, der Grad der Kenntnis, die sie von deren Handlungen hatte oder haben musste, sowie etwaige Pressionen oder andere verhaltensbeeinflussende Faktoren zu berücksichtigen sind. Hatte die betreffende Person eine hervorgehobene Position innerhalb der Organisation inne, so kann eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation begangene Handlungen im relevanten Zeitraum vermutet werden; dennoch bleibt eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände erforderlich.
103Vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 ‑ C‑57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285, juris Rn. 87 ff.
104Dabei liegt mangels einheitlicher internationaler Kriterien grundsätzlich zunächst eine Orientierung an den Regeln des nationalen Strafrechts zur Täterschaft und Teilnahme nahe. Erfasst werden mithin sowohl der Täter als auch der Anstifter einer schweren nichtpolitischen Straftat. Auch der in sonstiger Weise Beteiligte ist für eine schwere nichtpolitische Straftat verantwortlich, wenn er eine strafrechtlich relevante Beihilfe begangen hat. Allerdings muss auch im Fall der Beihilfe der Tatbeitrag nach seinem Gewicht dem einer schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne dieser Vorschrift entsprechen. Denn durch die Regelung über die Anstiftung und Beteiligung in sonstiger Weise in Art. 12 Abs. 3 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG sollte der Ausschlussgrund des Art. 1 Abschnitt F GFK, der eine solche Regelung nicht enthält, nicht erweitert, sondern mit Rücksicht auf das unterschiedliche Verständnis von Täterschaft, Anstiftung und sonstigen Beteiligungsformen in den Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten lediglich präzisiert werden.
105Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 38.
106Strafrechtlich verantwortlich in diesem Sinne ist regelmäßig (erst) derjenige, der einen wesentlichen logistischen, organisatorischen oder auch unmittelbar ideologischen, d. h. zu terroristischen Taten aufrufenden Beitrag zur Durchführung entsprechender Verbrechen erbringt.
107Vgl. Nieders. OVG, Urteil vom 11. August 2010 ‑ 11 LB 405/08 -, AuAS 2010, 236, juris Rn. 41.
108ee) Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung wegen Handlungen, die sich gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen richten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG), setzt zunächst voraus, dass derartige Zuwiderhandlungen vorliegen. Die dafür maßgeblichen Ziele und Grundsätze sind in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt und u.a. in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu den Antiterrormaßnahmen verankert. Aus diesen folgt, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und "dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (vgl. Erwägungsgrund 22 zur Richtlinie 2004/83/EG). Wie sich aus den UN-Resolutionen 1373 (2001) und 1377 (2001) ergibt, geht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von dem Grundsatz aus, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Daraus folgert der EuGH, dass dieser Ausschlussgrund auch auf Personen Anwendung finden kann, die im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu einer in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführten Organisation an terroristischen Handlungen beteiligt waren, die eine internationale Dimension aufweisen.
109Vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09 – Slg. 2010, I-10979 Rn. 82 ff. = NVwZ 2011, 285, sowie Urteil vom 24. Juni 2015 – Rs. C-373/13 -, InfAuslR 2015, 357 (zu Art. 24 RL 2004/83/EG).
110Danach können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben.
111Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 19. November 2013 - 10 C 26.12 -, NVwZ-RR 2014, 283, juris Rn.12, m.w.N.
112Auch wenn die Beteiligung an Taten, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, die Schwelle einer Beteiligung im strafrechtlichen Sinne nicht überschreiten muss, so ist es doch erforderlich, dass es zu konkreten derartigen Taten gekommen ist. Andernfalls fehlte es an einem Anknüpfungspunkt für eine Verantwortlichkeit des Klägers, die die Grundlage für seinen Ausschluss vom Flüchtlingsschutz darstellt.
113Für die internationale Dimension, die Handlungen des Terrorismus grundsätzlich haben müssen, um die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen berühren zu können, sind alle grenzüberschreitenden Aktionen in den Blick zu nehmen. Zudem müssen Unterstützungshandlungen zugunsten einer Organisation, die Akte des internationalen Terrors begeht, sich nicht konkret auf terroristische Aktionen internationaler Qualität beziehen, um von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 AsylG erfasst zu werden. Denn dieser Ausschlussgrund verlangt keine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien, da er kein strafbares Handeln im Sinne einer Beteiligung an bestimmten Delikten voraussetzt. Demzufolge können auch rein logistische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht im Vorfeld diesen Ausschlussgrund erfüllen.
114Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 39, und vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 26.
115Zusätzlich ist allerdings - um der Funktion dieses Ausschlussgrundes gerecht zu werden - zu prüfen, ob der individuelle Beitrag des Betroffenen ein Gewicht erreicht, das dem der Ausschlussgründe in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylG entspricht.
116Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, juris Rn. 39, vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127 (Rn. 32); Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 10 B 19.13 -, juris Rn. 5; Urteil vom 19. November 2013 - 10 C 26.12 -, NVwZ-RR 2014, 283, juris Rn.13.
117ee) Die Entscheidung über einen auf § 3 Abs. 2 AsylG gestützten Widerruf steht nicht im Ermessen des Bundesamts (§ 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG). Deshalb ist, wenn die Begründung des Widerrufsbescheids nicht zutreffen sollte, zu prüfen, ob er sich aus einem anderen Grund im Ergebnis als rechtmäßig erweist.
1182. Ausgehend von diesen Grundsätzen und Maßstäben liegt ein Widerrufsgrund nicht vor. Der Widerruf kann weder auf den Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung des Klägers geführt haben (dazu a), noch auf die Verwirklichung eines Ausschlussgrundes (dazu b) gestützt werden.
119a) Bei vergleichender Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Anerkennung des Klägers und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Lage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung kann der Senat nicht feststellen, dass sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hätte.
120aa) Auf einen Wegfall der Verfolgungsgefahr hat die Beklagte sich weder in der Begründung des angefochtenen Widerrufsbescheids noch im anschließenden gerichtlichen Verfahren berufen. Dafür, dass auch sie von einem Fortbestand der für den Kläger bestehenden Verfolgungsgefahr ausgeht, spricht im Übrigen der Umstand, dass sie ihrerseits das verwaltungsgerichtliche Urteil hat rechtskräftig werden lassen, soweit es die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG ausgesprochen hat.
