Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. März 2018 - 1 A 4/17

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2018:270318U1A4.17.0
bei uns veröffentlicht am27.03.2018

Tatbestand

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Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen eine auf § 58a AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung.

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Der Kläger wurde im ... in der Russischen Föderation (Dagestan) geboren. Er reiste 2002 mit weiteren Familienmitgliedern nach Deutschland ein und stellte gemeinsam mit diesen unter falschem Namen erfolglos Asylanträge. Nach Ablehnung des ersten Asylantrags konnte er mehrere Jahre lang wegen fehlender Heimreisedokumente nicht abgeschoben werden. Im April 2012 wurde dem Kläger - nach Richtigstellung der Personalien der Familie - erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis März 2018 verlängert worden ist.

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Im Jahr 2014 erließ die zuständige Ausländerbehörde gegen den Kläger ein Ausreiseverbot, nachdem zutage getreten war, dass er eine Ausreise nach Syrien geplant hatte.

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Mit Verfügung vom 13. März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Beklagten - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation an. Die Abschiebungsanordnung wurde mit der Gefahr begründet, dass der Kläger einen terroristischen Anschlag verüben oder an einem solchen mitwirken werde. Er habe sich seit 2014 zunehmend islamistisch radikalisiert und sympathisiere mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" ("IS"). In einem "Chat" habe er sich zur Beteiligung an einem Anschlag bereit erklärt. Bei der Auswertung seines Smartphones sei u.a. ein Video mit einer Schritt-für-Schritt Anleitung zur Herstellung einer Splitterbombe mit einfachsten Mitteln gefunden worden. Daraus und aus weiteren Einzelheiten, auf die im Rahmen der Entscheidungsgründe eingegangen wird, ergebe sich die auf Tatsachen gestützte Prognose, dass von ihm eine terroristische Gefahr ausgehe. Vor diesem Hintergrund überwiege bei der Ermessensentscheidung auch unter Berücksichtigung seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland, des erlangten Hauptschulabschlusses, der sozialen Bindungen an seine Familie und seine religiös angetraute Ehefrau das Interesse an einer Ausreise das private Interesse am Verbleib. Die Verfügung wurde dem Kläger am 14. März 2017 ausgehändigt; am gleichen Tag wurde er zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen. Während seiner Inhaftierung trennten sich der Kläger und seine Partnerin.

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Am 24. März 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Er hält § 58a AufenthG für verfassungswidrig. Unabhängig davon sei die Abschiebungsanordnung formell und materiell rechtswidrig. Sie sei unter Verstoß gegen § 28 BremVwVfG ohne vorherige Anhörung ergangen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG lägen nicht vor. Die Auslegung der Vorschrift durch den Senat führe zu einer unzulässigen Absenkung der Gefahrenschwelle. Die Gefahrenprognose beruhe auf einer unrichtigen und unzureichenden Tatsachengrundlage und sei insbesondere nicht hinreichend sachverständig erfolgt. Sie beruhe zudem auf Angaben des Klägers, die in einem Strafprozess wegen Verletzung seiner Verteidigungsrechte nicht verwertbar wären. Ein Zusammenhang zwischen den beim Kläger gefundenen Videos und Fotos und einem erwartbaren Verhalten des Klägers sei nicht herzustellen. Seine Äußerungen zeigten, dass er selbst noch auf der Suche nach der eigenen Weltsicht und Motiven für das eigene Handeln sei. Es fehle auch an einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Klägers. Die Abschiebungsanordnung sei ferner unvereinbar mit Art. 8 EMRK. Der Kläger sei in Deutschland integriert, seine Familie lebe hier, und er spreche kein Russisch. Schließlich bestehe ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, weil zu erwarten sei, dass der Kläger in der Russischen Föderation einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt sei. Er befürchte, inhaftiert und gefoltert sowie zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Die russischen Stellen könnten die Gründe für seine Abschiebung unschwer den Medien entnehmen. Eine vom Kläger eingeholte Auskunft einer russischen Nichtregierungsorganisation vom 19. August 2017 bestätige seine Befürchtungen. Er könne sich in der Russischen Föderation jedenfalls nicht ohne erhebliche Gefährdung registrieren lassen. Den für die Registrierung erforderlichen Inlandspass könne er nur in Dagestan beantragen. Sowohl zur Frage des Erfordernisses einer Anhörung nach Unionsrecht als auch zur Frage der Vereinbarkeit einer Abschiebung ohne vorherige Befristung mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG bedürfe es eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).

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Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen vom 13. März 2017 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt die angegriffene Verfügung. In Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen führt sie vorsorglich aus, dass die Ermessensentscheidung auch dann zu Lasten des Klägers ausgehe, wenn er nicht über Grundkenntnisse der russischen Sprache und in der Russischen Föderation außerhalb Dagestans nicht über familiäre Kontakte verfügen sollte.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an.

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Mit Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - hat der Senat einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - nicht zur Entscheidung angenommen. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine auf Antrag des Klägers am 31. Juli 2017 erlassene vorläufige Untersagung der Abschiebung am 29. August 2017 wieder aufgehoben hatte, wurde der Kläger am 4. September 2017 nach P. (Russische Föderation) abgeschoben. Mit Entscheidung vom 7. November 2017 (Nr. 54646/17) hat der EGMR die Beschwerde des Klägers in der Hauptsache hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung von Art. 3 EMRK als unzulässig, weil offensichtlich unbegründet, zurückgewiesen.

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Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Februar 2018) erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Senators (VV), die Ausländerakte des Klägers (AA), die Akten des 62. Kommissariats der Polizei Bremen (6 Bände P1 bis P6, und ein Hefter, Polizei K 62), die beigezogenen Akten verschiedener familiengerichtlicher Verfahren (Amtsgericht Bremen 71 F 172/17 SO, 71 F 212/17 EAUB, 71 F 211/17 EASO, 71 F 134/17 EAUB, 71 F 591/17 UB) sowie die beigezogene Strafakte (Staatsanwaltschaft Bremen 508 Js 9347/17, Hauptakte Bd. I und II sowie Beweismittelordner).

Entscheidungsgründe

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Die in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Substantiierung erhobene Besetzungsrüge greift nicht durch. Die aus dem Rubrum ersichtliche Besetzung des Senats entspricht seinem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2018.

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Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Senators für Inneres vom 13. März 2017 ist zulässig, aber unbegründet.

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1. Der Zulässigkeit der Klage steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die Abschiebungsanordnung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66, 67 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 12).

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2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Senators für Inneres vom 13. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollzug der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 14 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.).

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Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.

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2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). In seiner Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz, auf die insoweit verwiesen wird (Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 9 ff.), hat sich der Senat mit den gegen die Verfassungsmäßigkeit erhobenen Einwänden des Klägers auseinandergesetzt. Diese Beurteilung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden. Der weitere Verlauf des Klageverfahrens und der mündlichen Verhandlung gibt keine Veranlassung, davon abzuweichen.

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2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung möglicherweise nicht hinreichend angehört worden ist.

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a) Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 BremVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 BremVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, etwa wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1).

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Es kann offenbleiben, ob hier vor der Übergabe der Abschiebungsanordnung eine hinreichende Anhörung durch die für deren Erlass zuständige Behörde stattgefunden hat oder diese in der Folgezeit nachgeholt worden ist; denn jedenfalls durfte auf eine Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig war. § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen "Vorwarnung" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Der Gesetzgeber selbst anerkennt dies in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG, nach dem ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen ist, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann; auch ist bei einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige Ausreise nicht zu ermöglichen. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil vom Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst möglich, wenn die Abschiebungsanordnung bereits ergangen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG). Besondere, atypische Umstände, die hier vor Erlass der Abschiebungsanordnung eine umfassende vorherige Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17).

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b) Das Vorgehen der Behörde ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts, wie sie vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) zu beachten sind, vereinbar. Es kann daher offenbleiben, ob diese Richtlinie auf Rückkehrverfahren, die - wie hier - nicht zu migrationsbedingten Zwecken, sondern zum Schutz der öffentlichen Sicherheit bei einer terroristischen Gefahr gegen eine zuvor legal aufhältige Person durchgeführt werden, überhaupt Anwendung findet (vgl. zu der Problematik BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6).

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Die Richtlinie 2008/115/EG selbst enthält nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:2336], Mukarubega - Rn. 40 - 45; BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 19). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (ebenda, Rn. 45).

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Weitergehende Anforderungen ergeben sich entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der von ihr in diesem Zusammenhang angeregten EuGH-Vorlage (Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage I.) auch nicht aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Soweit sie sich auf das Recht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 GRC beruft, das nach Art. 41 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GRC insbesondere das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, ist in der Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 41 GRC eindeutig ergibt, dass sich dieser nicht an die Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 44 m.w.N.). Ein schrankenloser Anspruch auf Anhörung vor Erlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch eine nationale Ausländerbehörde ergibt sich auch nicht aus Art. 47 GRC (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) und Art. 48 GRC (Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte), ohne dass sich in diesem Zusammenhang eine dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegende entscheidungserhebliche Zweifelsfrage stellt.

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Danach bedurfte es hier auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird u.a. bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.) in der Zwischenzeit realisiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5). Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde - wie oben ausgeführt - nicht hinreichend sicher gewährleistet. Angesichts des überragenden Gewichts der Gründe, die in einem solchen Fall für ein Absehen von der Anhörung sprechen, liegt darin auch im Falle eines - wie hier - bis dahin legalen Aufenthalts kein unverhältnismäßiger Eingriff in das unionsrechtlich gewährleistete Anhörungsrecht, zumal dem Betroffenen das Recht auf rechtliches Gehör im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden gerichtlichen Rechtsbehelfe verbleibt.

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2.3 Die Verfügung ist - wie der Senat bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat - auch materiell rechtmäßig. Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche Gefahr ging vom Kläger bei Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus.

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a) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 21).

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Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 22).

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Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 23).

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Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 24).

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Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 25).

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Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 26; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 45). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten "Jihad" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18).

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Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 27).

35

Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 28).

36

Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 29; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42).

37

b) In Anwendung dieser Grundsätze ging vom Kläger im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG aus, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Klägers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es bestand ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen würde, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen. Dieser Einschätzung liegt folgender Sachverhalt zugrunde (dazu aa) bis dd)):

38

aa) Der Kläger hat sich bereits seit dem Alter von 15 Jahren islamistisch radikalisiert. Ende 2014 war er häufiger Besucher des - inzwischen verbotenen - Kultur- und Familienvereins in B., der die "F. Moschee" betrieb und sich durch eine stark extremistische Auslegung des Islam auszeichnete. Die F. Moschee besuchte er, obwohl ihm in einer anderen Moschee mit der Begründung davon abgeraten worden war, dass er sonst "in zwei Wochen in Syrien" landen werde (P1 Bl. 35). Nach dem Freitagsgebet am 5. Dezember 2014 erfolgten dort Durchsuchungen aufgrund vereinsrechtlicher Verbotsmaßnahmen. Der anwesende Kläger wurde dabei polizeilich erfasst (AA Bl. 185). Bei anschließenden Internetrecherchen wurde ein mit großer Wahrscheinlichkeit dem Kläger zuzuordnendes ask.fm-Profil eines "C. J." aufgefunden, das die Flagge des sogenannten Islamischen Staates zeigte und weitere salafistische Inhalte aufwies. Der Nutzer gab an, dass es sein Ziel sei, "die höchste Stufe im Paradies zu bekommen", die nach jihadistischer Vorstellung den Märtyrern vorbehalten ist, und bezeichnete Kritiker des "IS" als "Medien-Opfer" (AA Bl. 179 ff., 186). Am 4. Dezember 2014 hatte der Kläger sich als Facebook-Nutzer "C. Aus F." nach Möglichkeiten erkundigt, wie er als Minderjähriger allein über die Türkei nach Syrien ausreisen könne. Drei seiner Freunde seien kürzlich ausgereist; außerdem halte sich seine ältere Schwester seit einem Monat in Raqqa/Syrien auf und stehe über Skype mit ihm in regelmäßigem Kontakt. Als Grund für seine Ausreiseabsicht gab er familiäre Probleme an, insbesondere die ablehnende Haltung seiner Eltern gegenüber seiner strenggläubigen Sicht. Kurze Zeit später traf sich der Kläger mit einem Bekannten, der schon einmal Richtung Syrien ausgereist, aber wieder zurückgekehrt war und der sich bereit erklärt habe, ihm ein Flugticket zu besorgen sowie ein Formular, das ihm die Ausreise ohne seine Eltern ermögliche (AA Bl. 184 ff.). Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzte die Ausreiseabsicht als glaubhaft ein und hielt fest, die Internetauftritte des Klägers und die Abkehr von seinem Bruder, der den "IS" ablehne, ließen eine Sympathie mit dem "IS" vermuten (AA Bl. 187). Aufgrund der für den 12. Dezember 2014 konkret geplanten Ausreise wurde die Wohnung des Klägers und seiner Eltern durchsucht; dabei wurden sein Reisepass, ein Laptop und ein Smartphone sichergestellt (P1 Bl. 31). Auf dem Smartphone wurden u.a. Videos mit Syrien- und "IS"-Bezug (u.a. Kriegsszenen, Bombenattentate, "IS"-Flagge) sowie sogenannte Nasheeds (Musik mit islamisch-religiösem Inhalt, P1 Bl. 67) gefunden.

39

Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 untersagte die Stadt Bremen dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland (AA Bl. 189). Bei seiner polizeilichen Befragung hatte der Kläger auf die Frage, warum so viele Menschen nach Syrien gehen, angegeben: "Um Shahid zu werden. Also ein Märtyrer. Man kommt sofort ins Paradies. Allah zeigt dann deren Häuser, sie kriegen nicht zwei, sondern 70 Frauen. Und wenn die Eltern des Gläubigen im Leben zu viele Sünden begangen haben und in der Hölle landen, können die Märtyrer sie aus der Hölle befreien. Das steht so im Koran." Ein Märtyrer sei für ihn "einer, der keine Muslime tötet." Er habe eigentlich nicht nach Syrien gehen, sondern im Internet nur damit angeben wollen. Seine Schwester wohne in O. und nicht in Syrien; er habe nicht mal die Pässe seiner Eltern (P1 Bl. 39). Sein Bekannter habe ihm auch gesagt, dass er sich noch gedulden und erstmal seine Religion lernen solle und dass "man für den Jihad auch eine Elternerlaubnis braucht". Er habe sich umentschieden und wolle das nun wegen seiner Eltern und seiner Zukunftspläne nicht (P1 Bl. 41). Im Februar 2015 stellten seine Lehrer im Gespräch mit einem Mitarbeiter des Beratungsnetzwerks "k.", der den Kläger regelmäßig betreute, fest, dieser sei ernsthaft gefährdet, nach Syrien auszureisen und sich dort den Kämpfern des "IS" anzuschließen. Er werde derzeit falsch beschult und wolle nach Syrien, "um dort seine Ruhe zu haben".

40

Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es nicht der Beiziehung der Verwaltungsvorgänge des Bundesamts für Verfassungsschutz, um der Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, dass er eine Ausreise nach Syrien seinerzeit allem Anschein nach ernsthaft beabsichtigt hat. Hiervon ist allein aufgrund der geschilderten äußeren Umstände, die der Kläger nicht bestritten hat und die aktenkundig belegt sind, auszugehen. Die Vorbereitungen waren danach so weit gediehen, dass das Vorhaben - ungeachtet der "aufgebauschten", unzutreffenden Angaben über den Aufenthaltsort der Schwester - nicht mehr als eine reine Internet-Prahlerei eingestuft werden kann. Dies hat der Kläger letztlich auch selbst eingeräumt, indem er angegeben hat, er habe sich "umentschieden". An dieser Sachverhaltswürdigung hält der Senat fest, ohne dass darin - wie der Kläger meint - eine "eklektizistische Heranziehung einzelner als Tatsachen angenommener Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz" liegt.

41

bb) Ab Juli 2015 war der Kläger wegen eines angespannten Verhältnisses zu seinen Eltern vorübergehend freiwillig durch das Jugendamt in einer Pflegefamilie untergebracht (P1 Bl. 71). Kurz nach Rückkehr in sein Elternhaus teilte seine Mutter der Polizei mit, ihr älterer Sohn, der "Wahhabit" sei, übe einen starken Einfluss auf den Kläger aus. Der Kläger trage seither lange Gewänder, suche regelmäßig eine Moschee in Hamburg auf und beteilige sich dort an den Koranverteilungsständen (P1 Bl. 77). Nach einem Vermerk einer Lehrerin des Klägers berichtete dieser im November 2015, dass er vor zwei Monaten in Köln ein Mädchen in einer Moschee geheiratet habe. Sie trage Burka; er kenne sie aus dem Internet und werde sie in einem Jahr nach Bremen holen. Er werde ihr erlauben zu arbeiten, und sie dürfe auch an Sportveranstaltungen nur mit Mädchen teilnehmen. Nach deutschen Gesetzen werde er nicht heiraten, da ihm dies seine Religion verbiete. Er vermeide alle deutschen Gesetze, soweit dies einigermaßen möglich sei. Er würde lieber in einem islamischen Land wohnen. Ein Schüler, der im Fach Kunst zum Thema "Karikatur" das "Kopftuchtragen" karikieren wollte, habe der Lehrerin nach Schulschluss gesagt, er traue sich nicht, wenn der Kläger in der Klasse sei. Er wolle nicht enden wie bei "Charlie Hebdo" (AA Bl. 242). Der Polizei gelangte zur Kenntnis, dass der Kläger das von den Sicherheitsbehörden überwachte Islamische Kulturzentrum ... (...) aufsuchte (AA Bl. 236, 260) und sich zudem im August 2015 an mehreren Infoständen der Koranverteilungsaktion "Siegel der Propheten" (SdP) in Hamburg beteiligt hatte, die der salafistischen Szene um Pierre Vogel und Sven Lau zuzurechnen sei. Unter den Facebook-Freunden des Klägers befänden sich viele SdP-Anhänger, die der salafistischen Szene angehörten (VV Bl. 34, AA Bl. 236). Der Kläger nahm Arabisch-Unterricht bei einem T. H., der der salafistischen Szene zuzurechnen ist und Kontakte zu Personen pflegte, die nach Syrien ausgereist waren oder dies versucht hatten. Inwieweit der Kläger auch Kontakt zur "IS"-Szene pflegte, war der Polizei seinerzeit nicht bekannt (AA Bl. 260).

42

Am 14. April 2016 fand an der Wohnanschrift des Klägers im Beisein seiner Mutter und seines Erziehungsbeistandes eine Gefährderansprache statt, nachdem er zuvor nur noch mit langem Gewand und Bart zur Schule gekommen war und dort mehrmals behauptet hatte, mit dem Leben abgeschlossen und vor dem Tod keine Angst zu haben (AA Bl. 258, VV Bl. 57). Ein Antrag auf Aufhebung der Ausreiseuntersagung wurde mit Bescheid vom 28. Juni 2016 abgelehnt (AA Bl. 269).

43

Im November 2016 schrieb der Kläger über einen Instagram-Account einen nach Syrien ausgereisten 19-Jährigen an, von dessen Ausreise er wusste (P1 Bl. 92). Im Dezember 2016 wurde der Kläger zum Zweck einer Befragung und Gefährderansprache von der Polizei aufgesucht (Polizei K 62 Bl. 75).

44

cc) Im Januar 2017 wurde dem Landeskriminalamt (LKA) Bremen ein Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz nebst einem 30-seitigen Chatverlauf (P2 Bl. 10 ff. = Strafverfahren 508 Js 9347/17 Hauptakte Bd. I Bl. 112 ff.) übermittelt, nach dem sich ein "M. M." aus E. - nach gescheiterter Ausreise zum "IS" - gegenüber einem unbekannten Chatpartner gedanklich mit der Umsetzung eines Anschlagsvorhabens in Deutschland mittels eines Sprengstoffgürtels oder einer Schusswaffe auseinandersetzte ("Vllt. Mache ich hier eine Operation") und dafür Unterstützung suchte. Er gab an, bereits mit zwei weiteren "Brüdern" in Kontakt zu stehen, darunter dem Kläger. Weiter bat er um Unterstützung seines Vorhabens und erkundigte sich bei jenem nach Möglichkeiten zur Herstellung eines Sprengstoffgürtels. Als Anschlagsort hatte M. das E. in Q. ins Auge gefasst, da es "[d]er meist besuchteste Ort Europas" sei und sich dort viele "kuffar" aufhielten.

45

Auf einer sogenannten Fake-News-Seite wurde ein - vom Kläger eingestellter - Eintrag über einen "K. C." gefunden, der angeblich nach Syrien ausgereist sei und zum Jihad aufruft (P2 Bl. 44 f., 173 ff.).

