Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. Nov. 2013 - 2 BvR 2784/12

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2013:rk20131128.2bvr278412
28.11.2013

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 2012 - 055 StVK 192/12 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. November 2012 - III - 1 Vollz (Ws) 492/12 - gegenstandslos.

Das Land Nordrhein-Westfalenhat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Behandlung eines aus dem Maßregelvollzug Beurlaubten mit Psychopharmaka.

I.

2

1. Gegen den 1950 geborenen Beschwerdeführer wurde im November 2002 durch - nicht angegriffenes - Urteil des Landgerichts Düsseldorf die Unterbringung im Maßregelvollzug angeordnet. Er habe die Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung sowie der Sachbeschädigung in Tatmehrheit erfüllt, indem er im Zuge einer Auseinandersetzung mit einer Radfahrerin zunächst deren Fahrrad beschädigt und ihr dann mit einem Knüppel gegen den Kopf geschlagen habe, so dass sie - ohne bleibende Schäden - eine Schädelprellung, eine Rissverletzung und ein Lidhämatom davongetragen habe. Zudem habe er den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, indem er (im Oktober 2001) einen Fußgänger, dem er verbotswidrig mit dem Fahrrad entgegengekommen und der ihm ausgewichen sei, mit "Scheißkanacke" beschimpft und ihn bespuckt habe. Der Beschwerdeführer leide mindestens seit Ende der siebziger Jahre an einer inzwischen chronifizierten schizophrenen Psychose; auch an den Tattagen habe er daran gelitten, weshalb seine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen sei (§ 20 StGB).

3

Aufgrund des Urteils wurde der Beschwerdeführer in den Rheinischen Kliniken Düsseldorf - Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf -, einer Einrichtung des Landschaftsverbands Rheinland, untergebracht. Seit April 2010 ist er bei fortbestehender Maßregel in ein offenes diakonisches Wohnheim in Krefeld beurlaubt.

4

2.Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 wandte der Beschwerdeführer sich unter dem Betreff "Beschwerde zur Zwangsmedikation, Vorschaltverfahren"von seinem Wohnheim aus an die Klinik. Er unterliege seit nun bald zehn Jahren der Zwangsmedikation. Im März 2002 sei er durch Androhung physischer Gewalt - wie auf der Station, in der er damals untergebracht gewesen sei, üblich - bewegt worden, die Medikation anzunehmen. Er habe immer beteuert, dass diese Medikation in Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG gegen seinen ausdrücklichen Willen erfolge. Der Medikation sei auch noch das Medikament Seroquel hinzugefügt worden, in der offensichtlich erkennbaren Absicht auf Libido-Unterdrückung - zumindest sei es dies, was er als Wirkung von dem Medikament bemerke. Damit verstoße diese Praxis nicht nur gegen Art. 2 Abs. 1, sondern auch gegen Art. 2 Abs. 2 GG. Die Medikamente nehme er nur, weil bei einer zwischenzeitlichen Rückverbringung in die geschlossene Maßregelstation der Klinik hiervon abhängig gemacht worden sei, dass er in die relative Freiheit des Wohnheims in Krefeld zurückkehren dürfe. Unter dieser Nötigung nehme er bis heute die Medikamente nur unter Protest.

5

Die Klinik antwortete hierauf, gleichfalls unter dem Betreff "Beschwerde zur Zwangsmedikation, Vorschaltverfahren", mit Schreiben vom 21. März 2012, die Beurlaubung des Beschwerdeführers im Rahmen der laufenden Maßregel sei voraussichtlich nur unter Einnahme der verordneten Medikation möglich, denn die Medikation stabilisiere seinen Zustand so weit, dass darunter die Voraussetzungen für die Beurlaubung gerade erreicht würden. Bei Nichteinnahme sei mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der psychische Zustand des Beschwerdeführers sich soweit verschlechtere, dass die Voraussetzungen für die Beurlaubung nicht mehr erfüllt seien und die Beurlaubung zurückgenommen werden müsse.

6

3. Unter dem 31. März 2012 erhob der Beschwerdeführer "Beschwerde" zum Landgericht. Er werde seit nunmehr zehn Jahren gegen seinen erklärten Willen zur Einnahme näher bezeichneter psychoaktiver Drogen gezwungen; dies verstoße gegen seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG. Die Zwangsbehandlung sei unverhältnismäßig, nämlich überflüssig und daher unangemessen; es sei in wiederholten Tests festgestellt worden, dass er weder an akuteren Geisteskrankheiten noch an latenteren Krankheiten, wie Persönlichkeitsstörungen, leide.

7

Die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde äußerte sich mit Stellungnahme vom 21. Mai 2012 zum Behandlungsverlauf und zur Frage der Notwendigkeit der Medikation. Im Februar 2006 sei der Beschwerdeführer bei fortbestehender Maßregel in ein fakultativ geschlossenes Wohnheim des Klinikums beurlaubt worden. Im August 2008 sei die Beurlaubung aufgrund nicht erreichter Rehabilitationsziele und wegen Regelverstößen zurückgenommen worden. Nach Rückverlegung auf die gesicherte Station habe der Beschwerdeführer deutlich angepassteres Verhalten aufbauen können. Im April 2010 sei er unter Fortführung der Maßregel in das offene diakonische Wohnheim in Krefeld, in dem er derzeit untergebracht ist, beurlaubt worden und halte sich an die "abgesprochenen Auflagen". Im Sommer 2011 habe eine psychopathologische Verschlechterung - bizarres und zugleich bedrohlich erscheinendes Verhalten gegenüber einer behandelnden Ärztin - eine Kriseninterventionerforderlich gemacht. Der Beschwerdeführer sei eindeutig psychisch krank; er leide an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, die medikamentös behandelt werden müsse. Ein unmittelbarer Zwang werde bei der Medikamenteneinnahme, die im Wohnheim werktags unter Aufsicht und an den Wochenenden unüberwacht erfolge, nicht ausgeübt. Gravierende Nebenwirkungen seien nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer zeige keine Krankheitseinsicht und dulde die laufende Pharmakotherapie nur unter Beschwerden über die vermeintliche "Zwangsbehandlung". Die verordnete Medikation stabilisiere seinen psychischen Zustand so weit, dass unter ihr die Voraussetzungen für die Beurlaubung gerade erreicht werden könnten. Bei Nichteinnahme der Medikamente müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass sich der Zustand verschlechtere. Ohne Einnahme der verordneten Medikamente seien die Voraussetzungen für die Beurlaubung nicht mehr erfüllt. Die Beurlaubung müsste dann zurückgenommen werden.