121bb) Ungeachtet dessen ist ein Wegfall der für die Anerkennung maßgeblichen Umstände auch nicht feststellbar. Dabei ist – ausgehend von der im vorliegenden Widerrufsverfahren zugrunde zu legenden, im Übrigen auch in der Sache zutreffenden Einschätzung des Bundesamtes im Anerkennungsverfahren – davon auszugehen, dass der Kläger vor seiner ersten Einreise in das Bundesgebiet mit friedlichen, jedenfalls nicht terroristischen Mitteln für die kurdische Partei tätig gewesen ist und politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen mit nicht unerheblichen Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit und der körperlichen Unversehrtheit erlitten hat. Dies zugrunde gelegt droht ihm – unter Inanspruchnahme der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit weiterhin Verfolgung. Erst recht ist er vor einer erneuten Verfolgung im Sinne der für das nationale Asylgrundrecht geltenden Anforderungen vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher.
122In der Türkei kommt es trotz der Reformbemühungen, insbesondere der sog. Null-Toleranz-Politik gegenüber Folter, weiterhin zu Verfolgungsmaßnahmen erheblicher Art und Intensität, die dem türkischen Staat zurechenbar sind.
123Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. April 2005 - 8 A 273/04.A -, juris Rn. 82 ff., 214 ff., vom 27. März 2007 - 8 A 5118/05.A -, juris Rn. 39 ff., vom 2. Juli 2013 – 8 A 2632/06.A -, juris Rn. 83, 104, und vom 13. November 2013 - 8 A 2228/07.A -.
124Vorverfolgt ausgereiste Asylbewerber und solche Personen, die durch Nachfluchtaktivitäten als exponierte Gegner des türkischen Staates in Erscheinung getreten sind und sich dabei nach türkischem Strafrecht strafbar gemacht haben, müssen im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanten Übergriffen rechnen.
125Vgl. ebenso Bay. VGH, Urteil vom 27. April 2012 - 9 B 08.30203 -, juris Rn. 27 ff.; Sächs. OVG, Urteile vom 12. Dezember 2011 - A 3 A 292/10 -,juris Rn. 28 ff., vom 22. März 2012 - A 3 A 428/11 -, juris Rn. 27, und vom 22. November 2014 – A 3 A 519/12 -, Asylmagazin 2015, 208, juris Rn. 43; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 14. Oktober 2011 - 10 A 10416/11 -, juris Rn. 26 ff.; Nieders. OVG, Urteil vom 11. August 2010 - 11 LB 405/08 -, AuAS 2010, 236, juris Rn. 47 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. August 2012 – 3 L 218/08 -, Seite 7 ff. des Urteilsabdrucks; Schlesw.-Holst. OVG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -, juris Rn. 36; VG Stuttgart, Urteil vom 22. Februar 2013 - A 11 K 800/12 -, juris Rn. 30 f.; VG Leipzig, Urteil vom 24. Mai 2012 - A 5 K 88/12 -, juris Rn. 51 ff.
126Bei der Einreise in die Türkei hat sich jedermann, gleich welcher Volkszugehörigkeit, einer Personenkontrolle zu unterziehen. Das gilt für abgeschobene oder freiwillig dorthin zurückkehrende Asylbewerber gleichermaßen. Ist eine Person in das Fahndungsregister eingetragen oder ist gegen sie ein Ermittlungsverfahren anhängig, wird sie in Polizeigewahrsam genommen; ist ein Strafverfahren anhängig, wird der Betroffene festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt.
127Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. September 2015, S. 29 f.
128Außerdem interessieren sich die Staatssicherheitskräfte besonders für die Kurden, deren Asylgesuche abgelehnt wurden und die abgeschoben werden.
129Vgl. amnesty international, Auskunft vom 27. Januar 2016 an das VG Karlsruhe; Taylan, Auskunft vom 15. Dezember 2015 an das VG Karlsruhe.
130Dieser Personenkreis wird verbreitet durch die Sicherheitskräfte verhört, um Auskünfte über die PKK einzuholen.
131Aydin, Gutachten vom 2. Juni 2011, S. 4.
132Bei Kenntnis von der Zugehörigkeit zur PKK wird die betreffende Person bei ihrer Einreise oder Abschiebung mit Sicherheit festgenommen.
133Irmak, Gutachten vom 15. Oktober 2012, S. 2 f.; Taylan, Gutachten vom 19. Januar 2013, S. 8.
134Das Auswärtige Amt führt zwar seit langem in seinen Lageberichten aus, dass in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden sei, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit seinen früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden sei, was auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer gelte.
135Vgl. schon Lagebericht vom 19. Mai 2004, S. 45 („seit über drei Jahren“); Lagebericht vom 27. Juli 2006, S. 43 („seit 4 Jahren“); Lagebericht vom 29. September 2015, S. 29 („in den letzten Jahren“).
136Ergänzend weist das Auswärtige Amt darauf hin, dass diese Feststellung auch von türkischen Menschenrechtsorganisationen sowie von Auskünften anderer EU-Staaten und den USA geteilt werde.
137Lagebericht vom 29. September 2015, S. 29; vgl. auch amnesty international, Auskunft vom 27. Januar 2016 an das VG Karlsruhe
138Diese Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist indes, wie die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung - nicht nur des erkennenden Oberverwaltungsgerichts - immer wieder betont hat, nur bedingt aussagekräftig. Den Angaben des Auswärtigen Amtes ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass unter den Zurückgekehrten oder Abgeschobenen Personen gewesen wären, bei denen nach der bisherigen Erkenntnislage mit Übergriffen zu rechnen gewesen wäre. Das liegt angesichts der einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, nach der für den gennannten Personenkreis zumindest Abschiebungsverbote vorliegen, fern und ist nach den vorliegenden Erkenntnissen auch nicht der Fall.
139Vgl. auch Taylan, Auskunft vom 19. Januar 2013 an das Sächs. OVG, mit dem Hinweis, dass etwas anderes allenfalls für Überläufer oder Informanten gelten könne.
140Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei geben im Ergebnis keinen Anlass, von der Bewertung, die der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegt, abzurücken.
141Trotz der schon im Jahr 2002 eingeleiteten und in den Jahren 2003/2004 mit mehreren umfassenden Reformpaketen vorangetriebenen gesetzgeberischen Maßnahmen im Rahmen der „Null-Toleranz-Politik“,
142vgl. dazu schon den Lagebericht vom 19. Mai 2004, S. 7 f.,
143wie etwa der Erhöhung der Strafandrohung für Täter von Folter, und Runderlassen an Staatsanwaltschaften, Folterstraftaten vorrangig und mit besonderem Nachdruck zu verfolgen, ist es der Regierung nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden.
144Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. September 2015, S. 22.
