Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Nov. 2014 - 3 K 99/14

bei uns veröffentlicht am20.11.2014

Tatbestand

1

A. Der Kläger betreibt auf den an der S-Bahnlinie ... unmittelbar hintereinander liegenden S-Bahnhöfen A und B jeweils einen Kiosk (Kiosk B im Folgenden als Kiosk 1 bezeichnet und Kiosk A als Kiosk 2).

I.

2

1. Für den Veranlagungszeitraum 2010 erklärte der Kläger Umsätze in Höhe von 756.957,00 € netto. Der Beklagte wies den Kläger in dem Bericht vom ... 2010 über eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung für das Jahr 2008 darauf hin, dass er ab dem 01.01.2011 gemäß § 238 Abs. 1 i. V. m. § 1 Handelsgesetzbuch (HGB) Bücher zu führen habe (Betriebsprüfungsakten -BpA-1 Bl. 25). Der Kläger ermittelte seine Gewinne jedoch weiterhin durch Einnahmen-Überschussrechnung.

3

2. Der Kläger erklärte in seiner am 20.03.2013 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung und den Einnahmen-Überschussrechnungen für das Streitjahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 4.604,00 für den Kiosk 1 und von 37.452,00 € für den Kiosk 2. Gleichzeitig reichte er für jeden Kiosk eine eigene Gewerbesteuererklärung ein. Der Kiosk 1 wurde unter der St.-Nr.-1 geführt und der Kiosk 2 unter der St.-Nr.-2. In der Umsatzsteuererklärung für 2011 erklärte der Kläger Nettoumsätze von 845.721,00 €.

4

3. Der Beklagte setzte - jeweils erklärungsgemäß - die Einkommensteuer für 2011 mit Bescheid vom 05.06.2011 auf 4.219,00 € fest und den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom selben Tag auf 451,00 €. Aus der nicht zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2011 ergab sich laut Abrechnung vom ... 2013 eine Umsatzsteuerschuld von 6.054,08 €.

II.

5

1. Ab ... 2013 führte der Beklagte beim Kläger für beide Kioske abgekürzte Außenprüfungen bzgl. der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer für 2011 durch und kam zu folgenden Ergebnissen:

6

a) Nach Auffassung des Betriebsprüfers bildeten die beiden Kioske wegen des Grades ihrer finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtung einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Die Personalkosten für die Mitarbeiter würden jeweils vollständig von einem der beiden "Betriebe" getragen, auch wenn der Arbeitnehmer in beiden Kiosken eingesetzt werde. Waren würden einheitlich beschafft, um bessere Einkaufsbedingungen zu erzielen, und zwischen beiden Kiosken verschoben, um eine möglichst geringe Lagerhaltung zu erreichen. Schließlich nutze der Kläger das betriebliche Kraftfahrzeug für beide Kioske, obwohl die Aufwendungen nur von einem "Betrieb" getragen würden.

7

b) Der Prüfer kam des Weiteren zu dem Ergebnis, dass der von ihm ermittelte Rohgewinnaufschlagsatz für beide Kioske von 15 bis 16 % zu niedrig sei, weil er deutlich unter dem in der Richtsatzsammlung verzeichneten Durchschnittswert von 23 % abweiche. Eine Nachkalkulation mehrerer Artikel aus den Warengruppen Tabakwaren, Süßigkeiten, Getränke und Zeitschriften bzgl. des Kiosks 1 ergebe einen Rohgewinnaufschlagsatz von 36,61 % (vgl. Übersicht gemäß Betriebsprüfungsbericht vom ... 2013, Tz. 14.02, Betriebsprüfungsakten -BpA-2 Bl. 5; wegen den Nachkalkulation im Einzelnen wird auf die Übersicht gemäß Betriebsprüfungsarbeitsakten -BpAA-1 Bl. 20 ff. Bezug genommen). Nach Abzug eventueller Abgabeverluste und sonstiger Erlösschmälerungen sei von einem Rohgewinnaufschlagsatz von 23 % auszugehen.

8

Dementsprechend ergebe sich für den Kiosk 1 ein Mehrgewinn von 18.000,00 € sowie ein Mehrumsatz in derselben Höhe, der in Höhe von 3.800,00 € auf Umsätze zum Steuersatz von 7 % entfalle und in Höhe von 14.200,00 € auf Umsätze zum Steuersatz von 19 % (Bericht Tz. 14.02, BpA-1 Bl. 36).

9

Für den Kiosk 2 belaufe sich der Mehrgewinn auf 58.000,00 €. Der entsprechende Mehrumsatz entfalle in Höhe von 12.200,00 € auf Umsätze zum Steuersatz von 7 % und in Höhe von 45.800,00 € auf Umsätze zum Steuersatz von 19 % (Bericht Tz. 14.02, BpA-2 Bl. 5).

10

c) Für den Kläger bestehe eine Buchführungspflicht, weil er Umsätze von mehr als 500.000,00 € erzielt habe (§ 141 Abgabenordnung -AO-).

11

2. Der Beklagte erließ daraufhin am 29.10.2013 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2011, in dem er bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb einen Gewinn von insgesamt 121.368,00 € zugrunde legte und die Einkommensteuer auf 32.399,00 € festsetzte, einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem die Umsatzsteuer auf 18.574,00 € festgesetzt wurde, und einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid, in dem der Gewerbesteuermessbetrag für beide Kioske auf 1.186,00 € festgesetzt wurde.

III.

12

1. Der Kläger legte am 12.11.2013 unter dem Briefkopf "... Kiosk 2 Bahnhof A" Einspruch gegen alle Änderungsbescheide ein und am 29.11.2013 nochmals unter dem Briefkopf "... Kiosk 1 Bahnhof B". Die Einsprüche begründete er nicht.

13

2. Der Beklagte wies den Einspruch vom 29.11.2013 betreffend alle Änderungsbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2014 als unbegründet zurück und den Einspruch vom 12.11.2013, den er als nur gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2011 gerichtet auslegte, mit Einspruchsentscheidung vom selben Tag ebenfalls.

IV.

14

1. Der Kläger hat am 24.04.2014 Klage gegen alle Änderungsbescheide erhoben (Az. 3 K 99/14) und am selben Tag eine weitere Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2011. Das Gericht hat die Klagen mit Beschluss vom 12.11.2014 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 64) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

15

Der Kläger trägt vor, die angefochtenen Änderungsbescheide beruhten auf reinen Schätzungen, denen keine Tatsachen zugrunde lägen.

16

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2011, den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 und den Umsatzsteuerbescheid für 2011, jeweils vom 29.10.2013 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2014, aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18

Der Beklagte trägt vor, dass die Klage nicht begründet worden und ein rechtlicher Fehler in den angefochtenen Bescheiden nicht zu erkennen sei.

19

2. Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 01.08.2014 (FGA Bl. 13 f., 45 f.) aufgefordert, bis zum 01.09.2014 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, und ihn darauf hingewiesen, dass die Frist ausschließende Wirkung habe und eine erst nach Ablauf der Frist eingehende Ergänzung der Klage im gerichtlichen Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden könne, sofern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Gleichzeitig hat das Gericht dem Kläger aufgegeben, innerhalb derselben Frist alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren eine Beschwer empfunden werde, und darauf hingewiesen, dass es Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht würden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden könne. Der Kläger hat die Frist fruchtlos verstreichen lassen.

20

3. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 28.08.2014 (FGA Bl. 48) mitgeteilt, dass sie das Mandat gegenüber dem Kläger gekündigt habe. Das Gericht hat mit Schreiben vom 01.09.2014 (FGA Bl. 49) darauf hingewiesen, dass die erteilte Prozessvollmacht gegenüber dem Gericht erst mit einer entsprechenden Anzeige durch den Kläger oder einen neuen Bevollmächtigten wirksam werde.

21

4. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27.10.2014 der Einzelrichterin übertragen (FGA Bl. 24).

22

5. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 27.10.2014 ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde vom 30.10.2014 (FGA Bl. 57) und dem Kläger mit Postzustellungsurkunde vom selben Tag (FGA Bl. 59) zugestellt worden. Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2014 wird auf die Sitzungsniederschrift (FGA Bl. 92 ff.) Bezug genommen.

23

6. Dem Gericht haben folgende Akten vorgelegen:

24

zur St.-Nr.-1:
Band I der Umsatzsteuerakten, Band I der Betriebsprüfungsakten, ein Band Betriebsprüfungsarbeitsakten, Band I der Bilanz- und Bilanzberichtsakten, Band I der Gewerbesteuerakten, Band I der Einkommensteuerakten und ein Band Rechtsbehelfsakten;

25

zur St.-Nr.-2:
Band I der Betriebsprüfungsakten, ein Band Betriebsprüfungsarbeitsakten, ein Band Gewerbesteuerakten und ein Band Rechtsbehelfsakten.

Entscheidungsgründe

26

B. Entscheidungsgründe

27

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

28

Die Klage ist zulässig.

29

1. Der Kläger hat den Gegenstand des Klagebegehrens ausreichend bezeichnet.

30

a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u. a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Fehlt es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse, kann der Vorsitzende oder Berichterstatter dem Kläger für die erforderliche Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Entspricht die eingereichte Klage den in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernissen, ist eine gleichwohl verfügte Ausschlussfrist hinfällig (BFH-Beschluss vom 05.02.2014 XI B 73/13, BFH/NV 2014, 872).

31

b) Zwar hat der Kläger auf die gerichtliche Aufforderung vom 01.08.2014, den Klagegegenstand zu bezeichnen, innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist nicht reagiert. Jedoch ergibt sich aus dem vom Kläger gestellten Antrag, die nach der Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheide vom 29.10.2013 aufzuheben, und der knappen Klagebegründung mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger die Hinzuschätzungen aufgrund der Betriebsprüfung angreifen und das steuerliche Ergebnis der ursprünglichen Veranlagungen erreichen will (vgl. BFH-Beschluss vom 06.04.1999 XI B 132/96, BFH/NV 1999, 1243; BFH-Urteil vom 26.07.1984 IV R 214/80, juris).

