Landgericht Freiburg Urteil, 25. Feb. 2016 - 2 KLs 270 Js 21058/12; 2 KLs 270 Js 21058/12 - AK 24/14

bei uns veröffentlicht am25.02.2016

Tenor

1. Der Angeklagte (…) wird wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt.

2. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften:

§§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1, 339, 13 Abs. 1 u. 2, 49 Abs. 1, 52, 53, 56 Abs. 1 StGB

Gründe

 
I.
(…)
II.
Der Angeklagte war seit 1993 bei der Staatsanwaltschaft F. als auf Lebenszeit verbeamteter Staatsanwalt mit der Verfolgung von Straftaten gemäß der - im Zeitraum 2005 bis Ende Juni 2012 bestehenden - Zuständigkeit des dortigen Dezernats (…) der Allgemeinabteilung (…) betraut. Er war zuständig für allgemeine Strafsachen, zunächst für die beiden Amtsgerichtsbezirke M. und S., ab dem Jahr 2008 nur noch für den Amtsgerichtsbezirk M.. Zudem hatte er eine Sonderzuständigkeit für Sexualdelikte für das Einzugsgebiet F.-L. inne. Ab Mai des Jahres 2009 war er zudem für Kapitaldelikte der Amtsgerichtsbezirke M., S. und T. zuständig. Schon zuvor hatte er als Vertreter des Abteilungsleiters zahlreiche Kapitaldelikte bearbeitet. In Ausübung dieser Tätigkeit war der Angeklagte verpflichtet, die auf das Dezernat (…) eingetragenen Ermittlungsverfahren unter Beachtung der Vorschriften und Grundsätze der StPO ordnungsgemäß zu führen und bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts und der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen zeitnah Anklage zu erheben oder Strafbefehlsantrag zu stellen.
Bis zum 31.12.2010 bestimmte die Anordnung des baden-württembergischen Justizministeriums über die Berichtspflicht der Staatsanwaltschaften in Strafsachen (BeStra) in Abschnitt III, dass der Generalstaatsanwaltschaft alle Ermittlungsverfahren, die länger als ein Jahr anhängig sind, ohne dass von der Staatsanwaltschaft eine vorläufige oder endgültige abschließende Verfügung getroffen worden ist, unter kurzer Darlegung des Verfahrensganges mitzuteilen sind und ggf. jeweils nach sechs Monaten ein Nachbericht vorzulegen oder die Art der Abschlussverfügung mitzuteilen ist. Mit Wirkung vom 01.01.2011 wurde die BeStra in Abschnitt III dahingehend abgeändert, dass die Staatsanwaltschaften der Generalstaatsanwaltschaft in einer Liste jeweils bis zum zehnten eines Monats für jedes Ermittlungsdezernat die Anzahl der Js-Verfahren mitzuteilen haben, die zu Monatsbeginn länger als ein Jahr anhängig waren, ohne dass eine vorläufige oder endgültige abschließende Verfügung getroffen worden war. Ergänzend hierzu ordnete der Leiter der Staatsanwaltschaft F. mit Verfügung vom 22.02.2011 an, dass anstelle der früheren Berichte an den Generalstaatsanwalt die rückständigen Verfahren dem Behördenleiter vorzulegen sind.
In Kenntnis dieser Umstände beging der Angeklagte in Ausübung seines Amtes aufgrund jeweils gesonderten Willensentschlusses die folgenden Taten, wobei bei ihm weder eine überdauernde psychische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB noch eine psychische Erkrankung vorlagen, die seine Leistungsfähigkeit aufgehoben hätte:
1. Ermittlungsverfahren (...) gegen S. M.
Der Angeklagte führte unter den Aktenzeichen a) und b) zwei Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte S. M.
Gegenstand des am 19.08.2005 bei der Staatsanwaltschaft F. eingegangenen Verfahrens a) war eine Strafanzeige der Verlagsgruppe W. (…) vom 16.08.2005, die der Staatsanwaltschaft mit Schreiben des Polizeipostens B. vom 17.08.2005 vorgelegt wurde. Gegenstand des Verfahrens war u.a. der - zutreffende - Vorwurf, die Beschuldigte habe in 13 Fällen per Internet Warenbestellungen bei der Verlagsgruppe W. unter acht der Beschuldigten zuzuordnenden Personenkonten aufgeben, die Ware jeweils zeitnah nach der Bestellung durch Auslieferung an ihrer Anschrift (…) durch den Zulieferer D. erhalten und - wie jeweils von Anfang an beabsichtigt - nicht bezahlt. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Bestellungen im Gesamtwert von 1.066,08 EUR:
- am 11.02.2005 unter „S. U.“ die Bestellung von Kinderbüchern im Wert von 97,82 EUR,
- am 04.02.2005 (zwei Bestellungen), am 06.02.2005 (zwei Bestellungen) und am 11.02.2005 insgesamt fünf Bestellungen von DVDs, CDs und Haushaltswaren unter „S. S.“ im Gesamtwert von 209,32 EUR,
- am 21.02.2005 eine Bestellung unter „T. S.“ Waren im Wert von 31,91 EUR und eine Bestellung unter „W. S.“ Haushaltswaren im Gesamtwert von 85,73 EUR,
- am 20.03.2005 unter „S. H.“ DVDs u.a. im Gesamtwert von 85,91 EUR,
- am 02.06. und 09.06.2005 zwei Bestellungen unter „M. U.“ DVDs u.a. im Gesamtwert von 204,69 EUR,
- am 22.06.2005 eine Bestellung unter „U. M.“ ein DVD-Video-Kombigerät u.a. im Gesamtwert von 196,78 EUR und eine Bestellung unter „M. S.“ ein weiteres DVD-Video-Kombigerät im Wert von 153,92 EUR.
Dieses Verfahren a) stellte der Angeklagte mit Verfügung vom 17.07.2006 im Hinblick auf ein Verfahren c), das zum Verfahren b) hinzu verbunden war, vorläufig gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein und nahm es trotz in der Folgezeit unterbleibender Anklageerhebung im Bezugsverfahrenb) bis zum Eintritt der Verjährung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht wieder auf.
10 
Gegenstand des am 11.04.2006 bei der Staatsanwaltschaft eingegangenen Bezugsverfahrens b), der hinzuverbundenen Verfahren c), d), e) und f) sowie der weiteren ohne Verbindung zur Akte gelangten Anzeigevorgänge waren insgesamt mindestens 176 Strafanzeigen mit einem Gesamtschaden von mindestens 18.000,- EUR. Mit Schlussvermerk des Polizeipostens N. vom 27.11.2006 waren die Ermittlungen abgeschlossen. Der damalige polizeiliche Sachbearbeiter PHM K. führte in dem Schlussvermerk unter anderem aus, dass am 07.07.2006 aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts M. die Container, in denen die Beschuldigte ihren Hausrat gelagert hatte, durchsucht worden seien. Dabei habe eine Vielzahl von Gegenständen gefunden werden können, bei denen der dringende Verdacht bestehe, dass diese illegal erworben worden seien. Auffallend sei die Vielzahl von Kinderspielzeug und sonstigen Konsumartikeln gewesen, welche typischerweise bei Versandhäusern wie T. o.ä. bezogen werden könnten. Nach den bisherigen Ermittlungen und den bei der Durchsuchung gemachten Feststellungen könne davon ausgegangen werden, dass die Beschuldigte M. ihre gesamten Konsumartikel, Kinderbekleidung u.a. auf illegale Art und Weise erworben habe. Bei der Durchsuchung sichergestellte Waren hätten zum Teil verschiedenen Strafanzeigen zugeordnet werden können. Aufgrund der Schriftstücke und Aufzeichnungen aus verschiedenen Beweismitteln habe festgestellt werden können, dass die Beschuldigte von verschiedenen Firmen Waren geliefert bekommen habe. Auch entsprechende Mahnungen hätten sich darunter befunden. Über die entsprechenden Einwohnermeldeämter habe festgestellt werden können, dass die Beschuldigte seit M. 1994 insgesamt 18-mal ihren Wohnort gewechselt habe. In einem am 18.10.2006 bei der Polizei eingegangen Anhörungsbogen habe die Beschuldigte die Straftaten abgestritten und ihr monatliches Einkommen auf ca. 936 EUR (Hartz IV) beziffert. Zusammen mit dem Schlussvermerk wurde der Staatsanwaltschaft ein bei der Durchsuchung sichergestelltes Notizbuch vorgelegt. Hierzu führte PHM K. aus, dass darin verschieden Passwörter und die dazu verwendeten Personalien sowie Listen mit noch zu erlangenden Gütern aufgeführt seien. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 23.05.2006 enthielt einen Eintrag. Die Beschuldigte M. war durch Urteil des Amtsgerichts L. vom 17.07.2002 rechtskräftig wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt worden.
11 
Anhand der dem Angeklagten vorgelegten Ermittlungsakten bestand daher der - zutreffende - Verdacht, dass die Beschuldigte S. M. zumindest in den nachfolgend aufgeführten Fällen unter verschiedenen Aliaspersonalien gewerbsmäßig jeweils im Wissen um ihre Zahlungsunfähigkeit und -unwilligkeit im Internet Warenbestellungen aufgegeben, die bestellten Waren zeitnah nach Auslieferung durch die Zulieferer D. bzw. H.an ihre zu den jeweiligen Tatzeiten aktuellen Wohnanschriften (…) entgegengenommen und - wie bereits bei Bestellung beabsichtigt - nicht bezahlt hat. Den jeweiligen Strafanzeigen der geschädigten Versandhäuser waren entsprechende Rechnungsunterlagen und Ablieferungsnachweise beigefügt.
12 
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Bestellungen:
13 
a) drei Bestellungen bei der Firma M. (…) jeweils von Babybekleidung im Gesamtwert von 250,22 EUR, und zwar
14 
- am 25. und 28.07.2005 unter „S. K.“ bzw. „M. K.“ an die Anschrift (…) und
- am 02.01.2006 unter „M. P.“ an die Anschrift (…),
15 
b) elf Bestellungen bei der Firma T. (…) von Haushaltsartikeln unter sechs der Beschuldigten zuzuordnenden Personenkonten, und zwar
16 
- am 16. und 19.01.2006 unter „M. M.“ für 64,83 EUR und 5,99 EUR,
- am 31.01.2006 unter „W. M.“ für 39,90 EUR,
- am 07.02.2006 unter „E. M.“ für 70,82 EUR,
- am 13.03.2006 unter „E. S.“ für 93,88 EUR,
- am 23.03., 03. und 04.04.2006 unter „M. P.“ für 122,81 EUR, 111,84 EUR sowie 124,85 EUR,
- am 17.05.2006 und 18.05.2006 (2 Bestellungen) unter „S. M.“ für 13,90 EUR, 47,89 EUR und 16,19 EUR,
17 
jeweils an die Anschrift (…) im Gesamtwert von 712,90 EUR,
18 
c) sechs Bestellungen bei dem Versandhaus B. (…) von Möbeln, Kinderbekleidung und Spielwaren unter vier der Beschuldigten zuzuordnenden Personenkonten, und zwar
19 
- unter „T. P.“ am 5.01.2006 im Wert von 89,95 EUR und am 09.01.2006 im Wert von 83,98 EUR,
- unter „S. K.“ am 09.01.2006 im Wert von 119,90 EUR,
- unter „W. S.“ am 16.01.2006 im Wert von 171,87 EUR und
- unter „E. Ü." am 16.01.2006 im Wert von 85,75 EUR und am 30.01.2006 im Wert von 66,98 EUR
20 
jeweils an die Anschrift (…),
21 
d) vier Bestellungen beim Versandhändler B. (…) und zwar
22 
- mit Rechnungsdaten vom 15. und 16.12.2005 unter „L. K.“ im Wert von 59,00 EUR und 39,50 EUR und
- mit Rechnungsdaten vom 11. und 23.01.2006 unter „S. P.“ im Wert von 102,00 EUR und 8,00 EUR
23 
jeweils an die Anschrift (…),
24 
e) vier Bestelllungen beim Versandhaus B. (…) von Haushaltswaren, Bekleidung und Schmuck, und zwar
25 
- am 25.01.2006 unter „E. K.“ im Wert von 73,25 EUR und 125,10 EUR (Lieferung in 2 Teilsendungen),
- ebenfalls am 25.01.2006 unter „G. P.“ ein Trauring mit Gravur „S.“ im Wert von 176,90 EUR und ein Partnerband mit Gravur „S.“ im Wert von 57,45 EUR,
- am 21.04.2006 unter „S. P.“ im Wert von 64,20 EUR und 66,25 EUR (Lieferung in 2 Teilsendungen) und
- am 06.02.2006 unter „E. U.“ im Wert von 50,80 EUR,
26 
jeweils an die Anschrift (…) und
27 
f) vier Bestellungen beim Versandhaus Q. (…) im Gesamtwert von 1.692,46 EUR, und zwar
28 
- am 1.12.2004 unter „S. U.“ von Damenbekleidung im Wert von 107,40 EUR an die Anschrift (…),
- am 20.12.2004 unter „S. U.“ einer Waschmaschine einschl. Garantieverlängerung im Wert von 585,20 EUR, eines Kondenstrockners im Wert von 349,95 EUR, zwei Matratzen-Sets im Wert von 469,90 EUR und Bettgarnituren im Wert von 18,99 EUR an die (…),
- am 11.01.2006 unter „W. P.“ eines Rucksacks im Wert von 65,94 EUR an die Anschrift (…) und
- am 09.01.2006 unter „M. P.“ von Kleidung im Wert von 72,58 EUR an die Anschrift (…).
29 
Diese Straftaten waren mit Eingang der Formblattanzeigen und des polizeilichen Schlussvermerks vom 27.11.2006 bei der Staatsanwaltschaft F. seit dem 06.12.2006 anklagereif. Weitere Ermittlungshandlungen erfolgten nicht mehr. Nachdem die Berichtspflicht nach Abschnitt III der BeStra durch die Verbindung von älteren Verfahren zu neueren Verfahren bereits sachwidrig hinausgeschobenen worden ist, war das Verfahren b) zum 15.09.2007 der Generalstaatsanwaltschaft K. zu berichten. Zur Vermeidung des bereits überfälligen Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 30.10.2007 formularmäßig den Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch eine angeblich diktierte Anklage und verfügte die Aktenübersendung an das Amtsgericht S., obwohl eine Anklage weder zum Zeitpunkt der Verfügung bereits diktiert war noch in der Folgezeit zur Akte bzw. zu Gericht gelangte. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung allerdings nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ihm ging es allein darum, den Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
30 
Aufgrund der Verfügung vom 30.10.2007 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
31 
Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, gegen die Beschuldigte M. zumindest wegen der genannten Tatvorwürfe Anklage zu erheben. Spätestens ab Beginn des Jahres 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen.
32 
Infolge der Untätigkeit des Angeklagten trat wegen der den Verfahren a) und b) zugrunde liegenden Vorwürfen des Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) im Laufe des Jahres 2011 Strafverfolgungsverjährung ein, nachdem die Verjährung letztmalig durch die Übersendung eines schriftlichen Anhörungsbogens vom 13.09.2006 an die Beschuldigte M. unterbrochen worden war. Die Verfahren a) und b) wurden nach der Suspendierung des Angeklagten mit Verfügung der Staatsanwaltschaft F. vom 17.07.2012 wieder aufgenommen und gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen Verjährung eingestellt. Durch die dauerhafte Vereitelung der Strafverfolgung wurde die Beschuldigte M. zu Unrecht begünstigt. Aufgrund der gegebenen Beweislage hätte eine ordnungsgemäße Anklageerhebung zumindest in den genannten Fällen zur Verurteilung der einschlägig vorbestraften S. M. wegen Betrugs in 45 Fällen und zur Verhängung einer sechs Monate deutlich übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe - aufgrund der Gewerbsmäßigkeit lagen jeweils die Voraussetzungen eines besonders schweren Fall gem. § 263 Abs. 3 S. 1 u. 2 Nr. 1 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) vor - geführt.
33 
Dem Angeklagten war aufgrund der in dem polizeilichen Schlussvermerk vom 27.11.2006 mitgeteilten Ermittlungsergebnisse bekannt, dass der Beschuldigten M. eine Vielzahl von Betrugstaten nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen die Beschuldigte Anklage zu erheben. Dem Angeklagten sind die Verfahren gegen S. M. zum keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten befanden sich ab Oktober 2007 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten Anklageerhebung am 30.10.2007 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch nicht mehr gefördert worden ist. Die Verjährungsfristen waren ihm bekannt. Ihm war auch bekannt, dass jedenfalls ab Beginn des Jahres 2009 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung der Beschuldigten M. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war auch bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt, zumal wenn dies zum Eintritt der Verfolgungsverjährung führt.
34 
2. Ermittlungsverfahren g) gegen L., W. und M.
35 
Der Angeklagte führte unter dem Aktenzeichen g) ein am 21.06.2006 eingegangenes Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten W., das der Angeklagte mit Verfügung vom 06.10.2006 auf den Beschuldigten M. L. und mit Verfügung vom 28.11.2006 auf den Beschuldigten R. M. erstreckte. Gegenstand des Verfahrens war u.a. der Vorwurf der betrügerischen Verschiebung eines hochwertigen BMW 730d, amtl. Kennzeichen (…), in die Ukraine. Das von R. M. gesteuerte Fahrzeug war am 12.03.2006 bei der Ausreise von Polen in die Ukraine festgestellt worden. Der Angeklagte fasste in einer Verfügung vom 28.11.2006 die bisherigen Ermittlungserkenntnisse zusammen und stellte gegen den Beschuldigten L. Antrag auf Erlass eines Haftbefehls, den das Amtsgericht F. am 01.12.2006 erließ.
36 
In dem Haftbefehl wurde dem Beschuldigten L. - neben einer weiteren Fahrzeugverschiebung - zur Last gelegt, er habe im März 2006 für den Zeugen B. A. einen Leasinganschlussvertrag für den genannten BMW vermittelt, wobei die Zeugin F. den Leasingvertrag sowie das Fahrzeug habe übernehmen sollen. Entsprechend dem Plan des Beschuldigten L. und seinem nicht näher identifizierten Mittäter habe die Geschädigte F. den Übernahmevertrag im Vertrauen darauf, dass ihr das Fahrzeug ausgehändigt werde, am 08.03.2006 unterschrieben. Nachdem der Beschuldigte L. das Fahrzeug von dem Zeugen A. erhalten habe, sei dem Plan des Beschuldigten L. entsprechend das Fahrzeug von dem Mitbeschuldigten R. M. in die Ukraine zum Kauf überführt worden. Am 31.03.2006 habe die Zeugin F. von dem nicht identifizierten Mittäter zur Täuschung über die ordnungsgemäße Abwicklung der Leasingübernahme ein nicht näher bekanntes Fahrzeug erhalten, das ihr am gleichen Tag nach einer Fahrt nach S. entwendet worden sei. Der Zeugin F. sei ein Schaden in Höhe von mehreren Tausend Euro entstanden.
37 
Der Haftbefehl wurde seit dem 23.12.2006 vollzogen. Durch Beschluss des Landgerichts F. vom 01.02.2007 wurde die Beschwerde des Beschuldigten L. gegen den Haftbefehl als unbegründet zurückgewiesen. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts K. vom 02.03.2007 wurde die weitere Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet verworfen. Am 11.05.2007 beantragte der Angeklagte beim Amtsgericht F., den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. Dabei ging der Angeklagte davon aus, dass das Oberlandesgericht eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus gemäß § 121 Abs. 2 StPO nicht anordnen würde, da zwischenzeitlich keine weiteren Ermittlungsergebnisse gegen den Beschuldigten L. vorlagen. Das Amtsgericht F. setzte mit Beschluss vom 14.05.2007 den Haftbefehl gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- EUR, die Abgabe des Reisepasses und eine wöchentliche Meldeauflage außer Vollzug. Der Beschuldigte L. wurde am 18.05.2007 aus der Untersuchungshaft entlassen.
38 
Zum 21.06.2007 wurde das Verfahren nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des fälligen Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 29.06.2007 eine Einstellung nach §170 Abs. 2 StPO gegen die Beschuldigten W., L. und M.. Dabei war ihm bewusst, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vorlagen. Die Einstellungsverfügung erfolgte aus Sicht des Angeklagten lediglich zum Schein, um die Geschäftsstelle zum Registeraustrag zu veranlassen. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Daher verfügte er auch keine Einstellungsnachricht an die Verfahrensbeteiligten. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
39 
Aufgrund der Verfügung vom 29.06.2007 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen. Seit diesem Zeitpunkt gelangten Schreiben von Verfahrensbeteiligten nur noch lose und unpaginiert zur Akte.
40 
Am 10.11.2008 wurde die frühere Zeugin S. F. von KHK S. als Beschuldigte kriminalpolizeilich vernommen. In dieser Vernehmung räumte die Beschuldigte F. ihre Beteiligung an der Fahrzeugverschiebung des BMW ein. Sie gab unter anderem an, dass sie auf Aufforderung von M. L. und H. B. den Leasingvertrag für das Fahrzeug unterschrieben habe. Ihr sei von beiden gesagt worden, sie würden die Leasingraten bezahlen. Dann hätte sie in S. eine Anzeige machen sollen. H. B. habe sie nach S. gefahren und sie habe auf irgendeinem Revier eine Anzeige wegen des angeblichen Diebstahls des Fahrzeugs erstattet. Man habe ihr 3.000 EUR versprochen, die sie jedoch nicht erhalten habe. Es habe auch Ärger mit der Versicherung des Fahrzeugs gegeben. Die Versicherung habe nicht gezahlt, weil nicht klar gewesen sei, wem das Fahrzeug gehört habe. Auch S. H. habe mit der Fahrzeugverschiebung zu tun.
41 
Am 08.12.2008 wurde der - gesondert verfolgte - H. B. als Beschuldigter von KHK S. kriminalpolizeilich vernommen. Er räumte ein, dass er gemeinsam mit M. L. S. F. dazu gebracht habe, den Leasingvertrag für das Fahrzeug zu übernehmen. Der BMW habe nach Russland geliefert werden sollen. Der - gesondert verfolgte - S. H. sei zusammen mit S. F. bei einem BMW-Autohaus in B. gewesen. M. L. habe mit einem Fotoshop-Programm für S. F. Gehaltsnachweise ausgestellt, ausweislich derer sie angeblich mehrere Tausend Euro Gehalt pro Monat bezogen habe. M. L. habe mit der Fa. BMW im Hintergrund den Leasingvertrag abgewickelt. Das Fahrzeug sei im Besitz von M. L. gewesen. Kurze Zeit später sei der Wagen in F. abgeholt worden von einem Fahrer des S. H. und nach seiner Ansicht nach Russland gefahren worden. S. F. habe das Fahrzeug in S. als gestohlen gemeldet. Er sei mit ihr gemeinsam in S. gewesen.
42 
Diese Ermittlungserkenntnisse fasste KHK S. in einem Bericht vom 30.01.2009 zusammen, den er dem Angeklagten Anfang Februar 2009 persönlich übergab. Außerdem fand am 05.05.2009 eine gemeinsame Besprechung zwischen dem Angeklagten, KHK S. und KHK Erb statt, in der die neuen Ermittlungsergebnisse zusammen mit einem weiteren Ermittlungsbericht vom 17.04.2009 erörtert wurden. Aufgrund der vorliegenden Geständnisse hatte sich der dringende - tatsächlich zutreffende - Verdacht erhärtet, dass die gesondert verfolgten S. H. und H. B. sowie der Beschuldigte L. im März 2006 in B. gemeinsam die Vertragsübernahme eines geleasten Fahrzeuges BMW 730 von dem Vorbesitzer B. A. auf die Beschuldigte F. initiierten und mittels von L. gefälschter Gehaltsnachweise durchführten, damit die unverdächtig wirkende Beschuldigte F. den BMW 730 an L. übergeben und das Fahrzeug sodann bei der Polizei in S. als gestohlen melden konnte. Nach Erhalt des betrügerisch erlangten Fahrzeuges übergab der Beschuldigte L. dieses an den Mitbeschuldigten M. zur weiteren Überführung und Veräußerung in die Ukraine. Für diese Hilfstätigkeiten waren der Beschuldigten F. insgesamt 3.000,- EUR versprochen worden. Nachdem der BMW 730 in der Folgezeit durch M. in die Ukraine verbracht wurde, die Versicherung für den angeblichen Diebstahlschaden indes nicht aufkam, verblieb ein Schaden in Höhe von 48.370,54 EUR bei der BMW Financial Services als Leasinggeber.
43 
Auf Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse wäre gegen den Beschuldigten L. Anklage wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung und gegen den Beschuldigten M. Anklage wegen Hehlerei zu erheben gewesen. Darüber hinaus hätte die als Beschuldigte vernommene und geständige S. F. als weitere Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens g) eingetragen und wegen Beihilfe zum Betrug zum Nachteil des Leasinggebers und wegen versuchten Betrugs zum Nachteil der Fahrzeugversicherung angeklagt werden müssen. Aufgrund der seit Anfang 2009 gegebenen Beweislage wären die Beschuldigte L., M. und F. entsprechend verurteilt worden, wobei zumindest hinsichtlich der Beschuldigten L. und M. schon im Hinblick auf die Höhe des entstandenen Schadens mit der Verhängung von Freiheitsstrafen zu rechnen gewesen wäre.
44 
Stattdessen unterließ es der Angeklagte auch in der Folgezeit, gegen die Beschuldigten L. und M. sowie gegen S. F. - nach Erfassung als Beschuldigte - Anklage zu erheben. Spätestens ab September 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen.
45 
Hinsichtlich des Beschuldigten M. trat am 01.12.2011 - fünf Jahre nach einem am 01.12.2006 erlassenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts F. als letzter verjährungsunterbrechender Maßnahme - das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung ein. Hinsichtlich des Beschuldigten L. trat am 14.05.2012 - fünf Jahre nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls durch Beschluss vom 14.05.2007 als letzter verjährungsunterbrechender Maßnahme - das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung ein. Der Haftbefehl gegen den Beschuldigten L. blieb bis zur Aufdeckung der Vorfälle im Juni 2012 bestehen. Die Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten L. und M. mit Verfügungen der Staatsanwaltschaft F. vom 16.03.2013 wegen Verjährung gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
46 
Hinsichtlich der Beschuldigten F., deren Tatbeitrag noch nicht verjährt war, entstand durch die Untätigkeit des Angeklagten im Zeitraum von September 2009 bis Juni 2012 eine Verzögerung der Strafverfolgung von mehr als zweieinhalb Jahren. Nachdem das Verfahren nach der Suspendierung des Angeklagten auf S. F. als Beschuldigte erstreckt wurde, wurde das Verfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft F. vom 06.05.2013 aufgrund der lange zurückliegenden Tatzeit, des Geständnisses und der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
47 
Durch die dauerhafte Vereitelung bzw. die erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung wurden die Beschuldigten M., L. und F. zu Unrecht begünstigt.
48 
Dem Angeklagten war aufgrund der in dem Ermittlungsbericht vom 30.01.2009 mitgeteilten Geständnisse der Tatbeteiligten B. und F. und der gemeinsamen Besprechung vom 05.05.2009 bekannt, dass den Beschuldigten L., M. und F. die betrügerische Fahrzeugverschiebung des BMW nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen die Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten befanden sich ab Juni 2007 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Er wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten Verfahrenseinstellung vom 29.06.2007 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch nicht mehr gefördert worden ist. Die Verjährungsfristen waren ihm bekannt. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab September 2009 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Dabei war dem Angeklagten insbesondere bekannt, dass gegen den Beschuldigten L. seit dem 01.12.2006 ein Haftbefehl bestand und dass der Beschleunigungsgrundsatz auch bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl in besonderer Weise zu beachten ist. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung der Beschuldigten L., M. und F. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Selbst der Umstand, dass der Angeklagte den Verteidiger des Beschuldigten L. am 23.12.2011 von der Freigabe der für den Beschuldigten L. hinterlegten Kaution an die Sicherungsgeberin E. D. in Kenntnis setzte - wodurch sein Wissen um die fehlerhafte, eine Strafverfolgung bereits seit geraumer Zeit verhindernde Verfahrensführung und das Fortbestehen des Haftbefehls aktualisiert wurde -, hatte nicht zur Folge, dass die gebotene Wiederaufnahme des Verfahrens und eine gegen die Beschuldigten L. und F. noch mögliche Anklageerhebung erfolgte. Dem Angeklagten war auch bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt, zumal wenn dies - wie bei den Beschuldigten L. und M. - zum Eintritt der Verfolgungsverjährung führt.
49 
3. Ermittlungsverfahren h) gegen S.
50 
Der Angeklagte führte aufgrund einer Strafanzeige der Polizeidirektion F. - Kriminalpol.-Außenstelle M. vom 11.04.2008 seit dem 16.04.2008 unter dem Aktenzeichen (...) Js 11219/08 ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten A. S. wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung. Gegenstand des Verfahrens war der - zutreffende - Vorwurf, dass der Beschuldigte S., der im Altenpflegeheim (…) in B. als Krankenpfleger gearbeitet hatte, dort am 10.02.2008 - nicht ausschließbar im Zustand verminderter Schuldfähigkeit - zur Überführung eines unbekannten Diebes mehrere von ihm zerkleinerte Tabletten mit den Wirkstoffen Levomepromazin, Clozapin und Haloperidol dem in einer Dose aufbewahrten Müsli der geschädigten Krankenschwester L. F. untergemischt hatte, wobei er die erhebliche Gesundheitsbeschädigung der unbekannten Zielperson billigend in Kauf genommen hatte und ihm bewusst gewesen war, dass auch die Geschädigte F. das Müsli verzehren könnte. Nach Konsum des Müslis am 11.02.2008 hatte die Geschädigte F. über Schwindel geklagt und das Bewusstsein verloren, und hatte wegen der durch die Tabletten verursachten Medikamentenvergiftung bis zum 18.02.2008 auf der Intensivstation des Universitätsklinikums F. verbleiben müssen. Sie war in der Folgezeit mindestens ein halbes Jahr krankgeschrieben gewesen.
51 
Nach Eingang des rechtsmedizinischen Gutachtens und Gewährung von Akteneinsicht an den damaligen Verteidiger des Beschuldigten S., Rechtsanwalt K., gelangte am 15.10.2008 als Anlage eines Verteidigerschriftsatzes vom 14.10.2008 eine geständige Einlassung des Beschuldigten S. zur Akte. Der Verteidiger regte eine Erledigung des Verfahrens im Strafbefehlsverfahren an und erklärte, sein Mandant werde jede im Strafbefehlsverfahren festgesetzte Strafe akzeptieren. Obwohl das Verfahren nun - wie der Angeklagte wusste - abschlussreif war, schloss er das Verfahren in der Folgezeit weder durch einen Strafbefehlsantrag noch eine Anklageerhebung ab.