145Dies gilt trotz des Umstands, dass die Türkei Mitglied der UNO-Folterkonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention ist. Entsprechend ist Folter in der Türkei verboten. Tatsächlich ist Folter allerdings immer noch verbreitet. Die Zahl der Beschwerden und offiziellen Vorwürfe, die im Zusammenhang mit Folter- oder Misshandlungsfällen stehen, sind nach Angaben von Menschenrechtsverbänden 2014 gegenüber den Vorjahren,
146vgl. dazu ausführlich die den Beteiligten bekannte Rechtsprechung des bislang für Verfahren türkischer Asylbewerber zuständigen 8. Senats des erkennenden Gerichts, zuletzt OVG NRW, Urteil vom 13. November 2013 – 8 A 2228/07.A -, die sich der nunmehr zuständige 9. Senat zu Eigen macht,
147sogar wieder gestiegen. Von einer längeren Zeitspanne ohne besondere asylrelevante Vorkommnisse kann bezogen auf die Verfolgungslage in der Türkei danach keine Rede sein. Vor allem beim Auflösen von Demonstrationen kommt es mit zunehmender Tendenz zu übermäßiger Gewaltanwendung. Menschenrechtsverbänden zufolge gibt es Hinweise, dass die Anwendung von Gewalt und Misshandlungen nicht mehr in Polizeistationen, sondern an anderen Orten, u.a. im Freien stattfinden.
148Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. September 2015, S. 22, ebenso schon Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht vom 20. Dezember 2010, S. 12 f.
149Auch wenn das Auswärtige Amt an gleicher Stelle darauf hinweist, dass hierzu zuverlässige Informationen fehlen, trägt dies jedenfalls nicht die Annahme, dass die Umstände in der Türkei sich inzwischen nachhaltig dergestalt gebessert hätten, dass ein verfolgt ausgereister Flüchtling bei Fortbestehen der verfolgungsrelevanten Merkmale nun nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erneute Verfolgung zu befürchten hätte. Auch der Hinweis, dass während der Verhöre – sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren – grundsätzlich Kameras eingeschaltet seien,
150Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. September 2015, S. 30,
151führt zu keiner anderen Bewertung, weil eine Gefährdung – ungeachtet der Frage, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit von der grundsätzlichen Einschaltung der Kamera abgesehen wird – eben nicht allein im Rahmen eines förmlichen Verhörs droht.
152Zudem kommt es gegenwärtig nach allgemein zugänglichen Medienberichten wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK in grenznahen Regionen.
153Vgl. auch Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes (Stand: 14. April 2016).
154Seit Verschärfung der bewaffneten Auseinandersetzungen im Juli 2015 hat sich die Lage in den kurdischen Provinzen erheblich verschlechtert. Tausende Kurden sind aus den kurdischen Provinzen im Südosten der Türkei geflohen.
155Vgl. amnesty international, Auskunft vom 27. Januar 2016 an das VG Karlsruhe mit Kurzbericht vom 21. Januar 2016.
156Amnesty international berichtet zudem in seinem jüngsten Jahresbericht von Festnahmewellen in Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen tatsächliche oder mutmaßliche Angehörige der PKK.
157Vgl. amnesty international, Jahresbericht (Report) 2016.
158Das bestätigt die bisherige Erkenntnislage, wonach die Tatsache, dass jemand ein ehemaliges Mitglied der PKK ist, das Risiko einer Misshandlung und/oder Folter erhöht.
159Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht vom 26. Mai 2010, S. 7; Aydin, Gutachten vom 2. Juni 2011, S. 5 f.
160Die gerade in der vergangenen Woche angekündigte, erklärtermaßen gegen die Abgeordneten der Kurden-Partei HDP im türkischen Parlament gerichtete Aufhebung der Immunität, über die in den Medien umfangreich berichtet worden ist, bestärkt die Prognose, dass gegenwärtig eine nachhaltige und stabile Verbesserung der Situation nicht festzustellen, insbesondere auch nicht mit einer Fortsetzung des Friedensprozesses zu rechnen ist.
161Eine verfolgungsrelevante Rückkehrgefährdung besteht mithin weiterhin insbesondere bei Personen, die in das Visier der türkischen Sicherheitsbehörden geraten, weil sie dort als tatsächliche oder potenzielle Unterstützer etwa der PKK oder anderer als terroristisch eingestufter Organisationen angesehen werden.
162Nach alldem muss der aus individuellen Gründen vorverfolgt ausgereiste Kläger unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG bzw. RL 2011/95/EU befürchten, im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut Opfer relevanter Verfolgungsmaßnahmen zu werden; demgemäß ist er auch vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher. Ausgehend davon, dass der Kläger schon vor seiner Ausreise im Jahr 1993 als mutmaßlicher PKK-Unterstützer festgenommen, verhört und misshandelt worden ist, muss davon ausgegangen werden, dass er bei der Einreise mit hoher Wahrscheinlichkeit in Gewahrsam genommen und zu etwaigen Kontakten zu Organisationsangehörigen im In- und Ausland befragt würde. Allein der Umstand, dass die frühere Verfolgung lange Zeit zurückliegt, rechtfertigt bei Fehlen einer erheblichen, stabilen Verbesserung der Gefährdungslage für Personen, die in das Visier der Sicherheitskräfte geraten sind, nach den o.g. Maßstäben den Widerruf nicht. Darüber hinaus geht der Senat im Anschluss an den diesbezüglichen Vortrag des Klägers auch davon aus, dass sein – einen schon früher entstandenen PKK-Verdacht bekräftigender - langjähriger Auslandsaufenthalt in der Heimatregion nicht unbemerkt geblieben ist, zumal seine Ehefrau bis zu ihrer von der Familie begleiteten Ausreise zunächst in den Irak am Heimatort geblieben ist. Dies und die vor der Ausreise des Klägers in den 1990-er Jahren bereits gegen ihn ergriffenen Maßnahmen sprechen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dafür, dass er als Angehöriger der PKK wahrgenommen oder zumindest verdächtigt wird. Angesichts der nach wie vor gerade bei PKK-Aktivisten und –Unterstützern anzunehmenden beachtlichen Verfolgungsgefahr kann nicht mit der nötigen Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs.1 VwGO) nunmehr ein Wegfall der verfolgungsrelevanten Umstände angenommen werden, zumal der Kläger mit der Steigerung seines Engagements von seinerzeit lediglich ausgeführten Miliz-Aufgaben zu den „in den Bergen“ stationierten Einheiten, zumindest aus der maßgeblichen türkischen Sicht, erst recht als potentieller Informant und Belastungszeuge von Interesse sein würde. Es liegt nahe, dass die türkischen Sicherheitskräfte, ebenso wie das Bundesamt, vermuten werden, dass der Kläger während seiner langjährigen Nähe bzw. Zugehörigkeit zur PKK auch an Straftaten mitgewirkt hat.