8

Der Beschwerdeführer erwiderte mit Schreiben vom 4. Juni 2012 unter anderem, man ignoriere, dass der Gutachter S. in einem ausführlichen Test das Nichtvorhandensein von Schizophrenie konstatiert habe, und dass in einem nachfolgenden Test durch die Psychologin S.-O. ein Nichtvorhandensein aller Arten von Persönlichkeitsstörungen festgestellt worden sei. Die Ärzte ignorierten soweit wie möglich diese späteren Tests und deren Ergebnisse. Die Herkunft des aktuellen psychopathologischen Befundes werde nicht mitgeteilt.

9

4. Das Landgericht wies mit angegriffenem Beschluss den Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet zurück. Der Antrag sei - nach Durchführung des Vorschaltverfahrens- zulässig, aber sachlich nicht begründet. Eine Zwangsmedikation liege nicht vor. Zwangsmedikation sei nur eine Verabreichung von Medikamenten gegen den erklärten oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen entweder unter Einsatz von Mitteln körperlichen Zwangs oder aber bei Verabreichung an einen körperlich Widerstandsunfähigen. Dies liege nicht vor. Der Beschwerdeführer nehme die Medikation seit Jahren, wenn auch sehr widerwillig, ein. Dass er die bekannten und erfahrungsgemäß in der Behandlung als sinnvoll und wirksam eingesetzten Medikamente ablehne, sei allein Folge seiner weitgehend krankheitsbedingten Uneinsichtigkeit.Dass ihm die Vollzugslockerung in Gestalt der Beurlaubung nach ärztlicher Beurteilung nur unter Beibehaltung der Medikation gewährt werden könne und ohne diese eine Rückführung in den klinischen Rahmen des Maßregelvollzugs drohe, stelle zwar eine Einflussnahme auf seine Motivation, aber keine Zwangsbehandlung dar.

10

5. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsbeschwerde durch einen Rechtsanwalt, der sich ohne weitere eigene Ausführungen einen vom Beschwerdeführer selbst verfassten Rechtsbeschwerdeschriftsatz folgenden Inhalts zu eigen machte: Im März 2002 sei der Beschwerdeführer zunächst mittels Gewaltandrohung zur Medikamenteneinnahme gezwungen worden. Im Laufe der Zeit seien ihm weitere Medikamente aufgedrängt worden, diesmal mit dem nötigenden Hinweis, dass er andernfalls nicht mit der Gewährung an sich fälliger Hafterleichterungen rechnen könne. Ebenso argumentiere man nun, dass seine Beurlaubung nach Krefeld rückgängig gemacht werden würde, sollte er auf dem Rechtswege die Beendigung der Medikamentengabe erreichen; dies habe Nötigungscharakter. Besonders fragwürdig werde die Medikamentengabe auch dadurch, dass in wiederholten Tests festgestellt worden sei, dass er nicht an psychischen Störungen leide (mit Verweis auf einen beigefügten testpsychologischen Untersuchungsbericht). Die Verabreichung von Medikamenten widerspreche daher auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er fechte den Beschluss des Landgerichts vor allem insofern an, als der Richter einseitig "auf den Erhalt einer Zwangsmedikation"abstelle. So habe er jedoch seine Beschwerde nicht gestellt; diese ziele rein auf den Charakter der Nötigung durch die Ärzte und die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG ab.

11

Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen machte in seiner Stellungnahme zu dem Verfahren geltend, dass entgegen den Ausführungen des Landgerichts ein Vorverfahren nach dem nordrhein-westfälischen Vorschaltverfahrensgesetz nicht durchlaufen worden sei. Der Betreff in dem Schreiben vom 21. März2012 ("Beschwerde zur Zwangsmedikation, Vorschaltverfahren") sei im Verfahren vor dem Landgericht offenbar missverstanden worden. Unabhängig davon habe die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde den Landesbeauftragten darauf hingewiesen, dass gegenüber dem Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt körperlicher Zwang angewandt oder angekündigt worden sei. Auch seien niemals unmittelbare Konsequenzen, wie die Gewährung der Dauerbeurlaubung oder Rücknahme derselben, an die Nichteinnahme der Medikamente gekoppelt worden. Der Antragsgegner habe nur darauf hingewiesen, dass bei Nichteinnahme der Medikamente eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass sich der psychische Zustand des Beschwerdeführersverschlechtern werde, was in der Folge zu einer Rücknahme der Lockerung führen könne. Der Beschwerdeführer nehme seine Medikamente, wie zuvor unter stationären Bedingungen, regelmäßig ein, obwohl er die Möglichkeit hätte, ohne die Konsequenz jeglicher Form von Zwangsmaßnahmen, die Medikation nicht einzunehmen. Zutreffend sei, dass bis heute keine tiefere Einsicht in die psychische Erkrankung und die medikamentöse Behandlungsnotwendigkeit erreicht worden sei; die Akzeptanz sei nicht wesentlich von Einsicht getragen, sondern eher als Anpassungsleistung im Rahmen der Maßregelvollzugsbehandlung zu verstehen, obwohl der Beschwerdeführer gelegentlich eine positiv beruhigende Medikamentenwirkung einräume.

12

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 übermittelte das Oberlandesgericht dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers in Kopie die Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen und bat um Mitteilung, ob die aussichtslose Sache weiterverfolgt werden solle oder ob die Rechtsbeschwerde - auch im Kosteninteresse des Beschwerdeführers - zurückgenommen werde.

13

Nach Erwiderung des Beschwerdeführers - er habe sehr wohl ein Vorschaltverfahrendurchgeführt - verwarf das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss die Rechtsbeschwerde mit Tenorbegründung als unzulässig, da es nicht geboten sei, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§116 Abs.1, § 119 Abs. 3 StVollzG).

II.

14

1. Die am 7. Dezember 2012 eingegangene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 23. Juli 2012 und den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 13. November 2012 sowie dagegen, dass das Klinikum den Beschwerdeführer "unter dem Druck direkter und indirekter Nötigung" zur Einnahme von Psychopharmaka zwinge. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG. Er sei anfangs mit der Androhung physischer Gewalt zur Einnahme von Medikamenten gezwungen worden. Nun da er in das Wohnheim in Krefeld beurlaubt sei, winke man damit, dass die Beurlaubung auf unabsehbare Zeit rückgängig gemacht werden müsse, falls er an dem Medikamentenregimeetwas ändere. Die Anstaltsärzte unternähmen nicht das Geringste, um sich durch Gespräche ein Bild von seiner Person zu machen; stattdessen beschränke man sich darauf, die Korrektheit der Medikamenteneinnahme durch regelmäßige Blutproben zu verifizieren. Die Gerichte hätten einschlägige Urteile des Bundesverfassungsgerichts nicht beachtet.

