Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 12. Jan. 2016 - 7 Sa 87/13

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2016:0112.7SA87.13.0A
bei uns veröffentlicht am12.01.2016

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 16.07.2015 - 7 Sa 87/13 - wird aufrechterhalten.

2. Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über einen Nachteilsausgleichsanspruch des Klägers.

2

Beklagter ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin betrieb mit insgesamt 82 Mitarbeitern (Massenentlassungsanzeige vom 17.04.2012, Bl. 97 f. d. A.) an den Standorten M., H. und W. mit jeweils örtlichen Betriebsräten. Ein Gesamtbetriebsrat bestand ebenfalls.

3

Der am … geborene Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 01.04.1993 aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.01.1993 (Bl. 7 f d. A.) als Croupier zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.270,- € brutto in der M. beschäftigt.

4

Die Insolvenzschuldnerin wurde zum 01.01.2010 privatisiert und die Geschäftsanteile an die D. Ltd. übertragen, die wiederum Herrn S. zum Geschäftsführer bestellte. Nachdem die Insolvenzschuldnerin die gemäß § 3 Abs. 4 Ziffer 6 SpielbG LSA vorgeschriebene Sp… nicht mehr zur Verfügung hatte, stellte sie den Spielbetrieb in M. ab dem 13.05.2011 und in H. und W. ab dem 18.05.2011 ein. Die Einstellung des Spielbetriebes wurde mit Ordnungsverfügungen vom 13.05.2011 und 17.05.2011 aufsichtlich durch das Ministerium für I…… begleitet, wonach der Spielbetrieb in allen drei Betrieben eingestellt wurde. Seit diesem Zeitpunkt waren die Arbeitnehmer der drei Betriebe freigestellt.

5

Im Hinblick auf die Weiterführung des S… fanden sodann Gespräche mit dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und Vertretern des Innen- und Finanzressorts statt, wobei die Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Weiterführung des Spielbankbetriebes u. a. an die Erbringung von Sacheinlagen in Höhe von 2 Mio. Euro sowie die Zurverfügungstellung eines bestimmten Kassenbestandes geknüpft wurde (so VG Magdeburg, 10.05.2012, 3 A 57/12, Rn. 4 ff, Juris).

6

Am 05.07.2011 fand eine Gesamtbetriebsversammlung statt, auf der der neue Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, Herr G., sich der Belegschaft vorstellte und eine zeitnahe Wiederaufnahme des Spielbetriebes zum 01.08.2011 ankündigte (Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012, Seite 5, Bl. 50 d. A.).

7

Am 15.07.2011 stellte der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 21.07.2011 (340 IN 695/11 (351)) wurde der Beklagte zum Gutachter bestellt. Auf Empfehlung des Beklagten ordnete das Amtsgericht Magdeburg mit weiterem Beschluss vom 27.07.2011 die vorläufige Verwaltung des Schuldnervermögens an, bestimmte den Beklagten zum vorläufigen Verwalter und legte fest, dass Verfügungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind. (Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012, Seite 3, Bl. 49 d. A.).

8

Mit E-Mail vom 06.10.2011 wandte sich der Beklagte an den bei der Insolvenzschuldnerin gebildeten Gesamtbetriebsrat und übersandte gleichzeitig den Entwurf eines Interessenausgleichs mit der Bitte um Prüfung, ob in Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs eingetreten wird. Verhandlungen fanden tatsächlich nicht statt.

9

Mit Bescheid vom 20.01.2012 erfolgte durch das Ministerium für … der Widerruf der Zulassung zum Betrieb einer öffentlichen … (Anlage B2, Bl. 260 d. A.). Gleichzeitig wurde angeordnet, dass die Zulassungen binnen einer Woche nach Zustellung der Verfügung an das Ministerium zu übergeben sind. Der Bescheid wurde der Insolvenzschuldnerin am 24.01.2012 zugestellt, der Beklagte erhielt am 31.01.2011 eine Kopie des Bescheides (so VG ……, 10.05.2012, 3 A 57/12, Rn. 8 ff, Juris).

10

Am 06.02.2012 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter (Eröffnungsbeschluss Anlage K3, Bl. 12 f. d. A.).

11

Der Beklagte hörte den Betriebsrat der…… M. mit Schreiben vom 28.02.2012 zur beabsichtigten Kündigung aller Arbeitnehmer der … M. an.

12

Der Gesamtbetriebsrat erklärte die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs mit Beschluss vom 03.04.2012 für gescheitert und beschloss weiterhin, die Einigungsstelle anzurufen. Dies teilte er dem Beklagten mit Schreiben vom 04.04.2012 (Anlage BK 1, Bl. 211 f. d. A.) unter dem Hinweis mit, dass er für den Fall des Bestreitens der Zuständigkeit der Einigungsstelle und/oder der Ablehnung deren Besetzung die Einsetzung der Einigungsstelle beim zuständigen Arbeitsgericht beantragen werde.

13

Der Beklagte reagierte hierauf zunächst nicht. Mit Schreiben vom 13.04.2012 (Anlage B3, Bl. 91 bis 94 d. A.) hörte er vielmehr den Betriebsrat der M. erneut zur beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung aller Arbeitnehmer – nunmehr zum 31.07.2012 - unter Wiederholung seiner Ausführungen vom 28.02.2012 an. Der Betriebsrat widersprach den beabsichtigten Kündigungen mit Schreiben vom 18.04.2012 (Anlage K3, Bl. 10 d. A.).

14

Der Beklagte kündigte allen Arbeitnehmern mit Schreiben vom 23.04.2012 zum 31.07.2012. Im Zeitpunkt der Kündigungen verfügte der Beklagte bezüglich der weder über Räumlichkeiten noch über sonstige Betriebsmittel wie S. und A.

15

Gegen den Widerruf der Zulassung zum Betrieb einer öffentlichen erhob der Beklagte am 20.02.2012 und die Insolvenzschuldnerin am 23.02.2012 Klage zum Verwaltungsgericht . Die Insolvenzschuldnerin vertrat dabei die Rechtsansicht, dass die Genehmigung zum nicht zur Insolvenzmasse gehöre und der Beklagte daher auch nicht befugt sei, eine Prozessführung hinsichtlich des Widerrufs der Zulassung vorzunehmen.

16

Mit Urteil vom 10.05.2012 wies das Verwaltungsgericht (VG, 10.05.2012, 3 A 57/12, Juris) die Klage der Insolvenzschuldnerin als unbegründet ab. Die Insolvenzschuldnerin sei zwar aktivlegitimiert, da die Genehmigung zum nicht zur Insolvenzmasse gehöre, der Widerruf sei jedoch zu Recht erfolgt, da die Insolvenzschuldnerin die Voraussetzungen zum Betrieb einer nicht mehr erfülle.

17

Mit weiterem Urteil vom 10.05.2012 (VG Magdeburg, 10.05.2012, 3 A 53/12, Juris) wies das Verwaltungsgericht die Klage des Beklagten als unzulässig ab, da der Beklagte nicht aktiv legitimiert sei, die gehöre nicht zur Insolvenzmasse. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung wurde durch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 07.01.2014 zurückgewiesen (3 L 581/12, Juris). Auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt kam dabei zu dem Ergebnis, dass die S…… eine höchstpersönliche Rechtsposition sei, die an zahlreiche, durch den Zulassungsinhaber selbst sicherzustellende Voraussetzungen anknüpfe. Solche höchstpersönlichen Rechte würden nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterfallen, da dieser die an den Zulassungsinhaber zu stellenden Anforderungen in eigener Person nicht erfüllen könne.

18

In einem vor dem Arbeitsgericht zum Aktenzeichen 3 Ca 1401/12 geführten Kündigungsschutzverfahren erklärte der Bevollmächtigte des Gesamtbetriebsrats und Prozessbevollmächtigte der dortigen Klägerin, Rechtsanwalt D., in der Güteverhandlung vom 15.06.2012 zur Frage, ob ein Interessenausgleich hinreichend versucht worden sei, sinngemäß, dass es seine Aufgabe als Bevollmächtigter des Betriebsrats sei, dafür zu sorgen, dass der Arbeitgeber in die Nachteilsausgleichsfalle tappe, was auch vorliegend funktioniert habe.

19

Am 17.08.2012 zeigte der Beklagte dem Insolvenzgericht an, dass Masseunzulänglichkeit eingetreten sei.

20

Am 14.08.2012 ging beim Arbeitsgericht ein Antrag „wegen gerichtlicher Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung gemäß § 122 InsO“ ein. Im Rahmen des Anhörungstermins am 24.10.2011 wurde der Antrag nach Hinweisen des Gerichts auf die bereits vor einigen Monaten ausgesprochenen Kündigungen auf Feststellung umgestellt, „dass der Antragsteller berechtigt war, die in dem Ausspruch von Kündigungen (vom 23.04., 24.04. und 25.04.2012) gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern liegende Betriebsänderung durchzuführen, ohne bereits das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG durchzuführen.“ Mit Beschluss vom 21.11.2011 (5 BV 100/12) wies das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag zurück. Es führte aus, dass der ursprünglich gestellte Antrag nach § 122 InsO unzulässig sei, weil die Betriebsänderung, die hier in der Kündigung von 72 Arbeitsverhältnissen gelegen habe, bereits in der Zeit vom 23.04.2012 bis 25.04.2012 und damit bereits rund vier Monate vor Einreichung des Antrages nach § 122 InsO erfolgt sei und damit bereits keine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 122 InsO vorliege. Auch für den zuletzt gestellten Feststellungsantrag sei kein Feststellungsinteresse gegeben, da der Antragsteller die Möglichkeit des § 122 InsO nicht genutzt habe.

21

Mit der am 10.05.2012 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 16.05.2012 zugestellten Klage hat der Kläger sich zunächst gegen die Kündigung vom 23.04.2012 gewehrt, einen Weiterbeschäftigungsantrag und einen Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses angekündigt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21.01.2013 unter Zurücknahme der weitergehenden Klage nur noch die Feststellung des Bestehens eines Nachteilsausgleichsanspruchs als Masseverbindlichkeit geltend gemacht.

22

Der Kläger hat beantragt,

23

festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger eine Abfindung im Sinne von § 113 BetrVG in Höhe von 49.050,- € für den Verlust des Arbeitsplatzes als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO schuldet.

24

Der Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Der Beklagte hat vorgetragen,

27

dem stehe Kläger ein Nachteilsausgleichsanspruch nicht zu. Das Vorliegen einer Betriebsänderung werde in Abrede gestellt. Aber auch dann, wenn das Vorliegen einer Betriebsänderung angenommen werde, habe der Kläger keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich, den er mit der vorliegenden Feststellungsklage geltend machen könne. Die Betriebsstilllegung habe vorliegend spätestens mit dem Entzug der … begonnen, darüber hinaus beginne nach der Entscheidung des BAG vom 22.07.2003 (1 AZR 541/02) die Betriebsstilllegung bereits mit der Freistellung. Daher stelle der Anspruch auf Nachteilsausgleich allenfalls eine einfache Insolvenzforderung dar.

28

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts M. vom 30.01.2013 – 3 Ca 1436/12 – (Urteil Seite 2 bis 5, Bl. 102 bis 105 d. A.) Bezug genommen.

29

Mit vorbezeichnetem Urteil hat das Arbeitsgericht M. unter Abweisung der Klage Übrigen festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Nachteilsausgleich in Höhe von 31.065,- € hat, die Kosten des Rechtstreits den Parteien anteilig auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 4.905,- € festgesetzt.

30

Das Gericht hat ausgeführt, der zuletzt noch von dem Kläger verfolgte Feststellungsantrag sei zulässig, da es sich um eine sogenannte Altmasseverbindlichkeit handele, die Betriebsänderung sei nach Insolvenzeröffnung aber vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begonnen worden. Entgegen der Ansicht des Beklagten habe die Betriebsänderung – nämlich die Betriebsstilllegung – nicht mit der Freistellung der Mitarbeiter im Mai 2011 begonnen. Zum Zeitpunkt der Freistellung habe die Insolvenzschuldnerin nicht beabsichtigt, die Mitarbeiter für einen längeren Zeitraum freizustellen. Der Beklagte hätte selbst die Einigungsstelle anrufen müssen. Hinsichtlich der Höhe des Nachteilsausgleichsanspruchs würde sich bei 19 Beschäftigungsjahren x 3.270,- € brutto x 0,5 der zugesprochene Betrag in Höhe von 31.065,- € ergeben. Eine Begrenzung ergebe sich nicht aus § 123 Abs. 1 InsO, da es sich hier nicht um einen Sozialplananspruch handele.

31

Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf die in ihm aufgeführten Entscheidungsgründe Bezug genommen (Urteil Seite 5 bis 12, Bl. 105 bis 112 d. A.).

32

Gegen das ihm am 06.02.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 05.03.2013 Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 06.05.2013, mit am 06.05.2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

33

Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte vor,

34

der von der klagenden Partei gestellte Antrag auf Nachteilsausgleich sei sowohl unzulässig als auch materiell unbegründet. Der aktuell anhängige Antrag auf „Feststellung“ bedürfe zunächst einer vorherigen Anmeldung gegenüber dem Insolvenzverwalter. Feststellungsklagen seien seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.09.2001 (IX ZR 71/00) nur bezüglich einer angemeldeten, geprüften und bestrittenen Forderung zulässig. Die Rechtsordnung stelle die Möglichkeit, statt einer Feststellung zur Insolvenztabelle eine gesonderte Rechtsverbindung zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten zu generieren, nicht zur Verfügung. Würde man diesen zusätzlichen Weg ermöglichen, so wäre dies die Schaffung einer gänzlich neuen Gläubigermöglichkeit im Insolvenzverfahren, was eine Zerstörung des in der Insolvenzordnung abschließend geregelten Insolvenzgläubigerbefriedigungsverfahrens bedeuten würde. Im Übrigen habe die Leistungsklage Vorrang vor der Feststellungsklage und der Anspruch der klagenden Partei sei bezifferbar. Allein aus der insolvenzspezifischen Vorgabe, dass sich ein derartiger Zahlungsantrag als unzulässig erweise, folgere nicht die Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Im Übrigen stelle der Betrieb einer staatlich konzessionierten Spielbank kein Gewerbe im herkömmlichen Sinne dar. Seitens des Gesamtbetriebsrates sei kein Hinweis an den Beklagten erfolgt, dass der Beklagte die Einigungsstelle anzurufen habe, vielmehr habe der Gesamtbetriebsrat mitgeteilt, dass er selbst die Einigungsstelle angerufen habe. An dieser Stelle noch eine Verpflichtung des Verwalters zu kreieren, er selbst solle initiativ werden und die Einigungsstelle anrufen, gehe an der Lebenswirklichkeit ebenso vorbei wie an dem Schutzbereich der Norm und dem gesetzgeberischen Willen. Zwar mag das BAG irgendwann einmal in einem gänzlich anderen Fall den eher primär nicht bedeutsamen Satz formuliert haben, dass für das Insolvenzverfahren im Bereich des Nachteilsausgleichs dieselben Regeln gelten wie für einen normalen Arbeitgeber. Dies treffe jedoch nicht auf die vom Gesetzgeber ausdrücklich beschriebenen insolvenzrechtlichen Besonderheiten zu. Dies ergebe sich aus §122 InsO, wo eine Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Insolvenzunternehmens und der sozialen Belange der Arbeitnehmer vorgenommen werde. Nun mag der Beklagte die ihm durch § 122 InsO zusätzlich zur Verfügung gestellte besondere Verfahrensmöglichkeit nicht hinreichend ergriffen haben, dies ändere aber nichts an der Existenz der aufgezeigten besonderen Rechtsgedanken. Alles andere erscheine eine unzumutbare und unangebrachte Formtümelei, zumal es dem Verwalter eines massearmen Verfahrens an jedwelchen Mitteln für die Bezahlung irgendwelcher Einigungsstellenmitglieder mangele. Der umfassende insolvenzspezifische Schutz der Masse finde in den §§ 123 bis 127 InsO einen klar erkennbaren Ausdruck. Insbesondere folge aus § 123 InsO der Rechtsgedanke, dass dem Arbeitnehmer maximal ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten zustehen könne. Das BAG (11.12.2012, 1 ABR 78/11) schränke selbst beim Vorliegen eines Verwaltungsaktes das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (bei § 87 BetrVG) ein. Bei genauer rechtssystematischer Betrachtung bedürfe es für einen Nachteilsausgleich einer bzw. der Kausalität zwischen dem arbeitgeberseitigen Handeln und der Entlassung. Ist allerdings eine staatliche Konzession unverzichtbar, so werde man eine Kausalität schlicht nicht annehmen können. Das Arbeitsgericht habe auch unzutreffend beurteilt, wann mit der Durchführung einer Betriebsänderung begonnen werde. Die Entlassung der Mitarbeiter habe nicht den Beginn der Durchführung der Betriebsänderung dargestellt, sondern die Vollendung. Beides könne nicht deckungsgleich sein. Die Besonderheiten eines auf einer staatlichen Konzession beruhenden Spielbetriebes habe das Arbeitsgericht ausgeblendet. Denn die Einstellung des Spielbetriebes jedenfalls auf der Grundlage des verwaltungsrechtlichen Entzuges der hierfür unverzichtbaren Konzession beraube den Träger einer jeden Möglichkeit einer weiteren Tätigkeit im Bereich des Spielbetriebes. Dies hänge nicht vom Willen des Arbeitgebers ab, vielmehr sei der Arbeitgeber insoweit hilflos fremdabhängig. Mit dem Entzug der Spielbankkonzession sei das Schicksal der Insolvenzschuldnerin besiegelt gewesen, ein operatives Tätigwerden sei von einem Tag auf den anderen rechtlich unmöglich gewesen. Der Konzessionsentzug stelle eine unmittelbare Betriebseinstellung mittels hoheitlichen Verwaltungsaktes dar. Aus dem Widerrufsbescheid des Landes Sachsen-Anhalt vom 20.01.2012 ergebe sich, das dieser auch nicht aus heiterem Himmel erfolgt sei. Vielmehr sei die Schließung der drei Standorte der Spielbanken aufsichtsrechtlich durch Ordnungsverfügungen vom 13.05.2012 (M.) und vom 17.05.2012 (H. und W.) aufsichtsrechtlich begleitet worden und die Wiederaufnahme des Spielbetriebes habe der vorherigen Zustimmung des Ministeriums des Inneren bedurft. Die Betriebsänderung in Form der Stilllegung sei jedenfalls mit dem Entzug der Konzession „begonnen“ worden. Arbeitsrechtlich komme es für die Frage der Rechtsqualität einer einfachen Insolvenzforderung lediglich darauf an, dass mit einer (faktischen) Betriebseinstellung begonnen worden sei. Insgesamt könne die Rechtsprechung des BAG zu den insolvenzrechtlichen Besonderheiten und Spezifika durchaus als unausgegoren bezeichnet werden, da es die wesentlichen gesetzlichen Wertungen des Insolvenzgesetzgebers nicht berücksichtige. Das Arbeitsgericht habe das vorsätzliche betriebsverfassungswidrige Verhalten des Gesamtbetriebsrates nicht hinreichend gewertet. Dass sich aus diesem rechtsmissbräuchlichen Verhalten am Ende ein individueller Anspruch ergebe, könne für die Beantwortung der Frage nicht von Bedeutung sein. Auch bei der Höhe des Anspruchs sei das Verhalten des Gesamtbetriebsrates zu berücksichtigen. Bei der Höhe des Anspruchs sei noch zu berücksichtigen, dass es sich um ein massearmes Verfahren handele, dies könne nicht ohne jede Auswirkung auf die Feststellung der Höhe des Nachteilsausgleichsanspruchs bleiben. Auch wenn § 123 InsO keine unmittelbare Anwendung finde, sei der sich aus § 123 InsO ergebende Rechtsgedanke zu beachten.

35

Der Beklagte hat folgenden Berufungsantrag angekündigt:

36

Das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 30.01.2013 – 3 Ca 1436/12 – wird abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

37

Der Beklagte, der am 21.04.2015 zu dem Kammertermin am 16.07.2015 geladen worden ist, ist in dem Kammertermin nicht erschienen. Der Kläger hat daraufhin beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 30.01.2013 – 3 Ca 1436/12 – durch Versäumnisurteil zurückzuweisen.

38

Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin durch Versäumnisurteil wie folgt entschieden:

39

1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts M. vom 30.01.2013 - 3 Ca 1436/12 – wird zurückgewiesen.