32

2. Dass der Kläger gegen die Änderungsbescheide zweimal Einspruch eingelegt und zweimal Klage erhoben hat, legt das Gericht so aus, dass er eine getrennte Veranlagung der beiden Kioske zur Gewerbesteuer begehrt.

33

a) Der Kläger konnte nicht in zulässiger Weise einmal als Inhaber des Kiosks 1 und einmal als Inhaber des Kiosks 2 gegen denselben Bescheid Klage erheben.

34

aa) Nach § 2 Abs. 1 GewStG bildet jeder stehende Gewerbebetrieb einen Steuergegenstand der Gewerbesteuer. Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der Gewerbesteuer (BFH-Urteil vom 24.10.2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252). Eine natürliche Person (Einzelunternehmer) kann daher - im Gegensatz zu Personen- und Kapitalgesellschaften - mehrere gewerbliche Betriebe unterhalten (BFH-Urteil vom 09.08.1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901). Steuergegenstand gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist dann jeweils der einzelne Gewerbebetrieb. Für jeden Gewerbebetrieb ist ein eigener Gewerbesteuermessbescheid zu erlassen, wobei der Gewerbeertrag jeweils um den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG zu kürzen ist (BFH-Urteile vom 24.06.2009 X R 36/06, BFHE 225, 407, BStBl II 2010, 171; vom 12.01.1983 IV R 177/80, BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425).

35

Steuerschuldner und Adressat der Gewerbesteuermessbescheide ist aber dieselbe Person, der Unternehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Behandelt das Finanzamt zwei gewerbliche Betätigungen desselben Unternehmers als einheitlichen Gewerbebetrieb und erlässt dementsprechend nur einen Gewerbesteuermessbescheid, kann der Unternehmer diesen auch nur einmal anfechten mit der Begründung, dass der Steuergegenstand unrichtig bestimmt sei.

36

bb) Die Zulässigkeit einer zweiten gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 gerichteten Klage ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger zweimal Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 eingelegt und der Beklagte über die Einsprüche durch getrennte Einspruchsentscheidungen entschieden hat. Auch bei wiederholter Einspruchseinlegung gegen dieselben Bescheide handelt es sich inhaltlich um einen Einspruch (FG Hamburg, Urteil vom 28.06.2007 3 K 237/06, EFG 2008, 768). Dieser Einspruch konnte nur einmal zurückgewiesen werden; der zweiten Einspruchsentscheidung kommt daher kein eigener Regelungscharakter zu.

37

b) Ob es sich bei zwei durch denselben Kläger erhobenen und gegen denselben Steuerbescheid gerichteten Klagen bei demselben Senat eines Finanzgerichts um ein und dieselbe Klage handelt und bei mehrfacher Eintragung der Klage die Vorgänge unter einem Aktenzeichen (nur) aktenmäßig zu verbinden sind (so BFH-Beschluss vom 09.08.2001 III R 58/99, BFH/NV 2002, 49; BFH-Urteil vom 13.09.1988 VIII R 218/85, BFH/NV 1989, 354; FG Hamburg, Urteil vom 28.06.2007 3 K 237/06, EFG 2008, 768) oder ob für die zweite Klage gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i. V. m. § 155 FGO das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit besteht, das durch eine Verbindung der Verfahren gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zu beseitigen ist (so BFH-Beschluss vom 26.05.2006 IV B 151/04, BFH/NV 2006, 2086; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 66 FGO Rz. 31; Paetsch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 66 FGO Rz. 20) kann vorliegend offen bleiben, da ein Verbindungsbeschluss am 12.11.2014 jedenfalls ergangen ist.

II.

38

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die beiden Kioske des Klägers zu Recht als einheitlichen Gewerbebetrieb behandelt (1.) und die Hinzuschätzungen dem Grunde (2.) und der Höhe nach (3.) ebenfalls zu Recht vorgenommen.

39

1. a) aa) Für die Entscheidung der Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen sind, kommt es darauf an, ob diese Betätigungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sachlich, insbesondere organisatorisch, wirtschaftlich oder finanziell zusammenhängen (BFH-Urteil vom 18.12.1996 XI R 63/96, BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573). Die Annahme eines selbständigen Gewerbebetriebs erfordert eine vollkommene Eigenständigkeit. Eine Verbindung darf im Wesentlichen nur in der Person des Steuerpflichtigen bestehen (BFH-Beschluss vom 21.12.2000 X B 111/00, BFH/NV 2001, 816). Der Steuerpflichtige muss die Betriebe nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen lassen. Sobald er die Aktivitäten bündelt, um eine größere Marktwirksamkeit zu erreichen, ist eine Wirtschaftseinheit gegeben (BFH-Urteil vom 09.08.1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901).

40

bb) Zu den Merkmalen eines Gewerbebetriebs, die nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu gewichten sind, gehören insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten, die Organisation und Finanzierung sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens (BFH-Urteile vom 24.10.2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252; vom 18.12.1996 XI R 63/96, BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573).

41

cc) Nach der Rechtsprechung des BFH kommt dabei den Merkmalen der Gleichartigkeit der Betätigungen bzw. bei ungleichartigen Betätigungen der Möglichkeit, dass sich die verschiedenen Tätigkeiten ergänzen, und der räumlichen Nähe der Betriebe eine besondere Bedeutung zu. So werden räumlich weit voneinander entfernt ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen regelmäßig in eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt, während für einen einheitlichen Gewerbebetrieb gleichartige, in räumlicher Nähe zueinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen sprechen (BFH-Urteile vom 24.10.2012 X R 36/10, BFH/NV 2013, 252; vom 09.08.1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901, für Lebensmittelgeschäfte gleichen Zuschnitts in räumlicher Nähe; BFH-Beschluss vom 31.07.1996 III B 38/96, BFH/NV 1997, 229). Im letzten Fall können sachlich selbständige Gewerbebetriebe nur vorliegen, wenn keine finanziellen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den einzelnen Tätigkeiten bestehen (BFH-Beschluss vom 21.12.2000 X B 111/00, BFH/NV 2001, 816; BFH-Urteil vom 25.04.1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261).

42

dd) Kennzeichen für einen organisatorischen Zusammenhang ist beispielsweise, dass die Unternehmensbereiche in einem Geschäftslokal untergebracht sind, dass sie unter Einsatz derselben Arbeitskräfte ausgeübt werden, dass die Waren oder Betriebsmittel gemeinsam eingekauft und bezahlt werden oder dass eine gegenseitige Aushilfe in sachlicher oder personeller Hinsicht stattfindet (BFH-Urteil vom 25.04.1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261). Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn zwei (oder mehrere) Unternehmensbereiche sich gegenseitig stützen und ergänzen und nur miteinander wirtschaftlich betrieben werden können (BFH-Urteil vom 25.04.1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261). Ein finanzieller Zusammenhang fehlt, wenn getrennte Aufzeichnungen geführt, jeweils eigene Bankkonten unterhalten, getrennte Kassenabrechnungen vorgenommen und für jeden Betrieb gesonderte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen erstellt werden (BFH-Urteil vom 18.12.1996 XI R 63/96, BFHE 182, 369, BStBl II 1997, 573).

43

b) Der Kläger übte durch den Betrieb der beiden Bahnhofskioske in A und B völlig gleichartige gewerbliche Betätigungen in räumlicher Nähe zueinander aus. Dieses wesentliche Indiz für die Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs wird nicht durch eine vollständige organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche Trennung der Betätigungen entkräftet. So liegt bereits eine organisatorische Verflechtung vor, weil nach den Feststellungen des Betriebsprüfers des Beklagten Arbeitnehmer z. T. in beiden Kiosken eingesetzt und die Waren einheitlich beschafft wurden, um bessere Einkaufsbedingungen zu erzielen. Eine finanzielle Verflechtung ist darin zu sehen, dass die Personalkosten für die in beiden Kiosken tätigen Mitarbeiter sowie die Kosten für das vom Kläger für beide Kioske genutzte Fahrzeug nach den Feststellungen des Beklagten jeweils nur von einem "Betrieb" getragen wurden.

44

Der Kläger, der insoweit die Feststellungslast trägt, ist diesem Vortrag des Beklagten nicht entgegengetreten und hat eine völlige organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Trennung der Betätigungen nicht dargelegt und nachgewiesen.

45

2. Die Schätzung war dem Grunde nach schon deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger seine handelsrechtliche Buchführungspflicht nicht erfüllt und den Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt hatte.

46

a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO gelten die Vorschriften der §§ 158 und 162 Abgabenordnung (AO) im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 3 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann.

47

b) Der Kläger, der mit seinen Kiosken ein Handelsgewerbe betrieb, war als Kaufmann i. S. des § 1 Abs. 1 HGB gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB im Streitjahr zur Buchführung verpflichtet. Von dieser Pflicht war er nicht nach § 241a HGB befreit, weil sein Umsatz im Vorjahr 2010 den Betrag von 500.000,00 € überstieg (s. oben A. I. 1.).

48

3. Die Schätzung ist auch der Höhe nach gerechtfertigt.

49

a) Die Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ziel jeder Schätzung muss es sein, Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH-Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226). Das Gericht kann im Rahmen der ihm nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO obliegenden Schätzung die Schätzung des Finanzamtes prüfen und als eigene übernehmen. Es kann sich dann darauf beschränken, substantiierten Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Schätzung des Finanzamts nachzugehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20.04.2006 VIII B 33/05, BFH/NV 2006, 1338; vom 12.10.2005 VIII B 241/04, BFH/NV 2006, 3269). Will der Steuerpflichtige eine abweichende Schätzung herbeiführen, ist er gehalten, erweisbare Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen anderen als den von der Finanzbehörde geschätzten Betrag als wahrscheinlich erscheinen zu lassen (BFH-Beschlüsse vom 13.03.2000 III B 62/99, BFH/NV 2000, 1119).