15

2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalenhat von einer Stellungnahme abgesehen.

III.

16

1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen behauptete zurückliegende Nötigungen zur Medikamenteneinnahme jenseits des aktuellen Beschwerdevorgangs wendet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie insoweit unzulässig ist. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichend genauen Bezeichnung der angegriffenen Akte öffentlicher Gewalt.

17

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (s. u. III.2.b)aa)). Danach ist die Verfassungsbeschwerde im Übrigen zulässig und in einem die Kammerzuständigkeit begründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

18

a) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht insoweit nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht in der nach dem Grundsatz der Subsidiarität gebotenen Weise (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>) erschöpft hätte.

19

aa) Auf die Frage, ob der an das Landgericht gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 31. März 2012 mangels Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Vorschaltverfahrensunzulässig war, kommt es nicht an. Das Landgericht hat in der Annahme, das Vorschaltverfahren sei durchgeführt worden, in der Sache entschieden. Die Unzulässigkeit eines im fachgerichtlichen Verfahren eingelegten Rechtsbehelfs kann dem Beschwerdeführer nicht als Grund für die Unzulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde entgegengehalten werden, wenn das Fachgericht ungeachtet der Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs in der Sache entschieden hat (vgl. BVerfGE 113, 29 <37, 39, 43>; s. auch BVerfGE 107, 27 <45>; zur Bedeutung einer Einlassung der Widerspruchsbehörde zur Sache für ein ohne vorherige Durchführung des Widerspruchsverfahrens durchgeführtes fachgerichtliches Verfahren vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 2/93 -, juris, Rn. 18; BVerwGE 138, 1 <5 ff., 9> Rn. 23 ff., 31, m.w.N.). Daher kann auch offenbleiben, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die Klinik mit der Betreffzeile ihres Antwortschreibens vom 21.März 2012 den Beschwerdeführer in dessen Annahme bestärkt hatte, er befinde sich bereits im Vorschaltverfahren(zur verwandten Frage der Bedeutung von Justizfehlern im Verfahren vgl. BVerfGK 8, 303 <304>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 2911/10 -, juris und vom 10. Oktober 2012 - 2 BvR 1095/12 -, NJW 2013, S. 446 <447>).

20

bb) Es kann nicht festgestellt werden, dass der Rechtsweg wegen Formwidrigkeit der erhobenen Rechtsbeschwerde nicht in gehöriger Weise erschöpft wäre.

21

Die fachgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde, wenn der aufnehmende Rechtspfleger oder der Rechtsanwalt, durch den die Rechtsbeschwerde erhoben wird, auf einen Schriftsatz des Beschwerdeführers Bezug nimmt und sich dessen Inhalt zu eigen macht, ist nicht einheitlich; ein erheblicher Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass bereits damit den Anforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG genügt ist oder zumindest in Ausnahmefällen genügt sein kann (vgl.Thür.OLG, Beschluss vom 15. Juni 2010 - 1 Ws 186/10 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 18. April 2005 - 5 Ws 179/05 Vollz -, juris; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 21. September 1995 - Ws 12/95 -, ZfStrVo 1997, S. 56 <56>; OLG Hamm, Beschlüsse vom 22. März 1988 - 1 Vollz (Ws) 54/88 -, NStE 1988 Nr. 1 zu § 118 StVollzG; vom 8. Juni 1979 - 1 Vollz (Ws) 39/79 -, juris, m.w.N.; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 5. September 1985 - Vollz (Ws) 32/85 -, StV 1986, S. 543; nicht ganz deutlich KG, Beschluss vom 12. Januar 1993 - 5 Ws 385/92 Vollz -, BlStVkunde 1994, Nr. 3, S. 7 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Oktober 1993 - 2 Ws 220/93 -, Rpfleger 1994, S. 104; differenzierend OLG Celle, Beschluss vom 14. Mai 1997 - 1 Ws 128/97 (StrVollz) -, juris; a.A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - 4 Ws 164/01 -, Justiz 2002, S. 233; ebenso wohl OLG Hamm, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - 1 Vollz (Ws)141/91 -, NStZ 1992, S. 208). Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als bereits mangels Wahrung der Formanforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG unzulässig angesehen hätte. Hiergegen spricht vielmehr, dass das Oberlandesgericht die Stellungnahme des Maßregelvollzugsbeauftragten eingeholt und dem Beschwerdeführer zur Erläuterung der Annahme, dass dessen Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben könne, allein diese Stellungnahme übermittelt hat, die eine Formwidrigkeit der Rechtsbeschwerde nicht geltend machte. Die Frage, ob mit der Annahme einer Formwidrigkeit der Rechtsbeschwerde die prozessualen Anforderungen in einer mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbaren Weise überspannt gewesen wären, wirft der vorliegende Fall daher nicht auf.

22

b) Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

23

aa) Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen (kurz: Zwangsbehandlung)greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein (vgl. BVerfGE 128, 282 <300>). Die Eingriffsqualität entfällt nicht bereits dann, wenn der Betroffene der abgelehnten Behandlung keinen physischen Widerstand entgegensetzt und eine Durchsetzung der Behandlungsmaßnahme mit physischem Zwang sich erübrigt (vgl. BVerfGE 128, 282 <300 f.>; 129, 269 <280>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 20. Februar 2013 - 2 BvR 228/12 -, NJW 2013, S. 2337 <2337>). Das bloße Unterbleiben einer bestimmten Form des Protests kann nicht ohne Weiteres als Zustimmung gedeutet werden. Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten, die ihrer Art nach das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt, greift in dieses Grundrecht allenfalls dann nicht ein, wenn sie von der frei, auf der Grundlage der gebotenen ärztlichen Aufklärung, erteilten Einwilligung des Untergebrachten gedeckt ist. Dies setzt voraus, dass der Untergebrachte einwilligungsfähig ist (vgl. BGHZ 29, 46 <51>; 154, 205 <210>) und keinem unzulässigen Druck ausgesetzt wurde, etwa durch das Inaussichtstellen von Nachteilen im Falle der Behandlungsverweigerung, die sich nicht als notwendige Konsequenzen aus dem Zustand ergeben, in dem der Betroffene unbehandelt voraussichtlich verbleiben oder in den er aufgrund seiner Weigerung voraussichtlich geraten wird (vgl. BVerfGE 128, 282 <300 f.>; s. auch BVerfGK 19, 140 <147>, m.w.N.).