40

2. Dem Berufungskläger fallen die Kosten des Rechtstreits zur Last.

41

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

42

Gegen das ihm am 21.07.2015 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit dem am 27.07.2015 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

43

Der Beklagte trägt vor,

44

zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 06.02.2015 sei von dem vollständigen Spielbetrieb der …… Sachsen-Anhalt nicht mehr übrig gewesen, bis auf die noch nicht gekündigten Arbeitnehmer. Es habe insbesondere keine staatliche Konzession mehr existiert, Mietverträge seien nicht mehr vorhanden gewesen, das Land Sachsen-Anhalt habe die für den Spielbetrieb erforderlichen zwei Finanzbeamten nicht mehr abgestellt, etc. Lasse man sich also von der sprachlichen Begrifflichkeit „Beginn“ einer Betriebsänderung leiten, so bedeute dies gedankenlogisch, dass auch noch ein - evidentes – danach existieren müsse. Dies sei im vorliegenden Fall nicht so. Die Kündigungen seien der letzte denkbare Rechtsakt gewesen. Nehme man die Entscheidung des BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 541/02 – zum Leitfaden, müsse eine Betriebsänderung nicht nur „durchgeführt“, sondern auch „geplant“ werden. Der Beklagte habe aber eine Betriebsänderung nicht geplant und schon gar nicht durchgeführt. Vielmehr habe er ein vollständig abgewickeltes Gebilde vorgefunden. Die Kündigungen seien insoweit die letzte dem Beklagten gebotene Abwicklungshandlung gewesen. Zu beachten sei noch, dass der vor Insolvenzeröffnung am 24.01.2012 der Insolvenzschuldnerin zugestellte Widerrufsbescheid vom 20.01.2012 sofort vollziehbar gewesen sei. Es sei daher abwegig, den letzten Rechtsakt, die Kündigungen der Mitarbeiter, als Beginn der Betriebseinstellung anzusehen. Vielmehr sei dies – ebenso wie bei der Entscheidung des BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 541/02 (Rn. 12) die Vollendung der Betriebseinstellung gewesen. Da die Stilllegung die unausweichliche Folge der wirtschaftlichen Zwangslage gewesen sei und es keine sinnvolle Alternative gegeben habe, sei die Verpflichtung zu dem Versuch eines Interessenausgleichs ausnahmsweise entfallen. Das BAG habe in seiner Entscheidung vom 22.07.2003 (1 AZR 541/02, Rn. 18) auf die Entscheidung vom 23.01.1979 Bezug genommen. Die damalige Entscheidung habe zwar einen Fall betroffen, bei dem der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgewiesen worden sei, damals habe es aber die Vorschrift des § 207 InsO (Masseunzulänglichkeit) noch nicht gegeben, so dass der vorliegende Fall absolut vergleichbar sei.

45

Der Beklagte beantragt:

46

Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt aufzuheben und auf die Berufung des Beklagten das Urteil des ArbG Magdeburg vom 30.01.2013 – 3 Ca 1436/12 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

47

Der Kläger beantragt,

48

die Berufung zurückzuweisen.

49

Der Kläger trägt vor,

50

unstreitig sei der Beklagte durch das Schreiben des Gesamtbetriebsrates vom 04.04.2012 darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs bestehe. Unstreitig habe es auf dieses Schreiben überhaupt keine Reaktion von Seiten des Beklagten gegeben. Wäre der Beklagte auf den Gesamtbetriebsrat zugekommen hätte sich sicherlich eine kostengünstige Besetzung der Einigungsstelle verhandeln lassen. Er habe jedoch überhaupt nicht verhandelt und auch nicht die Möglichkeit genutzt, die ihm § 122 InsO an die Hand gebe. Es sei nicht zutreffend, dass die Gemeinschuldnerin schon mit der Betriebsänderung begonnen habe. Es sei damals keineswegs beabsichtigt gewesen, die Spielbanken dauerhaft zu schließen. Vielmehr sei ein neuer Investor gesucht worden, um dann den … weiterführen zu können. Dies sei unstreitig und ergebe sich aus dem Bericht des Beklagten vom 31.01.2012. Auch mit dem Widerruf der Spielbankkonzession am 20.01.2012 sei die Betriebsstilllegung noch nicht endgültig gewesen, denn der Beklagte und der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Herr G.seien im Rahmen der Anhörung am 04.01.2012 im Ministeramt darauf hingewiesen worden, dass bis zur Bestandskraft des Widerrufsbescheids noch immer die Möglichkeit zur Übertragung der Spielbankzulassung auf einen potentiellen Erwerber bestehe. Erst nachdem das Ministerium durch Widerruf der Spielbankkonzession deutlich gemacht habe, das es wohl keine Investorenlösung wünsche, habe der Beklagte das Insolvenzverfahren eröffnet. Er habe auch dann immer noch mit potentiellen Investoren verhandelt, sich dann aber entschlossen, doch den Geschäftsbetrieb durch Kündigung der Arbeitsverhältnisse stillzulegen.

51

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschriften sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52

I.:

53

Der zulässige Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 16.07.2015 hat keinen Erfolg. Die Berufung ist zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden.

54

1. Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt ist zulässig. Er ist innerhalb der Wochenfrist gemäß §§ 64 Abs. 7, 59 Satz 1 ArbGG, die mit der Zustellung am 21.07.2015 begann, am 27.07.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen. Der Zulässigkeit des Einspruchs steht nicht entgegen, dass in der Einspruchsschrift keine Begründung angegeben ist (§ 340 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO). Entgegen des missverständlichen Wortlauts handelt es sich nicht um einen Begründungszwang, sondern um eine Konkretisierung der Prozessförderungspflicht (Zöller/Herget, 29. Aufl., § 340 ZPO Rn. 6). Deshalb genügte für die Zulässigkeit des Einspruchs die Bezeichnung des Urteils und die Erklärung, dass Einspruch eingelegt werde (§ 340 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz ZPO).

55

2. Der Einspruch ist unbegründet. Das Arbeitsgericht M. hat der Klage zu Recht in Höhe von 31.065,- € stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten, die nach dem Wert ihres Beschwerdegegenstandes statthaft und auch frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden ist, war zurückzuweisen.

56

2.1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

57

Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, dass die Klage bereits deshalb unzulässig sei, weil der vorliegend geltend gemachte Nachteilsausgleichsanspruch nicht zuvor zur Insolvenztabelle angemeldet worden sei, so gilt diese Voraussetzung nur für Insolvenz- und nicht für Masseforderungen. Masseforderungen können nicht zur Tabelle festgestellt werden (BGH, 29.05.2008, IX ZR 45/07, Rn. 29, Juris).

58

Das Arbeitsgericht M. hat in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass es sich bei dem Anspruch auf Nachteilsausgleich dann um eine einfache Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumeldende Forderung im Sinne von §§ 38, 108 Abs. 2 InsO handelt, wenn die Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen wurde. Einer solchen Feststellungsklage würde das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO fehlen. Die Forderungsfeststellungsklage nach § 179 Abs. 1 InsO ist nur statthaft, wenn die Forderung zuvor zur Insolvenztabelle angemeldet, geprüft und bestritten wurde. Dies ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (BAG, 16.06.2004, 5 AZR 521/03, Rn. 16, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH, Juris).

59

Im Streitfall handelt es sich aber nicht um eine solche einfache Insolvenzforderung, sondern um eine sog. Altmasseverbindlichkeit, die nur noch im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden kann.

60

Wird eine solche Betriebsänderung – wie im Streitfall - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, so ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (BAG 30.05.2006, 1 AZR 25/05, Rn. 11, Juris) und kann grundsätzlich im Wege der Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (BAG 04.06.2003, 10 AZR 586/02, Rn. 26 Juris). Dies gilt aber nicht mehr, wenn der Insolvenzverwalter wie vorliegend am 17.08.2012 die Unzulänglichkeit der Masse anzeigt. Dann wird nach § 210 InsO die Vollstreckung einer zuvor begründeten Masseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig und lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage entfallen. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter nur noch im Wege der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO geltend machen (BAG, 22.07.2003, 1 AZR 541/02, Rn. 9 ff. Juris).

61

Im Streitfall wurde die Betriebsänderung nach Insolvenzeröffnung am 06.02.2012, aber vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit des Beklagten gegenüber dem Amtsgericht Magdeburg am 17.08.2012 begonnen, sodass eine Altmasseverbindlichkeit vorliegt. Zutreffend hat der Kläger deshalb Feststellungsklage erhoben.

62

2.2. Dem Kläger steht der erstinstanzlich festgestellte Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG in Verbindung mit § 10 KSchG als Altmasseverbindlichkeit in Höhe von 31.065,- € zu.

63

2.2.1. Es liegt eine geplante Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vor.

64

Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um ein Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 111 Abs.1 Satz 1 BetrVG). Die vom Beklagten ausgesprochenen ca. 80 Kündigungen stellen eine Betriebsstilllegung dar und gehen zudem mit einem Personalabbau oberhalb der Größenordnung nach § 17 Abs.1 KSchG einher, sie sind daher in ihrer Gesamtheit als Betriebsänderung i. S. v. § 111 Abs.1 Satz 3 Ziff.1 BetrVG anzusehen. Führt ein Unternehmer eine geplante Betriebsänderung i.S. v. § 111 BetrVG aus, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und entlässt er infolge dieser Maßnahme Arbeitnehmer, so steht diesen nach Maßgabe von § 113 Abs. 3 BetrVG ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu. Der Kläger wurde im Zuge der 80 Kündigungen mit Kündigungsschreiben vom 23.04.2012 als Maßnahme zur Betriebsstilllegung entlassen.

65

Die Pflichten der §§ 111 ff. BetrVG richten sich an den Unternehmer und setzen eine von ihm geplante Betriebsänderung voraus. Unternehmer ist der Rechtsträger des Betriebs (BAG, 14.05.2015, 1 AZR 794/13, Rn. 16, Juris), vorliegend der Beklagte für die insolvente Spielbankgesellschaft. Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung erfolgt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (BAG, 14.05.2015, 1 AZR 794/13, Rn. 22, Juris).

66

2.2.2. Mit der Betriebsänderung ist erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen worden aber vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Beklagten am 17.08.2012.

67

Spätester Zeitpunkt des Beginns der Betriebsänderung ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 23.04.2012, also rund vier Monate vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit. In diesem Zusammenhang teilt die Kammer nicht die Rechtsauffassung des Beklagten, dass man den Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012 deshalb nicht als Beginn der Betriebsänderung ansehen könnte, weil die Kündigung gleichzeitig der letzte denkbare Rechtsakt der Betriebsstilllegung gewesen sei. Sind, wie vorliegend von dem Beklagten behauptet, zum Zeitpunkt der Planung der Betriebsstilllegung weder Betriebsmittel noch Räumlichkeiten vorhanden, so kann der Ausspruch der Kündigungen gleichzeitig den ersten und auch den letzten Akt der Betriebsänderung darstellen. Den Rechtssatz, dass eine Betriebsänderung immer in mehreren Akten durchgeführt werden müsse, stellen die §§ 111 ff BetrVG nicht auf.

68

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten hat er diese Betriebsänderung selbst geplant und war insbesondere nicht lediglich passiv bzw. „fremdgesteuert“. Ein eigenes Tun, also eine Planung, geht etwa aus der ersten Betriebsratsanhörung zu den beabsichtigten Kündigungen am 28.02.2012 hervor, also einem Zeitpunkt gut drei Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dem Anhörungsschreiben ist die Planung des Beklagten zu entnehmen, dass ausnahmslos alle bestehenden Arbeitsverhältnisse gekündigt werden sollen.

69

Eine frühere Planung oder gar ein früherer Beginn der Betriebsänderung hat der Beklagte nicht erheblich vorgetragen.

70

Unter der Stilllegung eines Betriebs ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. Für die Stilllegung von Betriebsabteilungen und Betriebsteilen gilt dies, auf die jeweilige Einheit begrenzt, entsprechend (BAG 26.05.2011, 8 AZR 37/10, Rn. 26, Juris).

71

Einen konkreten Termin oder einen protokollierten Beschluss zur Betriebsstilllegung trägt der Beklagte nicht vor.

72

Nicht genügend ist allein die Einstellung des Spielbankbetriebs im Mai 2011 mit der einhergehenden Nichtbeschäftigung sämtlicher Mitarbeiter. Genauso wie die bloße Einstellung einer Geschäftstätigkeit grundsätzlich rückgängig gemacht werden kann (BAG, 14.04.2015,1 AZR 794/13, Rn. 26, Juris), liegt in der bloßen Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern keine Auflösung der Betriebsorganisation. Auch eine Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht stellt regelmäßig noch keine Durchführung der Betriebsstilllegung dar (BAG, 14.04.2015, 1 AZR 794/13, Rn. 27, Juris).

73

Zwar ist dem Beklagten zuzustimmen, dass die wegen der fehlenden Spielbankreserve von der Insolvenzschuldnerin vorgenommene Schließung des Standortes M. am 13.05.2011 und der Standorte H. und W. am 18.05.2011 durch Ordnungsverfügungen des Ministeriums für Inneres und Sport vom 13.05.2011 und vom 17.05.2011 begleitet wurden und darüber hinaus angeordnet wurde, dass eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes der vorherigen Zustimmung des Ministeriums bedarf und die Zustimmung vom Nachweis eines bestimmten Kassenbestandes abhängig gemacht wurde. Jedoch ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Belang, denn die Pflichten der §§ 111 ff. BetrVG richten sich an den Unternehmer und setzen eine von ihm geplante Betriebsänderung voraus (BAG, 14.05.2015, 1 AZR 794/13, Rn. 16, Juris).

74

Schon aus dem weiteren Vorgehen der Insolvenzschuldnerin ergibt sich, dass sie im Mai 2011 eine Betriebsschließung keinesfalls geplant hat. Unstreitig fand nämlich am 05.07.2011 eine Gesamtbetriebsversammlung statt, auf der der neue Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, Herr G., sich der Belegschaft vorstellte und eine zeitnahe Wiederaufnahme des Spielbetriebes zum 01.08.2011 ankündigte (Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012, Seite 5, Bl. 50 d. A.). Die angekündigte zeitnahe Wiederaufnahme des Spielbetriebes stellt offensichtlich das Gegenteil einer geplanten Betriebsstilllegung dar.

75

Die Kammer macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass sie hier nicht zu prüfen hat, ob etwa die geplante zeitnahe Wiederaufnahme des Spielbetriebes zum 01.08.2011 für die Insolvenzschuldnerin zum damaligen Zeitpunkt überhaupt realistisch war oder aber mangels finanzieller Mittel eine bloße Fantasterei darstellte. Genauso wenig hat die Kammer zu prüfen, ob es der Insolvenzschuldnerin zum damaligen Zeitpunkt überhaupt möglich war, die zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach den Ordnungsverfügungen vom 13. und 17.05.2011 gemachten Auflagen zu erfüllen oder ob mit der Beauflagung nach den Ordnungsverfügungen das Ende der Spielbanken tatsächlich besiegelt war. Entscheidend sind niemals die außerbetrieblichen Umstände (Genehmigungen, Verbote, Auftragslage), sondern das, was der Unternehmer (deswegen) plant bzw. umsetzt (BAG, 14.05.2015, 1 AZR 794/13, Rn. 16, Juris).

76

Aus dem Vortrag des Beklagten geht auch nicht hervor, dass die Insolvenzschuldnerin - auf diese ist abzustellen, da nach dem Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 27.07.2011 der Beklagte bis zur Insolvenzeröffnung nur schwacher vorläufiger Verwalter war - vor der Insolvenzeröffnung am 06.02.2012 eine Betriebsstilllegung geplant oder sogar mit der Betriebsstilllegung begonnen hat.

77

Offensichtlich war das Gegenteil der Fall, denn aus dem auch von dem Beklagten zitierten Widerruf der Zulassung zum Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Sachsen Anhalt des Ministeriums für Inneres und Sport vom 20.01.2012 geht hervor, dass der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, Herr G., dem Ministerium noch am 05.01.2012 per Mail mitgeteilt hat, dass er sich mit zwei Interessenten in fortgeschrittenen Verhandlungen befinde. Auch der Beklagte sprach sich gegenüber dem Ministerium mit Schreiben vom 05.01.2012 gegen den Widerruf der Zulassungen aus, da "dies die Wiederaufnahme eines geordneten Spielbetriebes auf längere Sicht vereiteln würde" (Widerruf des Ministerium für Inneres und Sport vom 20.01.2012, Seite 7, Bl. 263 d. A.). Daraus kann die Berufungskammer nur den Schluss ziehen, dass noch Anfang Januar sowohl die Insolvenzschuldnerin als auch der Beklagte auf eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes hofften und daher auch zu diesem Zeitpunkt noch keinesfalls eine endgültige Betriebsstilllegung beschlossen hatten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte bereits am 06.10.2011 den Abschluss eines Interessenausgleichs angestrebt hat. Dies stellt sich ohne weiteren Sachvortrag als bloße Vorsichtsmaßnahme dar. Im Übrigen kommt es wegen der Stellung des Beklagten als so genannter schwacher Verwalter im Oktober 2011 auf die Insolvenzschuldnerin an.

78

Es ist für die Kammer erkennbar, dass weder die Insolvenzschuldnerin noch der Beklagte zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Insolvenzeröffnung am 06.02.2012 eine endgültige Stilllegung des Spielbankbetriebes planten. Denn die Konzession stellte bei der Insolvenzschuldnerin den "herausragenden Vermögenswert" dar (Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012, Seite 12, Bl. 53R d. A.) und eine Entscheidung zur endgültigen Stilllegung der Spielbanken hätte sofort zum Widerruf dieses herausragenden Vermögenswertes, nämlich der Konzession, geführt. Um also die Konzession nicht zu verlieren, wurde zu keinem Zeitpunkt vor der Insolvenzeröffnung eine endgültige Betriebseinstellung geplant bzw. mit deren Umsetzung begonnen. Selbst nach Insolvenzeröffnung, der Beklagte hat gegen den Widerruf der Spielbankkonzession am 20.02.2012 Klage zum Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben (Verwaltungsgericht M., 3 A 53/12, Rn. 9, Juris), hat der Beklagte immer noch vorgetragen, dass auch angesichts der fortgeschrittenen Zeit immer noch der Wiederaufnahmebetrieb der S… erfolgen könne (Verwaltungsgericht M., 3 A 53/12, Rn. 10, Juris).

79

Zusammengefasst kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass mit der Betriebsänderung durch den Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012 begonnen wurde und dass Planungen zu dieser Betriebsänderung erstmals im Anhörungsschreiben des Beklagten an den Betriebsrat vom 28.2.2012, also rund drei Wochen nach Insolvenzeröffnung, erfolgt sind.

80

2.2.3. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG steht dem Kläger als sogenannte Altmasseverbindlichkeit zu.

81

Hat die Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, so ist ein Anspruch auf Nachteilsausgleich einfache Insolvenzforderung. Wird eine solche Betriebsänderung – wie im Streitfall - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt, so ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (BAG 30.05.2006, 1 AZR 25/05, Rn. 11, Juris). Die Einstufung als sogenannte Neu- oder Altmasseverbindlichkeit hängt davon ab, ob die Betriebsänderung nach (neu) oder vor (alt) der Anzeige der Masseunzulänglichkeit beginnt BAG, 04.06.2003, 10 AZR 586/02, Rn. 26 ff).

82

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte mit dem Ausspruch der Kündigungen und damit mit der Betriebsstilllegung am 23.04.2012 begonnen, fast vier Monate vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit, der Anspruch des Klägers auf Nachteilsausgleich ist daher als Altmasseverbindlichkeit einzuordnen.

83

2.2.4. Der Beklagte hat die von ihm geplante Betriebsänderung (siehe oben Ziffer 2.2.2.) mit dem Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012 durchgeführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat ausreichend versucht zu haben.

84

Ein solcher Versuch liegt nur dann vor, wenn vom Arbeitgeber alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft wurden. Er muss, falls keine Einigung mit dem Betriebsrat möglich ist und dieser nicht selbst die Initiative ergreift, die Einigungsstelle anrufen, um dort einen Interessenausgleich zu versuchen (BAG 26.10.2004, 1 AZR 493/03, Rn. 22, Juris).

85

Unstreitig hat der Beklagte vor dem Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012 nicht die Einigungsstelle angerufen und damit nicht alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft.

86

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Gesamtbetriebsrat die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs gemäß Schreiben vom 04.04.2012 (Anlage BK1, Bl. 211 d. A.) für gescheitert erklärt und selbst beschlossen hatte, die Einigungsstelle anzurufen, offensichtlich ohne dies tatsächlich zu tun. Nicht dem Betriebsrat, sondern dem Unternehmer ist die gesetzliche Pflicht auferlegt, vor Durchführung einer geplanten Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat ausreichend zu versuchen.

87

Bei einer Betriebsänderung sind die Rollen zwischen Betriebsrat und Unternehmer unterschiedlich verteilt. Das Interesse des Betriebsrates ist in der Regel auf den Abschluss eines Sozialplans gerichtet, während der Unternehmer hier meist keine übertriebene Initiative an den Tag legt. Anders ist dies bei den Interessenausgleichsverhandlungen. Um etwaige Kündigungen aussprechen zu können, ohne Ansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG auszulösen, besteht hier meist ein großes Interesse des Unternehmers, bei den Interessenausgleichsverhandlungen schnell voran zu kommen. Der Betriebsrat ist hingegen bei den Interessenausgleichsverhandlungen meist nicht an einem schnellen Verhandeln und Scheitern der Verhandlungen interessiert, weil er von der Hoffnung getragen ist, dass der Unternehmer zur Vermeidung von Ansprüchen nach § 113 Abs. 3 BetrVG keine Kündigungen ausspricht, solange das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen in der Einigungsstelle nicht durch Beschluss festgestellt worden ist. Mit einem Verzögern der Interessenausgleichsverhandlungen kann er also eventuell den Ausspruch von Kündigungen hinausschieben.

88

Die Anrufung der Einigungsstelle vor Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012 lag daher im alleinigen Interesse des Beklagten. Warum er die Einigungsstelle nicht angerufen hat, erschließt sich der Kammer nicht.