163Aus der im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 3. Juni 2014 folgt nichts Gegenteiliges. Dort wird darauf hingewiesen, dass nach den Recherchen bei in den in Betracht kommenden Oberstaatsanwaltschaften gegenwärtig kein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig sei, was aber zu erwarten wäre, wenn er tatsächlich – wie vorgetragen – über einen langen Zeitraum an Aktivitäten der PKK teilgenommen hätte. Zugleich wird aber eingeräumt, dass für solche PKK-Mitglieder Ausnahmen gelten, die von Europa aus direkt in die PKK-Lager im Nordirak entsandt werden. So verhält es sich hier.
164Nach alldem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger in besonderer Weise gefährdet ist, bei seiner Rückkehr in das Blickfeld der türkischen Sicherheitsbehörden zu geraten und in der Folge verfolgungsrelevanten Übergriffen in Vernehmungssituationen und in Haftanstalten ausgesetzt zu werden, die an seine Volkszugehörigkeit bzw. an seine politische Gesinnung und damit an ein asylerhebliches Merkmal anknüpfen. Auch die Beklagte hat dies im gerichtlichen Verfahren nicht in Frage gestellt.
165cc) Ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte Derartiges nicht geltend macht, bleibt der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass ein zum Widerruf i.S.d. § 73 AsylG führender Wegfall der Umstände auch nicht aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts des Klägers insbesondere im Nordirak unter dem Gesichtspunkt anderweitiger Verfolgungssicherheit vorliegt. Zwar spricht Erhebliches dafür, dass der Kläger im Nordirak vor Verfolgung durch den türkischen Staat sicher war oder jedenfalls sicher gewesen wäre, wenn er sich von den Kampfplätzen fern gehalten hätte. Das hätte – hätte er sich vor der Entscheidung über seinen Asylantrag dort aufgehalten – der Asylgewährung nach § 27 AsylVfG (nunmehr: § 27 AsylG) entgegen gestanden und nach heutiger, für die Flüchtlingsanerkennung geltender Rechtslage gemäß § 29 AsylG dazu geführt, dass sein Antrag unbeachtlich wäre,
166vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 11 bis 16,
167zumal auch nichts darauf hindeutet, dass er von der PKK als abtrünniges Mitglied angesehen und deshalb Übergriffe zu befürchten hätte. Seinen eigenen Angaben zufolge war die PKK über seinen Ausreisewunsch informiert und hat ihm positiv gegenüber gestanden. Zum Widerruf der Asylanerkennung sowie des Flüchtlingsschutzes führt dieser nachträgliche Auslandsaufenthalt indessen nicht. Denn nach § 73 Abs. 1 AsylG kommt es auf die verfolgungsbegründenden Verhältnisse im Herkunftsstaat an. § 73 Abs. 1 AsylG setzt weiter voraus, dass der Ausländer es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Das ist weiterhin die Türkei.
168§ 27 AsylG hindert zwar bei Vorliegen einer anderweitigen Sicherheit vor politischer Verfolgung in einem sonstigen Drittstaat die förmliche Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG; nach § 29 AsylG ist der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unbeachtlich. Die Vorschriften kommen aber dann nicht mehr zur Anwendung, sobald eine solche ausgesprochen wurde und nach wie vor wirksam ist. Selbst wenn nachträglich eine Rückführungsmöglichkeit in den sonstigen Drittstaat möglich würde, wofür hier nichts ersichtlich ist, wäre ein Widerruf im Übrigen unionsrechtlich unzulässig.
169Vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 11.
170b) Die Voraussetzungen der Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllt der Kläger nicht.
171aa) Dabei geht der Senat auf der Grundlage der widerspruchsfreien und detaillierten Angaben des Klägers, die der Sachverständige Irmak in allen wesentlichen Punkten als plausibel bewertet hat und die auch von der im Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht in Frage gestellt werden, von folgendem Sachverhalt aus:
172Der bewaffnete Kampf der PKK gegen türkische Sicherheitskräfte wurde am 15. August 1984 aufgenommen und dauert seither – mit mehreren, zum Teil mehrjährigen Unterbrechungen, insbesondere von 1999 bis 2004 und zuletzt erneut bis zum Sommer 2015 – an. Der Kläger ist nach seinem früheren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht in die Türkei zurückgekehrt, sondern im Jahr 1994 nach Syrien gelangt, wo er sich zunächst für einige Zeit zum Zweck einer politischen Ausbildung – wie für einfache PKK-Mitglieder zu jener Zeit üblich - in einem Ausbildungslager der PKK in der Nähe von Damaskus aufgehalten hat. Eine praktische militärische Ausbildung fand in diesem Lager, wie der Sachverständige Irmak bestätigt hat, grundsätzlich nicht statt. Auch der Kläger hat lediglich eine mehrtägige Einführung erhalten. Zu einer Beteiligung an Kampfhandlungen kam es ausgehend von diesem Camp schon aus geographischen Gründen nicht, da dieses zu weit von der Grenzregion entfernt liegt. Im Jahr 1995 wurde der Kläger zur weiteren Ausbildung in das näher am eigentlichen Kampfgebiet im Zagros-Gebirge gelegene Lager Avasin verlegt. Im Grenzgebiet Iran-Irak-Türkei unterhielt die PKK zu jener Zeit sowohl feste Lager (Xakurke, Avasin und Zap) als auch mobile Einheiten, von denen Angriffe auf türkisches Gebiet ausgingen. Dabei geriet der Kläger erstmals in Kampfhandlungen, die allerdings konkret nicht von der PKK ausgingen. In den Jahren 1995 bis 1997 unternahm das türkische Militär dort mehrere großangelegte Operationen (insbesondere Ungeheuer, Stahl und Hammer) gegen die PKK-Lager im Nordirak, bei denen es weit in irakisches Gebiet eindrang und ca. 15.000 irakisch-kurdische Zivilisten vertrieb. Es gab viele Verletzte und Tote. Die vom Kläger namentlich benannte Operation „Ejder“ (abweichende Schreibweise: “Eyder“; Ungeheuer) hat ebenso wie die Operation „Stahl“ nach der Auskunft des Sachverständigen Irmak schon im Jahr 1995 stattgefunden,
173Irmak, Gutachten vom 26. Juni 2015, S. 19,