24

Ein Grundrechtseingriff verliert seine Eingriffsqualität nicht bereits dadurch, dass es dem Betroffenen freisteht, den Eingriff durch Inkaufnahme anderweitiger grundrechtsrelevanter Einschränkungen abzuwenden, er also vor die Alternative unterschiedlicher Eingriffsvariantengestellt wird (vgl. BVerfGK 11, 262 <267>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 2007 - 2 BvR 2395/06 -, juris).

25

Bei der medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mit Neuroleptika handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff. Ungeachtet der Schwere des Eingriffs ist es dem Gesetzgeber nicht prinzipiell verwehrt, solche Eingriffe zuzulassen. Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten ist jedoch, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs hinreichend klar bestimmt (vgl. BVerfGE 128, 282 <302, 317>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 20. Februar 2013 - 2 BvR 228/12 -, NJW 2013, S. 2337 <2337 f.>).

26

Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet dem Bürger die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>).

27

Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>). Das gilt auch für die gerichtliche Überprüfung eingreifender Maßnahmen im Strafvollzug. Das Rechtsstaatsprinzip, die materiell berührten Grundrechte und das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Strafvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 9, 460 <463 f.>; 13, 472 <476>; 17, 429 <430 f.>, jew. m.w.N.).

28

bb) Nach diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Landgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

29

Das Landgericht stützt sich auf die Annahme, um eine Zwangsmedikation handele es sich bei der Verabreichung von Medikamenten gegen den erklärten oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen nur dann, wenn die Verabreichung entweder unter Einsatz von Mitteln körperlichen Zwangs oder an einen körperlich Widerstandsunfähigen erfolge; dies sei bei dem Beschwerdeführer nicht der Fall. Dass es den Begriff der Zwangsbehandlung damit anders verwendet als das Bundesverfassungsgericht - das in seinem Beschluss vom 23. März 2011 als Zwangsbehandlung die "medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen" bezeichnet, das Vorliegen einer Zwangsbehandlung also gerade nicht daran geknüpft hat, dass die Behandlung unter Einsatz körperlichen Zwangs oder an einem körperlich Widerstandsunfähigen erfolgt (vgl. BVerfGE 128, 262 <300>) -, stellt dabei für sich genommen noch keinen Verfassungsverstoß dar. Die zu beachtenden grundrechtlichen Anforderungen betreffen nicht den Gebrauch des Wortes "Zwangsbehandlung", sondern den Umgang mit der Sache. Auf eine bloße Abweichung im Sprachgebrauch beschränkt sich die Fallbehandlung durch das Landgericht jedoch nicht. Nachdem das Gericht das Vorliegen einer Zwangsbehandlung in dem von ihm zugrundegelegten engen Wortsinn verneint hatte, hat es weiteren Prüfungsbedarf nicht gesehen. Damit hat es verkannt, dass ein formell und materiell rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das Grundrecht eines Untergebrachten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Verabreichung von Medikamenten nicht erst dann vorliegt, wenn die Medikamentengabe entweder unter Einsatz von Mitteln körperlichen Zwangs oder an einen von vornherein Widerstandsunfähigen erfolgt.

30

Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten, die ihrer Art nach das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt, greift in das Grundrecht allenfalls dann nicht ein, wenn sie von der frei, auf der Grundlage der gebotenen ärztlichen Aufklärung, erteilten Einwilligung des Untergebrachten gedeckt ist. Dies setzt voraus, dass der Untergebrachte einwilligungsfähig ist und keinem unzulässigen Druck ausgesetzt wurde (s.o. III.2.b)aa)).

31

Ob diese Voraussetzungen für die Annahme einer frei erteilten Zustimmung hinsichtlich der Medikamenteneinnahme des Beschwerdeführers im relevanten Beurteilungszeitpunkt vorlagen, hat das Landgericht nicht geprüft und den insoweit relevanten Sachverhalt nicht aufgeklärt. Es fehlt bereits an der Feststellung der Einwilligungsfähigkeit, die hier angesichts der dem Beschwerdeführer attestierten psychischen Störung nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden konnte, und an der Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer in der für die Annahme einer freiwilligen Zustimmung erforderlichen Weise aufgeklärt wurde. Auch verhält der Beschluss des Landgerichts sich nicht zu der Frage, ob die Vollzugseinrichtung vertretbarerweise den Beschwerdeführer auf die Notwendigkeit einer Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug als hoch wahrscheinliche Folge einer Verweigerung der Medikamenteneinnahme hingewiesen hatte, hierin also keine unzulässige Druckausübung lag. Nachdem der Beschwerdeführer die Annahme einer bei ihm vorliegenden Persönlichkeitsstörung bestritten und hierzu auf sachverständige Äußerungen beziehungsweise Testergebnisse verwiesen hatte, verstand sich auch dies nicht derart von selbst, dass Feststellungen hierzu sich erübrigt hätten.

32

3. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß.Er ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG).

33

4. Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird damit gegenstandslos (vgl. BVerfGE 127, 132 <133>; 129, 37 <38>).

IV.

34

Dem Beschwerdeführer sind, da er sein Rechtsschutzziel im Wesentlichen erreicht hat, gemäß § 34a Abs. 2, 3 BVerfGG die notwendigen Auslagen für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde zu erstatten (vgl. BVerfGE 32, 1 <39>; 79, 372 <378>; 86, 90 <122>; 88, 366 <381>; 104, 220 <238>; 114, 1 <72>).

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Bundesverfassungsgericht Beschluss, 20. Feb. 2013 - 2 BvR 228/12

bei uns veröffentlicht am 20.02.2013

Tenor 1. § 22 Absatz 1 Satz 1 des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) vom 10. Oktober 2007 (Sächsisches Gesetzes- und Verordnungsbl

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 29. Feb. 2012 - 2 BvR 2911/10

bei uns veröffentlicht am 29.02.2012

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei durch Fehler des Rechtspflegers verursachter Formwidrigkeit

Referenzen

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.

(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei durch Fehler des Rechtspflegers verursachter Formwidrigkeit einer Rechtsbeschwerde.

I.

