Bundesverfassungsgericht Beschluss, 20. Feb. 2013 - 2 BvR 228/12

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2013:rs20130220.2bvr022812
bei uns veröffentlicht am20.02.2013

Tenor

1. § 22 Absatz 1 Satz 1 des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) vom 10. Oktober 2007 (Sächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt Seite 422) ist mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

2. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Januar 2012 - 2 Ws 515/11 - und des Landgerichts Leipzig vom 18. Oktober 2011 - II StVK 781/11 - verletzen, soweit sie nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Sie werden im entsprechenden Umfang aufgehoben und die Sache wird insoweit an das Landgericht Leipzig zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

I.

1

1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die medizinische Zwangsbehandlung eines im sächsischen Maßregelvollzug Untergebrachten, der unter Betreuung steht, auf der Grundlage des sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) vom 10. Oktober 2007 (SächsGVBl S. 422). Die einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes lauten:

2

§ 16

3

Gerichtliche Entscheidung über die Behandlung

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Ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Unterbringung für den volljährigen Patienten kein Betreuer für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge bestellt, so entscheidet das Gericht auch, ob und welche Behandlung ohne Zustimmung zulässig ist.

5

§ 21

6

Behandlung

7

(1) Der Patient hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Sie schließt die erforderlichen Untersuchungen sowie sozialtherapeutische, psychotherapeutische, heilpädagogische, beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Maßnahmen ein. Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan. Sie umfasst auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Patienten nach seiner Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.

8

(2) Der Behandlungsplan ist mit dem Patienten zu erörtern. Der Patient ist über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend aufzuklären.

9

§ 22

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Behandlung ohne Einwilligung des Patienten

11

(1) Zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen ist grundsätzlich das Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen. Liegt eine Zustimmung nach § 16, eine Einwilligung eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge oder bei Minderjährigen des Sorgeberechtigten nicht vor, so dürfen die Behandlung und die dafür notwendigen Untersuchungen ohne Einwilligung des Patienten nur durchgeführt werden, wenn durch den Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Patienten erheblich gefährdet wird.

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(2) Ärztliche Eingriffe und Behandlungsverfahren im Sinne des Absatzes 1, die mit einem operativen Eingriff oder einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, sind nur nach rechtswirksamer Einwilligung des Patienten oder, falls er die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung nicht beurteilen kann, des gesetzlichen Vertreters erlaubt.

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(3) Eine Ernährung gegen den Willen des Patienten ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden.

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(4) Sämtliche Maßnahmen dürfen die Würde des Patienten nicht verletzen und nur auf Anordnung und unter unmittelbarer Leitung und Verantwortung eines Arztes durchgeführt werden.

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§ 23

16

Unmittelbarer Zwang

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Sind Maßnahmen, die der Patient zu dulden hat, oder Anordnungen nach diesem Gesetz anders nicht durchsetzbar, dürfen die Bediensteten des Krankenhauses nach Ankündigung unmittelbaren Zwang gegen den Patienten anwenden. Die Ankündigung kann unterbleiben, wenn die Umstände des Einzelfalles sie nicht zulassen.

18

§ 33

19

Belastende Vollzugsmaßnahmen, Dokumentationspflicht

20

Belastende Vollzugsmaßnahmen sind nur auf Anordnung des ärztlichen Leiters des Krankenhauses im Sinne des § 2 Abs. 1 oder dessen Vertreter zulässig. Alle medizinischen Maßnahmen und belastenden Vollzugsmaßnahmen sind zu dokumentieren.

21

§ 38

22

Rechtsstellung des Patienten

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(1) Das Leben in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs soll den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden, soweit es ohne Beeinträchtigung des Zwecks der Unterbringung möglich ist. Für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt nach den §§ 63, 64 Abs. 1 StGB sowie § 7 JGG gelten § 19 Abs. 5, §§ 21 bis 29 und 31 bis 33 entsprechend. Für die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO und die vorläufige Unterbringung nach § 453c StPO gelten § 19 Abs. 5, die §§ 21 bis 28 und 31 bis 33 entsprechend. (...)

24

2. Mit Urteil vom 19. November 2002 wurde der Beschwerdeführer wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seit Ende Mai 2002 ist er, unterbrochen durch eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung im November 2008, die im August 2010 widerrufen wurde, im Sächsischen Krankenhaus A. (im Folgenden: Klinik) untergebracht. Nach Diagnose der Klinik leidet er an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie.

25

3. Dem Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG, in dem die hier angegriffenen Entscheidungen ergangen sind, ging ein betreuungsgerichtliches Verfahren voraus, in dem der medizinische Leiter der forensisch-psychiatrischen Abteilung der Klinik beim Amtsgericht F. beantragt hatte, eine kontinuierliche Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika zu genehmigen und die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchführung der Behandlung zu gestatten. Die eingesetzte Berufsbetreuerin hatte die Heilbehandlung befürwortet und gleichfalls deren Genehmigung beantragt. Das Amtsgericht lehnte den Antrag der Betreuerin ab und stellte fest, dass deren Einwilligung in die Behandlung des Beschwerdeführers keiner weitergehenden betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedürfe, dass die Einwilligungsabsicht der Betreuerin betreuungsrechtlich nicht zu beanstanden sei und dass sich die Zwangsbefugnis der Ärzte des Maßregelvollzuges zur Durchführung einer durch den Betreuer genehmigten Heilbehandlung nach § 38 Abs. 1 Satz 2, §§ 22, 23 SächsPsychKG richte.

26

Der Verfahrenspfleger des Beschwerdeführers legte hiergegen Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses sowie den Ausspruch der Unzulässigkeit der vom Betreuungsgericht getroffenen Feststellungen, die Heilbehandlung bedürfe keiner weitergehenden betreuungsgerichtlichen Genehmigung und die Einwilligungsabsicht der Betreuerin sei nicht zu beanstanden. Darüber hinaus beantragte er, festzustellen, dass eine Befugnis zur Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika nicht bestehe.

27

Das Landgericht hob die Feststellung, dass die Einwilligung der Betreuerin in die Zwangsbehandlung nicht zu beanstanden sei, sowie die Feststellung, dass die Zwangsbefugnis der behandelnden Ärzte zur Durchführung der durch die Betreuerin genehmigten Heilbehandlung sich nach den § 38 Abs. 1 Satz 2, §§ 22, 23 SächsPsychKG richte, auf und wies die Beschwerde im Übrigen zurück. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB schaffe keine Grundlage für die isolierte Genehmigung der Zwangsbehandlung eines Betroffenen, der bereits aufgrund einer anderen gesetzlichen Vorschrift untergebracht sei. Eine von den jeweiligen Unterbringungsvoraussetzungen losgelöste Übertragung allein der Zwangsbefugnisse auf andere Unterbringungssachverhalte komme nicht in Betracht. Auf den Vollzug der gemäß § 63 StGB angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fänden in Sachsen für die Heilbehandlung allein die Vorschriften des SächsPsychKG, hier § 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 22 SächsPsychKG, Anwendung. Eine gerichtliche Genehmigung sehe die gesetzliche Regelung in §§ 22, 38 SächsPsychKG nicht vor. Das Betreuungsgericht habe daher zu Recht die beantragte betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung abgelehnt. Mangels gesetzlicher Grundlage für die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen seien diese ersatzlos aufzuheben. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen ließ das Landgericht das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

28

Der Verfahrenspfleger des Beschwerdeführers erhob Rechtsbeschwerde. Gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Begehren, festzustellen, dass eine Rechtsgrundlage für eine Einwilligung der Betreuerin in eine zwangsweise Behandlung des Betroffenen mit Neuroleptika nicht bestehe, habe sich das Berufungsgericht auf den rein formalen Standpunkt zurückgezogen, dass eine gesetzliche Grundlage für Feststellungen des Betreuungsgerichts zur betreuungsrechtlichen Beurteilung einer solchen Einwilligung nicht bestehe. Die im Zentrum des Petitums stehende Frage, ob die Betreuerin überhaupt berechtigt sei, ihre Einwilligung in eine Zwangsbehandlung im Rahmen des Maßregelvollzugs zu erteilen, die dem vom Betroffenen unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten natürlichen Willen widerspreche, sei damit unbeantwortet geblieben, obwohl dem Betreuungsgericht durch § 1908i Abs. 1 in Verbindung mit § 1837 Abs. 1, 2 BGB die Befugnis zugewiesen sei, auf eine Anfrage des Betreuers hin diesem vorab aufzuzeigen, ob eine geplante keinem Genehmigungsvorbehalt unterliegende Maßnahme als pflichtwidrig zu beurteilen sei oder nicht. Dass es um Maßnahmen gehe, die im Maßregelvollzug durchgeführt würden, berühre nicht die Kompetenz der Betreuungsgerichte, die Tätigkeit des Betreuers zu überwachen und diesen zu beraten. Im vorliegenden Fall sei es der Betreuerin versagt, in eine zwangsweise Behandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika einzuwilligen, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für eine solche Zwangsbehandlung im Rahmen des Maßregelvollzugs fehle. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB komme als gesetzliche Grundlage einer Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers nicht in Betracht; die Vorschrift ermögliche nicht die Zwangsbehandlung eines auf der Grundlage des § 63 StGB untergebrachten Betreuten.

29

Der Bundesgerichtshof wies mit Beschluss vom 16. Februar 2011 die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Die nach den § 1908i Abs. 1, § 1837 Abs. 1 BGB erstrebte Klarstellung der Rechtslage ergebe sich bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Für das mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Ziel fehle das Rechtsschutzinteresse.

30

4. a) Mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 beantragte der Beschwerdeführer bei der Klinik, die auf die Erreichung des Vollzugsziels gerichtete psychiatrische Medikation, die er nicht aus Einverständnis, sondern aus Angst vor Zwangsanwendung in letzter Zeit geduldet habe, zumindest so lange zu unterlassen, bis eine neue gesetzliche Regelung geschaffen sei, die die Voraussetzungen und das Verfahren einer medikamentösen Zwangsbehandlung detailliert regele. Auch in den Fällen, in denen die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege, müsse der Untergebrachte Gelegenheit haben, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (jeweils mit Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011, BVerfGE 128, 282).

31

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2011 teilte die Klinik mit, dass die Fortsetzung der antipsychotischen Medikation auch gegen den erklärten, "krankheitsbedingt verstellten" Willen des Beschwerdeführers beabsichtigt sei. Man sei sich bewusst, dass die seit nunmehr über einem Jahr verabreichte antipsychotische Depot-Medikation gegen den natürlichen Willen des Beschwerdeführers verabreicht werde. Bei diesem bestehe spätestens seit 1993 eine sich immer wieder phasenhaft zuspitzende und inzwischen im Intervall mit Residualsymptomatik chronifiziert anhaltende Schizophrenie. Seit 1994 seien wiederholt Versuche des Beschwerdeführers dokumentiert, wegen empfundener Nebenwirkungen oder aus sonstigen Gründen die verordnete antipsychotische Medikation abzusetzen, wonach es regelmäßig zu erneuten Krankheitsschüben gekommen sei. Seit Kombination des seit Juli 2010 verabreichten antipsychotischen Medikaments Risperidon-Depot mit dem antipsychotischen Medikament Olanzapin-Depot Ende Januar 2011, ab 14. Juli 2011 als Monotherapie (nur Olanzapin) fortgesetzt, sei es zu einer erfreulichen Stabilisierung der psychischen Verfassung gekommen. Insbesondere eigen- und fremdschädigende Fehlhandlungen oder expansive Verhaltensweisen (Zerstörung von Gegenständen, Übergriffe auf Personal/Mitpatienten, Verstopfung von Wasserleitungen, Anzeigen usw.) seien seither nicht wieder oder kaum noch aufgetreten. Der Beginn der medikamentösen Behandlung gegen den Willen des Beschwerdeführers im Juli 2010 sei mit Einverständnis seines Betreuers erfolgt. Krankheitsbedingt sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, Bedeutung und Tragweite dieser Entscheidung zu überschauen. So sei ihm der offensichtliche Zusammenhang zwischen dem letzten Versuch, die Medikamente abzusetzen, und der nachfolgenden schweren psychotischen Exazerbation nicht zugänglich. Erlebnisse aus dieser akuten Erkrankungsphase, in der über Monate animalisch verrohte, mit dem Zerfall persönlicher zivilisatorischer Bestände einhergehende und nur noch durch dauerhaften Einschluss in der Isolationszelle zu beherrschende Verhaltensweisen dominiert hätten, würden von ihm rückblickend rationalisiert, umgedeutet und bagatellisiert. Er führe Störungen seines Befindens auf die Medikation und Fortschritte seiner Entwicklung auf die Beschäftigung mit heiligen Schriften (Hare Krischna) zurück. Statt den Zusammenhang zwischen Medikation und Schutz vor einer Rückkehr in diesen Zustand zu erkennen, sehe er die Beschäftigung mit seinen heiligen Schriften als ausreichenden Schutz an. Eine Kosten-Risiko-Abwägung zwischen Nebenwirkungen und Wirkung der antipsychotischen Medikation sei ihm krankheitsbedingt nicht möglich; dies betreffe insbesondere auch den Zusammenhang zwischen Erkrankungsverlauf und Gefährlichkeit. Gäbe man dem Willen des Beschwerdeführers nach und stoppte die Medikation, hätte das sehr wahrscheinlich den erneuten Ausbruch einer akuten Krankheitsepisode innerhalb von Wochen bis Monaten zur Folge. Damit wären eigen- und fremdgefährdende Verhaltensweisen verbunden, die eine Fortsetzung der freiheitsentziehenden Maßnahmen erforderlich machen und die Aussicht auf weitere Lockerungen beziehungsweise eine Aussetzung der Maßregel in weite Ferne rücken würden. Erfahrungsgemäß sei mit Zunahme der Dauer akuter psychotischer Phasen eine Verlängerung der nachfolgend notwendigen Rehabilitation sowie eine Verschlechterung der prognostischen Aussichten für den weiteren Krankheitsverlauf verbunden. Die Evaluation der Medikamentengabe falle bis dato eindeutig zugunsten der erwünschten Wirkung aus. Gewichtszunahme, angegebene Müdigkeit und Konzentrationsstörungen seien im Vergleich zu früheren medikamentösen Einstellungen als geringfügig zu bezeichnen. Letztere seien, wie einige weitere seitens des Beschwerdeführers mit der Medikation in Zusammenhang gebrachte Befindensstörungen, nicht sicher von Symptomen der Grunderkrankung abzugrenzen.