89

In diesem Zusammenhang ist deutlich zu machen, dass das Verhalten des Gesamtbetriebsrates, mit Beschluss vom 03.04.2012 die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und die Einigungsstelle anzurufen, ohne den Beschluss dann tatsächlich umzusetzen, nicht als treuwidrig eingeordnet werden kann. Wie oben dargelegt, liegt es im alleinigen Interesse des Unternehmers, der eine Betriebsänderung durchführen möchte, die Einigungsstelle möglichst rasch anzurufen, um dort den Versuch eines Interessenausgleichs zu unternehmen und gegebenenfalls das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlung festzustellen. Nicht der Betriebsrat wollte Kündigungen aussprechen, sondern der Beklagte. Er kann sich daher keinesfalls darauf verlassen, dass der Betriebsrat nach dem Inhalt seines Beschlusses vom 03.04.2012 hier selbst initiativ wird, um dem Beklagten den Ausspruch der Kündigungen zu erleichtern. Vielmehr wusste der Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen positiv, dass eine Einigungsstelle wegen der Interessenausgleichsverhandlungen nicht getagt hat. Er hat nämlich an einer solchen nicht teilgenommen. Er wusste daher genau, dass er die Kündigungen aussprach, ohne einen ausreichenden Versuch zum Abschluss eines Interessenausgleichs unternommen zu haben. Auf § 242 BGB kann er sich deshalb nicht berufen.

90

Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass ihm zur Durchführung des Einigungsstellenverfahrens jedwelche finanzielle Mittel gefehlt hätten. Dieser Vortrag stellt eine von dem Gericht nicht zu überprüfende Behauptung ins Blaue hinein dar. Die Anrufung der Einigungsstelle hätte vor Ausspruch der Kündigungen im April 2012 erfolgen müssen, die Massearmut ist erst Mitte August 2012 festgestellt worden, also rund vier Monate später. Die erkennende Kammer kann daher nicht davon ausgehen, dass Massearmut auch schon im April 2012 vorgelegen hat, sonst hätte der Beklagte dies gegenüber dem Insolvenzgericht anzeigen müssen. Im Übrigen hält der Beklagte auch keinen Vortrag dahingehend, dass er gesetzestreu die Einigungsstelle angerufen habe, jedoch der Zusammentritt der Einigungsstelle wegen der angespannten finanziellen Lage gescheitert sei.

91

2.2.5. Der Beklagte konnte die in den Kündigungen liegende Betriebsänderung auch nicht ohne das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG durchführen, weil hierzu eine Zustimmung des Arbeitsgerichts vorlag, § 122 Abs. 1 InsO.

92

Der hierzu erforderliche Antrag wurde von dem Beklagten erst am 14.08.2012 beim Arbeitsgericht Magdeburg gestellt. Die erkennende Kammer schließt sich hier der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Magdeburg an (21.11.2011, 5 BV 100/12), dass der ursprünglich am 14.08.2012 gestellte Antrag nach § 122 InsO unzulässig war, weil die Betriebsänderung, die hier in der Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnissen gelegen hat, bereits in der Zeit vom 23.04.2012 bis 25.04.2012 und damit bereits rund vier Monate vor Einreichung des Antrages nach § 122 InsO erfolgt ist und damit bereits keine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 122 InsO vorlag. Der Beklagte hat daher die Möglichkeit des § 122 InsO nicht genutzt.

93

2.2.6. Soweit der Beklagte die Einschränkung des Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats unter Berufung auf eine zu § 87 BetrVG ergangene Entscheidung des BAG vom 11.12.2012 (1 ABR 78/11) annimmt, so trifft dies für den Streitfall nicht zu. § 87 und die §§ 111 ff BetrVG stellen gänzlich unterschiedliche Regelungsbereiche der Betriebsverfassungsgesetzes dar. § 87 BetrVG ist im Wesentlichen dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (§106 GewO) gegenübergestellt. Schon in §106 Satz 1 GewO ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers ausdrücklich durch gesetzliche Vorschriften eingeschränkt, auch § 87 Abs. 1 BetrVG räumt demzufolge dem Betriebsrat ein das Weisungsrecht begleitendes Mitbestimmungsrecht nur ein, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Wo schon wegen gesetzlicher Regelung kein Weisungsrecht besteht (z. B. gesetzliches Rauchverbot), kann auch kein Mitbestimmungsrecht (z. B. über ein Rauchverbot gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG) bestehen. Ein Konzessionsentzug führt vorliegend nicht zu einer Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats nach § 112 Abs. 2 BetrVG. Durch einen Konzessionsentzug lässt sich vielleicht für den Gesamtbetriebsrat die Betriebsstilllegung nicht mehr vermeiden, die Durchführung der Betriebsstilllegung und damit die Rechte des Betriebsrats nach § 112 Abs. 2 BetrVG bleiben aber von einer behördlichen Entscheidung unberührt. Auch nach dem Konzessionsentzug musste der Beklagte die unternehmerische Entscheidung treffen, ob er gegen den Konzessionsentzug vorgeht und den Betrieb deshalb noch nicht einstellt oder er den Konzessionsentzug hinnimmt und den Betrieb deshalb einstellt. Genau die Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung unterliegt der Mitbestimmung nach den §§ 111 BetrVG.

94

2.2.7. Letztlich war der Versuch des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat auch nicht deshalb entbehrlich, weil Verhandlungen über einen Interessenausgleich "nichts anderes als eine leere Formalität gewesen und den betroffenen Arbeitnehmern nur Nachteile bringen können".

95

Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 22.07.2003 (1 AZR 541/02, Rn. 17, Juris) ausführt, entfällt die Verpflichtung, wegen der Stilllegung des Betriebes den Versuch eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat zu unternehmen nicht deshalb, weil die Stilllegung des Betriebes die unausweichliche Folge einer wirtschaftlichen Zwangslage ist und es zu ihr keine sinnvollen Alternativen gibt. Zum einen will § 111 BetrVG nach seinem sozialen Schutzzweck alle darin aufgezählten für die Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahmen erfassen, die dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zuzurechnen sind. Dies gilt auch für Maßnahmen, die mehr oder weniger durch die wirtschaftliche Situation "diktiert" werden. Vor allem aber geht es bei dem Interessenausgleich, den der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu versuchen hat, nicht nur um die Entscheidung, ob die Betriebsänderung überhaupt erfolgen, sondern regelmäßig auch darum, wie sie durchgeführt werden soll. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten wie etwa den Zeitpunkt von Entlassungen und Freistellungen oder die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Abwicklungsarbeiten Einfluss zu nehmen. Welche Vorstellungen er hierzu entwickelt und welche Modalitäten er dem Arbeitgeber vorschlägt, ist seine Angelegenheit.

96

Wie das Bundesarbeitsgericht in der vorgenannten Entscheidung weiter ausführt (1 AZR 541/02, Rn. 18, Juris), beruht das mit Urteil vom 23.01.1979 (1 AZR 64/76) damals gefundene gegenteilige Ergebnis, nachdem Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit der Erwägung für entbehrlich gehalten wurden, sie seien unter den gegebenen Umständen "nichts anderes als eine leere Formalität gewesen und hätten den betroffenen Arbeitnehmern nur Nachteile bringen können", auf einem besonderen Fall, in dem das Konkursverfahren nicht einmal eröffnet, sondern der darauf gerichtete Antrag des Unternehmens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen wurde.

97

Hier ist der Beklagte der Rechtsauffassung, dass der durch das BAG mit Urteil vom 23.01.1979 (1 AZR 64/76) entschiedene Fall, bei dem das Konkursverfahren nicht einmal eröffnet, sondern der darauf gerichtete Antrag des Unternehmens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen wurde, absolut vergleichbar sei mit dem vorliegenden Fall der Masseunzulänglichkeit, weshalb der Versuch eines Interessenausgleichs entbehrlich gewesen wäre.

98

Zwei Argumente sprechen gegen die Rechtsauffassung des Beklagten, dass hier der Versuch eines Interessenausgleichs entbehrlich gewesen wäre:

99

Erstens führt das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 23.07.2003 aus (1 AZR 541/02, Rn. 18, Juris), dass im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens der Versuch eines Interessenausgleichs nicht entbehrlich ist und vorliegend handelt sich um ein eröffnetes Insolvenzverfahren.

100

Zweitens lag zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte den Versuch zum Abschluss eines Interessenausgleichs zur Vermeidung eines Anspruchs gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG hätte unternehmen müssen, nämlich vor dem Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012, noch keine Massearmut vor. Massearmut hat der Beklagte erst am 17.08.2012 angezeigt. Selbst wenn also der 1979 entschiedene Fall, nach dem der Versuch zum Abschluss eines Interessenausgleichs bei einem Unternehmen, bei dem der Konkursantrag mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen wurde, einem massearmen Insolvenzverfahrens gleichzusetzen wäre, lag hier im entscheidenden Zeitraum vor Ausspruch der Kündigungen am 23.04.2012 kein massearmes Insolvenzverfahren vor.

101

Als Unterschied zu dem mit Urteil vom 23.07.2003 (1 AZR 541/02) entschiedenen Fall bleibt, dass dem Beklagten zum Zeitpunkt des Beginns der Betriebsstilllegung am 23.04.2012 tatsächlich wohl kein oder allenfalls wenig Gestaltungsspielraum mehr verblieben war, an deren Ausfüllung der Betriebsrat beteiligt werden konnte. Es war dem Beklagten offensichtlich gar nicht möglich, die Spielbanken wieder in Betrieb zu nehmen, er hatte keine Betriebsmittel mehr und Räumlichkeiten, welche nach § 2 Abs. 6 SpielbG-LSA von der Spielbankzulassung umfasst sind, standen ihm nicht mehr zur Verfügung. Die Konzession gehörte nicht einmal zur Insolvenzmasse, was dem Beklagten jedoch zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich nicht bekannt gewesen ist (siehe Bericht vom 30.1.2012 Seite 12, in dem die Konzession noch als den herausragender Vermögenswert der Insolvenzschuldnerin bezeichnet wurde).

102

Die erkennende Kammer sieht jedoch auch in dem hier vorliegenden Fall, dass kein oder kein wesentlicher Gestaltungsspielraum verbleibt, den Unternehmer nicht von der Pflicht befreit, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zu versuchen. Gerade wenn der Verhandlungs- und Gestaltungsspielraum gering ist, ist ein solcher Versuch zum Abschluss eines Interessenausgleichs in der Regel schnell durchgeführt.

103

Im Übrigen bleibt wegen den gegenüber der Konkursordnung inzwischen geltenden Regelungen der Insolvenzordnung kein Raum für eine dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.1979 (1 AZR 64/76) entsprechende Entscheidung, welche zudem gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 112 Abs. 2 BetrVG verstoßen würde, der keine Ausnahme von der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers vorsieht. Denn inzwischen hat der Gesetzgeber mit § 122 InsO dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen die gerichtliche Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu zu beantragen, dass die Betriebsänderung ohne das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG durchgeführt wird. Auch das von dem Beklagten vorgebrachte Argument, der umfassende "Schutz der Masse" nach den §§ 123 -127 InsO müsse beachtet werden, überzeugt die Kammer nicht. Dem umfassenden Schutz der Masse ist bereits durch die Regelung des § 122 InsO genüge getan.

104

2.2.8. Nach §§ 113 Abs. 1 und 3 BetrVG, § 10 Abs.1 bis 3 KSchG war der Abfindungsbetrag auf 31.065,- € brutto festzulegen, zur Berechnung wird auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen, welche sich die erkennende Kammer anschließt. Eine Begrenzung ergibt sich vorliegend nicht aus § 123 Abs. 1 InsO, die Kammer schließt sich hier den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 22.07.2003 an (1 AZR 541/02, Rn. 25, Juris). Die Vorschrift gilt für Sozialpläne, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen werden, eine analoge Anwendung auf den Nachteilsausgleich scheidet aus. Eine Reduzierung der Forderung wegen eines "treuwidrigen" Verhaltens des Gesamtbetriebsrates kommt nicht in Betracht. Wie oben ausführlich dargelegt, liegt kein treuwidriges Verhalten des Gesamtbetriebsrates vor. Auch eine Reduzierung der Forderung wegen der Massearmut scheidet aus, da vom Zeitpunkt des Entstehens der Forderung eine solche noch nicht vorlag.

II.

105

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Beklagte die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

III.

106

Gegen diese Entscheidung wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.


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Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 113 Nachteilsausgleich


(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeit

Insolvenzordnung - InsO | § 209 Befriedigung der Massegläubiger


(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge: 1. die Kosten des Insolvenzverfahrens;2. die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Ma

Insolvenzordnung - InsO | § 179 Streitige Forderungen


(1) Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. (2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbar

Insolvenzordnung - InsO | § 108 Fortbestehen bestimmter Schuldverhältnisse


(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Ve

Insolvenzordnung - InsO | § 207 Einstellung mangels Masse


(1) Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender G

Insolvenzordnung - InsO | § 210 Vollstreckungsverbot


Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

Insolvenzordnung - InsO | § 123 Umfang des Sozialplans


(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetr

Insolvenzordnung - InsO | § 122 Gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung


(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 3 Kündigungseinspruch


Hält der Arbeitnehmer eine Kündigung für sozial ungerechtfertigt, so kann er binnen einer Woche nach der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen. Erachtet der Betriebsrat den Einspruch für begründet, so hat er zu versuchen, eine Verständigung m

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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 12. Jan. 2016 - 7 Sa 87/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 12. Jan. 2016 - 7 Sa 87/13 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Apr. 2015 - 1 AZR 794/13

bei uns veröffentlicht am 14.04.2015

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. August 2013 - 11 Sa 56/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zah

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Jan. 2014 - 3 L 581/12

bei uns veröffentlicht am 07.01.2014

Gründe 1 Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger erhobenen Einwände begründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 3. Kammer – nicht. 2 Ernstliche Zweifel an der Ri

Arbeitsgericht Magdeburg Urteil, 30. Jan. 2013 - 3 Ca 1436/12

bei uns veröffentlicht am 30.01.2013

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Nachteilsausgleich in Höhe von 31.065,00 € hat, den dieser als Masseverbindlichkeit schuldet. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Kosten des R

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 11. Dez. 2012 - 1 ABR 78/11

bei uns veröffentlicht am 11.12.2012

Tenor Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. September 2011 - 6 TaBV 851/11 - wird zurückgewiesen.

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Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger erhobenen Einwände begründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 3. Kammer – nicht.

2

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, liegen im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dann vor, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, juris) unerhebliche oder gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das angefochtene Urteil im Ergebnis unrichtig ist und einer Überprüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 – 2 BvR 1516/93 –, BVerfGE 94, 166 194). Schlüssige Gegenargumente, die einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenbehauptung der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen und gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur Zulassung der Berufung führen müssen, liegen bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist.

3

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keine den Zulassungsantrag begründenden Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aufgezeigt. Er führt aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Prozessführungsbefugnis des Klägers verneint, weil die Spielbankzulassung nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Dies sei zum einen unzutreffend, zum anderen aber auch unerheblich, denn eine Prozessführungsbefugnis des Klägers bestehe auch für den Fall, dass die Spielbankzulassung tatsächlich nicht zur Insolvenzmasse zu zählen sei. Dies folge aus der Aufgabe des Klägers, als Insolvenzverwalter zur Vorbereitung der Sanierung des Unternehmens dieses zunächst fortzuführen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts legt der Kläger damit nicht dar.

4

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die der Beigeladenen am 20. Februar 2009 erteilten und mit Bescheid vom 20. Januar 2012 widerrufenen Zulassungen zum Betrieb zweier Spielbanken in A-Stadt und D-Stadt mit einer Zweigstelle in E-Stadt nicht Bestandteil der Insolvenzmasse der Beigeladenen waren, nachdem diese am 13. und 17. Mai 2011 jeweils den Spielbetrieb in den Spielbanken eingestellt hatte, am 27. Juli 2011 die vorläufige Verwaltung ihres Vermögens angeordnet und am 06. Februar 2012 das Regelinsolvenzverfahren über sie angeordnet worden war. Die Beigeladene war zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig und mit über 4 Mio. € überschuldet.

5

Zur Insolvenzmasse gehört gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse, § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners über das Vermögen geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO mit dem Eröffnungsbeschluss auf den Insolvenzverwalter über. Dieser hat nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen, § 148 Abs. 1 InsO. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es, im Berichtstermin über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten. Er hat darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden, § 156 Abs. 1 InsO. Die Gläubigerversammlung beschließt im Berichtstermin, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Sie kann den Verwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, und ihm das Ziel des Plans vorgeben, § 157 InsO.

6

Der Kläger legt mit der Zulassungsbegründung schon nicht schlüssig dar, dass die Spielbankzulassungen als Vermögenswert des Unternehmens zur Insolvenzmasse gehören, wenn er zugleich unter Bezugnahme auf das von ihm nach Ablauf der Begründungsfrist vorgelegte Gutachten von (...) ausführt, die Spielbankzulassung sei nicht Bestandteil der Soll-Masse, d.h. des zu verwertenden Teils des Vermögens der Beigeladenen, da sie gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 SpielbG LSA nicht übertragbar ist (S. 9 a. E.). Die gesicherte Möglichkeit, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts in dieser Hinsicht unrichtig ist, zeigt der Kläger damit nicht auf.

7

Unzutreffend ist seine weitere Annahme, der Kläger habe eine Prozessführungsbefugnis auch bei fehlender Zugehörigkeit der Spielbankzulassung zur Insolvenzmasse. Seine Auffassung, die Zulassung falle gleichwohl in die Ist-Masse, d.h. die Summe aller Vermögensgegenstände, die der Insolvenzverwalter beim Schuldner vorfindet, die in Besitz zu nehmen er gemäß § 148 InsO verpflichtet sei und die er vor dem Zugriff Dritter (Gläubiger) zu schützen habe, um ihr „Nutzungspotential“ für die übrigen Gläubiger zu erhalten, überzeugt nicht. Denn die Spielbankzulassung soll nicht an jemanden herausgegeben werden, der sich besserer Rechte an ihr berühmt, so dass zum Schutz der Insolvenzgläubiger dessen Berechtigung geprüft werden oder zum Schutz des berechtigten Dritten Ansprüche der Insolvenzgläubiger abgewehrt werden müssten. Die Zulassung soll vielmehr entzogen werden, weil der Zulassungsinhaber, die Beigeladene, die für den Erhalt der Zulassung notwendigen persönlichen Voraussetzungen spätestens seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erfüllt und deshalb der Widerruf der Zulassung gesetzlich vorgesehen ist, § 2 Abs. 8 Satz 3 SpielbG LSA. Die Zulassung hat kein über den jeweiligen Zulassungsinhaber hinausgehendes „Nutzungspotential“, das zu sichern Aufgabe des Insolvenzverwalters sein könnte. Ihr Entzug schmälert daher auch nicht das den Gläubigern haftende Vermögen, da die Zulassung selbst nicht haftet und ihre Verwertung ebenso wie ihre Veräußerung ausdrücklich ausgeschlossen ist, § 2 Abs. 5 Satz 2 SpielbG LSA.

8

Die Spielbankzulassung ist eine höchstpersönliche Rechtsposition, die an zahlreiche, durch den Zulassungsinhaber selbst sicherzustellende Voraussetzungen anknüpft. Ziel aller Einschränkungen ist es - neben den in § 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStVtr) genannten Zielen -, Glücksspiele mit besonderem Gefährdungspotential zu überwachen, die in den durch das für Spielbankaufsicht zuständigen Ministerium zugelassenen Spielbanken ausgeübt werden, § 1 Satz 2 SpielbG LSA. Die Zulassung des Betriebs einer Spielbank stellt sich folglich als Zuerkennung einer öffentlich-rechtlichen Berechtigung durch Stellen staatlicher Verwaltung dar, mit der der Zulassungsinhaber berechtigt wird, unter enger staatlicher Kontrolle das ohne Genehmigung grundsätzlich strafbewehrte, § 284 StGB, Glücksspiel anzubieten. Die Zulassung hängt von subjektiven Zulassungsvoraussetzungen ab, die in der Person des Zulassungsinhabers erfüllt sein müssen.

9

So müssen der Zulassungsinhaber, die zur Vertretung der Spielbank Berechtigten und die sonst für den Spielbetrieb verantwortlichen Personen fachlich geeignet sein und Gewähr für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Spielbank bieten, § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 SpielbG LSA. Der Zulassungsinhaber muss ferner unter anderem die Einhaltung der Erfordernisse des Jugendschutzes nach § 4 Abs. 3 GlüStV, der Werbebeschränkungen nach § 5 GlüStV, der Anforderungen an das Sozialkonzept nach § 6 GlüStV und der Vorgaben des Anhangs „Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht“ des GlüStV, der Anforderungen an die Aufklärung nach § 7 Abs. 1 GlüStV und der Anforderungen an die Hinweise nach § 7 Abs. 2 GlüStV sicherstellen. Er ist dafür verantwortlich, dass der Betrieb der Spielbank ordnungsgemäß und für die Spieler sowie die Aufsichtsbehörden nachvollziehbar durchgeführt werden kann und bei einer Abschöpfung der Spielbankerträge ein wirtschaftlicher Betrieb der Spielbank gewährleistet ist, § 2 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 3, 5 und 6 SpielbG LSA. Hierbei handelt es sich um Maßgaben, die kontinuierlich durch den Zulassungsinhaber zu gewährleisten sind. Darüber hinaus sieht § 2 Abs. 7 SpielbG LSA vor, dass in Nebenbestimmungen zu Zulassung zur Gewährleistung dieser Voraussetzungen Festlegungen erfolgen sollen, die u. a. besondere Pflichten bei der Errichtung und Einrichtung der Spielbank betreffen, die Abwicklung der finanziellen Verpflichtungen, oder Sicherheitsvorkehrungen und Pflichten zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs und zur Vermeidung von Betrug und Missbrauch, § 2 Abs. 7 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SpielbG LSA.