2

In einem Verfahren, das Feststellungen in der Fortschreibung des Vollzugsplans des strafgefangenen Beschwerdeführers zur Geeignetheit für Vollzugslockerungen betraf, wies das Landgericht mit Beschluss vom 10. August 2010 den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Gegen diesen Beschluss erhob der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Rechtsbeschwerde. Mit Beschluss vom 17. November 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil sie nicht den Formerfordernissen des §118 Abs. 3 StVollzG entspreche. Der Beschwerdeführer habe dem Rechtspfleger eine mehrseitige Rechtsbeschwerdeschrift überreicht, die von beiden gemeinsam erörtert worden sei. Sodann habe der Rechtspfleger den vorformulierten Text der Rechtsbeschwerde in das Protokoll übertragen, es unterschrieben und es dem Beschwerdeführer zur Unterschrift übersandt. Damit sei der Urkundsbeamte der ihm zukommenden Filterfunktion, bei der er dem sachlichen Anliegen eines Antragstellers Klarheit zu verschaffen und eine möglichst zweckmäßige Form zu geben habe, nicht gerecht geworden. Vorsorglich weise der Senat darauf hin, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommen dürfte. Nach der dienstlichen Stellungnahme des Rechtspflegers sei die Rechtsbeschwerde in der vorliegenden Form nach dem Wunsch des Beschwerdeführers aufgenommen worden. Zudem beharre der Beschwerdeführer grundsätzlich auf seiner Sicht der Dinge, so dass er auch Kürzungen seiner Begründung nicht akzeptiert habe. Wirke der Beschwerdeführer selbst auf die formfehlerhafte Aufnahme seiner Rechtsbeschwerde hin, begründe dies ein eigenes Verschulden des Beschwerdeführers, das einen Antrag auf Wiedereinsetzung ausschließe.

II.

3

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Unter anderem macht er geltend, die vom Oberlandesgericht aufgestellten Anforderungen an die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde ermöglichten es ihm nicht, eine zulässige Rechtsbeschwerde zu erheben. Entgegen der Annahme, die das Oberlandesgericht seinen Ausführungen zur Frage der Wiedereinsetzung zugrundegelegt habe, habe er, der Beschwerdeführer, auf den Rechtspfleger nicht dahin eingewirkt, dass dieser die Rechtsbeschwerde unverändert übernehme.

III.

4

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unzulässig; es fehlt an der Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

5

1. Kann ein Beschwerdeführer mit einem Rechtsmittel, für das ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erreichen, dass seine Rechte im Wege des fachgerichtlichen Rechtsschutzes gewahrt werden, so ist regelmäßig von ihm zu verlangen, dass er diesen Weg beschreitet, bevor er Verfassungsbeschwerde einlegt (vgl. BVerfGE 10, 274 <281>; 42, 252 <256 f.>; 77, 275 <282>). Diese Möglichkeit besteht im vorliegenden Fall.

6

Die vom Oberlandesgerichtfestgestellte Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde beruhte darauf, dass sie von dem zuständigen Geschäftsstellenbeamten nicht in einer den Anforderungen der fachgerichtlichen Rechtsprechung entsprechenden Weise aufgenommen worden war; ursächlich für die Unzulässigkeit war somit ein Fehler der Justiz. In derartigen Fällen liegt die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nahe (vgl. BVerfGK 8, 303 <304>). Ob der Beschwerdeführer den Justizfehler selbst zu vertreten hat und eine Wiedereinsetzung daher möglicherweise nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu Thüringer OLG, Beschluss vom 15. Juni 2010 - 1 Ws 186/10 -, juris), wird das Oberlandesgericht, das bisher, soweit aus dem Verfassungsbeschwerdevortrag ersichtlich, zu dieser Frage allein den Rechtspfleger gehört hat, nach Anhörung des Beschwerdeführersund erforderlichenfalls weiterer Aufklärung des prozessual relevanten Sachverhalts zu berücksichtigen haben. Zur erforderlichen Sachverhaltsaufklärung kann auch die Klärung gehören, ob es Praxis der Geschäftsstelle ist, von Gefangenen, die Rechtsbeschwerde zur Niederschrift erheben wollen, vorformulierte Texte zu erwarten und diese unmittelbar zu verwenden.

7

2. Eine Wiedereinsetzung scheidet im vorliegenden Fall auch nicht wegen Fristablaufs aus.

8

a) Jedenfalls in den Fällen, in denen der Wiedereinsetzungsgrund in einem Justizfehler liegt, fordert der Grundsatz fairer Verhandlungsführung eine Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung; erst diese Belehrung setzt die Wiedereinsetzungsfrist in Lauf (vgl. BVerfGK 5, 151 <154>; 8, 303 <304>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 -, NJW 2005, S. 3629 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, Rpfleger 2002, S. 279).

9

b) Eine Belehrung, die danach die Wiedereinsetzungsfrist bereits hätte in Lauf setzen können, wurde im vorliegenden Fall nicht erteilt. Der vorsorgliche Hinweis des Oberlandesgerichts, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte nicht in Betracht kommen, da die Rechtsbeschwerde in der vorliegenden Form nach dem Wunsch des Beschwerdeführersaufgenommen worden sei, war nicht geeignet, den Beschwerdeführer davon in Kenntnis zu setzen, dass und in welcher Weise es ihm oblag, die Folgen des Justizfehlers, der zur Unzulässigkeit seiner Rechtsbeschwerde geführt hatte, mit Hilfe eines Wiedereinsetzungsantrages zu korrigieren. Es war auch nicht der Sinn dieses Hinweises, den Beschwerdeführer über die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung zu belehren. Mit dem vorsorglichen Hinweis brachte das Oberlandesgericht vielmehr die Annahme zum Ausdruck, eine Belehrung des Beschwerdeführers erübrige sich, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nach dem vom Oberlandesgericht bisher allein herangezogenen Vortrag des Rechtspflegers - nicht gewährt werden könne.

10

c) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, zu klären, ob in Ausnahmefällen eine ohne ausreichende Mitwirkung des Rechtspflegers zustandegekommene Rechtsbeschwerde den Schluss rechtfertigen kann, dass auch eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Mitwirkung des Rechtspflegers der Rechtsbeschwerde unter keinen Umständen zur Zulässigkeit verhelfen könnte (vgl. BVerfGK 8, 303 <305 f.>). Denn das Oberlandesgericht hat dies weder festgestellt noch ist es ohne weiteres ersichtlich.

11

3. Da der Beschwerdeführer über die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, erst durch den vorliegenden Beschluss in der notwendigen Weise informiert wird, beginnt die maßgebliche Wiedereinsetzungsfrist erst mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen (vgl. BVerfGK 5, 151 <155>; 8, 303 <306>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 -, NJW 2005, S. 3629 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, Rpfleger 2002, S. 279).