174nicht – wie der Kläger zunächst selbst angegeben hat – im Jahr 1996. Diese Ungenauigkeit, die der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung ausgeräumt hat, stellt allerdings die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens nicht in Frage, da sie ohne weiteres durch den seither vergangenen Zeitraum erklärbar ist. Mit der Bezeichnung des Namens der Operation hat er diese jedenfalls eindeutig benannt. Bei dieser Operation ist der Kläger auf irakischem Gebiet im Wesentlichen als Wachposten eingesetzt und schon zu diesem frühen Zeitpunkt, d.h. ohne vorherige nennenswerte Kampfausbildung und schon deshalb ohne Gelegenheit, in der militärischen Struktur der PKK eine verantwortungsvolle, mit Entscheidungsbefugnissen verbundene Stellung zu erlangen, an den Augen, am linken Auge mit bleibenden Folgen, verletzt worden. In den Zeitraum dieser türkischen Militäroperationen fällt auch der einzige Vorfall, bei dem der Kläger aktiv in Kampfhandlungen verwickelt wurde; er hat eigenen Angaben zufolge – wie er in der mündlichen Verhandlung konkretisiert hat - mit einer Panzerfaust auf einen türkischen Panzer geschossen, der auf ihn bzw. die Kameraden der „Patrouille“ zielte. Dazu war er aufgrund seiner türkischen Militärausbildung grundsätzlich in der Lage; er hat den Panzer, bei dem es sich anscheinend um einen sog. Radpanzer gehandelt hat, zwar getroffen, aber nicht zerstört. Der Senat hält die diesbezügliche Schilderung des Klägers für glaubhaft. Danach hat er nur die Reifen getroffen; zu einem Zeitpunkt, als ihm die asylrechtlichen Folgen eigener Kampfhandlungen noch kaum bekannt gewesen sein können, so dass ein verfahrensangepasstes Vorbringen höchst unwahrscheinlich wäre, hat der Kläger anschaulich bekundet, dass er selbst überrascht gewesen sei, wie wenig Schaden an dem Panzer entstanden sei. Dafür, dass an dem Panzer nur geringer Schaden entstanden ist, spricht auch seine Einschätzung, dass der Panzer danach noch fahrtüchtig gewesen sein dürfte. Anhaltspunkte für einen Personenschaden sind danach nicht erkennbar. Die Augenverletzung, die der Kläger kurz darauf selbst erlitten hat und die mit den beschränkten zur Verfügung stehenden Mitteln trotz mehrerer Versuche an verschiedenen Orten im Irak und im Iran nicht erfolgreich behandelt werden konnte, hat hingegen dazu geführt, dass er als Kämpfer nicht mehr tauglich war. In der Folgezeit, bis 1999, hat sich der Kläger im Lager Avasin aufgehalten. Dieses Lager bestand von 1995 bis 1999 als Kommandozentrale, Krankenhaus und Zentrum für Logistik (Waffen, Munition, Ausrüstung, Nahrungsmittel).
175Vgl. Irmak, Gutachten vom 26. Juni 2015, Seite 25.
176Dort war der Kläger nach seinen eigenen, glaubhaften Angaben in der Lagerverwaltung tätig, aber nur mit der Beschaffung von Gegenständen des täglichen, aber nicht militärischen Bedarfs befasst, insbesondere nicht mit Waffen. Es ging, wie er in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hat, darum, ihm trotz seiner teilweisen Erblindung und dadurch bedingten Kampfuntauglichkeit überhaupt eine sinnvolle Beschäftigung zu gegeben. Im Jahr 1999 verkündete die PKK auf Beschluss ihres festgenommenen Vorsitzenden Öcalan einen Waffenstillstand, der in den Folgejahren auch im Wesentlichen eingehalten wurde. Während dieser Zeit verblieb der Kläger längere Zeit im Kandilgebiet in einem Lager im Iran, das nach den vorliegenden Erkenntnissen wiederum ein außerhalb des Grenzgebiets gelegenes Ausbildungs- und Versorgungslager war, von dem keine Angriffe auf die Zivilbevölkerung oder Sicherheitskräfte ihren Ausgang nahmen. Es bestand von 1999 bis 2004, als es auf Druck des iranischen Militärs geräumt wurde.
177Vgl. Irmak, Gutachten vom 26. Juni 2015, Seite 25.
178Der Kläger war nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung einer „Zollstelle“ zugeteilt, bei der er aber keine Führungsaufgabe innehatte und an der es, da die diese Kontrollstelle passierenden (Schwarz-) Händler ihre „Spenden“ freiwillig abgaben, nicht zu Gewaltanwendung kam. Nach einem weiteren Zwischenaufenthalt in der Nähe von Süleymaniya (Irak), wo er im Parteibüro der mit der PKK verbundenen PCDK politisch tätig war, indem er die kurdische Bevölkerung im Nordirak („Süd-Kurdistan“) über die Situation in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei („Nord-Kurdistan“) informierte, wechselte er – nach weiteren vergeblichen Bemühungen um eine Heilung des verletzten Auges - bis zu seiner Ausreise 2006 in das Lager Maxmur, ein Flüchtlingscamp in der Nähe von Mossul (Irak), das seit 1998 unter Verwaltung des UNHCR steht. Von dort aus wurden ebenfalls keine militärischen Operationen verübt.
179Mit höherrangigen militärischen oder politischen Führungsaufgaben wurde der Kläger zur Überzeugung des Senats zu keiner Zeit betraut. Weder hat er selbst Derartiges vorgetragen, noch haben die Auskunftsersuchen an den Sachverständigen Irmak und das Auswärtige Amt Anhaltspunkte dafür ergeben. Der Sachverständige J. (Gutachten vom 26. Juni 2015, Seite 2) hat im Gegenteil sogar nach Befragung von hochrangigen Kontaktpersonen (Kader und Kommandanten) aus der PKK ausführt, dass der Kläger diesen Personen, wenn er eine Führungsposition erlangt hätte, unter seinem bürgerlichen oder unter seinem Decknamen in Erinnerung geblieben sein müsste, was aber nicht der Fall sei.
180bb) Die Beklagte hat den Widerruf zu Recht nicht auf § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG gestützt. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hat sich ersichtlich keine Verbrechen im Sinne dieser Vorschrift, insbesondere keine Kriegsverbrechen im Sinne des IStGH-Statuts, zuschulden kommen lassen.
181Dabei kann offen bleiben, ob die seinerzeit im Nordirak ausgetragenen Kampfhandlungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat als internationaler Konflikt zwischen der Türkei und ihrem Nachbarstaat oder als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne der hier maßgeblichen völkervertraglichen Regelungen zu werten sind.
182Vgl. Letzteres und damit auch den Kombattantenstatus der PKK für bewaffnete Aktionen gegen militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen auf türkischem Staatsgebiet verneinend: BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, juris Rn. 13 ff.