32

b) Unter dem 12. Oktober 2011 wandte der Beschwerdeführer sich an die Strafvollstreckungskammer mit dem Antrag gemäß § 109 StVollzG, den Leiter der Klinik zu verpflichten, künftig jegliche medikamentöse psychiatrische Zwangsheilbehandlung zu unterlassen, zumindest bis eine - näher spezifizierte - neue gesetzliche Regelung zur Zwangsbehandlung geschaffen werde. Zugleich stellte er einen gleichgerichteten Eilantrag (§ 114 StVollzG) und beantragte Prozesskostenhilfe. In Sachsen fehle es an einer den Anforderungen der - auch in ihren tragenden Gründen bindenden - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügenden gesetzlichen Regelung der Zwangsmedikation zur Erreichung des Vollzugsziels bei nach § 63 StGB Untergebrachten. Die verabreichten Medikamente hätten starke Nebenwirkungen; der Beschwerdeführer fühle sich infolge der Medikation müder, depressiver und antriebsärmer. Er sei nicht krankheitsuneinsichtig, sondern lediglich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Medikamente nichts gebracht hätten. Mit den schweren Nebenwirkungen wolle er nicht leben.

33

c) Mit angegriffenem Beschluss vom 18. Oktober 2011 gewährte die Strafvollstreckungskammer dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe und lehnte im Übrigen dessen Anträge ab. Die Behandlung mit vierzehntägig verabreichten antipsychotisch wirkenden Depotspritzen gegen den natürlichen Willen des Beschwerdeführers und notfalls mit Zwang, in die der Betreuer eingewilligt habe, werde auf vollzugsrechtlich rechtmäßiger Grundlage vorgenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei eine Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen des Patienten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Zwangsbehandlung von Maßregelvollzugspatienten sei in Sachsen nur in den engen Grenzen des § 22 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG zulässig. Nach § 22 Abs. 1 SächsPsychKG sei zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen. Die Voraussetzungen für eine Behandlung nach der zweiten Alternative des § 22 SächsPsychKG (gemeint offenbar: nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG) seien zwar nicht gegeben, da mit dem Absetzen der Medikamente keine Lebensgefahr oder erhebliche Gesundheitsgefährdung eintreten würde. Es liege jedoch eine wirksame Einwilligung des gerichtlich bestellten Betreuers in die Behandlung des Beschwerdeführers vor. Bei einem krankheitsbedingt nicht einwilligungsfähigen Patienten stehe beim Vorliegen einer wirksamen Einwilligung des für den Bereich der Gesundheitssorge bestellten Betreuers der natürliche Wille des Untergebrachten einer Behandlung nicht entgegen. Werde eine Behandlung als notwendig erkannt, ärztlicherseits angeraten und vom Betreuer für erforderlich gehalten, dann müsse die Möglichkeit bestehen, sie auch gegen den - von Verfassungs wegen nicht über die Einwilligungsentscheidung des Betreuers zu stellenden - durch Krankheit beeinflussten Willen des Patienten durchzusetzen. Die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Betreuers könne nicht durch das Vollstreckungsgericht, sondern nur durch das Betreuungsgericht überprüft werden, da § 22 SächsPsychKG allein an das Vorliegen einer Einwilligung anknüpfe. Eine vollzugsrechtliche Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme sei nur eingeschränkt möglich. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch lägen nicht vor. In der Stellungnahme der Klinik werde detailliert ausgeführt, was zu der getroffenen Entscheidung geführt habe. Nach den schlüssigen Angaben der behandelnden Ärzte und unter Berücksichtigung des bisherigen Behandlungsverlaufs, den die Kammer jährlich überprüfe und der auch in regelmäßigen Abständen von Sachverständigen überprüft werde, sei beim Beschwerdeführer eine Medikamentengabe zwingend, um akute Krankheitsschübe weitestgehend zu verhindern. Der Beschwerdeführer habe zudem bei seiner letzten Anhörung erklärt, dass er nicht für immer im Maßregelvollzug bleiben wolle. Unter Berücksichtigung dieser Willensäußerung sei die Entscheidung des Betreuers, in die Medikamentengabe einzuwilligen, um eine Entlassungsperspektive zu ermöglichen, nicht zu beanstanden, zumal der Betreuer über Risiken und Nebenwirkungen der Medikation umfassend aufgeklärt worden sei und diese nach Einschätzung der Klinik nicht gravierend seien.

34

d) Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer - nunmehr zusätzlich mit Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 2011 (BVerfGE 129, 269) - erneut unter anderem geltend machte, die §§ 22, 23 SächsPsychKG stellten keine verfassungsgemäße Grundlage für die weitere Zwangsbehandlung dar, verwarf das Oberlandesgericht, unter Gewährung von Prozesskostenhilfe, mit angegriffenem Beschluss vom 11. Januar 2012. Die Rechtsbeschwerde sei unbegründet. Zwar sprächen vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März und 12. Oktober 2011 (BVerfGE 128, 282 und 129, 269) gute Gründe dafür, dass auch die eine Zwangsmedikation des Beschwerdeführers regelnden §§ 22, 23 SächsPsychKG mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar seien. Den Mängeln der gesetzlichen Regelungen könne jedoch im vorliegenden Fall im Wege verfassungskonformer Auslegung abgeholfen werden. Im Gegensatz zu den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen werde eine Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers nicht nur durch das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten selbst, sondern auch durch die sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen, gerechtfertigt. Sollte die Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers unterlassen werden, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers dramatisch verschlechtern und der Beschwerdeführer Verhaltensmuster zeigen werde, die vor der mit Zustimmung des Betreuers begonnenen Zwangsmedikation im Juli 2010 zu beobachten gewesen seien. Damals hätten sich das abnorme Bedeutungserleben und die körperlichen Halluzinationen des Beschwerdeführers soweit verstärkt, dass er angegeben habe, von Mitarbeitern vergewaltigt worden zu sein und sich im Kriseninterventionsraum durch nicht anwesende Personen massiv sexuell bedrängt gefühlt zu haben. Zudem habe er täglich onaniert und sich mit Kot eingerieben, was er als lustvolles Erleben angegeben habe. Er habe daher weiter im Kriseninterventionsraum untergebracht werden müssen, wo er fortgesetzt "animalisch und primitiv anmutende" Verhaltensauffälligkeiten gezeigt habe, indem er in den Raum uriniert, vor anderen onaniert, mit dem eigenen Kot Hakenkreuze geschmiert und suizidale Ideen geäußert habe. Vor diesem Hintergrund müsse der Achtung der Menschenwürde des Beschwerdeführers Vorrang vor seinem grundrechtlich geschützten Recht auf Krankheit eingeräumt werden und die mit Zustimmung des Betreuers durchgeführte Medikation auch gegen den natürlichen Willen des Beschwerdeführers erlaubt sein.

II.

35

1. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz ergangenen Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie gegen die landesgesetzlichen Regelungen der Zwangsbehandlung im sächsischen Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten, insbesondere gegen die §§ 22 und 23 SächsPsychKG, und rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. Gemessen an den Maßstäben der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 und vom 12. Oktober 2011 könnten die angegriffenen Entscheidungen und gesetzlichen Bestimmungen keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellten die §§ 22, 23 SächsPsychKG keine verfassungsgemäße Grundlage für die weitere Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers dar. Der vom Oberlandesgericht ins Feld geführte Art. 1 GG vermöge daran nichts zu ändern. Art. 1 GG enthalte nicht die erforderlichen konkreten Maßgaben und ermächtige nicht zur zwangsweisen Änderung der Identität eines Menschen gegen dessen Willen. Selbst wenn man aus Art. 1 GG die Verpflichtung des Staates herleiten wollte, den Beschwerdeführer durch zwangsweise Veränderung seiner Identität vor sich selbst zu schützen, bedürfe ein solches Vorgehen besonderer, detailliert auszugestaltender verfahrensrechtlicher Vorkehrungen.

36

2. Die zuständige Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 10. Februar 2012 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Februar 2012 - 2 BvR 228/12 -, juris) und mit Beschluss vom 9. Mai 2012 dem Beschwerdeführer für das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab 31. Januar 2012 bewilligt.

37

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, die Staatsregierung des Freistaates Sachsen sowie der Bundesgerichtshof Stellung genommen.

38

a) Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium der Justiz mit Stellungnahme vom 15. Juni 2012 ausgeführt, eine Zwangsmedikation sei im betreuungsrechtlichen Verfahren nur im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 BGB und damit nur unter engen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen möglich. Als sogenannte Betreuerlösung werde diskutiert, ob im Maßregelvollzug eine Zwangsbehandlung bei einem krankheitsbedingt einsichtsunfähigen Betroffenen durchgeführt werden könne, wenn ein Betreuer mit dem Aufgabenbereich der Gesundheitssorge als Stellvertreter des Betroffenen in die Behandlung einwillige. Im Hinblick auf die Einbindung eines rechtlichen Betreuers in die Genehmigung einer Zwangsbehandlung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sei aus der Sicht der Bundesregierung auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen: Der Betreuer entscheide über medizinische Maßnahmen im Falle eines nichteinwilligungsfähigen Betreuten allein unter Berücksichtigung dessen Wohls; er habe die Behandlungswünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. Dabei habe er zu berücksichtigen, dass zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit gehöre, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Das Betreuungsrecht erkenne damit sowohl die Freiheit zur Krankheit als auch die Freiheit zur Selbstschädigung an. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht unter Vorsitz des Bundesministeriums der Justiz habe sich in ihrem Abschlussbericht kritisch mit der verfahrensmäßigen Absicherung einer Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug durch Einschaltung eines rechtlichen Betreuers auseinandergesetzt. Die Ausführungen der Arbeitsgruppe, wonach es dem Betreuer nicht möglich sei, über eine Einwilligung in eine Zwangsbehandlung zum Zwecke der Erreichung eines bestimmten Vollzugszieles zu entscheiden, und eine verfahrensmäßige Einbeziehung des Betreuers zur Absicherung einer Maßnahme nach Maßregelvollzugsrecht daher systemwidrig wäre, würden von der Bundesregierung geteilt. Ob Zwangsmaßnahmen während einer Unterbringung im Maßregelvollzug nach Maßregelvollzugsrecht zulässig seien, ergebe sich aus dem Landesrecht. Dies gelte auch für die verfahrensrechtlichen Sicherungen für solche Maßnahmen. Im Hinblick auf die landesrechtlichen Regelungen erfolge keine Bewertung.