10

Die Zulassung ist daher untrennbar mit der Person des Berechtigten verbunden. Als solchermaßen ausgestaltete öffentlich-rechtliche Berechtigung ist die Zulassung ebensowenig übertragbar oder pfändbar wie etwa der Status als Rechtsanwalt oder Vertragsarzt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2000 – B 6 KA 67/98 R -, juris). Als öffentlich-rechtliche Berechtigung kann die Zulassung im Insolvenzfall nicht in die Insolvenzmasse fallen mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter nicht über sie verfügen und sie verwerten kann. Das gilt auch dann, wenn Zulassungsinhaber nicht eine natürliche Person, sondern eine Gesellschaft ist. Höchstpersönliche Rechte unterfallen nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters, der die an den Zulassungsinhaber zu stellenden Anforderungen in eigener Person nicht erfüllen kann (vgl. zur kassenärztlichen Zulassung für ein medizinisches Versorgungszentrum BVerfG, Beschl. v. 22. März 2013 – 1 BvR 791/12 – juris). Der Zulassungsinhaber bleibt zur Abwehr einer Widerrufserklärung selbst berechtigt (BVerwG, Beschl. v. 18. Januar 2006 – 6 C 21/05 -, juris).

11

Der Kläger vermag sich auch nicht darauf zu berufen, er plane den vorläufigen weiteren Betrieb der Spielbank im Insolvenzverfahren, der eine „übertragende Sanierung“ vorbereiten solle. Zum einen darf eine Spielbankzulassung nicht übertragen und auch nicht einem anderen zur Ausübung überlassen werden, woraus zugleich folgt, dass auch niemand außer dem Zulassungsinhaber auf ihrer Grundlage einen Spielbankbetrieb aufrechterhalten darf. Zum anderen vermag der Kläger sich hierauf schon deshalb nicht zu berufen, weil der Betrieb der Spielbanken bereits seit dem 13. bzw. 18. Mai 2011 auf Wunsch der Beigeladenen eingestellt worden war und eine Wiederaufnahme mittels bestandskräftigen Bescheiden des Beklagten vom 13. und 17. Mai 2011 an Auflagen geknüpft war, die erfüllen zu können der Kläger nicht dargelegt hat.

12

Gegen eine aus der Verwaltungsbefugnis abzuleitende eigenständige Klagebefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Spielbankzulassungen spricht zuletzt auch, dass diese erlöschen, wenn der Betrieb der Spielbank nicht innerhalb eines Jahres nach Erteilung aufgenommen oder mehr als ein Jahr unterbrochen wird, § 2 Abs. 4 Satz 2 SpielbG LSA. Hätte der Insolvenzverwalter das Recht, die Spielbankzulassung weiter zu nutzen und also auch die hier behauptete Pflicht, für deren Erhalt zu streiten, würde er durch die Befristung des Bestands der Zulassung ohne Spielbetrieb einem erheblichen Druck ausgesetzt, den Spielbetrieb wieder zeitnah aufzugreifen, um das Erlöschen der von ihm zu betreuenden Zulassung auszuschließen. Dies wäre geeignet, den geordneten Ablauf eines Insolvenzverfahrens zu gefährden und kann daher nicht Sinn und Zweck der Bestellung eines Insolvenzverwalters sein.

13

Auf die weitere Frage, ob das Rechtsschutzinteresse des Klägers hier schon deshalb entfallen ist, weil zwischenzeitlich die Spielbankzulassungen kraft Gesetzes erloschen sind, § 2 Abs. 4 Satz 2 SpielbG LSA, und der Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht geltend gemacht hat, kommt es danach nicht an.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und sich so dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt, so dass die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären waren.

15

Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren auf Zulassung der Berufung folgt aus § 52 Abs. 2 GKG, wobei das Gericht für die Spielbanken in A-Stadt und D-Stadt sowie die Zweigstelle in E-Stadt jeweils den Auffangstreitwert festgesetzt hat.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande, obwohl der Verwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet hat, so kann der Verwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu beantragen, daß die Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne daß das Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes vorangegangen ist. § 113 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, einen Interessenausgleich nach § 125 zustande zu bringen oder einen Feststellungsantrag nach § 126 zu stellen.

(2) Das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, daß die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt wird. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren gelten entsprechend; Beteiligte sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat. Der Antrag ist nach Maßgabe des § 61a Abs. 3 bis 6 des Arbeitsgerichtsgesetzes vorrangig zu erledigen.

(3) Gegen den Beschluß des Gerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nicht statt. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht findet statt, wenn sie in dem Beschluß des Arbeitsgerichts zugelassen wird; § 72 Abs. 2 und 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt entsprechend. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung des Arbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und zu begründen.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:

1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens;
2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören;
3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.

(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten

1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte;
2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte;
3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Nachteilsausgleich in Höhe von 31.065,00 € hat, den dieser als Masseverbindlichkeit schuldet.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 16,81 %, der Kläger zu 83,19 % zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.905,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt zuletzt noch die Feststellung eines Anspruchs auf Nachteilsausgleich als Masseverbindlichkeit.

2

Der1956 geborene Kläger war seit dem 01.04.1993 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.01.1993 (Bl.7/8 d.A.) bei der Insolvenzschuldnerin tätig, zuletzt als Croupier mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen in Höhe von 3.270,00 €.

3

Die Insolvenzschuldnerin betrieb mit insgesamt mehr als 80 Arbeitnehmern an den Standorten M, H und W Spielbanken. Für die Standorte waren örtlich Betriebsräte gewählt, darüber hinaus bestand ein Gesamtbetriebsrat. Mit Wirkung vom 01.01.2010 wurde die Insolvenzschuldnerin privatisiert. Die Geschäftsanteile gingen an eine Fa. D., die als Geschäftsführer Herrn S. bestellte. Nach vorausgegangenen Pfändungsmaßnahmen durch das Finanzamt sowie daraufhin ergangenen Ordnungsverfügungen des Ministeriums des Inneren des Landes -als Zulassungsbehörde gem. Spielbankengesetz Land - welche den Weiterbetrieb an Auflagen knüpfte und sogar die Einziehung der Jetons veranlasste, stellte Herr S. am 13.05./18.05.2011 den Spielbetrieb an den drei Standorten ein und sämtliche Mitarbeiter von der Arbeitsleistung frei. Im Sommer 2011 wurde die D. veräußert und als neuer Geschäftsführer für die Insolvenzschuldnerin Herr E. bestellt. Dieser kündigte neue Investitionen an und trat in Verhandlungen mit dem Ministerium des Inneren. Nachdem diese erfolglos verlaufen waren, stellte er jedoch bereits am 15.07.2011 Insolvenzantrag.

4

Der Beklagte wurde zunächst als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt. Erklärtes Ziel seiner Bemühungen war unter anderem die Schaffung der Voraussetzungen für deren erneute Privatisierung (vgl. Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012 (Bl.48ff. d.A.). Dazu gehörte neben der Suche nach neuen Investoren insbesondere die Sicherung der Spielbankenkonzession für die Insolvenzschuldnerin, zwecks Weitergabe an den späteren neuen Betreiber.

5

Mit E-Mail vom 06.10.2011 wandte sich der Beklagte zwecks Abschlusses eines Interessensausgleichs an den Gesamtbetriebsrat. Unter der Vorbemerkung, dass gegenwärtig eine kurzfristige Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes nicht möglich sei, sah der mitgesandte Entwurf u.a. die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter vor. Dieser reagierte mit Schreiben vom 11.10 und 12.10.2011 und bat den Beklagten im Ergebnis sich zwecks Vereinbarung eines Termins zur Aufnahme von Verhandlungen an den von ihm neu benannten Prozessvertreter zu wenden. Versuche mit diesem noch im Oktober 2011 in Kontakt zu treten scheiterten jedoch. Am 14.11.2011 erfuhr der Beklagte durch eine E-Mail des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, dass der Gesamtbetriebsrat offenbar nicht bereit sei den zugesandten Interessensausgleich zu unterschreiben.

6

Offenbar noch in 2011 verlor die Beklagte aufgrund von Mietvertragskündigungen, Pfändungen etc. die Möglichkeit, die bisherigen Betriebsstätten und die darin vorhandenen Automaten und Spieltische für einen eventuellen Neuanfang zu nutzen.

7

Am 06.02.2012 eröffnete das Amtsgericht als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und ernannte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

8

Am 16.02.2012 fand eine Besprechung über die weitere Entwicklung bei der Insolvenzschuldnerin statt, an der auch der Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates teilnahm.

9

Mit Wirkung ab 24.02.2012 wurde der Insolvenzschuldnerin die Spielbankenkonzession entzogen.

10

Am 28.02.2012 erfolgte eine Besprechung im Rahmen der Konsultation der örtlichen Betriebsräte durch den Beklagten. Mit Schreiben vom 27.03.2012 lud der Beklagte diese zu einer weiteren Besprechung am 03.04.2012 ein. Hieran nahm für die Arbeitnehmerseite auch der Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates teil.

11

Noch am gleichen Tag fasste der Gesamtbetriebsrat einen Beschluss aus dem das Schreiben vom 04.04.2012 an den Beklagten resultiert. Darin informiert dieser darüber, dass er die Verhandlungen über einen Interessensausgleich für gescheitert betrachte und beschlossen habe die Einigungsstelle anzurufen. Ebenfalls enthalten ist ein Besetzungsvorschlag für den Einigungsstellenvorsitzenden sowie die Benennung der Personen, die auf Betriebsratsseite als Beisitzer teilnehmen sollen. Sowie die Mitteilung dass sein Prozessvertreter mit der Einleitung und Durchführung dieses Verfahrens beauftragt sei.

12

Ohne auf dieses Schreiben zu antworten wandte sich der Beklagte wieder der Anhörung des Betriebsrates zum Ausspruch der Kündigungen sowie der Anzeige einer Massenentlassung an die zuständige Arbeitsagentur zu und sprach sodann mit Schreiben vom 23.04.2012 zum 31.07.2012 gegenüber allen verbliebenen Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin die Kündigung aus.

13

Eingehend am 14.05.2012 wandte sich der Kläger zunächst gegen diese Kündigung und verlangte zudem die Erteilung eines Zeugnisses. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht soll der -dort als Prozessvertreter eines Arbeitnehmers fungierende- Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates, während eines im Juni 2012 stattgefundenen Termins, damit geprahlt haben, dass der Beklagte in die von ihm gern genutzte „Nachteilsausgleichsfalle“ getappt sei. Mit Schreiben vom 17.08.2012 zeigte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Mit am 23.01.2013 eingegangenem Schriftsatz kündigte der Beklagte unter Klagerücknahme im Übrigen den nunmehrigen Klageantrag an.

14

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht alles erforderliche unternommen habe, um einen Interessensausgleich zu vereinbaren und den Mitarbeitern daher Nachteilsausgleich schulde. Dabei handele es sich zudem um eine Masseverbindlichkeit. Die hier maßgebliche Betriebsänderung bestehe allein in der endgültigen Stilllegungsentscheidung und Entlassung aller Mitarbeiter durch den Insolvenzverwalter. Alle vorangegangenen Entscheidungen und Maßnahmen wären nicht auf eine endgültige Betriebseinstellung hinausgelaufen, vielmehr habe man sich zwischenzeitlich um eine Wiederaufnahme des Betriebes bemüht. Angesichts der Masseunzulänglichkeitsanzeige begehre er lediglich eine Feststellung des Anspruchs. Arbeitsmarktaussichten, Lohn, Alter und Betriebszugehörigkeit würden einen Anspruch in der genannten Höhe rechtfertigen.

15

Der Kläger beantragt,

16

festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger eine Abfindung im Sinne von § 113 BetrVG in Höhe von 49.050,00 € für den Verlust des Arbeitsplatzes als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO schuldet.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte trägt vor, der Feststellungsantrag sei aus verschiedensten Gründen bereits unzulässig. Auch sei ein Interessensausgleich ausreichend versucht worden, aber an der Verweigerungshaltung des Betriebsrates gescheitert. Dieser handele treuwidrig, wenn er sich nunmehr auf eine von ihm gestellte „Nachteilsausgleichsfalle“ berufe. Jedenfalls aber könne ein solcher Nachteilsausgleichsanspruch allenfalls als Insolvenzforderung entstanden sein. Schließlich handele es sich bei den vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen lediglich um die Fortsetzung einer bereits im Mai 2011 begonnenen Betriebsänderung bzw. Betriebsschließung.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig und weitestgehend auch begründet.

I.

22

Die von dem Beklagten geäußerten Zulässigkeits- und Zuständigkeitsbedenken sind allesamt unbegründet. Eine Vorabentscheidung nach Maßgabe von § 17 GVG mit Rücksicht auf die im letzten Schriftsatz geäußerten Zuständigkeitsbedenken war vorliegend nicht erforderlich. Dieser hat sich im Kammertermin, ohne ausdrückliche Rügeerhebung, auf eine Verhandlung in der Sache eingelassen und seitens des Gerichts selbst bestehen hinsichtlich der Zuständigkeit keinerlei Zweifel.

23

Vorliegend macht der Kläger vor dem Arbeitsgericht geltend, er habe einen Nachteilsausgleichsanspruch in Form einer Altmasseverbindlichkeit gegen den Beklagten und verfolgt diesen im Wege einer Feststellungsklage.

24

Diesbezüglich gilt folgendes:

25

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers lässt die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte betreffend Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis nach Maßgabe von § 2 Ziff.3 a) ArbGG unberührt, lediglich tritt nach Maßgabe von § 3 ArbGG der Insolvenzverwalter prozessual an die Stelle des Arbeitgebers. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgerichtes über Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen gelten auch in der Insolvenz eines Unternehmens. Führt die Insolvenzschuldnerin eine geplante Betriebsänderung durch, ohne über sie einen Interessensausgleich mit dem Betriebsrat ausreichend versucht zu haben, so sind die daraus folgenden Ansprüche entlassener Arbeitnehmer auf Nachteilsausgleich regelmäßig einfache Insolvenzforderungen, selbst wenn er hierbei in Absprache mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter handelt (BAG 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, DB 2003, 618). Ausschlaggebend hierfür ist, ob mit der Betriebsänderung vor der Insolvenzeröffnung begonnen wurde (LAG Köln 22.10.2001 - 2 Sa 31/01, ZIP 2002, 1300). Wird dagegen die maßgebliche Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt, so ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs.1 Nr.1 InsO (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02, AP § 113 BetrVG 1972 Nr.42; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05, BB 2006, 1745). Er ist dann grundsätzlich als Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02, NZA 2003, 1087; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.). Sobald dieser die Unzulänglichkeit der Masse anzeigt, wird nach § 210 InsO die Vollstreckung einer zuvor begründeten Masseverbindlichkeit nach § 209Abs.1 Nr.3 InsO unzulässig und lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage entfallen (BAG 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, DB 2002, 1011; 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.). In diesem Fall kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter im Wege der Feststellungsklage nach § 256 Abs.1 ZPO geltend machen (BAG 29.10.2002, EzA § 112 BetrVG 2001 Nr.4; 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.) Lediglich sog. Neumasseverbindlichkeiten (begründet nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit) sind weiterhin mit der Leistungsklage zu verfolgen (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.).

26

Der Kläger hat damit nach Auffassung des Gerichts genau den richtigen Rechtsweg und genau den zulässigen Klageantrag gewählt.

II.

27

Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach Maßgabe von § 113 Abs.3 BetrVG erlangt.

28

Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um ein Unternehmen mit, in der Regel, mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 111 Abs.1 Satz 1 BetrVG). Die vom Beklagten ausgesprochenen ca. 80 Kündigungen stellen eine -oder jedenfalls den letzten Schritt einer- Betriebsstilllegung dar und gehen zudem mit einem Personalabbau oberhalb der Größenordnung nach § 17 Abs.1 KSchG einher, sie sind daher in ihrer Gesamtheit als Betriebsänderung iSv. § 111 Abs.1 Satz 3 Ziff.1 BetrVG anzusehen. Führt ein Unternehmer eine geplante Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG aus, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und entlässt er infolge dieser Maßnahme Arbeitnehmer, so steht diesen nach Maßgabe von § 113 Abs.3 BetrVG ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu. Ein Insolvenzverwalter kann sich im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens nicht darauf berufen der Versuch eines Interessenausgleichs sei ausnahmsweise entbehrlich (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; 18.11.2003 - 1 AZR 30/03, ZIP 2004, 235), auch nicht etwa wegen sehr großer Massearmut (LAG München 04.07.2002 - 4 Sa 565/01 zitiert über Juris). Der Kläger wurde im Zuge der 80 Kündigungen als Maßnahme zur (weiteren/endgültigen) Betriebsstilllegung entlassen.

29

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist davon auszugehen, dass vorliegend ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat jedenfalls nicht ausreichend versucht wurde. Ein solcher Versuch liegt nur dann vor, wenn vom Arbeitgeber alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft wurden. Er muss, falls keine Einigung mit dem Betriebsrat möglich ist und dieser nicht selbst die Initiative ergreift, die Einigungsstelle anrufen, um dort einen Interessenausgleich zu versuchen (BAG 26.10.2004 - 1 AZR 493/03, DB 2005, 115; 18.12.1984 -1 AZR 176/82, DB 1985, 1293; LAG Hamm 22.07.2003 -19 Sa 541/03, zitiert über Juris). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund fehlender finanzieller Mittel wenig Hoffnung auf eine Einigung hat und sich die Kosten hierfür lieber sparen würde. Im vorliegenden Fall ist nach dem Schreiben des Gesamtbetriebsrates vom 04.04.2012 bis hin zur Durchführung der Entlassungen in dieser Richtung nichts mehr passiert. Weder hat der Beklagte mitgeteilt, ob er mit dem vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden einverstanden ist, nicht einverstanden ist, einen anderen vorschlägt, noch hat er zur Zahl der Beisitzer und zu den Namen der Beisitzer auf seiner Seite irgendwie Stellung bezogen. Auch hat er keineswegs, nachdem sich weiter nichts tat, seinerseits die Initiative in Bezug auf die Installation einer Einigungsstelle ergriffen. Vielmehr war hiermit das Thema Interessenausgleich offenbar für den Beklagten erledigt. Damit hat er nicht alle Möglichkeiten für den Abschluss eines Interessensausgleichs ausgeschöpft.

30

Dies kann auch nicht mit Rücksicht auf Treu und Glaube anders beurteilt werden, weil es der Gesamtbetriebsrat und sein Prozessvertreter möglicherweise genau hierauf angelegt hatten. Hätte der Beklagte sich betriebsverfassungsgemäß verhalten und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, hätte gar nicht erst die Gefahr bestanden in irgendeine mögliche „Falle“ in diesem Zusammenhang zu tappen.

III.

31

Der Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs.3 BetrVG steht dem Kläger als sog. Altmasseverbindlichkeit zu.

32

Hat die Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, so ist ein Anspruch auf Nachteilsausgleich einfache Insolvenzforderung. Eine Masseverbindlichkeit i.S.v. §§ 53, 55 Abs.1 Nr.1 InsO liegt vor, wenn die Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt wird (BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, DB 2003, 618; LAG Köln 22.10.2001 - 2 Sa 31/01, ZIP 2002, 1300; LAG Nürnberg 17.10.2003 - 9 (2) Sa 43/03; LAG Schleswig-Holstein 24.08.2006 - 6 Sa 556/05, jeweils zitiert über Juris). Die Einstufung als sog. Neu- (§ 209 Abs.1 Ziff.2 InsO) oder Altmasseverbindlichkeit (§ 209 Abs.1 Ziff.3 InsO) hängt davon ab, ob die Betriebsänderung nach(neu) oder vor(alt) der Anzeige der Masseunzulänglichkeit beginnt (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.; LAG Hamm 26.08.2004 - 4 Sa 1853/03 zitiert über Juris).

33

Der Arbeitgeber beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft (BAG 30.05.2006 -1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.11.2005 - 1 AZR 407/05; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, BAGE 104, 94). Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte nicht nur vorübergehende Zeit (BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.11.2005 - 1 AZR 407/05; 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.). Dies ist spätestens dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (30.05.2006 -1 AZR 25/05 a.a.O.; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02 a.a.O.; 23.09.2003 - 1 AZR 576/02, BAGE 107, 347). Allein die Freistellung der Arbeitnehmer oder die Erteilung eines Versteigerungsauftrags hinsichtlich des beweglichen Anlagevermögens muss dagegen noch nicht unbedingt den Beginn einer Betriebsstilllegung darstellen (LAG Berlin 06.12.2004 - 12 Sa 1766/04, zitiert über Juris) kann es ggf. aber (LAG Berlin-Brandenburg 02.03.2012 - 13 Sa 2187/11 ZIP 2012, 1429).