52 
Das Verfahren wurde zum 16.04.2009 nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des fälligen Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 30.04.2009 den Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag zum Amtsgericht S., obwohl ein solcher weder zum Zeitpunkt der Verfügung bereits diktiert war noch in der Folgezeit zur Akte bzw. zu Gericht gelangte. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung allerdings nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ihm ging es allein darum, den Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
53 
Aufgrund der Verfügung vom 30.04.2009 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
54 
Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, gegen den Beschuldigten S. Anklage zu erheben. Spätestens ab Beginn des Jahres 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Durch die erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung wurde der Beschuldigte S. zu Unrecht begünstigt.
55 
Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft F. am 20.08.2012 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten S. wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, der am 10.09.2012 durch das Amtsgericht S. erlassen und am 27.09.2012 rechtskräftig wurde (...). Als bestimmender Strafzumessungsgrund wurde vom Amtsgericht die ungewöhnlich lange, vom Beschuldigten S. nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt.
56 
Dem Angeklagten war aufgrund des im Oktober 2008 abgegebenen Geständnisses des Beschuldigten bekannt, dass dem Beschuldigten die Tat nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Ihm war aufgrund von Aktenanforderungen des Landgerichts F., zahlreicher Sachstandsanfragen der I.-Krankenkasse sowie der von ihm veranlassten Übersendung eines Aktendoppels zur Aktenrekonstruktion durch den Verteidiger Rechtsanwalt K. am 30.05.2011 dauerhaft und mit sicherem Wissen bewusst, dass er es pflichtwidrig unterließ, gegen den Beschuldigten S. Strafbefehlsantrag zu stellen oder Anklage zu erheben. Die Akte befand sich ab April 2009 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten Anklageerhebung am 30.04.2009 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch nicht mehr gefördert worden ist. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab Beginn des Jahres 2010 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung des Beschuldigten S. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
57 
4. Ermittlungsverfahren i gegen S. u.a.
58 
Der Angeklagte führte aufgrund einer Strafanzeige der Polizeidirektion O. - Kriminalpolizei Außenstelle L. vom 07.11.2008 seit Registereintrag am 01.12.2008 unter dem Aktenzeichen i) ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten S., St., M. und G. wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags bzw. der gefährlichen Körperverletzung. Der Angeklagte war als Bereitschaftsstaatsanwalt mit dem Verfahren befasst gewesen und hat das Verfahrens in der Folge in sein Dezernat übernommen. Gegenstand des Verfahrens war u.a., dass der Beschuldigte S. am 11.10.2008 als Türsteher der Diskothek M. in M. nach einer Auseinandersetzung mit den Mitbeschuldigten M. und G. diese nach deren Flucht verfolgt und im Zuge eines Gerangels dem zwischenzeitlich unbewaffneten M. mit einem Messer hinten am Hals eine Schnittverletzung mit 15 cm Länge und 4 cm Tiefe mit Durchtrennung von Muskeln und Gefäßen sowie weitere Schnitt-/Stichverletzungen zugefügt hatte sowie diesem, als er am Boden lag, mit dem beschuhten Fuß gegen die Stirn- bzw. Schläfenregion getreten und hierdurch ein Schädel-Hirn-Trauma mit intercerebraler Blutung verursacht hatte.
59 
Nach Vernehmung des Beschuldigten S. am 19.12.2008 übersandte der polizeiliche Sachbearbeiter mit Schreiben vom 05.01.2009, das am 19.01.2009 bei der Staatsanwaltschaft einging, neben anderen Unterlagen einen umfassenden Schlussbericht. Nach erneuter Bewilligung von Akteneinsicht an den Verteidiger des Beschuldigten S., Rechtsanwalt Dr. Dr. H., nahm der Verteidiger mit Schriftsatz vom 27.01.2009 abschließend Stellung. Er wies u.a. darauf hin, dass sein Mandant in seiner Vernehmung eingeräumt habe, dem Geschädigten mit einem Küchenmesser die durch die Rechtsmedizin festgestellten Verletzungen zugefügt zu haben. Sein Mandant halte es auch für möglich, dass er aus Wut auch auf die bereits am Boden liegende Person eingetreten und dabei möglicherweise die Verletzung an der Schläfe dem Geschädigten zugefügt habe. Wenngleich auch von Seiten der Verteidigung nicht davon ausgegangen werde, dass die Tatbestandsmerkmale des § 32 StGB voll umfänglich erfüllt seien, sei gleichwohl zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte dem Geschädigten die Verletzungen zugefügt habe, um sich aus dessen Griff zu befreien. Ein Tötungsvorsatz sei nicht anzunehmen. Der Verteidiger regte abschließend an, dass Verfahren wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung im Strafbefehlswege zu erledigen. Damit war das Verfahren abschlussreif. Ohne dass weitere Ermittlungen durchgeführt wurden oder für eine Anklageerhebung notwendig gewesen wären, unterließ der Angeklagte in der Folgezeit jedoch eine Anklageerhebung bzw. einen Strafbefehlsantrag gegen den Beschuldigten S..
60 
Das Verfahren wurde zum 01.12.2009 nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des fälligen Rückstandsberichts stellte der Angeklagte das Verfahren gegen die Beschuldigten G. und M. mit Verfügung vom 30.11.2009 gemäß § 154f StPO vorläufig ein. Das Verfahren gegen den Beschuldigten St. stellte er mit Verfügung vom gleichen Tag nach § 170 Abs. 2 StPO ein und führte zur Begründung aus, die schwerwiegenden Verletzungen seien dem Geschädigten durch den Beschuldigten S. beigebracht worden. Hinsichtlich des Beschuldigten S. verfügte der Angeklagte am 30.11.2009 den Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag, obwohl ein solcher weder zum Zeitpunkt der Verfügung bereits diktiert war noch in der Folgezeit zur Akte bzw. zu Gericht gelangte. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung allerdings nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ihm ging es allein darum, den Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
61 
Aufgrund der Verfügung vom 30.11.2009 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
62 
Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, gegen den Beschuldigten S. Anklage zu erheben. Spätestens ab Mai 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Durch die erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung wurde der Beschuldigte S. zu Unrecht begünstigt.
63 
Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens am 10.07.2012 beantragte die Staatsanwaltschaft F. am 27.08.2012 gegen den Beschuldigten S. den Erlass eines Strafbefehls wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, der am 10.09.2012 vom Amtsgericht Ettenheim erlassen und am 27.09.2012 rechtskräftig wurde (…).
64 
Dem Angeklagten war aufgrund des im Dezember 2008 abgegebenen Geständnisses des Beschuldigten S. bekannt, dass ihm eine gefährliche Körperverletzung nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten befanden sich ab Dezember 2009 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten Anklageerhebung am 30.11.2009 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch nicht mehr gefördert worden ist. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab Mai 2010 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung des Beschuldigten S. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
65 
5. Ermittlungsverfahren j und k) gegen P. K.
66 
Der Angeklagte war zumindest seit 2006 bis Ende Juni 2012 für Ermittlungsverfahren gegen den mehrfach wegen Betrugs vorbestraften Beschuldigten P. K. zuständig. In dieser Zeit ging bei der Staatsanwaltschaft F. sukzessive eine Vielzahl von Strafanzeigen und polizeilichen Formblattanzeigen gegen den Beschuldigten K. wegen gewerbsmäßigen Betrugs ein, die auf das Dezernat (...) des Angeklagten eingetragen bzw. vom Angeklagten aus anderen Dezernaten übernommen und zu den bei ihm anhängigen Verfahren verbunden wurden.
67 
Unter dem Aktenzeichen j) führte der Angeklagte aufgrund einer Strafanzeige der Polizeidirektion F. - Verkehrspolizei, Ermittlungsdienst Umwelt - vom 27.04.2009 ein am 20.05.2009 bei der Staatsanwaltschaft F. eingegangenes Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten K. und dessen Ehefrau A. M. K. wegen einer Vielzahl von gewerbsmäßigen Betrugstaten in Bezug auf den Verkauf von Nintendo-Spielkonsolen. In der polizeilichen Strafanzeige vom 27.04.2009, der entsprechende Zeugenvernehmungen angeschlossen waren, wurde den Beschuldigten unter anderem vorgeworfen, in insgesamt 89 Fällen über die Verkaufsplattform "Ebay" unter verschiedenen Mitgliedsnamen Nintendo-Spielkonsolen und andere Artikel gegen vorherige Überweisung verkauft zu haben, wobei lediglich in 2 Fällen - davon in einem Fall beschädigt - die Ware geliefert worden sei. Der polizeiliche Sachbearbeiter führte aus, mehrheitlich sei festzustellen gewesen, dass die Begehungsweise wie folgt ablaufe: Der in Ebay eingestellt Artikel werde verkauft, obwohl er offensichtlich nicht im Eigentum der Beschuldigten stehe. Nachdem der jeweilige Betrag auf dem Konto von A. K. eingegangen sei, werde stillgehalten. Nach mehreren Kontakten (Mail/Telefon) werde dem Käufer erklärt, dass man selbst reingefallen sei. Die Ehefrau habe eine größere Menge gekauft, bezahlt und nicht erhalten. Für den Schaden wolle man aufkommen, man habe jedoch aufgrund der großen Verluste Zahlungsschwierigkeiten. In 48 Fällen seien nach langwierigen Rückfragen der Käufer Teilbeträge zurückerstattet worden, wobei sich die Restschulden jeweils auf Beträge zwischen 30 bis ca. 260 EUR belaufen hätten und die Käufer die Sache auf sich beruhen ließen. Käufern, die mit einem Rechtsanwalt bzw. einer Strafanzeige gedroht hätten, sei der Kaufpreis vollständig zurückbezahlt worden. Der Beschuldigte K. habe am 15.10.2007 und am 13.10.2008 beim Amtsgericht S. die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Insoweit bestehe zudem der Verdacht einer falschen Versicherung an Eides Statt. Schließlich bestehe der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 14 GewO.
68 
Im Einzelnen bestand zumindest in den nachfolgend genannten Fällen der - zutreffende - Verdacht, dass der Beschuldigte K. zur Erschließung einer dauerhaften Einnahmequelle über die Verkaufsplattform "Ebay" unter den Verkäufer-Mitgliedsnamen „(…)“ und "(…)" an 43 Geschädigte eine Spielkonsole Nintendo verkaufte, die er - entsprechend seinem Tatplan - nach Eingang der Überweisungen per Vorkasse nicht lieferte und hinsichtlich derer er nach Reklamation durch die Geschädigten - wie von Anfang an einkalkuliert - nur einen Teilbetrag zurückerstattete, und zwar am
69 
21.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 240,99 EUR, offener Restbetrag: 100,99 EUR),
15.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 238,79 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 100,99 EUR),
02.03.2008 z.N. (…) (Überweisung: 229,99 EUR, offener Restbetrag: 159,99 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 219,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
19.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 227,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 225,61 EUR, offener Restbetrag: 75 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 228,57 EUR, offener Restbetrag: 158,57 EUR),
21.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 240,99 EUR, offener Restbetrag: 60 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 230,99 EUR, offener Restbetrag: 70,99 EUR),
11.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 231,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 210,99 EUR, offener Restbetrag: 90,99 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 212,99 EUR, offener Restbetrag: 92,99 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 231 EUR, offener Restbetrag: 111 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 230 EUR, offener Restbetrag: 90 EUR),
25.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 225,99 EUR, offener Restbetrag: 175,99 EUR),
22.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 232,99 EUR, offener Restbetrag: 67,99 EUR),
19.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 227,99 EUR, offener Restbetrag: 30 EUR),
18.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 239,99 EUR, offener Restbetrag: 139,99 EUR),
07.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 226,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
21.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 235,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
14.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 231 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 238,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 250,04 EUR, offener Restbetrag: 100,04 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 211,99 EUR, offener Restbetrag: 111,99 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 236,31 EUR, offener Restbetrag: 136,31EUR),
22.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 228,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 229,98 EUR, offener Restbetrag: 129,98 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 237,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
25.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 230,99 EUR, offener Restbetrag: 60 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 250,98 EUR, offener Restbetrag: 200,98 EUR),
25.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220 EUR, offener Restbetrag: 120 EUR),
14.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 244,32 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 226,49 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 226,35 EUR, offener Restbetrag: 176,35 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 244,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 233,13 EUR, offener Restbetrag: 133,13 EUR),
22.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
30.07.2008 z.N. (…) (Überweisung: 160,99 EUR, offener Restbetrag: 110,99 EUR),
30.07.2008 z.N. (…) (Überweisung: 170,98 EUR, offener Restbetrag: 120,98 EUR),
30.07.2008 z.N. (…) (Überweisung: 170,88 EUR, offener Restbetrag: 120,88 EUR).
70 
Außerdem war Gegenstand des Verfahrens j) der - zutreffende - Vorwurf des Betrugs zum Nachteil der T. GmbH durch Buchung von Reiseleistungen im Wert von 2.130,00 EUR am 22.12.2008 unter Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit. Das ursprünglich unter dem Aktenzeichen l) am 30.06.2009 bei der Staatsanwaltschaft F. eingegangene Verfahren war am 25.01.2010 vom Angeklagten zum Verfahren j) verbunden worden. In der Strafanzeige des Polizeipostens B. vom 24.06.2009 wurde ausgeführt, der Beschuldigte K. habe im Internet bei dem Reiseveranstalter einen 6-tägigen Hotelaufenthalt an der Ostsee gebucht, die fällige Lastschrift sei jedoch nicht ausgeführt worden. Der Beschuldigte sei bereits mehrfach wegen Betrugs polizeilich in Erscheinung getreten und dürfte sich seiner Zahlungsunfähigkeit bereits bei Buchung der Reise bewusst gewesen sein.
71 
Das Verfahren j) wurde zum 20.05.2010 nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Am 18.05.2010 verfügte der Angeklagte die vorläufige Einstellung des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf das Verfahrenk) und stellte in einem Vermerk klar, dass die Vorwürfe der falschen Versicherung an Eides Statt und der Ordnungswidrigkeit zum Verfahren k) übernommen würden. Mitteilungen an die Verfahrensbeteiligten unterblieben. Der Angeklagte beabsichtigte, zu einem späteren Zeitpunkt die gegen den Beschuldigten K. anhängigen Verfahren gemeinsam abzuschließen und die Vorwürfe in einer Anklage zusammenzufassen. Die Akten des Verfahrens j) nahm er als Beiakten zum Verfahren k).
72 
Aufgrund der Verfügung vom 18.05.2010 wurde das Verfahren j) von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
73 
Das am 04.11.2009 aufgrund einer Strafanzeige des Polizeipostens B. vom 28.10.2009 bei der Staatsanwaltschaft eingegangene Bezugsverfahren k) hatte der Angeklagte mit Verfügung vom 18.05.2010 von Dezernat 350 Js auf sein Dezernat übernommen und zugleich Termin zur Vernehmung des Beschuldigten K. auf 28.05.2010 bestimmt. Nach Hinzuverbindung weiterer Verfahren waren Gegenstand des Verfahrens - neben weiteren Vorwürfen - mehrfache durch den Beschuldigten K. über die Verkaufsplattform Ebay abgewickelte Versteigerungen eines nicht vorhandenen Smartphones Nokia N900, und zwar
74 
- am 19.12.2009 an den Geschädigten (…) für 356,60 EUR (urspr. Aktenzeichen 350 Js 7833/10)
- am 19.12.2009 an den Geschädigten (…) für 517,56 EUR (urspr. Aktenzeichen (...) Js 14661/10, Strafanzeige des Polizeipräsidiums B. vom 18.01.2010) und
- am 22.12.2009 an den Geschädigten (…) für 524,46 EUR (urspr. Aktenzeichen 350 Js 11162/10, Strafanzeige der Polizei H. vom 11.02.2010),
75 
wobei die Lieferung jeweils plangemäß trotz Überweisung des Kaufpreises unterblieb. Wegen des Betrugs z.N. des Geschädigten (…) war von der Dezernentin des Dezernats 350 bereits am 09.04.2010 ein Strafbefehlsantrag zum Amtsgericht S. gegen A. M. K. über 20 Tagessätze zu je 40 EUR unterschrieben worden, den der Angeklagte auf der Geschäftsstelle angehalten hatte, und das Verfahren zum Verfahren k) übernahm.
76 
Zum 04.11.2010 wurde das Verfahren k) nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 04.11.2010 die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO gegen die Beschuldigten P. K., A. K. und M. K. Als Begründung gab er an, dass sich nach den durchgeführten Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten nach § 263 StGB ergeben hätten. Zwar hätten die Beschuldigten verschiedentlich Waren verkauft bzw. teilweise versteigert und in einigen Fällen Waren nicht geliefert. Allerdings sei es lediglich in einigen Fällen zu Unregelmäßigkeiten gekommen, weil die eigenen Lieferanten die von den Beschuldigten weiterverkauften Waren ihrerseits nicht geliefert hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beschuldigten zum Zeitpunkt des jeweiligen Weiterverkaufs die Kunden über ihre Lieferfähigkeit getäuscht hätten oder hätten täuschen wollen. In einer Vielzahl von Fällen sei der jeweilige Kaufpreis - wenn auch teilweise verzögert -zurückbezahlt worden. Auch dies zeige auf, dass die Beschuldigten ohne Betrugsabsicht gehandelt hätten. Bei dieser Sachlage sei das Verfahren einzustellen. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass die von ihm angegebene Begründung sachlich nicht zutreffend war und dass die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO angesichts des bestehenden Tatverdachts nicht vorlagen. Die Einstellungsverfügung erfolgte aus Sicht des Angeklagten lediglich zum Schein, um die Geschäftsstelle zum Registeraustrag zu veranlassen. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Er verfügte zwar die Einstellungsnachrichten an Polizei, Beschuldigte und Geschädigte, versah diese Verfügung aber mit dem Zusatz "nach Sichtung der unten angeforderten Akten", so dass Einstellungsnachrichten unterblieben. Die Verfügung schloss mit der Aktenanforderung von zwei Ermittlungsakten aus einem anderen Dezernat. Der Angeklagte nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
77 
Aufgrund der Verfügung vom 04.11.2010 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
78 
Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, das Verfahren k) wieder aufzunehmen und zumindest wegen der genannten Straftaten Anklage gegen den Beschuldigten K. zu erheben. Auch unterließ er bewusst die Wiederaufnahme des vorläufig nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten Verfahrensj), was wegen der unterbliebenen Anklageerhebung im Bezugsverfahren k) geboten gewesen wäre.
79 
Spätestens ab April 2011 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Durch die erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung wurde der Beschuldigte K. zu Unrecht begünstigt.
80 
Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens erhob die Staatsanwaltschaft F. im Verfahren j) am 28.12.2012 Anklage zum Amtsgericht S. Im Verfahren k) erhob die Staatsanwaltschaft nach Verbindung mit dem Verfahren m) und weiteren Verfahren am 31.05.2013 Anklage zum Amtsgericht S. Nach Verbindung der Verfahren wurde der Beschuldigte K. durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 07.04.2014 im Verfahren j), rechtskräftig seit 29.04.2014, wegen Betrugs in 75 Fällen sowie wegen versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht erklärte zur Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt, wobei es die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - neben anderen Verzögerungsgründen - auch mit den Einstellungsverfügungen vom 18.05.2010 im Verfahren j) (Anklage vom 28.12.2012) und 04.11.2010 im Verfahren m) (Anklage vom 31.05.2013) begründete. Bezüglich der oben genannten Taten aus dem Verfahren j) verhängte das Amtsgericht wegen Betrugs in 43 Fällen durch den Verkauf von Nintendo-Spielkonsolen jeweils Einzelstrafen von einem Monat Freiheitsstrafe, soweit der offene Restbetrag bis einschließlich 100 EUR betrug, und von zwei Monaten Freiheitsstrafe bei darüber hinausgehenden Restbeträgen. Wegen des Betrugs zum Nachteil der T. GmbH durch Buchung von Reiseleistungen wurde eine Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Bezüglich der genannten Taten aus dem Verfahren j) verhängte das Amtsgericht wegen Betrugs in drei Fällen durch den Verkauf von Smartphones jeweils Einzelstrafen von drei Monaten Freiheitsstrafe.
81 
Dem Angeklagten war aufgrund der Vielzahl der gleichartigen Vorwürfe und der vorgelegten Erkenntnisse über die finanzielle Situation des Beschuldigten K. bekannt, dass dem Beschuldigten die Taten nachzuweisen gewesen wären und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten sind die Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten befanden sich ab Mai 2010 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass die Verfahren seit der Einstellungsverfügung vom 18.05.2010 und der zum Schein erfolgten Einstellungsverfügung vom 04.11.2010 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen und von ihm auch nicht mehr gefördert worden sind. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab März 2011 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung des Beschuldigten K. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
82 
6. Ermittlungsverfahren n) gegen S.
83 
Der Angeklagte führte seit dem 05.03.2011 unter dem Aktenzeichen n) ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten D. W. S. wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen. Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens war der - zutreffende - Vorwurf, dass der Beschuldigte S. am Abend des 03.03.2011 in seiner Wohnung in S. seiner 16-jährigen Stieftochter zunächst drei Beruhigungstabletten Oxazepam mit der Behauptung, dass diese lustig machten, verabreicht und mit dieser zusammen Alkohol - auf die Geschädigte entfielen 13 bis 15 Liköre „Kleiner Feigling“ - konsumiert hatte und ihr sodann in der Nacht auf den 04.03.2011 - als sie in einen tiefen Schlaf versunken war - unter Ausnutzung dieses Zustandes den Slip ausgezogen hatte und mit seinem Finger in deren Vagina eingedrungen war, wobei er von der Vagina der Geschädigten und dem Eindringen in diese Lichtbilder mit seinem Mobiltelefon anfertigte.
84 
Wegen dieses Vorwurfs beantragte der Angeklagte am 05.03.2011 als Bereitschaftsstaatsanwalt beim Amtsgericht F. gegen den Beschuldigten Haftbefehl, der am gleichen Tag erlassen wurde (…). Der Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt H., erklärte mit Schreiben vom 07.04.2011 für den Beschuldigten, dass dieser die ihm im Haftbefehl zur Last gelegte Tat in vollem Umfang einräume. Durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 19.04.2011 wurde der Haftbefehl gem. § 116 StPO außer Vollzug gesetzt, wobei der fortbestehende dringende Tatverdacht auch mit dem umfassenden Geständnis des Beschuldigten im Haftprüfungstermins vom 19.04.2011 begründet wurde. Der Beschuldigte wurde angewiesen, sich zweimal wöchentlich bei der Polizei zu melden, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Erlaubnis der Staatsanwaltschaft zu verlassen und vorhandene Ausweispapiere (Personalausweis und Reisepass) zu den Akten zu geben. Außerdem wurde ihm untersagt, ohne ausdrückliches Einverständnis zu der Geschädigten Verbindung aufzunehmen.
85 
Mit Schlussbericht des polizeilichen Sachbearbeiters KHK S. vom 09.06.2011, bei der Staatsanwaltschaft eingegangen am 10.06.2011, war das Verfahren abschlussreif und die Tat des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger aufgrund des zweifachen Geständnisses des Beschuldigten sicher nachweisbar. Gleichwohl unterließ es der Angeklagte in der Folgezeit, gegen den Beschuldigten S. die gebotene Anklage zu erheben.
86 
Zum 05.03.2012 wurde das Verfahren gegenüber der Behördenleitung berichtspflichtig. Zur Vermeidung des Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 02.03.2012 die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung, dass sich der anfänglich bestehende Tatverdacht nicht hinreichend erhärtet habe. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass die angegebenen Einstellungsgründe sachlich unzutreffend waren und die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vorlagen. Die Einstellungsverfügung erfolgte aus Sicht des Angeklagten lediglich zum Schein, um die Geschäftsstelle zum Registeraustrag zu veranlassen. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Daher verfügte er auch keine Einstellungsnachricht an die Verfahrensbeteiligten. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
87 
Aufgrund der Verfügung vom 02.03.2012 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
88 
Spätestens ab dem Zeitpunkt des Registeraustrags am 02.03.2012 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Trotz bestehenden, weiterhin außer Vollzug gesetzten Haftbefehls und weiterer Sachstandsanfragen des Rechtsanwalts der Geschädigten vom 19.03. und 09.05.2012 erfolgte bis zur Entdeckung seiner Tat am 25.06.2012 keine Nachholung der gebotenen Anklageerhebung. Hierdurch wurde die Strafverfolgung für einen erheblichen Zeitraum vereitelt. Der Beschuldigte wurde durch die Verfahrensverzögerung einerseits begünstigt, andererseits bedeutete die Verzögerung für ihn in Anbetracht des bestehenden Haftbefehls und der bestehenden Auflagen aus dem Beschluss des Amtsgerichts F. vom 19.04.2011 zugleich eine besondere Belastung.
89 
Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens erhob die Staatsanwaltschaft F. gegen den Beschuldigten S. zeitnah Anklage zum Amtsgericht - Schöffengericht - F., das ihn mit Urteil vom 28.11.2012, rechtskräftig seit 04.12.2012, wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilte (…). Das Gericht berücksichtigte im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich strafmildernd, dass der Beschuldigte durch die lange Verfahrensdauer, die er nicht zu vertreten habe, erheblich beeinträchtigt worden sei.
90 
Dem Angeklagten war aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses des Beschuldigten S. bekannt, dass dem Beschuldigten die Tat nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akte verblieb ab März 2012 bis zur Aufdeckung der Tat am 25.06.2012 im Dienstzimmer des Angeklagten. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten Einstellungsverfügung am 02.03.2012 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm bereits seit Juni 2011 nicht mehr gefördert worden ist. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab März 2012 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Dabei war dem Angeklagten insbesondere bekannt, dass gegen den Beschuldigten seit dem 05.03.2011 ein Haftbefehl bestand und dass der Beschleunigungsgrundsatz auch bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl in besonderer Weise zu beachten ist. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung bzw. besondere Belastung des Beschuldigten S. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung und den bestehenden Haftbefehl als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