46

Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Klägers und seiner Eltern wurden diverse mobile Endgeräte und Speicherkarten sichergestellt und der Kläger befragt (Polizei Bremen K 62 P 2 Bl. 48 ff., 53 ff.). Er gab u.a. an, "der E.er" habe ihm über seinen Account erzählt, dass er eine Operation in Deutschland machen wolle, und ihn gefragt, ob er mitmachen wolle. Er habe dann Ja gesagt. Warum, wisse er selber nicht ganz genau. Aber dann habe der andere gesagt, dass er alle Zivilisten, auch Frauen und Kinder töten wolle, was er - der Kläger - nicht gut gefunden habe. Er habe dies aber nicht gesagt, sondern sei bei "ja" geblieben. Er wisse aber nicht, was genau geplant sei. Erst sei von "Gürtelbombe", dann von "Pistole" und dann von beidem die Rede gewesen. Er - der Kläger - wolle eigentlich keinen Anschlag in Deutschland begehen, sondern eine Ausbildung machen. Der "IS" übertreibe zwar, er finde diesen aber besser als die Ex-Nusra. Was Anis Amri gemacht habe, sei nicht gut. Es seien alles unschuldige Menschen auf dem Weihnachtsmarkt gewesen. Die Aufrufe zu Attentaten missbillige er auch beim "IS". Auf die Frage, wann ein Mensch einen anderen töten dürfe, antwortete er:

"Wenn der einen mit einem Messer angreift oder so. Oder wenn die Muslime bekämpft werden. Oder einen Soldaten, der einen Krieg gegen die Muslime führt. Alle unschuldigen Menschen sind raus. Man darf nur die töten, die mit Messer oder Waffe gegen die Muslime kämpfen. Oder hier in Deutschland: wenn ein Nichtmoslem einen Moslem tötet und andere Muslime sehen das, dann dürfen sie den auch töten. Das sagt der Koran. So wie Rache."

47

Auf die Frage, warum er denn so einer Operation zustimme:

"Ich wusste ja nicht, was er machen will. Gegen Zivilisten will ich ja nicht. Hätte ja auch sein können, dass es zum Beispiel gegen ein Justizgebäude geht, wo Muslime gefangen sind. Da hätte ich dann anders drüber gedacht. Oder ein Soldatenstützpunkt. Da hätte ich auch anders drüber nachgedacht." Vom Kläger handschriftlich ergänzt: "Anders nachgedacht drüber hätte ich es, aber es nie getan."

"Polizei nicht. Aber für den IS wäre eine Polizeistation schon okay."

48

Sein Glaube sage, dass ein Anschlag auf einen Soldatenstützpunkt okay wäre. Aber sein Herz tue dabei weh.

49

Auf die Frage, ob er bereit wäre, sich selbst zu opfern, gab der Kläger an:

"Das will ich nicht. Das habe ich dem aus E. aus gesagt. Das will ich gar nicht. Den Gelehrten, denen ich glaube, sagen alle, dass der Selbstmord nicht mit den Gesetzen Allahs vereinbar ist. Also kann ich zum Beispiel nie einen Anschlag mit Sprengstoffgürtel machen, weil das ja Selbstmord wäre. Das habe ich ihm auch gesagt. Da wollte ich dann nämlich nicht mitmachen. Aber da kam er mit seinem Scheinargument, dass man dann bei der Operation sowieso noch erschossen wird." Vom Kläger handschriftlich geändert: "vorstellen soll, was passiert, wenn man nicht erschossen wird, weil das Ziel ist, zu sterben."

50

Auf die Frage nach der Art der Operation:

"Ich habe ihn erstmal gefragt, wo er das machen will. Da meinte er, auf alle. Das fand ich dann ja nicht gut. Also einfach laufen und schießen und erschossen werden. Auf keinen Fall Selbstmord. Ich weiß aber ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit. Ich habe Angst ins Höllenfeuer zu kommen. Deswegen weiß ich auch nicht, warum ich ja gesagt habe. Vielleicht weil ich früher unbedingt nach Syrien wollte, um dort eine Waffe zu tragen. (...)"

51

Abschließend gab er an:

"Also gut finde ich Anschläge nicht. Ich stimme vielleicht am Anfang zu, bin mir aber sicher, dass ich am Ende nicht mitmache. Kurz vorm Ende würde ich dann sagen, dass ich nicht mitmache. Er meinte zu mir, dass wenn ich austrete, dass ich dann ein Heuchler bin. Meine Religion erlaubt es, aber ich finde es nicht gut und würde es nie mitmachen. Für mich ist ja Deutschland kein Land, was die Muslime angreift. So wie die Nazis halt. Deswegen würde ich hier keinen Anschlag machen."

52

Er habe seinem Gesprächspartner dann noch seinen Namen zur Kontrolle geschickt. Die wüssten ja über viele Muslime in der Welt Bescheid und könnten das prüfen. Jetzt bereue er das. Er habe nicht gewusst, dass es so weit komme, und alles für ein Spiel gehalten. Seinen Namen habe er nur gegeben, um zu erfahren, was der "IS" über ihn wisse. Er habe bei der ganzen Sache eigentlich nur den Exfreund seiner Freundin an den E.er vermitteln wollen, um ihn loszuwerden. Von ihm gehe keine Gefahr aus. Er habe bei der Operation ja auch gar nicht mitmachen wollen, sondern eher daran gedacht, dass es Spaß machen könne, mit einer Waffe rumzulaufen und zu schießen, also nicht auf Menschen, sondern zum Beispiel als Sport auf Zielscheiben. Er wolle aber gar keine Menschen töten. Die Fake-News betreffend seine Ausreise nach Syrien habe er selbst erstellt, so als Scherz. Das sei nur von jemand anderem kopiert gewesen (P2 Bl. 58).

53

Im Nachgang der Befragung brach der Kläger plötzlich zusammen und berichtete dem ihn begleitenden Polizeibeamten von Depressionen und Suizidgedanken:

"Ich habe seit drei bis vier Jahren Depressionen und Selbstmordgedanken. Meine Eltern haben mich früher geschlagen und es geht mir schon lange sehr schlecht. Ich habe diese Kontakte in das radikale Milieu mit der Religion und diesen Anschlagsplanungen nur, weil ich eigentlich einfach sterben will und nicht mehr hier sein möchte. Es geht bei diesen Kreisen viel um das Leben nach dem Tod und den Tod und deswegen beschäftige ich mich damit. Einfach weil ich sterben will. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen.

Letztes Jahr wollte ich mich eigentlich schon vor einen Zug werfen und hatte einen Abschiedsbrief fertig geschrieben. Ich habe dann aber kurz vorher abgebrochen, weil ich nach Allahs Gesetzen ja ins Höllenfeuer komme, wenn ich Selbstmord begehe. Ich will unbedingt sterben und deswegen suche ich immer den Kontakt zu solchen radikalen Leuten. Die Religion ist da eigentlich gar nicht so im Vordergrund.

Ich will einfach ins Paradies kommen und nicht im Höllenfeuer landen. Ich halte es hier nicht mehr aus. Ich kann mit niemandem darüber sprechen. Ich hatte erst heute, ca. zwei Stunden bevor sie bei mir zuhause waren, Selbstmordgedanken. Ich denke sehr viel darüber nach und will einfach weg hier. Ich weiß einfach nicht weiter. Deswegen habe ich zu dem Plan des Anschlags in Deutschland auch 'Ja' gesagt. Ich will unbedingt sterben, aber darf nach meinem Glauben nicht durch Selbstmord sterben." (P2 Bl. 64).

54

Der Kläger wurde sodann zunächst nach § 16 PsychKG, anschließend gemäß § 1631b BGB zwecks Erstellung eines Gutachtens zur Fremd- und Eigengefährdung im Klinikum B. untergebracht, wo er sich vom 14. Januar bis 2. März 2017 aufhielt (AA Bl. 428). Bei der Aufnahmeuntersuchung ist aufgrund einer psychiatrischen Untersuchung des Klägers als vorläufige Diagnose festgehalten "schwere depressive Episode mit suizidalen Gedanken"; der Kläger könne sich vorstellen, im Rahmen eines Attentats zu sterben (P2 Bl. 69 f.). Dem anordnenden Richter gegenüber erklärte er bei seiner Anhörung: Er könne sich niemals vorstellen, Selbstmord zu begehen, auch keinen Selbstmordanschlag. Das verbiete ihm der Islam. Die Kontaktperson aus E. habe ihm gegenüber geäußert, er wolle sich mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft sprengen und dabei auch Zivilisten mit in den Tod reißen. Er, der Kläger, habe ihn dann gefragt, ob er Beweise dafür habe, dass das nach islamischem Recht erlaubt sei, die Beweise habe dieser ihm aber nicht nennen können. Der Mann aus E. wolle jedenfalls einen Anschlag durchführen, wobei es geeignete Ziele überall in Europa gebe. Die Gelehrten des sogenannten "Islamischen Staates", die Selbstmordanschläge billigten oder dazu aufriefen, seien selbsternannte Gelehrte. Die richtigen Gelehrten, nach denen er sich richte, die vor mehreren hundert Jahren gelebt hätten, und die heutigen richtigen Gelehrten (etwa der Großmufti von Saudi-Arabien) würden den Suizid verbieten, auch Selbstmordanschläge, bei denen "Ungläubige" getötet würden. Jeder, der sich umbringe, komme ins Höllenfeuer. Daran glaube er, deshalb würde er sich nicht umbringen. Es sei von Anfang an nicht ernst gemeint gewesen, sich an Anschlägen zu beteiligen. Man dürfe Ungläubige nicht töten. Etwas anderes könne gelten, wenn zum Beispiel jemand ein Land besetze, dann dürfe man sich wehren (Polizei K 62 Bl. 73 f.).

55

Bei der Auswertung des sichergestellten Smartphones des Klägers wurden insgesamt ca. 42 000 Bilddateien mit Enthauptungsszenen und anderen Gewaltdarstellungen, Anschlagsszenarien, "IS"-Propagandamaterial, Abbildungen und Bedienungsanweisungen von Kurzwaffen etc. aufgefunden (Polizei K 62 am Ende; P3 Bilder). Eine Vielzahl der ca. 1 000 Videodateien enthielten Bezüge zum sogenannten Islamischen Staat (religiöse Lehrvideos, Märtyrerverherrlichungen, Propagandavideos des "IS", militärische Ausbildung von Kindern für den "IS") sowie brutale Gewalt- bzw. Folterdarstellungen oder entstellte Leichname (P2 Bl. 129). Ein Video, auf das zuletzt am 28. Dezember 2016 zugegriffen worden war, enthielt eine konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Herstellung einer Splitterbombe mit einfachsten Mitteln. Eine weitere Videosequenz zeigte einen Kurzfilm, in dem eine vermummte Person erklärt, wie ein Mensch mit einem einfachen Messer zu töten ist (P3 Videodateien). Aufgrund dieser Funde wurde gegen den Kläger ein Strafverfahren gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingeleitet (Staatsanwaltschaft Bremen 508 Js 9347/17).

56

Weiter wurde ein Chatverlauf gefunden, in dem der Kläger einem "C.U." bestätigt, er wolle mitmachen und habe mit einem "C.W." (M. aus E., vgl. P2 Bl. 130) bereits über eine "Op" gesprochen. Dieser habe ihm gesagt, dass die "Op von höchste abteilung von Dawla kommt", dass "wir nen wagen brauchen", und dass "jeder für die glock 2 monition bekommt". Auf Nachfrage des Chatpartners, ob er schon mal mit anderen Brüdern über eine Operation nachgedacht habe, erklärte der Kläger, er habe drei oder vier gefragt, einer überlege, die anderen wollten nicht und seien "Weicheier". Auf die Frage des Chatpartners, ob sie schon konkretere Planungen hätten, antwortete der Kläger: "Von C. W. nicjt • Er meinte wenn du der bist dass du es iwie planst • Er weiss nicht mal weöche stadt". Sein Chatpartner erwiderte, dies sei ein Missverständnis, er könne "von hier aus nichts planen", sondern sei nur um Rat gefragt worden. Der Kläger gab nunmehr an, er kenne sich in Bremen gut aus, wisse, wo die Polizeistationen, Justiz oder viele Menschen seien. Es gebe "hier auch kurdendemo usw". Schlussendlich erklärte er: "Ich plane dann mit C. W. • Aber woher das geld fpr sacjen kaufen • Und woher die sachen zum bomben bauen? • Und woher die GLOCK?" (Akte Polizei K 62, nicht nummeriert).

57

Nach einer Gefährderansprache am 13. Januar 2017 ging die Polizei von der Einschätzung aus, zum jetzigen Zeitpunkt bestehe keine unmittelbar bevorstehende Gefährdungslage, der Sachverhalt sei jedoch ernst zu nehmen (siehe auch VV Bl. 70: "hohe Gefahr, jedoch keine unmittelbare konkrete Gefahr"). Der Kläger stehe grundsätzlich für die Durchführung von Attentaten zur Verfügung. Er habe jedoch keinen eigenen Plan zur Durchsetzung, mithin keinen Tatentschluss. Es seien keine Vorbereitungshandlungen festgestellt worden. Hinweise auf direkte Kontakte zur terroristischen Organisation "Islamischer Staat" lägen derzeit nicht vor (P2 Bl. 60).

58

In seiner Beschuldigtenvernehmung im Strafverfahren am 7. Februar 2017 erklärte der Kläger, dass er wisse, um welches Video mit einer Bombenbauanleitung es gehe. Er habe sich dieses nur zum Teil angeschaut. Dieses und weitere Videos habe er aus einer Telegram-Chatgruppe, in welcher Werbung für den "Islamischen Staat" gemacht werde, heruntergeladen, um sie teilweise später anzuschauen. Zu dem Chatverkehr erläuterte er die dort erwähnten Personen. Er habe ein paar Leute gefragt, ob sie mitmachen wollen, einen aus Br. und einen aus S., den er nicht persönlich kenne und der gleich abgelehnt habe (P2 Bl. 130, 136).

59

Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 16. Februar 2017 u.a. aus: Der Kläger habe noch zum Aufnahmezeitpunkt im Klinikum konkrete Suizidgedanken benannt, die er eigenen Angaben zufolge bereits längere Zeit und wiederholt gehabt habe; von Anschlagsgedanken zumindest auf nicht-zivile Ziele habe er sich nicht ausreichend distanzieren können. Die verbale Einstellungsänderung könne aufgrund des kurzen Klinikaufenthalts kaum das Resultat einer intensiven therapeutischen Einflussnahme sein. Ob wegen der salafistisch-religiösen Einstellung eine konkrete Fremdgefährdung bestehe, könne er - der Sachverständige - nicht differenziert beurteilen. Allerdings sei der Salafismus identitätsstiftend und fördere das Zusammengehörigkeitsgefühl. Der Kläger verfüge über eine beeinträchtigte Empathie. Durch die Kontakte zur radikal-islamistischen Szene habe er sich wohl deutlich aufgewertet. Eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht möglich. Die Reife des - leicht beeinflussbaren - Klägers entspreche ohne Zweifel dem Stand eines Jugendlichen und nicht dem eines Erwachsenen.

60

Zusammenfassend kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, es bestehe derzeit weiterhin die Gefahr bzw. ein "mittleres Risiko", dass der Kläger gravierende gewalttätige Handlungen unter Einschluss einer Eigen- und Fremdgefährdung bis hin zur Tötung begehe. Diese Gefährdung sei jedoch nicht als akut einzuschätzen (d.h. innerhalb von Stunden oder Tagen). Um mittel- und langfristig eine Gefahr für das Wohl des Betroffenen auszuschließen, sei ein Aufenthalt von zumindest einem halben Jahr in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung erforderlich, der nach Eintritt der Volljährigkeit allerdings seine Zustimmung voraussetze.

61

dd) Die Bedenken des Klägers gegen die Verwertung dieses Gutachtens im Rahmen der Gefahrenprognose greifen nicht durch. Dass das Gutachten in einem anderen Kontext und mit einer anderen Zielrichtung erstellt worden ist, steht der - nur ergänzenden und inhaltlich wertenden - Heranziehung im Rahmen der vorliegend anzustellenden Gefahrenprognose nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 22. Mai 2017 nicht entgegen (Gerichtsakte - GA - 1 VR 3.17 Bl. 319). Der Gutachter räumt ein, dass die Manuale HCR 20 und SAVRY, nach denen die Prognosebeurteilung vorgenommen worden ist, für Personen entwickelt worden sind, die bereits durch gewalttätige Straftaten in Erscheinung getreten sind. Auch wenn daher keine 1:1-Übersetzung vorgenommen werden könne, seien die Kriterien dieser Prognoseinventare in einer gesamtkontextuellen Bewertung dennoch zweckmäßig anzuwenden. Grundsätzlich würden zum Teil auch bei Personen, die noch keine strafrechtlich relevanten Taten begangen hätten, die in den genannten Prognosemanualen angeführten Kriterien überprüft. Er habe die Prognoseinventare als orientierende Leitlinie genutzt und sei sich dabei deren eingeschränkter Anwendbarkeit bewusst gewesen. Elemente der Begutachtung könnten daher durchaus für die vorliegende Fragestellung Verwendung finden. Jedenfalls beruht das Ergebnis des Gutachtens auf einer umfassenden Auswertung des dem Gutachter zur Verfügung gestellten Aktenmaterials, aus dem der Gutachter Schlüsse zieht, die auch unabhängig von den dem Senat im Einzelnen nicht bekannten Prognosemanualen nachvollziehbar erscheinen und im Einklang mit der ordnungsrechtlichen Gefahrenbewertung stehen, wie sie auch nach dem Akteninhalt im Übrigen veranlasst ist. Die Einschränkung des Sachverständigen, er könne nicht differenziert beurteilen, ob aus Gründen salafistischer Einstellungen eine Fremdgefährdung bestehe, da er Kinder- und Jugendpsychiater und kein Islamforscher sei (GA 1 VR 3.17 Bl. 320), begründet ebenfalls keine grundsätzlichen Zweifel an der nur ergänzenden, die Prognose im Übrigen stützenden Heranziehung dieses Gutachtens.

62

Entgegen der Auffassung des Klägers (GA 1 VR 3.17 Bl. 365) begründet die Übermittlung des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten an den Sachverständigen durch die Beklagte zwecks Stellungnahme zu der dort angeführten Kritik an seinem Gutachten jedenfalls im Ergebnis kein Verbot, diese im gerichtlichen Verfahren zu verwerten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Fehlen einer Entbindung des Gutachters von der Schweigepflicht seitens des Klägers - dessen sich der Gutachter im Übrigen bewusst war - den von diesem gegebenen, lediglich abstrakten und die zugrunde gelegten Prognosemaßstäbe betreffenden Antworten entgegenstehen könnte. Auch sonst begegnet die Verwertung der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters ebenso wie die Verwertung des Gutachtens als solches, das bereits von der Beklagten für die angefochtene Anordnung herangezogen und ausgewertet worden war, ohne dass dies beanstandet worden wäre, und auf das vom vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst Bezug genommen worden ist, im vorliegenden Verfahren mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) nach Vorlage der entsprechenden Akten jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 411a ZPO). Zu einer näheren Auseinandersetzung mit den Prognosemanualen sieht der Senat auch weiterhin keinen Anlass, zumal er das Gutachten nur wie eine in die Gefahrenprognose einfließende Stellungnahme und nicht wie ein echtes Sachverständigengutachten, dessen es hier nicht bedarf (siehe unten), verwertet.

63

Unerheblich ist, ob die - z.T. vorstehend wiedergegebenen - mündlichen Angaben, die der Kläger bei verschiedenen Befragungen u.a. durch die Polizei gemacht hat, in einem Strafverfahren verwertbar wären, was er weiterhin bezweifelt. Die im Klageverfahren aufrecht erhaltenen und vertieften Rügen des Klägers betreffen insoweit spezifisch strafprozessuale Garantien (z.B. die Eröffnung vor einer Vernehmung, welche Tat einem Beschuldigten zur Last gelegt wird <§ 136 Abs. 1 Satz 1 StPO>, Belehrung über das Schweigerecht, das Recht, vor der Vernehmung einen Verteidiger zu befragen<§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO> oder die Notwendigkeit der Zuziehung eines Pflichtverteidigers; jugendspezifische Modifikationen solcher Belehrungen gemäß § 70a JGG), die im vorliegenden gefahrenabwehrrechtlichen Zusammenhang nicht einschlägig sind, weshalb ihre - unterstellte - Missachtung in diesem Zusammenhang kein Verwertungsverbot begründen könnte. Darin liegt keine "Umgehung" strafprozessualer Garantien. Dass die Befragungen elementaren rechtsstaatlichen Anforderungen, zu denen etwa das Folterverbot zählt, oder Grundsätzen rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung nicht genügt haben könnten, woraus ggf. auch im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext ein - verfassungsunmittelbares - Verwertungsverbot erwachsen könnte, ist anhand der Einwände des Klägers und unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Polizei vom 12. Mai 2017 (Verwaltungsvorgang = VV Bl. 447) nicht erkennbar.

64

ee) Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Bewertung, dass von dem Kläger ein beachtliches Risiko ausgeht, dass er einen terroristischen Anschlag, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen, begeht oder sich an einem solchen beteiligt. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist er der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen und pflegt Kontakte mit Personen aus diesem Umfeld. Er sympathisiert mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" sowie deren Märtyrerideologie und billigt die Anwendung von Gewalt bis hin zur Tötung von Menschen unter bestimmten, selbstdefinierten Voraussetzungen. Die von ihm gemachten Einschränkungen (keine Zivilisten/unschuldige Menschen) schließen zum einen terroristische Anschläge, etwa auf Soldatenstützpunkte oder Justizgebäude, nicht aus. Zum anderen sind sie nicht glaubhaft, weil der Kläger in dem erwähnten Chat mit der "C. U." genannten Person auch geäußert hat, er wisse, wo sich in B. "viele Menschen" oder eine "Kurdendemo" befänden. Auch der M. wollte nach Angaben des Klägers einen Anschlag auf Zivilisten planen; hierzu erklärte sich der Kläger ohne Einschränkungen bereit. Warum er in diesem Zusammenhang nicht widersprach, wenn er dies eigenen Angaben zufolge nicht billigte, konnte er nicht erklären. Die Schädigung auch und vor allem von Zivilisten entspricht im Übrigen dem typischen Bild der in den letzten Jahren in Europa verübten, dem "IS" zugerechneten Terroranschläge. Dies ist auch dem Kläger bekannt, auf dessen Smartphone u.a. Bildmaterial zu dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz aufgefunden worden ist.