50

b) Die Schätzung des Beklagten ist nicht zu beanstanden und wird vom Gericht als eigene übernommen.

51

Die vom Beklagten angewandte Schätzungsmethode, die Nachkalkulation durch inneren Betriebsvergleich, ist in der Rechtsprechung als zulässige Methode zur Umsatzschätzung anerkannt (BFH-Beschluss vom 24.08.2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69). Der Beklagte hat den vom Kläger erklärten Wareneinsatz zugrunde gelegt, auf die einzelnen Produktgruppen (Tabakwaren, Süßwaren, Zeitschriften und Getränke) aufgeteilt und für jede Produktgruppe anhand mehrerer Produkte hieraus und der Preisliste des Klägers durchschnittliche Aufschläge errechnet. Gewichtet nach den jeweiligen Anteilen an den vom Kläger erklärten Erlösen ergab sich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von 36,61 %. Wenn der Beklagte seiner Schätzung unter Berücksichtigung von Abgabeverlusten etc. und unter Heranziehung der Richtsatzsammlung im Wege des äußeren Betriebsvergleichs lediglich den Mittelwert von 23 % zugrunde gelegt hat, ist die Hinzuschätzung als durchaus maßvoll zu beurteilen.

52

Der Kläger hat hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben.

III.

53

1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 FGO durch die Einzelrichterin.

54

2. Die Entscheidung konnte ergehen, obwohl für den Kläger in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Sowohl die Prozessbevollmächtigte des Klägers, deren Prozessvollmacht durch ihre Mitteilung, das Mandat gekündigt zu haben, nicht erloschen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11.02.2011 V K 2/09, BFH/NV 2011, 828), als auch der Kläger selbst sind zur mündlichen Verhandlung geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO).

55

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

56

4. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Nov. 2014 - 3 K 99/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Nov. 2014 - 3 K 99/14

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Nov. 2014 - 3 K 99/14 zitiert 22 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Gewerbesteuergesetz - GewStG | § 2 Steuergegenstand


(1) 1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. 2Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. 3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrie

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 6


(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn 1. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 65


(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die z

Handelsgesetzbuch - HGB | § 1


(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erf

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 91


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkü

Abgabenordnung - AO 1977 | § 158 Beweiskraft der Buchführung


(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen. (2) Absatz 1 gilt nicht,1.soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die

Abgabenordnung - AO 1977 | § 141 Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger


(1) Gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, die nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb 1. einen Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Absatz 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes von mehr als 600 000 Euro im Kalenderjahr

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 73


(1) Das Gericht kann durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, dass mehrere in einem Verfahren zusammengefasste Klagegegenstände in getrennten Verfa

Handelsgesetzbuch - HGB | § 238 Buchführungspflicht


(1) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muß so beschaffen sein, daß sie einem sac

Gewerbesteuergesetz - GewStG | § 5 Steuerschuldner


(1) 1Steuerschuldner ist der Unternehmer. 2Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. 3Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldner die Gesellschaft. 4Wird das Gewerbe in der Recht

Gewerbesteuergesetz - GewStG | § 11 Steuermesszahl und Steuermessbetrag


(1) 1Bei der Berechnung der Gewerbesteuer ist von einem Steuermessbetrag auszugehen. 2Dieser ist durch Anwendung eines Prozentsatzes (Steuermesszahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln. 3Der Gewerbeertrag ist auf volle 100 Euro nach unten abzurunden

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 66


Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 241a Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars


Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600 000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60 000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. Im Fall

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Nov. 2014 - 3 K 99/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Nov. 2014 - 3 K 99/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 05. Feb. 2014 - XI B 73/13

bei uns veröffentlicht am 05.02.2014

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Rechtsanwältin. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) änderte unter dem 24. Septemb

Bundesfinanzhof Urteil, 24. Okt. 2012 - X R 36/10

bei uns veröffentlicht am 24.10.2012

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Einzelhandelsbetrieb, in dem er Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren, Eis und Tee, Touristenartike

Bundesfinanzhof Beschluss, 11. Feb. 2011 - V K 2/09

bei uns veröffentlicht am 11.02.2011

Tatbestand 1 I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Restitutionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Wiederaufnahme der Verfahren V B 30/07 und V B 65/08.

Referenzen

(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

(2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, die nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb

1.
einen Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Absatz 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes von mehr als 600 000 Euro im Kalenderjahr oder
2.
(weggefallen)
3.
selbstbewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen mit einem Wirtschaftswert (§ 46 des Bewertungsgesetzes) von mehr als 25 000 Euro oder
4.
einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 60 000 Euro im Wirtschaftsjahr oder
5.
einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 60 000 Euro im Kalenderjahr
gehabt haben, sind auch dann verpflichtet, für diesen Betrieb Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, wenn sich eine Buchführungspflicht nicht aus § 140 ergibt. Die §§ 238, 240, 241, 242 Abs. 1 und die §§ 243 bis 256 des Handelsgesetzbuchs gelten sinngemäß, sofern sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt. Bei der Anwendung der Nummer 3 ist der Wirtschaftswert aller vom Land- und Forstwirt selbstbewirtschafteten Flächen maßgebend, unabhängig davon, ob sie in seinem Eigentum stehen oder nicht.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 ist vom Beginn des Wirtschaftsjahrs an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat. Die Verpflichtung endet mit dem Ablauf des Wirtschaftsjahrs, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde feststellt, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr vorliegen.

(3) Die Buchführungspflicht geht auf denjenigen über, der den Betrieb im Ganzen zur Bewirtschaftung als Eigentümer oder Nutzungsberechtigter übernimmt. Ein Hinweis nach Absatz 2 auf den Beginn der Buchführungspflicht ist nicht erforderlich.

(4) (weggefallen)

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage soll eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist gilt § 56 entsprechend.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Rechtsanwältin. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) änderte unter dem 24. September 2012 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das I. bis IV. Kalendervierteljahr 2010 (Streitzeitraum) nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). In den Erläuterungen zu allen Änderungsbescheiden ist ausgeführt, dass der Festsetzung die Ergebnisse der bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung "lt. Prüfungsbericht vom 21.08.2012" zugrunde liegen.

2

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einsprüche ein und beantragte gleichzeitig, die Vollziehung der Bescheide nach § 361 AO auszusetzen, weil diese offensichtlich rechtswidrig seien. Eine weitere Begründung der Einsprüche ging trotz Erinnerung beim FA nicht ein. Daraufhin wies das FA die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2012 als unbegründet zurück; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. In der Begründung der Einspruchsentscheidung heißt es, dass im Rahmen der Prüfung bei der Klägerin Korrekturen an den steuerpflichtigen Umsätzen der Klägerin sowie beim Vorsteuerabzug vorgenommen wurden. Diese seien im Bericht vom 21. August 2012 erläutert worden. Bei der erneuten Überprüfung der Steuerfestsetzung seien keine Fehler festgestellt worden.

3

In der Klageschrift vom 16. Januar 2013 erhob die Klägerin Klage gegen die Änderungsbescheide vom 24. September 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2012 und fügte eine Abschrift der angefochtenen Bescheide sowie der Einspruchsentscheidung bei.

4

Nachdem die Klägerin eine Aufforderung des Finanzgerichts (FG), den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, nicht fristgerecht beantwortet und das FG einen Antrag auf Fristverlängerung abgelehnt hatte, wies das FG die Klage als unzulässig ab. Das Klagebegehren lasse sich nicht aus den der Klageschrift beigefügten Bescheiden und der Einspruchsentscheidung entnehmen, da auch bereits der Einspruch nicht begründet worden sei.

5

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

7

Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor. Das FG hat die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen. Dies stellt einen Verfahrensfehler dar (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH—- vom 29. Oktober 2004 XI B 99/02, juris; vom 1. August 2007 XI B 183/06, BFH/NV 2007, 1921; vom 18. August 2011 V B 44/10, BFH/NV 2011, 2084) und verletzt zugleich den Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. BFH-Beschluss vom 23. April 2009 X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443).

8

1. Die Klage ist nicht unzulässig, weil der Gegenstand des Klagebegehrens bereits in der Klageschrift vom 16. Januar 2013 nebst Anlagen ausreichend bezeichnet worden ist.

9

a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Fehlt es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse, kann der Vorsitzende oder Berichterstatter dem Kläger für die erforderliche Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Entspricht die eingereichte Klage den in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernissen, ist eine gleichwohl verfügte Ausschlussfrist hinfällig (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2002 VI B 114/01, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306; vom 28. Juni 2012 XI B 44/12, BFH/NV 2012, 1811, jeweils m.w.N.).

10

b) Eine ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens erfordert, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, und ihn in seinen Rechten verletzt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99). Wie weit das Klagebegehren einer Klage im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab (BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 18/99, BFH/NV 2001, 170, m.w.N.), insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes, der Steuerart und der Klageart (BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417; vom 9. Juni 2011 X B 47/10, BFH/NV 2011, 1713).

11

aa) Die Nennung der angefochtenen Verwaltungsakte reicht zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens nicht aus (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2002 XI B 127/02, BFH/NV 2003, 788). Auch kann vom FG nicht verlangt werden, den Gegenstand des Klagebegehrens anhand einer Vielzahl ihm vorgelegter Unterlagen selbst zu ermitteln, und die Anforderungen des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO als erfüllt anzusehen, wenn die vorgelegten Unterlagen dies mehr oder weniger leicht und zuverlässig ermöglichen (BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483).

12

bb) Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt (BFH-Beschlüsse vom 30. April 2001 VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227; in BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306). Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden (BFH-Beschluss vom 20. September 2002 IV B 198/01, BFH/NV 2003, 190, m.w.N.). Bei der Auslegung einer beim FG erhobenen Klage sind sämtliche diesem und der Finanzbehörde erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 170, m.w.N.). Das FG hat bei der Auslegung der Klageschrift u.a. die Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, auf die in der Klageschrift durch Beifügung oder ausdrückliche Bezeichnung Bezug genommen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1999 VIII R 55/98, BFH/NV 2000, 196). Auch ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) kann zur Auslegung der Klageschrift heranzuziehen sein (BFH-Urteil vom 18. Mai 1999 X R 20/98, BFH/NV 1999, 1603, unter II.2.).