III.
91 
1. Feststellungen zur Person
92 
(…)
93 
2. Feststellungen zur Sache
94 
2.1 Akteninhalt, Aktenführung, Abschlussverfügungen
95 
a) Zusammengefasst räumte der Angeklagte in der Hauptverhandlung den Gang und Verlauf der betroffenen Ermittlungsverfahren ohne Einschränkung ein. Er habe in den gegenständlichen Strafverfahren jeweils Verfügungen getroffen, die zum Austrag der jeweiligen Verfahren aus dem staatsanwaltschaftlichen Register führten, jedoch die Verfahren nicht sachgerecht abschlossen, und habe die jeweiligen Verfahren anschließend nicht mehr zum ordnungsgemäßen Abschluss durch eine Anklageerhebung gebracht. Zweck der Verfügungen sei lediglich der Austrag des Verfahrens aus dem Register gewesen, da es ihm nicht gelungen sei, die Verfahren innerhalb von 12 Monaten zu Ende zu bringen. Er habe die Erstellung eines Rückstandsberichts vermeiden wollen, der nach diesem Zeitablauf fällig geworden wäre, obwohl im einen oder anderen Fall durchaus nachvollziehbare Gründe für den unterbliebenen Verfahrensabschluss vorgelegen hätten. Er habe Zeit gewinnen wollen, um die Verfahren dann, wenn es ihm möglich werden würde, zum Abschluss zu bringen. Hinter der Art des von ihm zum Schein getroffenen Verfahrensabschlusses - Anklage oder Einstellungsverfügung - habe keine Systematik gestanden. Es sei ihm allein um den Verfahrensaustrag gegangen. Die Geschäftsstelle hätte ohne eine schriftliche Verfügung keinen Registeraustrag vorgenommen. In den ihm vorgeworfenen Fällen sei es zu Fehlern gekommen, er habe jedoch nicht die Absicht gehabt jemanden zu bevor- oder benachteiligen. In jedem einzelnen Fall habe er die Erwartung gehabt, das Verfahren noch zum Abschluss zu bringen. Ab dem Zeitpunkt der von ihm vorgenommenen Scheinverfügungen habe er die Akten, die sich bei in seinem Dienstzimmer befanden, immer präsent gehabt.
96 
b) Neben der Einlassung des Angeklagten beruhen die bezüglich der Taten Nr. 1 bis 6 getroffenen objektiven Feststellungen zu dem jeweiligen Inhalt der Ermittlungsakten sowie der jeweils genannten Strafanzeigen und Schreiben, zu der Aktenführung durch den Angeklagten, den ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und den vom Angeklagten jeweils getroffenen Verfügungen auf den jeweiligen Aktenbestandteilen, die als Urkunden in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.
97 
c) Die Aktenführung und Registerausträge wurden auch durch die Vernehmung der für den Angeklagten zuständigen Servicemitarbeiterinnen bestätigt.
98 
Die für den Angeklagten zuständig Servicemitarbeiterin D. gab als Zeugin an, sie habe mit dem Angeklagten etwa zehn Jahre lang zusammen gearbeitet. Zur Einhaltung der Berichtspflichten habe sie dem Angeklagten diejenigen Verfahren vorgelegt, die demnächst rückständig werden würden. Es sei vorgekommen, dass der Angeklagte eine Einstellungsverfügung gefertigt habe und sich die Akten habe wiedervorlegen lassen. Er sei dann schnell bei ihr vorbei gekommen und sie habe den Registeraustrag gemacht. Ohne eine schriftliche Abschlussverfügung hätten sie und ihre Kolleginnen nie etwas ausgetragen. An der Richtigkeit der Verfügung habe sie nie gezweifelt. Es habe auch Fälle - wie viele wisse sie nicht - gegeben, in denen das Verfahren zunächst ausgetragen worden sei und die richtigen Einstellungsgründe und Mitteilungen erst später gemacht worden seien. Es habe aber auch andere Verfahren gegeben, die der Angeklagte wirklich aus den Augen verloren habe. Die Zeugin D. bestätigte, dass sie in den Verfahren M. und K. den Registeraustrag vorgenommen habe. Im Verfahren S. habe dies eine Vertreterin gemacht. Im Verfahren L. wisse sie nicht, wer den Austrag vorgenommen habe, da die Verfügung nicht mehr vorhanden sei. Wer das Verfahren S. ausgetragen habe, wisse sie auch nicht. Wenn bei den ausgetragenen Verfahren noch Post gekommen sei, beispielsweise in den Sachen K. oder M., habe der Angeklagte zu ihr gesagt, sie solle ihm die Post geben, er sei "noch dran". Die Zeugin S. bestätigte, im Verfahren S. in Vertretung von Frau D. den Registeraustrag gefertigt zu haben.
99 
d) Dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Registeraustrags jeweils die Absicht gehabt hätte, die Verfahren dauerhaft nicht mehr zu bearbeiten, war vor dem Hintergrund seiner glaubwürdigen Einlassung und der Angaben der Zeugin D. für die Kammer daher nicht festzustellen. Für die Einlassung des Angeklagten, er habe alle Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß erledigen wollen, sprach insbesondere, dass er die Verfahrensakten in allen Fällen in seinem Zimmer aufbewahrte und dem möglichen Zugriff der Servicemitarbeiter und Vorgesetzten nicht vorenthielt. Soweit Sachstandsanfragen von Geschädigten oder Anzeigeerstattern eingingen - wie im Verfahren Mai von der Fa. B. -, teilte der Angeklagte mit, dass die Ermittlungen noch andauern würden.
100 
Dass der Angeklagte die Verfahren nicht als abgeschlossen ansah, fand schließlich auch Bestätigung durch die Angaben des Zeugen H., des früheren Leiters der Staatsanwaltschaft F.. Dieser berichtete über die Situation, als der Angeklagte im Verfahren S., das wegen mehrfacher Nachfragen des Rechtsanwalts der Geschädigten Auslöser der Ermittlungen gegen den Angeklagten war, erstmals mit dem Vorwurf einer unsachgemäßen Verfahrenseinstellung konfrontiert wurde. Der Angeklagte habe die Verfahrensweise nicht abgestritten und spontan geäußert, er habe nicht gewollt, dass das Verfahren dauerhaft eingestellt bleibe, er habe nur Zeit gewinnen wollen.
101 
e) Zu den Berichtspflichten für rückständige Verfahren wurden die Hinweise des Leiters der Staatsanwaltschaft F. zur Berichtspflicht nach BeStra Abschnitt III und zur Fassung der Rückstandsberichte vom 25.08.2000 und die Verfügung des Leiters der Staatsanwaltschaft F. vom 22.02.2011 verlesen.
102 
2.2 Arbeitsbelastung des Angeklagten
103 
a) Der Angeklagte verwies im Zusammenhang mit den gegenständlichen Ermittlungsverfahren auf seine deutliche Arbeitsüberlastung, die einer zeitnahen Erledigung der Verfahren entgegenstanden sei. Er habe im Zeitraum von 2005 bis Mitte 2012 insgesamt 8626 Strafverfahren bearbeitet. Zusätzlich habe er ab dem Jahr 2002 Aufgaben des damaligen Abteilungsleiters mitübernommen, nämlich die Betreuung des Assessors und dessen Gegenzeichnung (von 2002 bis 2009); daneben habe er Studentenpraktika und die Plädierkurse organisiert. Im Übrigen sei er nur mit 0,7 Arbeitskraftanteilen (AKA) bei der Staatsanwaltschaft F. beschäftigt gewesen, was jedenfalls bis Ende 2007 nicht berücksichtigt worden sei. In den beiden T-Verfahren sei die erste - sehr umfangreiche - Anklage am 27.12.2006 fertig gestellt worden. Am 18.02.2008 habe er die umfangreiche Anklage für das zweite Verfahren fertig gestellt. Zwar hätte er selbst nicht auf seine Überlastung hingewiesen, es hätte jedoch jeder von seiner starken Belastung gewusst. Infolge der Entlastung 2008, als der Amtsgerichtsbezirk M. aus seiner Zuständigkeit genommen wurde, habe er die Möglichkeit gehabt, die Rückstände aufzuarbeiten. Im Jahr 2009 sei eine hohe Belastung entstanden, da er im Frühjahr einige zeitintensive Mordverfahren in Vertretung des damaligen Abteilungsleiters bearbeitet habe. In diesem Jahr habe er über einen langen Zeitraum den Abteilungsleiter vertreten müssen. Hinzugekommen seien die Hauptverhandlung im T-Verfahren und mehrtägige Verhandlungen in Kapitaldelikten. Bis Ende April des Jahres 2010 seien die Eingangszahlen nicht mehr so hoch gewesen, er habe auch keine ganz besonderen Verfahren wie 2009 bearbeitet. In diesem Jahr habe er allerdings vier Wochen die Vertretung eines Kollegen übernommen. Bei dessen Dezernat habe er 12 oder 13 berichtspflichtige Verfahren abgebaut. Er habe auch sonst rückständige Verfahren abgebaut, um das Dezernat auf ein normales Niveau zu fahren. Er habe deshalb auch Akten über das Wochenende mit nach Hause genommen und bearbeitet. Es habe dann eine Mordserie begonnen die äußerst zeitintensive verdeckte Ermittlungen bis in den Herbst 2010 nach sich gezogen habe. Ab Dezember 2010 habe er in seiner Freizeit eine überaus zeitintensive Tätigkeit als Fußballtrainer der ersten und zweiten Mannschaft ausgeübt und habe nach Feierabend oder am Wochenende nicht mehr zu Hause gearbeitet. Der Bestand offener Verfahren sei zum Ende des Jahres 2010 auf 194 angestiegen. 38 Verfahren aus dem Jahr 2009 habe er abgearbeitet. Zum Ende des Jahres 2011 habe er den offenen Bestand trotz Vertretungen des Abteilungsleiters und neuer Kapitaldelikte auf 78 Verfahren abbauen können. Zu Beginn des Jahres 2012 sei der Schwerpunkt seiner Arbeit auf drei Kapitaldelikten gelegen, die im Vorjahr eingegangen seien.
104 
Die Kammer hat daher geprüft, ob dem Angeklagten die Bearbeitung und Erledigung der betroffenen Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung seiner individuellen Arbeitsbelastung und Leistungsfähigkeit überhaupt möglich und zumutbar gewesen ist. Hätte bei dem Angeklagten eine über die Maßen hohe Arbeitsbelastung vorgelegen, die ihm ein rechtzeitiges Tätigwerden tatsächlich unmöglich gemacht hätte, wäre ein strafrechtlicher Vorwurf nicht begründbar gewesen.
105 
b) Ausgangspunkt für die Beurteilung der Arbeitsbelastung des Angeklagten waren für die Kammer zunächst die objektiven Verfahrenszahlen, wie sie sich aus den in die Hauptverhandlung eingeführten Verfahrensstatistiken der Staatsanwaltschaft F. und den vom Angeklagten selbst gefertigten und erläuterten Aufstellungen darstellten.
106 
Der Angeklagte war seit dem 15.10.2003 mit einem Arbeitskraftanteil von 0,3 zu der so genannten T nach O. abgeordnet. Die dort von ihm bearbeiteten sehr umfangreichen Strafverfahren waren im Wesentlichen mit den Anklagen vom 27.12.2006 (66-seitig) und vom 18.02.2008 (42-seitig) abgeschlossen. Die jeweils wenige Tage dauernden Hauptverhandlungen, an denen der Angeklagte als Sitzungsvertreter teilnahm, fanden im Januar und Juli 2009 statt. Auch nach Abschluss der Verfahren bestand die Abordnung zu 0,3 Arbeitskraftanteilen formal fort. Bis zum Ende des Jahres 2007 wurde diese Abordnung jedoch bei der Staatsanwaltschaft F. nicht berücksichtigt. Erst ab dem Jahr 2008 erfolgte eine deutliche Entlastung des Angeklagten, der fortan nur noch einen Amtsgerichtsbezirk nebst Sonderzuständigkeiten zu bearbeiten hatte.
107 
Aus den Verfahrensstatistiken, die von dem Zeugen H. und dem Zeugen Oberstaatsanwalt M., dem früheren Abteilungsleiter des Angeklagten (ab Mai 2009), näher erläutert wurden, ergibt sich, dass der Angeklagte auf seinem Dezernat im Jahr 2007 1521 neue Verfahren und 1447 erledigte Verfahren zu verzeichnen hatte. Das führte zu einem Bestand an offenen Verfahren zum Jahresende von 239. Der Jahresdurchschnitt der Abteilungsdezernate (…) lag - bezogen auf 1,0 AKA - bei 1401 Eingängen.
108 
Im Jahr 2008 wurden 1003 Verfahren auf das Dezernat des Angeklagten eingetragen und 1153 Verfahren als erledigt ausgetragen. Der Bestand zum Jahresende betrug 89 offene Verfahren. Der Abteilungsdurchschnitt (1,0 AKA) lag bei 1279 Eingängen.
109 
Im Jahr 2009 gab es im Dezernat des Angeklagten 891 Eingänge und 814 Erledigungen, so dass der Bestand zum Jahresende 166 offene Verfahren betrug. Der Abteilungsdurchschnitt lag bei 1246 Eingängen.
110 
Im Jahr 2010 gab es im Dezernat des Angeklagten 855 Eingänge und 825 Erledigungen, so dass der Bestand zum Jahresende 194 offene Verfahren betrug. Der Abteilungsdurchschnitt lag bei 1225 Eingängen.
111 
Im Jahr 2011 wurden von dem Angeklagten bei 985 Eingängen 1101 Verfahren erledigt, so dass der Bestand zum Jahresende 78 offene Verfahren betrug. Der Abteilungsdurchschnitt lag bei 1268 Eingängen.
112 
im Jahr 2012 waren es bis zum Monat Juni noch 527 Verfahrenseingänge und 442 Erledigungen durch den Angeklagten.
113 
Berücksichtigt man im Jahr 2007, dass der Angeklagte bei der Staatsanwaltschaft F. bereits 8 % mehr Eingangszahlen zu verzeichnen hatte als der Abteilungsdurchschnitt (bezogen auf 1,0 AKA) und dass er zusätzlich zu 0,3 AKA an die Staatsanwaltschaft O. abgeordnet war, so lag seine Arbeitsbelastung nahezu 40 % über einer vollen Stelle. Nachdem zum 01.01.2008 die Zuständigkeit für den Amtsgerichtsbezirk S. weggefallen war, lagen seine Eingangszahlen bei der Staatsanwaltschaft F. in den Jahren 2008 bis einschließlich 2011 lediglich noch bei etwa 69 % (2010) bis 78 % (2008) im Vergleich zu den anderen Abteilungsdezernaten. Daraus folgt eine deutliche Überbelastung im Vergleich zu anderen Dezernenten bis zum Ende des Jahres 2007, die mit der Entlastung des Angeklagten ab dem Jahr 2008 jedoch im Wesentlichen behoben wurde.
114 
Wie der Angeklagte angegeben hat und Oberstaatsanwalt M. als Zeuge bestätigt hat, gingen mit dem Wechsel des Abteilungsleiters im Mai 2009 Veränderungen in dem Aufgabenbereich des Angeklagten einher. Die Assessorenbetreuung wurde von Oberstaatsanwalt M. übernommen. Dem Angeklagten wurde auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin die Zuständigkeit für Kapitaldelikte aus den Amtsgerichtsbezirke M., S. und T. zugewiesen. Unverändert behielt er als Sonderzuständigkeit die Bearbeitung der Sexualdelikte aus dem Bereich F.-Land und war zuständig für die Organisation und Durchführung des Studentenpraktikums. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass die Abordnung an die Staatsanwaltschaft O. mit 0,3 AKA fortbestand, die Verfahren - wie der Angeklagte selbst eingeräumt hat - mit der Hauptverhandlung im Juli 2009 abgeschlossen waren.
115 
Die Kammer kam daher zu der Feststellung, dass sich allein anhand der objektiven Dezernatsstatistiken eine Überbelastung jedenfalls ab dem Jahr 2008 nicht darstellen lässt.
116 
c) Unabhängig hiervon musste jedoch auch die individuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten in den Blick genommen werden. Selbst wenn die Anzahl der ihm zugewiesenen Verfahren jedenfalls ab 2008 im Vergleich nicht überdurchschnittlich hoch war, kann eine eingeschränkte individuelle Leistungsfähigkeit einer Rechtspflicht zum Handeln möglicherweise entgegenstehen.
117 
In diesem Zusammenhang hat die Kammer zunächst die eigene Einlassung des Angeklagten berücksichtigt. Schon nach der eigenen Einlassung des Angeklagten wird deutlich, dass er ab 2008 entlastet wurde. Es gab zwar immer wieder Phasen einer durchaus starken Belastung - wie in der ersten Jahreshälfte 2009 -, der Angeklagte wurde dieser Arbeitsbelastung aber stets gerecht und konnte insbesondere in den Jahren 2008 und 2011 besonders viele Verfahren abschließen. Eine Überlastungsanzeige hat der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt erstattet.
118 
Letzteres bestätigte der frühere Behördenleiter H. als Zeuge. Es sei allerdings klar gewesen, dass der Angeklagte anfangs stark belastet gewesen sei. Man habe auch darauf reagiert und zum Jahreswechsel 2007/2008 die Abteilung (…) um eine halbe Stelle aufgestockt. Der Amtsgerichts Bezirk S. sei dann in ein anderes Dezernat übertragen worden. Dies habe der Entlastung des Angeklagten gedient, wobei es schwierig gewesen sei, die 0,3 AKA-Abordnung des Angeklagten zur T einzuschätzen.
119 
Oberstaatsanwalt M., der im Mai 2009 die Leitung von Abteilung (…) übernommen hatte, erklärte, dass mit der Übernahme der Abteilungsleitung die Kapitaldelikte zwischen dem Angeklagten und ihm aufgeteilt worden seien. Der Angeklagte habe die Zuweisung von Kapitaldelikten, die er schon früher in Vertretung des damaligen Abteilungsleiters Dr. G. häufig bearbeitet hatte, ausdrücklich gewünscht. Als er die Abteilung übernommen habe, sei das T-Verfahren in O. weitestgehend abgeschlossen gewesen. Er habe mit dem Angeklagten über seinen 0,7 Arbeitskraftanteil gesprochen. Dieser habe daraufhin erwidert, das Verfahren sei fast abgeschlossen. Die Eingänge auf dem Dezernat des Angeklagten seien im Vergleich mit anderen Dezernaten der Abteilung gering gewesen. Der geringere Arbeitskraftanteil des Angeklagten sowie die Sexualdelikte seien bei der Geschäftsverteilung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, obwohl der Angeklagte signalisiert habe, dass die T-Verfahren abgeschlossen seien. Es sei ihm nicht in Erinnerung, dass der Angeklagte jemals eine Überlastung erwähnt hätte. Der Angeklagte sei im Gegenteil bereit gewesen, noch zusätzliche Aufgaben - wie etwa die Organisation des Studentenpraktikums zu übernehmen. Kapitaldelikte habe es während seiner Zeit als Abteilungsleiter nur wenige gegeben.
120 
Der Zeuge M. berichtete außerdem, dass es Ende des Jahres 2010 zwischen dem Angeklagten und ihm ein Streitgespräch gegeben habe, an dessen Verlauf er sich noch gut erinnere. Dabei sei es um die Geschäftsverteilung zum Jahreswechsel gegangen. Er habe sich für eine zusätzliche Arbeitskraft mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 stark gemacht hätte, die aber auch von einer anderen Abteilung beansprucht worden sei. Der Angeklagte habe ihn nach einer Abteilungsleiterbesprechung angebrüllt und gesagt, er verstehe nicht, warum er sich deshalb mit einer anderen Abteilung anlege, auf der eigenen Abteilung würde sich doch keiner beschweren. In diesem Zusammenhang habe der Angeklagte auch geäußert, dass er nicht überlastet sei - im Gegenteil - und keiner auf der Abteilung sei es.
121 
Zusammenfassend gab der Zeuge M. an, er habe nicht den Eindruck gehabt, der Angeklagte sei überlastet gewesen. Das hätten weder die Verfahrenszahlen noch die Dienststunden, die der Angeklagte abgeleistet hätte, ergeben. Der Angeklagte sei weder als erster gekommen, noch als letzter gegangen. Üblicherweise sei er morgens etwa gegen 9:00 Uhr gekommen und etwa gegen 17:00 Uhr wieder gegangen.
122 
Insgesamt war die Aussage des Zeugen M. schlüssig und ersichtlich um Differenzierung hinsichtlich der eigenen Erinnerung bemüht, so dass für die Kammer keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen blieben.
123 
Was die Bürozeiten des Angeklagten anging, gab D. als Zeugin an, der Angeklagte sei morgens gegen 8:00 Uhr gekommen. Genau könne sie das jetzt nicht mehr sagen. Gegen 16:00 Uhr, 16:30 Uhr sei er nach Hause gegangen. Akten habe er immer mal mit nach Hause genommen. Sie habe ihm auch mal selbst welche gebracht, als er mal krank gewesen sei. Zur Arbeitsweise des Angeklagten, mit dem sie ca. 10 Jahre zusammengearbeitet hatte, gab sie an, dass der Angeklagte ein sehr gutes Ansehen in der Behörde gehabt habe. Sie hätte nie an seinen Fähigkeiten als Staatsanwalt gezweifelt. Es habe zwar auch Phasen gegeben, in denen etwas liegen geblieben sei - so z.B. während des Studentenpraktikums -, er habe das später aber alles wieder erledigt und "runtergefahren". Der Angeklagte habe zwar auch mal launische Tage gehabt, Veränderungen an ihm habe sie aber während der Zeit ihrer Zusammenarbeit nicht wahrgenommen. Von Problemen habe er ihr gegenüber nicht berichtet.
124 
Die Kammer hat schließlich berücksichtigt, dass der Angeklagten durchweg positiv dienstlich beurteilt wurde. Aus Anlass seiner Bewerbung auf das Amt eines Staatsanwalts (Gruppenleiter) gab der damalige Leiter der Staatsanwaltschaft F., Leitender Oberstaatsanwalt F., am 28.08.2006 eine dienstliche Beurteilung über den Angeklagten ab. Darin kam er zu dem zusammenfassenden Ergebnis, dass der Angeklagte einer der erfahrensten und belastbarsten Dezernenten der Behörde und die tragende Stütze seiner Abteilung sei. Ihm könnten jederzeit umfangreichste und schwierigste Verfahren zugewiesen werden, die er mit höchstem staatsanwaltschaftlichen-handwerklichen Geschick, mit größtem Engagement, aber nie überschießenden Eifer, sondern mit einer ihm selbstverständlich objektiven Haltung und mit reifem Verständnis für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Sinne der Durchsetzung des staatlichen Verfolgungsanspruches erfolgreich zum Abschluss bringe. Er werde die gestellten Anforderungen im Sinne der Beurteilungsrichtlinien für Richter und Staatsanwälte sogar teilweise übertreffen.
125 
Bei dem Angeklagten lagen im Tatzeitraum auch keine psychischen Erkrankungen vor, die seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt oder aufgehoben hätten. (…).
126 
d) Zusammengefasst war die Kammer nach einer Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise davon überzeugt, dass der Angeklagte seit 2008 weder objektiv noch subjektiv in einer Weise belastet war, die ihm die Erledigung der sechs in Rede stehenden Ermittlungsverfahren unmöglich gemacht hätte. Zwar war die Arbeitsbelastung phasenweise - wie im Frühjahr 2009 wegen aktueller Kapitalverfahren oder während der Krankheitsvertretung eines Kollegen im Jahr 2010 - durchaus hoch, ohne dass dies für einen Staatsanwalt jedoch besonders ungewöhnlich gewesen wäre. Spätestens ab Mitte 2009 lässt sich insgesamt jedoch eine allenfalls durchschnittliche Belastung feststellen, der der Angeklagte subjektiv durchweg gerecht wurde. Die täglichen Arbeits- und Bürozeiten wiesen keine Besonderheiten auf, zumal der Angeklagte - wie er selbst eingeräumt hat - in seiner Freizeit ab Ende 2010 einer sehr zeitaufwändigen Tätigkeit als (…)trainer nachging.
127 
2.3. Einzelheiten zu den jeweiligen Taten
128 
Rechtlicher Ausgangspunkt war bei allen Taten die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Unterlassen der nach § 170 Abs. 1 StPO gebotenen Anklageerhebung und die hierdurch unter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot entstandene Verfahrensverzögerung derart gravierend waren, dass der Rechtsverstoß den Vorwurf der Rechtsbeugung - also eine bewusste und schwerwiegende Entfernung von Recht und Gesetz - begründete. Insoweit war zu berücksichtigen, dass es in zeitlicher Hinsicht keine starren, gesetzlich vorgegebenen Fristen für den Abschluss von Ermittlungsverfahren gibt. Die staatsanwaltschaftsinternen Berichtspflichten dienen lediglich der Kontrolle und Überprüfung, ob der Beschleunigungsgrundsatz eingehalten wurde, besagen jedoch für sich genommen nichts über den gebotenen Zeitpunkt der Verfahrensabschlusses aus. Es war daher unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen. Dabei war einerseits die Arbeitsbelastung des Angeklagten zu berücksichtigen, andererseits mussten die Gewichtigkeit des Strafvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens (vgl. auch § 198 Abs. 1 S. 3 GVG), das Alter des Strafverfahrens, die Belastung des Strafverfahrens für den Beschuldigten und dessen Prozessverhalten und sonstige Dringlichkeitskriterien, wie es insbesondere bei Haftsachen, auch wenn ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist, der Fall ist, beachtet werden.
129 
Dieser Maßstab galt insbesondere auch für die Taten Nr. 5 (K.) und Nr. 6 (S.), bei denen der Angeklagte jeweils die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO verfügt hat. Abweichend von der in Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft vertretenen Rechtsauffassung ging die Kammer jeweils nicht von einer wirksamen, das Ermittlungsverfahren abschließenden und den Beschuldigtenstatus tatsächlich beendenden strafprozessualen Maßnahme aus. Die Einstellungsverfügung blieb jeweils - abgesehen von der Umgehung der Berichtspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft - ein rein behördeninterner Vorgang, der weder den Beschuldigten noch den Geschädigten oder sonstigen Stellen (Polizei) mitgeteilt wurde. Die Einstellungsverfügung hatte ausschließlich den Zweck, die Geschäftsstelle zum Austrag des Verfahrens aus dem Register zu veranlassen, um den fälligen Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen. Gegenüber Verfahrensbeteiligten und Anzeigeerstattern wurde auf Anfrage mitgeteilt, dass die Ermittlungen noch andauern. Es lag daher nach Auffassung der Kammer jeweils keine prozessual wirksame Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vor, an die allein sich der Vorwurf der Rechtsbeugung bzw. Strafvereitelung hätte anknüpfen lassen können. Hinsichtlich der Tat Nr. 2 (L. u.a.) konnte allein an die Einstellungsverfügung vom 29.06.2007 schon aus Verjährungsgründen kein strafrechtlicher Vorwurf angeknüpft werden.
130 
Im Einzelnen hat die Kammer zu den sechs gegenständlichen Taten die folgenden Aspekte in die Würdigung mit einbezogen und berücksichtigt.
131 
2.3.1. Tat Nr. 1 (Ermittlungsverfahren gg. S. M.)
132 
a) Der Angeklagte gab an, zum Zeitpunkt der Scheinverfügung vom 30.10.2007 sei er in einem Mordverfahren mit der Hauptverhandlung beschäftigt gewesen. Da die Sitzung noch mehrere Tage fortgesetzt worden sei, die Berichtspflicht jedoch fällig wurde, habe er die Verfügung getroffen. Er habe zu diesem Zeitpunkt weit überschießende Eingänge im Vergleich zum Abteilungsdurchschnitt gehabt. Zwar sei in dem T-Verfahren eine Anklage Ende 2006 abgeschlossen gewesen, es habe jedoch Beschwerdeverfahren wegen Arrestbeschlüssen gegeben, die in einer Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht gemündet hätten. Das habe Zeitaufwand bedeutet, weil er Stellungnahmen habe abgeben müssen. Bei dem zweiten T-Verfahren habe er Durchsuchungsanträge und Rechtshilfeersuchen gefertigt. 2007 hätte sich die Zahl offener Verfahren zum Jahresende auf seinem Dezernat auf 239 erhöht. Bei Abfassung der Verfügung habe er fest vorgehabt, das Verfahren später noch abzuschließen. Im Verfahren M. habe er Sachstandsanfragen stets beantwortet, so habe er am 07.11.2008 eine Anfrage der Firma B. beantwortet. Auch im Jahr 2009 habe er eine Anfrage der Polizei wegen sichergestellter Gegenstände beantwortet. Das Verfahren sei ihm auch immer präsent gewesen und er habe stets geplant, es ordentlich abzuschließen. Auch die Verjährungszeitpunkte seien ihm immer präsent gewesen. Eine Entlastung sei jedoch nicht in Sicht gewesen. Es seien auch immer weitere Verfahren hinzugekommen, Er hätte auch Zweifel an der Täterschaft der Beschuldigten M. und der Nachweisbarkeit der einzelnen Vorwürfe gehabt.
133 
b) Die Kammer war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich S. M. wie festgestellt strafbar gemacht hat, weshalb sie bei rechtzeitiger Anklageerhebung wegen Betrugs in 45 Fällen verurteilt worden wäre.
134 
Die Feststellungen der jeweiligen Bestellvorgänge beruhen auf den von den Versandhäusern ihren Strafanzeigen jeweils beigefügten Rechnungen und den korrespondierenden Auslieferungsnachweisen der Fa. D. und H..
135 
Die Kammer hat darüber hinaus die Überzeugung gewonnen, dass es die Beschuldigte S. M. war, die die gelieferten Waren bestellt hat.
136 
Die Kammer hat die frühere Beschuldigte S. M. als Zeugin zu den Vorwürfen gehört. Sie stritt die Vorwürfe durchweg ab. Sie gab an, sie habe ab dem Jahr 2004 in H. bei ihrem damaligen Ehemann D. M. gewohnt. Im Dezember 2005 seien sie gemeinsam nach N. (…) gezogen. Im März 2006 sei ihr Ehemann ausgezogen. Die ihr vorgeworfenen Bestellungen im Internet habe sie nicht getätigt. Sie habe überhaupt noch nie etwas bei Versandhäusern über das Internet bestellt, sie würde in die Geschäfte gehen und dort etwas einkaufen. So gebe es z.B. in F. auch einen W.-Laden. Sie behauptete, dass die neue Frau ihres geschiedenen Ehemanns, C. M., hinter den Bestellungen stecken müsse. D. M. kenne seine jetzige Frau schon seit 2005 und sei bereits ein Jahr vor der Trennung mit ihr zusammengewesen. C. M. benutze bei Bestellungen schon länger den Namen "S. M." in betrügerischer Absicht.
137 
Die Kammer hielt die Angaben der Zeugin S. M. für gänzlich unglaubwürdig und durch die Beweisaufnahme widerlegt.
138 
Der Zeuge D. M. schilderte die Ehe zur Zeugin S. M. dergestalt, dass er als LKW-Fahrer unter der Woche berufsbedingt abwesend gewesen sei. Von den Bestellungen habe er fast nichts mitbekommen, da wisse er keine Einzelheiten. Er habe sich aber gewundert, dass im Haus immer wieder neue Kartons waren, die unter der Woche angekommen sein müssten. Sein Monatslohn sei schon nach 2-3 Tagen ohne sein Zutun ausgegeben gewesen, so dass nicht einmal das Geld für die Miete übrig geblieben sei. Daher habe es die vielen Wohnungswechsel gegeben. Auch habe er sich gewundert, dass so viele Familiennamen an ihrer Klingel gestanden hätten. Seine Frau habe einen Computer gehabt, an den sie ihn nicht rangelassen habe. Er selbst habe nie Waren entgegengenommen, da er die ganze Woche unterwegs gewesen sei. Am 18. März 2006 sei er bei S. M. ausgezogen. 2008 habe er erneut geheiratet. Seine neue Frau habe er im September 2006 kennengelernt. Im März 2006 habe er sie noch nicht gekannt.