65

Ohne Erfolg wendet der Kläger gegen die Würdigung der verschiedenen Chats ein, der Senat habe bestimmte Widersprüche übersehen (Schriftsatz vom 9. Februar 2018, S. 3 f.). Dieser Annahme liegen vielmehr Missverständnisse des Klägers zum Akteninhalt und zum Senatsbeschluss zum vorläufigen Rechtsschutz zugrunde. Soweit M. M. nach polizeilichen Erkenntnissen davon ausgegangen ist, dass sein Chatpartner nach Syrien ausgereist sei (vgl. Strafanzeige vom 8. Februar 2017, Strafakte Hauptakte Bd. I, Bl. 3 ff.), betrifft dies den Chat mit einem unbekannten Partner, also nicht dem Kläger (Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 40). Die Angaben des Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung am 7. Februar 2017 (P2 Bl. 136) deuten dabei darauf hin, dass es sich bei diesem Unbekannten um die "C. U." genannte Person handelt, mit der der Kläger seinerseits später gechattet hat. Auch wird in Rn. 40 des zitierten Beschlusses keineswegs ausgeführt, der Kläger habe gegenüber M. M. aus E. angegeben, eine "Operation in Deutschland zu planen". Soweit die Aussagen und Angaben des Klägers im Übrigen von Ambivalenzen durchsetzt sind, unterliegen auch diese der gerichtlichen Beweiswürdigung.

66

Die Hinwendung des Klägers zu einer gewaltbejahenden, jihadistischen Ausrichtung des Salafismus kommt schließlich in der von ihm ins Internet gestellten Fake-News zum Ausdruck, in der er offen zum Jihad aufruft: "Wenn ihr schon nicht auswandert und kämpft, dann macht es hier. Allah gibt euch die Möglichkeit, den Jihad auch hier zu führen". Sie wird weiter bestätigt durch die Menge und insbesondere den Inhalt des auf seinem Smartphone aufgefundenen "IS"-Propagandamaterials. Inwieweit er dieses bereits angesehen hat, spielt dabei keine Rolle. Denn jedenfalls ist davon auszugehen, dass er im Wesentlichen wusste, was er dort herunterlud, und die Dateien irgendwann auch ansehen wollte. Der Einwand, kriminologisch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum medialer Gewalt und deren Anwendung in der außervirtuellen Realität, mag für allgemeine Gewalthandlungen dem überwiegenden Forschungsstand entsprechen, der aber nicht auf ideologisch motivierte Gewalthandlungen bezogen ist. Dies führt daher ebenso wenig zu einer günstigeren Prognose wie der Umstand, dass nicht alles, was der Kläger im Internet gepostet hat, eine Entsprechung in der Realität hat. Denn die im Verhalten des Klägers jedenfalls nicht nur punktuell oder vorübergehend zum Ausdruck kommende gewaltbejahende Haltung ist vorliegend nur ein Element im Rahmen einer vom Senat vorgenommenen umfassenden Persönlichkeitsbewertung.

67

Der Kläger hat sich auch nicht nur passiv abwartend verhalten oder auf Anstöße Dritter lediglich positiv reagiert. Er hatte vielmehr eigenen Angaben zufolge bereits mehrere andere Personen gefragt, ob sie sich an einem Anschlag beteiligen würden. Nicht zuletzt das Herunterladen einer konkreten Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Bau einer Splitterbombe mit einfachen Mitteln dokumentiert, dass der Kläger ernsthaft mit dem Gedanken eines Anschlags spielte. Dies bestätigte er in dem aus der Abschiebehaft heraus gegebenen Interview, in dem er angesprochen auf das Bombenbau-Video erklärte, dieses aus Interesse heruntergeladen zu haben. Auch im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung zur Anordnung von Untersuchungshaft hat der Kläger eine intensive Befassung mit diesem Video und ein ohne Anschlagspläne nicht hinreichend erklärliches, ausgeprägtes Interesse an den Verwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen von Bomben erkennen lassen (Strafverfahren 508 Js 9347/17, Hauptakte Bd. II, Bl. 244).

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Die Einschätzung, dass ein Terroranschlag unter Beteiligung des Klägers in überschaubarer Zukunft im Zeitpunkt seiner Abschiebung hinreichend wahrscheinlich war, wird auch durch die von ihm selbst gegenüber verschiedenen Adressaten (Schule, Polizei) geäußerten Suizidgedanken bestätigt. Seine spätere Distanzierung hiervon rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie Ausdruck der vielfältigen Stimmungs- und Meinungsschwankungen des Klägers und im Übrigen nicht glaubhaft ist. In einem Vermerk der Polizei ist festgehalten, dass der Kläger "in der damaligen Situation seine Depression und Suizidgedanken sehr eindringlich und überzeugend darstellte. Zu Beginn sackte er vor KOK B. zu Boden und schilderte in Folge über einen längeren Zeitraum immer wieder unter Tränen gegenüber der Polizei sowie dem Sozialpsychiatrischen Dienst seine Suizidgedanken". Noch im Gespräch mit dem Sachverständigen Anfang 2017 hat sich der Kläger von Suizidgedanken nicht eindeutig distanziert, sondern diese letztlich bestätigt. So hat der Kläger ausweislich des Gutachtens von Dr. K. angegeben: "Die Selbstmordgedanken seien erst nach der Razzia gekommen, das sei so gewesen wie nach der ersten Razzia vor etwa drei Jahren. Sonst habe er niemals Selbstmordgedanken gehabt. Er habe auch niemals ein Attentat machen wollen. Das Ziel des Sterbens sei doch lediglich, ins Paradies zu kommen, das wolle er." Der Sachverständige geht von einer zum Zeitpunkt der stationären Einweisung akuten suizidalen Gefährdung aus. Bezogen auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung erkannte er weiterhin die - lediglich nicht (mehr) akute - Gefahr, dass der Betroffene sich selber tötet oder erheblichen Schaden zufügt oder aber in diesem Zusammenhang auch andere tötet oder diesen erheblichen Schaden zufügt (VV Bl. 183). Dies erscheint auch angesichts des vergleichsweise kurzen Klinikaufenthalts und der vom Kläger selbst geschilderten, bereits wiederholt aufgetretenen Suizidgedanken für den Senat nachvollziehbar.

69

Zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung - etwa durch eine vom Kläger angeregte Vernehmung der beiden bei seinem Zusammenbruch anwesenden Polizeibeamten - hatte der Senat in diesem Zusammenhang angesichts des hinreichend stimmigen Bildes keinen Anlass. Einen förmlichen Beweisantrag hat der Kläger im Übrigen hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

70

Gegen eine vom Kläger ausgehende Gefahr eines Terroranschlags spricht auch nicht, dass er immer wieder betont hat, ein Selbstmord sei mit seinem Glauben nicht zu vereinbaren. Selbst wenn man die Glaubensüberzeugung als verfestigte annimmt, hindert dies nicht die Begehung eines Anschlags, bei dem er in Kauf nimmt, selbst getötet zu werden ("Also einfach laufen und schießen und erschossen werden", s.o.).

71

Bei der Gefährdungseinschätzung ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger als naiv, leicht beeinflussbar und seine Meinungen rasch ändernd beschrieben wird, was durch zahlreiche seiner Äußerungen bestätigt wird. Soweit er durch seine bei Anhörungen und Vernehmungen und in den in der Haft verfassten Briefen getätigten Aussagen den Eindruck vermittelt hat, einem "friedlichen" Zweig des Salafismus zuzuneigen, wonach ein Selbstmordanschlag verboten sei, und denjenigen "Gelehrten" zu vertrauen, die dies ablehnen, handelt es sich erkennbar auch um verfahrensangepassten Vortrag. Überdies weist es nicht auf eine hinreichend gefestigte Meinungs- und Einstellungsänderung, weil an anderer Stelle angegeben wird, er sei ein "Suchender" und wisse "ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit" (AG Bremen 71 F 134/17 EAUB Bl. 57, 58). Er oszillierte zwischen einer gemäßigten und einer klar jihadistischen Ausrichtung seiner religiösen Vorstellungen jedenfalls verbal hin und her und hat auch für letztere deutliche Sympathien gezeigt. Zu den nicht hinreichend stabilen und zudem verfahrensangepassten Äußerungen rechnet auch seine zuletzt erfolgte Distanzierung von jihadistischen Vorstellungen. So bezeichnete er nunmehr C. Y. und weitere distanzierend als "Hassprediger, die zum IS aufrufen. Die radikalisierten lernen ALLE von den" (VV Bl. 353). Dabei ließ er aber unerwähnt, dass er laut einem Chat mit seiner Partnerin von Dezember 2016 die "gleiche aqidah" (Glaubensüberzeugung, Fundament) wie C. Y. hat und zu diesem auch persönlich Kontakt hatte (P6 Chatverlauf U. G.).

72

Angesichts seiner von vielen Beobachtern - darunter auch seiner Mutter - beschriebenen Leichtgläubigkeit und Beeinflussbarkeit brauchte es nach der Einschätzung des Senats selbst dann, wenn der Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung von der Begehung eines Terroranschlags noch nicht überzeugt gewesen sein sollte, nur eines geringen Anstoßes durch "Freunde" bzw. "IS"-Kontakte, um ihn zu einem solchen Schritt zu bewegen. Dazu konnte etwa ausreichen, dass ihn jemand davon überzeugte, Deutschland sei ein Land, das die Muslime "angreift". Von eben dieser Ideologie gehen seiner Meinung nach die "Hassprediger, die zum IS aufrufen", aus, und er hat in einem handschriftlichen Brief eingeräumt, diesen bis vor kurzem auch gefolgt zu sein. Erst drei Wochen zuvor habe er sich von diesen Leuten abgewandt und sich von dieser Ideologie distanziert. Gründe für diesen plötzlichen Sinneswandel hat er jedoch nicht benannt. Auch Dr. K. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass ein Mangel an tiefgreifender Einsicht bestehe und die vorgegebenen Einsichten eher oberflächlicher Natur seien. Dessen Einschätzung, die gezeigte plötzliche Reue und Einsicht könne kaum die Folge eines reflektierten Prozesses in dieser Kürze der Zeit sein, sondern dürfte lediglich unter dem Eindruck der eingeleiteten Maßnahmen entstanden sein und sei insofern nicht als ausreichend tiefgreifend und stabil anzusehen (Gutachten S. 48), ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar und wird durch die beigezogenen Verwaltungsvorgänge bestätigt.

73

Der Kläger konnte einer weiteren Einflussnahme durch Internetkontakte und schnell als Freunde betrachtete Bekannte aus der salafistischen Szene etwa in dem von ihm frequentierten Islamischen Kulturzentrum ... (...) aus seiner Persönlichkeit heraus, aufgrund familiärer Einbindung oder Betreuung durch die Jugendhilfe im Zeitpunkt seiner Abschiebung auch nichts (Hinreichendes) entgegensetzen (siehe auch Gutachten S. 49). Wie ein Polizeibeamter festgestellt hat und sich auch aus seinen zur Akte gelangten handschriftlichen Schreiben ergibt, kreiste sein ganzes Denken praktisch ausschließlich um den Islam und die Frage, was die Religion ihm gebietet. Trotz mehrerer Gefährderansprachen und einer ihm zur Seite gestellten Erziehungsbeistandschaft hat er sich von der radikalen islamistischen Szene nicht lösen können. Noch nach Erlass der angefochtenen Verfügung suchte er aus der Abschiebehaft heraus Kontakt zu einer der Personen, die er zwecks Teilnahme an einem Attentat angefragt hatte, sowie zu dem M. aus E., der nach Angaben des LKA D. eine psychische Erkrankung/Schizophrenie aufweisen soll. Letzterer sowie zwei weitere Personen, die zwecks Ausreise nach Syrien in die Türkei gereist und dort festgenommen worden waren, hätten nach Einschätzung des Klägers ihre Ansichten nunmehr geändert und seien nicht mehr radikal. Dem M. vertraue er jetzt (P2 Bl. 220). Schließlich hat der Kläger weiterhin Kontakt zu seinem Freund und Arabisch-Lehrer T. H. unterhalten, der - u.a. als Besucher des ... - der salafistischen Szene in B. zuzurechnen ist (vgl. AA Bl. 260) und ihn in der Abschiebehaft besuchen wollte (GA 1 VR 3.17 Bl. 360, 379 ff.). Dies bekräftigt die bei Abschiebung gerechtfertigte Prognose, dass der Kläger auch zukünftig nicht in der Lage sein wird, sich aus der radikal-salafistischen Szene zu lösen, und dass er aufgrund seiner bereits tiefen Verstrickung in diese und seinen absolut überzeugten religiösen Ansichten zeitnah wieder an einen Punkt gelangen kann und wird, an welchem er terroristischen Handlungen zuneigt (s.a. P2 Bl. 226).

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Für eine weiter fortschreitende Empfänglichkeit für radikales Gedankengut und eine dieses umsetzende Gewaltbereitschaft spricht auch, dass der Kläger in den radikal-salafistischen Kreisen eine Aufwertung und ein Gefühl des Dazugehörens erfahren hat, die ihm im sonstigen Leben angesichts weitgehenden schulischen Versagens und den daraus resultierenden Konflikten mit seinen Eltern nicht zuteil geworden sind. Zahlreiche Einschätzungen etwa von Lehr- und Betreuungspersonen, Polizeibeamten sowie des Pflegepersonals im Klinikum wiesen auf eine schwierige Zukunftsperspektive hin. So hat etwa ein Polizeibeamter seine Eindrücke dahin geschildert, dass sich die Interessen des Klägers ganz auf den Islam fokussierten: "Der Betroffene wirkte sehr schlicht und naiv. Er weist keine seinem Alter entsprechende Intelligenz auf. Sein Wissen dreht sich nur über den Islam. Dadurch wird das Allgemeinwissen komplett in den Hintergrund gedrängt. Viele ihm gestellte Fragen konnte der Betroffene nicht beantworten oder er gab eine Antwort, die keinen Sinn ergab" (AA Bl. 259). Ebenso wenig konnte darauf vertraut werden, dass eine stabile Beziehung zu seiner Freundin/islamisch angetrauten Ehefrau im Ernstfall geeignet sein könnte, ihn von der Begehung eines Terroranschlags abzuhalten. Diese bewegt sich in den gleichen islamistischen Kreisen wie der Kläger. Ihr früherer Lebensgefährte soll ihr geraten haben, den Kläger in der Haftanstalt mit einem Bombengürtel zu besuchen. Mit diesem früheren Lebensgefährten U. C. hat auch der Kläger Kontakte gepflegt. Er ist eine der Personen, die der Kläger für die Beteiligung an einem Anschlag angefragt hat ("S"), und auch in einem Chat mit seiner Freundin tauschten beide sich umfangreich über U. C. und dessen Ausreisepläne aus (Kläger: "Er lösst dich vllt hier - Und geht mit mir" ). Unabhängig davon war die Beziehung des Klägers zu seiner Partnerin nach dem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Juni 2017 (S. 13) aber noch vor seiner Abschiebung beendet und kam schon deshalb als mögliches "Korrektiv" nicht mehr in Betracht.

75

Aus den vorstehend genannten Gründen hält der Senat es - bezogen auf den Zeitpunkt der Abschiebung - tatsachengestützt für hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger in überschaubarer Zukunft einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in Deutschland begehen würde, bei dem auch Unbeteiligte ums Leben kämen. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation konnte sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dieser gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen. Der Senat verkennt nicht, dass auch andere Deutungen der festgestellten Tatsachen und Äußerungen nicht ausgeschlossen sind. Die für einen in überschaubarer Zukunft drohenden Terroranschlag sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte und Gründe waren aber mindestens ebenso gewichtig wie die möglicherweise für eine gegenteilige Prognose sprechenden Gründe. Dies reicht nach den oben dargelegten Maßstäben für das im Rahmen von § 58a AufenthG erforderliche, aber auch ausreichende beachtliche Risiko aus.

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ff) Der Senat hat bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes darauf hingewiesen, dass er zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen kann, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus - dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Dies bestätigen die Angaben der Vertreter der Beklagten und des LKA Bremen in der mündlichen Verhandlung zur Funktion und Handhabung von RADAR-iTE. Danach handelt es sich hierbei lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt.

77

Der Vertreter des LKA Bremen hat auf Nachfrage weiter ausgeführt, das Bundeskriminalamt (BKA) habe RADAR-iTE auf den Kläger angewandt und das Ergebnis dem LKA Bremen am 7. Februar 2017 übermittelt. Das LKA Bremen habe sich sodann einen eigenen Eindruck verschafft und eine Gefährdungsbewertung erstellt. Alle der RADAR-iTE-Anwendung und der Gefährdungsbewertung des LKA zugrunde gelegten Tatsachen seien dem Senator für Inneres zur Verfügung gestellt worden und Bestandteil der dem Senat vorliegenden Akten. Im Ergebnis habe RADAR-iTE beim Kläger zu einem Punktwert von 5 geführt, der für sich allein ein "moderates Risiko" bedeute. Der eher geringe Punktwert ergebe sich vor allem daraus, dass hier kein Fall vorliege, in dem der Betroffene bereits unmittelbar physische Gewalt angewandt habe. Zusätzlich seien beim Kläger jedoch zwei "rote Flaggen" festgestellt worden, nämlich die "behördliche oder gerichtliche Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung" sowie Suizidalität bzw. "psychiatrische Erkrankungsvermutung". Der Punktwert 5 in Verbindung mit den beiden "roten Flaggen" bedeute im Ergebnis ein "auffälliges Risiko", d.h. die erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer schweren Gewalttat in Deutschland. Dabei seien auch die hohe Beeinflussbarkeit des Klägers, sein verminderter "Überlebensinstinkt", und die Tatsache berücksichtigt worden, dass die Familie keinen ausreichenden "Schutzraum" dargestellt habe. Das BKA habe die RADAR-iTE-Anwendung als Verschlusssache eingestuft, weshalb diese nicht Bestandteil der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge (sondern aus diesen ausgeheftet worden) sei.

78

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Prognoseinstrument RADAR-iTE in das Verfahren einzubeziehen und auf den Kläger anwenden zu lassen, war vor diesem Hintergrund schon deshalb abzulehnen, weil er durch die vorstehenden Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überholt war. Auch dem Antrag, die so gewonnenen Erkenntnisse im Kontext des aktuellen Forschungsstandes von einem Sachverständigen bewerten zu lassen, brauchte der Senat nicht nachzukommen, weil er nicht auf eine dem Beweis zugängliche Tatsache gerichtet war. Bei beiden Begehren handelte es sich zudem insgesamt um einen Beweisermittlungsantrag.

79

Ebenso wenig war dem Antrag zu entsprechen, die Verwaltungsvorgänge des LKA Bremen und des BKA betreffend die RADAR-iTE-Anwendung auf den Kläger beizuziehen. Es ist weder plausibel dargelegt noch ersichtlich, inwiefern die Beiziehung dieser Akten geeignet sein könnte, zu einer für den Kläger günstigeren Gefährlichkeitsbewertung zu führen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Zum einen spricht angesichts der dargelegten Erläuterungen des Vertreters des LKA Bremen nichts dafür, dass diese Vorgänge weitere, bisher im vorliegenden Verfahren nicht aktenkundige Basistatsachen enthalten, die in die Gefahrenprognose einzustellen wären. Zum anderen ist das Ergebnis der RADAR-iTE-Anwendung, es bestehe ein "auffälliges Risiko", mit dem Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Prognose auch nicht erkennbar unvereinbar.

80

Anders als der Kläger meint, bedarf es für diese - auf einer breiten Tatsachengrundlage beruhende - Gesamtschau auch nicht der Einholung eines konkret auf die Gefahreneinschätzung im Sinne des § 58a AufenthG bezogenen, "psychowissenschaftlichen" Sachverständigengutachtens. Dem Beweisantrag,

"zum Beweis der Tatsache, dass die von dem Kläger getätigten Äußerungen betreffend terroristische Anschläge jugendtypischem Geltungsbedürfnis entsprungen sind und nicht auf einer tatsächlichen Bereitschaft zu einem terroristischen Anschlag beruhen, dem Kläger das Betreten des Bundesgebiets zu ermöglichen und ihn durch einen im Bereich Jihadismus und Jugendkultur kompetenten Sachverständigen begutachten zu lassen,"

war daher schon wegen eigener hinreichender Sachkunde des Gerichts nicht nachzugehen. Im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung hat der Gesetzgeber vor dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG die vorherige Einholung eines Gutachtens nicht vorgesehen. Ein solches ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich. Mit einer Abschiebungsanordnung steht zwar ebenfalls ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in Rede, die Auswirkungen einer langfristigen Freiheitsentziehung auf die selbstbestimmte Lebensführung des Betroffenen sind im Vergleich dazu aber noch gewichtiger. Bei Ausweisungen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Behörde bzw. das Gericht die Gefahrenprognose aus eigener Kompetenz treffen können, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. September 2015 - 1 B 39.15 - Buchholz 402.261 § 6 FreizügG/EU Nr. 3 Rn. 12). Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG häufig noch keine Straftat begangen bzw. in einem Strafverfahren rechtskräftig nachgewiesen wurde, keinen Anlass, insoweit von anderen Grundsätzen auszugehen. Danach ist der Senat vorliegend zu einer eigenständigen Gefahreneinschätzung berufen. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist hier zuletzt mit forensisch-psychiatrischer Stellungnahme zur Frage der Haftfähigkeit vom 4. Mai 2017 (AA Bl. 593 ff.) verneint worden. Der Gutachter Dr. K. hatte eine definierte psychiatrische Störung zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ebenfalls nicht erkennen können, wenngleich ihm eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung nicht möglich war.