39

b) Für die Sächsische Staatsregierung hat mit Schreiben vom 14. Juni 2012 das Staatsministerium der Justiz und für Europa Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. § 22 Abs. 1 SächsPsychKG stelle eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die angefochtenen Entscheidungen beziehungsweise die beanstandeten Behandlungsmaßnahmen dar. Die §§ 21 und 22 SächsPsychKG trügen den sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Maßstäben hinreichend Rechnung.

40

Anders als die Regelungen des rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugsgesetzes und des baden-württembergischen Unterbringungsgesetzes, die Gegenstand der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gewesen seien, sähen die Regelungen in § 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 22 SächsPsychKG grundsätzlich keine Möglichkeiten einer Zwangsbehandlung vor, über die allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide. Der sächsische Gesetzgeber habe sich wegen der vorangegangenen Erfahrungen mit politischem Missbrauch der Psychiatrie in der ehemaligen DDR bewusst gegen Zwangsbehandlungen von Untergebrachten entschieden - abgesehen von aktuellen Notfällen - und Behandlungen auch im Hinblick auf das in § 136 Satz 2 StVollzG normierte Vollzugsziel vom Vorliegen einer Einwilligung abhängig gemacht. Der erforderliche besondere Schutz der grundrechtlich geschützten Belange des Untergebrachten gegenüber therapeutischen Eigeninteressen der Unterbringungseinrichtung sei damit bereits im Ansatz anders vorgezeichnet als in den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelungen. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG fordere für alle nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einvernehmen des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters. Eine Ausnahme formuliere § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG lediglich für den Fall, dass die Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden könne und durch einen Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Patienten erheblich gefährdet werde. Eine Sonderregelung treffe § 22 Abs. 2 SächsPsychKG. Sei die Behandlung mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Patienten verbunden oder handele es sich um einen operativen Eingriff, sei stets eine rechtswirksame Einwilligung erforderlich. Damit sei die Therapie von Maßregelvollzugspatienten den allgemeinen Grundsätzen der Krankenhausbehandlung angenähert. Sei die Einsichtsfähigkeit des Untergebrachten vorhanden, habe sein Wille Vorrang. Auch sein von durchschnittlichen Präferenzen abweichender oder aus der Außensicht unvernünftig erscheinender Wille sei insoweit beachtlich. Erst wenn diese Einsichtsfähigkeit - wie im Falle des Beschwerdeführers - krankheitsbedingt fehle, sei auf die Erklärung des Betreuers abzustellen, der kraft Gesetzes dem Wohl des Betreuten und nicht den Zielen des Maßregelvollzugs verpflichtet sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 23. März 2011 ausgeführt, dass bei Zwangsbehandlungen die Rechte des Betroffenen auch durch Einschaltung eines Betreuers gewahrt werden könnten, so dass bei fehlender Zustimmung des Betroffenen die ersetzende Einwilligung des Betreuers erforderlich und ausreichend sein könne.

41

Unter Berücksichtigung der sich aus dem gewählten Regelungsmodell ergebenden Besonderheiten genügten die sächsischen Regelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf eine hinreichend konkretisierte Ankündigung der Behandlung und das vorherige Bemühen um eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung seien in § 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 2 SächsPsychKG umgesetzt. Danach sei die Behandlung unabhängig von der Einwilligungsfähigkeit des Patienten mit diesem zu erörtern. Der Patient sei auch umfassend aufzuklären (§ 21 Abs. 2 Satz 2 SächsPsychKG). Die Anordnung und Überwachung durch einen Arzt sei in § 22 Abs. 4 Halbsatz 2 SächsPsychKG geregelt. Schließlich sei eine Dokumentationspflicht in § 33 Satz 2 SächsPsychKG vorgegeben.

42

Soweit der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit der Regelung deshalb in Zweifel ziehe, weil es in Fällen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an der Möglichkeit fehle, gerichtlich gegen die Erteilung dieser Einwilligung vorzugehen, sei dem nicht zu folgen. Aus der Garantie des effektiven Rechtsschutzes folge in erster Linie das verfahrensrechtliche Gebot einer Ankündigung der Behandlung, die dem Betroffenen überhaupt erst die Möglichkeit eröffnen solle, Rechtsschutz zu suchen. Ein entsprechendes Zeitfenster werde bei einem Vorgehen nach § 21 Abs. 2, § 22 Abs. 1 und 4 sowie § 23 Satz 1 SächsPsychKG regelmäßig gegeben sein. Dass die Ankündigung einer Behandlung möglichst so rechtzeitig erfolgen müsse, dass gegebenenfalls Rechtsschutz gesucht werden könne, ergebe sich unmittelbar aus Verfassungsrecht. Insoweit sei § 21 Abs. 2 SächsPsychKG zumindest einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Im Übrigen bestünden Zweifel, ob das gerichtliche Verfahren betreffend eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in den Unterbringungsgesetzen der Länder geregelt werden könnte. Der Beschwerdeführer selbst gehe davon aus, dass eine rechtliche Prüfung der Einwilligung des Betreuers im Rahmen des Betreuungsrechts zu erfolgen hätte. Eine entsprechende Regelung durch die Länder dürfte mangels Gesetzgebungskompetenz nicht in Betracht kommen.

43

Mit den angegriffenen Beschlüssen sei die Untersagung einer weiteren Zwangsbehandlung zu Recht abgelehnt worden. Bei der Behandlung seien die vom Gesetz gezogenen Grenzen einer Behandlung ohne Einwilligung des Patienten beachtet worden. Nach der Stellungnahme der Klinik vom 10. Oktober 2011 sei der Beschwerdeführer zu Beginn seiner Behandlung im Juli 2010 krankheitsbedingt nicht fähig gewesen, die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit einer Behandlung zu erkennen. Um ihm eine Entlassungsperspektive zu eröffnen, habe daher eine medikamentöse Behandlung gegen seinen natürlichen Willen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG mit Einwilligung seines Betreuers erfolgen können. Aus der Stellungnahme der Klinik ergebe sich auch, dass sie sich um eine auf Vertrauen gegründete, im Rechtssinne freiwillige Zustimmung des Patienten bemüht habe und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden sei.

44

c) Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mit Schreiben vom 1. Juni 2012 eine Stellungnahme des XII. Zivilsenats vom 30. Mai 2012 übersandt. Darin wird der Stand der Rechtsprechung des Senats zu den Befugnissen eines Betreuers im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung des Betreuten dargestellt und ausgeführt, der Senat werde anlässlich der zur Genehmigungsfähigkeit der Zwangsbehandlung im Rahmen der betreuungsrechtlichen Unterbringung gegenwärtig anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren zu entscheiden haben, ob an dieser Rechtsprechung angesichts der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung festzuhalten sei. Zu der Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem im Maßregelvollzug Untergebrachten und nach §§ 1896 ff. BGB Betreuten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der durch seinen Betreuer erteilten Einwilligung in eine Zwangsbehandlung eröffnet seien, insbesondere was die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Behandlung sowie das Bestehen einer krankheitsbedingten Unfähigkeit des Betreuten zur Einsicht in die Notwendigkeit seiner Behandlung angehe, nehme der Senat wie folgt Stellung: Der Betreuer sei außerhalb einer betreuungsrechtlichen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB als gesetzlicher Vertreter des Betreuten befugt, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betreuten einzuwilligen. Hingegen sei er in solchen Fällen nicht berechtigt, den einer medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu überwinden. Deshalb könne eine Einwilligung des Betreuers in die Zwangsbehandlung auch nicht betreuungsrechtlich genehmigt werden. Verhalte der Betreuer sich pflichtwidrig, weil er gedenke, in eine (ersichtlich) nicht indizierte Heilbehandlung einzuwilligen, könne das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB hiergegen durch geeignete Ge- und Verbote einschreiten. Bestünden Zweifel an der Eignung des Betreuers, könne der Betreute gemäß § 1908b Abs. 1 BGB auf eine Entlassung des Betreuers hinwirken. Sei die Einwilligung in die Behandlung betreuungsrechtlich nicht zu beanstanden, ziehe sie aber - wie vorliegend gemäß § 22 Abs. 1, § 23 SächsPsychKG - eine Zwangsbehandlung nach sich, sei die Beurteilung, ob diese rechtmäßig erfolge, auf der Grundlage der die Zwangsbehandlung rechtfertigenden Normen, hier also des sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten, durch die für den Maßregelvollzug zuständigen Gerichte (§ 138 Abs. 3 i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG) anhand der einschlägigen Normen vorzunehmen. § 1906 BGB eröffne keine Handlungsbefugnis des Betreuungsgerichts, Feststellungen zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug zu treffen. Bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einwilligung des Betreuers wegen einer möglicherweise bestehenden Einsichtsfähigkeit des Betreuten, könne dieser vor dem Betreuungsgericht um Rechtsschutz nachsuchen (KG, Beschluss vom 29. August 2007 - 2 Ws 66/07 Vollz -, FamRZ 2008, S. 300 <302 f.>). Der Betreuer könne in die Heilbehandlung und in ärztliche Eingriffe nur wirksam einwilligen, wenn der Betreute selbst zu einer solchen Einwilligung nicht in der Lage - insbesondere nicht einsichts- oder steuerungsfähig - sei (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 Rn. 21).

45

4. Auf die Stellungnahme der Sächsischen Staatsregierung hat der Beschwerdeführer erwidert, dass das Abstellen auf die vorliegende Genehmigung des Betreuers an der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen gerichtlichen Beschlüsse und gesetzlichen Regelungen nichts zu ändern vermöge. Insoweit werde bereits verkannt, dass es für die Zustimmung eines Betreuers selbst an einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage fehle (mit Verweis auf die zwischenzeitlich ergangenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2012; s. dazu im Folgenden unter III.). Es sei zudem in keiner Weise ein hinreichendes Korrektiv zur - auch fachlichen - Übermacht der Maßregelvollzugskliniken in Zwangsbehandlungsangelegenheiten, wenn externe Kontrolle durch eine bloße Beteiligung des jeweiligen Betreuers gewährleistet werden solle. Es bedürfe vielmehr prinzipiell - also ohne dass der psychisch kranke Mensch insoweit selbst aktiv werden müsse - einer vorherigen Prüfung in einem gerichtlichen Verfahren unter Beiordnung von angemessen vergüteten Rechtsbeiständen sowie unter regelmäßiger Beteiligung externen gutachterlichen Sachverstandes.

46

5. Dem Senat haben die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens vorgelegen.

III.

47

Mit Beschlüssen vom 20. Juni 2012 hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur Genehmigungsfähigkeit von Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgegeben (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 -, NJW 2012, S. 2967 ff., und - XII ZB 130/12, juris). Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit würden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt habe, nicht gerecht. Diese Anforderungen seien im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihr die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse. Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügten den Anforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt habe und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssten. Danach fehle es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb dürfe ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.

B.

48

Die Verfassungsbeschwerde - die die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nur insoweit angreift, als sie nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen - ist zulässig und begründet. Die Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

I.

49

1. Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten greift, unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt wird, in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, das die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht schützt (BVerfGE 128, 282<300>; 129, 269 <280>; zur Unabhängigkeit des Eingriffscharakters von der Einsichtsfähigkeit des Betroffenen BVerfGE 128, 282 <301>).

50

Die Eingriffsqualität entfällt nicht bereits dann, wenn der Betroffene der abgelehnten Behandlung keinen physischen Widerstand entgegensetzt (vgl. BVerfGE 128, 282 <300 f.>; 129, 269 <280>). Eine Zwangsbehandlung im Sinne einer medizinischen Behandlung, die gegen den natürlichen Willen des Betroffenen erfolgt, liegt unabhängig davon vor, ob eine gewaltsame Durchsetzung der Maßnahme erforderlich wird oder der Betroffene sich, etwa weil er die Aussichtslosigkeit eines körperlichen Widerstandes erkennt, ungeachtet fortbestehender Ablehnung in die Maßnahme fügt und damit die Anwendung körperlicher Gewalt entbehrlich macht (vgl. BVerfGE 128, 282 <300 f.>; 129, 269 <280>). Dem grundrechtseingreifenden Charakter der beanstandeten Behandlung, und demgemäß auch der angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen, steht es danach nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer sich, ohne seine Ablehnung aufzugeben, aus Angst vor Zwangsmaßnahmen auf die Verabreichung der Medikamente eingelassen hat.

51

Auch die Einwilligung eines Betreuers nimmt der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter. Sie lässt den Eingriff unberührt, der darin liegt, dass die Maßnahme gegen den natürlichen Willen des Betroffenen erfolgt (vgl. BVerfGE 10, 302 <309>).