139 
Letzteres bestätigte die Zeugin C. M., die jetzige Ehefrau des D. M.. Sie gab spontan und ohne erkennbare Motivation für einen Falschaussage an, sie sei im Oktober 2006 mit ihrem jetzigen Mann zusammengekommen. Sie hätten auch später noch Rechnungen über Waren erhalten, die von S. M. auf den Namen ihres geschiedenen Mannes bestellt worden wären. 2008 habe sie einen Anruf des B-Versandes bekommen, da eine große Bestellung aufgegeben worden sei und der Versand vorher habe Rücksprache halten wollten. Diese Bestellung sei auf ihren damals minderjährigen Sohn aufgegeben worden.
140 
Neben den Aussagen der Zeugen D. und C. M. gab es weitere gewichtige Indizien für die Täterschaft von S. M.
141 
Die Bestellungen wurden ausweislich der jeweiligen Zustellungsnachweise von D. bzw. H. unter den Anschriften (..) und (…) geliefert. Gemäß dem polizeilichen Vermerk von PHM K. vom 08.11.2006 war S. M. ab dem 01.08.2004 unter der Anschrift in (…) und ab dem 01.12.2015 in (…) einwohnermelderechtlich gemeldet. Außer ihrem früheren Ehemann - die beiden gemeinsamen Kinder waren 2001 u. 2004 geboren - kam niemand anders als die Beschuldigte als Bestellerin der Waren in Betracht. Insoweit war festzustellen, dass D. M. - wie sowohl er als auch S. M. bestätigten - im März 2006 ausgezogen ist. Wie POK G. in seinem Vermerk vom 17.05.2006 festhielt, wurde D. M. am 18.03.2006 beim Einwohnermeldeamt (…) abgemeldet. Unter der Anschrift in (…) wurden jedoch auch noch nach dem Auszug von D. M. ausweislich der Rechnungsunterlagen der Firmen "T." und "B." nebst der entsprechenden (…) Nachweise im April und Mai 2006 Waren zugestellt, die nur von S. M. entgegengenommen sein konnten.
142 
Sämtliche Namen der verschiedenen Kundenkonten bei den Versandhäusern wiesen - teilweise mit gewissen Verfremdungen - einen Bezug zur Beschuldigten S. M. auf. Wie S. M. als Zeugin bestätigte, lautete ihr Geburtsname "U.", in erster Ehe führte sie den Namen "P.". "S." sei der Mädchenname ihrer Mutter. Ausweislich der am 14.06.2006 von der Polizei gefertigten Lichtbilder waren an dem Klingelschild und dem Briefkasten des Anwesens (…) die Namen M., P., U., S. und K. angebracht. Der Zeuge D. M. gab hierzu an, er habe sich noch gewundert, als plötzlich so viele Namen an der Klingel gestanden hätten.
143 
Am 07.07.2006 war der Hausrat von S. M., der sich nach der Wohnungsauflösung in einem Container einer Spedition befand, aufgrund gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses durchsucht worden. Wie POK G. der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 10.10.2006 mitgeteilt hat, konnten bei der Durchsuchung u.a. drei Rechnungen der Fa. "T." an E. M., M. M. und W. M. sichergestellt werden.
144 
Außerdem wurden ausweislich des Durchsuchungsberichts von PHK K. vom 26.09.2006 im Hausrat von S. M. mehrere Gegenstände sichergestellt, die zweifelsfrei Lieferungen der Fa. B. (Konto "T. P.": Glasvitrine - Rechnung vom 05.01.2006, Anhänger "Delfin" - Rechnung vom 09.01.2006; Konto "S. K.": Kommode - Rechnung vom 09.01.2016) und der Fa. "T." (Konto "M. P.": 2 Vorhang-Schals - Rechnung vom 27.03.2006; Konto "E. S.": Lichterkette und Bratpfannenset - Rechnung vom 13.03.2006) zugeordnet werden konnten.
145 
Schließlich war bei der Durchsuchung ein Notizbuch sichergestellt worden, das die Zeugin S. M. in der Hauptverhandlung spontan und glaubhaft als ihr gehörend erkannte. In dem Notizbuch waren Passwörter (z.B. "Kinder") und Kundendaten (Namen/Geburtsdaten: "S. S.", "S. S.") für verschiedene Versandhäuser (…) sowie Listen von noch zu erwerbenden Waren notiert. Die Behauptung der Zeugin S. M., die Einträge in dem Notizbuch habe sie nicht vorgenommen, hielt die Kammer für eine bloße Schutzbehauptung. Der Zeuge D. M. gab an, das Notizbuch noch nie gesehen zu haben. Schon allein aufgrund des Inhalts des Notizbuchs, von dem die Kammer davon überzeug war, dass er von der Zeugin S. M. stammte, war ihre Behauptung, sie habe noch nie etwas im Internet bestellt, widerlegt.
146 
Zu ihren Vermögensverhältnissen hat die Zeugin S. M. in der Hauptverhandlung angegeben, dass sie über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und nie gearbeitet habe. Damals (2005-2006) habe sie für zwei Kinder Kindergeld und für ein Kind Bundeserziehungsgeld erhalten. Zusammen mit dem Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") habe sie etwa 800 EUR zur Verfügung gehabt. Wie PHM K. der Staatsanwaltschaft bereits mit Anzeige vom 02.08.2006 mitgeteilt hatte, hatte S. M. bereits am 21.04.2005 die eidesstattliche Versicherung über ihre Vermögensverhältnisse abgelegt und darin angegeben, außer Bundeserziehungsgeld und Kindergeld über kein Einkommen zu verfügen.
147 
Ausweislich der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 22.12.2015 ist die Beschuldigte S. M. im Zeitraum von 2008 bis 2014 insgesamt 4-mal wegen Betrugs verurteilt worden. Zudem enthielt die ursprüngliche bei den Akten befindliche Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 23.05.2006 eine - zwischenzeitlich gelöschte - Verurteilung wegen Betrugs im Jahr 2002 zu einer Geldstrafe.
148 
In der Gesamtwürdigung stand für die Kammer - insbesondere im Hinblick auf die Aussage des Zeugen D. M. und das Ergebnis der Hausratsdurchsuchung - außer Zweifel, dass die Beschuldigte M. die jeweils anhand der Rechnungsunterlagen nachgewiesenen Bestellungen vorgenommen hat, wobei sie - wie sie wusste - aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht annähernd in der Lage war, die Waren zu bezahlen.
149 
c) Zwar äußerte der Angeklagte Zweifel, ob zum damaligen Stand der Beschuldigten M. die Taten nachzuweisen gewesen wären. Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, die im Durchsuchungsbericht vom 26.09.2006 und dem Schlussbericht vom 27.11.2006 - unter Vorlage der jeweiligen Strafanzeigen und Bestellunterlagen - zusammengefasst waren, bestand jedoch ein derart hoher Tatverdacht gegen die Beschuldigte S. M., dass der Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt werden konnte. Die Kammer war daher davon überzeugt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass ein Tatnachweis - zumindest in den hier gegenständlichen Fällen - ohne weiteres zu führen gewesen wäre.
150 
d) Soweit die Anklage dem Angeklagten darüber hinaus geworfen hat, die damalige Beschuldigte S. M. wegen des Vorwurfs der falschen eidesstattlichen Versicherung strafrechtlich nicht verfolgt zu haben, ergab die Beweisaufnahme, dass S. M. keine unwahren Angaben gemacht hat, soweit sie im Vermögensverzeichnis vom 21.04.2005 den Besitz eines Kraftfahrzeugs Mazda verneint hat. Die Vernehmung des Zeugen D. M. ergab, dass das betreffende Fahrzeug tatsächlich in seinem Eigentum und Besitz stand.
151 
e) Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer - ausgehend davon, dass die Ermittlungen mit Eingang des polizeilichen Schlussberichts im November 2006 abschlussreif waren - berücksichtigt, dass der Angeklagte Ende 2006 mit der Abfassung der umfangreichen Anklage im ersten sog. T-Verfahren befasst war. Bis Ende 2007 bestand eine deutliche Überlastung des Angeklagten, zumal es sich bei dem Ermittlungsverfahren gegen S. M. nicht um eine vorrangig zu bearbeitende Haftsache gehandelt hat. Diese Situation änderte sich, als der Angeklagte ab 2008 entlastet wurde und die Anklageerhebung im zweiten sog. T-Verfahren im Februar 2008 erfolgt war. In Anbetracht gesunkener Eingangszahlen war der Angeklagte in der Lage, eine deutlich überschießende Anzahl von Verfahren zu erledigen. Wie er selbst dargelegt hat, gelang es ihm im Laufe des Jahres 2008 19 Verfahren, die im Jahr 2007 eingegangen und älter als elf Monate waren, rechtzeitig vor Eintritt der Berichtspflicht abzuschließen, wobei lediglich 4 Verfahren durch Strafbefehlsantrag bzw. Anklage abgeschlossen wurden. Im Hinblick darauf, dass das Ermittlungsverfahren b) gegen die Beschuldigte S. M. seit November 2006 nicht mehr bearbeitet worden ist, die Anzeige im Verfahren a) bereits im August 2005 eingegangen war, gegen die Beschuldigte gewichtige Vorwürfe im Raum standen, die die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Folge gehabt hätten, hätten die Verfahren jedenfalls im Jahr 2008 zeitnah durch eine Anklageerhebung abgeschlossen werden müssen. Selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten stellte das Unterlassen der gebotenen Anklageerhebung spätestens ab Beginn des Jahres 2009 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
152 
2.3.2. Tat Nr. 2 (Ermittlungsverfahren gegen L. u.a.)
153 
a) Der Angeklagte gab an, man müsse das Verfahren in zwei Zeitabschnitte aufteilen. Im ersten Abschnitt bis zu der Scheineinstellung am 29.06.2007 sei zunächst unklar gewesen, wer welchen Tatbeitrag geleistet habe. Der Beschuldigte L. sei von einem Zeugen belastet worden. Es sei auch die Möglichkeit der Beteiligung der Frau F. diskutiert worden. Dies sei jedoch nicht nachweisbar gewesen. Auch habe er an den Aussagen von Herrn B. Zweifel gehabt. Trotz der Entscheidung des Oberlandesgerichts, das den Haftbefehl gegen den Beschuldigten L. bestätigt habe, habe er später die Außervollzugsetzung des Haftbefehls beantragt, weil ihm keine weiteren Erkenntnisse vorgelegen hätten. Nach sechs Monaten hätte die Haftprüfung angestanden und er hätte eine weitere Haftzeit nicht begründen können. Aufgrund der drohenden Jährigkeit des Verfahrens habe er dann am 29.06.07 die Verfahrenseinstellung verfügt. Aufgrund einer laufenden Mordsache sei für ihn klar gewesen, dass er kurzfristig nicht zur Weiterbearbeitung des Verfahrens kommen werde. Ihm sei jedoch klar gewesen, dass das Verfahren später weiter bearbeitet werde. Bis auf die Scheinverfügung sei bis dahin nichts Besonderes gewesen. Er meine sogar, dass in einem Rückstandsbericht Verzögerungsgründe darlegbar gewesen wären. Der zweite Abschnitt beginne mit der Vorlage der Beweismittel im Januar 2008 und den neuen polizeilichen Ermittlungsergebnissen und den Geständnissen der Tatbeteiligten F. und B. im Februar 2009. Ihm sei anlässlich der gemeinsamen Besprechung mit der Polizei erstmals bekannt geworden, dass gegen den Hauptbeschuldigten H. in Abteilung (…) bereits seit 2008 ein Verfahren anhängig war. Der zuständige Dezernent habe ihm die Anklageschrift gegen H. zukommen lassen. Dies zeige, dass er sein Verfahren nicht habe unter den Tisch kehren wollen. Das Jahr 2009 sei für ihn extrem arbeitsintensiv gewesen. In dieser Zeit habe er vier Tötungsdelikte die Entführung eines Kleinkindes und übermäßig viel Vertretung für den Abteilungsleiter, der kurz vor seiner Pensionierung stand und kaum noch im Dienst zu sehen war, geleistet. Aufgrund dieser Arbeitsbelastung habe es sich nicht ergeben, die Sache wieder aufzunehmen. Er habe die Wiederaufnahme geplant, deshalb habe er auch nicht beantragt, den Haftbefehl aufzuheben und die Kaution zurückzugeben. Wegen der Arbeitsbelastung habe er die einzelnen Fristen nicht mehr beachtet. Als schließlich die Akte in einer anderen Sache angefordert worden sei und eine Weile weg gewesen wäre, sei die Sache mit Rückführung der Akte verjährt gewesen.
154 
b) Die Einlassung des Angeklagten zum Gang der Ermittlungen wurde von den Zeugen KHK E. und EKHK S. bestätigt.
155 
Der KHK E. gab an, er habe das Verfahren im Dezember 2006 bei dem Angeklagten eingereicht mit der Bitte um eine Entscheidung bezüglich der weiteren Vorgehensweise. Der Angeklagte habe entscheiden sollen, ob man bei dem Beschuldigten B. durchsuchen soll bzw. ob dieser überhaupt als Beschuldigte anzusehen gewesen sei. Daraufhin sei keine Entscheidung durch den Angeklagten erfolgt. Auch nach einer Nachfrage habe es keine Entscheidung gegeben. Im Januar 2008 habe er der Staatsanwaltschaft die bis dahin angefallenen Beweismittel zur weiteren Prüfung vorgelegt. Im Jahr 2008 habe der Fall durch die Geständnisse von H. B. und S. F. aufgeklärt und das Ergebnis dem Angeklagten präsentiert werden können. Am 05.05.2009 seien die neuen Ermittlungsergebnisse gemeinsam mit dem Angeklagten und dem Kollegen S. besprochen worden. Das Gespräch habe ca. eine halbe Stunde gedauert. Abschließend habe der Angeklagte mitgeteilt, den Vorgang prüfen und entsprechend weiter bearbeiten zu wollen. Erst im Jahr 2013 habe er von Oberstaatsanwalt M. als nächstes den Auftrag zum Verfahrensabschluss bekommen.
156 
Der EKHK S. gab dazu an, er habe dem Angeklagten den Bericht vom 30.01.2009, der die Geständnisse der Beteiligten B. und F. enthielt, persönlich übergeben. Ob das Gespräch am 02.02.2009 oder am selben Tag wie der Bericht war, wisse er nicht mehr. Aus dem Bericht gehe hervor, dass die Ermittlungen gegen Frau F. eingeleitet bzw. fortgesetzt werden müssen. Es habe dann eine gemeinsame Besprechung mit KHK E. und dem Angeklagten gegeben. Es seien zu dem Zeitpunkt zwei Geständnisse vorgelegen, der Fall sei „rund“ gewesen.
157 
c) Die Kammer war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beschuldigten L., M. und F. - wie festgestellt - an der Fahrzeugverschiebung beteiligt waren und sich strafbar gemacht haben.
158 
Der Zeuge H. B. räumte in der Hauptverhandlung seine Tatbeteiligung unumwunden ein. Wie er bereits in seiner damaligen Beschuldigtenvernehmung gestanden habe, habe er geholfen, den BMW in die Ukraine zu verbringen. Gleichzeitig habe er den Kontakt zu Frau F. hergestellt, die das Fahrzeug geleast hatte. M. L. habe Frau F. - u.a. durch Erstellung gefälschter Gehaltsnachweise - dabei geholfen, den Leasingvertrag für das Fahrzeug zu übernehmen, während S. H. den Verkauf des Wagens organisiert habe. Er selbst sei mit Frau F. nach S. gefahren, um den PKW dort als gestohlen zu melden. Letztlich sei die Versicherung des Fahrzeugs für den Diebstahl nicht aufgekommen. Da er das ganze verschuldet habe, habe er zwischenzeitlich für Frau F. die Schulden in Höhe von etwa 47.000 EUR gegenüber BMW bezahlt.
159 
Ausweislich der Abrechnung der BMW Financial Services vom 30.06.2006 machte die Leasinggeberin gegenüber S. F. einen Betrag in Höhe von 48.370,54 EUR als Ablösewert des Fahrzeugs geltend.
160 
Die Zeugin S. F. konnte von der Kammer nicht persönlich vernommen werden. In ihrer polizeilichen Vernehmung als Beschuldigte durch KHK S. vom 10.11.2008, deren Protokoll in der Hauptverhandlung verlesen wurde, hatte sie nach Belehrung angegeben, über ihren Bekannten M. H. in Kontakt zu H. B. und M. L. gekommen zu sein. Sie hätte den Leasingvertrag für einen BMW übernommen, ihr sei von beiden zugesagt worden, dass sie die Leasingraten übernehmen würden. Dann habe sie in S. eine Diebstahlsanzeige erstatten sollen. H. B. habe sie zu diesem Zweck nach S. gefahren und vor dem Revier auf sie gewartet. Ihr seien für ihre Beteiligung 3.000 EUR versprochen worden. Eigentlich habe ihr M. H. den Betrag versprochen, sie habe aber später mit ihm nichts mehr zu tun gehabt und habe sich wegen des Geldes an H. B. gehalten. Letztlich habe sie kein Geld erhalten. Über H. B. habe sie auch den S. H. kennengelernt. Wie das mit der Fahrzeugverschiebung von statten gegangen sei, wisse sie nicht. S. H. habe aber schon etwas damit zu tun. Wer das Fahrzeug gefahren habe, wisse sie nicht. Mit der Versicherung habe es Ärger gegeben. Die habe nicht gezahlt, weil nicht klar gewesen sei, wem das Fahrzeug gehört habe.
161 
KHK S. berichtete als Zeuge über die Beschuldigtenvernehmungen von H. B. vom 08.12.2008 und von S. F. vom 10.11.2008 und bestätigte die geständigen Einlassungen. S. F. habe angekündigt, dass sie nach Rücksprache mit ihrem damaligen Verteidiger, Rechtsanwalt M, "die Karten auf den Tisch lege". Die Angaben von H. B. und S. F. seien glaubhaft gewesen und hätten sich mit den weiteren Ermittlungserkenntnissen gedeckt.
162 
Hinsichtlich der Tatbeteiligung von R. M. hatte der Angeklagte im Vermerk vom 28.11.2006 festgehalten, dass das Fahrzeug BMW am 12.03.2006 von R. M. gesteuert bei der Ausreise von Polen in die Ukraine am Grenzübergang Korczowa festgestellt wurde. Eine Rückreise mit dem Fahrzeug sei nicht festzustellen gewesen. Insbesondere im Hinblick auf die Aussage des Zeugen B., dass das Fahrzeug in die Ukraine verschoben werden sollte und von einem Fahrer des S. H. in F. abgeholt worden sei, war die Kammer davon überzeugt, dass R. M. in die Tatpläne von Anfang an eingebunden war.
163 
Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, dass H. B. wegen der Verschiebung des BMW durch Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 19.04.2010 (…) wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten - diese wurde zusammen mit weiteren Einzelstrafen in eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zu Bewährung einbezogen - verurteilt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls hatte H. B. im Februar 2006 in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit den getrennt strafverfolgten S. H., M. H. und M. L. Frau S. F. überredet, den Leasingvertrag mit der BMW Bank GmbH für den PKW BMW 730 d, amtliches Kennzeichen: (…), von dem früheren Leasingnehmer B. A. zu übernehmen. Alleiniger Zweck dieser Übernahme war, was allen Beteiligten auch bekannt war, dass das Fahrzeug im Wert von ca. 49.000 EUR anschließend mit Einverständnis von S. F. zum Schein entwendet und nach Osteuropa verschoben werden sollte. S. F. übernahm mit Vertrag vom 08.03.2006 den Leasingvertrag. Bereits am 12.03.2006 wurde das Fahrzeug mit einem Originalschlüssel vom getrennt strafverfolgten R. M. über Polen in die Ukraine oder nach Russland überführt. S. F. sollte als Gegenleistung 3000 EUR erhalten. Am 21.03.2006 fuhr H. B. S. F. nach S. Dort erstattete sie bei der französischen Polizei Anzeige wegen Diebstahls und behauptete, das Fahrzeug sei am 31.03.2006 entwendet worden. Der BMW Leasing GmbH ist ein Schaden i.H.v. 49.000 EUR entstanden.
164 
Insbesondere angesichts der glaubwürdigen Geständnisse von H. B. und F. war die Kammer davon überzeugt, dass sich M. L., R. M. und S. F. wie festgestellt strafbar gemacht haben.
165 
Dieser Überzeugungsbildung der Kammer standen die Aussagen der Zeugen M. L. und S. H. nicht entgegen.
166 
Der Zeuge M. L. gab vor, sich an nichts mehr erinnern zu können. Zwar sei er mal mit Herrn B. in Hamburg gewesen um ein Fahrzeug zu holen, ob das jedoch ein BMW gewesen sei, wisse er heute nicht mehr. Die Namen F. und H. würden ihm etwas sagen, erinnern könne er sich nicht.
167 
Der Zeuge S. H. äußerte, er könne sich nicht genau erinnern, was der Fall mit ihm zu tun hätte. Er sei zu dem Zeitpunkt in Dubai oder Polen gewesen. Mit dem BMW habe er nichts zu tun gehabt. Der Zeuge B. sei jemand, der immer andere Leute beschuldigen würde.
168 
Die völlig vagen Angaben der Zeugen waren angesichts der detaillierten Angaben der Zeugen B. und F. nicht überzeugend und ersichtlich von dem Willen getragen, die eigene Tatbeteiligung in Abrede zu stellen.
169 
d) Soweit die Anklage dem Angeklagten auch die Nichtverfolgung des möglichen Tatbeteiligten M. H. zur Last legte, blieb dessen Rolle auch nach den vorliegenden Aussagen unklar. Insoweit kam die Kammer nach der Beweisaufnahme nicht zu dem Ergebnis, dass gegen diesen erfolgreich eine Anklage hätte erhoben werden können.
170 
e) Der Angeklagte wusste aufgrund der seit Dezember 2006 ergangenen Haftentscheidungen, dass gegen den Beschuldigten L. ein dringender Tatverdacht bestand. Nach Eingang der Geständnisse der Tatbeteiligten H. B. und S. F. hatte sich der Tatverdacht - wie dem Angeklagten spätestens nach der Besprechung vom 05.05.2009 bekannt war - gegen die Beschuldigten L. und M. zur Gewissheit erhärtet. Dem Angeklagten war daher ab diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Tat den Beschuldigten L., M. und F. mit Sicherheit nachzuweisen gewesen wäre. Dies hat er letztlich auch eingeräumt.
171 
f) Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer berücksichtigt, dass das Oberlandesgericht K. durch Beschluss vom 02.03.2007 den dringenden Tatverdacht gegen M. L. bestätigt hat und der gegen ihn bestehende Haftbefehl in der Folge lediglich außer Vollzug gesetzt war. Unabhängig von der Frage des Nachweises einer Tatbeteiligung der weiteren Beschuldigten, wäre eine Anklageerhebung gegen den Beschuldigten L. somit bereits vor Eingang der späteren Geständnisse möglich und geboten gewesen. Nachdem aufgrund der Geständnisse der Beschuldigten B. und F. bereits im Februar 2009 weitere sichere Erkenntnisse hinzugekommen waren, die zudem in dem gemeinsamen Gespräch mit den Beamten der Kriminalpolizei im Mai 2009 ausführlich besprochen wurden, die Beweislage nunmehr einfach war, seit dem Erlass des Haftbefehls gegen den Beschuldigten L. bereits rund zweieinhalb Jahre vergangen waren und der Beschleunigungsgrundsatz auch bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl in besonderer Weise zu beachten ist, die Tat über drei Jahre zurücklag und der Tatvorwurf im Hinblick auf die Höhe des entstandenen Schadens und die Straferwartung gewichtig war, hätte der Angeklagte das Verfahren ab Mai 2009 mit höchster Priorität bearbeiten und gegen die Beschuldigten L., M. und F. Anklage erheben müssen, zumal er - wie er selbst angab - in der Lage war, allein in den Monaten Mai bis August des Jahres 2009 neun Verfahren zu erledigen, die im Jahr 2008 eingegangen und älter als elf Monate alt waren. Selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten stellte das Unterlassen der gebotenen Anklageerhebung spätestens ab September 2009 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
172 
2.3.3. Tat Nr. 3 (Ermittlungsverfahren gg. S.)
173 
a) Der Angeklagte gab an, für ihn sei aufgrund vielfältiger anderweitiger Inanspruchnahme vor Jährigkeit des Verfahrens klar gewesen, dass er nicht rechtzeitig zum Verfassen des Rückstandsberichts zum 30.04.2009 und den darauf folgenden Tagen kommen würde. Als 2011 eine Aktenanforderung des Landgerichts gekommen sei, habe er die Akte nicht mehr gefunden. Er habe dann am 30.05.2011 bei Rechtsanwalt K. angerufen und um ein Aktendoppel gebeten. Die rekonstruierte Akte habe er dann auf Anforderung des Landgerichts dorthin versandt. Er habe sich dann gedacht, der Zivilprozess am Landgericht werde ja irgendwie ausgehen und es sei kein Problem, die Tat nachzuweisen. Er habe dann den Zivilprozess abwarten wollen, um dessen Ergebnis in mögliche Bewährungsauflagen mit einzubeziehen. Dazu sei es dann nicht mehr gekommen. Dass es in dieser Sache im November 2008 einen Anklageentwurf Entwurf eines Referendars gegeben habe, sei ihm erinnerlich. Entwürfe von Referendaren habe er jedoch nicht einfach so übernommen, ohne seinen eigenen Stil einzubringen.
174 
b) Der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt konnte durch Verlesung des seit 27.09.2012 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts S. vom 10.09.2012 (h) zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden. Aufgrund des im Oktober 2008 abgegebenen Geständnisses des Beschuldigten S. war dem Angeklagten auch bewusst, dass dem Beschuldigte S. die Tat nachzuweisen gewesen wäre.
175 
c) Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer berücksichtigt, dass die Ermittlungen mit Eingang der abschließenden Stellungnahme des Verteidigers und des Geständnisses des Beschuldigten am 15.10.2008 abschlussreif waren. Schon zum Zeitpunkt des vermeintlichen Verfahrensabschlusses am 30.04.2009 war das Verfahren bereits über sechs Monate lang nicht gefördert worden war. Der Sachverhalt des Strafverfahrens war überschaubar und das Aktenvolumen gering. Zudem hatte der Angeklagte, wie er selbst angab, im November 2008 den Entwurf einer Anklageschrift eines Referendars korrigiert. Die Beweislage war angesichts des Geständnisses des Beschuldigten denkbar einfach. Der Vorwurf gegen den Beschuldigten war gewichtig, wie die spätere Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe belegt. Zwar handelte es sich nicht um eine unter besonderer Beachtung des Beschleunigungsgebots zu bearbeitenden Haftsache. Dennoch stellte das Unterlassen der Anklageerhebung unter Berücksichtigung der erhöhten Arbeitsbelastung des Angeklagten in den ersten Monaten 2009 - selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten - spätestens ab Anfang 2010 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war. Dabei war auch zu sehen, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben im Jahr 2009 11 Verfahren erledigen konnte, die älter als 11 Monate waren.
176 
2.3.4. Tat Nr. 4 (Ermittlungsverfahren gg. S. u.a.)
177 
a) Hierzu gab der Angeklagte an, er habe den Fall als Bereitschaftsstaatsanwalt bekommen und dann eben - wie stets in solchen Fällen - zu Ende geführt. Der Verteidiger habe ein Geständnis vorgelegt. Als er die Scheinverfügung am 30.11.2009 getroffen habe, sei er in einer Hauptverhandlung einer umfangreichen Mordsache gewesen und der Bericht sei überfällig gewesen. Es sei ihm klar gewesen, dass er wegen des laufenden Verfahrens und all der anderen Verfahren nicht dazu kommen werde, das Verfahren ordentlich abzuschließen. Im Nachhinein sei er der Auffassung, dass in diesem Fall die Verzögerung begründbar gewesen wäre.
178 
b) Der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt konnte durch Verlesung des seit 27.09.2012 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts E. vom 10.09.2012 (i) zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden. Aufgrund des im Dezember 2008 abgegebenen Geständnisses des Beschuldigten S. war dem Angeklagten auch bewusst, dass dem Beschuldigten die Tat nachzuweisen gewesen wäre.
179 
c) Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer berücksichtigt, dass die Ermittlungen mit Eingang der abschließenden Stellungnahme des Verteidigers im Januar 2009 abschlussreif waren. Schon zum Zeitpunkt des vermeintlichen Verfahrensabschlusses am 30.11.2009 war das Verfahren bereits 10 Monate lang nicht gefördert worden war. Der Sachverhalt des Strafverfahrens war überschaubar und das Aktenvolumen nicht übermäßig groß. Die Beweislage war angesichts des Geständnisses des Beschuldigten einfach. Der Vorwurf gegen den Beschuldigten war gewichtig, wie die spätere Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe belegt. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einem Verfahrensabschluss nicht entgegen. Wie bereits dargelegt, konnte er im Jahr 2009 11 Verfahren abschließen, bei denen ein Rückstandsbericht drohte. Allein in den Monaten Januar bis April 2010 konnte der Angeklagte - wie er selbst dargelegt hat - 18 Verfahren abschließen, die im Jahr 2009 eingegangen und älter als 11 Monate waren. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs gegen den Beschuldigten S. sowie der einfachen Beweislage hätte der Angeklagte diesem Verfahren unbedingt Vorrang einräumen müssen und können. Auch wenn es sich bei dem Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten S. nicht um eine Haftsache gehandelt hat, stellte das Unterlassen der Anklageerhebung - selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten - spätestens ab Mai 2010 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
180 
2.3.5. Tat Nr. 5 (Ermittlungsverfahren gg. K.)
181 
a) Der Angeklagte gab an, er habe versucht, ein umfassendes Verfahren gegen den Beschuldigten K. zu führen, weil der Beschuldigte unter Bewährung gestanden sei. Er habe dann eingehende Akten zu seinem Verfahren hinzuverbunden, um ein Sammelverfahren zu führen. Die zunächst von ihm im Verfahren (j) am 18.05.2010 vorgenommene Einstellung gemäß § 154 StPO sei seiner Ansicht nach sachgerecht erfolgt. Die Akte habe er als Beiakte zum laufenden Verfahren genommen. Er habe sicherlich geplant gehabt, die ausgeschiedenen Verfahrensteile möglicherweise mitzuverwerten. Als die Jährigkeit im Verfahren (k) näher gerückt sei, sei er nicht zu einem Verfahrensabschluss gekommen. Er habe am 04.11.2010 Urlaub gehabt, sei trotzdem zu einer Sitzung beim Landgericht gewesen und als er von dieser Sitzung gekommen sei, habe er gesehen, dass das Verfahren berichtet werden müsste. Dann habe er noch die Scheinverfügung gemacht, um keinen Bericht schreiben zu müssen. Die Akte sei fortan in seinem Zimmer gelegen. Es sei ein unübersichtliches Sammelsurium gewesen. Irgendwann habe er daraus ein Anklage machen wollen.