81

Der Senat musste den Kläger vor der Entscheidung über die vorliegende Klage auch nicht deshalb sachverständig begutachten lassen, weil sich die Prognosegrundlagen in der Zeit nach dem Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - wie der Kläger meint - "entscheidend verändert" haben könnten. Eine solche Veränderung ist bis zu der Anfang September 2017 erfolgten Abschiebung als dem für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Eventuellen Veränderungen nach diesem Zeitpunkt ist in einem Verfahren nach § 11 AufenthG Rechnung zu tragen.

82

Es bestand keine Veranlassung zu der vom Kläger angeregten Beiziehung der "vollständigen Akten" aller Sicherheitsbehörden, deren Einschätzungen und Stellungnahmen dieser Prognose unter anderem zugrunde liegen. Sowohl die Beklagte als auch der Senat haben die Gefahrenprognose auf Mitteilungen anderer Behörden lediglich insoweit gestützt, als diese sich aus den Akten schlüssig ergaben und dem Kläger somit eine Stellungnahme möglich war. Der Kläger teilt nicht mit, an welchen ergebnisrelevanten Einschätzungen anderer Behörden konkrete Zweifel bestünden, die gerade durch Beiziehung weiterer dort vermuteter Unterlagen behoben werden könnten. Der Senat sieht sich jedenfalls nicht gehalten, gewissermaßen ins Blaue hinein bei einer Vielzahl weiterer Bundes- und Landesbehörden das Vorhandensein etwaig einschlägiger, bisher nicht aktenkundiger Unterlagen zu erfragen. Dies ist insbesondere nicht erforderlich, um zu ermitteln, "auf welcher Grundlage die Chatpartner und indirekten Kontakte des Klägers tatsächlich als dem zugehörig betrachtet werden können". Für die Gefahrenprognose ist ausreichend, dass der Chatteilnehmer M. M. aus E. selbst behauptet hat, Verbindungen zum "Islamischen Staat" zu haben und nachweislich zumindest versucht hat, solche aufzunehmen. Das ergibt sich aber hinreichend aus dessen eigenen Angaben im Chatverlauf, wonach er "nach Syrien oder Iraq" wollte und deshalb eine Verfügung mit räumlicher Geltungsbeschränkung seines Personalausweises auf das Inland erhalten hat, sowie aus der Äußerung, dass sein Plan "der beste in der Geschichte von dawla sei"; Dawla werde in die Geschichte eingehen. Auch der Kläger selbst hat angegeben, M. habe ihm gesagt, dass die "Op von höchste abteilung von Dawla kommt". Hinsichtlich des weiteren Chatpartners Abdul Aziz Al Shami hat der Kläger eigenen Angaben zufolge selbst angenommen, dass dieser dem "IS" angehört und ein "Kämpfer" war (Beschuldigtenvernehmung des Klägers vom 7. Februar 2017, S. 2 = Akte P5 Bl. 63; Strafakte Bd. II S. 243). Von weitergehenden Nachweisen für eine tatsächliche Zugehörigkeit des M. oder des C. U. zum "IS" ist die hier zu treffende Risikoeinschätzung nicht abhängig.

83

Abzulehnen war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz beizuziehen und Einsicht insbesondere in den darin enthaltenen 30-seitigen Chat aus dem Gefahrermittlungsvorgang der Polizei zu gewähren. Entgegen der Annahme des Klägers befindet sich dieser Chat einschließlich des - hier ungeschwärzten - Übersendungsschreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das LKA Bremen und LKA NRW vollständig in der beigezogenen Strafakte (Hauptakte Bd. I, Bl. 111 ff.). Soweit in der Begründung des Antrags die Vermutung angedeutet wurde, es könne sich bei dem Chatpartner um einen "agent provocateur" handeln, wurden Anknüpfungstatsachen für diese (spekulative) Andeutung nicht benannt.

84

Eine persönliche Anhörung des - in die Russische Föderation abgeschobenen - Klägers durch den Senat war schließlich ebenfalls nicht geboten. Die Gefahrenprognose beruht auf einer umfassenden Tatsachengrundlage, die der Senat aus den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen, der Strafakte, den Akten des familiengerichtlichen Verfahrens und dem Gefahrermittlungsvorgang der Polizei gewonnen hat. In diesem umfangreichen Aktenmaterial ist auch der Kläger in vielfacher Weise zu Wort gekommen und zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt worden. Im Verfahren über die Abschiebehaft wurde er durch die dafür zuständigen Richter mehrfach persönlich angehört. Im gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie erneut im Klageverfahren vor dem Senat hatte er Gelegenheit, sich über seine Prozessbevollmächtigte schriftlich zu äußern. All dies hat der Senat zur Kenntnis genommen und verwertet; eine weitere Amtsermittlung durch persönliche Anhörung des Klägers, für die dieser nach Erteilung einer Betretenserlaubnis kurzfristig zurück nach Deutschland geholt werden müsste, drängte sich nicht auf.

85

Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich hier kein Anspruch auf persönliches Erscheinen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren, in denen sich ein Kläger gegen seine Abschiebung wendet, bereits nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <125>; EGMR , Urteil vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98, Maaouia/Frankreich - Rn. 35 ff., EZAR 939 Nr. 1 = InfAuslR 2001, 109 ; ebenso EGMR, Urteile vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98, Ferrazzini/Italien - Rn. 28 und vom 10. Januar 2012 - Nr. 22251/07, G.R./Niederlande - Rn. 48). Zwar kann sich der Kläger hinsichtlich seiner Rechte aus Art. 3 und 8 EMRK auf das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK berufen; diesem ist aber mit den vorliegend vor dem Bundesverwaltungsgericht eröffneten Rechtsbehelfen (Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit aufschiebender Wirkung und Klage), die das Recht auf Gehör mittels anwaltlicher Vertretung gewährleisten und zu einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung führen, Genüge getan. Einen Anspruch auf persönliche Anhörung vor der nationalen Beschwerdeinstanz in einer mündlichen Verhandlung hat der EGMR aus Art. 13 EMRK hingegen bisher nicht abgeleitet (vgl. Meyer-Ladewig/Renger, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 13 Rn. 13).

86

c) Unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG unterfällt, ist sie auch mit den sich hieraus ergebenden materiellen unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger schon wegen der von ihm ausgehenden Gefahr einer terroristischen Gewalt nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/115/EG). Dem steht nicht die Rechtsprechung des EuGH entgegen, wonach nicht automatisch auf normativem weg oder durch die Praxis davon abgesehen werden darf, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-554/13 [ECLI:EU:C:2015:377] - Rn. 70). Denn in den Fällen des § 58a AufenthG liegt bereits in der einzelfallbezogenen Prüfung und Feststellung des Tatbestandes die vom EuGH (ebenda Rn. 50, 57) verlangte einzelfallbezogene Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die so gravierend ist, dass von einer Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise ganz abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 35).

87

Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass die Ausländerbehörde es nach Durchführung der Abschiebung mit Verfügung vom 1. Dezember 2017 abgelehnt hat, das Aufenthalts- und Einreiseverbot zu befristen, was bei Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie und daraus folgender Unionsrechtswidrigkeit des in § 11 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots als Anordnung eines unbefristeten Einreiseverbots durch die Behörde ausgelegt werden könnte (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 71 f.); diese Verfügung dürfte mit der zunächst gescheiterten, im März 2018 aber wiederholten Bekanntgabe an die Prozessbevollmächtigte des Klägers inzwischen auch wirksam geworden sein. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser ggf. zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames "Rückkehr-Handbuch" , das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist). Diese Frage ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die - bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG - von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob eine Abschiebung rechtswidrig ist, wenn zuvor nicht eine Befristung eines mit der Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots nach Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG erfolgt ist. Im vorliegenden Verfahren geht es weder um die Rechtmäßigkeit der hier von der Ausländerbehörde erst nach der Abschiebung getroffenen Entscheidung zur Anordnung bzw. Dauer eines unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots noch um die Rechtmäßigkeit der Abschiebung des Klägers. Streitgegenständlich ist nur die Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte oder - wie hier - im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung zunächst unterbliebene behördliche Entscheidung zur Anordnung bzw. Dauer eines Einreiseverbots würde nicht zur Unionsrechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen. Denn das Einreiseverbot soll zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet werden (vgl. Art. 11 Abs. 1a Richtlinie 2008/115/EG: "gehen... einher"), stellt aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung dar, für die vorliegend eine andere Behörde zuständig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 3 f.), und die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 36). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie Anhaltspunkte für einen "Rechtswidrigkeitszusammenhang" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen. Damit bedarf es auch insoweit nicht des von der Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH (vgl. Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage II.).

88

d) Der Erlass einer Abschiebungsanordnung durch die oberste Landesbehörde war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG vor, hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde - etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung - oder Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen); ein Auswahlermessen kommt hingegen nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht, was hier nicht der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 39).

89

Vorliegend hat die oberste Landesbehörde ihr Entschließungsermessen fehlerfrei dahin ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Kläger ausgehenden Gefahr zu begegnen. Mildere, zur Gefahrenabwehr gleich geeignete Mittel waren nicht verfügbar. Eine stationäre, geschlossene Jugendhilfemaßnahme von zumindest einem halben Jahr, die der Sachverständige Dr. K. als die am besten geeignete Maßnahme bezeichnet hat, um das Wohl des Klägers und der Allgemeinheit zu sichern, scheiterte an der seit Volljährigkeit erforderlichen Zustimmung des Klägers, die dieser ungeachtet seiner Bereitschaft, an anderweitigen Maßnahmen mitzuwirken, gerade nicht erteilt hatte. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Kläger diese Entscheidung vor seiner Abschiebung glaubhaft revidiert hätte. Auf die Frage, ob ausreichende Bemühungen entfaltet worden sind, einen entsprechenden Platz für den Kläger zu finden, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Die Unterbringung in einer offenen Jugendhilfeeinrichtung ist zu einer effektiven Abwehr der in Deutschland drohenden Anschlagsgefahren demgegenüber nicht gleich geeignet wie eine Abschiebung in die Russische Föderation. Gleiches gilt umso mehr für ambulante Maßnahmen der Betreuung, etwa durch die "k.", die schon in der Vergangenheit eine fortschreitende Radikalisierung des Klägers nicht verhindern konnten.

90

Polizeirechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr hat die Beklagte ermessensfehlerfrei als nicht hinreichend effektiv angesehen. Auf wiederholte Gefährderansprachen hat der Kläger nicht reagiert. Die vom Amtsgericht Bremen durch Beschlüsse vom 17. Januar 2017 (nicht umgesetzt aufgrund der Unterbringung des Klägers) und vom 27. Februar 2017 auf Antrag der Polizei jeweils für einen Monat getroffenen Anordnungen längerfristiger verdeckter Observation nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 BremPolG (P2 Bl. 100 und 139) sind nicht gleichermaßen geeignet wie eine Abschiebung, eine Realisierung der vom Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr in Deutschland zu verhindern. Nichts anderes gilt für denkbare andere polizeirechtliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel, eine Überwachung der Internetkommunikation oder gar die dem Kläger durch Verfügung vom 24. Februar 2017 auferlegte Meldepflicht (vgl. P2 Bl. 146).

91

Die Abschiebungsanordnung erweist sich angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch im Übrigen als verhältnismäßig und mit Art. 8 EMRK vereinbar. Die oberste Landesbehörde hat bei ihrer Entscheidung gewürdigt, dass sich der im Zeitpunkt seiner Abschiebung ...-jährige Kläger seit fünfzehn Jahren (2002) im Bundesgebiet aufhielt, hier den Hauptschulabschluss erlangt hat, bis zu seiner Verhaftung weiter die Schule besuchte und über soziale Bindungen an Eltern und Geschwister verfügt, in deren Haushalt er lebte, sowie an Freunde und die nach religiösem Ritus angetraute deutsche Ehefrau, die in einem getrennten Haushalt lebte. Dabei ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass diese Ehe jedoch nicht dem Schutz des Art. 6 GG unterfällt (zur fehlenden aufenthaltsrechtlichen Anerkennung vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 16). Unabhängig davon war diese Beziehung nach den Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 11. Juni 2017 noch vor seiner Abschiebung beendet und konnte einer Abschiebung schon deshalb nicht mehr entgegenstehen. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen zudem im Klageverfahren sinngemäß dahin ergänzt, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Klägers am Verbleib in Deutschland auch dann überwiege, wenn der Kläger kein Russisch spreche und in den für eine Rückkehr in Frage kommenden Regionen seines Herkunftslandes nicht über familiäre Verbindungen verfüge.

92

Diese Ermessenserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 und 2 VwGO). Insbesondere war die Aufenthaltsbeendigung unter den hier gegebenen Umständen auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Zwar stellt die Abschiebung einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Familien- und Privatleben dar (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03, Maslov/Österreich - Rn. 61 ff.). Dieser ist aber gesetzlich vorgesehen, verfolgt mit der Abwehr terroristischer Gefahren für die Bevölkerung in Deutschland ein legitimes Ziel von höchstem Rang und erweist sich vor diesem Hintergrund auch als in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich.

93

Hierbei war dem Kläger der langjährige Aufenthalt in Deutschland, wo er seine gesamte Schulausbildung erworben hat, zugute zu halten, wie auch seine Bindung an die in Deutschland legal aufhältigen Eltern und Geschwister, die russische Staatsangehörige sind. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass er mit seinen Eltern und Geschwistern zunächst erfolglos unter falschem Namen Asylverfahren betrieben hat und erst - nachdem eine Abschiebung wegen Passlosigkeit jahrelang nicht möglich war - seit dem Jahr 2012 (nach Richtigstellung der Personalien) über einen legalen Aufenthalt verfügte, der bis zu seiner Abschiebung in befristeten Aufenthaltserlaubnissen bestand. Demgegenüber verfügte er außerhalb Dagestans - soweit im Zeitpunkt der Abschiebung bekannt - über keine familiären Bindungen in seinem Herkunftsland Russische Föderation, das ihm weitgehend unbekannt gewesen sein dürfte. Der Senat geht im Klageverfahren zudem zugunsten des Klägers davon aus, dass er nicht über Grundkenntnisse der russischen Sprache verfügt (anders noch Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 77). Der Kläger hat angegeben, außer Deutsch nur die in Dagestan gebräuchliche und in seiner Familie allein verwendete Sprache Kumykisch zu sprechen. Dies ist ihm ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nicht zu widerlegen. Da sich die Aufenthaltsbeendigung - wie im Folgenden ausgeführt wird - auch dann als verhältnismäßig erweist, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung nicht über Russischkenntnisse verfügte, waren die Beweisanträge des Klägers, zum Beweis fehlender Grundkenntnisse der russischen Sprache drei namentlich benannte Zeugen zu vernehmen, als für die Entscheidung unerheblich abzulehnen.

94

Da der Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung nicht in seine Heimatrepublik Dagestan zurückkehren konnte (siehe dazu unten e) aa)), musste davon ausgegangen werden, dass die Integration in die russischen Lebensverhältnisse ihm angesichts der fehlenden Sprachkenntnisse, fehlenden familiären Rückhalts und seiner Unerfahrenheit erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Mit Blick auf die von ihm ausgehende überaus schwerwiegende Gefahr eines terroristischen Anschlags lagen hier aber überragend wichtige Gründe vor, die eine Abschiebung gleichwohl rechtfertigten. Das gilt selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Radikalisierung und die der Abschiebungsanordnung zugrunde gelegten Tatsachen noch in die Zeit seiner Minderjährigkeit fallen. Der EGMR hat anerkannt, dass schwere Gewalttätigkeiten eine Ausweisung auch dann rechtfertigen können, wenn sie von einem Minderjährigen begangen worden sind (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03 - Rn. 84 f.). Dies ist auf Fälle übertragbar, in denen eine Begehung - noch schwerer wiegender - terroristischer Gewalttaten droht. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung schon dann erfüllt sind, wenn ein beachtliches Risiko für einen terroristischen Anschlag besteht, ohne dass die künftige Entwicklung sicher prognostiziert werden kann, führt hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem anderen Ergebnis.

95

Auch ohne die Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte sowie ohne Russischkenntnisse, die die Integration in die russischen Lebensverhältnisse zweifellos erleichtern würden, war es dem volljährigen und arbeitsfähigen Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung zuzumuten, sich in der Russischen Föderation eine Existenz aufzubauen. Daran ändert der Umstand nichts, dass er von seiner Persönlichkeitsentwicklung und Reife noch einem Jugendlichen entsprochen haben mag. Dies bedeutete nicht, dass ihm ein Leben ohne familiäre Unterstützung und anfangs ohne Kenntnisse der russischen Sprache unter Berücksichtigung der hier bestehenden hohen Zumutbarkeitsschwelle nicht möglich sein würde. Vielmehr war davon auszugehen, dass sich der Kläger Sprachkenntnisse, die für das tägliche Leben und einfache (Hilfs-)Arbeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen, vor Ort rasch aneignen kann. Unabhängig davon hat das Klagevorbringen nach der Abschiebung, wonach der Kläger in Nordwestrussland bei einem entfernteren Bekannten seiner Eltern aufgenommen wurde, aber auch erwiesen, dass er entgegen früherer Behauptung in der Russischen Föderation außerhalb Dagestans durchaus über Kontakte und Hilfestellung verfügt.

96

Bei der Frage der Zumutbarkeit auch größerer Integrationserschwernisse in der Russischen Föderation kann schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die einzige Maßnahme der Jugendhilfe - eine solche stationärer Art -, die mit Aussicht auf Erfolg erzieherisch auf ihn hätte einwirken können, abgelehnt hat. Weiter berücksichtigt der Senat, dass die Ausländerbehörde des Beklagten vor der Abschiebung Maßnahmen getroffen hat, die dem Kläger die erste Orientierung in P. erleichtern sollten (vgl. die Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 18. August 2017 im Verfahren Nr. 54646/17 vor dem EGMR sowie Schreiben des Migrationsamts vom 26. Juli 2017). Ihm wurden die Kontaktdaten von Hilfsorganisationen mitgeteilt; er wurde auch über mögliche ärztliche Versorgung an den P.er Flughäfen und Verkehrsverbindungen in die Innenstadt sowie Unterkunftsmöglichkeiten informiert. Zudem wurde er vor der Ankunft in P. mit einem Handgeld in Höhe von 300 € versorgt, um nicht mittellos zu sein. Vor diesem Hintergrund und angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags führen die gewichtigen privaten und familiären Belange hier nicht zur Unverhältnismäßigkeit der verfügten Aufenthaltsbeendigung und ihres Vollzugs.

97

Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach der deutschen Rechtslage - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Einzelnen noch offen ist - zunächst mit einer grundsätzlich unbefristeten Fernhaltung vom Bundesgebiet verbunden sein soll (vgl. § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AufenthG). Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von der Ausländerbehörde nach erfolgter Abschiebung des Klägers angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist und ob der Kläger möglicherweise unabhängig davon nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Denn auch der Adressat einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG kann jedenfalls eine nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung eines aufgrund behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes entstandenen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 AufenthG erreichen, wenn er glaubhaft darlegen kann, dass von ihm aufgrund nachhaltiger Veränderungen seines Verhaltens keine Gefahr mehr ausgeht. Eine spätere Wiedereinreise in das Bundesgebiet ist mithin - zumindest besuchsweise - nicht ausgeschlossen, auch wenn der Kläger dafür eines neuen Aufenthaltstitels bedürfte.

98

Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Abschiebung von Terrorverdächtigen das internationale Ansehen Deutschlands schädigen würde. Die Auswirkungen derartiger Abschiebungsanordnungen auf das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sind in § 58a AufenthG mit berücksichtigt. Es ist nicht Aufgabe der rechtsanwendenden Behörden oder Gerichte, die damit vom Gesetzgeber vorgenommene Bewertung zu korrigieren. Dass § 58a AufenthG oder seine Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall gegen bindendes Völkerrecht verstoßen könnte (GA 1 VR 3.17, Bl. 270 ff.), vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen.

99

e) Die Abschiebungsanordnung ist nicht wegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation im September 2017 kein solches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Abschiebung in den beabsichtigten Zielstaat ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung).

100

Vorliegend sprach im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers einiges dafür, dass hinsichtlich Dagestan bzw. der nordkaukasischen Teilrepubliken der Russischen Föderation die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben waren (aa). Das hinderte jedoch nicht die Vollziehung der Abschiebungsanordnung in andere Teile der Russischen Föderation, in denen dem Kläger eine zumutbare interne Niederlassungsmöglichkeit zur Verfügung stand (bb). Dies zugrunde gelegt bedurfte es keiner Zusicherung menschenrechtskonformer Behandlung seitens russischer Regierungsstellen (cc). Es lag auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen Suizidgefahr vor (dd).

101

aa) Der Senat sieht zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger angesichts des anzunehmenden Bekanntwerdens der Gründe seiner Abschiebung in der Russischen Föderation (dazu (1)) bei einer Rückkehr nach Dagestan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch die dortigen Sicherheitsbehörden einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt worden wäre (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, dazu (2)).