52

2. Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten kann ungeachtet der besonderen Schwere des darin liegenden Eingriffs gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 128, 282 <304 ff.>; 129, 269 <280 ff.>). Sie ist jedoch, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt (BVerfGE 128, 282 <317>).

53

Das Erfordernis einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe besteht auch dann, wenn für den jeweils betrachteten Eingriff gute oder sogar zwingende sachliche Gründe sprechen mögen (vgl. BVerfGE 116, 69 <80>; BVerfGK 9, 123 <126 f.>). Der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass in Grundrechte nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Vorbehalt des Gesetzes), hat gerade den Sinn, die primäre Zuständigkeit für die Bewertung von Grundrechtsbeschränkungen als wohlbegründet oder ungerechtfertigt zu bestimmen. Er stellt sicher, dass die Grenzen zwischen zulässigem und unzulässigem Grundrechtsgebrauch, zwischen zulässiger und unzulässiger Grundrechtseinschränkung nicht fallweise nach eigener Einschätzung von beliebigen Behörden oder Gerichten, sondern primär - in der Form eines allgemeinen Gesetzes - durch den Gesetzgeber gezogen werden.

54

Der Vorbehalt des Gesetzes gilt nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Gesetzlicher Regelung bedürfen in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein. Für aktuell und potentiell betroffene Untergebrachte und für die zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträger der Unterbringungseinrichtung, die einer klaren, Rechtssicherheit vermittelnden Eingriffsgrundlage auch im eigenen Interesse bedürfen, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels aus dem Gesetz erkennbar sein; sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht bedarf es einer über abstrakte Verhältnismäßigkeitsanforderungen hinausgehenden Konkretisierung dieser Voraussetzungen (vgl. BVerfGE 128, 282 <318 ff.>; 129, 269 <283>).

55

3. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Ziels des Maßregelvollzuges, einschließlich der Anforderungen, denen die gesetzliche Grundlage für eine solche Behandlung genügen muss, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23. März 2011 geklärt (vgl. BVerfGE 128, 282 <304 ff.>; s. auch BVerfGE 129, 269 <280 ff.>).

56

Danach verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer bereits deshalb in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, weil es für die Zwangsbehandlung, die sie als rechtmäßig bestätigen, an einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage fehlt. Die herangezogene Eingriffsgrundlage des § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar und nichtig.

57

a) Dies gilt unabhängig von der Frage, inwieweit Zwangsbehandlungen auch zu anderen Zwecken als zur Erreichung des Vollzugsziels zulässig sein können und inwieweit die für Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei einer andersgerichteten Maßnahme - etwa einer Behandlungsmaßnahme zur Rettung des Untergebrachten aus akuter Lebens- oder schwerer Gesundheitsgefahr (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG) - uneingeschränkt Gültigkeit beanspruchen. Denn bei § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG handelt es sich nicht um eine Vorschrift, die auf Zwangsbehandlungen zu anderen als vollzugszielbezogenen Zwecken zugeschnitten wäre oder abtrennbare diesbezügliche Gehalte aufwiese. Die Vorschrift sieht vielmehr von einer Zweckvorgabe ab (s. b)bb)).

58

b) Die Regelungen des sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten unterscheiden sich allerdings von den bislang verfassungsgerichtlich geprüften und beanstandeten landesrechtlichen Regelungen dadurch, dass sie für den Regelfall keinerlei Zwangsbehandlungsmaßnahmen zulassen, über die allein die Unterbringungseinrichtung entschiede. Erforderlich ist grundsätzlich entweder die Einwilligung des Betroffenen selbst oder die seines gesetzlichen Vertreters oder, wenn es an einem gesetzlichen Vertreter fehlt, weil ein Betreuer nicht bestellt wurde, eine gerichtliche Genehmigung der Maßnahme nach § 16 SächsPsychKG; etwas anderes gilt nur für den Fall, dass durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Patienten erheblich gefährdet wäre (s. i.E. § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 SächsPsychKG). Dies führt jedoch weder zur Unanwendbarkeit der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzlichen Grundlagen einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels noch dazu, dass diese Anforderungen erfüllt wären. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG verfehlt vielmehr die verfassungsrechtlichen Anforderungen in mehreren Hinsichten.

59

aa) Weder diese Bestimmung noch andere, ergänzend heranzuziehende Vorschriften des Gesetzes beschränken die medizinische Zwangsbehandlung des Untergebrachten zur Erreichung des Vollzugsziels, wie verfassungsrechtlich geboten (vgl. BVerfGE 128, 282 <307 f.>; 129, 269 <281 f.>), auf den Fall seiner krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit.

60

(1) Dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG auf die Regeln der ärztlichen Kunst verweist, ändert daran nichts. Unabhängig von der Frage, ob dieser Verweis überhaupt hinreichend deutlich eine umfassende Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst statuiert, liegt in einer solchen Bindung keine hinreichend deutliche gesetzliche Begrenzung der Möglichkeit der Zwangsbehandlung auf Fälle der fehlenden Einsichtsfähigkeit. Der Umstand, dass § 22 SächsPsychKG nur in Absatz 2 für Behandlungsmaßnahmen, die mit einem operativen Eingriff oder einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Untergebrachten verbunden sind, die eingriffsrechtfertigende Wirkung der Einwilligung des Patienten daran knüpft, dass dieser die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung beurteilen kann, legt eher die Schlussfolgerung nahe, dass Eingriffe unterhalb der genannten Schwelle unabhängig von der Frage einer krankheitsbedingten Selbstbestimmungsunfähigkeit zugelassen sein sollen. Auch wenn man diesen Schluss nicht ziehen will, weil zwischen dem Fehlen der in § 22 Abs. 2 SächsPsychKG angesprochenen Fähigkeit zu positiver Einwilligung in eine ärztlich indizierte Behandlung und einer "Vetofähigkeit" (vgl. Böse, in: FS Roxin, 2011, S. 523 <529>) zu unterscheiden und die Möglichkeit zu erwägen sein könnte, dass bestimmte - etwa paranoische - psychische Erkrankungen nur die letztere Fähigkeit beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 129, 269 <281 f.>), stellt jedenfalls nicht schon der Verweis auf die Regeln der ärztlichen Kunst in der notwendigen Weise klar, dass krankheitsbedingt fehlende Einsichtsfähigkeit Voraussetzung der Zwangsbehandlung ist (vgl. BVerfGE 129, 269 <281 f.>).

61

(2) Eine ausreichende gesetzliche Regelung des Erfordernisses krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit liegt auch nicht darin, dass die Einwilligung eines Betreuers, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG geeignet sein soll, eine Behandlung auch gegen den natürlichen Willen des Untergebrachten zu legitimieren, ihrerseits die krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit des Betreuten voraussetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <867>).

62

Die landesrechtliche Anknüpfung der Befugnis, einen Untergebrachten zur Herstellung seiner Entlassungsfähigkeit gegen seinen erklärten Willen - notfalls unter Anwendung physischen Zwangs - zu behandeln, an das Vorliegen der Einwilligung des Betreuers ist schon im Ansatz ungeeignet, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Bestimmung der materiellen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen einer solchen Behandlung Rechnung zu tragen. Denn die mit dieser Anknüpfung in Bezug genommenen bundesrechtlichen Vorschriften des Betreuungsrechts selbst gestatten dem Betreuer - dessen Befugnisse schon aus kompetenziellen Gründen nicht durch den Landesgesetzgeber erweitert werden können - die Erteilung einer auch eine Zwangsbehandlung einschließenden Einwilligung nicht.

63

Die Vorschriften des Betreuungsrechts (§§ 1896 ff. BGB) sehen die Möglichkeit einer Zwangsbehandlung nicht ausdrücklich vor. Zwar ist ein Betreuer kraft seiner gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1902 BGB) grundsätzlich auch befugt, anstelle eines nicht einsichts- oder steuerungsfähigen Betreuten in medizinische Heilbehandlungen einzuwilligen (vgl. BGHZ 145, 297 <306 f.>); nur unter den Voraussetzungen des § 1904 Abs. 1 BGB ist in einem solchen Fall zusätzlich die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Aus § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB hat die höchstrichterliche Rechtsprechung abgeleitet, dass der Betreuer bei der Erteilung seiner Einwilligung den Wünschen des Betreuten nicht entsprechen muss, wenn sie dessen Wohl zuwiderlaufen (vgl. BGHZ 166, 141 <150 f.>). Auch nach dieser Auslegung folgt jedoch aus der gesetzlichen Vertretungsmacht, die es dem Betreuer ermöglicht, in eine medizinische Behandlung des Betreuten mit rechtfertigender Wirkung einzuwilligen, nicht zugleich die Befugnis, den einer medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu überwinden beziehungsweise eine Zwangsbehandlung seitens dritter Personen durch Einwilligung zu legitimieren, da die §§ 1901, 1902 BGB für sich genommen keine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Zweck, Gegenstand und Ausmaß der vom Betreuten unter Zwang zu duldenden Behandlung ermöglichen (vgl. BGHZ 145, 297 <306 ff.>; 166, 141 <151>; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <866 f.>). Eine gesetzliche Grundlage für derartige Zwangsmaßnahmen hat der Bundesgerichtshof zwar bis zur Änderung seiner - insoweit umstritten gebliebenen - Rechtsprechung durch die Beschlüsse vom 20. Juni 2012 (s.o. A.III.) in § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gesehen, der die Unterbringung eines krankheitsbedingt einsichts- oder steuerungsunfähigen Betreuten durch den Betreuer zum Zweck einer anders nicht durchführbaren medizinischen Behandlung - mit Zustimmung des Betreuungsgerichts (§ 1906 Abs. 2 BGB) - ermöglicht: Diese Unterbringungsermächtigung schließe die Ermächtigung zur zwangsweisen Durchführung der Behandlung, auf die die Unterbringung zielt, ein (vgl. BGHZ 166, 141 <151 f.>; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008, a.a.O. S. 867; a.A. Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, Handkommentar, 4. Aufl. 2010, § 1904 BGB Rn. 11; Narr/Saschenbrecker, FamRZ 2006, S. 1079 <1082>; Ludyga, FPR 2007, S. 104 <105 f.>; Olzen/van der Sanden, JR 2007, S. 248 <249 f.>, m.w.N.). Auch soweit danach eine Rechtsgrundlage für Zwangsbehandlungen als im Betreuungsrecht angelegt gesehen wurde, betraf dies allerdings, entsprechend der Ableitung der Zwangsbehandlungsbefugnis aus der dem Wortlaut nach nur zu einer Unterbringung ermächtigenden Vorschrift des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, ausschließlich Behandlungen im Rahmen einer nach dieser Vorschrift angeordneten Unterbringung (vgl. BGHZ 145, 297 <300 f.>; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008, a.a.O. S. 866). Für medizinische Zwangsbehandlungen außerhalb einer Unterbringung oder im Rahmen von auf anderer Rechtsgrundlage erfolgten Unterbringungen, einschließlich der Unterbringung im Maßregelvollzug (§ 63 StGB), bot § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB danach bereits in seiner Auslegung durch die frühere Rechtsprechung keine gesetzliche Grundlage. Die zwischenzeitliche Änderung dieser Rechtsprechung dahingehend, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für Maßnahmen der Zwangsbehandlung im Rahmen von Unterbringungen nach dieser Vorschrift keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Grundlage darstellt (s.o. A.III.), verdeutlicht insofern für den vorliegenden Zusammenhang nur, dass die Vorschriften des Betreuungsrechts als - sei es primäre oder ergänzende - Grundlage für Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels im Maßregelvollzug von Verfassungs wegen erst recht nicht in Betracht kommen.

64

bb) Auch den weiteren aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuleitenden Anforderungen, denen ein zur medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten ermächtigendes Gesetz entsprechen muss, ist nicht genügt. Es fehlt sowohl an der abschließenden Bestimmung des Zwecks oder der Zwecke, die den Eingriff rechtfertigen sollen, und damit an der Ausscheidung von Zwecken, die einen Eingriff prinzipiell nicht zu rechtfertigen geeignet sind - eine ausschließende Bedeutung kommt insbesondere § 21 Abs. 1 Satz 4 und § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG nicht zu -, als auch sonst an einer ausreichenden Konkretisierung der materiellen und verfahrensmäßigen Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben.