182 
b) Die Kammer, die der Einlassung des Angeklagten im Wesentlichen zu folgen vermochte, konnte sich allerdings von der Ernsthaftigkeit der gemäß § 154 StPO durch den Angeklagten vorgenommenen Einstellung vom 18.05.2010 nicht überzeugen. Auch diese Verfügung des Angeklagten blieb ein rein interner Vorgang, ohne dass - wie es den Vorschriften entsprochen hätte - Mitteilungen über die Einstellung versendet worden wären. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des § 154 Abs. 1 StPO in Anbetracht der Vielzahl der Vorwürfe und der Höhe des Schadens im eingestellten Verfahren evident nicht vor, was dem Angeklagten als erfahrenem Staatsanwalt bei näherer Prüfung zwingend aufgefallen wäre. Seine Einlassung, diese Einstellung sei sachgerecht erfolgt und mithin ernst gemeint gewesen, vermochte die Kammer daher nicht zu folgen. Die Kammer war daher davon überzeugt, dass der Angeklagte die Verfügung, die zeitlich exakt mit der Jährigkeit des Verfahrens zusammenfiel, allein zum Zweck der Registeraustrags traf.
183 
c) Die Strafbarkeit des Beschuldigten K. wegen der genannten Taten wurde durch das seit dem 29.04.2014 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts S. vom 07.04.2014 (j) festgestellt, durch das der Beschuldigte wegen Betruges in 75 Fällen sowie wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten verurteilt wurde. Ausweislich der Urteilsgründe waren Gegenstand der Verurteilung u.a. auch die den Verfahren (j) und (k) zugrunde liegenden Vorwürfe. Dem Urteil war auch zu entnehmen, dass der Beschuldigte K. mehrfach wegen Betrugs, zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 14.02.2005 wegen Betrugs in 14 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden war. Aufgrund der Vielzahl der gleichgelagerten Vorwürfe, der klaren Beweislage - insbesondere hatte der wegen Betrugs vorbestrafte Beschuldigte K. die eidesstattliche Versicherung abgegeben - war dem Angeklagten nach Überzeugung der Kammer bewusst, dass dem Beschuldigten die Taten nachzuweisen gewesen wären.
184 
d) Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer berücksichtigt, dass es sich durch die Hinzuverbindung einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren um ein recht unübersichtliches Verfahren handelte, dessen Abschluss einen gewissen Zeitaufwand erforderte. Andererseits war die Beweislage im Hinblick auf die Aussagen der Geschädigten nicht besonders kompliziert. In Anbetracht der Vielzahl der Tatvorwürfe und der Vorstrafen des Beschuldigten war mit der Verhängung einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Zum Zeitpunkt der Einstellungsverfügung vom 18.05.2010 im Verfahren (j) lag ein Großteil der Taten bereits über zwei Jahre zurück. Als die Berichtspflicht im Verfahren (k) eintrat, war das erste Verfahren (j) bereits ein Jahr und sechs Monate unbearbeitet. Eine besondere Arbeitsbelastung bestand zu diesem Zeitpunkt nicht, insbesondere konnte der Angeklagte, wie er selbst dargelegt hat, im Zeitraum von Januar bis März 2011 neun Verfahren, die älter als 11 Monate waren, noch vor Eintritt der Berichtspflicht erledigen. Selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten stellte das Unterlassen der gebotenen Anklageerhebung spätestens ab April 2011 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
185 
e) Soweit die Anklage dem Angeklagten vorwarf, er habe ein weiteres Verfahren gegen den Beschuldigten K. (...), das im Februar 2011 eingegangen ist, im Februar 2012 sachwidrig gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt, ist die Kammer unter Heranziehung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen, dass das Unterlassen der Anklageerhebung bis zur Suspendierung des Angeklagten im Juli 2012 jedenfalls noch keinen den erhöhten Anforderungen der Rechtsbeugung entsprechenden gravierenden Verfahrensverstoß darstellte.
186 
2.3.6. Tat Nr. 6 (Ermittlungsverfahren gg. S.)
187 
a) Der Angeklagte gab an, mit der Scheinverfügung habe er Zeit gewinnen wollen. Letztlich sei ihm der Fall auch nicht mehr näher nachvollziehbar, da er zur Erstellung einer Anklage lediglich seinen eigenen Haftbefehl hätte abschreiben müssen, um das Verfahren zu erledigen. Er habe im Oktober 2011 auch den Anklageentwurf eines Referendars korrigiert. Am Freitagabend dem 02.03.2012 habe er die Scheinverfügung gefertigt. Für den folgenden Montag sei im Kalender Studentenpraktikum vermerkt gewesen, für den Dienstag Examensaufsicht, für den Mittwoch erneut Studentenpraktikum und für den Donnerstag Plädierkurs. Da sei ihm klar gewesen, dass er in der darauf folgenden Woche nicht zum Abschluss oder zu einem Rückstandsbericht in diesem Verfahren kommen würde. Aus diesem Grund habe er die Scheinverfügung gefertigt. Dabei sei ihm bekannt gewesen, dass ein Geständnis vorgelegen habe. Er habe sich gedacht, das habe jetzt noch ein paar Tage Zeit. Er habe die Akten tatsächlich auf seinen Haftsachen-Stapel gelegt, auch habe er die nachfolgenden Sachstandsanfragen des Rechtsanwalts der Geschädigten mit Sicherheit zur Kenntnis genommen. Zur abschließenden Bearbeitung sei er dann aber nicht mehr gekommen, weil alles aufgeflogen sei. Die Akte habe immer auf seinem Fensterbrett gelegen. Auch ein Polizeibeamter habe ihn in der Sache mal angerufen und er habe ihm mitgeteilt, die Akte liege zum Diktat bereit.
188 
b) Der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt konnte durch Verlesung des seit 04.12.2012 rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts F. vom 28.11.2012 (n) zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden. Wie der Angeklagte eingeräumt hat, war ihm aufgrund der Geständnisse des Beschuldigten bewusst, dass dem Beschuldigte die Tat nachzuweisen gewesen wäre.
189 
c) Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer berücksichtigt, dass die Ermittlungen mit Eingang des polizeilichen Schlussberichts im Juni 2011 abschlussreif waren. Es handelte sich bei dem Verfahren um einen einfach gelagerten Sachverhalt mit klarer Beweislage. Der Beschuldigte hatte die Tat gestanden und sogar fotografisch festgehalten. Die Erstellung der gebotenen Anklage hätte angesichts der einfachen Sach- und Rechtslage - wie der Angeklagte selbst eingeräumt hat - nur wenig Arbeitszeit beansprucht. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung daher nicht entgegen. Bei dem Tatvorwurf handelte es sich um einen Verbrechenstatbestand, weswegen der Angeklagte auch einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten erwirkt hatte. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls war mit die Freizügigkeit des Beschuldigten erheblich einschränkenden Auflagen, nämlich einer zweimal die Woche bestehenden Meldepflicht, der Abgabe des Passes und der Auflage, das Bundesgebiet nicht ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu verlassen, verbunden. Zum Zeitpunkt der Scheineinstellung am 02.03.2012 war das Verfahren bereits ohne Grund über 8 Monate lang nicht gefördert worden, obwohl in Haftsachen der Beschleunigungsgrundsatz auch dann in besonderer Weise zu beachten ist, wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde. Das Unterlassen der Anklageerhebung stellte daher - selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten - spätestens ab dem Zeitpunkt der Verfügung vom 02.03.2012 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
190 
2.4. Subjektive Tatseite
191 
Die jeweiligen Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten beruhen wesentlich auf seiner eigenen Einlassung. Der Angeklagte wusste, dass er als Staatsanwalt gem. § 170 Abs. 1 StPO unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes zur Anklageerhebung verpflichtet ist. Wie der Angeklagte zugegeben hat, bezweckte er mit seiner Vorgehensweise, dass die gegenständlichen Strafverfahren aus dem staatsanwaltschaftlichen Register ausgetragen wurden und dadurch keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen. In der Folge der Austräge wusste der Angeklagte, dass die Verfahren unbearbeitet blieben und durch keine Maßnahmen mehr gefördert wurden. Dabei waren ihm die länger werdenden Zeiträume der unbearbeitet bleibenden Verfahren stets bewusst. Auch war ihm bekannt, dass sich zwei Haftsachen mit lediglich außer Vollzug gesetzten Haftbefehlen unter den Verfahren befanden. Die Verfahrensakten befanden sich kontinuierlich in seinem Dienstzimmer und sind ihm, wie er selbst eingeräumt hat, nie aus dem Blick geraten. Zudem wurde das dauerhafte und wissentliche Unterlassen der gebotenen Wiederaufnahme der Ermittlungen bzw. der Anklageerhebung durch den Eingang von Sachstandsanfragen erneut in sein Bewusstsein gerufen. Auch wenn ihm dies an sich unerwünscht war, so wusste der Angeklagte und sah als sichere Folge seines Unterlassens voraus, dass die Nichtbearbeitung der Verfahren und die unterbliebene Strafverfolgung mit zunehmendem Zeitablauf zwangsläufig zu einer Besserstellung der Beschuldigten führten. Aufgrund der dem Angeklagten stets erinnerlichen ganz erheblichen Dauer der Nichtbearbeitung war ihm spätestens zu den von der Kammer jeweils angesetzten Zeitpunkten bewusst, dass die massive Verzögerung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Rechtsverstoß darstellte. Als langjährigem und erfahrenem Staatsanwalt, der mit dem Führen von Rückstandslisten, dem Erstellen entsprechender Rückstandsberichte und der Bearbeitung von Haftsachen vertraut war, war dem Angeklagten zudem bekannt, dass das Legalitätsprinzip (§§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO), der Beschleunigungsgrundsatz und insbesondere die besondere Beschleunigungspflicht bei Haftsachen zu den ganz elementaren Verfahrensnormen im Ermittlungs- und Strafverfahren zählen.
192 
2.5. Schuldfähigkeit
193 
Die Feststellung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beruht auf dem widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Gutachten des forensisch sehr erfahrenen Sachverständigen Dr. med. P., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
194 
Dem Sachverständigen lagen die Hauptakten sowie der Sonderband „Dienstakte“ vor. Er hat den Angeklagten am 07.10.2014 ausführlich fachärztlich untersucht. Außerdem lagen ihm die medizinischen Befunde von (…) vor. (…) An den für die Gutachtenerstattung wesentlichen Teilen der Hauptverhandlung - insbesondere der Vernehmung der Zeugen aus dem beruflichen Umfeld des Angeklagten - war der Sachverständige anwesend.
195 
Anhaltspunkte oder Hinweise auf das Vorliegen einer überdauernden psychischen Erkrankung konnte der Sachverständige nicht feststellen. (…)
196 
Auch eine affektive Störung sah der Sachverständige nicht begründet. (…)
197 
(…)
198 
Zusammenfassend kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass Eingangsmerkmale für eine verringerte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit nicht plausibel zu begründen seien.
199 
Die Kammer schloss sich dem nachvollziehbaren Gutachten des äußerst erfahrenen und fachlich qualifizierten Sachverständigen aus eigener Überzeugung an. Gegen das Vorliegen einer für die Schuldfrage relevanten psychischen Erkrankung bei dem Angeklagten sprach insbesondere auch, dass die Zeugen aus seinem beruflichen Umfeld von keinerlei psychischen Auffälligkeiten berichteten und dass der Angeklagte - wie auch aus der dienstlichen Beurteilung vom 28.08.2006 hervorgeht - als überaus erfahren und belastbar beschrieben wurde.
IV.
200 
Der Angeklagte hat sich somit - jeweils aufgrund neugefassten Willensentschlusses - in sechs Fällen, davon in einem Fall (Nr. 2) in drei tateinheitlichen Fällen, als Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig gemacht und jeweils durch dieselbe Handlung als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufen ist, wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird, wobei er es jeweils unterlassen hat, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, strafbar als Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, gemäß §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1, 339, 13 Abs. 1, 52, 53 StGB.
201 
1. Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit
202 
Die Kammer ist dabei davon ausgegangen, dass in allen sechs Fällen der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in dem Unterlassen der jeweiligen Anklageerhebung lag.
203 
Das Verhalten des Angeklagten beinhaltete jeweils sowohl Elemente eines aktives Tuns als auch eines Unterlassens. Denn das Unterlassen der nach § 170 Abs. 1 StPO gebotenen Strafverfolgung wurde jeweils nur dadurch ermöglicht, dass der Angeklagte durch eine aktive Verfahrensmanipulation gezielt die Dienstaufsicht der Behördenleitung und der Generalstaatsanwaltschaft ausgeschaltet hat, wobei die Kammer nicht feststellen konnte, dass der Angeklagte beim Scheinabschluss von vornherein mit dem Willen gehandelt hat, das betreffende Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ohne den sachwidrigen Registeraustrag wäre es dem Angeklagten nicht möglich gewesen, die Verfahren unbemerkt über längere Zeiträume nicht zu bearbeiten.
204 
Ausschlaggebend dafür, dass die Kammer den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit im Unterlassen sah, waren in allen sechs Fällen die sehr langen Zeiträume, in denen der Angeklagte nach dem Vorliegen der Voraussetzungen anstatt Anklage zu erheben die Verfahren unbearbeitet liegengelassen hat. Dagegen handelte es sich bei den Registerausträgen für sich betrachtet schon zeitlich um äußerst kurze Vorgänge. Der Angeklagte hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Verfahren im Register wieder aufzunehmen und ordnungsgemäß abzuschließen, so dass der Schwerpunkt beim Unterlassen dieser gebotenen Maßnahmen lag.
205 
2. Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung gem. § 339 StGB
206 
a) Der Angeklagte war als Staatsanwalt tauglicher Täter einer Rechtsbeugung (vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2007 - 1 StR 394/07, juris; OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1469; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 339 Rn. 6 m.w.N.; Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 2; Mückenberger in Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 2. Aufl., § 339 Rn. 11; Hilgendorf in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 339 Rn. 20 unter Ablehnung von OLG Bremen, NStZ 1986,120).
207 
b) Voraussetzung des objektiven Tatbestands der Rechtsbeugung ist neben der Verletzung bindender Rechtsnormen ein Angriff des Täters gegen grundlegende Prinzipien des Rechts, gegen die Rechtsordnung als ganze oder gegen elementare Normen als Ausdruck rechtsstaatlicher Rechtspflege (st. Rspr. seit BGHSt 32, 357; 38, 381). Der Tatbestand erfasst nicht jede unrichtige oder unvertretbare Rechtsverletzung, sondern setzt einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege voraus. Der Täter muss sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernen (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 27.01.2016 - 5 StR 328/15, juris)
208 
Auch ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz durch pflichtwidrige Verfahrensverzögerung kann den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen, insbesondere dann, wenn die Bedeutung des Beschleunigungsgebotes besonders hervorgehoben ist, wie beispielsweise in Haftsachen aufgrund Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 GG und Art. 5 Abs. 3, Abs. 4 MRK (vgl. BGHSt 47, 105, Rn. 11; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Darüber hinaus gilt dies aber auch bei "Weglegen" von Akten, unvertretbarem und sachwidrigen Hinausschieben gebotener Entscheidungen und sonstigem Unterlassen (Fischer, a.a.O., § 339 Rn. 24).
209 
Die Beachtung des Beschleunigungsgebotes und die aus § 170 Abs. 1 StPO sich ergebende Pflicht zur Anklageerhebung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zählen zu den ganz elementaren Grundsätzen im Strafverfahren. Vorliegend verstieß der Angeklagte spätestens zu den von der Kammer jeweils festgestellten Zeitpunkten in schwerwiegender Weise gegen grundlegende Verfahrensvorschriften. Dieser Verfahrensverstoß wirkte sich auch jeweils zugunsten der Beschuldigten aus.
210 
c) Der subjektive Tatbestand der Rechtsbeugung setzt mindestens bedingten Vorsatz hinsichtlich eines Verstoßes gegen geltendes Recht sowie einer Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei voraus. Das darüber hinausgehende subjektive Element einer bewussten Abkehr von Recht und Gesetz bezieht sich auf die Schwere des Rechtsverstoßes, insoweit ist Bedeutungskenntnis im Sinn direkten Vorsatzes hinsichtlich der Schwere des Rechtsverstoßes erforderlich (BGHSt 59, 144). Diese Voraussetzungen waren nach den getroffenen Feststellung in allen sechs Fällen erfüllt. Insbesondere stand nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht die Absicht hatte, die Beschuldigten gezielt zu begünstigen. Denn in allen Fällen erkannte der Angeklagte, dass die Besserstellung der Beschuldigten eine zwingende Folge der langen Nichtbearbeitung der Verfahren war, was für die Tatbestandserfüllung ausreichend ist.
211 
3. Zu den Voraussetzungen der Strafvereitelung im Amt gem. §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 StGB
212 
a) Die Sperrwirkung der Rechtsbeugung steht einer Verurteilung wegen Strafvereitelung im Amt nicht entgegen, da die Voraussetzungen des § 339 StGB erfüllt sind.
213 
b) Objektiv liegt eine gänzliche Vereitelung i.S.d. § 258 Abs. 1 StPO nicht nur bei endgültiger - tatsächlicher oder rechtlicher - Verhinderung der Aburteilung der Beschuldigten vor, sondern auch bei einer Verzögerung auf geraume Zeit (BGH, Urteil vom 21.12.1994 - 2 StR 455/94, juris; Fischer, a.a.O., § 258 Rn. 8 m.w.N.). Vorliegend konnte in den Fällen Nr. 1 und 2 (L., M.) aufgrund der eingetretenen Verjährung keine Strafverfolgung mehr erfolgen. In den übrigen Fällen Nr. 2 (F.) und Nr. 3 bis 6 wurde die Strafverfolgung jeweils um derart lange Zeiträume verzögert, dass jeweils das Merkmal einer Verzögerung auf geraume Zeit - unabhängig davon, ob man insoweit bereits einen an § 229 StPO orientierten Zeitraum von drei Wochen ausreichen lässt (vgl. Fischer, a.a.O., § 258 Rn. 8; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, a.a.O., § 258 Rn. 14) - erfüllt ist.
214 
c) Der Angeklagte handelte in allen Fällen auch vorsätzlich. Subjektiv ist bei der Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 StGB in Bezug auf die Tathandlung und den Vereitelungserfolg direkter Vorsatz ("absichtlich oder wissentlich") erforderlich, wohingegen bedingter Vorsatz hinsichtlich der Kenntnis der Vortat ausreicht (BGH, NStZ 2015, 702). Der Täter muss also eine Besserstellung des Vortäters zumindest als sichere Folge seines Handelns voraussehen (Fischer, a.a.O., § 258 Rn. 33 m.w.N.). Ein konkretisiertes Interesse des Täters am Taterfolg ist dagegen nicht erforderlich, so dass eine Strafvereitelung im Amt auch begehen kann, wer ohne Interesse an der Sache in der Absicht handelt, einen lästigen Fall loszuwerden oder eigene dienstliche Versäumnisse zu verschleiern (Fischer, a.a.O., § 258a Rn. 6).
V.
215 
1. Strafrahmenwahl
216 
Bei der Strafzumessung war gem. 52 Abs. 2 S. 1 StGB zunächst jeweils von dem Strafrahmen des § 339 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsieht.
217 
Die Kammer hat sodann jeweils geprüft, ob die Strafe gemäß § 13 Abs. 2 StGB gemildert werden konnte, und kam im Ergebnis für die Taten Nr. 3 bis 6, nicht jedoch für die Taten Nr. 1 und 2 zu einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB.
218 
Ob von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist, ist im Rahmen einer wertenden Gesamtwürdigung aller wesentlichen Gesichtspunkte zu entscheiden, wobei vor allem diejenigen Umstände zu berücksichtigen sind, die etwas dazu aussagen, ob das Unterlassen im Verhältnis zur Begehungstat weniger schwer wiegt oder nicht (vgl. BGH NStZ 2013, 340; NStZ-RR 2011, 334; NJW 1998, 3068).
219 
Insoweit hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten mittlerweile längere Zeit zurückliegen und der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Der Angeklagte hat im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung die Aktenführung in den jeweiligen Verfahren sowie die Scheinverfügungen zum Zwecke des Registeraustrags ebenso wie den Umstand, dass ihm die Verfahren stets präsent waren und nicht in Vergessenheit geraten sind, unumwunden eingeräumt. Der Angeklagte war langjährig als Staatsanwalt tätig und wurde ausweislich seiner dienstlichen Beurteilungen als engagiert, tatkräftig und stets kollegial beschrieben, so dass er 2006 zum Gruppenleiter bzw. Ersten Staatsanwalt befördert wurde. Zu sehen war auch, dass er infolge der teilweisen Abordnung an die Staatsanwaltschaft O. bis Ende 2007 - in diesen Zeitraum fielen die Scheinverfügungen in den Fällen Nr. 1 u. 2 - erheblich überlastet war. Durch die Presseberichterstattung der Bild-Zeitung über die Hauptverhandlung (Bezeichnung als "Deutschlands faulster Staatsanwalt" in einem Artikel vom 20.11.2015) wurde er in erheblichem Maße diffamiert und vorverurteilt. Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, dass dem Angeklagten bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr beamtenrechtlich (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG) das Ende des Beamtenverhältnisses mit erheblichen finanziellen Folgen - auch im Hinblick auf seine Altersversorgung - droht.
220 
Zu Lasten des Angeklagten war zu würdigen, dass eine Aburteilung der Beschuldigten in den Fällen Nr. 1 und 2 (L., M.) endgültig - bei Nr. 2 sogar hinsichtlich zwei Beschuldigter - vereitelt wurde und dass die jeweils ab den von der Kammer angesetzten Zeitpunkten eingetretene Verzögerung in den Fällen Nr. 2 (F.) und Nr. 3 und 4 mit über zwei Jahren und im Fall Nr. 5 mit deutlich über einem Jahr sehr lang war. In allen Fällen hatten die zugrunde liegenden Ermittlungsverfahren gewichtige Straftaten zum Gegenstand. Soweit die Strafverfolgung nach Aufdecken des Verfahrensstillstandes fortgesetzt wurde (Nr. 3 - 6) und nach Anklageerhebung bzw. Stellung eines Strafbefehlsantrags eine Verurteilung erfolgte, wurden durchweg Freiheitsstrafen verhängt, wobei der Umstand der Verfahrensverzögerung in den Fällen Nr. 3, 5 und 6 vom jeweiligen Gericht - für den Angeklagten vorhersehbar - ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt wurde. Auch in den Fällen, in denen eine Verfolgung der Beschuldigten wegen Verjährungseintritts nicht mehr möglich war (Nr. 1 u. 2), wäre die Verhängung von Freiheitsstrafen schon im Hinblick auf den jeweils hohen (Gesamt-) Schaden zu erwarten gewesen.
221 
Bei der Frage, ob das Unterlassen weniger schwer wiegt als eine Begehung durch positives Tun, hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte die betreffenden Ermittlungsverfahren nicht einfach nur unbearbeitet gelassen, sondern sie durch eine aktive Manipulation gezielt der behördlichen Kontrolle entzogen hat. Die Taten weisen somit jeweils eine deutliche Nähe zu einer durch positives Tun begangenen Tat auf, wenngleich die Kammer - wie dargelegt - den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit beim Unterlassen sieht. Ohne eine derartige aktive Manipulation des Angeklagten wäre es zu keiner erheblichen Verzögerung der Ermittlungsverfahren gekommen, da die Berichtspflicht der betreffenden Verfahren den Abteilungs- oder Behördenleiter zu geeigneten Maßnahmen, die Verfahren zeitnah abzuschließen, veranlasst hätte. Zwar handelte es sich bei den gegenständlichen Ermittlungsverfahren im Vergleich mit der Vielzahl der vom Angeklagten in den Jahren ordnungsgemäß bearbeiteten Verfahren nur um einen ganz geringen Anteil; andererseits hat der Angeklagte über einen langen Zeitraum von 2007 - 2012 mehrfach von derartigen Scheinverfügungen zum Zwecke des Registeraustrags Gebrauch gemacht, so dass nicht von einer bloß einmaligen Verfehlung gesprochen werden kann.
222 
In der Gesamtwürdigung der vorgenannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war die Kammer der Auffassung, dass in den Fällen Nr. 1 u. 2 - insbesondere angesichts der aktiven Ausschaltung der behördlichen Kontrolle, des Gewichts der Taten und vor allem des Eintritts der Strafverfolgungsverjährung - der Umstand, dass die Taten durch Unterlassen begangen wurden, die Schuldschwere nicht entscheidend zu relativieren vermag. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2 StGB kam daher in diesen beiden Fällen - auch unter Berücksichtigung der genannten strafmildernden Umstände - nicht in Betracht, so dass es bei dem Strafrahmen des § 339 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren) zu verbleiben hatte.
223 
In den übrigen Fällen Nr. 3 bis 6 kam es nach Fortführung der Verfahren zu einer Aburteilung der jeweiligen Taten, so dass die Kammer unter maßgeblicher Berücksichtigung dieses Umstands eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB in der Gesamtwürdigung für angebracht hielt. In diesen Fällen kam daher ein Strafrahmen von drei Monaten bis zu drei Jahren neun Monaten zur Anwendung.
224 
Eine Strafrahmenverschiebung wegen verminderter Schuldfähigkeit nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kam nicht in Betracht, da die Kammer - dem psychiatrischen Sachverständigen folgend - bei dem Angeklagten keine psychische Erkrankung im Sinne eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB feststellen konnte.
225 
2. Bemessung der Einzelstrafen und Gesamtstrafenbildung
226 
Die Kammer hat die bereits bei der Frage der Strafrahmenwahl genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erneut umfassend gegeneinander abgewogen und hielt folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
227 
Nr. 1 (Mai) Freiheitsstrafe von einem Jahr
228 
Im Hinblick darauf, dass die Tat Nr. 1 länger zurück liegt - die Tat war mit Verjährungseintritt im Jahr 2011 beendet -, war die Verhängung der Mindeststrafe ausreichend.
229 
Nr. 2 (L. u.a.) Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat
230 
Insoweit musste sich insbesondere strafschärfend auswirken, dass sich die Tat zugunsten von drei Beschuldigten ausgewirkt hat.
231 
Nr. 3 (S.) Freiheitsstrafe von sieben Monaten
232 
Insoweit hat die Kammer strafschärfend insbesondere den langen Zeitraum des Unterlassens und die Schwere des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Tatvorwurfs - vor allem in Hinblick auf die erheblichen Tatfolgen für die Geschädigte - berücksichtigt.
233 
Nr. 4 (S.) Freiheitsstrafe von sieben Monaten
234 
Auch insoweit hat die Kammer den langen Zeitraum des Unterlassens und die Schwere des Tatvorwurfs in Anbetracht der massiven Verletzungen des Geschädigten besonders in den Blick genommen.
235 
Nr. 5 (K.) Freiheitsstrafe von acht Monaten
236 
Straferhöhend musste sich insoweit die Vielzahl der Tatvorwürfe gegen den Beschuldigten und der Umstand, dass der Angeklagte zwei Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten durch Scheinverfügungen aus dem Register ausgetragen hat, auswirken.
237 
Nr. 6 (S.) Freiheitsstrafe von sechs Monaten
238 
Insoweit war zu Gunsten des Angeklagten der vergleichsweise kurze Zeitraum der Verfahrensverzögerung zu sehen, andererseits handelte es sich um einen ganz gewichtigen Tatvorwurf.
239 
Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer unter erneuter Würdigung der Person des Angeklagten und der jeweiligen Taten unter Berücksichtigung der bereits genannten Strafzumessungsgesichtspunkte gem. § 54 Abs. 1 S. 2 StGB auf eine tat- und schuldangemessene
240 
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten
241 
erkannt. Insoweit war im Hinblick auf die sich teilweise überschneidenden Tatzeiträume und den engen situativen Zusammenhang der Taten ein straffer Strafzusammenzug geboten.
242 
Die Vollstreckung der Strafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Angesichts dessen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, die ihm vorgeworfene Aktenführung vollumfänglich eingeräumt hat und als zwingende Folge der Verurteilung aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden wird, war die Prognose günstig und es lagen zugleich besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor.
VI.
243 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Freiburg Urteil, 25. Feb. 2016 - 2 KLs 270 Js 21058/12; 2 KLs 270 Js 21058/12 - AK 24/14