13

cc) § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO erlegt dem Kläger keine zusätzlichen, weitergehenden Obliegenheiten auf als § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO und begründet keinen Anspruch des FG, dass ihm eine ohne Hinzuziehung noch nicht vorliegender Steuerakten aus sich heraus verständliche Darstellung des nach Ansicht des Klägers maßgeblichen steuerlichen Sachverhalts vorgelegt wird (BFH-Urteil in BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483; BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1417). Den rechtzeitigen Eingang einer minimalen Klagebegründung zu gewährleisten, ist Zweck des § 79b FGO (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1997 IV R 84/95, BFHE 182, 273, BStBl II 1997, 462), von dem das FG ebenfalls Gebrauch gemacht hatte.

14

dd) Hat ein Kläger z.B. die Festsetzung der Umsatzsteuer auf bestimmte Beträge beantragt, die den Umsatzsteuerfestsetzungen vor Ergehen von Änderungsbescheiden aufgrund einer Außenprüfung entsprechen, hat er den Gegenstand des Klagebegehrens ausreichend bezeichnet (vgl. BFH-Beschluss vom 6. April 1999 XI B 132/96, BFH/NV 1999, 1243, Leitsatz; s. auch BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 214/80, juris, zu Änderungsbescheiden nach Betriebsprüfung).

15

c) Ausgehend davon lassen die Angaben in der Klageschrift vom 16. Januar 2013 das Klagebegehren hinreichend erkennen. Das FG hätte daher die Ausschlussfrist nicht setzen und die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen.

16

aa) Dabei ist es zwar im Ausgangspunkt zutreffend, dass die Klägerin --wie das FG ausgeführt hat-- den eingelegten Einspruch nicht weiter begründet hat. Allerdings hat die Klägerin, was das FG bei seiner Würdigung des Einspruchs nicht erwähnt hat, bereits in ihrem Einspruchsschreiben vom 26. Oktober 2012 die angefochtenen Bescheide als "offensichtlich rechtswidrig" bezeichnet und gleichzeitig die AdV der angefochtenen Bescheide (§ 361 AO) beantragt. Es ist unerheblich, dass das Einspruchsschreiben der Klageschrift nicht beigefügt war; denn abgesehen davon, dass das FG selbst dem Ablauf des Einspruchsverfahrens Bedeutung für die Auslegung beimessen will, kommt es für die Auslegung einer Klage --wie dargelegt-- auch auf die aus den Steuerakten erkennbaren Umstände an (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Februar 2003 VII R 18/02, BFHE 201, 409, BStBl II 2003, 606).

17

bb) Weiter hat das FG nicht berücksichtigt, dass es sich bei den angefochtenen Bescheiden um (auf § 164 Abs. 2 AO gestützte) Änderungsbescheide nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin handelt. Aus den Erläuterungen zu den Bescheiden ergibt sich, dass diesen die Prüfungsfeststellungen aus dem Bericht vom 21. August 2012 zugrunde liegen. Nach dem Inhalt der Einspruchsentscheidung wurden die steuerpflichtigen Umsätze und der Vorsteuerabzug vom FA korrigiert und die Abweichungen im Bericht erläutert.

18

Der Gegenstand des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich dementsprechend im Streitfall mit hinreichender Klarheit aus der Zusammenschau von Klageschrift, Einspruchsschrift, Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung. Das FG konnte daraus mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass die Klägerin alle Streitpunkte des Einspruchsverfahrens mit der Klage weiterverfolgen und mit der Klage begehren wollte, sämtliche Änderungen durch die Änderungsbescheide nach Umsatzsteuer-Sonderprüfung (aufgrund der dabei getroffenen Prüfungsfeststellungen) rückgängig zu machen.

19

Daraus, dass erfahrungsgemäß Streitpunkte im Klageverfahren häufig reduziert werden, folgt nicht, dass das Klagebegehren nicht hinreichend bezeichnet wäre. Eine Begrenzung auf bestimmte Positionen ist bis zum Ende der mündlichen Verhandlung möglich und daher für die Zulässigkeit der Klage unerheblich (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1417, unter II.1.c). Aus der Klageschrift sind außerdem keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin ihr Begehren im Einspruchsverfahren, alle Änderungen durch die Außenprüfung rückgängig zu machen, einschränken wollte; vielmehr folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Bescheide der Klageschrift beigefügt hat, dass sie ihr Begehren insgesamt weiter verfolgen wollte (vgl. BFH-Beschluss vom 7. November 2007 I B 104/07, BFH/NV 2008, 799, unter II.1.d).

20

cc) Der Senat kann offen lassen, ob er der Auffassung beipflichten könnte, dass zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Klagebegehrens der "bloße Hinweis" auf die Einkommensteuerbescheide für fünf Jahre und die Einspruchsentscheidung nicht genügen soll, wenn eine Steuerfahndungsprüfung zu einer Vielzahl von steuerlich auszuwertenden Feststellungen geführt hatte (so BFH-Beschluss vom 18. Februar 2003 VIII B 218/02, BFH/NV 2003, 1186; zur Abgrenzung s. BFH-Beschluss vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345). Denn ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.

21

2. Nachdem sich die zur Begründung des Verfahrensfehlers notwendigen Angaben bereits aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 26. September 2013 ergeben, kann dahinstehen, ob und inwieweit das weitere Beschwerdevorbringen der Klägerin aus den Schriftsätzen vom 27. September 2013, 28. September 2013 und 30. September 2013 berücksichtigt werden könnte.

22

3. Es erscheint sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, da bei unzutreffender Abweisung einer Klage als unzulässig von einer Revisionsentscheidung regelmäßig keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2010 II B 107/09, BFH/NV 2010, 938; vom 22. März 2012 XI B 1/12, BFH/NV 2012, 1170, Rz 19).

23

4. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

24

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1)1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.2Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird.

(2)1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit.2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der § 14 oder § 17 des Körperschaftsteuergesetzes, so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers.

(3) Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.

(4) Vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf.

(5)1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, so gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt.2Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird.

(6) Inländische Betriebsstätten von Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich in einem ausländischen Staat befindet, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, unterliegen nicht der Gewerbesteuer, wenn und soweit

1.
die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht steuerfrei sind und
2.
der ausländische Staat Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, eine entsprechende Befreiung von den der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern gewährt, oder in dem ausländischen Staat keine der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern bestehen.

(7) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil

1.
an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort
a)
die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden,
b)
andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder
c)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
2.
am Festlandsockel, soweit dort
a)
dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder
b)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
3.
der nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, das nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als solches bestimmt ist.

(8) Für die Anwendung dieses Gesetzes sind eine optierende Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes als Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Einzelhandelsbetrieb, in dem er Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren, Eis und Tee, Touristenartikel aller Art, Eisenwaren, Spielwaren, Haushalts- und Gartenbedarfsartikel, Textilien, Bücher und Heizöl verkauft. Ferner betreibt er in diesem Betrieb ein eigenes Tanklager, die Außenstelle einer Bank sowie eine Fahrradvermietung.

2

Darüber hinaus erzielt der Kläger Einkünfte aus einer im Streitjahr 2005 auf dem Dach seines Betriebsgebäudes installierten Photovoltaikanlage. Er verbraucht den erzeugten elektrischen Strom nicht selbst, sondern speist ihn gegen entsprechende Vergütung in das Netz des örtlichen Energieversorgungsunternehmens X ein.

3

Der Kläger erklärte im Streitjahr einen einheitlichen Gewinn aus dem Betrieb von Einzelhandel und Photovoltaikanlage in Höhe von insgesamt 47.159 €. Die Photovoltaikanlage aktivierte er in der Bilanz zum 31. Dezember 2005 als "andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung" mit 22.530 €. Die Erlöse aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage betrugen 815,69 €, die Abschreibungen 7.180,23 €, so dass der aus dem Einzelhandel resultierende Gewinn durch den Betrieb der Photovoltaikanlage um 6.364,54 € reduziert wurde.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für den Einzelhandel den Gewerbesteuermessbetrag 2005 ohne Berücksichtigung dieser Verluste fest. Für die Photovoltaikanlage stellte das FA mit gesondertem Bescheid einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 6.364 € fest.

5

Seine nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage begründete der Kläger damit, er sehe den Betrieb der Photovoltaikanlage als Teil seiner gesamten betrieblichen Aktivitäten an und gehe von einem einheitlichen Gewerbebetrieb aus.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2102 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Annahme eines selbstständigen Gewerbebetriebs erfordere eine vollkommene Eigenständigkeit, die im Streitfall nicht gegeben sei. Die körperliche Verbundenheit der Photovoltaikanlage mit dem Betriebsgebäude führe zwangsläufig zu einer sachlichen Verbundenheit. Eine organisatorische Verflechtung sei ebenfalls gegeben, da er, der Kläger, eine organisatorische Trennung weder vorgenommen noch beabsichtigt habe und diese auch kaum möglich sei. Die Photovoltaikanlage sei vollständig in die Gewinnermittlung seines Gewerbebetriebs integriert. Eine finanzielle und wirtschaftliche Verflechtung sei dadurch gegeben, dass die Stromerlöse in den wirtschaftlichen Kreislauf des Gesamtbetriebs flössen.

8

Im Übrigen sei die vom FA vorgenommene Gewinnermittlung (Stromerlöse abzüglich der Absetzung für Abnutzung für die Photovoltaikanlage) unrichtig; es hätten auch Teile des Betriebsvermögens des Einzelhandels in das Betriebsvermögen des Photovoltaikbetriebs überführt und weitere anteilige Kosten wie z.B. Versicherungen berücksichtigt werden müssen.