34

Vorliegend kann es letztlich dahingestellt bleiben, ob bereits die Einstellung des Spielbetriebes und die Freistellung der Mitarbeiter im Mai 2011 den Beginn einer Betriebsänderung in Form einer Betriebsstilllegung dargestellt haben. Denn es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass für den Zeitraum seit Mai 2011 ein einheitlicher unternehmerischer Plan bestand, der sukzessive bis hin zu den Kündigungen im April 2012 umgesetzt wurde. Vielmehr hatte von den in diesem Zeitraum wechselnden Verantwortlichen jeder wieder seine eigene unternehmerische Planung. Diese aber bestand keinesfalls von Beginn an darin, einen spätestens seit Mai 2011 bestehenden Plan zur Betriebsstilllegung umzusetzen. Jeder hatte seine Pläne für einen Neubeginn und war vielmehr bestrebt, die noch vorhandenen Teile der betrieblichen Einheit zum Zwecke der Umsetzung dieser Pläne möglichst zusammenzuhalten. Dies gilt auch und in besonderen für den Beklagten. Erst als dieser im Herbst 2011 erkannte, dass eine kurzfristige Wiederaufnahme des Spielbetriebes nicht möglich sein wird, begann er (noch als vorläufiger Insolvenzverwalter zusammen mit dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin) erste Konsultationen in Bezug auf Interessensausgleich und Kündigung und erst, als auch noch die Konzession entzogen war, begann er die dahingehenden Überlegungen energischer voranzutreiben. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass erst mit dem Entzug der Konzession zum 24.02.2012 der Beklagte ernsthaft und endgültig einen (neuen) Stilllegungsplan fasste und damit begann dahingehende unumkehrbare Maßnahmen einzuleiten. Dabei setzte er lediglich an dem Status Quo nach den zuvor geplanten in mehr oder weniger frühen Stadien stecken gebliebenen Betriebsänderungen an. Deren Beginn stellt damit nicht den Beginn der hier zu beurteilenden Betriebsänderung dar. Die erste wirklich unumkehrbare Maßnahme des neuen Betriebsstilllegungsbeschlusses stellt der Ausspruch der Kündigungen im April 2012 dar. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren bereits eröffnet (06.02.2012), die Masseunzulänglichkeit aber noch nicht angezeigt (17.08.2012). Damit hat ein daraus resultierender Nachteilsausgleichsanspruch den Status einer Altmasseverbindlichkeit.

IV.

35

Der Nachteilsausgleichsanspruch hat nach Auffassung der Kammer den ausgeurteilten, unterhalb des vom Kläger geforderten liegenden, Umfang.

36

Dabei orientierte sich die Kammer vorliegend, unter Beachtung der sich aus §§ 113 Abs.1 und 2 BetrVG, 10 Abs.1 bis 3 KSchG ergebenden Höchstgrenzen, an der Berechnung wie sie § 1a KSchG für den Abfindungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen vorsieht. D.h. 3.270,00 € brutto x 0,5 x 19 Beschäftigungsjahre.

37

Eine abweichende Berechnung erschien der Kammer nicht geboten.

38

Bei der Festsetzung der Höhe der Abfindung sind die der Insolvenzsituation geschuldeten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers weitgehend ohne Bedeutung. Insbesondere ist der Nachteilsausgleich nicht etwa in entsprechender Anwendung des § 123 Abs.1 InsO auf 2,5 Monatsverdienste begrenzt (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; LAG Hamm 04.12.2003 - 4 Sa 1407/03 zitiert über Juris; Fitting § 113 Rdn.30, 31 m.w.N.).

39

Zwar muss aufgrund des Normzwecks und des Sanktionscharakters von § 113 BetrVG die Höhe des tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils für den konkret betroffenen Arbeitnehmer und die Schwere des Verstoßes des Arbeitgebers gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben in die Festsetzung der Höhe mit einfließen. Daraus ergeben sich im vorliegenden Einzelfall jedoch keine hinreichenden Gründe für eine Erhöhung oder Minderung der zunächst einmal nach Maßgabe von § 1a KSchG ermittelten Summe. Eine überdurchschnittliche Pflichtvergessenheit kann dem Beklagten schon aufgrund der ja gegebenen weitreichenden Ansätze zum Abschluss eines Interessensausgleichs nicht unterstellt werden. Besondere wirtschaftliche Härten über das hinaus, was auch § 1a KSchG ausgleichen soll, waren auf Seiten des Klägers nicht ersichtlich.

V.

40

Die Kosten des Rechtsstreits waren nach Maßgabe von § 92 Abs.1 Satz 1 2.Alt. ZPO entsprechend dem Umfang des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zwischen den Parteien zu teilen. Dabei musste ein fiktiver Streitwert unter Mitberücksichtigung der inzwischen aufgrund Klagerücknahme nicht mehr anhängigen Streitgegenstände gebildet werden (Kündigungsschutzantrag 3 x 3.270,00 €, Weiterbeschäftigungsantrag 1 x 3.270,00 €, Zeugnis/Zwischenzeugnis 500,00 €). Diese sind für den Kläger auf der Unterliegensseite zu berücksichtigen.

41

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von § 3ff. ZPO. Ausschlaggebend ist dabei der wirtschaftliche Wert der Klageforderung, über die zuletzt noch entschieden werden musste. Hierbei war im vorliegenden Fall analog § 182 InsO die zu erwartende Befriedigungsquote zu schätzen und bei der Bewertung zu Grunde zu legen (vgl. GK-ArbGG § 12 Rdn.275 mwN.).


(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.

(2) Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

(3) Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.

(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande, obwohl der Verwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet hat, so kann der Verwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu beantragen, daß die Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne daß das Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes vorangegangen ist. § 113 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, einen Interessenausgleich nach § 125 zustande zu bringen oder einen Feststellungsantrag nach § 126 zu stellen.

(2) Das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, daß die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt wird. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren gelten entsprechend; Beteiligte sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat. Der Antrag ist nach Maßgabe des § 61a Abs. 3 bis 6 des Arbeitsgerichtsgesetzes vorrangig zu erledigen.

(3) Gegen den Beschluß des Gerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nicht statt. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht findet statt, wenn sie in dem Beschluß des Arbeitsgerichts zugelassen wird; § 72 Abs. 2 und 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt entsprechend. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung des Arbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und zu begründen.

(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.

(2) Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

(3) Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. September 2011 - 6 TaBV 851/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.

2

Die Arbeitgeberin betreibt in Berlin eine öffentliche Spielbank. § 9 der ihr unter dem 1. Juli 2005 durch die Senatsverwaltung für Finanzen erteilten Betriebserlaubnis (BE) lautet:

        

„§ 9 Videoüberwachung und -aufzeichnung

        

(1)     

Der Spielbankunternehmer hat den Spielverlauf und die hiermit verbundenen Kassen- und Zählvorgänge durch Videokameras zu überwachen (Videoüberwachung) und auf geeigneten Datenträgern aufzuzeichnen (Videoaufzeichnung). Die Maßnahme dient der Vermeidung von Manipulationen und der korrekten Erfassung des Bruttospielertrages.

        

(2)     

Die Videoüberwachung umfasst

                 

…       

        

(3)     

…       

                 

Die Videoaufzeichnungen sind auf Ersuchen der Steueraufsicht heranzuziehen und zur Klärung von Kulanzzahlungen, Streitsätzen, Jetondiebstahl und ähnlich gelagerten Fällen. Zu diesem Zweck können die aufsichtführenden Überwachungskräfte die Videoaufzeichnungen einsehen und auswerten.

                 

...“   

3

Am 25. September 2010 beschloss eine Einigungsstelle durch Spruch eine „Betriebsvereinbarung über die Anwendung, Änderung und Erweiterung der Systeme der Videoüberwachung“ (BV Video). Darin heißt es:

        

„§ 7 Videoüberwachungssystem

        

…       

        
        

(3)     

Anlässe und Verfahren für die Anzeige von Aufzeichnungen

                 

Aufzeichnungen können ausschließlich aus folgenden Anlässen ohne vorherige Informationen des Betriebsrats angesehen werden:

                          

-       

die Zuordnung von Spieleinsätzen an Spieltischen und Spielautomaten zu einem bestimmten Gast,

                          

-       

die Überprüfung von Auszahlungen und Wechslungen, sofern es sich um die Reklamation eines Gastes handelt,

                          

-       

Feststellung der Identität eines Gastes.

                 

Aufzeichnungen können darüber hinaus bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung nach vorheriger schriftlicher Information des Betriebsrats angesehen werden.

                 

Die Information an den Betriebsrat hat stichwortartig die Gründe für die gewünschte Anzeige zu benennen. Der Betriebsrat ist über das Ergebnis unverzüglich schriftlich zu informieren, soweit Arbeitnehmer betroffen sind.

                 

§ 79 BetrVG ist zu beachten.

        

(4)     

Anlässe und Verfahren für die Live-Betrachtung

                 

Eine Live-Betrachtung kann bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung nach vorheriger schriftlicher Information des Betriebsrats durchgeführt werden.

                 

Die Information an den Betriebsrat hat stichwortartig die Gründe für die gewünschte Live-Betrachtung zu benennen. Es muss dem Betriebsrat Gelegenheit gegeben werden, zur Live-Betrachtung ein Mitglied des Betriebsrats zu entsenden. Der Betriebsrat ist über das Ergebnis unverzüglich schriftlich zu informieren, soweit Arbeitnehmer betroffen sind.

                 

…“    

4

Der Einigungsstellenvorsitzende übermittelte am 27. September 2010 den nicht unterzeichneten Spruch per Telefax an die Arbeitgeberin. Mit E-Mail vom selben Tage kündigte er die nachfolgende Übersendung des Einigungsstellenspruchs an. Den mit seiner Unterschrift versehenen Spruch versandte er am 12. Oktober 2010 auf dem Postweg.

5

Mit ihrem am 8. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs geltend gemacht und gemeint, dieser sei bereits wegen nicht formgerechter Zuleitung unwirksam. Er verstoße gegen höherrangiges Recht; die Regelung in § 7 BV Video berücksichtige ihre Interessen nur ungenügend.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 rechtsunwirksam ist.

7

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

8

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde der Arbeitgeberin entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betriebsrat die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.

9

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag der Arbeitgeberin zu Recht stattgegeben. Der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 ist unwirksam.

10

I. Der Einigungsstellenspruch entspricht allerdings den formalen Anforderungen des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG.

11

1. Nach dieser Vorschrift sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

12

Die Einhaltung dieses betriebsverfassungsrechtlichen Formerfordernisses ist Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Einigungsstellenspruch. Es dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betriebsparteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtssicher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und Dokumentation ist erforderlich, weil der Einigungsstellenspruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gleiche normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG 13. März 2012 - 1 ABR 78/10 - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 18 = EzA SGB IX § 84 Nr. 10 ). Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden kann weder durch die elektronische Form (§ 126a BGB) noch durch die Textform (§ 126b BGB)ersetzt werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt hat(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 19, BAGE 135, 377).

13

2. Der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 ist formwirksam.

14

Die am 27. September 2010 erfolgte Übermittlung des nicht unterzeichneten Spruchs per Telefax steht seiner wirksamen Zuleitung nicht entgegen. Der Einigungsstellenvorsitzende hat der Arbeitgeberin die beabsichtigte Übersendung des unterzeichneten Spruchs durch eine E-Mail vom gleichen Tag angekündigt. Hiernach sollte erst diese und nicht bereits das Fax vom 27. September 2010 die Zuleitung des Einigungsstellenspruchs bewirken. Diese Umstände lassen nicht den Schluss zu, der Einigungsstellenvorsitzende habe bereits mit der vorherigen Übermittlung per Fax eine Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG vornehmen wollen. Anderweitige Feststellungen hat auch das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

15

II. Der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 ist unwirksam, weil die Einigungsstelle bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung ihre Regelungsmacht überschritten hat.

16

1. Der Betriebsrat hat bei der Videoüberwachung der Betriebsräume der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen.

17

Die Betriebsparteien und damit auch die Einigungsstelle sind grundsätzlich befugt, Regelungen über die Einführung und Ausgestaltung einer Videoüberwachung zu treffen. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Eine Videoüberwachungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 13, BAGE 127, 276). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

18

2. Nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG hat der Betriebsrat nur mitzubestimmen, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.

19

a) Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr verbleibt, wenn eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche oder tarifliche Vorschrift vorliegt. Wird der Mitbestimmungsgegenstand durch diese inhaltlich und abschließend geregelt, fehlt es an einer Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Betriebsparteien. Verbleibt dem Arbeitgeber trotz der bestehenden normativen Regelung ein Gestaltungsspielraum, ist ein darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 63/10 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 6).

20

b) Nach der Senatsrechtsprechung kann sich eine die Mitbestimmung einschränkende Bindung der Betriebsparteien auch aufgrund eines Verwaltungsaktes ergeben, wenn dieser den Arbeitgeber verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen bzw. zu unterlassen. Verbleibt dem Arbeitgeber kein Gestaltungsspielraum, kann der Betriebsrat nicht unter Berufung auf sein Mitbestimmungsrecht eine vom Verwaltungsakt abweichende Regelung verlangen (BAG 9. Juli 1991 - 1 ABR 57/90 - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 68, 127; 26. Mai 1988 - 1 ABR 9/87 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 58, 297). Insoweit steht eine den Arbeitgeber bindende behördliche Entscheidung in ihren Auswirkungen auf das Mitbestimmungsrecht den in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG genannten normativen Regelungen gleich. Wo für den Arbeitgeber nichts zu entscheiden ist, gibt es für den Betriebsrat nichts mitzubestimmen (BAG 23. Juni 2009 - 1 ABR 30/08 - Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 59).

21

3. Vorliegend ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt.

22

a) In der für die Arbeitgeberin einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift Spielhallen, Spielcasinos und Automatensäle von Spielbanken vom 1. April 1997 (BGV C 3) wird die Einrichtung und der Betrieb einer Videoüberwachung für die Betriebsräume verbindlich festgelegt. Die BGV C 3 ist aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 15 Abs. 1 SGB VII als autonomes Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger erlassen worden. Danach muss jedes Spielcasino und jeder Automatensaal von Spielbanken mit einer optischen Raumüberwachungsanlage ausgerüstet sein (§ 6 Abs. 1 BGV C 3). Der Unternehmer hat bei Verwendung von Videoanlagen zur optischen Raumüberwachung dafür zu sorgen, dass diese während der gesamten Arbeitszeit in Betrieb sind (§ 19 Abs. 1 BGV C 3).

23

b) Nach § 10a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin(Spielbankengesetz - SpBG) vom 8. Februar 1999 (GVBl. S. 70) ist die Arbeitgeberin zur Durchführung einer laufenden videotechnischen Aufzeichnung und Speicherung der hierdurch erworbenen Daten in den in der Vorschrift genannten Räumen verpflichtet. In § 10a Abs. 2 und Abs. 4 SpBG Berlin hat der Landesgesetzgeber den Zugriff auf die aufgezeichneten und gespeicherten Daten sowie die Vorgaben für die videotechnischen Aufnahmen näher ausgestaltet.

24

aa) Nach § 10a Abs. 4 SpBG Berlin darf der Zugriff auf die aufgezeichneten und gespeicherten Daten ausschließlich erfolgen durch den Spielbankunternehmer und die von ihm hierfür bestimmten Personen, die Aufsichtsbehörden(§ 12 SpBG Berlin) sowie die Strafverfolgungsbehörden, soweit sie nach dem für sie maßgeblichen Recht hierzu befugt sind. § 10a Abs. 2 SpBG Berlin verlangt, dass die Aufzeichnung und Speicherung ausschließlich für Zwecke der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Spielbetriebs, zur korrekten Erfassung des Bruttospielertrags, zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten sowie zur Klärung von Streitfällen mit Gästen verwendet werden darf. § 10a Abs. 4 SpBG Berlin regelt auch das Betrachten der in Echtzeit aufgezeichneten Daten. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, der den Zugriff sowohl auf die aufgezeichneten als auch auf die gespeicherten Daten erlaubt. Dies entspricht § 10a Abs. 1 Satz 1 SpBG Berlin, der eine Verpflichtung des Erlaubnisinhabers zur laufenden videotechnischen Aufzeichnung und Speicherung vorsieht. Der Landesgesetzgeber hat danach eine Regelung sowohl für das Betrachten der Aufzeichnung als auch der gespeicherten Videoaufnahmen getroffen. Diese ermöglicht den in § 10a Abs. 4 SpBG Berlin bezeichneten Personen und Stellen eine Live-Betrachtung des Spielbetriebs zu den in § 10a Abs. 2 SpBG Berlin genannten Zwecken.

25

bb) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht danach nur, soweit das Betrachten der aufgezeichneten und gespeicherten Daten nicht den in § 10a Abs. 2 SpBG Berlin genannten Zwecken dient. Dies gilt auch, soweit die Tätigkeit von Arbeitnehmern von den Aufnahmen erfasst wird. Die Mitarbeiter der Arbeitgeberin unterliegen insoweit den gleichen Einschränkungen ihres durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts wie andere Besucher der Spielbank. Dies begegnet insbesondere deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil die Arbeitgeberin die Erkenntnisse, die sie aus einer Ansicht der Aufnahmen auf der Grundlage von § 10a Abs. 2 SpBG Berlin gewinnt, nur zu den in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgeführten Zwecken verwenden darf. Die Leistungs- oder Verhaltenskontrolle von Arbeitnehmern zählt nicht dazu.

26

c) Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG werden auch durch die in der Betriebserlaubnis vom 1. Juli 2005 enthaltenen Auflagen eingeschränkt. Nach § 9 Abs. 3 Satz 2 BE sind die Videoaufzeichnungen auf Ersuchen der Steueraufsicht zur Klärung von Kulanzzahlungen, Streitsätzen, Jetondiebstahl und ähnlich gelagerten Fällen heranzuziehen. Die Betriebserlaubnis ist ein Verwaltungsakt, der mit Auflagen über Sicherheitsvorkehrungen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1, Abs. 7 Nr. 5 SpBG Berlin). Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist die Bindung der Arbeitgeberin an die in der Betriebserlaubnis enthaltenen Vorgaben über die Videoüberwachung und -aufzeichnung (§ 9 BE) nicht entfallen. Die Einfügung von § 10a SpBG Berlin im Jahr 2010 führt nicht zur Nichtigkeit von § 9 BE. Dies folgt aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, der gem. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8. Dezember 1976 (GVBl. S. 2735) für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden Berlins gilt. Danach hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Die Möglichkeit, in Bezug auf die von § 10a SpBG Berlin erfassten Nebenbestimmungen in der Betriebserlaubnis ggf. einen auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens gerichteten Antrag zu stellen, schließt die Annahme der Nichtigkeit als Folge der Änderung des SpBG Berlin aus.

27

4. Die Einigungsstelle hat bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung in § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BV Video die sich aus § 10a SpBG Berlin und § 9 Abs. 3 Satz 2 BE ergebende Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nicht beachtet.

28

a) Der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 BV Video beschränkt sich auf die von der Arbeitgeberin gespeicherten Aufnahmen. Für das Betrachten aufgezeichneter Daten in Echtzeit enthält § 7 Abs. 4 BV Video eine gesonderte Regelung. Nach den Festlegungen im Einigungsstellenspruch können die gespeicherten Aufnahmen nur unter den in § 7 Abs. 3 Satz 1 BV Video bestimmten Voraussetzungen ohne vorherige Information des Betriebsrats angesehen werden. Liegen diese nicht vor, ist eine Betrachtung nur bei dringendem Tatverdacht einer strafbaren Handlung und einer vorherigen schriftlichen Information des Betriebsrats unter Angabe der Gründe zulässig. Nach § 7 Abs. 4 BV Video darf eine Live-Überwachung nur bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung nach vorheriger schriftlicher Information des Betriebsrats unter Beifügung einer stichwortartigen Begründung durchgeführt werden. Es muss dem Betriebsrat Gelegenheit gegeben werden, zur Live-Betrachtung ein Betriebsratsmitglied zu entsenden (§ 7 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Satz 1 BV Video).

29

b) Durch § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BV Video werden die im SpBG Berlin eröffneten Möglichkeiten für das Betrachten der aufgezeichneten und gespeicherten Videoaufnahmen beschränkt. Die nach § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BV Video zulässigen Tatbestände für die Ansicht der Videoaufzeichnungen bleiben hinter den gesetzlich bestimmten Zugriffsmöglichkeiten zurück. Diese sind der Arbeitgeberin und den Aufsichtsbehörden zu den in § 10a Abs. 2 SpBG Berlin genannten Zwecken einschränkungslos und ohne das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts gestattet. Die Einigungsstelle hat überdies die in § 9 Abs. 3 Satz 2 BE enthaltenen Vorgaben zugunsten der Steueraufsicht sowie die Rechte der Strafverfolgungsbehörden(§ 10a Abs. 4 Nr. 3 SpBG Berlin) nicht berücksichtigt. Eine Trennung nach dem Zugriffszweck ist in § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BV Video nicht vorgesehen.

30

5. Die Unwirksamkeit von § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BV Video führt zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs. Für die Anwendung des verbleibenden Teils bleibt ohne die Ausgestaltung der Voraussetzungen, unter denen ein Betrachten der Videoaufnahmen zulässig ist, kein Raum.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Klosterkemper    

        

    Seyboth    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.

(2) Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

(3) Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Nachteilsausgleich in Höhe von 31.065,00 € hat, den dieser als Masseverbindlichkeit schuldet.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 16,81 %, der Kläger zu 83,19 % zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.905,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt zuletzt noch die Feststellung eines Anspruchs auf Nachteilsausgleich als Masseverbindlichkeit.

2

Der1956 geborene Kläger war seit dem 01.04.1993 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.01.1993 (Bl.7/8 d.A.) bei der Insolvenzschuldnerin tätig, zuletzt als Croupier mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen in Höhe von 3.270,00 €.

3

Die Insolvenzschuldnerin betrieb mit insgesamt mehr als 80 Arbeitnehmern an den Standorten M, H und W Spielbanken. Für die Standorte waren örtlich Betriebsräte gewählt, darüber hinaus bestand ein Gesamtbetriebsrat. Mit Wirkung vom 01.01.2010 wurde die Insolvenzschuldnerin privatisiert. Die Geschäftsanteile gingen an eine Fa. D., die als Geschäftsführer Herrn S. bestellte. Nach vorausgegangenen Pfändungsmaßnahmen durch das Finanzamt sowie daraufhin ergangenen Ordnungsverfügungen des Ministeriums des Inneren des Landes -als Zulassungsbehörde gem. Spielbankengesetz Land - welche den Weiterbetrieb an Auflagen knüpfte und sogar die Einziehung der Jetons veranlasste, stellte Herr S. am 13.05./18.05.2011 den Spielbetrieb an den drei Standorten ein und sämtliche Mitarbeiter von der Arbeitsleistung frei. Im Sommer 2011 wurde die D. veräußert und als neuer Geschäftsführer für die Insolvenzschuldnerin Herr E. bestellt. Dieser kündigte neue Investitionen an und trat in Verhandlungen mit dem Ministerium des Inneren. Nachdem diese erfolglos verlaufen waren, stellte er jedoch bereits am 15.07.2011 Insolvenzantrag.