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Landgericht Freiburg Urteil, 25. Feb. 2016 - 2 KLs 270 Js 21058/12; 2 KLs 270 Js 21058/12 - AK 24/14 zitiert 30 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Strafprozeßordnung - StPO | § 116 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls


(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

Strafprozeßordnung - StPO | § 153 Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit


(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein

Strafgesetzbuch - StGB | § 13 Begehen durch Unterlassen


(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichun

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Gewerbeordnung - GewO | § 14 Anzeigepflicht; Verordnungsermächtigung


(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn1.der Betrieb verlegt wird,2.der Gegen

Strafprozeßordnung - StPO | § 152 Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz


(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen. (2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspu

Strafprozeßordnung - StPO | § 229 Höchstdauer einer Unterbrechung


(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden. (2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. (3) Hat eine Hauptverhandlun

Strafprozeßordnung - StPO | § 258 Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes


(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. (2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. (3) Der A

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 24 Verlust der Beamtenrechte


(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts 1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vor

Strafgesetzbuch - StGB | § 258 Strafvereitelung


(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ode

Strafgesetzbuch - StGB | § 339 Rechtsbeugung


Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bi

Strafprozeßordnung - StPO | § 154f Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen


Steht der Eröffnung oder Durchführung des Hauptverfahrens für längere Zeit die Abwesenheit des Beschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen und ist die öffentliche Klage noch nicht erhoben, so kann die Staatsanwaltscha

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Landgericht Freiburg Urteil, 25. Feb. 2016 - 2 KLs 270 Js 21058/12; 2 KLs 270 Js 21058/12 - AK 24/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landgericht Freiburg Urteil, 25. Feb. 2016 - 2 KLs 270 Js 21058/12; 2 KLs 270 Js 21058/12 - AK 24/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2007 - 1 StR 394/07

bei uns veröffentlicht am 06.11.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 394/07 vom 6. November 2007 in der Strafsache gegen wegen Rechtsbeugung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzen

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2016 - 5 StR 328/15

bei uns veröffentlicht am 27.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 328/15 vom 27. Januar 2016 in der Strafsache gegen wegen Rechtsbeugung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:270116U5STR328.15.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar 2016

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Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Steht der Eröffnung oder Durchführung des Hauptverfahrens für längere Zeit die Abwesenheit des Beschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen und ist die öffentliche Klage noch nicht erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig einstellen, nachdem sie den Sachverhalt so weit wie möglich aufgeklärt und die Beweise so weit wie nötig gesichert hat.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Betrieb verlegt wird,
2.
der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
2a.
der Name des Gewerbetreibenden geändert wird oder
3.
der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.

(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

(4) Die Finanzbehörden haben den zuständigen Behörden die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten Daten von Unternehmern im Sinne des § 5 des Gewerbesteuergesetzes mitzuteilen, wenn deren Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz erloschen ist; mitzuteilen sind

1.
der Name,
2.
die betriebliche Anschrift,
3.
die Rechtsform,
4.
der amtliche Gemeindeschlüssel,
5.
die Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung und, soweit vorhanden, das Unterscheidungsmerkmal nach § 139c Absatz 5a der Abgabenordnung sowie
6.
der Tag, an dem die Steuerpflicht endete.
Absatz 5 Satz 1 gilt entsprechend.

(5) Die erhobenen Daten dürfen nur für die Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen verarbeitet werden. Der Name, der Name des Geschäfts (Geschäftsbezeichnung), die betriebliche Anschrift und die angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden dürfen allgemein zugänglich gemacht werden.