9

Es sei zudem auf das Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Februar 2007 (BGBl I 2007, 282) hinzuweisen, bei dem die Finanzverwaltung anerkenne, dass eine Photovoltaikanlage gefördert werden könne, wenn sie auf dem Betriebsgebäude angebracht sei, in dem ein begünstigter Betrieb seine begünstigte Gewerbetätigkeit ausübe (vgl. Thüringer Landesfinanzdirektion --LFD--, Erlass vom 8. November 2007 - InvZ 1280 A - 06 - A 2.15, Steuer-Eildienst --StE-- 2008, 45; im Ergebnis ebenso Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Erlass vom 8. Mai 2008 IV C 3 - InvZ 1015/07/0001, BStBl I 2008, 590, Rz 111).

10

Der Anteil der Stromerlöse an seinen gesamten Umsätzen betrage zwischen 1 % und 1,2 %. Die Erzeugung von elektrischem Strom sei damit von so untergeordneter Bedeutung, dass von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen sei. Es gäbe im Steuerrecht zahlreiche Gesetze, Urteile und Verwaltungsanweisungen, in denen Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung zu Gunsten der Praktikabilität geregelt würden. Auch werde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, wenn eine geringfügige Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslöse und damit eine Bedeutung erlange, die ihr von ihrem wirtschaftlichen Gewicht her nicht zukomme. Er schlage daher vor, zwischen dem Betrieb von Kleinstanlagen und solchen Anlagen zu unterscheiden, die eine bestimmte Größe überschreiten. Damit sei es möglich, Kleinstanlagen --z.B. bis zu einer Grenzgröße von 10 kwp-- in bestehende Gewerbebetriebe zu integrieren.

11

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Gewerbesteuermessbescheid vom 3. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2007 dergestalt zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf 352 € festgesetzt wird.

12

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist unbegründet. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht den Betrieb von Einzelhandel und Photovoltaikanlage nicht als einheitlichen Gewerbebetrieb gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) angesehen.

14

1. Nach § 2 Abs. 1 GewStG bildet jeder stehende Gewerbebetrieb einen Steuergegenstand der Gewerbesteuer. Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der Gewerbesteuer (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Urteil vom 7. August 2008 IV R 86/05, BFHE 223, 245, BStBl II 2012, 145). Natürliche Personen können demnach mehrere gewerbliche Betriebe unterhalten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 1989 III R 78/86, BFHE 156, 320, BStBl II 1989, 467). Nicht jede Verselbständigung gewerblicher Betätigungen eines Einzelunternehmers begründet indes einen eigenständigen Gewerbebetrieb. Auch Teilbetriebe sind mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet und dennoch Teile eines Gesamtbetriebs (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376).

15

a) Für die Entscheidung der Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen sind, kommt es stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Maßgebend sind die objektiven Merkmale; dem Willen des Unternehmers kommt insoweit Bedeutung zu, als er in den tatsächlichen Verhältnissen seinen Ausdruck findet (so Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 1472; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 2 Rz 13; siehe auch BFH-Urteil vom 25. Januar 2012 II R 25/10, BFHE 236, 564, BStBl II 2012, 403 zur wirtschaftlichen Einheit i.S. des § 2 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes, für die dieselben Grundsätze gelten).

16

Zu den Merkmalen eines Gewerbebetriebs gehören insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten, die Organisation und Finanzierung sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den Betätigungen bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81, m.w.N.).

17

Die Gewichtung der einzelnen Merkmale kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles erfolgen (BFH-Beschluss vom 16. Juni 1999 II B 57/98, BFH/NV 1999, 1455). Nach der Rechtsprechung des BFH kommt dabei den Merkmalen der Gleichartigkeit der Betätigungen bzw. bei ungleichartigen Betätigungen der Möglichkeit, dass sich die verschiedenen Tätigkeiten ergänzen, und der räumlichen Nähe der Betriebe eine besondere Bedeutung zu. So werden räumlich weit voneinander entfernt ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen regelmäßig in eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt, während für einen einheitlichen Gewerbebetrieb gleichartige, in räumlicher Nähe zueinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen sprechen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901; Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 1485 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 2 Rz 15, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH). Teilweise wird sogar vertreten, bei ungleichartigen Betätigungen sei selbst bei organisatorischer, finanzieller und wirtschaftlicher Verflechtung ein einheitlicher Gewerbebetrieb nur anzunehmen, wenn die verschiedenen Betätigungen einander ergänzten (so BFH-Beschluss vom 31. Januar 2006 III B 29/05, BFH/NV 2006, 1152).

18

Bei ungleichartigen bzw. sich nicht ergänzenden Tätigkeiten ist zumindest in der Regel von der Selbstständigkeit der einzelnen Aktivität auszugehen, und zwar auch dann, wenn eine gemeinsame Buchführung vorhanden und das Betriebsergebnis in einer Bilanz zusammengefasst worden ist. Bestehen in einem solchen Fall gewisse finanzielle oder organisatorische Zusammenhänge, werden diese weniger auf objektiven sachlichen Notwendigkeiten als auf der Identität des Unternehmers beruhen, die bei der gebotenen objektsteuerlichen Betrachtung außer Betracht bleiben muss (BFH-Urteil vom 14. September 1965 I 64/63 U, BFHE 83, 438, BStBl III 1965, 656).

19

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Urteil des FG nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das FG erkannt, dass im Streitfall zwei selbstständige Gewerbebetriebe i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG vorliegen. Es handelt sich bei dem Betrieb des Einzelhandelsgeschäfts und bei dem Betrieb der Photovoltaikanlage um ungleichartige Betätigungen, die einander auch nicht fördern oder ergänzen.

20

aa) Das Einzelhandelsgeschäft stellt den Bewohnern und Besuchern der Gemeinde Waren und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf zur Verfügung. Demgegenüber ist die Photovoltaikanlage ein Herstellungsbetrieb, in dem Strom erzeugt wird, für dessen Absatz weder die Einrichtung eines Geschäftslokals noch der Einsatz von Werbung oder anderer Vertriebsaktivitäten erforderlich ist. Der Kläger hat mit dem Netzbetreiber lediglich einen Abnehmer, der gesetzlich verpflichtet ist, den gesamten aus dieser Anlage angebotenen Strom abzunehmen (vgl. § 4 Abs. 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 21. Juli 2004, BGBl I 2004, 1918). Dementsprechend hat der Kläger seinen gesamten Strom an die X zu dem vorgegebenen Preis veräußert, wobei die monatliche Vergütung durch den Empfänger der Leistung, das Energieversorgungsunternehmen, abgerechnet worden ist.

21

bb) Diese beiden wirtschaftlichen Tätigkeiten des Klägers sind ungleichartig. Sie sind nicht nur inhaltlich verschieden, auch ihre Kunden- bzw. Lieferantenkreise weisen keinerlei Überschneidungen auf. Ein organisatorischer Zusammenhang ist ebenfalls nicht erkennbar; zu Recht hat das FG die gemeinsame Verwaltung der unterschiedlichen gewerblichen Tätigkeiten durch den Kläger selbst nicht als ausschlaggebend angesehen, weil sich diese Gemeinsamkeit zwangsläufig aus der Unternehmeridentität ergibt. Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das FG die Aktivierung der Photovoltaikanlage in der Bilanz des Einzelhandelsunternehmens nicht als ausreichend angesehen hat, um einen einheitlichen Gewerbebetrieb zu begründen, da die Bilanz lediglich die wirtschaftlichen Gegebenheiten buchmäßig abbildet.

22

cc) Die beiden Tätigkeiten ergänzen und fördern sich nicht. Das klägerische Vorbringen, die Photovoltaikanlage sei geschäftsfördernd, reicht nicht aus, um einen Nutzen für den Betrieb, der weder Strom noch Photovoltaikanlagen anbietet, zu belegen. Insofern ist der Streitfall anders gelagert als der Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 15. September 2010 X R 21/08 (BFH/NV 2011, 235) zugrunde lag und in dem der erkennende Senat entschieden hatte, dass sich das Betreiben einer Photovoltaikanlage und das Betreiben eines Elektroinstallationsunternehmens wechselseitig ergänzen. Dieser Befund beruhte darauf, dass der dortige Kläger im Rahmen seines Elektrogeschäfts Photovoltaikanlagen verkaufen, installieren und warten konnte.

23

Die räumliche Nähe der beiden gewerblichen Tätigkeiten --die Photovoltaikanlage ist auf dem Dach des Einzelhandelsgeschäfts installiert-- allein ist nicht geeignet, eine organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche Verflechtung zu begründen (siehe auch den BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 XI B 23/04, BFH/NV 2005, 1134, in welchem das Merkmal der "räumlichen Nähe" lediglich als "Untermerkmal" im Rahmen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs angesehen wird).

24

2. Der erkennende Senat kann der Auffassung des Klägers nicht folgen, die Erzeugung von elektrischem Strom mittels einer Photovoltaikanlage sei regelmäßig von untergeordneter Bedeutung, so dass grundsätzlich von einem einheitlichen Gewerbebetrieb ausgegangen werden könne.

25

a) Weder § 2 GewStG noch eine andere Vorschrift des GewStG enthalten eine Geringfügigkeitsgrenze. Demgegenüber zeigt § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG, der für natürliche Personen einen Freibetrag für einen Gewerbeertrag von 24.500 € vorsieht, dass auch eine wirtschaftlich weniger bedeutende gewerbliche Tätigkeit zu einem eigenständigen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG führt, der jedoch nicht mit Gewerbesteuer belastet werden soll.