183Unabhängig davon greift dieser Ausschlussgrund jedenfalls deshalb nicht ein, weil nichts dafür spricht, dass der Kläger Verbrechen, die nach ihrem Gewicht und ihrer Zielrichtung den Tatbestand der in Betracht kommenden Regelungen erfüllen, also selbst im Falle eines bewaffneten Konflikts nach Maßgabe des Kriegsvölkerrechts als Verstoß gegen das „ius in bello“ zu werten wären, begangen, zu ihnen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat. Anhaltspunkte für eine dem Kläger zuzurechnende Gewaltanwendung gegen Zivilisten oder Kämpfer der gegnerischen Partei, die gegen Vorschriften zum Schutz des Kombattanten verstoßen, sind nicht ersichtlich. Jedenfalls fehlt es den vom Kläger erbrachten Unterstützungshandlungen an hinreichendem Gewicht. Auf die nachfolgenden Ausführungen zu dem vom Bundesamt angeführten Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG, die insoweit entsprechend gelten, wird Bezug genommen.
184cc) Der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG liegt nicht vor.
185Diese Vorschrift kann nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich auch in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt Anwendung finden, soweit kein Wertungswiderspruch vorliegt.
186Zudem ist davon auszugehen, dass die PKK während der Zugehörigkeit des Klägers terroristische Handlungen, insbesondere auch Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Südosten der Türkei begangen hat.
187Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 – 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 127, juris Rn. 29 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2013 – 8 A 5118/05.A -, juris Rn. 144 ff., m.w.N., nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 10 B 19.13 -, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr 67.
188Diese Einschätzung beruht nicht allein auf Verdachtsmomenten, die vornehmlich von den türkischen Sicherheitskräften geäußert worden sind, sondern beruht hinsichtlich einer nicht unerheblichen Zahl von Vorfällen auch darauf, dass die PKK sich selbst zu Attentaten, wie etwa Angriffen auf Zivilisten, Zünden von Autobomben, Angriffe auf Überläufer bzw. Abtrünnige bekannt hat.
189Vgl. dazu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2013 – 8 A 5118/05.A -, juris Rn. 144 bis 225, m.w.N.; sowie die Auflistung in den Gutachten des Sachverständigen J. vom 25. Januar 2013 und vom 26. Juni 2015, insbesondere Seiten 6 bis 16.
190Es bestehen aber keine schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass der Kläger für Vorfälle, die vom Tatbestand des Ausschlussgrundes erfasst werden, im Sinne der oben dargelegten Maßstäbe individuell verantwortlich gewesen ist.
191(1) In der Zeit vor seiner ersten Ausreise nach Deutschland, also in den Jahren von 1986 bis 1993, war er lediglich als Milizionär tätig. Er war also seinerzeit nicht Angehöriger der PKK-Guerilla, sondern hat – wie ungezählte andere Kurden in Südostanatolien auch – den Kämpfern Unterstützung gewährt durch Zurverfügungstellung von Lebensmitteln und Kleidung sowie durch Überbringen von Nachrichten. Er hat in jener Zeit ausschließlich untergeordnete Hilfstätigkeiten ausgeführt, ohne in die Organisation eingebunden zu sein. Das hat das Bundesamt in dem Bescheid vom 27. Mai 1993 zu Recht als Unterstützung „mit friedlichen Mitteln“ gewertet.
192(2) Auch hinsichtlich der Zeit, in der der Kläger Mitglied der PKK war, haben sich keine belastbaren Belege für die Annahme ergeben, dass er an Gewalttaten beteiligt gewesen ist oder diese in zurechenbarer Weise unterstützt hat. Er hat sich nach den oben dargelegten Feststellungen zum Sachverhalt nur relativ kurze Zeit, nämlich im Jahr 1995, im Kampfgebiet im Zagros-Gebirge aufgehalten, von dem aus die PKK nach der Auskunft des Sachverständigen J. vom 26. Juni 2015, Seite 22 f., sämtliche Aktionen im Grenzbereich unternommen hat. Vorher war er weit entfernt vom Kampfgebiet in einem reinen Ausbildungslager; später war der Kläger aufgrund seiner schwerwiegenden Augenverletzung nicht in der Lage, an Kampfeinsätzen aktiv teilzunehmen. Von 1999 bis 2004 hielt der von Öcalan angeordnete Waffenstillstand jedenfalls so weitgehend, dass eine individuelle Beteiligung des Klägers an einzelnen Übergriffen oder Attentaten in Ermangelung jedweder Anhaltspunkte nicht ernstlich in Betracht zu ziehen ist, zumal er sich überwiegend weit entfernt von den Gebieten aufhielt, in denen es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. Sein Hauptanliegen war es – wie auch in der mündlichen Verhandlung nochmals deutlich wurde – medizinische Hilfe zur Bekämpfung seiner Schmerzen und vollständigen Wiedererlangung des Augenlichts zu bekommen. Bei dieser Sachlage spricht – ungeachtet der Frage, ob dem Kläger im Rahmen der ihm zuteil gewordenen politischen Ausbildung durch die PKK und der sicherlich beschränkten Möglichkeiten, im Nordirak an objektive Informationen zu gelangen, von terroristischen Aktionen der PKK tatsächlich nichts gewusst hat – jedenfalls nichts dafür, dass er derartige Taten von den Lagern außerhalb der Türkei aus unterstützt haben könnte. Er lehnt terroristische Taten wie Anschläge in Metropolen sogar ausdrücklich ab. Zuletzt hielt sich der Kläger in einem unter Verwaltung des UNHCR stehenden Flüchtlingslager auf.
193Es bestehen – wie ausgeführt - bereits keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seinem kurzen, eigentlich noch Ausbildungszwecken dienenden Aufenthalt im Kampfgebiet Soldaten, geschweige denn Zivilisten verletzt hat. Denn er hat nach eigenen, glaubhaften Angaben vor seiner eigenen Verletzung lediglich auf einen türkischen (Rad-) Panzer geschossen, ohne diesen aber zu zerstören. Ein schweres nichtpolitisches Verbrechen im Sinne der Ausschlussvorschrift kann darin nicht gesehen werden. Die - aus Sicht der Kurden – im Zusammenhang mit dem Freiheitskampf und damit einem politischen Ziel stehende Tat war, selbst wenn der Kläger die Verletzung der Panzerbesatzung in Kauf genommen haben sollte, weder grausam noch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Der Einsatz einer Panzerfaust auf vergleichsweise kurze Distanz gegen einen Panzer in einem wegen der laufenden Militäroperation ohnehin von Zivilisten verlassenen Gebiet stellt in dieser konkreten Situation auch kein gemeingefährliches Mittel dar.