65

(1) § 22 Abs. 1 SächsPsychKG statuiert in dem eingriffsermächtigenden Satz 1 keine zureichenden inhaltlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen, sondern verlangt nur, dass zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen ist. Dies reicht nicht aus (vgl. BVerfGE 129, 269 <281>). Materiell beschränkende Regelungen für eine gemäß dieser Vorschrift mit Einwilligung des Betreuers oder sonstigen gesetzlichen Vertreters erfolgende Zwangsbehandlung finden sich in den Absätzen 1 und 2 des § 22 SächsPsychKG auch sonst nicht; Absatz 1 Satz 2 regelt nur, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe bei Fehlen jeglicher Einwilligung - auch der eines Vertreters oder des Gerichts - zulässig sind, und Absatz 2 statuiert, in nicht ganz deutlichem Verhältnis zu Absatz 1 Satz 2, wiederum nur Einwilligungserfordernisse. Lediglich in § 22 Abs. 3 und Abs. 4 SächsPsychKG finden sich weitere die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in materieller Hinsicht betreffende Anforderungen, nämlich eine Sonderregelung für den Fall der Zwangsernährung - diese soll nur zur Abwehr erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit zulässig sein (Abs. 3) - und das Verbot der Verletzung der Würde des Patienten (Abs. 4). Damit ist dem Erfordernis, die materiellen Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung über die Anforderung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinaus gesetzlich zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 128, 282 <317 f.>; 129, 269 <282 f.>), nicht Genüge getan.

66

(2) Auch mit Blick auf die Ausgestaltung des Verfahrens wird die als Grundlage der Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers herangezogene gesetzliche Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur teilweise gerecht.

67

Ausreichend ist die gesetzliche Regelung allerdings, soweit es um das Erfordernis der Anordnung und Überwachung von Zwangsbehandlungen durch einen Arzt (vgl. BVerfGE 128, 282 <313, 320>; 129, 269 <283>) geht. Nach § 22 Abs. 4 SächsPsychKG sind sämtliche Maßnahmen nur auf Anordnung und unter unmittelbarer Leitung und Verantwortung eines Arztes zulässig.

68

Das Gesetz enthält auch die erforderliche (vgl. BVerfGE 128, 282 <313 ff.>; 129, 269 <283>) Regelung der Pflicht zur Dokumentation aller Zwangsbehandlungsmaßnahmen. § 33 Satz 2 SächsPsychKG sieht vor, dass alle medizinischen Maßnahmen und belastenden Vollzugsmaßnahmen zu dokumentieren sind. Danach sind medizinische Maßnahmen, wenn sie gegen den natürlichen Willen eines Untergebrachten erfolgen, nicht nur als medizinische, sondern zugleich auch in ihrer Eigenschaft als belastende, nämlich dem natürlichen Willen des Betroffenen zuwiderlaufende, zu dokumentieren. Der Umfang des dokumentarisch Festzuhaltenden ist zwar im Gesetz nicht näher präzisiert, ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Sinn und Zweck des Dokumentationserfordernisses, der über die Orientierungsfunktion für das weitere ärztliche Handeln hinaus auch darin besteht, das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Maßnahme erkennbar und überprüfbar zu machen.

69

Dagegen fehlt es an einer angemessenen Regelung des - unabhängig von der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen bestehenden - Erfordernisses der vorherigen Bemühung um eine auf Vertrauen gegründete im Rechtssinne freiwillige, insbesondere nicht bloß wegen anderenfalls drohender Gewaltanwendung erteilte Zustimmung des Betroffenen (vgl. hierzu BVerfGE 128, 282 <309 f.>; 129, 269 <283>). § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG fordert nur, dass zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einverständnis des Patientenoder seines gesetzlichen Vertreters eingeholt wird. Allerdings ist nach § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsPsychKG der Behandlungsplan mit dem Patienten zu erörtern, und nach Satz 2 der Vorschrift ist der Patient über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend aufzuklären. Der Umstand, dass das Gesetz in weiteren Vorschriften zwischen dem Patienten und seinem Betreuer oder sonstigen gesetzlichen Vertreter unterscheidet (§ 22 Abs. 1 und Abs. 2 SächsPsychKG), legt es nahe, diese informationsbezogene Regelung dahin auszulegen, dass sie die Erörterung des Behandlungsplans mit dem Patienten in eigener Person sowie Aufklärung des Patienten selbst gebietet, also nicht etwa die Aufklärung des Betreuers genügen lässt. Zweifel an dieser Auslegung weckt allerdings das Fehlen einer gesonderten Regelung über die Aufklärungspflicht gegenüber dem gesetzlichen Vertreter für den Fall, dass dem Patienten selbst die Einwilligungsfähigkeit fehlt, und das Fehlen einer Ausnahme für den Fall, dass der Betroffene nicht kommunikationsfähig ist. Unabhängig davon ist § 21 Abs. 2 SächsPsychKG jedenfalls nichts dafür zu entnehmen, dass die gebotene Erörterung und Aufklärung auf eine vertrauensbasierte freiwillige, insbesondere nicht bloß auf eine anderenfalls drohende Gewaltanwendung gegründete Zustimmung des Betroffenen gerichtet sein muss. Mit einer bloßen Erörterungs- und Aufklärungspflicht wäre es auch vereinbar, anstelle geduldiger Bemühung um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses den Betroffenen - zeitsparend - von vornherein vor die Alternative zwischen Hinnahme der geplanten Behandlung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu stellen. Ein solches Vorgehen genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen aber, jedenfalls außerhalb akuter Notfallsituationen, gerade nicht. Dieser Mangel der gesetzlichen Regelung kann nicht durch verfassungskonforme Auslegung behoben werden, weil damit den hohen Bestimmtheitsanforderungen, die an die gesetzliche Regelung der Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung zu stellen sind (vgl. BVerfGE 128, 282 <317 f.>), nicht genügt wäre.

70

Weiter fehlt es an einer zureichenden Regelung des, jedenfalls für planmäßige Behandlungsmaßnahmen bestehenden, Erfordernisses einer hinreichend konkretisierten Ankündigung (vgl. BVerfGE 128, 282 <311 ff.>; 129, 269 <283>). Eine solche Regelung ist nicht deshalb entbehrlich, weil das Ankündigungserfordernis, wie auch andere Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung, die der Konkretisierung oder ausdrücklichen Klarstellung durch einfaches Gesetz bedürfen, seine Grundlage im Verfassungsrecht hat (vgl. dementsprechend die Beanstandung ihres Fehlens in BVerfGE 128, 282 <320>; 129, 269 <283>). Eine ausreichende Regelung der Ankündigung liegt nicht bereits in der vorgesehenen Erörterungs- und Aufklärungspflicht (§ 21 Abs. 2 SächsPsychKG). Diese zielt auf die Schaffung der informatorischen Grundlagen für eine den Eingriffscharakter der Maßnahme ausschließende Zustimmung. Das Ankündigungserfordernis betrifft demgegenüber Maßnahmen, für die eine solche Zustimmung gerade nicht vorliegt, und zielt auf die Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. BVerfGE 128, 282 <311>). Eine vorherige Ankündigung ist - mit einer Ausnahme für den Fall, dass die Umstände sie nicht zulassen - nur in § 23 SächsPsychKG für die Anwendung unmittelbaren Zwangs vorgesehen. Mit einer Regelung, die eine Androhung allein für die Anwendung physischen Zwangs vorschreibt, sind jedoch die Fälle, für die das Ankündigungserfordernis von Verfassungs wegen besteht, nicht ausreichend erfasst (vgl. BVerfGE 128, 282 <321>; 129, 269 <283>). Eine Zwangsbehandlung im hier maßgebenden Sinne liegt nicht erst dann vor, wenn die Behandlung im Wege des unmittelbaren Zwangs gegen Widerstand durchgesetzt wird (s.o. B.I.1.). Die Ankündigungsregelung des § 23 SächsPsychKG stellt auch nicht sicher, dass die Ankündigung sich auf Art, Dauer und Intensität der geplanten Zwangsbehandlung erstreckt und damit eine ausreichende gerichtliche Überprüfung ermöglicht. Entsprechendes gilt für die Bestimmungen, die die Erstellung eines Behandlungsplans und dessen Erörterung mit dem Patienten vorsehen (§ 21 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SächsPsychKG).

71

Entgegen den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist zudem eine vorausgehende Überprüfung der Maßnahme in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung (vgl. hierzu BVerfGE 128, 282 <315 ff.>; 129, 269 <283>) nicht vorgesehen. Die erforderliche Überprüfung ist insbesondere nicht dadurch sichergestellt, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG die Behandlung eines Untergebrachten, die nicht mit dessen eigenem Einverständnis erfolgt, grundsätzlich das Einverständnis des gesetzlichen Vertreters, bei Erwachsenen also eines Betreuers, voraussetzt. Zwar gehört neben anderen möglichen Lösungen, wie etwa einem Richtervorbehalt oder der Beteiligung einer sonstigen neutralen Stelle (vgl. BVerfGE 128, 282 <316>), auch die Einschaltung eines Betreuers grundsätzlich zu den in Betracht kommenden Möglichkeiten der erforderlichen vorausgehenden externen Überprüfung, sofern das Betreuungsrecht selbst dies zulässt. Die in § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG getroffene Regelung sieht jedoch, unabhängig von den betreuungsrechtlichen Fragen, die sie aufwirft, eine derartige Überprüfung schon im Ansatz nicht vor. Die Vorschrift weist, indem sie die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung allein an das Vorliegen des Einverständnisses des gesetzlichen Vertreters bindet, diesem nicht die Funktion zu, eine Entscheidung der Klinik darauf hin zu überprüfen, ob sie vorgegebenen gesetzlichen Maßstäben entspricht. Vielmehr setzt sie die Entscheidung des Betreuers an die Stelle solcher Maßstäbe. Um eine externe Kontrolle im Sinne des Erfordernisses vorausgehender Überprüfung der Maßnahme in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung handelt es sich daher hier nicht. Das Fehlen materieller Kriterien für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung (oben B.I.3b)bb)(1)) entzieht somit zugleich dem verfahrensrechtlichen Ansatz des angegriffenen Gesetzes die ihm zugedachte Legitimationsfunktion.

72

cc) Im Hinblick auf die Gewährleistung gerichtlichen Rechtsschutzes ist die Eingriffsermächtigung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG schließlich auch deshalb unzureichend, weil angesichts der mit der gewählten "Betreuerlösung" verbundenen Unklarheiten nicht gesichert und für den Betroffenen nicht hinreichend erkennbar ist, wie er den verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz erlangen kann. Dies zeigt für den vorliegenden Fall das Zusammenspiel der angegriffenen Entscheidungen mit den Entscheidungen im vorausgegangenen betreuungsgerichtlichen Verfahren. Während der Beschwerdeführer im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG, in dem die hier angegriffenen Entscheidungen ergangen sind, keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Einwilligung des Betreuers erreichen konnte, weil nach der unbeanstandet gebliebenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer die Rechtmäßigkeit dieser Einwilligung und die Frage, ob der Betroffene einwilligungsunfähig und die Behandlung erforderlich und angemessen ist, allein durch das Betreuungsgericht geprüft werden können, hatte sich, gleichfalls bis in die letzte Instanz unbeanstandet, das Landgericht im betreuungsgerichtlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt, dass sich aus § 1906 BGB keine Befugnis des Betreuungsgerichts zu dahingehenden Feststellungen ergebe.

II.

73

Da die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, soweit angegriffen, das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bereits mangels einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage für den gebilligten Eingriff verletzen, kann offenbleiben, ob die Rechtsanwendung durch die Fachgerichte noch aus anderen Gründen Anlass zu verfassungsrechtlicher Beanstandung gibt.

C.

I.

74

§ 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ist wegen der festgestellten Verfassungsverstöße für nichtig zu erklären. Die Voraussetzungen für eine bloße Unvereinbarerklärung liegen nicht vor (vgl. BVerfGE 128, 282 <321 f.>; 129, 269 <284>). Dasselbe gilt für die Voraussetzungen einer Erstreckung des Nichtigkeitsausspruchs (§ 78 Satz 2 BVerfGG) auf andere Teile des § 22 SächsPsychKG.

75

Die angegriffenen Entscheidungen sind gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG in dem bezeichneten Umfang aufzuheben, und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

76

Gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Sind hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Aussetzung widerrufen wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls, unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2, oder, wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, daß der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen werde, einen Haftbefehl erlassen.

(2) Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe angerechnet. § 33 Abs. 4 Satz 1 sowie die §§ 114 bis 115a, 119 und 119a gelten entsprechend.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Das Gericht kann auch eine einstweilige Anordnung erlassen; § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidungen sind nicht anfechtbar; sie können vom Gericht jederzeit geändert oder aufgehoben werden.

(3) Der Antrag auf eine Entscheidung nach Absatz 2 ist schon vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zulässig.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, daß er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil.