26

b) Die Rechtsprechung hat bislang --soweit ersichtlich-- bei der Beurteilung, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegt, der Geringfügigkeit einer gewerblichen Aktivität ebenfalls keine Bedeutung beigemessen. Zwar hat der XI. Senat des BFH bei der Frage, ob eine nur untergeordnete gewerbliche Tätigkeit eine freiberufliche Tätigkeit "infiziere", § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) so ausgelegt, dass bei einem äußerst geringen Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht eingreift (Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229). Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die Beurteilung, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG gegeben ist, nicht zu übertragen. Der Grund, eine solche Geringfügigkeitsgrenze aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abzuleiten, lag erkennbar in dem Verhältnis der geringfügigen originär gewerblichen Tätigkeit zu den dadurch ausgelösten gravierenden Rechtsfolgen, nämlich die Erstreckung der Gewerbesteuerpflicht auf die gesamte freiberufliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen.

27

Die Annahme von zwei eigenständigen Gewerbebetrieben führt indes nicht zu vergleichbaren Belastungen, so dass aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kein Bedürfnis für eine Geringfügigkeitsgrenze abgeleitet werden kann. Zwar ist dem Kläger insoweit zuzustimmen, als er für einen weiteren Gewerbebetrieb eine zweite Gewerbesteuererklärung abzugeben hat.

28

Allerdings wird dieser Aufwand im Regelfall dadurch mehr als ausgeglichen, dass der Steuerpflichtige durch den zweiten Gewerbebetrieb den Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG in Höhe von 24.500 € ein weiteres Mal nutzen kann.

29

Es kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden, dass bei Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, die Verluste der einen Tätigkeit mit den Gewinnen der anderen Tätigkeit gewerbesteuermessbetragsmindernd auszugleichen. Diese Rechtsfolge beruht auf dem unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Tätigkeiten und nicht auf der Geringfügigkeit der einen oder anderen gewerblichen Tätigkeit.

30

3. Die Beurteilung des Betriebs einer Photovoltaikanlage als eigenständige gewerbliche Betätigung i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG steht nicht im Widerspruch zur Auffassung der Finanzverwaltung, die im Rahmen des InvZulG dann von einem einheitlichen Gewerbebetrieb ausgeht, wenn sich die Photovoltaikanlage auf dem Gelände eines Betriebs eines begünstigten Wirtschaftszweiges befindet. Das Vorliegen einer wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Verbindung der Tätigkeiten sei danach zu unterstellen, wenn nicht wesentliche Anhaltspunkte zu einer anderen Beurteilung führten, wobei davon auszugehen sei, dass die Tätigkeiten einander ergänzten (vgl. Thüringer LFD in in StE 2008, 45; im Ergebnis ebenso BMF-Erlass in BStBl I 2008, 590, Rz 111).

31

Die Finanzverwaltung hat in diesen Fällen jedoch nicht zu beurteilen, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb im Sinne des GewStG vorliegt, sondern die Frage zu beantworten, inwieweit steuerliche Vergünstigungen gewährt werden können.

32

Das InvZulG enthält Steuersubventionstatbestände. Vor diesem Hintergrund kann die Förderfähigkeit einer Photovoltaikanlage bei sog. Mischbetrieben im Rahmen des InvZulG anders zu beurteilen sein als die gewerbesteuerrechtliche Frage, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb im Sinne des GewStG vorliegt oder nicht. Im Übrigen ist der Senat nicht an die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gebunden.

33

4. Das Vorbringen des Klägers, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Photovoltaikanlagebetriebs seien weitere Aufwendungen, wie z.B. Abschreibungen oder Versicherungen, zu berücksichtigen, kann nicht zum Erfolg der Revision führen. Selbst wenn Kosten, die der Kläger bislang dem Einzelhandelsunternehmen zugeordnet hat, nunmehr --zumindest teilweise-- dem Photovoltaikbetrieb zuzuordnen wären, würde dies nicht zu einer Minderung, sondern zu einer Erhöhung des hier nur streitigen Gewerbeertrags des Einzelhandelsbetriebs führen. Im Hinblick auf das Verböserungsverbot muss es jedoch bei dem bisherigen Gewerbeertrag bleiben.

(1)1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.2Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird.

(2)1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit.2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der § 14 oder § 17 des Körperschaftsteuergesetzes, so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers.

(3) Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.

(4) Vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf.

(5)1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, so gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt.2Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird.

(6) Inländische Betriebsstätten von Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich in einem ausländischen Staat befindet, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, unterliegen nicht der Gewerbesteuer, wenn und soweit

1.
die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht steuerfrei sind und
2.
der ausländische Staat Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, eine entsprechende Befreiung von den der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern gewährt, oder in dem ausländischen Staat keine der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern bestehen.

(7) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil

1.
an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort
a)
die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden,
b)
andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder
c)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
2.
am Festlandsockel, soweit dort
a)
dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder
b)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
3.
der nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, das nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als solches bestimmt ist.

(8) Für die Anwendung dieses Gesetzes sind eine optierende Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes als Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln.

(1)1Bei der Berechnung der Gewerbesteuer ist von einem Steuermessbetrag auszugehen.2Dieser ist durch Anwendung eines Prozentsatzes (Steuermesszahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln.3Der Gewerbeertrag ist auf volle 100 Euro nach unten abzurunden und

1.
bei natürlichen Personen sowie bei Personengesellschaften um einen Freibetrag in Höhe von 24 500 Euro,
2.
bei Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 3 und des § 3 Nr. 5, 6, 8, 9, 15, 17, 21, 26, 27, 28 und 29 sowie bei Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts um einen Freibetrag in Höhe von 5 000 Euro,
höchstens jedoch in Höhe des abgerundeten Gewerbeertrags, zu kürzen.

(2) Die Steuermesszahl für den Gewerbeertrag beträgt 3,5 Prozent.

(3)1Die Steuermesszahl ermäßigt sich auf 56 Prozent bei Hausgewerbetreibenden und ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchstabe b und d des Heimarbeitsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 804-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 13. Juli 1988 (BGBl. I S. 1034), gleichgestellten Personen.2Das Gleiche gilt für die nach § 1 Abs. 2 Buchstabe c des Heimarbeitsgesetzes gleichgestellten Personen, deren Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus der Tätigkeit unmittelbar für den Absatzmarkt im Erhebungszeitraum 25 000 Euro nicht übersteigen.

(1)1Steuerschuldner ist der Unternehmer.2Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird.3Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldner die Gesellschaft.4Wird das Gewerbe in der Rechtsform einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung mit Sitz im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) - (ABl. L 199 vom 31.7.1985, S. 1) betrieben, sind abweichend von Satz 3 die Mitglieder Gesamtschuldner.

(2)1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über (§ 2 Abs. 5), so ist der bisherige Unternehmer bis zum Zeitpunkt des Übergangs Steuerschuldner.2Der andere Unternehmer ist von diesem Zeitpunkt an Steuerschuldner.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht kann durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, dass mehrere in einem Verfahren zusammengefasste Klagegegenstände in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.

(2) Ist die Klage von jemandem erhoben, der wegen dieses Klagegegenstands nach § 60 Abs. 3 zu einem anderen Verfahren beizuladen wäre, so wird die notwendige Beiladung des Klägers dadurch ersetzt, dass die beiden Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und einheitlicher Entscheidung verbunden werden.

Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Einzelhandelsbetrieb, in dem er Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren, Eis und Tee, Touristenartikel aller Art, Eisenwaren, Spielwaren, Haushalts- und Gartenbedarfsartikel, Textilien, Bücher und Heizöl verkauft. Ferner betreibt er in diesem Betrieb ein eigenes Tanklager, die Außenstelle einer Bank sowie eine Fahrradvermietung.

2

Darüber hinaus erzielt der Kläger Einkünfte aus einer im Streitjahr 2005 auf dem Dach seines Betriebsgebäudes installierten Photovoltaikanlage. Er verbraucht den erzeugten elektrischen Strom nicht selbst, sondern speist ihn gegen entsprechende Vergütung in das Netz des örtlichen Energieversorgungsunternehmens X ein.

3

Der Kläger erklärte im Streitjahr einen einheitlichen Gewinn aus dem Betrieb von Einzelhandel und Photovoltaikanlage in Höhe von insgesamt 47.159 €. Die Photovoltaikanlage aktivierte er in der Bilanz zum 31. Dezember 2005 als "andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung" mit 22.530 €. Die Erlöse aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage betrugen 815,69 €, die Abschreibungen 7.180,23 €, so dass der aus dem Einzelhandel resultierende Gewinn durch den Betrieb der Photovoltaikanlage um 6.364,54 € reduziert wurde.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für den Einzelhandel den Gewerbesteuermessbetrag 2005 ohne Berücksichtigung dieser Verluste fest. Für die Photovoltaikanlage stellte das FA mit gesondertem Bescheid einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 6.364 € fest.

5

Seine nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage begründete der Kläger damit, er sehe den Betrieb der Photovoltaikanlage als Teil seiner gesamten betrieblichen Aktivitäten an und gehe von einem einheitlichen Gewerbebetrieb aus.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2102 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Annahme eines selbstständigen Gewerbebetriebs erfordere eine vollkommene Eigenständigkeit, die im Streitfall nicht gegeben sei. Die körperliche Verbundenheit der Photovoltaikanlage mit dem Betriebsgebäude führe zwangsläufig zu einer sachlichen Verbundenheit. Eine organisatorische Verflechtung sei ebenfalls gegeben, da er, der Kläger, eine organisatorische Trennung weder vorgenommen noch beabsichtigt habe und diese auch kaum möglich sei. Die Photovoltaikanlage sei vollständig in die Gewinnermittlung seines Gewerbebetriebs integriert. Eine finanzielle und wirtschaftliche Verflechtung sei dadurch gegeben, dass die Stromerlöse in den wirtschaftlichen Kreislauf des Gesamtbetriebs flössen.

8

Im Übrigen sei die vom FA vorgenommene Gewinnermittlung (Stromerlöse abzüglich der Absetzung für Abnutzung für die Photovoltaikanlage) unrichtig; es hätten auch Teile des Betriebsvermögens des Einzelhandels in das Betriebsvermögen des Photovoltaikbetriebs überführt und weitere anteilige Kosten wie z.B. Versicherungen berücksichtigt werden müssen.