194Im Übrigen handelte es sich nach den Gesamtumständen - eine militärische Aktion der Türkei mit Panzern und Flugzeugen außerhalb ihres Staatsgebiets zur Zerstörung von PKK-Lagern bzw. zur Tötung der dortigen PKK-Angehörigen, bei der sich der Kläger konkret einem Angriff ausgesetzt sah - um eine Selbstverteidigungsmaßnahme. Zumindest aber durfte der Kläger sie ohne schuldhaften Irrtum als eine solche einschätzen. Auch insoweit kommt es letztlich nicht darauf an, wie der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK völkerrechtlich einzuordnen ist. Der Umstand, dass es – auch – im Grenzgebiet Iran-Irak-Türkei seinerzeit keine Gebiete gab, die fest unter PKK-Kontrolle standen,
195vgl. J. , Gutachten vom 26. Juni 2015, Seite 18,
196mag gegen die Annahme sprechen, dass es sich um einen Konflikt im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG handelte. Unterstellt man gleichwohl, dass es sich um einen solchen bewaffneten Konflikt handelte, auf den § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG Anwendung finden könnte, wäre der Schuss auf einen gegnerischen Panzer jedenfalls kein Kriegsverbrechen. Handelte es sich allerdings nicht um einen internationalen Konflikt bzw. internen bewaffneten Konflikt, folgt daraus kein gegenteiliges Ergebnis. Dann hat keine der Konfliktparteien das von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG vorausgesetzte, im Völkerrecht anerkannte Recht, die gegnerische Partei zu schädigen, insbesondere auch nicht das Recht zur Tötung von militärischen Gegnern (sog. Kombattantenprivileg, vgl. Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977, BGBl. 1990 II, S. 1551). Es ist darüber hinaus auch kein Recht der Türkei zur Durchführung dieser Operationen und zur Tötung von tatsächlichen oder vermeintlichen PKK-Angehörigen ersichtlich. Denn der Vorfall hat sich jedenfalls nicht auf dem türkischem Staatsgebiet zugetragen, sondern im Zuge einer großangelegten Militäroperation, bei der das türkische Militär mit Panzern und Flugzeugen – außerhalb des türkischen Staatsgebiets - weit in das Territorium des Irak vorgerückt ist, ohne sich in einem bewaffneten (internationalen) Konflikt mit dem Irak zu befinden, dessen territoriale Hoheit über das Gebiet von niemandem, auch nicht von den (irakischen) Kurden, in Frage gestellt wurde. Die Operationen waren seinerzeit möglich, weil der irakische Staat, damals noch unter der Führung von Saddam Hussein, seit dem Irak-Krieg und der Einrichtung der dem Schutz der kurdischen Bevölkerung dienenden nördlichen Flugverbotszone im Jahr 1991 faktisch keinen Einfluss auf die Militäroperationen der Türkei nehmen konnte und die USA, die diese Flugverbotszone kontrollierten, die Türkei nicht daran hinderten. Ein Recht der Türkei, ihrerseits – beispielsweise in Ausübung des Kombattantenprivilegs – PKK-Angehörige im Irak festzunehmen und zu töten, ist bei dieser Sachlage indessen nicht ersichtlich, so dass sich die Beschädigung eines Panzers, der auf den Kläger und die Angehörigen des Spähtrupps, dem er zugeteilt war, mit zielgerichtet eingestellter Waffe zuhielt, nicht als schweres Verbrechen, sondern als Notwehrhandlung darstellte. Keinesfalls lässt sich dieses Geschehen, das sich zur Überzeugung des Gerichts so wie vom Kläger anschaulich geschildert zugetragen hat, als terroristischer Akt einordnen.
197Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit im Lager Avasin oder bei der PCDK in Süleymaniya an terroristischen Handlungen selbst mitgewirkt, andere zu ihnen angestiftet oder sonstwie in nach den oben genannten Maßstäben den Ausschlussgrund erfüllender Weise beigetragen hat, sind im vorliegenden Verfahren nicht zutage getreten. Militärische, politische oder logistische Aufgaben, die mit relevanten Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnissen verbunden gewesen wären, hat er zur Überzeugung des Senats nicht wahrgenommen. Insbesondere hat er auch keine neuen Kämpfer angeworben. Auf die nachfolgenden Ausführungen wird im Übrigen ergänzend verwiesen.
198Eine andere Beurteilung folgt letztlich auch nicht daraus, dass der Kläger, wäre er nicht frühzeitig verletzt worden, allem Anschein nach zumindest damals noch zu weiter gehenden Kampfeinsätzen bereit gewesen wäre. Denn der Tatbestand des Ausschlussgrundes knüpft nicht an eine etwaige Gesinnung, sondern lediglich an konkrete Taten an. Die bloße Bekundung einer diesbezüglichen Bereitschaft erreicht nicht das Gewicht der von dem Ausschlussgrund erfassten Handlungen.
199(3) Dem Kläger kann eine individuelle Verantwortung für von der PKK möglicherweise in dem Zeitraum seiner Zugehörigkeit begangene Taten nicht aufgrund einer tatsächlichen Vermutung im Sinne der oben dargelegten Maßstäbe zugerechnet werden.
200Eine solche Vermutung individueller Verantwortung kann hier nicht aus der Position des Klägers innerhalb der PKK abgeleitet werden. Denn er hatte zu keiner Zeit die dafür notwendige hervorgehobene Position inne. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur PKK nur untergeordnete Dienste geleistet. Aufgaben, die mit relevanten Entscheidungsbefugnissen verbunden gewesen wären, hat er, wie ausgeführt, zu keiner Zeit wahrgenommen. Bei seiner Tätigkeit im Lager Avasin war er mit logistischen Aufgaben befasst. Zwar können auch derartige Aufgaben operative Bedeutung für hier relevante Gewalttaten haben und ein gewisses Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Betreffenden erfordern; es fehlt aber an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger insoweit konkret-funktionell mit mehr als untergeordneten Aufgaben befasst war. Er war eigenen Angaben zufolge lediglich mit der Lagerung von Kleidung und Lebensmitteln, also insbesondere nicht von Waffen befasst, und hatte über das Abfassen von Bestelllisten für Lebensmittel und andere Gegenstände des täglichen Bedarfs zur Weitergabe an örtliche Bauern hinaus keine Entscheidungsbefugnisse. Die Zuweisung dieser Aufgaben beruhte ersichtlich auf dem Bemühen der Organisation, dem Kläger, der unter seiner Augenverletzung litt und für eigentliche Guerilla-Einsätze nicht mehr tauglich war, eine nützliche Beschäftigung zuzuweisen. In eine hervorgehobene Position ist er damit aber ersichtlich nicht gelangt. Gegen eine besonders verantwortungsvolle Stellung im Lager spricht zudem, dass er auch in den vielen Jahren, die danach bis zu seiner erneuten Ausreise nach Deutschland vergangen sind, nach den im vorliegenden Verfahren gewonnenen Erkenntnissen nicht mit höherrangigen Leitungsfunktionen betraut worden ist. Zu weiteren Ermittlungen besteht bei dieser Erkenntnislage kein Anlass, zumal weitere Ermittlungsansätze auch nicht ersichtlich sind.