4

Der Beklagte wurde zunächst als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt. Erklärtes Ziel seiner Bemühungen war unter anderem die Schaffung der Voraussetzungen für deren erneute Privatisierung (vgl. Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012 (Bl.48ff. d.A.). Dazu gehörte neben der Suche nach neuen Investoren insbesondere die Sicherung der Spielbankenkonzession für die Insolvenzschuldnerin, zwecks Weitergabe an den späteren neuen Betreiber.

5

Mit E-Mail vom 06.10.2011 wandte sich der Beklagte zwecks Abschlusses eines Interessensausgleichs an den Gesamtbetriebsrat. Unter der Vorbemerkung, dass gegenwärtig eine kurzfristige Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes nicht möglich sei, sah der mitgesandte Entwurf u.a. die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter vor. Dieser reagierte mit Schreiben vom 11.10 und 12.10.2011 und bat den Beklagten im Ergebnis sich zwecks Vereinbarung eines Termins zur Aufnahme von Verhandlungen an den von ihm neu benannten Prozessvertreter zu wenden. Versuche mit diesem noch im Oktober 2011 in Kontakt zu treten scheiterten jedoch. Am 14.11.2011 erfuhr der Beklagte durch eine E-Mail des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, dass der Gesamtbetriebsrat offenbar nicht bereit sei den zugesandten Interessensausgleich zu unterschreiben.

6

Offenbar noch in 2011 verlor die Beklagte aufgrund von Mietvertragskündigungen, Pfändungen etc. die Möglichkeit, die bisherigen Betriebsstätten und die darin vorhandenen Automaten und Spieltische für einen eventuellen Neuanfang zu nutzen.

7

Am 06.02.2012 eröffnete das Amtsgericht als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und ernannte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

8

Am 16.02.2012 fand eine Besprechung über die weitere Entwicklung bei der Insolvenzschuldnerin statt, an der auch der Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates teilnahm.

9

Mit Wirkung ab 24.02.2012 wurde der Insolvenzschuldnerin die Spielbankenkonzession entzogen.

10

Am 28.02.2012 erfolgte eine Besprechung im Rahmen der Konsultation der örtlichen Betriebsräte durch den Beklagten. Mit Schreiben vom 27.03.2012 lud der Beklagte diese zu einer weiteren Besprechung am 03.04.2012 ein. Hieran nahm für die Arbeitnehmerseite auch der Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates teil.

11

Noch am gleichen Tag fasste der Gesamtbetriebsrat einen Beschluss aus dem das Schreiben vom 04.04.2012 an den Beklagten resultiert. Darin informiert dieser darüber, dass er die Verhandlungen über einen Interessensausgleich für gescheitert betrachte und beschlossen habe die Einigungsstelle anzurufen. Ebenfalls enthalten ist ein Besetzungsvorschlag für den Einigungsstellenvorsitzenden sowie die Benennung der Personen, die auf Betriebsratsseite als Beisitzer teilnehmen sollen. Sowie die Mitteilung dass sein Prozessvertreter mit der Einleitung und Durchführung dieses Verfahrens beauftragt sei.

12

Ohne auf dieses Schreiben zu antworten wandte sich der Beklagte wieder der Anhörung des Betriebsrates zum Ausspruch der Kündigungen sowie der Anzeige einer Massenentlassung an die zuständige Arbeitsagentur zu und sprach sodann mit Schreiben vom 23.04.2012 zum 31.07.2012 gegenüber allen verbliebenen Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin die Kündigung aus.

13

Eingehend am 14.05.2012 wandte sich der Kläger zunächst gegen diese Kündigung und verlangte zudem die Erteilung eines Zeugnisses. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht soll der -dort als Prozessvertreter eines Arbeitnehmers fungierende- Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates, während eines im Juni 2012 stattgefundenen Termins, damit geprahlt haben, dass der Beklagte in die von ihm gern genutzte „Nachteilsausgleichsfalle“ getappt sei. Mit Schreiben vom 17.08.2012 zeigte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Mit am 23.01.2013 eingegangenem Schriftsatz kündigte der Beklagte unter Klagerücknahme im Übrigen den nunmehrigen Klageantrag an.

14

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht alles erforderliche unternommen habe, um einen Interessensausgleich zu vereinbaren und den Mitarbeitern daher Nachteilsausgleich schulde. Dabei handele es sich zudem um eine Masseverbindlichkeit. Die hier maßgebliche Betriebsänderung bestehe allein in der endgültigen Stilllegungsentscheidung und Entlassung aller Mitarbeiter durch den Insolvenzverwalter. Alle vorangegangenen Entscheidungen und Maßnahmen wären nicht auf eine endgültige Betriebseinstellung hinausgelaufen, vielmehr habe man sich zwischenzeitlich um eine Wiederaufnahme des Betriebes bemüht. Angesichts der Masseunzulänglichkeitsanzeige begehre er lediglich eine Feststellung des Anspruchs. Arbeitsmarktaussichten, Lohn, Alter und Betriebszugehörigkeit würden einen Anspruch in der genannten Höhe rechtfertigen.

15

Der Kläger beantragt,

16

festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger eine Abfindung im Sinne von § 113 BetrVG in Höhe von 49.050,00 € für den Verlust des Arbeitsplatzes als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO schuldet.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte trägt vor, der Feststellungsantrag sei aus verschiedensten Gründen bereits unzulässig. Auch sei ein Interessensausgleich ausreichend versucht worden, aber an der Verweigerungshaltung des Betriebsrates gescheitert. Dieser handele treuwidrig, wenn er sich nunmehr auf eine von ihm gestellte „Nachteilsausgleichsfalle“ berufe. Jedenfalls aber könne ein solcher Nachteilsausgleichsanspruch allenfalls als Insolvenzforderung entstanden sein. Schließlich handele es sich bei den vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen lediglich um die Fortsetzung einer bereits im Mai 2011 begonnenen Betriebsänderung bzw. Betriebsschließung.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig und weitestgehend auch begründet.

I.

22

Die von dem Beklagten geäußerten Zulässigkeits- und Zuständigkeitsbedenken sind allesamt unbegründet. Eine Vorabentscheidung nach Maßgabe von § 17 GVG mit Rücksicht auf die im letzten Schriftsatz geäußerten Zuständigkeitsbedenken war vorliegend nicht erforderlich. Dieser hat sich im Kammertermin, ohne ausdrückliche Rügeerhebung, auf eine Verhandlung in der Sache eingelassen und seitens des Gerichts selbst bestehen hinsichtlich der Zuständigkeit keinerlei Zweifel.

23

Vorliegend macht der Kläger vor dem Arbeitsgericht geltend, er habe einen Nachteilsausgleichsanspruch in Form einer Altmasseverbindlichkeit gegen den Beklagten und verfolgt diesen im Wege einer Feststellungsklage.

24

Diesbezüglich gilt folgendes:

25

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers lässt die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte betreffend Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis nach Maßgabe von § 2 Ziff.3 a) ArbGG unberührt, lediglich tritt nach Maßgabe von § 3 ArbGG der Insolvenzverwalter prozessual an die Stelle des Arbeitgebers. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgerichtes über Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen gelten auch in der Insolvenz eines Unternehmens. Führt die Insolvenzschuldnerin eine geplante Betriebsänderung durch, ohne über sie einen Interessensausgleich mit dem Betriebsrat ausreichend versucht zu haben, so sind die daraus folgenden Ansprüche entlassener Arbeitnehmer auf Nachteilsausgleich regelmäßig einfache Insolvenzforderungen, selbst wenn er hierbei in Absprache mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter handelt (BAG 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, DB 2003, 618). Ausschlaggebend hierfür ist, ob mit der Betriebsänderung vor der Insolvenzeröffnung begonnen wurde (LAG Köln 22.10.2001 - 2 Sa 31/01, ZIP 2002, 1300). Wird dagegen die maßgebliche Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt, so ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs.1 Nr.1 InsO (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02, AP § 113 BetrVG 1972 Nr.42; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05, BB 2006, 1745). Er ist dann grundsätzlich als Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02, NZA 2003, 1087; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.). Sobald dieser die Unzulänglichkeit der Masse anzeigt, wird nach § 210 InsO die Vollstreckung einer zuvor begründeten Masseverbindlichkeit nach § 209Abs.1 Nr.3 InsO unzulässig und lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage entfallen (BAG 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, DB 2002, 1011; 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.). In diesem Fall kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter im Wege der Feststellungsklage nach § 256 Abs.1 ZPO geltend machen (BAG 29.10.2002, EzA § 112 BetrVG 2001 Nr.4; 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.) Lediglich sog. Neumasseverbindlichkeiten (begründet nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit) sind weiterhin mit der Leistungsklage zu verfolgen (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.).

26

Der Kläger hat damit nach Auffassung des Gerichts genau den richtigen Rechtsweg und genau den zulässigen Klageantrag gewählt.

II.

27

Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach Maßgabe von § 113 Abs.3 BetrVG erlangt.

28

Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um ein Unternehmen mit, in der Regel, mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 111 Abs.1 Satz 1 BetrVG). Die vom Beklagten ausgesprochenen ca. 80 Kündigungen stellen eine -oder jedenfalls den letzten Schritt einer- Betriebsstilllegung dar und gehen zudem mit einem Personalabbau oberhalb der Größenordnung nach § 17 Abs.1 KSchG einher, sie sind daher in ihrer Gesamtheit als Betriebsänderung iSv. § 111 Abs.1 Satz 3 Ziff.1 BetrVG anzusehen. Führt ein Unternehmer eine geplante Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG aus, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und entlässt er infolge dieser Maßnahme Arbeitnehmer, so steht diesen nach Maßgabe von § 113 Abs.3 BetrVG ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu. Ein Insolvenzverwalter kann sich im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens nicht darauf berufen der Versuch eines Interessenausgleichs sei ausnahmsweise entbehrlich (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; 18.11.2003 - 1 AZR 30/03, ZIP 2004, 235), auch nicht etwa wegen sehr großer Massearmut (LAG München 04.07.2002 - 4 Sa 565/01 zitiert über Juris). Der Kläger wurde im Zuge der 80 Kündigungen als Maßnahme zur (weiteren/endgültigen) Betriebsstilllegung entlassen.

29

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist davon auszugehen, dass vorliegend ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat jedenfalls nicht ausreichend versucht wurde. Ein solcher Versuch liegt nur dann vor, wenn vom Arbeitgeber alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft wurden. Er muss, falls keine Einigung mit dem Betriebsrat möglich ist und dieser nicht selbst die Initiative ergreift, die Einigungsstelle anrufen, um dort einen Interessenausgleich zu versuchen (BAG 26.10.2004 - 1 AZR 493/03, DB 2005, 115; 18.12.1984 -1 AZR 176/82, DB 1985, 1293; LAG Hamm 22.07.2003 -19 Sa 541/03, zitiert über Juris). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund fehlender finanzieller Mittel wenig Hoffnung auf eine Einigung hat und sich die Kosten hierfür lieber sparen würde. Im vorliegenden Fall ist nach dem Schreiben des Gesamtbetriebsrates vom 04.04.2012 bis hin zur Durchführung der Entlassungen in dieser Richtung nichts mehr passiert. Weder hat der Beklagte mitgeteilt, ob er mit dem vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden einverstanden ist, nicht einverstanden ist, einen anderen vorschlägt, noch hat er zur Zahl der Beisitzer und zu den Namen der Beisitzer auf seiner Seite irgendwie Stellung bezogen. Auch hat er keineswegs, nachdem sich weiter nichts tat, seinerseits die Initiative in Bezug auf die Installation einer Einigungsstelle ergriffen. Vielmehr war hiermit das Thema Interessenausgleich offenbar für den Beklagten erledigt. Damit hat er nicht alle Möglichkeiten für den Abschluss eines Interessensausgleichs ausgeschöpft.

30

Dies kann auch nicht mit Rücksicht auf Treu und Glaube anders beurteilt werden, weil es der Gesamtbetriebsrat und sein Prozessvertreter möglicherweise genau hierauf angelegt hatten. Hätte der Beklagte sich betriebsverfassungsgemäß verhalten und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, hätte gar nicht erst die Gefahr bestanden in irgendeine mögliche „Falle“ in diesem Zusammenhang zu tappen.

III.

31

Der Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs.3 BetrVG steht dem Kläger als sog. Altmasseverbindlichkeit zu.

32

Hat die Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, so ist ein Anspruch auf Nachteilsausgleich einfache Insolvenzforderung. Eine Masseverbindlichkeit i.S.v. §§ 53, 55 Abs.1 Nr.1 InsO liegt vor, wenn die Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt wird (BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, DB 2003, 618; LAG Köln 22.10.2001 - 2 Sa 31/01, ZIP 2002, 1300; LAG Nürnberg 17.10.2003 - 9 (2) Sa 43/03; LAG Schleswig-Holstein 24.08.2006 - 6 Sa 556/05, jeweils zitiert über Juris). Die Einstufung als sog. Neu- (§ 209 Abs.1 Ziff.2 InsO) oder Altmasseverbindlichkeit (§ 209 Abs.1 Ziff.3 InsO) hängt davon ab, ob die Betriebsänderung nach(neu) oder vor(alt) der Anzeige der Masseunzulänglichkeit beginnt (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.; LAG Hamm 26.08.2004 - 4 Sa 1853/03 zitiert über Juris).

33

Der Arbeitgeber beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft (BAG 30.05.2006 -1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.11.2005 - 1 AZR 407/05; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, BAGE 104, 94). Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte nicht nur vorübergehende Zeit (BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.11.2005 - 1 AZR 407/05; 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.). Dies ist spätestens dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (30.05.2006 -1 AZR 25/05 a.a.O.; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02 a.a.O.; 23.09.2003 - 1 AZR 576/02, BAGE 107, 347). Allein die Freistellung der Arbeitnehmer oder die Erteilung eines Versteigerungsauftrags hinsichtlich des beweglichen Anlagevermögens muss dagegen noch nicht unbedingt den Beginn einer Betriebsstilllegung darstellen (LAG Berlin 06.12.2004 - 12 Sa 1766/04, zitiert über Juris) kann es ggf. aber (LAG Berlin-Brandenburg 02.03.2012 - 13 Sa 2187/11 ZIP 2012, 1429).

34

Vorliegend kann es letztlich dahingestellt bleiben, ob bereits die Einstellung des Spielbetriebes und die Freistellung der Mitarbeiter im Mai 2011 den Beginn einer Betriebsänderung in Form einer Betriebsstilllegung dargestellt haben. Denn es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass für den Zeitraum seit Mai 2011 ein einheitlicher unternehmerischer Plan bestand, der sukzessive bis hin zu den Kündigungen im April 2012 umgesetzt wurde. Vielmehr hatte von den in diesem Zeitraum wechselnden Verantwortlichen jeder wieder seine eigene unternehmerische Planung. Diese aber bestand keinesfalls von Beginn an darin, einen spätestens seit Mai 2011 bestehenden Plan zur Betriebsstilllegung umzusetzen. Jeder hatte seine Pläne für einen Neubeginn und war vielmehr bestrebt, die noch vorhandenen Teile der betrieblichen Einheit zum Zwecke der Umsetzung dieser Pläne möglichst zusammenzuhalten. Dies gilt auch und in besonderen für den Beklagten. Erst als dieser im Herbst 2011 erkannte, dass eine kurzfristige Wiederaufnahme des Spielbetriebes nicht möglich sein wird, begann er (noch als vorläufiger Insolvenzverwalter zusammen mit dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin) erste Konsultationen in Bezug auf Interessensausgleich und Kündigung und erst, als auch noch die Konzession entzogen war, begann er die dahingehenden Überlegungen energischer voranzutreiben. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass erst mit dem Entzug der Konzession zum 24.02.2012 der Beklagte ernsthaft und endgültig einen (neuen) Stilllegungsplan fasste und damit begann dahingehende unumkehrbare Maßnahmen einzuleiten. Dabei setzte er lediglich an dem Status Quo nach den zuvor geplanten in mehr oder weniger frühen Stadien stecken gebliebenen Betriebsänderungen an. Deren Beginn stellt damit nicht den Beginn der hier zu beurteilenden Betriebsänderung dar. Die erste wirklich unumkehrbare Maßnahme des neuen Betriebsstilllegungsbeschlusses stellt der Ausspruch der Kündigungen im April 2012 dar. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren bereits eröffnet (06.02.2012), die Masseunzulänglichkeit aber noch nicht angezeigt (17.08.2012). Damit hat ein daraus resultierender Nachteilsausgleichsanspruch den Status einer Altmasseverbindlichkeit.

IV.

35

Der Nachteilsausgleichsanspruch hat nach Auffassung der Kammer den ausgeurteilten, unterhalb des vom Kläger geforderten liegenden, Umfang.

36

Dabei orientierte sich die Kammer vorliegend, unter Beachtung der sich aus §§ 113 Abs.1 und 2 BetrVG, 10 Abs.1 bis 3 KSchG ergebenden Höchstgrenzen, an der Berechnung wie sie § 1a KSchG für den Abfindungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen vorsieht. D.h. 3.270,00 € brutto x 0,5 x 19 Beschäftigungsjahre.

37

Eine abweichende Berechnung erschien der Kammer nicht geboten.

38

Bei der Festsetzung der Höhe der Abfindung sind die der Insolvenzsituation geschuldeten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers weitgehend ohne Bedeutung. Insbesondere ist der Nachteilsausgleich nicht etwa in entsprechender Anwendung des § 123 Abs.1 InsO auf 2,5 Monatsverdienste begrenzt (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; LAG Hamm 04.12.2003 - 4 Sa 1407/03 zitiert über Juris; Fitting § 113 Rdn.30, 31 m.w.N.).

39

Zwar muss aufgrund des Normzwecks und des Sanktionscharakters von § 113 BetrVG die Höhe des tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils für den konkret betroffenen Arbeitnehmer und die Schwere des Verstoßes des Arbeitgebers gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben in die Festsetzung der Höhe mit einfließen. Daraus ergeben sich im vorliegenden Einzelfall jedoch keine hinreichenden Gründe für eine Erhöhung oder Minderung der zunächst einmal nach Maßgabe von § 1a KSchG ermittelten Summe. Eine überdurchschnittliche Pflichtvergessenheit kann dem Beklagten schon aufgrund der ja gegebenen weitreichenden Ansätze zum Abschluss eines Interessensausgleichs nicht unterstellt werden. Besondere wirtschaftliche Härten über das hinaus, was auch § 1a KSchG ausgleichen soll, waren auf Seiten des Klägers nicht ersichtlich.

V.

40

Die Kosten des Rechtsstreits waren nach Maßgabe von § 92 Abs.1 Satz 1 2.Alt. ZPO entsprechend dem Umfang des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zwischen den Parteien zu teilen. Dabei musste ein fiktiver Streitwert unter Mitberücksichtigung der inzwischen aufgrund Klagerücknahme nicht mehr anhängigen Streitgegenstände gebildet werden (Kündigungsschutzantrag 3 x 3.270,00 €, Weiterbeschäftigungsantrag 1 x 3.270,00 €, Zeugnis/Zwischenzeugnis 500,00 €). Diese sind für den Kläger auf der Unterliegensseite zu berücksichtigen.

41

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von § 3ff. ZPO. Ausschlaggebend ist dabei der wirtschaftliche Wert der Klageforderung, über die zuletzt noch entschieden werden musste. Hierbei war im vorliegenden Fall analog § 182 InsO die zu erwartende Befriedigungsquote zu schätzen und bei der Bewertung zu Grunde zu legen (vgl. GK-ArbGG § 12 Rdn.275 mwN.).


(1) Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden; § 26 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Vor der Einstellung sind die Gläubigerversammlung, der Insolvenzverwalter und die Massegläubiger zu hören.

(3) Soweit Barmittel in der Masse vorhanden sind, hat der Verwalter vor der Einstellung die Kosten des Verfahrens, von diesen zuerst die Auslagen, nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen. Zur Verwertung von Massegegenständen ist er nicht mehr verpflichtet.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Nachteilsausgleich in Höhe von 31.065,00 € hat, den dieser als Masseverbindlichkeit schuldet.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 16,81 %, der Kläger zu 83,19 % zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.905,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt zuletzt noch die Feststellung eines Anspruchs auf Nachteilsausgleich als Masseverbindlichkeit.

2

Der1956 geborene Kläger war seit dem 01.04.1993 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.01.1993 (Bl.7/8 d.A.) bei der Insolvenzschuldnerin tätig, zuletzt als Croupier mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen in Höhe von 3.270,00 €.