9

Es sei zudem auf das Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Februar 2007 (BGBl I 2007, 282) hinzuweisen, bei dem die Finanzverwaltung anerkenne, dass eine Photovoltaikanlage gefördert werden könne, wenn sie auf dem Betriebsgebäude angebracht sei, in dem ein begünstigter Betrieb seine begünstigte Gewerbetätigkeit ausübe (vgl. Thüringer Landesfinanzdirektion --LFD--, Erlass vom 8. November 2007 - InvZ 1280 A - 06 - A 2.15, Steuer-Eildienst --StE-- 2008, 45; im Ergebnis ebenso Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Erlass vom 8. Mai 2008 IV C 3 - InvZ 1015/07/0001, BStBl I 2008, 590, Rz 111).

10

Der Anteil der Stromerlöse an seinen gesamten Umsätzen betrage zwischen 1 % und 1,2 %. Die Erzeugung von elektrischem Strom sei damit von so untergeordneter Bedeutung, dass von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen sei. Es gäbe im Steuerrecht zahlreiche Gesetze, Urteile und Verwaltungsanweisungen, in denen Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung zu Gunsten der Praktikabilität geregelt würden. Auch werde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, wenn eine geringfügige Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslöse und damit eine Bedeutung erlange, die ihr von ihrem wirtschaftlichen Gewicht her nicht zukomme. Er schlage daher vor, zwischen dem Betrieb von Kleinstanlagen und solchen Anlagen zu unterscheiden, die eine bestimmte Größe überschreiten. Damit sei es möglich, Kleinstanlagen --z.B. bis zu einer Grenzgröße von 10 kwp-- in bestehende Gewerbebetriebe zu integrieren.

11

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Gewerbesteuermessbescheid vom 3. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2007 dergestalt zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf 352 € festgesetzt wird.

12

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist unbegründet. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht den Betrieb von Einzelhandel und Photovoltaikanlage nicht als einheitlichen Gewerbebetrieb gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) angesehen.

14

1. Nach § 2 Abs. 1 GewStG bildet jeder stehende Gewerbebetrieb einen Steuergegenstand der Gewerbesteuer. Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der Gewerbesteuer (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Urteil vom 7. August 2008 IV R 86/05, BFHE 223, 245, BStBl II 2012, 145). Natürliche Personen können demnach mehrere gewerbliche Betriebe unterhalten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 1989 III R 78/86, BFHE 156, 320, BStBl II 1989, 467). Nicht jede Verselbständigung gewerblicher Betätigungen eines Einzelunternehmers begründet indes einen eigenständigen Gewerbebetrieb. Auch Teilbetriebe sind mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet und dennoch Teile eines Gesamtbetriebs (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376).

15

a) Für die Entscheidung der Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen sind, kommt es stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Maßgebend sind die objektiven Merkmale; dem Willen des Unternehmers kommt insoweit Bedeutung zu, als er in den tatsächlichen Verhältnissen seinen Ausdruck findet (so Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 1472; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 2 Rz 13; siehe auch BFH-Urteil vom 25. Januar 2012 II R 25/10, BFHE 236, 564, BStBl II 2012, 403 zur wirtschaftlichen Einheit i.S. des § 2 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes, für die dieselben Grundsätze gelten).

16

Zu den Merkmalen eines Gewerbebetriebs gehören insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten, die Organisation und Finanzierung sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den Betätigungen bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81, m.w.N.).

17

Die Gewichtung der einzelnen Merkmale kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles erfolgen (BFH-Beschluss vom 16. Juni 1999 II B 57/98, BFH/NV 1999, 1455). Nach der Rechtsprechung des BFH kommt dabei den Merkmalen der Gleichartigkeit der Betätigungen bzw. bei ungleichartigen Betätigungen der Möglichkeit, dass sich die verschiedenen Tätigkeiten ergänzen, und der räumlichen Nähe der Betriebe eine besondere Bedeutung zu. So werden räumlich weit voneinander entfernt ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen regelmäßig in eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt, während für einen einheitlichen Gewerbebetrieb gleichartige, in räumlicher Nähe zueinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen sprechen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901; Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 1485 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 2 Rz 15, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH). Teilweise wird sogar vertreten, bei ungleichartigen Betätigungen sei selbst bei organisatorischer, finanzieller und wirtschaftlicher Verflechtung ein einheitlicher Gewerbebetrieb nur anzunehmen, wenn die verschiedenen Betätigungen einander ergänzten (so BFH-Beschluss vom 31. Januar 2006 III B 29/05, BFH/NV 2006, 1152).

18

Bei ungleichartigen bzw. sich nicht ergänzenden Tätigkeiten ist zumindest in der Regel von der Selbstständigkeit der einzelnen Aktivität auszugehen, und zwar auch dann, wenn eine gemeinsame Buchführung vorhanden und das Betriebsergebnis in einer Bilanz zusammengefasst worden ist. Bestehen in einem solchen Fall gewisse finanzielle oder organisatorische Zusammenhänge, werden diese weniger auf objektiven sachlichen Notwendigkeiten als auf der Identität des Unternehmers beruhen, die bei der gebotenen objektsteuerlichen Betrachtung außer Betracht bleiben muss (BFH-Urteil vom 14. September 1965 I 64/63 U, BFHE 83, 438, BStBl III 1965, 656).

19

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Urteil des FG nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das FG erkannt, dass im Streitfall zwei selbstständige Gewerbebetriebe i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG vorliegen. Es handelt sich bei dem Betrieb des Einzelhandelsgeschäfts und bei dem Betrieb der Photovoltaikanlage um ungleichartige Betätigungen, die einander auch nicht fördern oder ergänzen.

20

aa) Das Einzelhandelsgeschäft stellt den Bewohnern und Besuchern der Gemeinde Waren und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf zur Verfügung. Demgegenüber ist die Photovoltaikanlage ein Herstellungsbetrieb, in dem Strom erzeugt wird, für dessen Absatz weder die Einrichtung eines Geschäftslokals noch der Einsatz von Werbung oder anderer Vertriebsaktivitäten erforderlich ist. Der Kläger hat mit dem Netzbetreiber lediglich einen Abnehmer, der gesetzlich verpflichtet ist, den gesamten aus dieser Anlage angebotenen Strom abzunehmen (vgl. § 4 Abs. 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 21. Juli 2004, BGBl I 2004, 1918). Dementsprechend hat der Kläger seinen gesamten Strom an die X zu dem vorgegebenen Preis veräußert, wobei die monatliche Vergütung durch den Empfänger der Leistung, das Energieversorgungsunternehmen, abgerechnet worden ist.

21

bb) Diese beiden wirtschaftlichen Tätigkeiten des Klägers sind ungleichartig. Sie sind nicht nur inhaltlich verschieden, auch ihre Kunden- bzw. Lieferantenkreise weisen keinerlei Überschneidungen auf. Ein organisatorischer Zusammenhang ist ebenfalls nicht erkennbar; zu Recht hat das FG die gemeinsame Verwaltung der unterschiedlichen gewerblichen Tätigkeiten durch den Kläger selbst nicht als ausschlaggebend angesehen, weil sich diese Gemeinsamkeit zwangsläufig aus der Unternehmeridentität ergibt. Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das FG die Aktivierung der Photovoltaikanlage in der Bilanz des Einzelhandelsunternehmens nicht als ausreichend angesehen hat, um einen einheitlichen Gewerbebetrieb zu begründen, da die Bilanz lediglich die wirtschaftlichen Gegebenheiten buchmäßig abbildet.

22

cc) Die beiden Tätigkeiten ergänzen und fördern sich nicht. Das klägerische Vorbringen, die Photovoltaikanlage sei geschäftsfördernd, reicht nicht aus, um einen Nutzen für den Betrieb, der weder Strom noch Photovoltaikanlagen anbietet, zu belegen. Insofern ist der Streitfall anders gelagert als der Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 15. September 2010 X R 21/08 (BFH/NV 2011, 235) zugrunde lag und in dem der erkennende Senat entschieden hatte, dass sich das Betreiben einer Photovoltaikanlage und das Betreiben eines Elektroinstallationsunternehmens wechselseitig ergänzen. Dieser Befund beruhte darauf, dass der dortige Kläger im Rahmen seines Elektrogeschäfts Photovoltaikanlagen verkaufen, installieren und warten konnte.

23

Die räumliche Nähe der beiden gewerblichen Tätigkeiten --die Photovoltaikanlage ist auf dem Dach des Einzelhandelsgeschäfts installiert-- allein ist nicht geeignet, eine organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche Verflechtung zu begründen (siehe auch den BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 XI B 23/04, BFH/NV 2005, 1134, in welchem das Merkmal der "räumlichen Nähe" lediglich als "Untermerkmal" im Rahmen der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs angesehen wird).

24

2. Der erkennende Senat kann der Auffassung des Klägers nicht folgen, die Erzeugung von elektrischem Strom mittels einer Photovoltaikanlage sei regelmäßig von untergeordneter Bedeutung, so dass grundsätzlich von einem einheitlichen Gewerbebetrieb ausgegangen werden könne.

25

a) Weder § 2 GewStG noch eine andere Vorschrift des GewStG enthalten eine Geringfügigkeitsgrenze. Demgegenüber zeigt § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG, der für natürliche Personen einen Freibetrag für einen Gewerbeertrag von 24.500 € vorsieht, dass auch eine wirtschaftlich weniger bedeutende gewerbliche Tätigkeit zu einem eigenständigen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG führt, der jedoch nicht mit Gewerbesteuer belastet werden soll.

26

b) Die Rechtsprechung hat bislang --soweit ersichtlich-- bei der Beurteilung, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegt, der Geringfügigkeit einer gewerblichen Aktivität ebenfalls keine Bedeutung beigemessen. Zwar hat der XI. Senat des BFH bei der Frage, ob eine nur untergeordnete gewerbliche Tätigkeit eine freiberufliche Tätigkeit "infiziere", § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) so ausgelegt, dass bei einem äußerst geringen Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht eingreift (Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229). Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die Beurteilung, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG gegeben ist, nicht zu übertragen. Der Grund, eine solche Geringfügigkeitsgrenze aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abzuleiten, lag erkennbar in dem Verhältnis der geringfügigen originär gewerblichen Tätigkeit zu den dadurch ausgelösten gravierenden Rechtsfolgen, nämlich die Erstreckung der Gewerbesteuerpflicht auf die gesamte freiberufliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen.