201(4) Eine individuelle Verantwortung kann hier auch nicht aufgrund der langjährigen Zugehörigkeit des Klägers zur Guerilla vermutet werden. Nach den oben dargelegten Grundsätzen begründet allein die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation für sich genommen keinen Ausschlussgrund. Dabei schließt der Senat nicht aus, dass eine besonders lange Zugehörigkeit zu einer Organisation, die – wie die PKK – in dem betroffenen Zeitraum grenzüberschreitende bewaffnete Aktionen unternommen hat und terroristische Aktionen in verschiedenen Landesteilen zu verantworten hat, grundsätzlich geeignet sein kann, eine Vermutung individueller Verantwortung des Organisationsmitglieds zu begründen, weil eine langjährige Zugehörigkeit zumeist auch mit eigenen qualifizierten Tatbeiträgen und Unterstützungshandlungen verbunden sein wird. Das dürfte jedenfalls dann gelten, wenn sich der Betreffende in einer Region aufgehalten hat, in der es tatsächlich zu terroristischen Übergriffen insbesondere gegen die Zivilbevölkerung gekommen ist. Eine solche Vermutung wäre aber hier durch die – sicherlich als außergewöhnlich anzusehenden - Einzelfallumstände widerlegt. Der Kläger hat sich nach seinen Angaben, die – ohne stereotyp und auswendig gelernt zu wirken – in diesem wesentlichen Punkt stets gleichbleibend und in sich stimmig waren, während der gesamten Zeit nicht auf türkischem Gebiet aufgehalten, wo terroristische, insbesondere auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehende Gewaltakte aus Sicht der PKK sinnvoll gewesen sein mögen. Vor allem aber ist der Kläger schon wenige Monate nach seiner Verlegung von dem Ausbildungslager bei Damaskus in die Nähe der Kampfgebiete verletzt worden, bevor seine Ausbildung zum Kämpfer abgeschlossen war, insbesondere bevor er auch eine militärtaktische Ausbildung erhalten hatte. Die Operation Ejder fand nach dem im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten bereits im Juli 1995 statt. In der Folgezeit wurde der schwer verletzte, in seiner Sehfähigkeit eingeschränkte Kläger zunächst – letztlich mit nur beschränktem Erfolg – medizinisch behandelt und, da er sich allem Anschein nach auch nicht für höhere bzw. sogar Funktionärstätigkeiten empfohlen hat, nur mit „durchgezogen“, weil es eben nicht dem Selbstverständnis der PKK entspricht, verletzte Kämpfer ohne Unterstützung zurückzulassen. Dies erklärt, dass die PKK nach seinen glaubhaften Angaben, die auch mit denen seiner Ehefrau in deren Verfahren übereinstimmen, die Ausreise des Ehepaars nach Deutschland nicht als Ausdruck einer etwaigen Abtrünnigkeit sanktioniert hat. Die Organisation war in die Ausreiseplanungen eingebunden und mit der Ausreise einverstanden.
202dd) Die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 liegen ebenfalls nicht vor.
203Dieser Ausschlussgrund setzt die Feststellung voraus, dass die PKK im Zeitraum der Zugehörigkeit des Klägers grenzüberschreitende, eine internationale Dimension aufweisende terroristische Handlungen begangen hat und dass sich dessen unterstützende Tätigkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 2 in Handlungen i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 niedergeschlagen hat.
204Ausgehend von dem oben dargelegten Sachverhalt fehlt es auch insoweit an schwerwiegenden Gründen, die die Annahme einer individuellen Verantwortung des Klägers rechtfertigen. Zwar knüpft die zur Annahme dieses Ausschlussgrundes führende individuelle Verantwortung bei Nr. 3 nicht an eine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien an; rein logistische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht können reichen. Indes deutet zum Einen angesichts des Gesundheitszustands des Klägers und des Fehlens einer verantwortungsvollen Position innerhalb der jeweiligen Einheit bzw. des Lagers, in dem er sich aufhielt, nichts darauf hin, dass er eigene Tatbeiträge oder relevante logistische Unterstützung erbracht hätte, geschweige denn Entscheidungsbefugnisse gehabt haben könnte. Das gilt auch für seine Zeit bei der PCDK. Zum Anderen hat er sich nicht an Kampfplätzen aufgehalten, von denen aus die PKK grenzüberschreitende Aktionen unternommen hat, die den für § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG erforderlichen internationalen Bezug aufweisen.
205Der Vollständigkeit halber bleibt festzuhalten, dass der Kläger auch nach seiner erneuten Einreise nach Deutschland nach den vorliegenden Erkenntnissen keine Aktivitäten zugunsten der PKK, ihren Nachfolge- oder Nebenorganisationen entfaltet hat, die als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gewertet werden könnten.
206Zu Art. 24 RL 2004/83/EG vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – Rs. C-373/13 -, InfAuslR 2015, 357.
207Hinweise, die Anlass zu diesbezüglichen weiteren Nachforschungen geben könnten, haben sich weder bei seiner Befragung in den mündlichen Verhandlungen noch aus der beigezogenen Ausländerpersonalakte ergeben.
208Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
209Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung des internationalen Schutzes erlöschen, wenn der Ausländer
- 1.
eindeutig, freiwillig und schriftlich gegenüber dem Bundesamt auf sie verzichtet oder - 2.
auf seinen Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
(2) Der Ausländer hat einen Anerkennungs-, Zuerkennungs- oder Feststellungsbescheid und einen Reiseausweis unverzüglich bei der Ausländerbehörde abzugeben.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.
(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.
(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn
- 1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird, - 2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert, - 3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat, - 4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen, - 5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich, - 6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder - 7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.
(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.
(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.
(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. Er ist über die Folgen einer Beschränkung des Antrags zu belehren. § 24 Absatz 2 bleibt unberührt.
(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19). Der nachfolgende Asylantrag ist unverzüglich zu stellen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, wird nicht als Asylberechtigter anerkannt.
(2) Ist der Ausländer im Besitz eines von einem sicheren Drittstaat (§ 26a) oder einem sonstigen Drittstaat ausgestellten Reiseausweises nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, so wird vermutet, dass er bereits in diesem Staat vor politischer Verfolgung sicher war.
(3) Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war. Das gilt nicht, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, wird nicht als Asylberechtigter anerkannt.
(2) Ist der Ausländer im Besitz eines von einem sicheren Drittstaat (§ 26a) oder einem sonstigen Drittstaat ausgestellten Reiseausweises nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, so wird vermutet, dass er bereits in diesem Staat vor politischer Verfolgung sicher war.
(3) Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war. Das gilt nicht, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.