102

(1) Im Zeitpunkt der Abschiebung war davon auszugehen, dass die Gründe und Hintergründe der beabsichtigten Abschiebung des Klägers (Gefahr eines radikal-islamistisch motivierten Terroranschlags, salafistisch-religiöse Einstellung mit grundsätzlicher Billigung der Aktionen des sogenannten "Islamischen Staates") den russischen staatlichen Stellen aller Voraussicht nach bekannt werden würden. Dies war vor allem aufgrund der öffentlichen Berichterstattung in den Medien bzw. im Internet unter Nennung zur Identifizierung hinreichender Daten (K. C. aus B., geboren im ... in Dagestan) anzunehmen. Hinzu kam im vorliegenden Fall das im russischen Pass eingetragene, zwischenzeitlich aufgehobene Ausreiseverbot, das gegen den Kläger im Dezember 2014 angeordnet worden war und die Aufmerksamkeit der russischen Behörden zusätzlich auf sich zu ziehen drohte. Unabhängig davon ergibt sich aus einem Schreiben des Generalkonsulats der Russischen Föderation in Hamburg an die JVA B. vom 31. Juli 2017, das diesem die beabsichtigte Abschiebung des Klägers und die Gründe dafür aufgrund einer DPA-Nachricht ("Bundesgericht billigt Abschiebung von Islamisten nach Russland") bekannt gewesen ist.

103

(2) Unter Berücksichtigung dieses anzunehmenden Bekanntwerdens der Abschiebegründe bestand im Zeitpunkt der Abschiebung die tatsächliche Gefahr, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Dagestan durch die dortigen Sicherheitsbehörden der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, Art. 4 GRC ausgesetzt würde (vgl. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).

104

(a) Dabei geht der Senat für den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weiterhin von folgender Lagebeurteilung aus: Teile des Nordkaukasus und insbesondere Dagestan sind nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen der regionale Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Juni 2017, S. 13).

105

Der "IS" wird in der Russischen Föderation und speziell im Nordkaukasus in den letzten Jahren zunehmend als echte Bedrohung wahrgenommen, auf die seitens der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden vor allem im Nordkaukasus mit großer Härte reagiert wird: In diesem Landesteil gehen die Behörden gegen tatsächliche oder mutmaßliche Islamisten mit teils gewaltsamer Repression vor. Es kommt zu Razzien in Moscheen, Festnahmen, Zerstörung von Wohnhäusern angeblicher Islamisten, Misshandlungen, Entführungen und Fällen von "Verschwindenlassen" sowie "außergerichtlichen" Tötungen. Im Nordkaukasus wenden die lokalen Polizeibehörden sowie die nationalen Sicherheitsbehörden auch Folter an (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 40; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 6 und 7; zu den o.g. Maßnahmen siehe auch Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, 15. Januar 2016, http://www.ecoi.net/local_link/323719/463296_de.html (Zugriff am 28. September 2016). Salafisten werden von Angehörigen des Militärs und der Geheimdienste verdächtigt, den bewaffneten Aufstand zu unterstützen oder daran beteiligt zu sein, und nicht selten entführt und in der Folge getötet (Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, a.a.O.). Aktionen von Sicherheitskräften nehmen auch die Familienangehörigen von bewaffneten Untergrundkämpfern ins Visier. Menschenrechtsorganisationen beklagten ein Klima der Straflosigkeit für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 13 - 15). Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden - ihrer Straflosigkeit gewiss - missbrauchten ihre Macht, um im "Krieg gegen den Terror" Erfolgsquoten zu liefern oder gar um Geld von den Angehörigen der Verhafteten zu erpressen (Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Dagestan: Korruption bei der Polizei, 12. Oktober 2016).

106

Salafistische Organisationen bzw. Muslime, die religiösem Extremismus nahe stehen oder unter ausländischem Einfluss stehen sollen, werden in Dagestan als Wahhabiten bezeichnet und teilweise pauschal mit Terroristen gleichgesetzt (Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 1 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 52, 65). Sie müssen in Tschetschenien und Dagestan bereits ohne Hinzutreten weiterer Handlungen oder konkreter Verdächtigungen befürchten, von den Sicherheitsbehörden als "Extremisten" verhaftet zu werden. Auch das Tragen langer Bärte oder salafistischer Kleidung kann bereits zu Verhaftungen und Misshandlungen führen (Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 15).

107

(b) Ausgehend von dieser Erkenntnislage sprach bezogen auf den Abschiebezeitpunkt einiges dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Dagestan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung durch die lokalen oder föderalen Sicherheits- bzw. Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt würde, selbst wenn er sich dort einer salafistischen Betätigung, soweit diese die Grenzen der geschützten Religionsfreiheit überschreitet, enthält (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 90 f.).

108

bb) Dem Kläger standen im Zeitpunkt seiner Abschiebung auf der Grundlage der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisse jedoch Alternativen für eine Niederlassung in sonstigen Bereichen der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepubliken des Nordkaukasus (etwa in der Umgebung des Abschiebeziels P.) zur Verfügung. Hinsichtlich dieser Bereiche lagen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vor. Sie erfüllen hier zugleich die Voraussetzungen des internen Schutzes im Sinne von § 3e Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Daher stand dem Kläger auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter zu, ohne dass entschieden werden muss, ob dieses Abschiebungsverbot ohnehin wegen der vom Kläger ausgehenden Gefahren ausgeschlossen wäre (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG).

109

(1) Nach der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnislage drohte dem Kläger außerhalb des Nordkaukasus wegen der Handlungen und Äußerungen im Bundesgebiet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass er unter Berücksichtigung der ihm zugeschriebenen Terrorgefahr durch Sicherheitsbehörden oder Strafverfolgungsorgane der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt oder zwangsweise nach Dagestan zurückverbracht wird. Etwaige erst nach Rückkehr in die Russische Föderation entfaltete Aktivitäten, die den Verdacht begründen könnten, er neige dem gewaltbereiten Jihadismus zu oder plane oder unterstütze Terroranschläge, können kein Abschiebungshindernis begründen und waren außer Betracht zu lassen.

110

Der Senat verkennt nicht, dass aus Sicht der russischen Behörden auch außerhalb des Nordkaukasus die Gefahr von Terroranschlägen besteht. Radikale islamistische Netzwerke aus dem Nordkaukasus und Dagestan verfügen über Zellen in ganz Russland - von Moskau, St. Petersburg bis nach Sibirien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 3 und 15). Der russische Staat geht auch im übrigen Staatsgebiet konsequent gegen islamistische Terroristen vor. Erst im Juli 2016 wurde in der Russischen Föderation mit dem Ziel der effektiveren Bekämpfung des Terrorismus und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit das Strafrecht deutlich verschärft, worauf der Kläger hingewiesen hat (www.icnl.org/research/library/files/Russia/Yarovaya.pdf, GA 1 VR 3.17 Bl. 264). Zuvor ist im November 2013 in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit dem die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreicht werden sollte und das darauf abzielte, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 34; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 4 f.). Von einer entsprechenden Praxis außerhalb des Nordkaukasus wird demgegenüber bisher nicht berichtet; auch belegt diese Gesetzeslage ebenso wenig wie die Verschärfung des Strafrechts eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung von Terrorverdächtigen.

111

Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Ad-hoc-Bericht, Stand: Juni 2017, S. 20 f.) ist der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen aus Angst vor Terroranschlägen erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichteten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Solange die Konflikte im Nordkaukasus nicht endgültig gelöst sind, ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Das gilt insbesondere für Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagieren bzw. denen ein derartiges Engagement unterstellt wird, oder die - wie hier - im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.

112

Selbst wenn diese besondere Aufmerksamkeit auch Dagestanern entgegengebracht werden sollte, rechtfertigte die Zugehörigkeit zu einer solchen Risikogruppe ebenfalls noch nicht die Annahme, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Dies entspricht im Wesentlichen der in der fallbezogen erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2017 wiedergegebenen Einschätzung von Mitarbeitern der russischen Nichtregierungsorganisation "Komitee zur Verhinderung von Folter": Danach habe der Kläger im Falle seiner Abschiebung in die Russische Föderation mit einer Befragung und Überwachung zu rechnen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017 zu Frage 1a). Es erscheine jedoch nahezu ausgeschlossen, dass er "präventiv" gefoltert oder einer anderen Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt würde. Der Zuverlässigkeit dieser Auskunft steht nicht entgegen, dass der Leiter dieser Organisation nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes Mitglied des präsidialen Menschenrechtsrats ist (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - NVwZ 2017, 1531 Rn. 96). Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017 bestätigt, dass das "Komitee zur Verhinderung von Folter" eine allseits geachtete Organisation sei, deren Expertise auch in die Lageberichte des Auswärtigen Amtes einfließe.

113

Die vom Kläger eingeholte, im Verfahren vor dem EGMR vorgelegte Auskunft von U. I. (Civic Assistance Committee, Human Rights Center Memorial vom 19. August 2017 insbesondere zu Frage 3) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Darin heißt es, eine aus Deutschland abgeschobene Person werde zweifellos unter sozialer Kontrolle stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie verfolgt und gefoltert werde, sei erheblich und noch um ein Vielfaches höher, wenn sie mit dem Stigma, einen terroristischen Anschlag beabsichtigt zu haben, abgeschoben würde. Der Senat misst der gegenteiligen Einschätzung des "Komitees zur Verhinderung von Folter" weiterhin die größere Bedeutung bei. Zum einen kann sich die Auskunft von Frau I. nicht erkennbar auf konkrete Referenzfälle stützen (vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 7. November 2017 - 54646/17, X./Germany - Rn. 33). Mit der des Klägers vergleichbare Fallgestaltungen werden auch in den von ihr beigefügten Berichten der Nichtregierungsorganisationen Memorial Human Rights Center/Civic Assistance Committee nicht benannt ("Chechens in Russia", Moscow 2014; "Counter-terrorism in the North Caucasus: a human rights perspective. 2014-first half of 2016"; Moscow 2016, sowie "On the situation of Chechen Republic and Republic of Ingushetia residents in the Russian penal system, September 2011 to August 2014", September 2014, Moscow). Zum anderen wird die im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gewonnene Gefahrenbewertung des Senats nunmehr bestätigt durch die aktualisierte Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, das sich in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017 der Bewertung des "Komitees zur Verhinderung von Folter" angeschlossen und an seiner früheren abweichenden, pauschalen Stellungnahme vom 17. Mai 2017 nicht mehr festgehalten hat. Danach werden Personen, die sich in der Russischen Föderation nicht islamistisch betätigt haben oder dort aufgefallen sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit misshandelt. Zum Beleg verweist das Bundesamt auf Erkenntnisse der österreichischen Staatendokumentation vom 29. Juni 2017. Danach konnten keine Informationen mit Hinweisen darauf gefunden werden, dass Personen, die im Ausland wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation "IS" strafgerichtlich verurteilt wurden und eine Haftstrafe bereits verbüßt haben, in der Russischen Föderation abseits einer eigentlichen Strafverfolgung Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation an BVwG, Russische Föderation - Menschenrechtsverletzungen von im Ausland verurteilten Personen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vom 29. Juni 2017).

114

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auch aus der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25. Juli 2014 (A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, S. 3 f.) nicht abzuleiten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK zuwiderlaufende Behandlung drohen würde. Zwar wird dort von Angaben der Nichtregierungsorganisation Memorial (U. I.) berichtet, wonach Familienangehörige von Terrorismusverdächtigen aus Dagestan auch in anderen Regionen in Russland von staatlichen Behörden verfolgt und schikaniert werden und dem ständigen Risiko einer willkürlichen Strafverfolgung ohne Begründung ausgesetzt sind. Auch werde von einer Reihe dokumentierter Fälle berichtet, in denen ganze Familien in Moskau, St. Petersburg und weiteren russischen Städten Opfer von gewaltsamem "Verschwindenlassen" geworden seien. Dies sei vor allem in den Fällen geschehen, in welchen die Behörden der nordkaukasischen Republiken Interesse daran hatten, Maßnahmen gegen Familienangehörige zu ergreifen. "Wahhabiten" und ihre Familienmitglieder würden in ganz Russland verfolgt. Der Modus Operandi der Behörden des Nordkaukasus finde mittlerweile auch im übrigen Russland Anwendung. Seit 2009 sei die Zahl der Verhaftungen und Entführungen von Personen aus dem Nordkaukasus in ganz Russland gestiegen. Rund 20 Prozent der dokumentierten Entführungen fänden mittlerweile außerhalb des Nordkaukasus statt.

115

Diesen Ausführungen ist nichts dafür zu entnehmen, dass der russische Staat auch einer im europäischen Ausland entfalteten islamistisch-jihadistischen Betätigung - insbesondere Planung/Vorbereitung eines Terroranschlags in Deutschland - in der Russischen Föderation mit derart drastischen Maßnahmen begegnen würde. Ein vergleichbares Interesse der russischen Behörden, gegen eine Person wie den Kläger menschenrechtswidrig vorzugehen, ist in einem solchen Fall mangels Referenzfällen nicht belegbar und kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Denn spezifisch russische Interessen hat der Kläger bisher nicht verletzt.

116

Der Senat hat es daher im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung auch nicht für beachtlich wahrscheinlich erachtet, dass in der Russischen Föderation gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet oder er in Polizeigewahrsam genommen würde. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass nach russischem Strafrecht für Auslandstaten russischer Staatsbürger das Personalitätsprinzip gilt, rechtfertigt dieser Hinweis auf die Rechtslage für sich allein noch nicht den Schluss auf eine entsprechende Praxis. Auch die Erklärung des russischen Generalstaatsanwalts von November 2015, wonach 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden, wovon laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) 1 000 Personen betroffen seien (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 27), lässt nicht hinreichend auf eine Betroffenheit auch des Klägers schließen. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass sich der Fokus der russischen Strafverfolgungsbehörden auch auf Personen richten würde, die nicht aus Syrien, Irak oder der Türkei, sondern aus dem westeuropäischen Ausland zurückkehren.

117

Berichte über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 10) beziehen sich zumeist auf den Nordkaukasus. Gegen Tschetschenen (bzw. Personen aus dem Nordkaukasus), die sich in Moskau oder anderen Bereichen der Russischen Föderation niedergelassen haben, kommen Strafverfahren aufgrund falscher Anschuldigungen heute kaum noch vor (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 85 f.). Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren zwar vor, insbesondere gegen junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus, jedoch nicht in systematischer Weise (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 6; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 82).

118

Die vorstehend dargelegte Gefahreneinschätzung wird schließlich ex post dadurch bestätigt, dass es dem Kläger gelungen ist, unbehelligt in die Russische Föderation einzureisen und bei entfernten Bekannten seiner Eltern in Nordwestrussland Aufenthalt zu nehmen. Der Senat ist davon ausgegangen, dass den russischen Staatsbehörden die Gründe für die Abschiebung des Klägers bekannt waren (s.o.); zudem ist er mit seinem russischen Reisepass, aus dem das von Deutschland zeitweise verfügte Ausreiseverbot hervorging und der bei einer Einreise vorzulegen ist, abgeschoben worden. Daraus kann nur geschlossen werden, dass seitens der russischen Sicherheitsbehörden kein Interesse bestand, gegen den Kläger ein Strafverfahren einzuleiten oder ihn in Polizeihaft zu nehmen. Auch wenn es für die hier vorzunehmende Prognose auf den Zeitpunkt der Abschiebung ankommt, können Vorkommnisse nach der Abschiebung als - wie hier - bestätigendes Indiz für die Richtigkeit der gerichtlichen Prognose ergänzend herangezogen werden (EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 ff. Rn. 14). Dass sich der Kläger an seinem Aufenthaltsort nicht angemeldet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

119

Das Risiko, dass die Behörden in Dagestan, soweit sie von der Abschiebung des Klägers erfahren, den Kläger außerhalb Dagestans aufsuchen und dort misshandeln oder nach Dagestan verbringen würden, hält der Senat ebenfalls für gering. Das Auswärtige Amt führt in seinem aktuellen Lagebericht zwar aus, die regionalen Strafverfolgungsbehörden könnten Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlten sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem "langen Arm" des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen seien, seien etwa auch in Moskau präsent (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 15 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 24; Memorial Human Rights Center/Civic Assistance Committee, Chechens in Russia, 2014, S. 7). Bei Umzügen in eine andere Region der Russischen Föderation informiert das FMS-Büro, bei dem die Registrierung erfolgt, das FMS-Büro am Ort der ursprünglichen Registrierung (siehe auch U. I. , Auskunft vom 19. August 2017, zu Frage 5 und 6). Ob diese Information durch die Behörden des ursprünglichen Wohnorts in irgendeiner Weise aktiv verwendet wird, ist aber eine andere Frage. Dies hängt davon ab, wie wichtig die Person für die dortigen Behörden war/ist (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 68). Ausgehend davon ist eher unwahrscheinlich, dass dagestanische Strafverfolgungsbehörden aufgrund der gegen den Kläger in Deutschland erhobenen Vorwürfe Anlass sehen werden, ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten oder gegen ihn in irgendeiner Weise extralegal vorzugehen, wenn er - der Dagestan schon im Kleinkindalter verlassen hat - nicht in Kontakt zu Dagestan tritt und insbesondere andernorts seinen Wohnsitz nimmt. Gründe dafür ergeben sich auch nicht aus der Auskunft von Frau I. (Civic Assistance Committee, Human Rights Center Memorial) vom 19. August 2017. Der Kläger hat weder in Dagestan auf der Seite der Aufständischen gekämpft noch ist er in Syrien gewesen. Durch Vorlage seines im Juli 2013 ausgestellten russischen Reisepasses (AA Bl. 169) kann er dies ab diesem Zeitpunkt sogar belegen; aus dem temporären Ausreiseverbot ergibt sich nichts anderes.

120

Hinreichend tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr drohte, gegen seinen Willen durch russische föderale Stellen nach Dagestan zurückverbracht zu werden, waren den ausgewerteten Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Soweit die Schweizerische Flüchtlingshilfe von rückgeführten Tschetschenen berichtet, die etwa vom russischen Geheimdienst nach Ankunft am Flughafen Moskau festgenommen und nach Tschetschenien gebracht oder nach Rückkehr aus dem westeuropäischen Ausland verhaftet und gefoltert worden seien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 22), werden die jeweiligen Hintergründe nicht mitgeteilt. Schlüsse für den hier zu entscheidenden Fall waren daraus mithin nicht zu ziehen, zumal der Kläger bei seiner Einreise dieses Schicksal nicht erlitten hat.

121

(2) Der Kläger hat auch nicht infolge einer Einziehung zum Wehrdienst mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten.

122

(a) Es ist bereits nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger in absehbarer Zeit nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation zum Wehrdienst eingezogen wird.

123

Männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 27 Jahren unterliegen in der Russischen Föderation der einjährigen Wehrpflicht (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Juni 2017, S. 10). Darunter fällt grundsätzlich auch der ...-jährige Kläger. Die reale Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden, wird durch die mit seiner Person verbundenen Sicherheitsbedenken jedoch deutlich vermindert.

124

Die allgemeine Wehrpflicht besteht in der gesamten Russischen Föderation. Grundsätzlich wird einem 18- bis 28-jährigen Mann in der Russischen Föderation ein Musterungsbescheid zugestellt, um ihn für den Wehrdienst in den Streitkräften zu mustern. Eine Einberufung in die Streitkräfte ist damit jedoch nicht zwingend verbunden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017, zu Frage 2). Junge Männer aus dem Nordkaukasus, insbesondere aus Tschetschenien, wurden in zurückliegenden Jahren über längere Zeit praktisch nicht zum Wehrdienst eingezogen. Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass man nicht "potenzielle Terroristen und Untergrundkämpfer" an der Waffe ausbilden wolle. Nordkaukasier könnten einen radikalen Islam in der Armee verbreiten; sie seien besonders undiszipliniert und würden eine "Dedowschtschina" auf ethnischer Grundlage betreiben (vgl. O., Wien, Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 19 f.). Etwa nach dem Beginn des russischen militärischen Vorgehens gegen die Ukraine im Frühjahr 2014 änderten sich die Rahmenbedingungen aber. So wurden im Herbst 2014 wieder Rekruten aus dem Nordkaukasus einberufen (Dagestan: ca. 2 000, Tschetschenien: ca. 500, vgl. O., ebenda, S. 20, sowie Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Bremen vom 13. November 2015). Bei den tschetschenischen Rekruten soll es sich dabei überwiegend um Freiwillige mit abgeschlossenem Hochschulstudium gehandelt haben, von denen viele eine militärische Karrierelaufbahn anstrebten (vgl. Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Strafen bei Wehrdienstverweigerung etc., 12. November 2014). In Dagestan wurden im Frühling 2016 1 800 junge Männer eingezogen, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Trotzdem seien mehr als 2 000 junge Männer nicht auffindbar, die eingezogen werden sollten (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 50). Als ein Grund für die Änderung der Einberufungspraxis wird Personalnot bei den Streitkräften benannt, der mit einer Erhöhung der Einberufungsquote und auch durch den Rückgriff auf Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus begegnet werden sollte. Die kritische Personallage habe Sicherheitsbedenken gegenüber Rekruten aus dem Nordkaukasus zurücktreten lassen. Persönliche Garantien von Mitgliedern der jeweiligen Administrationen und Familienangehörigen sollen nun die wahrgenommenen Risiken eindämmen (vgl. Pester, Russlands Militärreform: Herausforderung Personal, SWP-Studie, November 2013, S. 24, 26; Klein/Pester, Russlands Streitkräfte: Auf Modernisierungskurs, SWP-Aktuell, Dezember 2013, S. 4).