3

Die Insolvenzschuldnerin betrieb mit insgesamt mehr als 80 Arbeitnehmern an den Standorten M, H und W Spielbanken. Für die Standorte waren örtlich Betriebsräte gewählt, darüber hinaus bestand ein Gesamtbetriebsrat. Mit Wirkung vom 01.01.2010 wurde die Insolvenzschuldnerin privatisiert. Die Geschäftsanteile gingen an eine Fa. D., die als Geschäftsführer Herrn S. bestellte. Nach vorausgegangenen Pfändungsmaßnahmen durch das Finanzamt sowie daraufhin ergangenen Ordnungsverfügungen des Ministeriums des Inneren des Landes -als Zulassungsbehörde gem. Spielbankengesetz Land - welche den Weiterbetrieb an Auflagen knüpfte und sogar die Einziehung der Jetons veranlasste, stellte Herr S. am 13.05./18.05.2011 den Spielbetrieb an den drei Standorten ein und sämtliche Mitarbeiter von der Arbeitsleistung frei. Im Sommer 2011 wurde die D. veräußert und als neuer Geschäftsführer für die Insolvenzschuldnerin Herr E. bestellt. Dieser kündigte neue Investitionen an und trat in Verhandlungen mit dem Ministerium des Inneren. Nachdem diese erfolglos verlaufen waren, stellte er jedoch bereits am 15.07.2011 Insolvenzantrag.

4

Der Beklagte wurde zunächst als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt. Erklärtes Ziel seiner Bemühungen war unter anderem die Schaffung der Voraussetzungen für deren erneute Privatisierung (vgl. Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012 (Bl.48ff. d.A.). Dazu gehörte neben der Suche nach neuen Investoren insbesondere die Sicherung der Spielbankenkonzession für die Insolvenzschuldnerin, zwecks Weitergabe an den späteren neuen Betreiber.

5

Mit E-Mail vom 06.10.2011 wandte sich der Beklagte zwecks Abschlusses eines Interessensausgleichs an den Gesamtbetriebsrat. Unter der Vorbemerkung, dass gegenwärtig eine kurzfristige Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes nicht möglich sei, sah der mitgesandte Entwurf u.a. die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter vor. Dieser reagierte mit Schreiben vom 11.10 und 12.10.2011 und bat den Beklagten im Ergebnis sich zwecks Vereinbarung eines Termins zur Aufnahme von Verhandlungen an den von ihm neu benannten Prozessvertreter zu wenden. Versuche mit diesem noch im Oktober 2011 in Kontakt zu treten scheiterten jedoch. Am 14.11.2011 erfuhr der Beklagte durch eine E-Mail des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, dass der Gesamtbetriebsrat offenbar nicht bereit sei den zugesandten Interessensausgleich zu unterschreiben.

6

Offenbar noch in 2011 verlor die Beklagte aufgrund von Mietvertragskündigungen, Pfändungen etc. die Möglichkeit, die bisherigen Betriebsstätten und die darin vorhandenen Automaten und Spieltische für einen eventuellen Neuanfang zu nutzen.

7

Am 06.02.2012 eröffnete das Amtsgericht als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und ernannte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

8

Am 16.02.2012 fand eine Besprechung über die weitere Entwicklung bei der Insolvenzschuldnerin statt, an der auch der Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates teilnahm.

9

Mit Wirkung ab 24.02.2012 wurde der Insolvenzschuldnerin die Spielbankenkonzession entzogen.

10

Am 28.02.2012 erfolgte eine Besprechung im Rahmen der Konsultation der örtlichen Betriebsräte durch den Beklagten. Mit Schreiben vom 27.03.2012 lud der Beklagte diese zu einer weiteren Besprechung am 03.04.2012 ein. Hieran nahm für die Arbeitnehmerseite auch der Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates teil.

11

Noch am gleichen Tag fasste der Gesamtbetriebsrat einen Beschluss aus dem das Schreiben vom 04.04.2012 an den Beklagten resultiert. Darin informiert dieser darüber, dass er die Verhandlungen über einen Interessensausgleich für gescheitert betrachte und beschlossen habe die Einigungsstelle anzurufen. Ebenfalls enthalten ist ein Besetzungsvorschlag für den Einigungsstellenvorsitzenden sowie die Benennung der Personen, die auf Betriebsratsseite als Beisitzer teilnehmen sollen. Sowie die Mitteilung dass sein Prozessvertreter mit der Einleitung und Durchführung dieses Verfahrens beauftragt sei.

12

Ohne auf dieses Schreiben zu antworten wandte sich der Beklagte wieder der Anhörung des Betriebsrates zum Ausspruch der Kündigungen sowie der Anzeige einer Massenentlassung an die zuständige Arbeitsagentur zu und sprach sodann mit Schreiben vom 23.04.2012 zum 31.07.2012 gegenüber allen verbliebenen Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin die Kündigung aus.

13

Eingehend am 14.05.2012 wandte sich der Kläger zunächst gegen diese Kündigung und verlangte zudem die Erteilung eines Zeugnisses. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht soll der -dort als Prozessvertreter eines Arbeitnehmers fungierende- Prozessvertreter des Gesamtbetriebsrates, während eines im Juni 2012 stattgefundenen Termins, damit geprahlt haben, dass der Beklagte in die von ihm gern genutzte „Nachteilsausgleichsfalle“ getappt sei. Mit Schreiben vom 17.08.2012 zeigte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Mit am 23.01.2013 eingegangenem Schriftsatz kündigte der Beklagte unter Klagerücknahme im Übrigen den nunmehrigen Klageantrag an.

14

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht alles erforderliche unternommen habe, um einen Interessensausgleich zu vereinbaren und den Mitarbeitern daher Nachteilsausgleich schulde. Dabei handele es sich zudem um eine Masseverbindlichkeit. Die hier maßgebliche Betriebsänderung bestehe allein in der endgültigen Stilllegungsentscheidung und Entlassung aller Mitarbeiter durch den Insolvenzverwalter. Alle vorangegangenen Entscheidungen und Maßnahmen wären nicht auf eine endgültige Betriebseinstellung hinausgelaufen, vielmehr habe man sich zwischenzeitlich um eine Wiederaufnahme des Betriebes bemüht. Angesichts der Masseunzulänglichkeitsanzeige begehre er lediglich eine Feststellung des Anspruchs. Arbeitsmarktaussichten, Lohn, Alter und Betriebszugehörigkeit würden einen Anspruch in der genannten Höhe rechtfertigen.

15

Der Kläger beantragt,

16

festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger eine Abfindung im Sinne von § 113 BetrVG in Höhe von 49.050,00 € für den Verlust des Arbeitsplatzes als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO schuldet.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte trägt vor, der Feststellungsantrag sei aus verschiedensten Gründen bereits unzulässig. Auch sei ein Interessensausgleich ausreichend versucht worden, aber an der Verweigerungshaltung des Betriebsrates gescheitert. Dieser handele treuwidrig, wenn er sich nunmehr auf eine von ihm gestellte „Nachteilsausgleichsfalle“ berufe. Jedenfalls aber könne ein solcher Nachteilsausgleichsanspruch allenfalls als Insolvenzforderung entstanden sein. Schließlich handele es sich bei den vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen lediglich um die Fortsetzung einer bereits im Mai 2011 begonnenen Betriebsänderung bzw. Betriebsschließung.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig und weitestgehend auch begründet.

I.

22

Die von dem Beklagten geäußerten Zulässigkeits- und Zuständigkeitsbedenken sind allesamt unbegründet. Eine Vorabentscheidung nach Maßgabe von § 17 GVG mit Rücksicht auf die im letzten Schriftsatz geäußerten Zuständigkeitsbedenken war vorliegend nicht erforderlich. Dieser hat sich im Kammertermin, ohne ausdrückliche Rügeerhebung, auf eine Verhandlung in der Sache eingelassen und seitens des Gerichts selbst bestehen hinsichtlich der Zuständigkeit keinerlei Zweifel.

23

Vorliegend macht der Kläger vor dem Arbeitsgericht geltend, er habe einen Nachteilsausgleichsanspruch in Form einer Altmasseverbindlichkeit gegen den Beklagten und verfolgt diesen im Wege einer Feststellungsklage.

24

Diesbezüglich gilt folgendes:

25

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers lässt die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte betreffend Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis nach Maßgabe von § 2 Ziff.3 a) ArbGG unberührt, lediglich tritt nach Maßgabe von § 3 ArbGG der Insolvenzverwalter prozessual an die Stelle des Arbeitgebers. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgerichtes über Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen gelten auch in der Insolvenz eines Unternehmens. Führt die Insolvenzschuldnerin eine geplante Betriebsänderung durch, ohne über sie einen Interessensausgleich mit dem Betriebsrat ausreichend versucht zu haben, so sind die daraus folgenden Ansprüche entlassener Arbeitnehmer auf Nachteilsausgleich regelmäßig einfache Insolvenzforderungen, selbst wenn er hierbei in Absprache mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter handelt (BAG 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, DB 2003, 618). Ausschlaggebend hierfür ist, ob mit der Betriebsänderung vor der Insolvenzeröffnung begonnen wurde (LAG Köln 22.10.2001 - 2 Sa 31/01, ZIP 2002, 1300). Wird dagegen die maßgebliche Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt, so ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs.1 Nr.1 InsO (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02, AP § 113 BetrVG 1972 Nr.42; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05, BB 2006, 1745). Er ist dann grundsätzlich als Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02, NZA 2003, 1087; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.). Sobald dieser die Unzulänglichkeit der Masse anzeigt, wird nach § 210 InsO die Vollstreckung einer zuvor begründeten Masseverbindlichkeit nach § 209Abs.1 Nr.3 InsO unzulässig und lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage entfallen (BAG 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, DB 2002, 1011; 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.). In diesem Fall kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter im Wege der Feststellungsklage nach § 256 Abs.1 ZPO geltend machen (BAG 29.10.2002, EzA § 112 BetrVG 2001 Nr.4; 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.) Lediglich sog. Neumasseverbindlichkeiten (begründet nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit) sind weiterhin mit der Leistungsklage zu verfolgen (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.; 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.).

26

Der Kläger hat damit nach Auffassung des Gerichts genau den richtigen Rechtsweg und genau den zulässigen Klageantrag gewählt.

II.

27

Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach Maßgabe von § 113 Abs.3 BetrVG erlangt.

28

Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um ein Unternehmen mit, in der Regel, mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 111 Abs.1 Satz 1 BetrVG). Die vom Beklagten ausgesprochenen ca. 80 Kündigungen stellen eine -oder jedenfalls den letzten Schritt einer- Betriebsstilllegung dar und gehen zudem mit einem Personalabbau oberhalb der Größenordnung nach § 17 Abs.1 KSchG einher, sie sind daher in ihrer Gesamtheit als Betriebsänderung iSv. § 111 Abs.1 Satz 3 Ziff.1 BetrVG anzusehen. Führt ein Unternehmer eine geplante Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG aus, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und entlässt er infolge dieser Maßnahme Arbeitnehmer, so steht diesen nach Maßgabe von § 113 Abs.3 BetrVG ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu. Ein Insolvenzverwalter kann sich im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens nicht darauf berufen der Versuch eines Interessenausgleichs sei ausnahmsweise entbehrlich (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; 18.11.2003 - 1 AZR 30/03, ZIP 2004, 235), auch nicht etwa wegen sehr großer Massearmut (LAG München 04.07.2002 - 4 Sa 565/01 zitiert über Juris). Der Kläger wurde im Zuge der 80 Kündigungen als Maßnahme zur (weiteren/endgültigen) Betriebsstilllegung entlassen.

29

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist davon auszugehen, dass vorliegend ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat jedenfalls nicht ausreichend versucht wurde. Ein solcher Versuch liegt nur dann vor, wenn vom Arbeitgeber alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft wurden. Er muss, falls keine Einigung mit dem Betriebsrat möglich ist und dieser nicht selbst die Initiative ergreift, die Einigungsstelle anrufen, um dort einen Interessenausgleich zu versuchen (BAG 26.10.2004 - 1 AZR 493/03, DB 2005, 115; 18.12.1984 -1 AZR 176/82, DB 1985, 1293; LAG Hamm 22.07.2003 -19 Sa 541/03, zitiert über Juris). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund fehlender finanzieller Mittel wenig Hoffnung auf eine Einigung hat und sich die Kosten hierfür lieber sparen würde. Im vorliegenden Fall ist nach dem Schreiben des Gesamtbetriebsrates vom 04.04.2012 bis hin zur Durchführung der Entlassungen in dieser Richtung nichts mehr passiert. Weder hat der Beklagte mitgeteilt, ob er mit dem vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden einverstanden ist, nicht einverstanden ist, einen anderen vorschlägt, noch hat er zur Zahl der Beisitzer und zu den Namen der Beisitzer auf seiner Seite irgendwie Stellung bezogen. Auch hat er keineswegs, nachdem sich weiter nichts tat, seinerseits die Initiative in Bezug auf die Installation einer Einigungsstelle ergriffen. Vielmehr war hiermit das Thema Interessenausgleich offenbar für den Beklagten erledigt. Damit hat er nicht alle Möglichkeiten für den Abschluss eines Interessensausgleichs ausgeschöpft.

30

Dies kann auch nicht mit Rücksicht auf Treu und Glaube anders beurteilt werden, weil es der Gesamtbetriebsrat und sein Prozessvertreter möglicherweise genau hierauf angelegt hatten. Hätte der Beklagte sich betriebsverfassungsgemäß verhalten und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, hätte gar nicht erst die Gefahr bestanden in irgendeine mögliche „Falle“ in diesem Zusammenhang zu tappen.

III.

31

Der Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs.3 BetrVG steht dem Kläger als sog. Altmasseverbindlichkeit zu.

32

Hat die Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, so ist ein Anspruch auf Nachteilsausgleich einfache Insolvenzforderung. Eine Masseverbindlichkeit i.S.v. §§ 53, 55 Abs.1 Nr.1 InsO liegt vor, wenn die Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt wird (BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, DB 2003, 618; LAG Köln 22.10.2001 - 2 Sa 31/01, ZIP 2002, 1300; LAG Nürnberg 17.10.2003 - 9 (2) Sa 43/03; LAG Schleswig-Holstein 24.08.2006 - 6 Sa 556/05, jeweils zitiert über Juris). Die Einstufung als sog. Neu- (§ 209 Abs.1 Ziff.2 InsO) oder Altmasseverbindlichkeit (§ 209 Abs.1 Ziff.3 InsO) hängt davon ab, ob die Betriebsänderung nach(neu) oder vor(alt) der Anzeige der Masseunzulänglichkeit beginnt (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.; LAG Hamm 26.08.2004 - 4 Sa 1853/03 zitiert über Juris).

33

Der Arbeitgeber beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft (BAG 30.05.2006 -1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.11.2005 - 1 AZR 407/05; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02, BAGE 104, 94). Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte nicht nur vorübergehende Zeit (BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 a.a.O.; 22.11.2005 - 1 AZR 407/05; 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 a.a.O.). Dies ist spätestens dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (30.05.2006 -1 AZR 25/05 a.a.O.; 04.12.2002 - 10 AZR 16/02 a.a.O.; 23.09.2003 - 1 AZR 576/02, BAGE 107, 347). Allein die Freistellung der Arbeitnehmer oder die Erteilung eines Versteigerungsauftrags hinsichtlich des beweglichen Anlagevermögens muss dagegen noch nicht unbedingt den Beginn einer Betriebsstilllegung darstellen (LAG Berlin 06.12.2004 - 12 Sa 1766/04, zitiert über Juris) kann es ggf. aber (LAG Berlin-Brandenburg 02.03.2012 - 13 Sa 2187/11 ZIP 2012, 1429).

34

Vorliegend kann es letztlich dahingestellt bleiben, ob bereits die Einstellung des Spielbetriebes und die Freistellung der Mitarbeiter im Mai 2011 den Beginn einer Betriebsänderung in Form einer Betriebsstilllegung dargestellt haben. Denn es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass für den Zeitraum seit Mai 2011 ein einheitlicher unternehmerischer Plan bestand, der sukzessive bis hin zu den Kündigungen im April 2012 umgesetzt wurde. Vielmehr hatte von den in diesem Zeitraum wechselnden Verantwortlichen jeder wieder seine eigene unternehmerische Planung. Diese aber bestand keinesfalls von Beginn an darin, einen spätestens seit Mai 2011 bestehenden Plan zur Betriebsstilllegung umzusetzen. Jeder hatte seine Pläne für einen Neubeginn und war vielmehr bestrebt, die noch vorhandenen Teile der betrieblichen Einheit zum Zwecke der Umsetzung dieser Pläne möglichst zusammenzuhalten. Dies gilt auch und in besonderen für den Beklagten. Erst als dieser im Herbst 2011 erkannte, dass eine kurzfristige Wiederaufnahme des Spielbetriebes nicht möglich sein wird, begann er (noch als vorläufiger Insolvenzverwalter zusammen mit dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin) erste Konsultationen in Bezug auf Interessensausgleich und Kündigung und erst, als auch noch die Konzession entzogen war, begann er die dahingehenden Überlegungen energischer voranzutreiben. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass erst mit dem Entzug der Konzession zum 24.02.2012 der Beklagte ernsthaft und endgültig einen (neuen) Stilllegungsplan fasste und damit begann dahingehende unumkehrbare Maßnahmen einzuleiten. Dabei setzte er lediglich an dem Status Quo nach den zuvor geplanten in mehr oder weniger frühen Stadien stecken gebliebenen Betriebsänderungen an. Deren Beginn stellt damit nicht den Beginn der hier zu beurteilenden Betriebsänderung dar. Die erste wirklich unumkehrbare Maßnahme des neuen Betriebsstilllegungsbeschlusses stellt der Ausspruch der Kündigungen im April 2012 dar. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren bereits eröffnet (06.02.2012), die Masseunzulänglichkeit aber noch nicht angezeigt (17.08.2012). Damit hat ein daraus resultierender Nachteilsausgleichsanspruch den Status einer Altmasseverbindlichkeit.

IV.

35

Der Nachteilsausgleichsanspruch hat nach Auffassung der Kammer den ausgeurteilten, unterhalb des vom Kläger geforderten liegenden, Umfang.

36

Dabei orientierte sich die Kammer vorliegend, unter Beachtung der sich aus §§ 113 Abs.1 und 2 BetrVG, 10 Abs.1 bis 3 KSchG ergebenden Höchstgrenzen, an der Berechnung wie sie § 1a KSchG für den Abfindungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen vorsieht. D.h. 3.270,00 € brutto x 0,5 x 19 Beschäftigungsjahre.

37

Eine abweichende Berechnung erschien der Kammer nicht geboten.

38

Bei der Festsetzung der Höhe der Abfindung sind die der Insolvenzsituation geschuldeten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers weitgehend ohne Bedeutung. Insbesondere ist der Nachteilsausgleich nicht etwa in entsprechender Anwendung des § 123 Abs.1 InsO auf 2,5 Monatsverdienste begrenzt (BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 a.a.O.; LAG Hamm 04.12.2003 - 4 Sa 1407/03 zitiert über Juris; Fitting § 113 Rdn.30, 31 m.w.N.).

39

Zwar muss aufgrund des Normzwecks und des Sanktionscharakters von § 113 BetrVG die Höhe des tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils für den konkret betroffenen Arbeitnehmer und die Schwere des Verstoßes des Arbeitgebers gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben in die Festsetzung der Höhe mit einfließen. Daraus ergeben sich im vorliegenden Einzelfall jedoch keine hinreichenden Gründe für eine Erhöhung oder Minderung der zunächst einmal nach Maßgabe von § 1a KSchG ermittelten Summe. Eine überdurchschnittliche Pflichtvergessenheit kann dem Beklagten schon aufgrund der ja gegebenen weitreichenden Ansätze zum Abschluss eines Interessensausgleichs nicht unterstellt werden. Besondere wirtschaftliche Härten über das hinaus, was auch § 1a KSchG ausgleichen soll, waren auf Seiten des Klägers nicht ersichtlich.

V.

40

Die Kosten des Rechtsstreits waren nach Maßgabe von § 92 Abs.1 Satz 1 2.Alt. ZPO entsprechend dem Umfang des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zwischen den Parteien zu teilen. Dabei musste ein fiktiver Streitwert unter Mitberücksichtigung der inzwischen aufgrund Klagerücknahme nicht mehr anhängigen Streitgegenstände gebildet werden (Kündigungsschutzantrag 3 x 3.270,00 €, Weiterbeschäftigungsantrag 1 x 3.270,00 €, Zeugnis/Zwischenzeugnis 500,00 €). Diese sind für den Kläger auf der Unterliegensseite zu berücksichtigen.

41

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von § 3ff. ZPO. Ausschlaggebend ist dabei der wirtschaftliche Wert der Klageforderung, über die zuletzt noch entschieden werden musste. Hierbei war im vorliegenden Fall analog § 182 InsO die zu erwartende Befriedigungsquote zu schätzen und bei der Bewertung zu Grunde zu legen (vgl. GK-ArbGG § 12 Rdn.275 mwN.).


(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande, obwohl der Verwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet hat, so kann der Verwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu beantragen, daß die Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne daß das Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes vorangegangen ist. § 113 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, einen Interessenausgleich nach § 125 zustande zu bringen oder einen Feststellungsantrag nach § 126 zu stellen.

(2) Das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, daß die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt wird. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren gelten entsprechend; Beteiligte sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat. Der Antrag ist nach Maßgabe des § 61a Abs. 3 bis 6 des Arbeitsgerichtsgesetzes vorrangig zu erledigen.

(3) Gegen den Beschluß des Gerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nicht statt. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht findet statt, wenn sie in dem Beschluß des Arbeitsgerichts zugelassen wird; § 72 Abs. 2 und 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt entsprechend. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung des Arbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und zu begründen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden.

(2) Ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis besteht mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde.

(3) Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen.

(3) Das Insolvenzgericht erteilt dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle. Im Falle des Absatzes 2 erhält auch der Bestreitende einen solchen Auszug. Die Gläubiger, deren Forderungen festgestellt worden sind, werden nicht benachrichtigt; hierauf sollen die Gläubiger vor dem Prüfungstermin hingewiesen werden.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:

1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens;
2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören;
3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.