27

Die Annahme von zwei eigenständigen Gewerbebetrieben führt indes nicht zu vergleichbaren Belastungen, so dass aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kein Bedürfnis für eine Geringfügigkeitsgrenze abgeleitet werden kann. Zwar ist dem Kläger insoweit zuzustimmen, als er für einen weiteren Gewerbebetrieb eine zweite Gewerbesteuererklärung abzugeben hat.

28

Allerdings wird dieser Aufwand im Regelfall dadurch mehr als ausgeglichen, dass der Steuerpflichtige durch den zweiten Gewerbebetrieb den Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG in Höhe von 24.500 € ein weiteres Mal nutzen kann.

29

Es kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden, dass bei Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, die Verluste der einen Tätigkeit mit den Gewinnen der anderen Tätigkeit gewerbesteuermessbetragsmindernd auszugleichen. Diese Rechtsfolge beruht auf dem unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Tätigkeiten und nicht auf der Geringfügigkeit der einen oder anderen gewerblichen Tätigkeit.

30

3. Die Beurteilung des Betriebs einer Photovoltaikanlage als eigenständige gewerbliche Betätigung i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG steht nicht im Widerspruch zur Auffassung der Finanzverwaltung, die im Rahmen des InvZulG dann von einem einheitlichen Gewerbebetrieb ausgeht, wenn sich die Photovoltaikanlage auf dem Gelände eines Betriebs eines begünstigten Wirtschaftszweiges befindet. Das Vorliegen einer wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Verbindung der Tätigkeiten sei danach zu unterstellen, wenn nicht wesentliche Anhaltspunkte zu einer anderen Beurteilung führten, wobei davon auszugehen sei, dass die Tätigkeiten einander ergänzten (vgl. Thüringer LFD in in StE 2008, 45; im Ergebnis ebenso BMF-Erlass in BStBl I 2008, 590, Rz 111).

31

Die Finanzverwaltung hat in diesen Fällen jedoch nicht zu beurteilen, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb im Sinne des GewStG vorliegt, sondern die Frage zu beantworten, inwieweit steuerliche Vergünstigungen gewährt werden können.

32

Das InvZulG enthält Steuersubventionstatbestände. Vor diesem Hintergrund kann die Förderfähigkeit einer Photovoltaikanlage bei sog. Mischbetrieben im Rahmen des InvZulG anders zu beurteilen sein als die gewerbesteuerrechtliche Frage, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb im Sinne des GewStG vorliegt oder nicht. Im Übrigen ist der Senat nicht an die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gebunden.

33

4. Das Vorbringen des Klägers, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Photovoltaikanlagebetriebs seien weitere Aufwendungen, wie z.B. Abschreibungen oder Versicherungen, zu berücksichtigen, kann nicht zum Erfolg der Revision führen. Selbst wenn Kosten, die der Kläger bislang dem Einzelhandelsunternehmen zugeordnet hat, nunmehr --zumindest teilweise-- dem Photovoltaikbetrieb zuzuordnen wären, würde dies nicht zu einer Minderung, sondern zu einer Erhöhung des hier nur streitigen Gewerbeertrags des Einzelhandelsbetriebs führen. Im Hinblick auf das Verböserungsverbot muss es jedoch bei dem bisherigen Gewerbeertrag bleiben.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

(2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muß so beschaffen sein, daß sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.

(2) Der Kaufmann ist verpflichtet, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe (Kopie, Abdruck, Abschrift oder sonstige Wiedergabe des Wortlauts auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datenträger) zurückzubehalten.

Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600 000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60 000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden.

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Restitutionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Wiederaufnahme der Verfahren V B 30/07 und V B 65/08.

2

Mit Beschluss vom 19. Mai 2008 (V B 30/07) hatte der Senat die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 12. Dezember 2006 (4 K 741/02) als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegte "sofortige Beschwerde" wurde mit Beschluss vom 14. November 2008 (V B 65/08) als unzulässig verworfen.

3

Zur Begründung ihrer mit Schriftsatz vom 28. September 2009 erhobenen Restitutionsklage trägt die Klägerin vor:

4

Mit dem am 26. August 2009 veröffentlichten Beschluss V S 10/07 vom 1. Juli 2009 (BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824) habe der V. Senat die Gegenvorstellung anerkannt. Die Voraussetzungen des § 580 Nr. 7 Buchst. b) der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) lägen somit vor, da die Gegenvorstellung in der vorliegenden Entscheidung noch als unzulässig angesehen worden sei. Da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine unzulässige sofortige Beschwerde in eine Gegenvorstellung umzudeuten sei, hätte die sofortige Beschwerde nicht als unzulässig verworfen werden dürfen. Die Restitutionsklage sei auch begründet. Erst durch den BFH-Beschluss in BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824 sei sie in die Lage versetzt worden, die Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung gegen einen Beschluss des BFH zu beweisen.

5

Die Beschlüsse V B 30/07 und V B 65/08 verstießen gegen Art. 101, 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes. Der aufgrund eines Beteiligtenwechsels "wahre" Beklagte sei nicht in den Prozess einbezogen worden. Dieser Mangel begründe auch eine Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluss V B 65/08 über die sofortige Beschwerde/Gegenvorstellung aufzuheben, der sofortigen Beschwerde/Gegenvorstellung stattzugeben, den Beschluss V B 30/07 aufzuheben und die Revision im Verfahren V B 30/07 zuzulassen.

Entscheidungsgründe

7

II. Der Senat kann offen lassen, ob die von einem Rechtsanwalt erhobene "Restitutionsklage" bereits wegen fehlender Statthaftigkeit unzulässig ist, da sie sich nicht auf ein Urteil i.S. von § 578 Abs. 1 ZPO bezieht, oder als Antrag zu verstehen ist, die angegriffenen Beschlüsse entsprechend § 134 FGO i.V.m. § 580 ZPO wieder aufzunehmen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; vom 16. Februar 1993 XI S 20/92, BFH/NV 1993, 613). Denn auch ein derartiger Antrag ist entsprechend § 134 FGO i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

8

1. Die Restitutionsklage findet nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Mit der Restitutionsklage können Anfechtungsgründe, durch die eine dem angefochtenen Urteil vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird, geltend gemacht werden, sofern das angefochtene Urteil auf dieser Entscheidung beruht (§ 583 ZPO).

9

Gemäß § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form (§ 587 ZPO) und Frist (§ 586 ZPO) erhoben wurde. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (§ 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrags setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass Tatsachen schlüssig dargelegt werden, aus denen sich --ihre Richtigkeit unterstellt-- der behauptete Wiederaufnahmegrund ergibt (BFH-Beschluss vom 20. Februar 1998 VII K 7/97, BFH/NV 1998, 1248, m.w.N.; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 134 FGO Rz 39 und 57).

10

2. Die Klägerin hat keinen Restitutionsgrund i.S. des § 580 ZPO schlüssig dargelegt.

11

a) Es kann offen bleiben, ob der Senatsbeschluss in BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824 überhaupt eine "andere Urkunde" i.S. von § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO darstellt, da diese jedenfalls keine der Klägerin günstigere Entscheidung in der Sache V B 65/08 herbeigeführt haben würde. Die sofortige Beschwerde wäre vielmehr auch dann als unzulässig verworfen worden, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung am 14. November 2008 der Senatsbeschluss in BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824 bereits vorgelegen hätte.

12

Die von der Klägerin geltend gemachte Umdeutung des von ihrem Prozessbevollmächtigten ausdrücklich als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelfs in eine Gegenvorstellung scheitert daran, dass es nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gebot der Rechtssicherheit ist, Rechtskundige mit ihren Prozesserklärungen beim Wort zu nehmen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. August 2009 VIII B 95/09, BFH/NV 2010, 217; vom 7. Januar 2007 VIII B 157/06, BFH/NV 2007, 931, m.w.N.).

13

b) Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens wegen der als unbegründet zurückgewiesenen Nichtzulassungsbeschwerde V B 30/07 hat die Klägerin nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Wiederaufnahmegrund ergibt. Der von ihr angeführte BFH-Beschluss in BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824 war für das Verfahren V B 30/07 nicht entscheidungserheblich und hätte daher unter keinen Umständen zu einer für sie günstigeren Entscheidung führen können.

14

3. Soweit die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Beschlüsse V B 30/07 und V B 65/08 wegen eines Vertretungsmangels auf Seiten des Prozessgegners geltend macht, wird ebenfalls kein Wiederaufnahmegrund i.S. von § 580 ZPO schlüssig dargelegt. Ein Vertretungsmangel begründet zwar nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine Nichtigkeitsklage. Selbst wenn ein derartiger Mangel vorläge, könnte sich die Klägerin aber im Streitfall nicht darauf berufen, weil der Mangel der vorschriftsmäßigen Vertretung nur vom nichtvertretenen Beteiligten gerügt werden kann (BFH-Urteil vom 7. August 1969 V K 2/68, BFHE 96, 385, BStBl II 1969, 660; BFH-Beschluss vom 27. Oktober 1992 VII R 71/92, BFH/NV 1993, 314, m.w.N.).

15

4. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zwar mit Schriftsatz vom 25. März 2010 mitgeteilt, dass er die Klägerin nicht mehr vertrete. Die Kündigung der Vollmacht erlangt gemäß § 62 Abs. 4, § 155 FGO i.V.m. § 87 ZPO aber erst Wirksamkeit durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten (BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238). Ein anderer Prozessbevollmächtigter ist bisher nicht bestellt worden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, beim Bundesfinanzhof von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.