125

Trotz der zunehmenden Personalengpässe und der geänderten Einberufungspraxis in den russischen Streitkräften hält der Senat eine Einberufung des Klägers zum Wehrdienst nicht für wahrscheinlich. Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei ihm Gründe für eine Befreiung vom Wehrdienst, Ausschlussgründe oder ein Recht auf Verschiebung/Aufschub des Militärdienstes gegeben sind (vgl. dazu O., Wien, Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 12 ff.). Angesichts der anzunehmenden Bekanntheit der Abschiebungsgründe und der Befragung und Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst FSB oder die Polizei, mit der nach Abschiebung in die Russische Föderation zu rechnen war, spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass eine Einberufung des Klägers wegen des damit verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos unterbleiben wird. Dass Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus aktuell nicht mehr pauschal als Sicherheitsrisiko betrachtet werden, steht dem nicht entgegen, weil vom Kläger individuell die Gefahr eines islamistisch motivierten terroristischen Anschlags ausgeht. Es ist nicht nahe liegend, dass die für die Einberufung zuständigen Behörden in der Russischen Föderation das Risiko eingehen werden, eine solche Person an der Waffe auszubilden. Die Frage nach persönlichen Garantien stellt sich bei einem derart evidenten Sicherheitsrisiko schon nicht mehr; im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, wer für den Kläger außerhalb des Nordkaukasus bürgen könnte.

126

(b) Unabhängig davon liegen nach der aktuellen Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe (mehr) dafür vor, dass Wehrdienstleistenden in der Russischen Föderation eine Art. 3 EMRK verletzende Behandlung droht, indem sie dem System der sogenannten Dedowschtschina, d.h. der systematischen Misshandlungen und Erniedrigung von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige, ausgesetzt werden. Nach aktueller Auskunftslage ist dies zwar weiterhin nicht auszuschließen, aber nicht mehr beachtlich wahrscheinlich.

127

Anders als das Verwaltungsgericht Bremen (Urteil vom 18. November 2016 - 3 K 1982/09.A - juris Rn. 52 ff.) hält der Senat unter zusätzlicher Einbeziehung des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amtes (Ad-hoc-Bericht Stand: Juni 2017) trotz der weiterhin problematischen Menschenrechtslage in den Streitkräften aktuell nicht mehr die Feststellung für gerechtfertigt, dass einem Wehrpflichtigen eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") droht. Bereits im Lagebericht von Anfang 2016 hatte das Auswärtige Amt berichtet, die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur "Humanisierung" und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes seien im Berichtszeitraum weiter umgesetzt worden. Diese Maßnahmen umfassten u.a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone seien ebenfalls eingeführt worden. Offizielle Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation habe es zuletzt nicht gegeben. Die Nichtregierungsorganisationen "Komitee der Soldatenmütter" und "Armee.Bürger.Recht" hätten jedoch von Soldaten berichtet, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die Nichtregierungsorganisationen gewendet hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Es sei zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige komme, jedoch nicht mehr im Ausmaß der Vergangenheit. Die Bildung einer Militärpolizeibehörde, die vor allem die "Dedowschtschina", aber auch Diebstahlsdelikte in den Streitkräften bekämpfen sollte, sei noch nicht vollständig abgeschlossen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Januar 2016, S. 14 f.). Im aktuellen Lagebericht, der eine im Übrigen unveränderte Einschätzung enthält, wird nunmehr ergänzend berichtet, Staatspräsident Putin habe im Jahr 2015 ein Dekret erlassen, das die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweitert habe und seitdem ausdrücklich die Bekämpfung der "Dedowschtschina" sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte umfasse. Insgesamt seien zunehmend einzelne Verbesserungen zu erkennen, weil - teilweise auf Initiative der Soldatenmütter - vor drei bis vier Jahren ein Beschwerderecht für Soldaten eingeführt worden sei, seit kurzem jeder Soldat ein Gehaltskonto haben müsse, um Korruption und Erpressung durch Vorgesetzte zu verhindern, und sich die soziale Lage durch den Neubau von Kasernen und die damit einhergehende Abnahme der Überbelegung verbessert habe. Dadurch seien auch die Misshandlungen jüngerer durch ältere Soldaten zurückgegangen (Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 10 f.).

128

Die darin zum Ausdruck kommende graduelle Verbesserung der Situation der Wehrdienstpflichtigen in den russischen Streitkräften wird bestätigt durch die vom Senat fallbezogen eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2017 (zu Frage 3a). Darin wird ergänzend ausgeführt, das Ministerium der Verteidigung der Russischen Föderation veröffentliche zwar keine genauen Zahlen zu Misshandlungen innerhalb der Streitkräfte. Zahlreiche Indikatoren wiesen jedoch darauf hin, dass diese Art von Dienstvergehen in den Streitkräften zurückgehe. Seit Beginn der Reform der Streitkräfte im Jahr 2008, insbesondere jedoch unter dem derzeitigen Minister für Verteidigung Sergei Schoigu, liege das Hauptaugenmerk der militärischen und politischen Leitung der Streitkräfte auf der Steigerung der Attraktivität der Streitkräfte. Das Maßnahmenpaket umfasse z.B. eine Erhöhung der Besoldung, den Wohnungsbau für Soldatenfamilien und medizinische Versorgung von Soldaten und deren Angehöriger. Der Aufrechterhaltung der Disziplin werde ein höherer Stellenwert als in den Jahren zuvor eingeräumt, wozu auch die konsequente Ahndung von Dienstvergehen wie z.B. Misshandlung gehöre. Es liegen schließlich auch keine Erkenntnisse dazu vor, dass die islamistische Radikalisierung des Klägers die allgemein nicht mehr den Grad einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit erreichende Gefahr, Opfer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK während eines Wehrdienstes zu werden, in relevanter Weise erhöhen würde (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017, zu Frage 3a).

129

Es besteht auch nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Rahmen eines Wehrdienstes gegen seinen Willen nach Dagestan zurückkehren müsste. Allerdings führt O. aus, dass Wehrpflichtige, die keine Bestechungsgelder leisten könnten oder wollten, riskierten, in die Krisengebiete des östlichen Nordkaukasus (Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan) oder aber in einen Truppenteil geschickt zu werden, in denen eine harte "Dedowschtschina" herrsche (Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 21). Da die vom Auswärtigen Amt berichteten graduellen Verbesserungen der Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften in den letzten beiden Jahren in diesem bereits Anfang 2015 erstellten Gutachten jedoch noch nicht berücksichtigt sein konnten, ist bereits fraglich, inwieweit diese Aussage noch zutrifft. Im Ergebnis bestehen stichhaltige Gründe dafür, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, im Nordkaukasus zum Einsatz zu kommen, jedenfalls aus den Gründen nicht, aus denen schon seine Einberufung nicht beachtlich wahrscheinlich ist (s.o.).

130

(3) Die weiteren Voraussetzungen für eine interne Ausweichmöglichkeit in die Gebiete der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus liegen vor.

131

Nach der Rechtsprechung des EGMR zur Berücksichtigung internen Schutzes muss die abzuschiebende Person in der Lage sein, in das betroffene Gebiet zu reisen, Zutritt zu diesem zu erhalten und sich dort niederzulassen. Außerdem dürfen die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen (vgl. EGMR, Urteile vom 11. Januar 2007 - Nr. 1948/04, Salah Sheekh/Niederlande - Rn. 141 ff., vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 278 ff. und vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - Rn. 65; siehe auch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG sowie Art. 8 Richtlinie 2011/95/EU zum subsidiären internationalen Schutz).

132

Diese Voraussetzungen sind hier auch unter Berücksichtigung der individuellen Merkmale des Klägers gegeben. Der Kläger sollte unter Berücksichtigung der Gründe des Senatsbeschlusses vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - nach P., also nicht in den Nordkaukasus, abgeschoben werden; so ist es auch geschehen. Nach der vorliegenden Erkenntnislage war es dem Kläger bei Abschiebung grundsätzlich möglich und zumutbar, in der Russischen Föderation etwa in der weiteren, ländlicheren Umgebung von P. legal Wohnsitz zu nehmen und insbesondere registriert zu werden.

133

Entgegen seiner Annahme ist der Kläger nicht gezwungen, sich für die zu einer Registrierung erforderliche Ausstellung eines Inlandspasses nach Dagestan an seinen letzten Wohnort zu begeben. Sowohl Inlands- wie Auslandspässe können in der Russischen Föderation in jedem FMS-Büro beantragt und abgeholt werden. Beantragt eine Person den Pass beispielsweise in Moskau, erscheint das FMS-Büro Moskau als ausstellende Behörde, ohne dass es darauf ankommt, wo die Person mit ihrem Wohnsitz registriert ist (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 66). Der gegenteiligen Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 8, 10) folgt der Senat auch weiterhin nicht. Denn seine Annahme, dass eine Beantragung und Ausstellung des Inlandspasses auch außerhalb des letzten Wohnortes möglich ist, wird durch eine im Klageverfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amts vom 21. Februar 2018 bestätigt. Das Auswärtige Amt teilt darin mit, dass ein russischer Staatsangehöriger nach der Passverordnung der Russischen Föderation vom 8. Juli 1997 einen Inlandspass auch außerhalb der Region seines letzten Wohnorts beantragen könne; lediglich die Bearbeitungszeit verlängere sich dann von sonst 10 auf 30 Tage. Durchgreifende Gründe, an der Verlässlichkeit dieser Auskunft zu zweifeln, sind nicht ersichtlich.

134

Mit seinem Einwand, er könne einen neuen Inlandspass nicht zumutbar beantragen, weil er dazu - um sich auszuweisen - seinen Reisepass mit dem daraus noch ersichtlichen, vormaligen deutschen Ausreiseverbot vorlegen müsse, kann der Kläger nicht durchdringen. Der Senat hat vorstehend an seiner im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertretenen Einschätzung festgehalten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK garantierten Rechte droht. Dabei ist er davon ausgegangen, dass den russischen staatlichen Stellen die Gründe und Hintergründe einer Abschiebung des Klägers voraussichtlich bekannt werden, und dass insbesondere auch der russische Pass im Zuge der Abschiebung den russischen Einreisebehörden wird vorgelegt werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger dessen Vorlage auch bei der Meldebehörde zumutbar.

135

Auch Personen aus dem Nordkaukasus ist es möglich, in der übrigen Russischen Föderation eine Wohnung zu finden, auch wenn sie dabei auf größere Schwierigkeiten stoßen werden als ethnische Russen. Zwar haben Kaukasier größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, einen Vermieter zu finden (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 21). In Moskau ist es besonders schwierig, eine Unterkunft zu finden, weil freie Wohnungen selten und die Mieten hoch sind. Die schon allgemein bestehenden Schwierigkeiten sind für Tschetschenen/Kaukasier infolge ihres allgemein schlechten Ansehens noch größer (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83). Letzten Endes gelingt es aber auch Tschetschenen immer, eine Bleibe zu finden, weil es keine obdachlosen Tschetschenen etwa in Moskau gibt; üblicherweise gelingt dies mit der Hilfe von Freunden oder Verwandten (Danish Immigration Service, a.a.O., S. 84). Dem Kläger dürfte dies zumindest außerhalb von P. auch ohne Freunde oder Verwandte möglich sein, zumal nicht alle Vermieter nur an ethnische Russen vermieten.

136

Die Registrierung ist jedenfalls nach einem Aufenthalt von drei Monaten obligatorisch. Bei Abschiebung war davon auszugehen, dass sie dem Kläger auch möglich sein würde. Auch wenn es Fälle von geforderten Bestechungsgeldern oder Diskriminierungen durch Behördenvertreter gibt, ist letzten Endes jeder in der Lage, eine Registrierung zu erhalten, auch ohne ein Bestechungsgeld zu zahlen. Bei fehlender Bereitschaft zur Zahlung eines Bestechungsgeldes dauert die Registrierung nur länger, ungefähr drei Wochen, sie wird am Ende aber vorgenommen. Seitens einer tschetschenischen sozialen und kulturellen Vereinigung wird berichtet, die Registrierung sei deutlich einfacher geworden als noch vor zwei Jahren. Das FMS habe ein Service-Center in Moskau eingerichtet, bei dem man alle notwendigen Informationen erhalte und die geforderten Dokumente (etwa eine Kopie des Inlandspasses) einreichen und die Registrierungsunterlagen ausfüllen könne. Es sei nicht mehr notwendig, zur Polizei oder zur Hausverwaltung zu gehen, und das administrative Verfahren sei vereinfacht worden, einschließlich der Möglichkeit, es elektronisch durchzuführen. Das Verfahren sei nunmehr in ein paar Tagen abschließend durchzuführen (zu Vorstehendem: Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 75 f.). Der Annahme im Zeitpunkt der Abschiebung, dass dem Kläger eine Registrierung und damit die Begründung eines legalen Aufenthalts in der russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus möglich sein würde, steht auch nicht die Aussage des Auswärtiges Amtes entgegen, wonach der legale Zuzug von Tschetschenen an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert werde (Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 21). Ungeachtet dessen, dass die dort erwähnten Zuzugserschwernisse nicht überall, sondern nur "an vielen Orten" bestehen sollen, hat der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Auswärtigen Amtes erläutert, dass diese Aussage im Lagebericht explizit nur Tschetschenen betreffe. Zudem sei sie zeitlich überholt; der künftige Lagebericht für das Jahr 2018 werde diese Einschränkung nicht mehr enthalten. Angesichts dieser Erläuterungen drängte sich dem Senat eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht auf.

137

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, zum Beweis der Tatsache, dass einer Registrierung des Klägers in Russland auch Rechtsvorschriften entgegenstehen, eine weitere erklärende Auskunft des Auswärtigen Amtes einzuholen, brauchte der Senat ebenfalls nicht nachzugehen. Zum einen war dieser Antrag gemäß § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückzuweisen, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der ihm nach § 87b Abs. 1 und 2 Nr. 1 VwGO bis zum 9. Februar 2018 gesetzten Frist (vgl. gerichtliche Verfügung vom 5. Dezember 2017, Nr. 1a) gestellt hat. Obwohl die o.g. Aussage des Auswärtigen Amtes bereits wortgleich im vorangegangenen Lagebericht vom 24. Januar 2017 (Stand: Dezember 2016) enthalten war, den der Senat dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde gelegt hat, hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihre hierauf gestützten Zweifel an der Möglichkeit einer Registrierung und den diesbezüglichen Beweisantrag erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Dies ist nicht genügend entschuldigt worden, und die Einholung einer weiteren schriftlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes hätte die Erledigung des im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögert, weil die mündliche Verhandlung hätte vertagt werden müssen. Der Kläger ist in der Verfügung vom 5. Dezember 2017 auch über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden (§ 87b Abs. 3 VwGO). Zum anderen ist die Beweisfrage angesichts der im Lagebericht ausdrücklich auf Tschetschenen beschränkten Aussage und der nach Rücksprache im Auswärtigen Amt erfolgten Bestätigung dieser Beschränkung durch den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreter des Auswärtigen Amtes bereits beantwortet.

138

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Registrierung könne ihm mit Blick auf ihm drohende Gefahren als terrorverdächtigen Islamisten sowie eine drohende Einziehung zum Wehrdienst nicht zugemutet werden. Da ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte, war ihm die Registrierung zur Ermöglichung der damit verbundenen existenzsichernden Vorteile (etwa einer legalen Arbeitsstelle) im Zeitpunkt der Abschiebung auch zumutbar. Nachteile wie auch eventuelle Gefahrerhöhungen, die nunmehr damit verbunden sein können, dass der Kläger nach eigenem Vortrag inzwischen seit mehreren Monaten ohne Registrierung in der Russischen Föderation lebt, können schon deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, weil sie auf einem erst nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gezeigten (eigenverantwortlichen) Verhalten des Klägers beruhen.

139

Daran anknüpfend geht der Senat davon aus, dass der Kläger auch außerhalb Dagestans seinen Lebensunterhalt auf einem einfachen Niveau sichern kann. Dazu ist erforderlich, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Voraussetzungen das wirtschaftliche Existenzminimum, sei es durch eigene Arbeit, sei es durch staatliche oder sonstige Hilfen, erlangen kann und nicht der Obdachlosigkeit ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 - juris Rn. 21). Dies ist vorliegend anzunehmen. Zwar wird die Arbeitsuche für einen Kaukasier, der in einem anderen Gebiet der Russischen Föderation dauerhaft Aufenthalt nehmen will, als schwierig bezeichnet (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83). Auch hat der Kläger keine Berufsausbildung und verfügte - soweit im Abschiebezeitpunkt feststellbar - nicht über Verwandte oder Bekannte außerhalb Dagestans. Diese Annahme hat sich allerdings insoweit als nicht vollständig zutreffend erwiesen, als er nunmehr bei entfernten Bekannten seiner Eltern in Nordwestrussland aufgenommen worden ist. Zudem ist er ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, der über einen in Deutschland erworbenen Hauptschulabschluss verfügt und sich grundlegende Russischkenntnisse (nachdem er bereits Deutsch und Kumykisch spricht, in der Schule Englisch gelernt und privat Arabisch-Unterricht genommen hat) vor Ort schnell wird aneignen können. Ihm sind außer kriminellen Tätigkeiten alle Arbeiten zumutbar, auch solche, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11). Eine solche Tätigkeit wird er nach entsprechend ausdauernder Arbeitsuche finden können. Dass der Kläger nach dem Gutachten des Dr. K. noch nicht wie ein Erwachsener wirkt und ihm nach Beobachtungen von Pflegern in der B.er Klinik "jegliche Alltagspraxis" fehle, rechtfertigte bei seiner Abschiebung keine andere Prognose.

140

cc) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen war die Abschiebungsanordnung auch ohne eine Zusicherung menschenrechtskonformer Behandlung seitens russischer Regierungsstellen mit Art. 3 EMRK vereinbar. Der mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017 im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes vom Kläger eingereichte Entwurf einer Verbalnote des Auswärtigen Amtes führt auch weiterhin nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Verbalnote ließ keinen Rückschluss darauf zu, dass eine Zusicherung nach der Beurteilung des Auswärtigen Amtes erforderlich sei, um einer abschiebungserheblichen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu begegnen. Sie war vielmehr vorsorglich für den Fall vorgesehen, dass sich eine Zusicherung nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes als erforderlich erweisen sollte. Dies war jedoch nicht der Fall (vgl. den Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5). Daher bedurfte es auch nicht der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Eilverfahren beantragten Beiziehung der Dokumentation zum "deutsch-russischen Dialog zu Migration und Rückkehr" am 21. Juni 2017 in Berlin.

141

dd) Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis lag nicht deshalb vor, weil im Zeitpunkt der Abschiebung konkret zu befürchten gewesen wäre, dass sich der Kläger nach einer Abschiebung in die Russische Föderation dort das Leben nehmen könnte. Die sich aus der Aktenlage und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. ergebende Persönlichkeitsbewertung deutet nicht auf eine Bereitschaft oder Neigung des Klägers, seinem Leben unabhängig von einem Terroranschlag ein Ende zu setzen. Die Äußerungen zu einer "Todessehnsucht" stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wunsch des Klägers, ins Paradies zu kommen, und der entsprechenden Märtyrerideologie des sogenannten "Islamischen Staates". Soweit er bei seinem Zusammenbruch nach seiner Aussage bei der Polizei beteuert hat, die Religion stehe bei seinen Suizidgedanken nicht im Vordergrund, er wolle einfach sterben, ist dies nicht glaubhaft. Ein - damit allein in Betracht zu ziehender - Terroranschlag, bei dem er sein Leben bewusst und gezielt aufs Spiel setzt, begründete mangels relevanter psychiatrischer Störungen oder Beeinträchtigungen des Klägers kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis.

142

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. März 2018 - 1 A 4/17

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

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Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

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(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit d

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(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 50


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58a Abschiebungsanordnung


(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Auswe

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 66 Kostenschuldner; Sicherheitsleistung


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 411a Verwertung von Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren


Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 67 Umfang der Kostenhaftung


(1) Die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung und der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung umfassen1.die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bu

Strafgesetzbuch - StGB | § 91 Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Pe

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1631b Freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen


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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 70a Unterrichtung des Jugendlichen


(1) Wenn der Jugendliche davon in Kenntnis gesetzt wird, dass er Beschuldigter ist, so ist er unverzüglich über die Grundzüge eines Jugendstrafverfahrens zu informieren. Über die nächsten anstehenden Schritte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren wi

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Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt. Die Verfassungsb
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Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Mai 2017 - M 25 K 16.5916

bei uns veröffentlicht am 24.05.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

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(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.

(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.

(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.

(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:

1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht;
5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
Die in Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Personen haften als Gesamtschuldner im Sinne von § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.

(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.

(1) Die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung und der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung umfassen

1.
die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets,
2.
die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie
3.
sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.

(2) Die Kosten, für die der Beförderungsunternehmer nach § 66 Abs. 3 Satz 1 haftet, umfassen

1.
die in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Kosten,
2.
die bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehenden Verwaltungskosten und Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers und Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und
3.
die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Kosten, soweit der Beförderungsunternehmer nicht selbst die erforderliche Begleitung des Ausländers übernimmt.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Kosten werden von der nach § 71 zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. Hinsichtlich der Berechnung der Personalkosten gelten die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung von Personalkosten der öffentlichen Hand.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung des Antrags, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen vom 16. März 2017 anzuordnen.