21
Wie der Senat dargelegt hat (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 300 ff. = FamRZ 2001, 149 ff. und BGHZ 166, 141, 148 ff. = FamRZ 2006, 615, 616 ff.), darf der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB) zwar für diesen in medizinische Behandlungen einwilligen, wenn der Betroffene selbst zu einer solchen Einwilligung nicht in der Lage, insbesondere nicht einsichts- oder steuerungsfähig ist. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage , ob der Betreuer auch befugt ist, den einer solchen medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen durch Zwang zu überwinden. Allein aus den Vertretungsvorschriften der §§ 1901, 1902 BGB kann der Betreuer eine solche Zwangsbefugnis nicht herleiten, weil diese Vorschriften für sich genommen keine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der vom Betreuten unter Zwang zu duldenden Behandlung ermöglichen. Dies wäre jedoch notwendig, da der Betreuer gegenüber dem Betroffenen ein öffentliches Amt wahrnimmt und Zwangsmaßnahmen des Betreuers , mit denen der Widerstand des Betroffenen gegen Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit und Freiheit überwunden werden soll, einer Rechtsgrundlage durch ein formelles Gesetz bedürfen (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 2 GG).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 99/12
vom
20. Juni 2012
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und
FamRZ 2011, 1927 Rn. 38) fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen
Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche
Zwangsbehandlung (Aufgabe der Senatsrechtsprechung Senatsbeschlüsse BGHZ
166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 XII ZB 185/07 - FamRZ 2008,
866 und vom 22. September 2010 XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
Deshalb darf der Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung
keine Zwangsbehandlung veranlassen.
BGH, Beschluss vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 - LG Stuttgart
AG Ludwigsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 KostO). Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 1 begehrt als Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der Betroffenen.
2
Die Betroffene leidet an einer blanden Psychose bei vielfältigen sozialen Problemen und an einer Borderline Persönlichkeitsstörung. Die Betreuung wurde unter anderem für die Bereiche Bestimmung des Aufenthalts einschließlich Maßnahmen der Freiheitsbeschränkung und -entziehung sowie der Unterbringung und für die medizinische und pflegerische Betreuung und Versorgung, einschließlich der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen und Eingriffe angeordnet. Die Beteiligte zu 1 wurde zur Betreuerin bestellt. Anschließend genehmigte das Betreuungsgericht auf ihren Antrag die Unterbringung der Betroffenen auf der geschlossenen Station einer psychiatrischen Einrichtung gemäß § 1906 Abs. 1 BGB.
3
Den Antrag der Betreuerin auf betreuungsgerichtliche Genehmigung für eine Zwangsmedikation nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat das Betreuungsgericht unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
4
Am 2. April 2012 ist die Betroffene entlassen worden.

B.

5
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Genehmigung der Zwangsbehandlung zu Recht abgelehnt.

I.

6
Nach Auffassung des Landgerichts genügt § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage. Die Norm ermächtige das Betreuungsgericht nach seinem Wortlaut nur dazu, die Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung zu genehmigen, dem Betroffenen gegenüber also eine freiheitsentziehende Maßnahme anzuordnen, in deren Rahmen dann eine Heilbehandlung durchgeführt werden könne. Der Wortlaut enthalte keinerlei Hinweise auf eine Zwangsbehandlung. Für den jeweiligen Kreis der Normbetroffenen, bei denen es sich in aller Regel um schwer psychisch erkrankte und deshalb beein- trächtigte Menschen handele, ergebe sich keineswegs bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Heilbehandlung auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden könne, die Norm also etwa zur Zwangsmedikation berechtigen solle. Zudem habe der Gesetzgeber § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB bewusst nicht als Grundlage für eine Zwangsbehandlung formuliert. Er habe vielmehr trotz Problembewusstseins ausdrücklich davon abgesehen, im Betreuungsrecht eine Ermächtigung zur Zwangsbehandlung wie auch ein generelles Verbot zur Zwangsbehandlung zu regeln. Ein formelles Gesetz, das zum Grundrechtseingriff berechtige, habe er also gerade nicht geschaffen.
7
Dass die Vorschrift nach diesem Verständnis nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, müsse angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hingenommen werden. Dabei sei nicht zu verkennen, dass es zumeist dem objektiven Wohl des Betroffenen entsprechen möge, eine Behandlung durchzuführen. Die derzeitige Situation, die eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen trotz Behandlungsbedürftigkeit nicht zulasse, sei für alle Beteiligten unbefriedigend. Dieser Nachteil müsse angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs und des Fehlens einer klaren und bestimmten Eingriffsnorm im Sinne eines wirksamen Grundrechtsschutzes und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung hingenommen werden.
8
Die Ansicht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden für den Bereich des Betreuungsrechts nicht gelten, weil die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem enthielten, dessen Schutzniveau den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht gerecht würde, überzeuge nicht. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur ermächtigenden Norm gründeten auf der Qualität des Grundrechtseingriffs. Für den Betroffenen werde der Eingriff, der in der medizinischen Zwangsbehandlung liege, nicht dadurch weniger belastend, dass ein Betreuer zustimme. Es sei gemäß Art. 2 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber vorbehalten , Eingriffsbereiche und deren Ziele zu formulieren, dies sei hinsichtlich einer betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung nicht erfolgt. Eine Norm, deren Wortlaut für den Kreis der Normanwender und Normbetroffenen klar ergebe, dass die Zwangsbehandlung betreuungsgerichtlich genehmigt werden könne, sei auch nicht in den übrigen Vorschriften des Betreuungsrechts zu erkennen.
9
Die Betreuerin begehre auch nicht nur die Anordnung einer Unterbringung an sich. Die freiheitsentziehende Maßnahme sei bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgt. Der Antrag der Betreuerin auf Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfolge vielmehr den Zweck, die von der Betroffenen verweigerte medikamentöse Behandlung zwangsweise gegen ihren Willen durchzusetzen. Eine solche Zwangsbehandlung sei aber - wie vorstehend ausgeführt - nicht möglich. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, bei der die Heilbehandlung - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchgeführt werde oder werden könne, dürfe jedoch nicht genehmigt werden. Wenn und soweit weiterhin die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorlägen, werde eine Unterbringung der Betroffenen auch weiterhin betreuungsgerichtlich zu genehmigen sein.

II.