12

Der Beschwerdeführer kann daher innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Beschlusses durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landgerichts Osnabrück oder des Amtsgerichts Lingen erneut Rechtsbeschwerde einlegen, indem er gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (§ 102 NJVollzG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 120 Abs. 1 StVollzG, § 45 Abs. 1 Satz 1, § 299 Abs. 1 StPO). Hierzu ist ihm rechtzeitig Gelegenheit zu geben.

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(3) Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle tun.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

1. § 22 Absatz 1 Satz 1 des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) vom 10. Oktober 2007 (Sächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt Seite 422) ist mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

2. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Januar 2012 - 2 Ws 515/11 - und des Landgerichts Leipzig vom 18. Oktober 2011 - II StVK 781/11 - verletzen, soweit sie nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Sie werden im entsprechenden Umfang aufgehoben und die Sache wird insoweit an das Landgericht Leipzig zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

I.

1

1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die medizinische Zwangsbehandlung eines im sächsischen Maßregelvollzug Untergebrachten, der unter Betreuung steht, auf der Grundlage des sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) vom 10. Oktober 2007 (SächsGVBl S. 422). Die einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes lauten:

2

§ 16

3

Gerichtliche Entscheidung über die Behandlung

4

Ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Unterbringung für den volljährigen Patienten kein Betreuer für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge bestellt, so entscheidet das Gericht auch, ob und welche Behandlung ohne Zustimmung zulässig ist.

5

§ 21

6

Behandlung

7

(1) Der Patient hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Sie schließt die erforderlichen Untersuchungen sowie sozialtherapeutische, psychotherapeutische, heilpädagogische, beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Maßnahmen ein. Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan. Sie umfasst auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Patienten nach seiner Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.

8

(2) Der Behandlungsplan ist mit dem Patienten zu erörtern. Der Patient ist über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend aufzuklären.

9

§ 22

10

Behandlung ohne Einwilligung des Patienten

11

(1) Zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen ist grundsätzlich das Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen. Liegt eine Zustimmung nach § 16, eine Einwilligung eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge oder bei Minderjährigen des Sorgeberechtigten nicht vor, so dürfen die Behandlung und die dafür notwendigen Untersuchungen ohne Einwilligung des Patienten nur durchgeführt werden, wenn durch den Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Patienten erheblich gefährdet wird.

12

(2) Ärztliche Eingriffe und Behandlungsverfahren im Sinne des Absatzes 1, die mit einem operativen Eingriff oder einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, sind nur nach rechtswirksamer Einwilligung des Patienten oder, falls er die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung nicht beurteilen kann, des gesetzlichen Vertreters erlaubt.

13

(3) Eine Ernährung gegen den Willen des Patienten ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden.

14

(4) Sämtliche Maßnahmen dürfen die Würde des Patienten nicht verletzen und nur auf Anordnung und unter unmittelbarer Leitung und Verantwortung eines Arztes durchgeführt werden.

15

§ 23

16

Unmittelbarer Zwang

17

Sind Maßnahmen, die der Patient zu dulden hat, oder Anordnungen nach diesem Gesetz anders nicht durchsetzbar, dürfen die Bediensteten des Krankenhauses nach Ankündigung unmittelbaren Zwang gegen den Patienten anwenden. Die Ankündigung kann unterbleiben, wenn die Umstände des Einzelfalles sie nicht zulassen.

18

§ 33

19

Belastende Vollzugsmaßnahmen, Dokumentationspflicht

20

Belastende Vollzugsmaßnahmen sind nur auf Anordnung des ärztlichen Leiters des Krankenhauses im Sinne des § 2 Abs. 1 oder dessen Vertreter zulässig. Alle medizinischen Maßnahmen und belastenden Vollzugsmaßnahmen sind zu dokumentieren.

21

§ 38

22

Rechtsstellung des Patienten

23

(1) Das Leben in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs soll den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden, soweit es ohne Beeinträchtigung des Zwecks der Unterbringung möglich ist. Für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt nach den §§ 63, 64 Abs. 1 StGB sowie § 7 JGG gelten § 19 Abs. 5, §§ 21 bis 29 und 31 bis 33 entsprechend. Für die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO und die vorläufige Unterbringung nach § 453c StPO gelten § 19 Abs. 5, die §§ 21 bis 28 und 31 bis 33 entsprechend. (...)

24

2. Mit Urteil vom 19. November 2002 wurde der Beschwerdeführer wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seit Ende Mai 2002 ist er, unterbrochen durch eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung im November 2008, die im August 2010 widerrufen wurde, im Sächsischen Krankenhaus A. (im Folgenden: Klinik) untergebracht. Nach Diagnose der Klinik leidet er an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie.

25

3. Dem Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG, in dem die hier angegriffenen Entscheidungen ergangen sind, ging ein betreuungsgerichtliches Verfahren voraus, in dem der medizinische Leiter der forensisch-psychiatrischen Abteilung der Klinik beim Amtsgericht F. beantragt hatte, eine kontinuierliche Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika zu genehmigen und die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchführung der Behandlung zu gestatten. Die eingesetzte Berufsbetreuerin hatte die Heilbehandlung befürwortet und gleichfalls deren Genehmigung beantragt. Das Amtsgericht lehnte den Antrag der Betreuerin ab und stellte fest, dass deren Einwilligung in die Behandlung des Beschwerdeführers keiner weitergehenden betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedürfe, dass die Einwilligungsabsicht der Betreuerin betreuungsrechtlich nicht zu beanstanden sei und dass sich die Zwangsbefugnis der Ärzte des Maßregelvollzuges zur Durchführung einer durch den Betreuer genehmigten Heilbehandlung nach § 38 Abs. 1 Satz 2, §§ 22, 23 SächsPsychKG richte.

26

Der Verfahrenspfleger des Beschwerdeführers legte hiergegen Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses sowie den Ausspruch der Unzulässigkeit der vom Betreuungsgericht getroffenen Feststellungen, die Heilbehandlung bedürfe keiner weitergehenden betreuungsgerichtlichen Genehmigung und die Einwilligungsabsicht der Betreuerin sei nicht zu beanstanden. Darüber hinaus beantragte er, festzustellen, dass eine Befugnis zur Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika nicht bestehe.