I.

2

1. Der am 17. September 1980 geborene Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals Anfang September 2003 in das Bundesgebiet ein und betrieb unter fremdem Namen erfolglos ein Asylverfahren. Am 12. Oktober 2006 wurde er Vater eines Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. 2009/2010 und 2012/2013 hielt er sich mit diesem Kind und gegen den Willen der Kindesmutter für jeweils etwa ein Jahr in Algerien auf. Seit Mai 2016 ist er mit einer anderen deutschen Staatsangehörigen nach islamischem Ritus verheiratet; eine gemeinsame Tochter wurde am 26. Februar 2017 geboren. Gegen den Beschwerdeführer bestehen bis 2018 befristete Einreisesperren nach Spanien und in die Schweiz sowie eine lebenslange Einreisesperre nach Frankreich.

3

2. Mit Bescheid vom 16. März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien an, verbunden mit einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 5 AufenthG. Zur Begründung führte er an, vom Antragsteller gehe die Gefahr eines terroristischen Anschlags aus.

4

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 58a Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG liege nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer in Algerien ein ernsthafter Schaden drohe. Denn es liege an ihm selbst, ob er sich dort als Islamist betätige oder offenbare; das deutsche Asylrecht biete jedenfalls keinen Schutz vor staatlicher Verfolgung wegen terroristischer Handlungen. Die Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 21. März 2017 ausgehändigt. Am gleichen Tag wurde gegen ihn Abschiebungshaft verhängt.

5

3. Der Beschwerdeführer beantragte beim Bundesverwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung. Er bestritt den Vorwurf, von ihm gehe eine Bedrohung aus. Die Subsumtion der Antragsgegnerin hierzu basiere auf generalisierenden Formulierungen zur Konnexität zwischen salafistischem Gedankengut und Gewaltanwendung, welche weder auf ihn zuträfen noch überhaupt hinreichend belegt seien. Im Übrigen sei § 58a AufenthG unionsrechtswidrig; § 58a AufenthG und § 50 VwGO seien außerdem formell verfassungswidrig und daher dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

6

4. Mit Verfügung vom 24. Mai 2017 wies die Ausländerbehörde den Beschwerdeführer aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von zehn Jahren aus. Zugleich lehnte sie seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ab und widerrief die ihm zuletzt am 5. Januar 2017 verlängerte Aussetzung der Abschiebung. Sie verpflichtete ihn unter Androhung der Abschiebung nach Algerien und ohne ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise zu gewähren, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zu verlassen. Die sofortige Vollziehung des Widerrufs, der Ausweisung und der Androhung der Abschiebung wurde angeordnet. Der Beschwerdeführer erhob Widerspruch.

7

5. Mit Beschluss vom 31. Mai 2017 lehnte das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers gegen die Abschiebungsanordnung vom 16. März 2017 mit der Maßgabe ab, dass der Antragsteller erst nach Erlangung einer Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle abgeschoben werden dürfe, wonach dem Antragsteller "in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ... (Art. 3 EMRK)" drohe.

8

Die Abschiebungsanordnung finde ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG, der formell und materiell verfassungsgemäß sei. Die gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG auch ohne vorherige Anhörung formell rechtmäßige Abschiebungsanordnung sei materiell rechtmäßig. Vom Beschwerdeführer gehe derzeit aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG aus, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Beschwerdeführers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden sei. Der Beschwerdeführer sei - wie er selbst eingeräumt habe - der radikal-islamistischen Szene Deutschlands zuzurechnen und sympathisiere mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" und deren Märtyrerideologie. Er sorge nach Aussagen anderer Moschee-Besucher in einer Moschee in Bremen als Mitglied einer radikal-islamistischen Gruppe für Unruhe. Er habe sich nach den Anschlägen auf den Berliner Weihnachtsmarkt offen zum "IS" bekannt und die Tötung Ungläubiger gerechtfertigt. Er prahle damit, dass sein Bruder in Syrien ein Selbstmordattentat begangen habe und habe seinem Sohn dessen Abschiedsnachricht vorgespielt. Auch auf seiner Facebook-Seite habe er Inhalte gepostet, die seine Sympathie zum "IS" zum Ausdruck brächten, so dass auch das Landesamt für Verfassungsschutz entgegen früherer Einschätzungen eine jihadistische Gesinnung des Beschwerdeführers bejahe.

9

Seine Behauptung, er sei gegen den Terror des "IS" und verfolge dessen Veröffentlichungen nur, um dieses Phänomen besser verstehen zu können, sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Zudem ergebe sich aus seiner Biographie neben einer erheblichen Radikalisierung und offenen Glorifizierung des "IS" auch eine gewaltbereite Grundhaltung, mit der die Bereitschaft einhergehe, zur Erreichung eines nach islamistischen Vorgaben geprägten Zusammenlebens einen Anschlag zu begehen. Insbesondere habe er 2015 in Frankreich einen Amtsträger und eine von ihm für eine Jüdin gehaltene Person mit dem Tode bedroht, die "Charlie Hebdo" - Attentate gerechtfertigt und sich selbst als Terroristen bezeichnet. Angesichts dieser extremen Radikalisierung bestehe in Verbindung mit seiner gewaltbereiten Grundhaltung ein beachtliches Risiko, dass er mit einer jihadistischen Gewalttat ein Fanal setzen werde, um seine Verachtung der säkularen Welt europäischer Prägung zum Ausdruck zu bringen. Dieses Risiko könne sich ohne großen Vorbereitungsaufwand jederzeit realisieren und sei auch nicht dadurch gemindert, dass es bislang weder zu einer solchen Tat gekommen sei noch den Sicherheitsbehörden Hinweise für einen konkreten Anschlagsplan des Beschwerdeführers vorlägen. Zu dieser wertenden Gesamtschau könne der Senat ohne Rückgriff auf das vom Beschwerdeführer angesprochene, vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- beziehungsweise Gefährlichkeitseinschätzung gelangen. Das Risiko eines terroristischen Anschlags durch den Beschwerdeführer sei auch nicht durch das Zusammenleben mit seiner ihm seit Mai 2016 nach islamischem Ritus angetrauten Lebensgefährtin und die Geburt einer gemeinsamen Tochter im Februar 2017 oder sonstige Umstände entscheidungserheblich verringert. Es gebe weder Anhaltspunkte für eine glaubhafte Deradikalisierung des Beschwerdeführers noch für eine Distanzierung vom "IS".

10

Die Abschiebungsanordnung sei als Rückkehrentscheidung mit der Rückführungsrichtlinie zu vereinbaren und auch nicht ermessensfehlerhaft. Dies gelte auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehöre zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und könne auch sehr weitreichende Eingriffe in das Privat- und Familienleben rechtfertigen.

11

Schließlich stünden dem Vollzug der Abschiebung auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen. Zwar könnten in Algerien Personen, die unter dem Verdacht des Islamismus stehen, durchaus der konkreten Gefahr besonders schwerer körperlicher Misshandlungen, Folter und akuter Lebensgefahr ausgesetzt sein. Auch könne entgegen der Einschätzung der Freien Hansestadt Bremen nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche Gefahr schon deshalb nicht bestehe, weil den algerischen Behörden die Abschiebungsgründe nicht bekannt seien. Jedoch bestehe im Fall des Beschwerdeführers die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe nicht mit entscheidungserheblicher Wahrscheinlichkeit, und auch die Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Bestrafung erscheine im Ergebnis gering. Nach wie vor bestehenden Gefahren könne mit der im Tenor der Entscheidung geforderten geeigneten diplomatischen Zusicherung begegnet werden. In einer solchen Zusicherung erblicke auch der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte unter bestimmten Voraussetzungen ein geeignetes Instrument zur Ausräumung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung selbst bei Staaten, in denen - anders als in Algerien - systematisch gefoltert und misshandelt werde. Für Algerien habe das Auswärtige Amt die Anfrage des Senats in einem anderen Verfahren am 1. März 2017 dahingehend beantwortet, dass das algerische Justizministerium den deutschen Behörden in einem Auslieferungsfall schriftliche Garantien für Prozess- und Haftbedingungen gegeben habe; hierauf könne vertraut werden.

12

6. Der Beschwerdeführer hat am 30. Juni 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er die Verletzung seiner Rechte aus Art 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 3, Art. 8 EMRK rügt.

13

Die Abschiebungsanordnung beruhe schon auf einer formell und materiell verfassungswidrigen Rechtsgrundlage. Die formelle Verfassungswidrigkeit des § 58a AufenthG ergebe sich aus dem Umstand, dass der Vermittlungsausschuss diese Norm in seinen Einigungsvorschlag aufgenommen habe, ohne dass sie zuvor Gegenstand parlamentarischer Beratungen gewesen sei. Dass das Gesetzgebungsverfahren durch die Thematik des internationalen Terrorismus entscheidend geprägt worden sei, begründe keine inhaltlich enge Anknüpfung an den Gegenstand parlamentarischer Beratungen der höchst spezifischen, die rechtstaatliche Garantien in vielfacher Weise verkürzenden Regelung des § 58a AufenthG, die erstmals im Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses formuliert worden sei. § 58a AufenthG gehe in seinen Besonderheiten weit über die parlamentarisch diskutierten Vorschläge hinaus, die lediglich eine Ausweisungsmöglichkeit bei Terrorismusverdacht oder einen Ausschluss der Befristung der Ausweisungswirkungen zum Gegenstand gehabt hätten.

14

Die Regelung sei auch aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG materiell verfassungswidrig, weil der dort verwandte Gefahrenbegriff zu unbestimmt sei und die Verhältnismäßigkeitsprüfung in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt werde. Im Vergleich zu den §§ 53 ff. AufenthG, bei denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung tatbestandlich vorzunehmen sei, könne es nicht ausreichen, die Prüfung im Rahmen der Entscheidung nach § 58a AufenthG dem Ermessen der zuständigen Behörde zu überlassen und damit lediglich Ermessensfehler überprüfbar zu machen. Bei § 58a AufenthG handele es sich um eine starre Ausweisungsvorschrift. Zudem sei dem Bestimmtheitserfordernis nicht genügt, denn der Regelungsgehalt einer "besonderen Gefahr" für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei trotz ihres Bezuges zu einer "terroristischen Gefahr" unklar. Auch dem Bundesverwaltungsgericht sei es nicht gelungen, trennscharf zu benennen, was eine "terroristische Gefahr", geschweige denn eine "besondere Gefahr" auszeichne. Der Beschluss reihe zur Begründung der Gefahr Einzelaspekte willkürlich aneinander, ohne ein tragfähiges Beurteilungskonzept zu benennen.

15

Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK seien verletzt, weil die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner 2017 geborenen Tochter deutscher Staatsangehörigkeit und zu seiner mit ihm nach islamischem Ritus verheirateten deutschen Frau nur unzureichend berücksichtigt worden sei.

16

Schließlich verletze die Abschiebungsanordnung Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 EMRK, da der Beschluss keine Kriterien für die Geeignetheit einer diplomatischen Zusicherung, für taugliche Kontrollmechanismen in Algerien und insbesondere für die gerichtliche Kontrolle diplomatischer Zusicherungen enthalte. Eine diplomatische Zusicherung sei bei einem Verdacht terroristischer Aktivitäten nicht tragfähig, da sie bestehende Zweifel an der Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards nicht ausräume. Dies gelte umso mehr, wenn wie vorliegend ihre gerichtliche Kontrolle nicht vorgesehen sei. Eine Abschiebung könne vielmehr stattfinden, bevor eine Möglichkeit bestehe, hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Zusicherung Rechtsschutz zu erlangen.

II.

17

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

18

Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu; die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich auf dem Boden der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entscheiden. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unbegründet.

19

Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Rechten. § 58a AufenthG ist formell (1.) und materiell (2.) verfassungsgemäß. Auch die Anwendung im konkreten Einzelfall begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (3.). Allerdings muss die nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts einzuholende Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle, dass dem Beschwerdeführer in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Art. 3 EMRK) droht, den aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 und 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Anforderungen an eine derartige Zusicherung genügen (4.).

20

1. § 58a AufenthG ist in formeller Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift ist nicht unter Überschreitung der den Kompetenzen des Vermittlungsausschusses gesetzten Grenzen zustande gekommen.

21

a) Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe ergeben sich aus Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 GG.

22

aa) Die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses und ihre Grenzen sind in der Verfassung nicht ausdrücklich geregelt. Sie ergeben sich aber aus seiner Funktion und Stellung im Gesetzgebungsverfahren und sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 72, 175 <187 ff.>; 78, 249 <271>; 101, 297 <306 ff.>; 120, 56 <73 ff.>; 125, 104 <121 ff.>).

23

bb) Die Einrichtung des Vermittlungsausschusses beruht auf der bundesstaatlichen Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens (BVerfGE 120, 56 <73>). Gemäß Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG werden die Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen. Danach sind sie unverzüglich dem Bundesrat zuzuleiten (Art. 77 Abs. 1 Satz 2 GG), dem im Gesetzgebungsverfahren Mitwirkungsrechte zukommen (Art. 50 GG). Der Bundesrat kann durch einen Einspruch oder die Verweigerung einer erforderlichen Zustimmung Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen (BVerfGE 120, 56 <73 f.>; 125, 104 <123>). Verweigert der Bundesrat einem zustimmungspflichtigen Gesetz die Zustimmung, so kommt das Gesetz vorerst nicht zustande (Art. 78 GG). In diesem Falle können die in Art. 76 Abs. 1 GG genannten Initiativberechtigten den Vermittlungsausschuss anrufen (vgl. BVerfGE 101, 297 <305>; 120, 56 <74>). Sofern der Vermittlungsausschuss die Änderung oder Aufhebung des Gesetzesbeschlusses vorschlägt, hat der Bundestag darüber Beschluss zu fassen (Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG); der Bundesrat muss sodann erneut über eine Zustimmung entscheiden. Für die Behandlung des Vorschlages des Vermittlungsausschusses im Bundestag gelten besondere, vom üblichen Gesetzgebungsverfahren zum Teil abweichende Regelungen. Nach § 10 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschluss nach Artikel 77 des Grundgesetzes (GO-VermA) stimmt der Bundestag nur über den Einigungsvorschlag ab, wobei zu dem Vorschlag vor der Abstimmung Erklärungen abgegeben werden können. Ein Antrag zur Sache ist indes nicht zulässig, eine Debatte über den Einigungsvorschlag somit grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 101, 297 <305 f.>).

24

cc) Der Vermittlungsausschuss hat kein eigenes Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG), sondern vermittelt zwischen den zuvor parlamentarisch beratenen Regelungsalternativen (vgl. BVerfGE 101, 297 <306>); über eine Entscheidungskompetenz verfügt er nicht. Vielmehr gibt er Empfehlungen für die Entscheidungen der Gesetzgebungsorgane Bundestag und Bundesrat ab (vgl. BVerfGE 101, 297 <306>); nach seiner Stellung im Gesetzgebungsverfahren zielt seine Tätigkeit nur auf die Vorbereitung und Ausgestaltung eines Kompromisses (vgl. BVerfGE 140, 115 <156 ff.> Rn. 105 ff.). Diese jeder Vermittlungstätigkeit innewohnende faktische Gestaltungsmacht ist jedoch durch die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt (BVerfGE 120, 56 <73 f.>; 125, 104 <122>). Der Vermittlungsausschuss erarbeitet Änderungsvorschläge, ausgehend vom Anrufungsbegehren, nur auf der Grundlage des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens.

25

dd) Das zum Anrufungsbegehren führende Gesetzgebungsverfahren wird durch die in dieses eingeführten Anträge und Stellungnahmen der Abgeordneten, aber auch des Bundesrates sowie im Falle einer Regierungsvorlage gegebenenfalls der Bundesregierung bestimmt (vgl. BVerfGE 101, 297 <307>; 120, 56 <75>; 125, 104 <122>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Form der Bundestag die Anträge und Stellungnahmen in seinem Gesetzesbeschluss berücksichtigt (vgl. BVerfGE 101, 297 <307>; 120, 56 <75>; 125, 104 <122>). Der Vermittlungsvorschlag muss dem Bundestag aber auf dem Boden der dort geführten parlamentarischen Debatte zurechenbar sein (vgl. BVerfGE 120, 56 <76>; 125, 104 <122>). Der Vermittlungsvorschlag ist deshalb inhaltlich und formal an den durch den Deutschen Bundestag vorgegebenen Rahmen gebunden (vgl. BVerfGE 101, 297 <307>; 125, 104 <122>). Die andernfalls eintretende Verlagerung des Zentrums der politischen Entscheidung in den Vermittlungsausschuss und die damit verbundene Entparlamentarisierung der Gesetzgebung wären unvereinbar mit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen den Gesetzgebungsorganen, mit den Rechten der Abgeordneten, mit der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte und mit der von ihr abhängigen demokratischen Kontrolle der Gesetzgebung (vgl. ausführlich BVerfGE 120, 56 <74 ff.>; 125, 104 <122 ff.>).

26

ee) Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses beschränkt sich danach darauf, mit dem Beschlussvorschlag eine Brücke zwischen Regelungsalternativen zu schlagen, die bereits zuvor in den Gesetzgebungsorganen erörtert worden oder jedenfalls erkennbar geworden sind. Der Vermittlungsausschuss darf mit seinem Vorschlag weder ein ihm nicht zustehendes Gesetzesinitiativrecht beanspruchen noch das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren verkürzen und der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehen. Der Bundestag muss den Vermittlungsvorschlag auf der Grundlage seiner Debatte über ihm vorliegende Anträge und Stellungnahmen als ein ihm zuzurechnendes und von ihm zu verantwortendes Ergebnis seines parlamentarischen Verfahrens erkennen und anerkennen können. Die Reichweite eines Vermittlungsvorschlags ist deshalb durch diejenigen Regelungsgegenstände begrenzt, die bis zur letzten Lesung im Bundestag in das jeweilige Gesetzgebungsverfahren eingeführt waren (BVerfGE 101, 297 <307>; 120, 56 <75>). Auch wenn diese Einführung in das Gesetzgebungsverfahren nicht in Form eines ausformulierten Gesetzentwurfs erfolgt sein muss, so muss der Regelungsgegenstand, der zur Grundlage eines Vorschlags im Vermittlungsausschuss werden kann, doch in so bestimmter Form vorgelegen haben, dass seine sachliche Tragweite dem Grunde nach erkennbar war. Eine allgemeine Zielformulierung genügt hierfür nicht (vgl. BVerfGE 120, 56 <76>; 125, 104 <123>). Dabei ist auch von Bedeutung, ob die Stellungnahme einen hinreichend klaren Bezug zu dem jeweiligen Gesetzgebungsverfahren aufweist (BVerfGE 125, 104 <123>).

27

b) Nach diesen Maßstäben ist § 58a AufenthG formell verfassungsmäßig zustande gekommen. Der Vermittlungsausschuss hat die Grenzen seines Vermittlungsauftrages nicht überschritten. Die Behandlung der Änderungsanträge sowie der zugehörigen Begründungen der Fraktion der CDU/CSU im Innenausschuss (4. Ausschuss) am 7. Mai 2003 erlaubten es dem Vermittlungsausschuss, die in § 58a AufenthG getroffene Regelung in seinen Einigungsvorschlag aufzunehmen.

28

aa) Dem Vermittlungsausschuss war ein weiter Vermittlungsrahmen eröffnet, weil das Anrufungsbegehren nicht beschränkt war. Die Bundesregierung verlangte mit Schreiben vom 2. Juli 2003 die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 GG, ohne konkrete Meinungsverschiedenheiten zu nennen (BTDrucks 15/1365).

29

bb) Der im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss, der den Vorschlag für § 58a AufenhG enthielt, bewegt sich innerhalb des durch das Gesetzgebungsverfahren gezogenen Vermittlungsrahmens. Der Einigungsvorschlag (BTDrucks 15/3479 S. 9 f.) ist deshalb dem Deutschen Bundestag zurechenbar. Er beinhaltet Regelungsgegenstände, die jedenfalls dem Grunde nach im Gesetzgebungsverfahren erkennbar geworden und auf der Grundlage des Gesetzesbeschlusses und des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens erarbeitet worden sind. Die Änderungsanträge waren nach Struktur und Umfang auch einer angemessenen parlamentarischen Beratung zugänglich. Unschädlich ist daher, dass die konkrete Regelung im Wesentlichen erst im März 2004 im Zuge der Beratungen durch das Bundesministerium des Innern vorgeschlagen wurde (vgl. Erbslöh, NVwZ 2007,S. 155 <156>), und dass die endgültige Fassung in Spitzengesprächen zwischen den Fraktionen im Mai und Juni 2004 als Teil des sogenannten Zuwanderungskompromiss festgelegt und am 30. Juni 2004 als Nr. 42 der den Kompromiss umsetzenden Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses dem Bundestag vorgelegt wurde.

30

Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien hatte die Möglichkeit einer Ausweisung bei (bloßem) Terrorismusverdacht schon zuvor eine Rolle gespielt. So wiesen die Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU zu Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 7. Mai 2003 Bezüge zu der später in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG geregelten Abschiebungsanordnung auf und fanden Eingang in die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses vom 7. Mai 2003 (BTDrucks 15/955). Zu nennen sind insbesondere die Änderungsanträge zu § 5 AufenthG (BTDrucks 15/955, S. 7 f.), § 11 Abs. 1 Satz 5 - neu - und Abs. 2 AufenthG (BTDrucks 15/955, S. 10), § 55 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 8 - neu - AufenthG (BTDrucks 15/955, S. 25) und § 60 Abs. 8 Satz 1, Satz 2 und 3 - neu - AufenthG (BTDrucks 15/955, S. 25 ff.) sowie die Formulierung, dass wesentlicher Grundzug der Änderungsanträge eine Überarbeitung des Entwurfs in sicherheitsrechtlicher Hinsicht sei, wozu insbesondere auch die Möglichkeit der Ausweisung bei Terrorismusverdacht gehöre (BTDrucks 15/955, S. 49).