10
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
11
1. Allerdings bleibt der Rechtsbeschwerde nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil die Betroffene nach den Angaben der Betreuerin bereits aus der Betreuung entlassen worden ist bzw. sie gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen Selbstgefährdung untergebracht war.
12
Nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr vorliegen und eine Unterbringung nach Nr. 2 deshalb nicht in Betracht kommt, weil die gebotene medikamentöse Behandlung gegen den Willen der Betroffenen entsprechend der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts nicht durchsetzbar ist. Auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung, wonach eine betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung im Rahmen der Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zulässig war, wäre der Antrag der Betreuerin auf Genehmigung der Zwangsmedikation jedenfalls dahin auszulegen, dass auch die übrigen Voraussetzungen einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB festzustellen und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine entsprechende Unterbringung zu genehmigen wäre. Denn bereits der ursprüngliche Antrag der Betreuerin auf Genehmigung der Unterbringung war auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt.
13
Ausgehend von der Prämisse, dass nach der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mehr genehmigungsfähig ist, sind die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts allerdings konsequent , wonach eine solche Unterbringung nicht in Betracht kommt, weil die Heilbehandlung nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung der Rechtsbeschwerde maßgeblich darauf an, ob § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung in die Einwilligung einer mit Zwangsbehandlung verbundenen Unterbringung noch zu rechtfertigen vermag.
14
2. Diese Frage ist zu verneinen; der Senat hält an seiner Rechtsprechung insoweit nicht mehr fest.
15
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats umfasst die Befugnis des Betreuers, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen einzuwilligen, im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.). Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden könne, wenn sie rechtlich zulässig sei, könne der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden dürfe. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - eher seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejahe oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen der medizinischen Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiere, er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsehe. Die Vorschrift könne daher sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt habe und derentwegen der Betroffene untergebracht werden dürfe, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden habe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618). Allerdings müsse in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich angegeben werden, weil sich nur aus diesen Angaben der Unterbringungszweck sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der vom Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergäben; dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 f. = FamRZ 2006, 615, 618).
16
Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe freilich nicht gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer veranlasst werden dürfe, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Die freiheitsentziehende Unterbringung müsse vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich, also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" , entziehe. Umgekehrt begründe die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen, also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetze , sich ihr aber nicht räumlich entziehe (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).
17
Der Senat hat ferner entschieden, dass die Genehmigung nur zulässig sei, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen sei. Ob dies der Fall sei, bedürfe im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 8). Es liege auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen - deren Zulässigkeit vorausgesetzt - verbunden werden solle. Dies folge schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen seien. Bei der Prüfung, ob eine - insbesondere längerfristige - Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspreche, seien an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen. Dies lege gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine besonders kritische Prüfung des therapeutischen Nutzens einer nur unter Zwang durchgeführten Medikation nahe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 146 f. = FamRZ 2006, 615, 616).
18
Schließlich sei ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
19
b) Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig sei, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs be- stimme (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und 2011, 1927 Rn. 38). Dies gelte nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Die in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen bedürften gesetzlicher Regelungen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72). Der Gesetzgeber sei gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die notwendige Bestimmtheit fehle zwar nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Die Betroffenen müssten jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung müsse für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehöre die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm. Die Anforderung an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit seien umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff sei, den eine Norm vorsehe. Dabei könne auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73).
20
Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung stehe nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 40). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändere ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berühre, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle. Sie könne im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt werde. Selbst die Einwilligung des Betreuers nehme daher der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42), zumal der Eingriff für den Betroffenen nicht dadurch weniger belastend sei, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt habe (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
21
Der Gesetzgeber sei (allerdings) berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sei (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 49).
22
In materieller Hinsicht folge aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürften, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertige , Erfolg versprächen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 57). Zwangsmaßnahmen dürften ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprächen. Zudem müsse der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig sei, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von unzulässigem Druck unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58).
23
Grundsätzlich sei eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, auch wenn die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 63). Allerdings dürfe die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede nicht über Gebühr beeinträchtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 64), wobei die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar seien. Es sei notwendig, die Zwangsbehandlung zu dokumentieren. Art. 2 Abs. 2 GG fordere darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen , die sich ergäben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 68). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende versetzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit , in der er besonderen Schutz dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 69). Es seien keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, derentwegen eine Betreuerlösung von Verfassungs wegen vorzugswürdiger wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle. Die Ausgestaltung der Art und Weise , in der sichergestellt werde, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinde, sei Sache des jeweils zuständigen Gesetzgebers (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
24
c) Nach überwiegender Auffassung in der - nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (FamRZ 2011, 1128) veröffentlichten - Rechtsprechung und Literatur fehlt es an einer den vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für eine betreuungsrechtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung (LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris; LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris; AG Ludwigsburg Beschluss vom 18. Mai 2011 - 8 VII 257/11 - juris und FamRZ 2012, 739; AG Bremen BtPrax 2012, 85 und NJW 2012, 1090; AG Frankfurt a.M. Beschluss vom 29. Februar 2012 - 49 XVII HOF 399/12 - juris; Bienwald FPR 2012, 4, 8; Moll-Vogel FamRB 2011, 249, 250; Marschner R&P 2011, 160, 163; aA LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris; Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 236 ff., 238).
25
d) Der Senat teilt im Ergebnis diese Auffassung und gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 und vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
26
Nach Auffassung des Senats sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 - FamFG) werden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat, nicht gerecht.
27
aa) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 mwN; s. auch LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris Rn. 19) finden die Grundrechte auch bei der im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung stattfindenden Zwangsbehandlung unmittelbar Anwendung. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 (BGHZ 166, 141, 148 = FamRZ 2006, 615, 616 f.) ausgeführt hat, gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen nichts anderes als in dem Verhältnis zwischen Vormund und Mündel. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge eine öffentliche Funktion wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann. Es verbiete sich, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob sich die Freiheitsentziehung im Rahmen privatrechtlicher Beziehung zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse (vgl. BVerfGE 10, 302, 327).
28
Richtig ist allerdings, dass das Genehmigungserfordernis des § 1906 BGB die sich aus §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers, nicht jedoch die Freiheit des Betroffenen einschränkt (Lipp JZ 2006, 661, 663 f.). § 1906 BGB regelt also nicht den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, sondern die Kontrolle des Betreuers wegen seiner dem Grunde nach bestehenden unbeschränkten Vertretungsmacht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 83; vgl. zum Vormund BVerfGE 10, 302, 310; zum Bevollmächtigten BVerfG FamRZ 2009, 945, 947). Die sich hieran anschließende Frage, ob sich die Kontrolle des von staatlichen Gerichten bestellten Betreuers hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Eingriffe an denselben Maßstäben messen lassen muss, die gelten, wenn der Staat die Maßnahmen, in die der Betreuer einwilligen will, selbst angeordnet hätte, ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.
29
Das Bundesverfassungsgericht geht auch bei der Genehmigung einer - von dem Betreuer veranlassten - Unterbringung von "einem staatlichen Eingriff" aus (BVerfG FamRZ 1998, 895, 896). Zudem hat es ausgeführt, dass selbst die Einwilligung des Betreuers der (Zwangs-) Maßnahme nicht den Eingriffscharakter nehme (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42). Auch wenn sich seine Handlungsbefugnisse nach der Dogmatik des Betreuungsrechts unmittelbar aus §§ 1901, 1902 BGB ergeben (vgl. Lipp JZ 2006, 661, 663 f.), muss die gebotene staatliche Kontrolle inhaltlich den Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht für eine an den Staat adressierte Ermächtigungsgrundlage fordert. Dass die Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, die Betreuung die mit der Menschenwürde garantierte Selbstbestimmung des Einzelnen verwirklichen soll und der Betreuer die Rechte des Betroffenen auch gegenüber dem Staat wahrzunehmen hat (Lipp JZ 2006, 661, 663), ändert nichts daran, dass jener bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Betroffenen neben der zivilrechtlichen Vertretung auch öffentliche Fürsorge ausübt.
30
bb) Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügen den Anforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssen. Ebenso wenig enthalten die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem zur betreuungsrechtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung, dessen Schutzniveau den nunmehr vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aA Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 f.).
31
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Vorschrift so bestimmt gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73). Dem aktuell oder potentiell betroffenen Untergebrachten sowie den zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträgern , dem Betreuer, der Unterbringungseinrichtung und den behandelnden Ärzten, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz erkennbar sein (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 74).
32
Weder § 1906 BGB noch die übrigen betreuungsrechtlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.
33
Hinzu kommt, dass § 1906 BGB seinem Wortlaut nach unmittelbar nur die Kontrolle eines Eingriffs in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person gewährleistet, sich aber nicht zu dem in besonders intensiver Weise tangierten, von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützten Recht auf Selbstbestimmung des Betroffenen hinsichtlich seiner körperlichen Integrität (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 44) verhält.
34
(2) Der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar entsprochen (so zutreffend Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237). Danach waren nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen (BGHZ 166, 141, 146 = FamRZ 2006, 615, 616). Auch wenn sich Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 1906 BGB selbst finden, weil die Unterbringung nur zulässig ist, "solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist", kann das allerdings im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht darüber hinweghelfen, dass das Gesetz selbst keine Ausführungen zur Zwangsbehandlung, namentlich zur Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer - einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrollen - enthält. Ebenso fehlen Regelungen dazu, dass die Zwangsbehandlung nicht mit Belastungen verbunden sein darf, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen und dass die Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel darstellen darf, also eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58). Soweit der Senat hierzu bereits Leitsätze aufgestellt hat, handelt es sich um Richterrecht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann das indes nicht genügen. Danach sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Für die näheren Anforderungen ist auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73 - s. auch LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris Rn. 13).
35
(3) Schließlich sind auch die in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen zur Zwangsbehandlung (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72) gesetzlich nicht geregelt.
36
(a) Allerdings dürfte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, dass vor Durchführung der Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinden muss (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71), erfüllt sein.
37
Denn zum einen ist in den Fällen der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung der Betreuer eingeschaltet; grundsätzlich ist nur er befugt, die Behandlung zu veranlassen. Hinzu kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für den Fall der bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Unterbringung bekannten Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sich der genehmigende Beschluss nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf die Zwangsbehandlung zu erstrecken hat (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 = FamRZ 2006, 615, 618).
38
Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass sich die Erforderlichkeit einer Zwangsmedikation bei einem bereits nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB untergebrachten Betroffenen erst im Nachhinein herausstellt. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
39
(b) Demgegenüber vermögen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Verfahrensvorschriften den von dem Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung nicht gerecht zu werden. Sie beziehen sich jeweils nur auf die Unterbringung, nicht aber auf eine Zwangsbehandlung. In § 321 FamFG ist beispielsweise geregelt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Demgegenüber genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 312 Nr. 2 FamFG (die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB) eine ärztliche Stellungnahme. Ob vor der Genehmigung einer Zwangsbehandlung ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, oder ob insoweit auch eine ärztliche Stellungnahme ausreicht , ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar dürfte ein Sachverständigengutachten notwendig sein, wenn die Genehmigung der Zwangsbehandlung mit der Unter- bringung einhergeht. Welche Anforderungen aber bestehen, wenn eine gesonderte Genehmigung der Zwangsbehandlung erforderlich wird, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
40
(c) Ferner finden sich im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder Vorschriften, die - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 67, 79) - zur Dokumentation der Maßnahme verpflichten, noch enthält es Bestimmungen, wonach die Maßnahme nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden darf (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 79). Dass die behandelnde Klinik beide Aspekte regelmäßig aus eigenem Interesse beachten und der Arzt - berufsrechtlich - zur Dokumentation verpflichtet sein wird (so Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 238), genügt nicht, um den vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen.
41
(d) Ebenso fehlen konkrete Regelungen darüber, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen kann und wie konkret die Genehmigung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen auch diese wesentlichen Fragen einer gesetzlichen Regelung.
42
e) Gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelung vermag § 1906 Abs. 4 BGB ebenso wenig die Genehmigung der Anordnung einer Zwangsbehandlung durch den Betreuer zu rechtfertigen. Wie § 1906 Abs. 1 BGB regelt auch § 1906 Abs. 4 BGB den Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 301 f. = FamRZ 2001, 149, 150). Die Regelungsmaterie geht also nicht über den in § 1906 Abs. 1 BGB geregelten Bereich hinaus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Absatz 4 ersichtlich als geringeren Eingriff angesehen, weil es für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB gemäß § 321 Abs. 2 iVm § 312 Nr. 2 FamFG lediglich der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bedarf.
43
f) Nach alledem fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.
44
3. Entgegen dem Antrag der Betreuerin kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht (aA LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris).
45
Voraussetzung hierfür ist, dass das vorlegende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das ist hier nicht der Fall.
46
Unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Eine Auslegung des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gestalt der bisherigen Senatsrechtsprechung kommt nicht mehr in Betracht. Deshalb kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
47
Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend auszulegen wäre, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls bislang nicht entschieden (offengelassen in BVerfG Beschluss vom 9. Mai 2006 - 2 BvL 4/02 - juris Rn. 22; NJW 1994, 2750, 2751; NVwZ 1984, 365 und NJW 1964, 1411).
48
4. Der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits hinsichtlich der Problematik einer ambulanten Zwangsbehandlung wiederholt darauf hingewiesen (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 868). Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 26.01.2012 - 8 XVII 58/12 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.02.2012 - 2 T 35/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 130/12
vom
20. Juni 2012
in der Betreuungssache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Der Beteiligten zu 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 KostO). Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 2 begehrt als Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der Betroffenen.
2
Das Amtsgericht hat für die Betroffene, bei der im Jahr 2011 eine paranoide Schizophrenie festgestellt wurde, die Betreuung unter anderem mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung angeordnet. Zudem hat es die Unterbringung der Betroffenen durch die Betreuerin gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB bis Januar 2014 unter Hinweis darauf genehmigt, dass wegen der drohenden Obdachlosigkeit eine Eigengefährdung drohe.
3
Den Antrag der Betreuerin, die Betroffene auch gegen ihren Willen medikamentös behandeln und dazu notfalls fixieren lassen zu dürfen, hat das Amtsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug und das Fehlen einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage abgelehnt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Genehmigung der Zwangsbehandlung der Betroffenen zu Recht abgelehnt.

I.

5
Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
6
Während die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Zwangsbehandlung zugelassen habe, müssten die Voraussetzungen für eine Zwangsmedikation nunmehr an den verfassungsrechtlichen Maßstäben der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemessen werden. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB enthalte keine hinreichende Ermächtigung zur zwangsweisen Durchsetzung einer Behandlung gegenüber der Betroffenen. Die Norm ermächtige das Betreuungsgericht nach seinem Wortlaut nur dazu, die Unterbringung der Betroffenen zur Heilbehandlung zu genehmigen, also freiheitsentziehende Maßnahmen anzuordnen, in deren Rahmen dann eine Heilbehandlung durchgeführt werden könne. Der Wortlaut enthalte keinerlei Hinweis auf eine Zwangsbehandlung.
7
Zudem habe der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen, im Betreuungsrecht eine Ermächtigung zur Zwangsbehandlung wie auch ein generelles Verbot der Zwangsbehandlung zu regeln. Ein formelles Gesetz habe er also gerade nicht geschaffen.
8
Eine ausreichende gesetzliche Grundlage ergebe sich ebenso wenig aus § 1906 Abs. 4 BGB. Auch insoweit fehlten jegliche Kriterien dafür, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Fixierung zum Zwecke der Zwangsbehandlung genehmigungsfähig sei. Entscheidend sei, dass der Zweck dieser Vorschrift die Regelung der gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit bei Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sei.
9
Dass § 1906 BGB nach diesem Verständnis nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, müsse angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hingenommen werden. Dabei sei nicht zu verkennen , dass es zumeist dem objektiven Wohl des Betroffenen entsprechen möge, eine Behandlung durchzuführen. Es bestehe die Gefahr, dass sich die derzeitige Situation, die eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen trotz Behandlungsbedürftigkeit nicht zulasse, für alle Beteiligten unbefriedigend sei. Dieser Nachteil müsse angesichts der Schwere der Grundrechtseingriffe und des Fehlens einer klaren und bestimmten Eingriffsnorm hingenommen werden.
10
Die Ansicht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden für den Bereich des Betreuungsrechts nicht gelten, weil die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem enthielten, dessen Schutzniveau den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht gerecht würden, könne nicht überzeugen.
11
Die Betreuerin begehre auch nicht nur die Anordnung einer Unterbringung an sich. Eine freiheitsentziehende Maßnahme sei zwischenzeitlich bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgt und habe zum Zeitpunkt der Beschwerde bereits vorgelegen. Der Antrag der Betreuerin auf Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfolge vielmehr den Zweck, die von der Betroffenen verweigerte medikamentöse Behandlung zwangsweise gegen ihren Willen durchzusetzen. Eine solche Zwangsbehandlung sei aber - wie vorstehend ausgeführt - nicht möglich. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, bei der die Heilbehandlung nicht durchgeführt werde oder werden könne, dürfe nicht genehmigt werden.

II.