(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten

1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte;
2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte;
3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. August 2013 - 11 Sa 56/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zahlung von 9.500,00 Euro als Abfindung an den Kläger verurteilt hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11. Dezember 2012 - 30 Ca 5213/12 - wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Nachteilsausgleich.

2

Die Beklagte ist eine zum Konzern Süddeutsche Zeitung gehörende Zeitungsvertriebsgesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand bestand darin, im Gebiet der Landeshauptstadt München für die Verlage Münchner Zeitungsverlag und Süddeutsche Zeitung deren Zeitungen auszutragen und vergleichbare Dienstleistungen auszuführen. Einziger Auftraggeber war die Süddeutsche Zeitung Logistik GmbH (SZL GmbH), eine 100%ige Tochter der Süddeutsche Zeitung GmbH (SZ GmbH). Die Beklagte verfügte über drei Verteilstellen, an denen die Zusteller die Zeitungen abholten. Im Januar 2012 beschäftigte sie ca. 57 Arbeitnehmer, ua. den Kläger als Zeitungszusteller mit einem Bruttomonatsentgelt iHv. 1.000,00 Euro.

3

Am 30. November 2011 kündigte die SZL GmbH den Dienstleistungsvertrag mit der Beklagten zum 29. Februar 2012. Seit dem 1. März 2012 führt die ZVM GmbH die Zustellungen aus. Die beiden Gesellschafterinnen der Beklagten - die H GmbH und die SZ GmbH - beschlossen am 12. Januar 2012, den Geschäftsbetrieb zum Ablauf des 29. Februar 2012 einzustellen und den Betrieb stillzulegen. Ab dem 1. März 2012 wurden die Zusteller nicht mehr beschäftigt. Ihnen zur Erledigung der Zustellungen übergebene Haustürschlüssel wurden über die SZL GmbH an die ZVM GmbH weitergeleitet; nach Behauptungen des Klägers übernahm die ZVM GmbH auch Tourenbücher und die Transportmittel für die Zeitungen.

4

Die Beklagte informierte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 12. Januar 2012 über die beabsichtigte Betriebsstilllegung. Der Vorsitzende einer zum Gegenstand „Interessenausgleich Betriebsstilllegung“ gebildeten Einigungsstelle stellte in deren Sitzung am 27. April 2012 das Scheitern des Versuchs eines Interessenausgleichs fest. Am 24. April 2012 erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Nach Anhörung des Betriebsrats am 19. April 2012 kündigte sie am 28. April 2012 - mit Ausnahme eines schwerbehinderten Arbeitnehmers - die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter, so auch das des Klägers zum 31. Juli 2012. Weil dieser einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt hatte, beantragte die Beklagte am 14. Mai 2012 beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer (erneuten) ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. In dem Behördenformular „Betriebsschließung § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IX“ gab sie als Stilllegungszeitpunkt den 29. Februar 2012 an. Nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 14. Juni 2012 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 30. Juni 2012 zum 30. September 2012.

5

Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen beide Kündigungen gewandt und ua. eine Stilllegung des Betriebs in Abrede gestellt; dieser sei vielmehr auf die ZVM GmbH übergegangen. Nach Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht hat er mit seiner Berufung hilfsweise einen Nachteilsausgleichsanspruch geltend gemacht. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe bereits vor dem Versuch eines Interessenausgleichs unumkehrbare Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsstilllegung getroffen. Eine solche Maßnahme liege vor allem in der Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH, die sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger gemäß § 113 BetrVG iVm. § 10 KSchG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu verurteilen.

7

Die Beklagte hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

8

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die seine Kündigungsschutzklage abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Seinem Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs hat es entsprochen und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung iHv. 9.500,00 Euro zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung des noch anhängigen Klageantrags. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG.

10

I. Die Revision ist nicht bereits wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO begründet. Es ist zwar nach der Aktenlage nicht ersichtlich, dass das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf die von beiden Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Verkündung des Urteils eingereichten Schriftsätze über die Frage einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, läge hierin ein Besetzungsfehler nach § 547 Nr. 1 ZPO. Eine Rechtsverletzung iSv. § 73 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO ist vom Revisionsgericht wegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO aber nur zu beachten, wenn die Revision (auch) auf sie gestützt wird (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 1057/12 - Rn. 13, BAGE 146, 257). Erhebt der Revisionskläger - wie hier - keine entsprechende Verfahrensrüge, kommt es auf einen möglichen Verstoß gegen § 547 Nr. 1 ZPO nicht an.

11

II. Das Landesarbeitsgericht hat dem mit der Berufung des Klägers angebrachten Antrag auf Nachteilsausgleich zu Unrecht entsprochen. Seine Feststellungen und Würdigungen tragen die von ihm getroffene Entscheidung nicht.

12

1. Nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Unternehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG dient vornehmlich der Sicherung des sich aus § 111 Satz 1 BetrVG ergebenden Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats und schützt dabei mittelbar die Interessen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Er entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 44/10 - Rn. 9 mwN). Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gilt als Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 BetrVG ua. die Stilllegung des ganzen Betriebs.

13

2. Gemessen hieran ist die angefochtene Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern.

14

a) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Beklagte habe vor Beendigung der Interessenausgleichsverhandlungen mit der Betriebsstilllegung begonnen, hat es eine solche als interessenausgleichspflichtige Maßnahme nicht festgestellt. Bei der Begründung der Zurückweisung der Berufung gegen das den Kündigungsschutzantrag abweisende arbeitsgerichtliche Urteil hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen, ob ein Betriebsübergang oder eine Betriebsstilllegung vorliegt. Es hat ausgeführt, entweder ginge die Kündigung vom 28. April 2012 wegen des Übergangs des Betriebs der Beklagten am 1. März 2012 auf die ZVM GmbH ins Leere oder sie sei wegen einer Betriebsstilllegung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt; auf die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Juni 2012 komme es nicht mehr an. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betriebsübergang als solcher keine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG. Er kann eine sein, wenn er sich nicht allein in dem Wechsel des Betriebsinhabers erschöpft, sondern gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, welche eines oder mehrere der Tatbestandsmerkmale des § 111 BetrVG erfüllen(vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 169/09 - Rn. 33 mwN; 25. Januar 2000 - 1 ABR 1/99 - zu B I 3 der Gründe). Hierzu verhält sich die angefochtene Entscheidung nicht.

15

b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beginn der Durchführung der Betriebsänderung liege in der Kündigung des Zustellungsauftrags durch die SZL GmbH vom 30. November 2011 zum 29. Februar 2012, welche sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.

16

aa) Die Pflichten der §§ 111 ff. BetrVG richten sich an den Unternehmer und setzen eine von ihm geplante Betriebsänderung voraus. Unternehmer ist der Rechtsträger des Betriebs. Nichts anderes ist bei einer (abhängigen) Konzerngesellschaft anzunehmen. Auch in einem Konzern behält das einzelne Konzernunternehmen grundsätzlich seine rechtliche Selbständigkeit. Bei einer das Unternehmen betreffenden Betriebsänderung ist dieses - und nicht das herrschende oder ein anderes konzernangehöriges Unternehmen - zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verpflichtet und damit ggf. Schuldner des Nachteilsausgleichs iSd. § 113 BetrVG(vgl. BAG 15. Januar 1991 - 1 AZR 94/90 - zu I 2 der Gründe; vgl. auch Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 113 Rn. 10 und 81 mwN). Entsprechend bleibt eine generelle (gegenseitige) „Zurechnung“ von Maßnahmen konzernzugehöriger Unternehmen außen vor.

17

bb) Nichts anderes folgt für den vorliegenden Streitfall aus der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie - MERL - ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16).

18

(1) Der deutsche Gesetzgeber hat Art. 1 bis Art. 3 MERL - und die inhaltsgleichen Bestimmungen der vorhergegangenen Richtlinie 75/129/EWG vom 17. Februar 1975 - durch § 17 Abs. 1 bis Abs. 3a KSchG in das nationale Recht umgesetzt(vgl. BAG 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 110, 122). Die am 24. April 2012 von der Beklagten der Agentur für Arbeit angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Alle 57 Arbeitnehmer sollten entlassen werden. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG überschritten. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 KSchG nicht (ausreichend) nachgekommen ist. Der Kläger hatte dies im Zusammenhang mit seiner Kündigungsschutzklage gerügt. Das Arbeitsgericht hat näher begründet, dass die Kündigung nicht mangels notwendiger Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, § 134 BGB unwirksam ist. Die Berufungsentscheidung verhält sich hierzu - auch bei den Ausführungen zur Kündigungsschutzklage - nicht. Ungeachtet dessen könnten selbst aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG keine Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG hergeleitet werden. Eine Korrektur ist insoweit auch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung nicht veranlasst (vgl. BAG 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 3 der Gründe, aaO; 18. November 2003 - 1 AZR 637/02 - zu II der Gründe, BAGE 108, 311).

19

(2) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht aber davon aus, dass (auch) die in § 111 Satz 1 BetrVG geregelte Pflicht des Unternehmers, in Fällen der beschriebenen Art den Betriebsrat rechtzeitig über die geplante Betriebsänderung zu informieren und sich mit ihm mit dem Ziel einer Einigung darüber zu beraten, den Pflichten des Art. 2 MERL entspricht(vgl. hierzu BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 377). Nach Art. 2 Abs. 1 MERL hat ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine Massenentlassung iSd. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie durchzuführen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Diese Verhandlungen haben sich nach Art. 2 Abs. 2 MERL mindestens darauf zu erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken sowie ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Es ist nach der MERL klar und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass auch in den Fällen Informations- und Konsultationspflichten ausgelöst sein können, in denen sich der Arbeitgeber nicht unmittelbar für Massenentlassungen entscheidet. Art. 2 Abs. 1 MERL ist dahin auszulegen, dass innerhalb eines Konzerns der Erlass von strategischen Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit, die den Arbeitgeber zwingen, Massenentlassungen ins Auge zu fassen oder zu planen, bei diesem Arbeitgeber die Pflicht zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter entstehen lässt(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto ua.] Rn. 49). Art. 2 Abs. 4 MERL verpflichtet den Arbeitgeber zur Einhaltung der sich aus der Richtlinie ergebenden Informations- und Konsultationspflichten, wenn die Entscheidung über die Massenentlassungen nicht von ihm selbst, sondern von einem ihn beherrschenden Unternehmen getroffen wurde, und zwar selbst dann, wenn er von dieser Entscheidung nicht unverzüglich und ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt wurde(EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto ua.] Rn. 42 f.).

20

(3) Hiervon ausgehend trägt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt seine Würdigung nicht, die Beklagte müsse sich die Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH als eine eigene Maßnahme zurechnen lassen. Zum einen ist die SZL GmbH kein die Beklagte beherrschendes Unternehmen. Sie ist 100%ige Tochter der SZ GmbH, die ihrerseits eine der beiden Gesellschafterinnen der Beklagten ist. Sollte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass es auf eine von der SZ GmbH getroffene Entscheidung über die Kündigung des der Beklagten erteilten Auftrags ankommt, so hat es eine solche weder festgestellt noch ergeben sich für eine Beherrschung der Beklagten durch dieses Unternehmen Anhaltspunkte. Auch der für den Nachteilsausgleich darlegungsbelastete Kläger hat sich insoweit auf eine Maßnahme der SZL GmbH - nicht der SZ GmbH - berufen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Kündigung des Zustellauftrags durch die SZL GmbH die Beklagte dazu gezwungen hat, Massenentlassungen ins Auge zu fassen.

21

III. Es bedarf keiner Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif, § 563 Abs. 3 ZPO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG. Zu seinen Gunsten kann unterstellt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb eines Unternehmens mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern stillgelegt und damit eine Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 BetrVG durchgeführt hat sowie der Kläger infolge der Stilllegung entlassen worden ist. Jedenfalls hat die Beklagte mit dem Betriebsrat vor der Durchführung der Betriebsänderung einen Interessenausgleich versucht iSv. § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG.

22

1. Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung erfolgt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 17, BAGE 118, 222). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (vgl. BAG 23. September 2003 - 1 AZR 576/02 - zu II 1 c der Gründe mwN, BAGE 107, 347).

23

2. Die Beklagte hat vor dem am 27. April 2012 durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle als gescheitert festgestellten Versuch eines Interessenausgleichs keine unumkehrbaren Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsänderung ergriffen.

24

a) Mit dem von ihren Gesellschafterinnen am 12. Januar 2012 gefassten Beschluss hat die Beklagte die Durchführung der Betriebsstilllegung nicht begonnen. Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats Entschlüsse zu einer Betriebsänderung zu fassen. Er darf nur ohne Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht mit deren Durchführung beginnen. § 113 Abs. 3 BetrVG sichert kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an der unternehmerischen Entscheidung, sondern nur bei deren Umsetzung. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 111 BetrVG setzen sogar voraus, dass der Arbeitgeber konkrete Planungen hinsichtlich einer Betriebsänderung hat, die den Gegenstand der zwischen den Betriebsparteien zu führenden Verhandlungen vorgeben(vgl. BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 19, BAGE 118, 222).

25

b) Weder mit der Anhörung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Kündigungen nach § 102 BetrVG vom 19. April 2012 noch mit der Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG vom 24. April 2012 hat die Beklagte mit der Betriebsstilllegung begonnen. Die Maßnahmen dienten der Vorbereitung von Kündigungen. Sie zwingen nicht zu deren Ausspruch.

26

c) In der tatsächlichen Einstellung der betrieblichen Tätigkeit am 1. März 2012 liegt gleichfalls keine unumkehrbare Maßnahme. Die bloße Einstellung einer Geschäftstätigkeit kann grundsätzlich rückgängig gemacht werden. Anders ist dies ggf. dann zu sehen, wenn ein Arbeitgeber - etwa durch die Veräußerung von Betriebsmitteln - bereits mit der Auflösung der betrieblichen Organisation beginnt (vgl. BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 20, BAGE 118, 222). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf die Übernahme von den Zustellern übergebenen Haustürschlüsseln, von Tourenbüchern und von Transportmitteln durch die ZVM GmbH berufen hat, liegt hierin keine endgültige Zerschlagung der betrieblichen Organisation der Beklagten. Diese - der Kündigung des Zustellauftrags geschuldeten - Maßnahmen hätten einer Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit (im Falle eines anderen Zustellauftrags) nicht entgegengestanden. Ebenso verhält es sich mit den vom Kläger behaupteten „frühzeitigen“ Kündigungen der Mietverträge hinsichtlich der drei Verteilstellen. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verteilstellen in den angemieteten Räumlichkeiten für den Fortbestand des Betriebs sowie die Möglichkeit der Weiterverfolgung des Betriebszwecks unerlässlich waren. Es kommt daher nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers hierzu in der mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen sowie sein schriftsätzliches Vorbringen hierzu nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a Satz 1 ZPO unberücksichtigt gelassen und von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a Satz 2, § 156 ZPO abgesehen hat. Ungeachtet dessen hat der Kläger hierzu auch keine Verfahrens(gegen)rügen erhoben.

27

d) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte ab 1. März 2012 die Zusteller nicht mehr beschäftigt hat. In der bloßen Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern liegt keine Auflösung der Betriebsorganisation. Auch eine Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht stellt regelmäßig noch keine Durchführung der Betriebsstilllegung dar. Dies gilt jedenfalls, wenn die Freistellung jederzeit widerruflich ist (vgl. BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - Rn. 21, BAGE 118, 222). Eine unwiderrufliche Freistellung sämtlicher - oder auch nur eines Großteils der - Arbeitnehmer vor dem Ausspruch der Kündigungen ist hier nicht ersichtlich. Der von der Beklagten bestrittene Vortrag des Klägers in seiner Revisionserwiderung, wonach mit einem Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 2012 nicht nur eine widerrufliche Freistellung erfolgt, sondern endgültig auf die Arbeitsleistung verzichtet worden sei, steht in Widerspruch zu den mit Verfahrens(gegen)rügen nicht angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Danach sind die Zusteller ab dem Zeitpunkt der Vergabe des Zeitungsvertriebsauftrags an die ZVM GmbH „nicht beschäftigt“ worden. Neuer Tatsachenvortrag hierzu ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen, § 559 Abs. 1 ZPO. Überdies wäre das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, einen Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung vor dem 28. April 2012 anzunehmen. Es fehlte an einem Vortrag zur Anzahl der unwiderruflich von ihrer Arbeitsleistung freigestellten Arbeitnehmer.

28

e) Die ab dem 1. März 2012 erfolgte Ausführung des vormals der Beklagten erteilten Zeitungsvertriebsauftrags durch die ZVM GmbH lässt nicht auf die Durchführung der Betriebsstilllegung vor dem Versuch eines Interessenausgleichs schließen. Sie ist der Auftragsneuvergabe durch die SZL GmbH geschuldet. Das verkennt der Kläger, wenn er in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2007 (- 8 AZR 693/06 -) verweist. In dieser ist - einzelfallbezogen - die tatsächliche Übernahme eines Betriebsteils durch einen Dritten (in der kein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB lag) als Beginn einer Betriebsänderung gewürdigt worden. Dem lag aber eine Konstellation zugrunde, in der das interessenausgleichspflichtige Unternehmen die Entscheidung über die „Auslagerung“ des von einem anderen Unternehmen übernommenen Bereichs selbst getroffen und die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung dieser Entscheidung veranlasst hat.

29

f) Auch der Verweis des Klägers auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2003 (- 10 AZR 586/02 -) zur Aufgabe und Zerstörung der Betriebsorganisation im Hinblick auf die geplante Betriebsstillegung bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse der leitenden Angestellten kündigt, ist unbehelflich. Der Kläger hat nicht einmal behauptet, dass die Beklagte vor dem Feststellen des Scheiterns der Interessenausgleichsverhandlungen durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle am 27. April 2012 leitenden Angestellten eine Kündigung ausgesprochen hätte.

30

g) Schließlich vermag allein aus der Angabe der Beklagten gegenüber dem Integrationsamt bei ihrem Antrag auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung des Klägers nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht auf den tatsächlichen Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung bereits mit Ablauf des 29. Februar 2012 geschlossen zu werden. Zu diesem Zeitpunkt stellte die Beklagte ihre betriebliche Tätigkeit ein. Für einen über diesen Erklärungswert hinausgehenden Schluss auf tatsächliche Umstände gibt das Behördenformular nichts her.

31

3. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Abschluss eines Interessenausgleichs ausreichend versucht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Betriebsparteien über den Abschluss eines Interessenausgleichs verhandelt haben und der Vorsitzende einer hierzu gebildeten Einigungsstelle am 27. April 2012 das Scheitern eines Versuchs des Interessenausgleichs festgestellt hat. Die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse, in denen der Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung liegt, sind erst am 28. April 2012 erfolgt.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Dr. Klebe    

        

    Klosterkemper    

                 

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande, obwohl der Verwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet hat, so kann der Verwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu beantragen, daß die Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne daß das Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes vorangegangen ist. § 113 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, einen Interessenausgleich nach § 125 zustande zu bringen oder einen Feststellungsantrag nach § 126 zu stellen.

(2) Das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, daß die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt wird. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren gelten entsprechend; Beteiligte sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat. Der Antrag ist nach Maßgabe des § 61a Abs. 3 bis 6 des Arbeitsgerichtsgesetzes vorrangig zu erledigen.

(3) Gegen den Beschluß des Gerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nicht statt. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht findet statt, wenn sie in dem Beschluß des Arbeitsgerichts zugelassen wird; § 72 Abs. 2 und 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt entsprechend. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung des Arbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und zu begründen.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande, obwohl der Verwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet hat, so kann der Verwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu beantragen, daß die Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne daß das Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes vorangegangen ist. § 113 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, einen Interessenausgleich nach § 125 zustande zu bringen oder einen Feststellungsantrag nach § 126 zu stellen.

(2) Das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, daß die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt wird. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren gelten entsprechend; Beteiligte sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat. Der Antrag ist nach Maßgabe des § 61a Abs. 3 bis 6 des Arbeitsgerichtsgesetzes vorrangig zu erledigen.

(3) Gegen den Beschluß des Gerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nicht statt. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht findet statt, wenn sie in dem Beschluß des Arbeitsgerichts zugelassen wird; § 72 Abs. 2 und 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt entsprechend. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung des Arbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und zu begründen.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.

(2) Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

(3) Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.

(1) Ist eine Betriebsänderung geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat der Interessenausgleich nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande, obwohl der Verwalter den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet hat, so kann der Verwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts dazu beantragen, daß die Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne daß das Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes vorangegangen ist. § 113 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, einen Interessenausgleich nach § 125 zustande zu bringen oder einen Feststellungsantrag nach § 126 zu stellen.

(2) Das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, daß die Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt wird. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren gelten entsprechend; Beteiligte sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat. Der Antrag ist nach Maßgabe des § 61a Abs. 3 bis 6 des Arbeitsgerichtsgesetzes vorrangig zu erledigen.

(3) Gegen den Beschluß des Gerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nicht statt. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht findet statt, wenn sie in dem Beschluß des Arbeitsgerichts zugelassen wird; § 72 Abs. 2 und 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt entsprechend. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung des Arbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und zu begründen.

(1) Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

Hält der Arbeitnehmer eine Kündigung für sozial ungerechtfertigt, so kann er binnen einer Woche nach der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen. Erachtet der Betriebsrat den Einspruch für begründet, so hat er zu versuchen, eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen. Er hat seine Stellungnahme zu dem Einspruch dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber auf Verlangen schriftlich mitzuteilen.

(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.

(2) Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

(3) Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.