31

Eine wertende Gesamtbetrachtung dieser vorgeschlagenen Änderungen einschließlich der jeweiligen Begründung rechtfertigen die Annahme, dass sie die ausländerrechtliche Normierung der später in § 58a AufenthG geregelten Abschiebungsanordnung vorbereiteten, indem sie die Grundlage der parlamentarischen Beratung ausweiteten. Der Vermittlungsausschuss erarbeitete sodann auf dieser Basis einen Kompromiss zwischen einer reinen Verdachtsausweisung und dem Verzicht auf jegliche Änderungen im Ausweisungsrecht (vgl. Möller, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 58a Rn. 4).

32

In den genannten Änderungsanträgen und den zugehörigen Begründungen kam die Forderung nach einer effektiven Abwehr terroristischer Aktivitäten durch eine Verschärfung der Versagungsgründe, lebenslange Einreisesperren, die Erweiterung der Ausweisungstatbestände sowie durch zusätzliche Ausnahmen von den gesetzlich geregelten Abschiebungsverboten zum Ausdruck. Gemeinsamer Ausgangspunkt dieser Änderungsanträge war es, entsprechende Regelungen bereits für den Fall des Terrorismusverdachts vorzusehen. Im Innenausschuss wurde die Frage verhandelt, ob hinreichend konkrete Verdachtsmomente für die Zugehörigkeit zu oder Unterstützung von terroristischen Vereinigungen oder von Vereinigungen, die sich in extremistischer Weise verfassungsfeindlich betätigen, genügen sollen, um ausländerrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist auch der Regelungsansatz des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der eine Abschiebungsanordnung ohne vorhergehende Ausweisung und Abschiebungsandrohung (mit der Möglichkeit der freiwilligen Ausreise) allein auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht.

33

Der Umstand, dass die Änderungsanträge die neuartige Maßnahme einer einstufigen Abschiebungsanordnung einschließlich der Folgeänderungen zu Rechtsschutzfragen in § 58a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 AufenthG sowie § 50 Nr. 3 VwGO noch nicht vorsahen, stellt diese Einschätzung nicht in Frage. Denn ein vom Vermittlungsvorschlag vorgelegter Einigungsvorschlag muss nicht in den parlamentarischen Beratungen bereits ausformuliert vorgelegen haben. Es reicht aus, wenn er aus der parlamentarischen Debatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens abgeleitet werden konnte. Dies ist hier der Fall.

34

cc) Die Änderungsanträge waren auch ordnungsgemäß und rechtzeitig ins parlamentarische Verfahren eingeführt worden; sie waren am 7. Mai 2003 und damit vor der Beschlussfassung des Bundestages am 9. Mai 2003 eingebracht worden. Dass sie im Innenausschuss abgelehnt und im (ersten) Gesetzesbeschluss des Bundestages unberücksichtigt geblieben sind, ist unschädlich. Schließlich ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verfahrensgang darauf angelegt gewesen wäre, einen von vornherein als notwendig erkannten politischen Kompromiss unter Vermeidung der Öffentlichkeit einer parlamentarischen Debatte erst im Vermittlungsausschuss herbeizuführen.

35

2. Auch gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit des § 58a AufentG bestehen keine Bedenken. Die Vorschrift ist mit dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes vereinbar (a), und es ist nicht zu beanstanden, dass der Erlass einer Abschiebungsanordnung in das Ermessen der handelnden Behörde gestellt wird (b).

36

a) aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz gebietet, dass eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß voraussehbar und berechenbar wird (vgl. BVerfGE 56, 1 <12> m.w.N.). Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justitiabilität. Allerdings muss das Gesetz so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen (vgl. statt vieler BVerfGE 103, 332 <384> m.w.N.).

37

bb) Gemessen hieran bestehen gegen § 58a AufenthG keine Bedenken. Denn die Vorschrift normiert mit der Anknüpfung an eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise an eine terroristische Gefahr Tatbestandsmerkmale, die jedenfalls hinreichend bestimmbar sind. Auch wenn der Terrorismusbegriff teilweise noch unterschiedlich definiert werden mag, so steht dies seiner Verwendung als Rechtsbegriff jedenfalls dann nicht im Wege, wenn sich die Rechtsanwender bei seiner Auslegung dieser Schwierigkeiten bewusst sind, sich mit den unterschiedlichen vertretenen Auffassungen auseinandersetzen und diese im Rahmen der juristischen Methodik bewältigen (vgl. BVerfGE 110, 33, 56 f.). Dem wird die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerecht, wenn sie eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann bejaht, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden. Auch die hieran anknüpfende "besondere" Gefahr in der ersten Alternative des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG lässt sich auf dieser Grundlage hinlänglich präzise bestimmen.

38

Auch die Kumulation der in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe mit der in § 50 Nr. 3 VwGO vorgesehenen Verkürzung des Instanzenzuges und der in § 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG normierten siebentägigen Frist zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz ist im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn diese Einschränkungen ändern nichts daran, dass die Tatbestandsvoraussetzungen durch das Bundesverwaltungsgericht hinreichend konkretisiert worden sind und sich Betroffene hieran orientieren können.

39

Der Vortrag des Beschwerdeführers, dass die durch § 58a AufenthG normierten Gefahren insbesondere in Anbetracht der allgemeinen Ausweisungstatbestände in § 53 AufenthG nicht hinreichend bestimmt seien, verfängt vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat herausgearbeitet, worin die Unterschiede zwischen § 58a AufenthG und den allgemeinen Ausweisungstatbeständen liegen und dabei insbesondere in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die besonderen von terroristischen Straftaten ausgehenden Gefahren abgestellt, die sich jederzeit und ohne großen Vorbereitungsaufwand realisieren können.

40

b) Es begegnet entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers ebenfalls keinen Bedenken, dass der Gesetzgeber die Frage der Verhältnismäßigkeit der Abschiebungsanordnung nicht schon im Tatbestand der Vorschrift geregelt, sondern diese auf Rechtsfolgenseite verortet hat, indem er der handelnden Behörde Ermessen eingeräumt hat. Einen zwingenden Ausweisungstatbestand, wie er früher in § 53 AufenthG normiert war, hat er damit ersichtlich nicht geschaffen (vgl. zu den hiermit verbundenen Problemen BVerfGK 12, 37 <40>). Vielmehr fordert und ermöglicht § 58a AufenthG, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei seiner Anwendung im Einzelfall in vollem Umfang Rechnung zu tragen (dazu unten 3. und 4.).

41

Das Grundgesetz gewährleistet, dass Eingriffe in Grundrechte nur erfolgen dürfen, wenn der Eingriff in Anbetracht des durch die staatliche Gewalt verfolgten Ziels verhältnismäßig ist (stRspr seit BVerfGE 7, 377 <404 ff.>). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Regelungen zu treffen, die verhältnismäßige Entscheidungen der Verwaltung ermöglichen und deren Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte sicherstellen. Die Verfassung überlässt jedoch die Frage, ob diejenigen Anforderungen an das behördliche Handeln, die die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sichern sollen, auf der Tatbestandsseite oder auf der Rechtsfolgenseite einer Vorschrift vorgesehen werden, grundsätzlich dem Gesetzgeber. Räumt dieser der Behörde auf der Rechtsfolgenseite Ermessen ein, so muss diese ihr Ermessen stets in einer verhältnismäßigen, der Bedeutung betroffener Grundrechte gerecht werdenden Art und Weise ausüben. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip stellt dabei eine Grenze der Ermessensausübung dar, deren Überschreitung durch die Verwaltungsgerichte zu kontrollieren ist. Eine Einschätzungsprärogative steht den Behörden insoweit nicht zu.

42

3. Auch die Handhabung der Vorschrift durch das Bundesverwaltungsgericht begegnet im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die durch das Bundesverwaltungsgericht für § 58a AufenthG entwickelten Maßstäbe verkennen die relevanten grundrechtlichen Vorgaben nicht und überschreiten damit den fachgerichtlichen Wertungsrahmen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es an die Gefährlichkeitsbewertung der Sicherheitsbehörden nicht gebunden ist und dass diesen diesbezüglich auch kein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 -, juris, Rn. 22). Inwieweit dabei die von den Sicherheitsbehörden entwickelten Risikobewertungsinstrumente zumindest als relevante Tatsachengrundlage in die gerichtliche Gesamtschau Eingang finden müssen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da nicht im Ansatz ersichtlich ist, inwieweit eine solche Einbeziehung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

43

Auch der Vortrag des Beschwerdeführers, es verstoße gegen Grundrechte, dass (allein) aus der Ideologie des Betroffenen für diesen negative Schlüsse gezogen würden, geht fehl. Denn die von dem Beschwerdeführer ausgehende terroristische Gefahr ist nicht allein aus seiner ideologischen Überzeugung abgeleitet worden, sondern aus der Verknüpfung dieser Überzeugung mit der zu Tage getretenen Bereitschaft, die aus seiner extremen ideologische Überzeugung abgeleiteten Ziele mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen. Damit wird eine negative Rechtsfolge nicht ausschließlich an die ideologische Überzeugung des Beschwerdeführers geknüpft, sondern seine Überzeugung wird in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als ein Baustein eines besonderen Gefährdungspotentials bewertet.

44

Schließlich dringt auch der Vorwurf des Beschwerdeführers nicht durch, es fehle an einem Konzept zur Beurteilung seiner Gefährlichkeit, und der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts erschöpfe sich in einer willkürlichen Aneinanderreihung von Tatsachen. Feststellung und Würdigung des Tatbestands sind zuvörderst Aufgabe der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht überprüft lediglich, ob die Sachverhaltsfeststellung und -bewertung durch ein Fachgericht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruht (vgl. BVerfGE 67, 213 <222 f.>; BVerfGE 68, 361 <372>).

45

Dies ist hier nicht ersichtlich. Weder hat das Bundesverwaltungsgericht nach dem oben Dargelegten allein aus der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers negative Schlüsse gezogen, noch ist ansonsten dargelegt oder erkennbar, inwieweit es bei der Feststellung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung die Bedeutung von Grundrechten verkannt haben könnte. Die Bejahung einer in relevantem Umfang erhöhten Bereitschaft des Beschwerdeführers, seine religiös motivierten Ziele durch gewaltsame oder terroristische Methoden zu erreichen, ist auf der Grundlage der ausgewerteten umfangreichen Erkenntnismittel nicht zu beanstanden.

46

4. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch insofern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, als sie die Abschiebung des Beschwerdeführers von einer von den algerischen Behörden zuvor einzuholenden Zusicherung abhängig macht. Die Einholung einer derartigen Zusicherung im vorliegenden Fall ist erforderlich (a); sie bietet eine hinreichende Grundlage für die Abschiebung des Beschwerdeführers, wenn sie hinreichend konkret abgefasst ist (b).

47

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht der Auslieferung sind vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfGE 63, 215 <224>; 109, 38 <62>; BVerfGK 2, 165 <172 f.>; 3, 159 <165>; 6, 13 <19>; 6, 334 <343>; 13, 128 <136>; 13, 557 <561>; 14, 372 <377 f.>).

48

Dies lässt sich auf die besondere Konstellation des § 58a AufenthG übertragen. Auch hier ist es grundsätzlich zulässig, durch geeignete Zusicherungen die Befürchtung auszuräumen, dem betroffenen Ausländer drohe im Abschiebezielstaat möglicherweise eine gegen Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 16; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, juris, Rn. 16; zur Europäischen Menschenrechtskonvention Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 17. Januar 2012 - 8139/09 - Othman ./. U.K., Rn. 188 f.). Von der gänzlichen Ungeeignetheit der Zusicherung des anderen Staates muss dabei nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 17. Januar 2012 - 8139/09 - Othman ./. U.K., Rn. 188; vgl. allerdings dies für Algerien bejahend U.K. Special Immigration Appeals Commission, Urteil vom 18. April 2016 - SC/39/2005 u.a. - u.a. mit dem Hinweis in Rn. 121, dass die Auflösung des Geheimdienstes DRS an dem Fortbestand der Foltergefahr nichts ändere; anders hierzu die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Rn. 47).

49

Welche konkreten Anforderungen an eine solche Zusicherung zu stellen sind, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern hängt insbesondere von den Bedingungen im Abschiebezielstaat und dem konkreten Inhalt der Zusicherung ab (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 17. Januar 2012 - 8139/09 - Othman ./. U.K., Rn. 189). Wie die Zusicherung auszulegen ist und ob sie jeweils bestehenden Bedenken Rechnung trägt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Das Fachgericht hat anhand dieser Maßstäbe zu prüfen, ob die Zusicherung die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK und Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wirksam ausschließt und insbesondere den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Anforderungen (vgl. den Katalog beispielhafter Gesichtspunkte in EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012, a.a.O. Rn. 188, 189) entspricht.

50

b) Vor diesem Hintergrund wäre es nicht ausreichend, wenn die im angegriffenen Beschluss geforderte Zusicherung nur den in deren Tenor genannten gänzlich allgemeinen Inhalt hätte. Vielmehr ist es von Verfassungs wegen erforderlich, dass die einzuholende Zusicherung mit spezifischen Garantien verbunden ist, die eine Überprüfung der (eventuellen) Haftbedingungen des Beschwerdeführers im Falle von dessen Inhaftierung und insbesondere den ungehinderten Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten erlaubt; dies muss sich auf eine Inhaftierung sowohl durch die Polizei als auch durch den Geheimdienst beziehen. Bevor auf der Grundlage einer solchen Zusicherung die Abschiebung erfolgt, ist dem Betroffenen außerdem Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls um Rechtsschutz nachzusuchen.

51

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug

1.
über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern und zwischen verschiedenen Ländern,
2.
über Klagen gegen die vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Vereinsgesetzes ausgesprochenen Vereinsverbote und nach § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vereinsgesetzes erlassenen Verfügungen,
3.
über Streitigkeiten gegen Abschiebungsanordnungen nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes und ihre Vollziehung sowie den Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auf dieser Grundlage,
4.
über Klagen, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen,
5.
über Klagen gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach § 12 Absatz 3a des Abgeordnetengesetzes, nach den Vorschriften des Elften Abschnitts des Abgeordnetengesetzes, nach § 6b des Bundesministergesetzes und nach § 7 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre in Verbindung mit § 6b des Bundesministergesetzes,
6.
über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben betreffen, die in dem Allgemeinen Eisenbahngesetz, dem Bundesfernstraßengesetz, dem Bundeswasserstraßengesetz, dem Energieleitungsausbaugesetz, dem Bundesbedarfsplangesetz, dem § 43e Absatz 4 des Energiewirtschaftsgesetzes, dem § 76 Absatz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes oder dem Magnetschwebebahnplanungsgesetz bezeichnet sind, über sämtliche Streitigkeiten, die Vorhaben zur Errichtung und zur Anbindung von Terminals zum Import von Wasserstoff und Derivaten betreffen, sowie über die ihm nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz zugewiesenen Verfahren,
7.
über die ihm nach dem Energiesicherungsgesetz zugewiesenen Verfahren.

(2) In Verfahren nach Absatz 1 Nummer 6 ist § 48 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Hält das Bundesverwaltungsgericht nach Absatz 1 Nr. 1 eine Streitigkeit für verfassungsrechtlich, so legt es die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, bedarf der Genehmigung des Familiengerichts. Die Unterbringung ist zulässig, solange sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.

(2) Die Genehmigung des Familiengerichts ist auch erforderlich, wenn dem Kind, das sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig in nicht altersgerechter Weise die Freiheit entzogen werden soll. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, als Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1) zu dienen, anpreist oder einer anderen Person zugänglich macht, wenn die Umstände seiner Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen,
2.
sich einen Inhalt der in Nummer 1 bezeichneten Art verschafft, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.

(2) Absatz 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1.
die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst und Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient oder
2.
die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Wenn der Jugendliche davon in Kenntnis gesetzt wird, dass er Beschuldigter ist, so ist er unverzüglich über die Grundzüge eines Jugendstrafverfahrens zu informieren. Über die nächsten anstehenden Schritte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren wird er ebenfalls unverzüglich informiert, sofern der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird. Außerdem ist der Jugendliche unverzüglich darüber zu unterrichten, dass

1.
nach Maßgabe des § 67a die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter oder eine andere geeignete volljährige Person zu informieren sind,
2.
er in den Fällen notwendiger Verteidigung (§ 68) nach Maßgabe des § 141 der Strafprozessordnung und des § 68a die Mitwirkung eines Verteidigers und nach Maßgabe des § 70c Absatz 4 die Verschiebung oder Unterbrechung seiner Vernehmung für eine angemessene Zeit verlangen kann,
3.
nach Maßgabe des § 48 die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht grundsätzlich nicht öffentlich ist und dass er bei einer ausnahmsweise öffentlichen Hauptverhandlung unter bestimmten Voraussetzungen den Ausschluss der Öffentlichkeit oder einzelner Personen beantragen kann,
4.
er nach § 70c Absatz 2 Satz 4 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 58a Absatz 2 Satz 6 und Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung der Überlassung einer Kopie der Aufzeichnung seiner Vernehmung in Bild und Ton an die zur Akteneinsicht Berechtigten widersprechen kann und dass die Überlassung der Aufzeichnung oder die Herausgabe von Kopien an andere Stellen seiner Einwilligung bedarf,
5.
er nach Maßgabe des § 67 Absatz 3 bei Untersuchungshandlungen von seinen Erziehungsberechtigten und seinen gesetzlichen Vertretern oder einer anderen geeigneten volljährigen Person begleitet werden kann,
6.
er wegen einer mutmaßlichen Verletzung seiner Rechte durch eine der beteiligten Behörden oder durch das Gericht eine Überprüfung der betroffenen Maßnahmen und Entscheidungen verlangen kann.

(2) Soweit dies im Verfahren von Bedeutung ist oder sobald dies im Verfahren Bedeutung erlangt, ist der Jugendliche außerdem so früh wie möglich über Folgendes zu informieren:

1.
die Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und Bedürfnisse im Verfahren nach Maßgabe der §§ 38, 43 und 46a,
2.
das Recht auf medizinische Untersuchung, das ihm nach Maßgabe des Landesrechts oder des Rechts der Polizeien des Bundes im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit zusteht, sowie über das Recht auf medizinische Unterstützung, sofern sich ergibt, dass eine solche während dieses Freiheitsentzugs erforderlich ist,
3.
die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit, namentlich
a)
des Vorrangs anderer Maßnahmen, durch die der Zweck des Freiheitsentzugs erreicht werden kann,
b)
der Begrenzung des Freiheitsentzugs auf den kürzesten angemessenen Zeitraum und
c)
der Berücksichtigung der besonderen Belastungen durch den Freiheitsentzug im Hinblick auf sein Alter und seinen Entwicklungsstand sowie der Berücksichtigung einer anderen besonderen Schutzwürdigkeit,
4.
die zur Haftvermeidung in geeigneten Fällen generell in Betracht kommenden anderen Maßnahmen,
5.
die vorgeschriebenen Überprüfungen von Amts wegen in Haftsachen,
6.
das Recht auf Anwesenheit der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter oder einer anderen geeigneten volljährigen Person in der Hauptverhandlung,
7.
sein Recht auf und seine Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 50 Absatz 1 und des § 51 Absatz 1.

(3) Wird Untersuchungshaft gegen den Jugendlichen vollstreckt, so ist er außerdem darüber zu informieren, dass

1.
nach Maßgabe des § 89c seine Unterbringung getrennt von Erwachsenen zu erfolgen hat,
2.
nach Maßgabe der Vollzugsgesetze der Länder
a)
Fürsorge für seine gesundheitliche, körperliche und geistige Entwicklung zu leisten ist,
b)
sein Recht auf Erziehung und Ausbildung zu gewährleisten ist,
c)
sein Recht auf Familienleben und dabei die Möglichkeit, seine Erziehungsberechtigten und seine gesetzlichen Vertreter zu treffen, zu gewährleisten ist,
d)
ihm der Zugang zu Programmen und Maßnahmen zu gewährleisten ist, die seine Entwicklung und Wiedereingliederung fördern, und
e)
ihm die Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu gewährleisten ist.

(4) Im Fall eines anderen einstweiligen Entzugs der Freiheit als der Untersuchungshaft ist der Jugendliche über seine dafür geltenden Rechte entsprechend Absatz 3 Nummer 2 zu informieren, im Fall einer polizeilichen Ingewahrsamnahme auch über sein Recht auf die von Erwachsenen getrennte Unterbringung nach den dafür maßgeblichen Vorschriften.

(5) § 70b dieses Gesetzes und § 168b Absatz 3 der Strafprozessordnung gelten entsprechend.

(6) Sofern einem verhafteten Jugendlichen eine schriftliche Belehrung nach § 114b der Strafprozessordnung ausgehändigt wird, muss diese auch die zusätzlichen Informationen nach diesem Paragrafen enthalten.

(7) Sonstige Informations- und Belehrungspflichten bleiben von den Bestimmungen dieses Paragrafen unberührt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.