(6) Öffentlichen Stellen, soweit sie nicht als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, soweit

1.
eine regelmäßige Datenübermittlung nach Absatz 8 zulässig ist,
2.
die Kenntnis der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist oder
3.
der Empfänger die Daten beim Gewerbetreibenden nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erheben könnte oder von einer solchen Datenerhebung nach der Art der Aufgabe, für deren Erfüllung die Kenntnis der Daten erforderlich ist, abgesehen werden muss und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.
Für die Weitergabe von Daten innerhalb der Verwaltungseinheiten, denen die für die Entgegennahme der Anzeige und die Überwachung der Gewerbeausübung zuständigen Behörden angehören, gilt Satz 1 entsprechend.

(7) Öffentlichen Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, und nichtöffentlichen Stellen dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, wenn der Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.

(8) Die zuständige Behörde übermittelt, sofern die empfangsberechtigte Stelle auf die regelmäßige Datenübermittlung nicht verzichtet hat, Daten aus der Gewerbeanzeige regelmäßig an

1.
die Industrie- und Handelskammer zur Wahrnehmung der in den §§ 1, 3 und 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern genannten sowie der nach § 1 Abs. 4 desselben Gesetzes übertragenen Aufgaben,
2.
die Handwerkskammer zur Wahrnehmung der in § 91 der Handwerksordnung genannten, insbesondere der ihr durch die §§ 6, 19 und 28 der Handwerksordnung zugewiesenen und sonstiger durch Gesetz übertragener Aufgaben,
3.
die für den Immissionsschutz zuständige Landesbehörde zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher sowie immissionsschutzrechtlicher Vorschriften,
3a.
die für den technischen und sozialen Arbeitsschutz, einschließlich den Entgeltschutz nach dem Heimarbeitsgesetz zuständige Landesbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben,
4.
die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgaben, die im Mess- und Eichgesetz und in den auf Grund des Mess- und Eichgesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegt sind,
5.
die Bundesagentur für Arbeit zur Wahrnehmung der in § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz genannten Aufgaben,
6.
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. ausschließlich zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft für die Erfüllung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben,
7.
die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz obliegenden Aufgaben,
8.
das Registergericht, soweit es sich um die Abmeldung einer im Handels- und Genossenschaftsregister eingetragenen Haupt- oder Zweigniederlassung handelt, für Maßnahmen zur Herstellung der inhaltlichen Richtigkeit des Handelsregisters gemäß § 388 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des Genossenschaftsregisters gemäß § 160 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
9.
die statistischen Ämter der Länder zur Führung des Statistikregisters nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Statistikregistergesetzes in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 und 2,
10.
die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittel-, Tabak-, Tiergesundheits- und Tierschutzrecht,
11.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Einzug und zur Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer nach § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes,
12.
die Ausländerbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Aufenthaltsgesetz,
13.
die nach § 22 der Abgabenordnung zuständigen Finanzämter, unbeschadet des § 138 der Abgabenordnung,
14.
die für die Erlaubnisverfahren nach diesem Gesetz zuständigen Behörden.
Die Übermittlung der Daten ist auf das zur Wahrnehmung der in Satz 1 bezeichneten Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Sind die Daten derart verbunden, dass ihre Trennung nach erforderlichen und nicht erforderlichen Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sind auch die Kenntnisnahme, die Weitergabe innerhalb der datenverarbeitenden Stelle und die Übermittlung der Daten, die nicht zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben erforderlich sind, zulässig, soweit nicht schutzwürdige Belange der betroffenen Personen oder Dritter überwiegen. Die nicht erforderlichen Daten unterliegen insoweit einem Verwertungsverbot.

(9) Darüber hinaus sind Übermittlungen der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist oder eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

(10) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten aus der Gewerbeanzeige ermöglicht, ist nur zulässig, wenn technisch sichergestellt ist, dass

1.
die abrufende Stelle die bei der zuständigen Stelle gespeicherten Daten nicht verändern kann und
2.
ein Abruf durch eine in Absatz 7 genannte Stelle nur möglich ist, wenn die abrufende Stelle entweder den Namen des Gewerbetreibenden oder die betriebliche Anschrift des Gewerbetreibenden angegeben hat; der Abruf von Daten unter Verwendung unvollständiger Abfragedaten oder die Suche mittels einer Ähnlichenfunktion kann zugelassen werden.

(11) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten ermöglicht, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, ist nur zulässig, soweit

1.
dies wegen der Häufigkeit oder der Eilbedürftigkeit der Abrufe und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gewerbetreibenden angemessen ist,
2.
die zum Abruf bereitgehaltenen Daten ihrer Art nach für die Aufgaben oder Geschäftszwecke des Empfängers erforderlich sein können und
3.
technisch sichergestellt ist, dass Daten durch andere als die in Absatz 8 genannten Stellen nur abgerufen werden können, wenn dabei der Verarbeitungszweck, für den der Abruf erfolgt, sowie das Aktenzeichen oder eine andere Bezeichnung des Vorgangs, für den der Abruf erfolgt, angegeben wird.
Die Datenempfänger sowie die Verarbeitungszwecke, für die Abrufe zugelassen werden, sind vom Leiter der Verwaltungseinheit festzulegen. Die zuständige Stelle protokolliert die Abrufe einschließlich der angegebenen Verarbeitungszwecke und Vorgangsbezeichnungen. Die Protokolle müssen die Feststellung der für die einzelnen Abrufe verantwortlichen Personen ermöglichen. Eine mindestens stichprobenweise Protokollauswertung ist durch die speichernde Stelle zu gewährleisten. Die Protokolldaten dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verarbeitet werden und sind nach sechs Monaten zu löschen.

(12) Daten, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, darf der Empfänger nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

(13) Über die Gewerbeanzeigen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 werden monatliche Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die Statistik nach Satz 1 soll als Informationsgrundlage für die Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Strukturpolitik dienen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Anzeigepflichtigen, die die Auskunftspflicht durch Erstattung der Anzeige erfüllen. Die zuständige Behörde übermittelt aus den Gewerbeanzeigen monatlich die Daten als Erhebungs- oder Hilfsmerkmale an die statistischen Ämter der Länder, die zur Führung der Statistik nach Satz 1 erforderlich sind. Die statistischen Ämter der Länder dürfen die Angaben zum eingetragenen Namen des Betriebes mit Rechtsform und zum Namen des Betriebsinhabers für die Bestimmung der Rechtsform bis zum Abschluss der nach § 12 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes vorgesehenen Prüfung auswerten. Ferner dürfen sie nähere Angaben zu der angemeldeten Tätigkeit unmittelbar bei den Auskunftspflichtigen erfragen, soweit die gemeldete Tätigkeit sonst den Wirtschaftszweigen nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU Nr. L 393 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung nicht zugeordnet werden kann.

(14) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erlässt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1, zur Regelung der Datenübermittlung nach Absatz 8 sowie zur Führung der Statistik nach Absatz 13 nähere Vorschriften. Die Rechtsverordnung

1.
bestimmt insbesondere, welche erforderlichen Informationen in den Anzeigen nach Absatz 1 anzugeben sind,
2.
kann die Verwendung von Vordrucken zur Anzeige eines Gewerbes anordnen, die Gestaltung der Vordrucke durch Muster festlegen und Vorgaben treffen, wie und in welcher Anzahl die Vordrucke auszufüllen sind,
3.
kann Rahmenvorgaben für die elektronische Datenverarbeitung und -übermittlung festlegen,
4.
bestimmt, welche Daten zur Aufgabenwahrnehmung der in Absatz 8 Satz 1 bezeichneten Stellen erforderlicherweise zu übermitteln sind, und
5.
bestimmt, welche Daten als Erhebungs- und Hilfsmerkmale für die Statistik nach Absatz 13 Satz 1 an die statistischen Ämter der Länder zu übermitteln sind.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 394/07
vom
6. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. März 2007 werden verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt zu der Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner mit der Sachrüge und einer Formalrüge begründeten Revision erstrebt der Angeklagte seinen Freispruch. Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und ebenfalls auf eine Formalrüge und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Beiden Revisionen bleibt der Erfolg versagt.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte ist - derzeit vom Dienst suspendiert - Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Mannheim. Krankheitsbedingt geriet er immer wieder mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Verzug.
4
Die Verurteilung durch das Landgericht basiert auf Verfehlungen bei der Bearbeitung des seit November 2002 bei der Staatsanwaltschaft Mannheim im Dezernat des Angeklagten anhängigen Ermittlungsverfahren gegen P. S. wegen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Die Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft Dessau, die bereits wegen mehrerer vergleichbarer Vorwürfe gegen P. S. ermittelte, scheiterte. Eine Einstellung des Mannheimer Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO war ihm von seinem Dienstvorgesetzten untersagt worden. Da er beides nicht akzeptierte, unterließ es der Angeklagte zunächst, das Verfahren ordnungsgemäß zu betreiben, insbesondere die Vernehmung des Tatopfers und des Beschuldigten zu veranlassen, und dann Anklage zu erheben, bis er sich entschloss, dies dauerhaft zu verhindern, und er hierzu - in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt - zu Täuschungen und Manipulationen griff. Als im Februar 2005 die Entdeckung bevorstand, offenbarte er sich seinem Dienstvorgesetzten.
5
Im Einzelnen:
6
1. Zur Person des Angeklagten:
7
Spätestens in seinem elften Lebensjahr machte sich beim Angeklagten erstmals das „Gilles-de-la-Tourette-Syndrom“ (ICD10: F95.2) bemerkbar, eine Störung der Stoffwechselvorgänge im Gehirn. Dieses führt zu ansteigenden inneren Spannungszuständen, die sich in - der willentlichen Steuerung weitgehend entzogenen - Tics schlagartig entladen. Beim Angeklagten sind dies unwillkürliche Bewegungen - vor allem grimassierende Gesichtszuckungen, Kopfdrehungen und Schulterhebungen - sowie die Abgabe von Lauten, vornehmlich Räuspern und Rülpsen.
8
Der Angeklagte war deshalb zunehmend isoliert.
9
Dies kompensierte er durch besondere und auch erfolgsgekrönte Anstrengungen vor allem im Hockeysport und im Studium der Rechtswissenschaften , das er mit den weit überdurchschnittlichen Noten „gut“ im ersten und - nach dem Referendariat - „vollbefriedigend“ im zweiten Staatsexamen abschloss. Diese Erfolge beflügelten ihn und stärkten sein Selbstvertrauen. Während der Referendarzeit gelang es ihm deshalb, einen Freundes- und Bekanntenkreis aufzubauen. 1991 heiratete er.
10
Mit den ihm eigenen Vorstellungen über besonders qualitätsvolle Arbeit stieß er aber im Berufsleben, nach seinem Eintritt in den Richterdienst (1990) und insbesondere nach seinem Wechsel zur Staatsanwaltschaft - zunächst in Karlsruhe -, angesichts der nunmehr geforderten schnelleren und in höherem Maße ergebnisorientierten Arbeitsweise rasch an seine Grenzen. Sein Selbst- wertgefühl schwand, er fühlte sich wieder wegen seiner Erkrankung ausgegrenzt , litt zunehmend unter Antriebsarmut und wurde ab 1998 depressiv.
11
Die Anzahl der nur mit großen Verzögerungen oder überhaupt nicht bearbeiteten Verfahren wuchs. Um seine Untätigkeit zu verschleiern, versteckte er schließlich Akten in seinem Büro und veranlasste Mitarbeiter der Geschäftsstelle unter der unzutreffenden Behauptung, die Anklage sei bereits diktiert, Verfahren aus dem staatsanwaltschaftlichen Register auszutragen. Mit Strafbefehl vom 25. September 2000 wurde er wegen Strafvereitelung im Amt in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Verwahrungsbruch mit einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen belegt. Im anschließenden Disziplinarverfahren wurde gegen den Angeklagten im Dezember 2002 auch noch eine Geldbuße in Höhe von 2.000 € festgesetzt.
12
Wegen der zugrundeliegenden Vorfälle im Jahre 1999 an die Staatsanwaltschaft Mannheim abgeordnet, später versetzt, arbeitete der Angeklagte dort unter strenger Aufsicht seines Abteilungsleiters „im Wesentlichen ohne Beanstandungen“. Die Kontrollen wurden deshalb nach einigen Monaten vermindert und schließlich auf das allgemein übliche Maß zurückgeführt. Seine depressive Erkrankung und die daraus resultierende Antriebsarmut bestanden zwar fort. Dem vermochte er jedoch zunächst durch besondere Anspannung seiner erprobten Willensstärke zu begegnen. Die Anzahl der offenen Verfahren konnte er verringern. Im Jahre 2001 wurde er deshalb zusätzlich mit der Bearbeitung von Fällen nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz betraut.
13
Durch das Ergebnis des Disziplinarverfahrens im Dezember 2002 fühlte sich der Angeklagte unangemessen streng behandelt. Seine Depression und seine daraus resultierende Antriebsarmut gewannen wieder Überhand. Die Zahl der nicht ordnungsgemäß geförderten und nicht erledigten Verfahren stieg im Jahre 2003 an. Seine Berichtspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft vernachlässigte er. Den zunehmenden inneren Spannungen begegnete er mit zunächst mäßigem, bis Februar 2005 allerdings ansteigendem Bierkonsum, mit dem er dann bereits am Morgen vor Dienstantritt begann. Krankheitswert kam dem aber nicht zu.
14
Zum Ende des Jahres 2003 hatte sich die Erkrankung des Angeklagten zu einer mittelgradigen bis schweren „depressiven Episode“ (ICD10: F32) entwickelt , die nunmehr seine gesamte Daseinsgestaltung im beruflichen wie auch im allgemein-sozialen und familiären Leben beeinträchtigte. Insgesamt war die Erkrankung zu diesem Zeitpunkt so weit fortgeschritten, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert war. Dem stehe - so die sachverständig beratene Strafkammer - nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht nur die Weiterbearbeitung von Verfahren unterließ, sondern auch aktives pflichtwidriges Handeln an den Tag legte. Denn die ausgeprägte Willens- und Denkhemmung habe bereits die Motivbildung des Angeklagten beeinflusst und dessen Entscheidung gegen die Fortführung mitbestimmt.
15
Die Tourette-Erkrankung selbst hatte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten.
16
2. Zum Tatgeschehen hat die Strafkammer festgestellt:
17
a) Die anfängliche Verschleppung des Ermittlungsverfahrens: - Am 13. November 2002 ging im Dezernat des Angeklagten von der Polizei eine Anzeige (46 Blatt) gegen P. S. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ein. Die Ermittlungen standen am Anfang, insbesondere waren weder das Opfer noch der Beschuldigte vernommen worden.
- Am 15. November 2002 verfügte der Angeklagte die Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft Dessau, die bereits wegen mehrerer vergleichbarer Vorwürfe gegen P. S. ermittelte. Diese lehnte aber die Übernahme „aus nicht nachvollziehbaren Gründen“ ab. Im Dezember 2002 - in diesem Monat war er auch mit der Disziplinarstrafe belegt worden - gingen die Akten wieder beim Angeklagten ein. Hierüber war er verärgert.
- Bis Juli 2003 blieb der Angeklagte in diesem Verfahren bis auf die Verfügung der Versendung von Aktenteilen an das in Dessau mit dem dortigen Verfahren gegen P. S. inzwischen befasste Gericht untätig. Den Antrag von Rechtsanwalt K. , des Verteidigers des P. S. , vom 2. April 2003, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen und ihm Akteneinsicht zu gewähren, ließ er unbeachtet. Nach wie vor verärgert über das Verhalten der Staatsanwaltschaft Dessau, wollte er nun andere, insbesondere ältere Verfahren vorrangig bearbeiten.
- Im Juli 2003 teilte ihm der Verteidiger des P. S. telefonisch mit, dieser werde den sexuellen Missbrauch einräumen, die Anwendung von Gewalt jedoch bestreiten. Daraufhin versuchte der Angeklagte - nach einem Telefongespräch mit dem Vorsitzenden der Strafkammer des Landgerichts Dessau - am 28. Juli 2003 erneut, die Sache an die Staatsanwaltschaft Dessau abzugeben,
mit der Anregung, entweder Nachtragsanklage zu erheben oder das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO einzustellen. Einen von ihm unter dem 26. Juli 2003 gefertigten Entwurf einer Anklageschrift fügte er bei. Am 31. Juli 2003 lehnte die Staatsanwaltschaft Dessau die Übernahme des Verfahrens wiederum ab.
- „Zunächst“ aus Verärgerung darüber unterließ der Angeklagte weiterhin jegliche Förderung der Sache. Neuerliche Akteneinsichtsgesuche des Verteidigers vom 12. August und 7. November 2003 blieben unbeantwortet. Den Termin der Berichtspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft über Ermittlungsverfahren , die bereits ein Jahr anhängig sind, am 13. November 2003, ließ der Angeklagte verstreichen.
- Am 15. Dezember 2003 erhielt der Angeklagte vom Verteidiger des P. S. die schriftlichen Urteilsgründe zu dessen - nicht rechtskräftiger - Verurteilung durch das Landgericht Dessau vom 5. September 2003 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen - in drei Fällen wegen schweren sexuellen Missbrauchs - zu der Gesamtfreiheitsstrafe zu fünf Jahren und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der Angeklagte kündigte dem Verteidiger des P. S. - wie bereits im August in Aussicht gestellt - die Einstellung des Mannheimer Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO an.
- Der Abteilungsleiter verweigerte die Zustimmung zu der ihm am 16. Dezember 2003 vorgelegten Einstellungsverfügung. Dabei blieb es auch nach einer im Januar 2004 einberufenen Dezernen-
tenbesprechung der Abteilung, in der der Angeklagte mit seiner Meinung, das Verfahren sei zur Einstellung geeignet, alleine blieb. Der Abteilungsleiter wies den Angeklagten nun an, Anklage zum Landgericht Mannheim zu erheben. Er sagte jedoch erneute Prüfung einer Einstellung zu, sollte die zuständige Jugendkammer dann ihrerseits einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, was er allerdings für ausgeschlossen hielt.
- Daraufhin bat der Angeklagte den Vorsitzenden der Jugendkammer des Landgerichts Mannheim im Februar 2004 telefonisch um seine - sofortige - Zusage, dass er - der Vorsitzende - eine Einstellung des Verfahrens im Zwischenverfahren vorschlagen werde. Eine entsprechende Versicherung lehnte der Vorsitzende vor Erhebung der Anklage und ohne Kenntnis der Akten ab.
18
b) Der endgültige Tatentschluss:
19
Um in dieser Situation das gegenüber Rechtsanwalt K. bereits angekündigte Ergebnis - nämlich die Beendigung des Verfahrens S. - jedenfalls faktisch zu erreichen, entschloss sich der Angeklagte spätestens Ende Februar 2004, es - dauerhaft – „einfach nicht mehr weiter zu bearbeiten“ und so P. S. auf Dauer, zumindest auf ganz unbestimmte Zeit, weiterer Strafverfolgung zu entziehen. Dabei kam es ihm insbesondere darauf an, sich selbst weitere Arbeit zu ersparen, als auch - aus seiner Sicht - unangenehme Nachfragen durch den Verteidiger, weshalb er trotz gegenteiliger Zusage gleichwohl Anklage gegen seinen Mandanten erhebe, zu vermeiden.

20
c) Um dies zu verschleiern, ergriff der Angeklagte folgende Maßnahmen: - Unter Hinweis auf das Band mit einer - weiteren - vom Angeklagten am 25. Februar 2004 diktierten kurzen Anklageschrift veranlasste er die zuständige Mitarbeiterin der Geschäftsstelle, die ihm vertraute, das Verfahren vorzeitig aus dem Register der Staatsanwaltschaft auszutragen, zur Vermeidung der Entstehung einer - wie sie entsprechend der Darstellung des Angeklagten meinte - erst unmittelbar bevorstehenden Berichtspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft.
- Als ihm die Akte zur Unterschrift der Anklageschrift, die, wie er wusste, mangels Anklagereife der Sache niemals vom Abteilungsleiter gegengezeichnet worden wäre, vorgelegt wurde, unterzeichnete er diese nicht, entfernte und vernichtete vielmehr die auffällige rote „Gerichtsaktendecke“ und versteckte die Sachakte in seinem Dienstzimmer, getrennt von der Handakte und von dem wiederum an anderer Stelle verwahrten Berichtsheft.
- Am 27. Februar 2004 verfasste der Angeklagte den überfälligen Rückstandsbericht an die Generalstaatsanwaltschaft mit der unzutreffenden Behauptung, er habe am 25. Februar 2004 Anklage zum Landgericht erhoben. Bei der Weiterleitung des Berichts wurde diese Unwahrheit nicht erkannt.

d) Die Offenbarung:
21
Am 28. Januar 2005 fragte der Verteidiger des P. S. bei der Staatsanwaltschaft schriftlich nach dem Stand des Verfahrens. Die Geschäftsstelle leitete dies an das Landgericht weiter. Als die Anfrage von dort zurückgegeben und dem Angeklagten zur Überprüfung vorgelegt wurde, erkannte er, dass sich seine Täuschung über die Anklageerhebung herausstellen werde, zumal am 15. Februar 2005 der Beginn seines einmonatigen Krankenhausaufenthalts bevorstand. In der Nacht von Sonntag auf Montag, dem 14. Februar 2005, verfasste er in seinem Dienstzimmer folgendes Schreiben an den - neuen - Abteilungsleiter: „Herr Se. , nachdem die StA Dessau in dieser Sache 2x die Übernahme des Verfahrens abgelehnt hat, musste ich dieses hier führen. Mit dem Verteidiger hatte ich telefonisch eine Einstellung gem. § 154 StPO abgesprochen. Herr OStA Kn. hat sich gegen eine solche Einstellung ausgesprochen und Anklageerhebung angeordnet; eine Einstellung gem. § 154 solle durch das LG Mannheim beschlossen werden. Ich habe im Feb. 04 entsprechende Anklage verfasst, diese aber nicht abgelassen, da ich beim Verteidiger, RA K. , im Wort stand und diesem gegenüber eine Anklage nicht vertreten konnte. Seit Feb. 04 habe ich das Verfahren nicht mehr weiter betrieben. Ich meine, die Anklage sollte (im Register) zurückgenommen und das Verfahren gem. § 154 eingestellt werden. Ggf. sollte Anklage erhoben werden (ich habe diese am 14.02.05 neu abgefasst) und mit RA K. besprochen werden, dass eine Verfahrenseinstellung gem. § 154 StPO durch das LG Mannheim erfolgt. § 154 ist sachgerecht! F. “
22
Die neue - nunmehr dritte - Anklageschrift fügte er bei, ebenso die Akte, die er provisorisch wieder mit einer - unbeschrifteten - neuen roten Gerichtsaktendecke versehen hatte.
23
e) Der Fortgang des Verfahrens:
24
Nach der jetzt vom Abteilungsleiter forcierten Anklageerhebung wurde P. S. schließlich am 17. März 2006 vom Landgericht Mannheim wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Dessau zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, nunmehr unter Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Aufgrund der durch den Angeklagten verursachten Verfahrensverzögerung verminderte die Strafkammer die beiden von ihr verhängten Einzelstrafen um jeweils neun Monate.

II.