27

Das Landgericht hob die Feststellung, dass die Einwilligung der Betreuerin in die Zwangsbehandlung nicht zu beanstanden sei, sowie die Feststellung, dass die Zwangsbefugnis der behandelnden Ärzte zur Durchführung der durch die Betreuerin genehmigten Heilbehandlung sich nach den § 38 Abs. 1 Satz 2, §§ 22, 23 SächsPsychKG richte, auf und wies die Beschwerde im Übrigen zurück. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB schaffe keine Grundlage für die isolierte Genehmigung der Zwangsbehandlung eines Betroffenen, der bereits aufgrund einer anderen gesetzlichen Vorschrift untergebracht sei. Eine von den jeweiligen Unterbringungsvoraussetzungen losgelöste Übertragung allein der Zwangsbefugnisse auf andere Unterbringungssachverhalte komme nicht in Betracht. Auf den Vollzug der gemäß § 63 StGB angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fänden in Sachsen für die Heilbehandlung allein die Vorschriften des SächsPsychKG, hier § 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 22 SächsPsychKG, Anwendung. Eine gerichtliche Genehmigung sehe die gesetzliche Regelung in §§ 22, 38 SächsPsychKG nicht vor. Das Betreuungsgericht habe daher zu Recht die beantragte betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung abgelehnt. Mangels gesetzlicher Grundlage für die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen seien diese ersatzlos aufzuheben. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen ließ das Landgericht das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

28

Der Verfahrenspfleger des Beschwerdeführers erhob Rechtsbeschwerde. Gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Begehren, festzustellen, dass eine Rechtsgrundlage für eine Einwilligung der Betreuerin in eine zwangsweise Behandlung des Betroffenen mit Neuroleptika nicht bestehe, habe sich das Berufungsgericht auf den rein formalen Standpunkt zurückgezogen, dass eine gesetzliche Grundlage für Feststellungen des Betreuungsgerichts zur betreuungsrechtlichen Beurteilung einer solchen Einwilligung nicht bestehe. Die im Zentrum des Petitums stehende Frage, ob die Betreuerin überhaupt berechtigt sei, ihre Einwilligung in eine Zwangsbehandlung im Rahmen des Maßregelvollzugs zu erteilen, die dem vom Betroffenen unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten natürlichen Willen widerspreche, sei damit unbeantwortet geblieben, obwohl dem Betreuungsgericht durch § 1908i Abs. 1 in Verbindung mit § 1837 Abs. 1, 2 BGB die Befugnis zugewiesen sei, auf eine Anfrage des Betreuers hin diesem vorab aufzuzeigen, ob eine geplante keinem Genehmigungsvorbehalt unterliegende Maßnahme als pflichtwidrig zu beurteilen sei oder nicht. Dass es um Maßnahmen gehe, die im Maßregelvollzug durchgeführt würden, berühre nicht die Kompetenz der Betreuungsgerichte, die Tätigkeit des Betreuers zu überwachen und diesen zu beraten. Im vorliegenden Fall sei es der Betreuerin versagt, in eine zwangsweise Behandlung des Beschwerdeführers mit Neuroleptika einzuwilligen, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für eine solche Zwangsbehandlung im Rahmen des Maßregelvollzugs fehle. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB komme als gesetzliche Grundlage einer Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers nicht in Betracht; die Vorschrift ermögliche nicht die Zwangsbehandlung eines auf der Grundlage des § 63 StGB untergebrachten Betreuten.

29

Der Bundesgerichtshof wies mit Beschluss vom 16. Februar 2011 die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Die nach den § 1908i Abs. 1, § 1837 Abs. 1 BGB erstrebte Klarstellung der Rechtslage ergebe sich bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Für das mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Ziel fehle das Rechtsschutzinteresse.

30

4. a) Mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 beantragte der Beschwerdeführer bei der Klinik, die auf die Erreichung des Vollzugsziels gerichtete psychiatrische Medikation, die er nicht aus Einverständnis, sondern aus Angst vor Zwangsanwendung in letzter Zeit geduldet habe, zumindest so lange zu unterlassen, bis eine neue gesetzliche Regelung geschaffen sei, die die Voraussetzungen und das Verfahren einer medikamentösen Zwangsbehandlung detailliert regele. Auch in den Fällen, in denen die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege, müsse der Untergebrachte Gelegenheit haben, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (jeweils mit Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011, BVerfGE 128, 282).