12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
13
1. Der Rechtsbeschwerde bleibt nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil die Betroffene wegen Selbstgefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB untergebracht ist.
14
Zwar kommt nach der bisherigen Senatsrechtsprechung die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer vom Betreuer veranlassten Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen des im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Be- troffenen nur im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Betracht (BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.).
15
Die Rechtsbeschwerde kann aber nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil die Betroffene - nur - nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB untergebracht ist. Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Betreuerin, die Betroffene auch gegen ihren Willen medikamentös behandeln und dazu notfalls auch fixieren lassen zu dürfen bzw. ihren Antrag auf Genehmigung der Unterbringung ersichtlich auch als einen Antrag auf Genehmigung der Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausgelegt.
16
Ausgehend von der Prämisse, dass nach der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mehr genehmigungsfähig ist, sind die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts allerdings konsequent , wonach eine Unterbringung nicht in Betracht kommt, weil die Heilbehandlung nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde maßgeblich darauf an, ob § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung in die Einwilligung einer mit Zwangsbehandlung verbundenen Unterbringung noch zu rechtfertigen vermag.
17
2. Diese Frage ist zu verneinen; der Senat hält an seiner Rechtsprechung insoweit nicht mehr fest.
18
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats umfasst die Befugnis des Betreuers, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen einzuwilligen, im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.). Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden könne, wenn sie rechtlich zulässig sei, könne der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden dürfe. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - eher seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejahe oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen der medizinischen Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiere, er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsehe. Die Vorschrift könne daher sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt habe und derentwegen der Betroffene untergebracht werden dürfe, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden habe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618). Allerdings müsse in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich angegeben werden, weil sich nur aus diesen Angaben der Unterbringungszweck sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der vom Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergäben; dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 f. = FamRZ 2006, 615, 618).
19
Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe freilich nicht gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer veranlasst werden dürfe, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Die freiheitsentziehende Unterbringung müsse vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich, also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" , entziehe. Umgekehrt begründe die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen, also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetze , sich ihr aber nicht räumlich entziehe (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).
20
Der Senat hat ferner entschieden, dass die Genehmigung nur zulässig sei, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen sei. Ob dies der Fall sei, bedürfe im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 8). Es liege auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen - deren Zulässigkeit vorausgesetzt - verbunden werden solle. Dies folge schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen seien. Bei der Prüfung, ob eine - insbesondere längerfristige - Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspreche, seien an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen. Dies lege gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine besonders kritische Prüfung des therapeutischen Nutzens einer nur unter Zwang durchgeführten Medikation nahe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 146 f. = FamRZ 2006, 615, 616).
21
Schließlich sei ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
22
b) Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig sei, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimme (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und 2011, 1927 Rn. 38). Dies gelte nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Die in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen bedürften gesetzlicher Regelungen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72). Der Gesetzgeber sei gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die notwendige Bestimmtheit fehle zwar nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Die Betroffenen müssten jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung müsse für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehöre die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm. Die Anforderung an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit seien umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff sei, den eine Norm vorsehe. Dabei könne auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73).
23
Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung stehe nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 40). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändere ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berühre, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle. Sie könne im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt werde. Selbst die Einwilligung des Betreuers nehme daher der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42), zumal der Eingriff für den Betroffenen nicht dadurch weniger belastend sei, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt habe (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
24
Der Gesetzgeber sei (allerdings) berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sei (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 49).
25
In materieller Hinsicht folge aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürften, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertige , Erfolg versprächen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 57). Zwangsmaßnahmen dürften ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprächen. Zudem müsse der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig sei, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von unzulässigem Druck unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58).
26
Grundsätzlich sei eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, auch wenn die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 63). Allerdings dürfe die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede nicht über Gebühr beeinträchtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 64), wobei die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar seien. Es sei notwendig, die Zwangsbehandlung zu dokumentieren. Art. 2 Abs. 2 GG fordere darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen , die sich ergäben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 68). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenste- hende versetzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit , in der er besonderen Schutz dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 69). Es seien keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, derentwegen eine Betreuerlösung von Verfassungs wegen vorzugswürdiger wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle. Die Ausgestaltung der Art und Weise , in der sichergestellt werde, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinde, sei Sache des jeweils zuständigen Gesetzgebers (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
27
c) Nach überwiegender Auffassung in der - nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (FamRZ 2011, 1128) veröffentlichten - Rechtsprechung und Literatur fehlt es an einer den vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für eine betreuungsrechtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung (LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris; LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris; AG Ludwigsburg Beschluss vom 18. Mai 2011 - 8 VII 257/11 - juris und FamRZ 2012, 739; AG Bremen BtPrax 2012, 85 und NJW 2012, 1090; AG Frankfurt a.M. Beschluss vom 29. Februar 2012 - 49 XVII HOF 399/12 - juris; Bienwald FPR 2012, 4, 8; Moll-Vogel FamRB 2011, 249, 250; Marschner R&P 2011, 160, 163; aA LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris; Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 236 ff., 238).
28
d) Der Senat teilt im Ergebnis diese Auffassung und gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 und vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
29
Nach Auffassung des Senats sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 - FamFG) werden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat, nicht gerecht.
30
aa) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 mwN; s. auch LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris Rn. 19) finden die Grundrechte auch bei der im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung stattfindenden Zwangsbehandlung unmittelbar Anwendung. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 (BGHZ 166, 141, 148 = FamRZ 2006, 615, 616 f.) ausgeführt hat, gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen nichts anderes als in dem Verhältnis zwischen Vormund und Mündel. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge eine öffentliche Funktion wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann. Es verbiete sich, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob sich die Freiheitsentziehung im Rahmen privatrechtlicher Beziehung zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse (vgl. BVerfGE 10, 302, 327).
31
Richtig ist allerdings, dass das Genehmigungserfordernis des § 1906 BGB die sich aus §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers, nicht jedoch die Freiheit des Betroffenen einschränkt (Lipp JZ 2006, 661, 663 f.). § 1906 BGB regelt also nicht den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, sondern die Kontrolle des Betreuers wegen seiner dem Grunde nach bestehenden unbeschränkten Vertretungsmacht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 83; vgl. zum Vormund BVerfGE 10, 302, 310; zum Bevollmächtigten BVerfG FamRZ 2009, 945, 947). Die sich hieran anschließende Frage, ob sich die Kontrolle des von staatlichen Gerichten bestellten Betreuers hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Eingriffe an denselben Maßstäben messen lassen muss, die gelten, wenn der Staat die Maßnahmen, in die der Betreuer einwilligen will, selbst angeordnet hätte, ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.
32
Das Bundesverfassungsgericht geht auch bei der Genehmigung einer - von dem Betreuer veranlassten - Unterbringung von "einem staatlichen Eingriff" aus (BVerfG FamRZ 1998, 895, 896). Zudem hat es ausgeführt, dass selbst die Einwilligung des Betreuers der (Zwangs-)Maßnahme nicht den Eingriffscharakter nehme (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42). Auch wenn sich seine Handlungsbefugnisse nach der Dogmatik des Betreuungsrechts unmittelbar aus §§ 1901, 1902 BGB ergeben (vgl. Lipp JZ 2006, 661, 663 f.), muss die gebotene staatliche Kontrolle inhaltlich den Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht für eine an den Staat adressierte Ermächtigungsgrundlage fordert. Dass die Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, die Betreuung die mit der Menschenwürde garantierte Selbstbestimmung des Einzelnen verwirklichen soll und der Betreuer die Rechte des Betroffenen auch gegenüber dem Staat wahrzunehmen hat (Lipp JZ 2006, 661, 663), ändert nichts daran, dass jener bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Betroffenen neben der zivilrechtlichen Vertretung auch öffentliche Fürsorge ausübt.
33
bb) Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügen denAnforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssen. Ebenso wenig enthalten die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem zur betreuungsrechtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung, dessen Schutzniveau den nunmehr vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aA Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 f.).
34
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Vorschrift so bestimmt gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73). Dem aktuell oder potentiell betroffenen Untergebrachten sowie den zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträgern , dem Betreuer, der Unterbringungseinrichtung und den behandelnden Ärzten, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz erkennbar sein (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 74).
35
Weder § 1906 BGB noch die übrigen betreuungsrechtlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.
36
Hinzu kommt, dass § 1906 BGB seinem Wortlaut nach unmittelbar nur die Kontrolle eines Eingriffs in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person gewährleistet, sich aber nicht zu dem in besonders intensiver Weise tangierten, von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützten Recht auf Selbstbestimmung des Betroffenen hinsichtlich seiner körperlichen Integrität (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 44) verhält.
37
(2) Der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar entsprochen (so zutreffend Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237). Danach waren nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen (BGHZ 166, 141, 146 = FamRZ 2006, 615, 616). Auch wenn sich Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 1906 BGB selbst finden, weil die Unterbringung nur zulässig ist, "solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist", kann das allerdings im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht darüber hinweghelfen, dass das Gesetz selbst keine Ausführungen zur Zwangsbehandlung, namentlich zur Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer - einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrol- len - enthält. Ebenso fehlen Regelungen dazu, dass die Zwangsbehandlung nicht mit Belastungen verbunden sein darf, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen und dass die Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel darstellen darf, also eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58). Soweit der Senat hierzu bereits Leitsätze aufgestellt hat, handelt es sich um Richterrecht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann das indes nicht genügen. Danach sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Für die näheren Anforderungen ist auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73 - s. auch LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris Rn. 13).
38
(3) Schließlich sind auch die in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen zur Zwangsbehandlung (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72) gesetzlich nicht geregelt.
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(a) Allerdings dürfte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, dass vor Durchführung der Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinden muss (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71), erfüllt sein.
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Denn zum einen ist in den Fällen der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung der Betreuer eingeschaltet; grundsätzlich ist nur er befugt, die Behandlung zu veranlassen. Hinzu kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für den Fall der bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Unterbringung bekannten Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sich der genehmigende Beschluss nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf die Zwangsbe- handlung zu erstrecken hat (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 = FamRZ 2006, 615, 618).
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Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass sich die Erforderlichkeit einer Zwangsmedikation bei einem bereits nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB untergebrachten Betroffenen erst im Nachhinein herausstellt. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
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(b) Demgegenüber vermögen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Verfahrensvorschriften den von dem Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung nicht gerecht zu werden. Sie beziehen sich jeweils nur auf die Unterbringung, nicht aber auf eine Zwangsbehandlung. In § 321 FamFG ist beispielsweise geregelt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Demgegenüber genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 312 Nr. 2 FamFG (die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB) eine ärztliche Stellungnahme. Ob vor der Genehmigung einer Zwangsbehandlung ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, oder ob insoweit auch eine ärztliche Stellungnahme ausreicht , ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar dürfte ein Sachverständigengutachten notwendig sein, wenn die Genehmigung der Zwangsbehandlung mit der Unterbringung einhergeht. Welche Anforderungen aber bestehen, wenn eine gesonderte Genehmigung der Zwangsbehandlung erforderlich wird, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
43
(c) Ferner finden sich im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder Vorschriften, die - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 67, 79) - zur Dokumentation der Maßnahme verpflichten, noch enthält es Bestimmungen, wonach die Maßnahme nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden darf (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 79). Dass die behandelnde Klinik beide Aspekte regelmäßig aus eigenem Interesse beachten und der Arzt - berufsrechtlich - zur Dokumentation verpflichtet sein wird (so Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 238), genügt nicht, um den vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen.
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(d) Ebenso fehlen konkrete Regelungen darüber, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen kann und wie konkret die Genehmigung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen auch diese wesentlichen Fragen einer gesetzlichen Regelung.
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e) Gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelung vermag § 1906 Abs. 4 BGB ebenso wenig die Genehmigung der Anordnung einer Zwangsbehandlung durch den Betreuer zu rechtfertigen. Wie § 1906 Abs. 1 BGB regelt auch § 1906 Abs. 4 BGB den Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 301 f. = FamRZ 2001, 149, 150). Die Regelungsmaterie geht also nicht über den in § 1906 Abs. 1 BGB geregelten Bereich hinaus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Absatz 4 ersichtlich als geringeren Eingriff angesehen, weil es für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB gemäß § 321 Abs. 2 iVm § 312 Nr. 2 FamFG lediglich der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bedarf.
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f) Nach alledem fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.
47
3. Entgegen dem Antrag der Betreuerin kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht (aA LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris).
48
Voraussetzung hierfür ist, dass das vorlegende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das ist hier nicht der Fall.
49
Unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Eine Auslegung des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gestalt der bisherigen Senatsrechtsprechung kommt nicht mehr in Betracht. Deshalb kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
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Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend auszulegen wäre, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls bislang nicht entschieden (offengelassen in BVerfG Be- schluss vom 9. Mai 2006 - 2 BvL 4/02 - juris Rn. 22; NJW 1994, 2750, 2751; NVwZ 1984, 365 und NJW 1964, 1411).
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4. Der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits hinsichtlich der Problematik einer ambulanten Zwangsbehandlung wiederholt darauf hingewiesen (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 868).
Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Ingolstadt, Entscheidung vom 02.01.2012 - 17 XVII 78/11 -
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 27.02.2012 - 13 T 220/12 -

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

21
Wie der Senat dargelegt hat (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 300 ff. = FamRZ 2001, 149 ff. und BGHZ 166, 141, 148 ff. = FamRZ 2006, 615, 616 ff.), darf der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB) zwar für diesen in medizinische Behandlungen einwilligen, wenn der Betroffene selbst zu einer solchen Einwilligung nicht in der Lage, insbesondere nicht einsichts- oder steuerungsfähig ist. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage , ob der Betreuer auch befugt ist, den einer solchen medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen durch Zwang zu überwinden. Allein aus den Vertretungsvorschriften der §§ 1901, 1902 BGB kann der Betreuer eine solche Zwangsbefugnis nicht herleiten, weil diese Vorschriften für sich genommen keine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der vom Betreuten unter Zwang zu duldenden Behandlung ermöglichen. Dies wäre jedoch notwendig, da der Betreuer gegenüber dem Betroffenen ein öffentliches Amt wahrnimmt und Zwangsmaßnahmen des Betreuers , mit denen der Widerstand des Betroffenen gegen Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit und Freiheit überwunden werden soll, einer Rechtsgrundlage durch ein formelles Gesetz bedürfen (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 2 GG).

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.