25
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen deckt keinen Rechtsfehler auf.
26
1. Die - auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Revision der Staatsanwaltschaft:
27
a) Mit einer Verfahrensrüge macht die Staatsanwaltschaft einen Verstoß gegen § 261 StPO geltend. Das Landgericht habe das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht umfassend gewürdigt. Der in der Hauptverhandlung verlesene Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25. September 2000 (Vorstrafe des Angeklagten) sei nämlich in den Urteilsgründen nur unvollkommen wiedergegeben worden.
28
Die Rüge ist unbegründet. Aus der sachgerecht zusammenfassenden Darstellung der Grundlagen der Vorstrafe kann nicht geschlossen werden, die Strafkammer habe nicht deren gesamten Inhalt in ihre Bewertung einbezogen und deshalb deren Gewicht verkannt. Eine auf das Wesentliche konzentrierte knappe Wiedergabe von Vorstrafen in den schriftlichen Urteilsgründen ist wünschenswert. Das wörtliche, zuweilen seitenlange Zitieren der Feststellungen in Vorverurteilungen belastet die schriftliche Begründung meist nur unnötig.
29
b) Mit der Sachrüge beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere, hinsichtlich der Vorstrafe des Angeklagten habe die Strafkammer nicht alle wesentlichen Zumessungsumstände hinreichend berücksichtigt.
30
Die Ausführungen hierzu stellen sich letztlich als untauglicher Versuch dar, die eigenen Strafzumessungserwägungen an die Stelle der rechtsfehlerfreien Strafzumessung des Landgerichts zu stellen.
31
Die Staatsanwaltschaft verkennt nicht, dass in den Urteilsgründen die Vorstrafe als Strafzumessungsgrund genannt wird: „... maßgeblicher Strafschärfungsgrund war aber insoweit, dass sich der Angeklagte durch die von jenem Straferkenntnis ausgehende Warnwirkung von der neuerlichen Tat nicht abhalten ließ“. Darauf, dass die Beschwerdeführerin dies gerne stärker gewichtet gesehen hätte, kommt es nicht an. Im Übrigen wird die Bedeutung, die das damals zuständige Gericht der Sache beimaß, aus der Strafhöhe deutlich. Nicht übersehen werden darf auch, dass die seinerzeitige Verurteilung allein wegen Strafvereitelung, nachdem sich der Vorwurf jedenfalls teilweise auch auf Rechtsbeugung erstreckt hatte, im Hinblick auf die Sperrwirkung des § 339 StGB unstimmig sein könnte. Sowohl den Schuldspruch wie auch das Strafmaß hat die Staatsanwaltschaft damals aber akzeptiert.
32
Dass die im vorliegenden Fall ausgesprochene Strafe so milde ist, dass sie von ihrer Bestimmung, ein gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach unten abweicht, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht, behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht. Die Strafkammer hat der besonderen persönlichen Situation des Angeklagten angemessen Rechnung getragen.
33
2. Die Revision des Angeklagten:
34
a) Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Beschwerdeführer die Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO. Die Strafkammer hätte zur Klärung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, insbesondere zur Auswirkung des Tourette-Syndroms hierauf, zwei weitere - namentlich benannte - Sachverständige hören müssen.
35
Die Rüge ist unbegründet.
36
Die Strafkammer hat sich der Unterstützung des Sachverständigen Dr. med. Pl. , Facharzt für Neurologie und Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie, bedient. Dieser war im Jahre 1992/1993 an der Gründung der deutschen Tourette-Gesellschaft beteiligt. Weder aus den Urteilsgründen noch aus der Revisionsbegründung ergeben sich Zweifel an dessen Sachkunde. Dass andere Sachverständige über überlegene Forschungsmittel verfügen - und der Strafkammer dies hätte bekannt sein müssen -, vermag der Beschwerdeführer ebenfalls nicht darzulegen. Auch ist die Beweisfrage - Auswirkung des Gilles-de-la-Tourette-Syndroms auf die Schuldfähigkeit bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens gegen P. S. - nicht so schwierig, dass dies von vorneherein zur Heranziehung mehrerer Sachverständiger gezwungen hätte. Die Strafkammer war daher nicht veranlasst , weitere Sachverständige heranzuziehen, schon gar nicht musste sie sich hierzu gedrängt sehen.
37
b) Die Sachrüge ist unbegründet.
38
aa) Die Beweiswürdigung ist - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - rechtsfehlerfrei, auch soweit die Strafkammer fehlende Schuldfähigkeit, mangels Steuerungsfähigkeit, beim Vorgehen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren gegen P. S. ausschließt.
39
Die Tourette-Erkrankung hat insoweit keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit. Die Strafkammer hat nicht verkannt, dass die mittelbaren Folgen, wie gesellschaftliche Isolierung, Verlust des Selbstwertgefühls, Versuch der Kompensation durch Höchstleistung unter Fixierung auf bestimmte Ziele mit vorhersehbaren Enttäuschungen, zwanghaftes Handeln, schließlich Verfallen in - hier mittelgradige bis schwere - Depression mit der hieraus resultierenden Antriebsarmut, Denkhemmung und dem allgemeinen Niedergang der Stimmung, auch bei aktivem Tun die Motivbildung beeinflussen kann. Dies hat das Landgericht eingehend erörtert.
40
Der Angeklagte hatte sich - auch krankheitsbedingt - in sein Ziel, das Ermittlungsverfahren P. S. auf andere Weise als durch Anklageerhe- bung zu erledigen, geradezu verrannt, insbesondere nachdem ihm die hierfür rechtlich zulässigen Wege versperrt waren, da die Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Dessau gescheitert war - worüber er sich durchaus ärgern durfte - und ihm die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO - gut nachvollziehbar - verboten worden war. Denn der Angeklagte sah seine Sichtweise als die einzig richtige an und hielt stur daran fest. Um sein Ziel dennoch zu erreichen, handelte er rechtswidrig. Das wusste er. Dass er dann aber bei der sich über Monate hinziehenden Bearbeitung bzw. Nichtbearbeitung des Verfahrens so weitgehend determiniert gewesen sein soll, dass er durchgehend nicht mehr in der Lage war, entsprechend der Einsicht in die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu handeln bzw. bei Vertuschungen so nicht zu handeln - oder auch seine Überlastung anzuzeigen - drängt sich auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung nicht auf.
41
Dagegen spricht schon, dass der Angeklagte nach der Vorverurteilung unter Anspannung seiner Kräfte längere Zeit in der Lage war, beanstandungsfrei zu arbeiten - bis er sich durch die Disziplinarstrafe ungerecht behandelt sah. Im Verfahren gegen P. S. stellte sich der Angeklagte bei den Vertuschungshandlungen geschickt und überlegt an. Und auch soweit er gebotene Maßnahmen nur unterließ, ging er selektiv vor. Akteneinsichtsgesuche des Verteidigers und dessen Antrag, seine Pflichtverteidigerbestellung zu veranlassen, ließ er unbeachtet. Der Bitte des Gerichts in Dessau um Übersendung von Aktenteilen entsprach er. Von dort erhoffte er sich ja noch eine Übernahme bzw. eine Verurteilung, die ihm eine Einstellung gemäß § 154 StPO ermöglichte. Entwürfe für Anklageschriften fertigte er - unter anderem zu Vertuschungszwecken - mehrere. Nur zur Anklagereife bringen wollte er gerade dieses Verfahren nie. Dabei hätte ein Ermittlungsauftrag an die Polizei zur Vernehmung des Beschuldigten und des Tatopfers nicht mehr Aufwand erfordert als die einzel- nen Vertuschungshandlungen oder die Abgabeverfügungen an die Staatsanwaltschaft Dessau. Sicher war dies alles von seinem Ziel - keine Anklageerhebung in dieser Sache - geprägt. Dass bei dieser differenzierten Vorgehensweise aber jede Handlung alternativlos, ihm zwingend vorgegeben gewesen sein soll, vermag nicht zu überzeugen.
42
Die sachverständig beratene Strafkammer kam gleichwohl zu dem Ergebnis , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens gegen P. S. eingeschränkt gewesen sei. Diese Einschränkung bewertete sie dann auch als erheblich im Rechtssinne (§ 21 StGB). Das Vorliegen von Schuldunfähigkeit hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
43
bb) Der Schuldspruch ist - auch im Übrigen - frei von Rechtsfehlern.
44
Der Angeklagte entschloss sich spätestens Ende Februar 2004, das Ermittlungsverfahren gegen P. S. - dauerhaft - nicht mehr weiter zu bearbeiten und so P. S. , der einer schweren Straftat - eines Verbrechens - verdächtig war, auf Dauer, zumindest auf ganz unbestimmte Zeit weiterer Strafverfolgung zu entziehen, und er setzte dies dann durch schwerpunktmäßig aktives Handeln in die Tat um. Die Staatsanwaltschaft Dessau hatte das Verfahren nicht übernommen. Die Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO war ihm verboten worden. Er war zudem von seinem Abteilungsleiter - ohne dass es dessen bedurft hätte - sogar noch ausdrücklich angewiesen worden, Anklage zu erheben. Er war nach allem nicht nur dienstrechtlich, sondern im Hinblick auf das Legalitätsprinzip strafprozessual (§ 152 Abs. 2 StPO) gehalten, die Ermittlungen zum Abschluss zu bringen und - bei hinreichendem Tatverdacht, was schon im Hinblick auf das angekündigte Teilgeständnis zu erwarten war - P. S. anzuklagen. Dass er dies als der für dieses Verfahren zuständige Staatsanwalt bewusst nicht umsetzte, sondern gezielt durch aktive Manipulationen verhinderte, stellt einen bewussten Rechtsbruch, eine objektive, wie auch - unter Berücksichtigung der besonderen Umstände in der Person des Angeklagten - subjektiv schwere Rechtsverletzung dar und damit eine Rechtsbeugung im Sinne von § 339 StGB, hier in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt gemäß §§ 258a Abs. 1, 258 Abs. 1 StGB.
45
Dass sich der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet hätte, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung, statt - wie im Verfahren in Dessau geschehen - in einem psychiatrischen Krankenhaus , zu verhindern, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
Nack Boetticher Hebenstreit Frau Riin Elf ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 328/15
vom
27. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:270116U5STR328.15.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger, Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 5. Januar 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen 1, 5, 7, 8, 9, 10a bis 10c der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision der Angeklagten werden verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen –

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte unter Freispruch im Übrigen wegen Verwahrungsbruchs in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Angeklagte greift ihre Verurteilung mit der Sachbeschwerde an. Die Staatsanwalt- schaft wendet sich in ihrer gleichfalls mit der Sachrüge geführten Revision zum einen – insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten – dagegen, dass die Angeklagte nicht (auch) wegen Rechtsbeugung verurteilt worden ist; ferner vertritt sie die Meinung, dass diese auch wegen Urkundenunterdrückung hätte verurteilt werden müssen. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat überwiegend Erfolg. Hingegen deckt die Revision der Angeklagten keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
Die Angeklagte war seit 1997 bei der Zentralen Bußgeldstelle des Landes (im Folgenden: „ZBSt“) tätig. Dort wurde sie nach einem 14-tägigen Grundkurs mit der Bearbeitung von Bußgeldverfahren betraut. Sie war zunächst für allgemeine Ordnungswidrigkeiten und später für Ordnungswidrigkeiten nach dem Fahrpersonalgesetz (FPersG) zuständig. Ab November 2010 war sie ausschließlich im Bereich der Verfolgung und Ahndung allgemeiner Ordnungswidrigkeiten eingesetzt.
4
Trotz starker eigener Belastung und regelmäßiger Bitte um Unterstützung griff die Angeklagte immer wieder auf – nicht ihrer Zuständigkeit unterfallende – Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Fahrpersonalgesetz zu, die durchgehend das Unternehmen F. (im Folgenden: „F. “) oder dessen Fahrer betrafen. Die Angeklagte wollte jeweils einen für das Unternehmen oder dessen Fahrer günstigen Verfahrensabschluss erreichen. Den Grund dafür hat das Landgericht nicht feststellen können.
5
In fünf Fällen (Fälle 1, 5, 7, 8 und 9) zog die Angeklagte die Bearbeitung von Bußgeldverfahren an sich, die wegen Verstößen gegen Lenk- und Ruhezei- ten gegen Fahrer der F. geführt wurden und in denen die zuständigen Sachbearbeiter bereits Bußgeldbescheide erlassen hatten. Sie verfügte die Abgabe der Verfahren an die Staatsanwaltschaft, druckte die elektronisch geführte Akte aus, die aus technischen Gründen nur in Papierform an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden konnte, und entzog die „Papierakte“ dem Dienstverkehr, um eine Ahndung zu verhindern.
6
In vier Fällen (Fälle 2, 3, 4 und 6) griff sie auf Bußgeldverfahren zu, die wegen Lenkzeitüberschreitungen gegen die F. als Fahrzeughalterin eingelei- tet worden waren. Da für die Bearbeitung von „Halteranzeigen“ nicht die ZBSt, sondern das Landesamt für Arbeitsschutz (im Folgenden: „LAS“) sachlich zuständig war, hatte bei der ZBSt keine inhaltliche Bearbeitung zu erfolgen. Es waren lediglich die Daten der „Halteranzeigen“ in das Computersystem der Bußgeldstelle einzugeben, die Akte auszudrucken und an das LAS zu übersenden. Die Angeklagte schloss diese Vorgänge im Rahmen der elektronischen Bearbeitung ab und druckte die Akten aus. Jedoch entzog sie die „Pa- pierakten“ anschließend dem Geschäftsgang.
7
Im Fall 10a zog sie die Bearbeitung eines wegen Verstoßes gegen Lenkund Ruhezeiten gegen einen Fahrer geführten Bußgeldverfahrens an sich. Sie nahm auf den Einspruch des Betroffenen den vom zuständigen Sachbearbeiter erlassenen Bußgeldbescheid zurück und erließ unter Verweis auf die – tatsächlich nicht belegten – wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen einen Bußgeldbescheid , der eine niedrigere Geldbuße auswies.
8
Im Fall 10b griff sie auf ein Bußgeldverfahren zu, in dem der zuständige Sachbearbeiter wegen eines Verstoßes gegen Lenk- und Ruhezeiten einen Bußgeldbescheid gegen einen Fahrer erlassen hatte. Sie hob den Bußgeldbe- scheid auf und stellte das Verfahren ein, nachdem sie den Eingang des Einspruchs und einer schriftlichen Einlassung des Betroffenen vermerkt hatte.
9
Schließlich zog die Angeklagte im Fall 10c das Bußgeldverfahren betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung eines Fahrers an sich und setzte zunächst ein Verwarnungsgeld fest. Nachdem dieses nicht gezahlt worden war, stellte sie das Bußgeldverfahren „wegen mangelnder Qualität der Beweismittel“ ein.
10
2. Das Landgericht hat die Angeklagte in den Fällen 1 bis 9 wegen Verwahrungsbruchs gemäß § 133 Abs. 1 und 3 StGB verurteilt und im Übrigen freigesprochen (Fälle 10a bis 10c). Hinsichtlich der Fälle 1 bis 9 hat es den Straftatbestand der Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB) nicht als erfüllt angesehen. Eine Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) hat es in allen Fällen verneint, weil die Angeklagte keine taugliche Täterin sei. Mit Blick auf ihr Ziel, andere der bußgeldrechtlichen Verfolgung zu entziehen, und den Umstand, dass ihr Tun aus tatsächlichen Gründen nicht als Begünstigung bzw. Strafvereitelung im Amt strafbar sei, stehe einer Ahndung gemäß § 339 StGB der „Grundgedanke des Gesetzgebers“ (UA S. 27) entgegen. Zudem fehle es an einem hinreichend schwerwiegenden Rechtsverstoß.
11
3. Die Revision der Angeklagten bleibt erfolglos.
12
Das Landgericht hat die Taten 1 bis 9 zutreffend als Verwahrungsbruch (§ 133 Abs. 1 und 3 StGB) gewürdigt. Die Angeklagte entzog mit den von ihr ausgedruckten Akten Schriftstücke dem Geschäftsgang, die sich in dienstlicher Verwahrung befanden und die ihr als Amtsträgerin (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB) anvertraut waren.
13
a) In dienstlicher Verwahrung befindet sich eine Sache in Abgrenzung zum allgemeinen Amtsbesitz dann, wenn sich im Gewahrsam die besondere dienstliche Herrschafts- und Verfügungsgewalt äußert, die den staatlichen Aufgaben der verwahrenden Dienststelle entspringt (vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 224; siehe auch LK-StGB/Krauß, 12. Aufl., § 133 Rn. 11). Vorliegend dienten die von der Angeklagten gefertigten Ausdrucke der bis dahin elektronisch geführten Verfahrensakten der Aufgabenerfüllung der ZBSt und nicht lediglich deren technischen Funktionsinteresse. Mit dem Ausdruck wurden die neu geschaffenen Papierakten zur allein maßgeblichen Grundlage für die weitere hoheitliche Aufgabenerfüllung. Entgegen der Auffassung der Verteidigung handelte es sich nicht lediglich um Aktenkopien. Der Medienwechsel von der elektronisch geführten Akte zur Papierakte war notwendig, um die gesetzmäßige Fortführung der Verfahren durch Weiterleitung der ausgedruckten Akten an die Staatsanwaltschaft (Fälle 1, 5, 7, 8 und 9) bzw. an das LAS (Fälle 2, 3, 4 und 6) und eine dortige Bearbeitung überhaupt erst zu ermöglichen. Dass durch Ausdruck der weiterhin bestehenden elektronischen Akte abermals Papierakten hätten hergestellt werden können, steht der Tatbestandsmäßigkeit nicht entgegen.
14
b) Die Papierakte war der Angeklagten auch dienstlich anvertraut (vgl. RGSt 7, 252, 257). Dass die Angeklagte naheliegend schon beim Ausdruck deren Entziehung beabsichtigte, hindert die Annahme dienstlichen Anvertrautseins nicht (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 1975 – 3 StR 120/75, NJW 1975, 2212, 2213).
15
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat überwiegend Erfolg.
16
Während die Verurteilung der Angeklagten in den Fällen 2, 3, 4 und 6 (nur) wegen Verwahrungsbruchs Bestand hat, begegnet die durch das Landge- richt vorgenommene Bewertung des Verhaltens der Angeklagten in den Fällen 1, 5, 7, 8 und 9 sowie in den Fällen 10a bis 10c, in denen die Angeklagte freigesprochen worden ist, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft liegen die Voraussetzungen für eine Urkundenunterdrückung allerdings nicht vor. Denn die Intention der Angeklagten, den staatlichen Bußgeldanspruch zu vereiteln, begründet keine Nachteilszufügungsabsicht im Sinne von § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. März 1990 – 5 StR 101/90, BGHR StGB § 274 Nachteil 2; vom 15. Juli 2010 – 4 StR 164/10, NStZ-RR 2011, 276; offengelassen von BGH, Beschluss vom 27. Juli 2012 – 1 StR 238/12, NStZ-RR 2012, 343; aA Schneider NStZ 1993, 16; Zieschang, HRRS 2013, 49).
18
b) Die Strafkammer hat ihrer Würdigung der Taten 1, 5, 7, 8 und 9 sowie der Freispruchsfälle unter dem Blickwinkel einer Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) in mehrfacher Hinsicht unzutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt. Hingegen hat sie den Tatbestand der Rechtsbeugung in den Fällen 2, 3, 4 und 6 im Ergebnis zutreffend verneint.
19
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Verwaltungsbediensteter als anderer Amtsträger Täter einer Rechtsbeugung sein, wenn er gleich einem Richter eine Rechtssache leitet und entscheidet (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 1959 – 1 StR 504/58, BGHSt 13, 102, 110; vom 16. Februar 1960 – 5 StR 473/59, BGHSt 14, 147; vom 14. März 1972 – 5StR 589/71, BGHSt 24, 326; LK-StGB/Hilgendorf, 12. Aufl., § 339 Rn. 21; MüKo-StGB/Uebele, 2. Aufl., § 339 Rn. 14). Dies trifft in den Fällen 1, 5, 7, 8 und 9 sowie den Freispruchsfällen auf die Angeklagte zu. Sie entschied als Mitarbeiterin der ZBSt nach § 35 OWiG auch über die Ahndung von Ordnungswid- rigkeiten. So stellt der Erlass eines Bußgeldbescheides eine – wenngleich vorläufige – Entscheidung in einer Rechtssache dar (vgl. Urteil vom 16. Februar 1960 – 5 StR 473/59, aaO; LK-StGB/Hilgendorf, aaO Rn. 21 mwN).
20
bb) In den Fällen 2, 3, 4 und 6 war die Angeklagte lediglich mit der ver- waltungstechnischen Vervollständigung und Weiterleitung der „Halteranzeigen“ betraut. Dies stellt nicht das Leiten einer Rechtssache dar.
21
cc) Entgegen der Ansicht des Landgerichts stellt das Entziehen der Akten aus dem Geschäftsgang in den Fällen 1, 5, 7, 8 und 9 einen tauglichen Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der Rechtsbeugung dar.
22
Das Landgericht hat seinenBlick unzulässig auf den – tatsächlichen – Vorgang der Entziehung der Akte verengt. „Leitung der Rechtssache“ wird je- doch als Inbegriff aller Maßnahmen verstanden, die auf die Erledigung der Sache hinzielen. Maßgebend ist deshalb, ob das streitige Verhältnis in seiner Gesamtheit Rechtssache ist, nicht aber, ob die einzelnen auf die Erledigung der Sache gerichteten Maßnahmen rechtlicher Art sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1958 – 1 StR 453/58, BGHSt 12, 191, 192; LK-StGB/Hilgendorf, aaO Rn. 39; MüKo-StGB/Uebele, aaO Rn. 21; NK-StGB/Kuhlen, 4. Aufl., § 339 Rn. 27). Dass die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten „Rechtssache“ ist, unterliegt keinem Zweifel. Demgemäß stellt auch die Entziehung der Akten aus dem Geschäftsgang mit dem Ziel, eine Ahndung des Verstoßes zu verhindern, eine Maßnahme bei der Leitung einer Rechtssache dar. Die Angeklagte brachte die Bußgeldverfahren zu einem endgültigen – im Verfahrensgang nicht vorgesehenen – Abschluss. Sie setzte das von ihr verfolgte Ziel um, einen Fortgang des Verfahrens gesetzeswidrig zu verhindern.
23
c) Das Landgericht hat ferner bei der Bewertung des Tatbestandsmerkmals der Beugung des Rechts einen unzutreffenden Maßstab angelegt.
24
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt der Straftatbestand der Rechtsbeugung den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts im Sinne des § 339 StGB dar. Vielmehr werden nur solche Rechtsverstöße erfasst, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357; vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381; vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343; vom 29. Oktober 2010 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648 Rn. 39). Im Rahmen von Opportunitätsentscheidungen – etwa bei der Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 OWiG – kann es dabei nicht darauf ankommen, ob es für eine Entscheidung gute oder weniger gute Gründe gibt, ob geringe Schuld oder fehlendes öffentliches Interesse an der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit nachgewiesen oder ob das Prinzip der Verhältnismäßigkeit herangezogen worden ist. Allein entscheidend ist, ob die Einstellung ohne Ermessensausübung oder aus sachfremden Gründen erfolgt ist (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 1 StR 240/98, BGHSt 44, 258, 261; vgl. LK-StGB/Hilgendorf,aaO Rn. 78; MüKo-StGB/Uebele, aaO Rn. 53; NK-StGB/Kuhlen, aaO Rn. 54).
25
bb) Diesen Grundsätzen wird die rechtliche Würdigung des Landgerichts nicht gerecht.
26
(1) Zwar hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend eine Verwirklichung des Rechtsbeugungstatbestands verneint, soweit die Angeklagte bei ihrem Zu- griff auf Bußgeldverfahren gegen interne Zuständigkeitsregelungen der ZBSt verstieß. Anders als in Fällen willkürlicher oder grob verfahrensfehlerhafter Annahme richterlicher Zuständigkeit (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 345 f.; vom 20. September 2000 – 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; und vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648 Rn. 39), bei denen jeweils die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berührt war, handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Zuständigkeitsvorschriften lediglich um interne, verwaltungsorganisatorische Regelungen. Deren Verletzung vermag den Tatbestand der Rechtsbeugung nicht zu erfüllen.
27
(2) Es stellt einen elementaren Rechtsverstoß dar, dass die Angeklagte in den Fällen 1, 5, 7, 8 und 9 Akten aus dem Dienstverkehr entzog, um auf diese Weise eine Ahndung der Verstöße zu verhindern. Die Angeklagte beendete mit fremdnütziger Zielrichtung Bußgeldverfahren in außergesetzlicher Weise, deren gesetzmäßige Führung ihre dienstliche Aufgabe war. Mit diesem in seinem Ergebnis einer abschließenden Entscheidung gleichkommenden Vorgehen entfernte sie sich bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz.
28
(3) In den Fällen 10a bis 10c, in denen das Landgericht die Angeklagte freigesprochen hat, liegt es nach den vom Landgericht getroffenen lückenhaften Feststellungen jedenfalls nahe, dass die Angeklagte sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernte.
29
Die Erwägung des Landgerichts, dass die Angeklagte sich bei den von ihr getroffenen inhaltlichen Entscheidungen innerhalb des ihr eingeräumten Entscheidungsspielraums bewegt habe, verkennt den gesetzlichen Maßstab. Maßgeblich ist nach den dargelegten Grundsätzen der Umstand, ob sie die Entscheidungen ohne Ermessensausübung oder aus sachfremden Motiven traf. Dass die Entscheidungen sich im Rahmen der ihr grundsätzlich eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten hielten, schließt eine Rechtsbeugung nicht aus. Auch in Anbetracht dessen, dass die Angeklagte in den Fällen 1 bis 9 handelte, um eine Ahndung zu verhindern, hätte das Landgericht sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Absenkung der Geldbuße unter Bezugnahme auf tatsächlich nicht nachgewiesene wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen im Fall 10a, die begründungslose Einstellung des Bußgeldverfahrens im Fall 10b und die Verfahrenseinstellung wegen – tatsächlicher oder nur behaupteter – schlechter Qualität der Beweismittel im Fall 10c aus sachfremden Motiven oder ohne Ermessensausübung erfolgte. Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls weitergehende Feststellungen zur Handlungs- und Entscheidungsmotivation der Angeklagten zu treffen haben.
30
cc) Ein „Grundgedanke des Gesetzgebers“ (UA S. 27), wonach bei einer strafvereitelnden Absicht des Täters eine Ahndung nach § 339 Abs. 1 StGB nur möglich ist, wenn zugleich die Voraussetzungen der Strafvereitelung gegeben sind, also namentlich die Verfolgung einer – hier nicht inmitten stehenden – Straftat vereitelt wird, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht erkennbar.
31
5. Die fehlerhafte Beurteilung der Voraussetzungen des Rechtsbeugungstatbestands in den Fällen 1, 5, 7, 8 und 9 sowie in den Freispruchsfällen führt zur Aufhebung der Schuld- bzw. Freisprüche. Dies umfasst in den Fällen 1, 5, 7, 8 und 9 auch die an sich rechtsfehlerfreie, gegebenenfalls tateinheitlich zur Rechtsbeugung hinzutretende Verurteilung wegen Verwahrungsbruchs (§ 133 Abs. 1 und 3 StGB) und zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Gegen die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 2, 3, 4 und 6 ist hingegen rechtlich nichts zu erinnern. Sie können daher bestehen bleiben.

Sander Dölp König
Berger Bellay

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

1.
wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder
2.
wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.

(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.