31

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2011 teilte die Klinik mit, dass die Fortsetzung der antipsychotischen Medikation auch gegen den erklärten, "krankheitsbedingt verstellten" Willen des Beschwerdeführers beabsichtigt sei. Man sei sich bewusst, dass die seit nunmehr über einem Jahr verabreichte antipsychotische Depot-Medikation gegen den natürlichen Willen des Beschwerdeführers verabreicht werde. Bei diesem bestehe spätestens seit 1993 eine sich immer wieder phasenhaft zuspitzende und inzwischen im Intervall mit Residualsymptomatik chronifiziert anhaltende Schizophrenie. Seit 1994 seien wiederholt Versuche des Beschwerdeführers dokumentiert, wegen empfundener Nebenwirkungen oder aus sonstigen Gründen die verordnete antipsychotische Medikation abzusetzen, wonach es regelmäßig zu erneuten Krankheitsschüben gekommen sei. Seit Kombination des seit Juli 2010 verabreichten antipsychotischen Medikaments Risperidon-Depot mit dem antipsychotischen Medikament Olanzapin-Depot Ende Januar 2011, ab 14. Juli 2011 als Monotherapie (nur Olanzapin) fortgesetzt, sei es zu einer erfreulichen Stabilisierung der psychischen Verfassung gekommen. Insbesondere eigen- und fremdschädigende Fehlhandlungen oder expansive Verhaltensweisen (Zerstörung von Gegenständen, Übergriffe auf Personal/Mitpatienten, Verstopfung von Wasserleitungen, Anzeigen usw.) seien seither nicht wieder oder kaum noch aufgetreten. Der Beginn der medikamentösen Behandlung gegen den Willen des Beschwerdeführers im Juli 2010 sei mit Einverständnis seines Betreuers erfolgt. Krankheitsbedingt sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, Bedeutung und Tragweite dieser Entscheidung zu überschauen. So sei ihm der offensichtliche Zusammenhang zwischen dem letzten Versuch, die Medikamente abzusetzen, und der nachfolgenden schweren psychotischen Exazerbation nicht zugänglich. Erlebnisse aus dieser akuten Erkrankungsphase, in der über Monate animalisch verrohte, mit dem Zerfall persönlicher zivilisatorischer Bestände einhergehende und nur noch durch dauerhaften Einschluss in der Isolationszelle zu beherrschende Verhaltensweisen dominiert hätten, würden von ihm rückblickend rationalisiert, umgedeutet und bagatellisiert. Er führe Störungen seines Befindens auf die Medikation und Fortschritte seiner Entwicklung auf die Beschäftigung mit heiligen Schriften (Hare Krischna) zurück. Statt den Zusammenhang zwischen Medikation und Schutz vor einer Rückkehr in diesen Zustand zu erkennen, sehe er die Beschäftigung mit seinen heiligen Schriften als ausreichenden Schutz an. Eine Kosten-Risiko-Abwägung zwischen Nebenwirkungen und Wirkung der antipsychotischen Medikation sei ihm krankheitsbedingt nicht möglich; dies betreffe insbesondere auch den Zusammenhang zwischen Erkrankungsverlauf und Gefährlichkeit. Gäbe man dem Willen des Beschwerdeführers nach und stoppte die Medikation, hätte das sehr wahrscheinlich den erneuten Ausbruch einer akuten Krankheitsepisode innerhalb von Wochen bis Monaten zur Folge. Damit wären eigen- und fremdgefährdende Verhaltensweisen verbunden, die eine Fortsetzung der freiheitsentziehenden Maßnahmen erforderlich machen und die Aussicht auf weitere Lockerungen beziehungsweise eine Aussetzung der Maßregel in weite Ferne rücken würden. Erfahrungsgemäß sei mit Zunahme der Dauer akuter psychotischer Phasen eine Verlängerung der nachfolgend notwendigen Rehabilitation sowie eine Verschlechterung der prognostischen Aussichten für den weiteren Krankheitsverlauf verbunden. Die Evaluation der Medikamentengabe falle bis dato eindeutig zugunsten der erwünschten Wirkung aus. Gewichtszunahme, angegebene Müdigkeit und Konzentrationsstörungen seien im Vergleich zu früheren medikamentösen Einstellungen als geringfügig zu bezeichnen. Letztere seien, wie einige weitere seitens des Beschwerdeführers mit der Medikation in Zusammenhang gebrachte Befindensstörungen, nicht sicher von Symptomen der Grunderkrankung abzugrenzen.

32

b) Unter dem 12. Oktober 2011 wandte der Beschwerdeführer sich an die Strafvollstreckungskammer mit dem Antrag gemäß § 109 StVollzG, den Leiter der Klinik zu verpflichten, künftig jegliche medikamentöse psychiatrische Zwangsheilbehandlung zu unterlassen, zumindest bis eine - näher spezifizierte - neue gesetzliche Regelung zur Zwangsbehandlung geschaffen werde. Zugleich stellte er einen gleichgerichteten Eilantrag (§ 114 StVollzG) und beantragte Prozesskostenhilfe. In Sachsen fehle es an einer den Anforderungen der - auch in ihren tragenden Gründen bindenden - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügenden gesetzlichen Regelung der Zwangsmedikation zur Erreichung des Vollzugsziels bei nach § 63 StGB Untergebrachten. Die verabreichten Medikamente hätten starke Nebenwirkungen; der Beschwerdeführer fühle sich infolge der Medikation müder, depressiver und antriebsärmer. Er sei nicht krankheitsuneinsichtig, sondern lediglich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Medikamente nichts gebracht hätten. Mit den schweren Nebenwirkungen wolle er nicht leben.

33

c) Mit angegriffenem Beschluss vom 18. Oktober 2011 gewährte die Strafvollstreckungskammer dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe und lehnte im Übrigen dessen Anträge ab. Die Behandlung mit vierzehntägig verabreichten antipsychotisch wirkenden Depotspritzen gegen den natürlichen Willen des Beschwerdeführers und notfalls mit Zwang, in die der Betreuer eingewilligt habe, werde auf vollzugsrechtlich rechtmäßiger Grundlage vorgenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei eine Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen des Patienten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Zwangsbehandlung von Maßregelvollzugspatienten sei in Sachsen nur in den engen Grenzen des § 22 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG zulässig. Nach § 22 Abs. 1 SächsPsychKG sei zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen. Die Voraussetzungen für eine Behandlung nach der zweiten Alternative des § 22 SächsPsychKG (gemeint offenbar: nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG) seien zwar nicht gegeben, da mit dem Absetzen der Medikamente keine Lebensgefahr oder erhebliche Gesundheitsgefährdung eintreten würde. Es liege jedoch eine wirksame Einwilligung des gerichtlich bestellten Betreuers in die Behandlung des Beschwerdeführers vor. Bei einem krankheitsbedingt nicht einwilligungsfähigen Patienten stehe beim Vorliegen einer wirksamen Einwilligung des für den Bereich der Gesundheitssorge bestellten Betreuers der natürliche Wille des Untergebrachten einer Behandlung nicht entgegen. Werde eine Behandlung als notwendig erkannt, ärztlicherseits angeraten und vom Betreuer für erforderlich gehalten, dann müsse die Möglichkeit bestehen, sie auch gegen den - von Verfassungs wegen nicht über die Einwilligungsentscheidung des Betreuers zu stellenden - durch Krankheit beeinflussten Willen des Patienten durchzusetzen. Die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Betreuers könne nicht durch das Vollstreckungsgericht, sondern nur durch das Betreuungsgericht überprüft werden, da § 22 SächsPsychKG allein an das Vorliegen einer Einwilligung anknüpfe. Eine vollzugsrechtliche Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme sei nur eingeschränkt möglich. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch lägen nicht vor. In der Stellungnahme der Klinik werde detailliert ausgeführt, was zu der getroffenen Entscheidung geführt habe. Nach den schlüssigen Angaben der behandelnden Ärzte und unter Berücksichtigung des bisherigen Behandlungsverlaufs, den die Kammer jährlich überprüfe und der auch in regelmäßigen Abständen von Sachverständigen überprüft werde, sei beim Beschwerdeführer eine Medikamentengabe zwingend, um akute Krankheitsschübe weitestgehend zu verhindern. Der Beschwerdeführer habe zudem bei seiner letzten Anhörung erklärt, dass er nicht für immer im Maßregelvollzug bleiben wolle. Unter Berücksichtigung dieser Willensäußerung sei die Entscheidung des Betreuers, in die Medikamentengabe einzuwilligen, um eine Entlassungsperspektive zu ermöglichen, nicht zu beanstanden, zumal der Betreuer über Risiken und Nebenwirkungen der Medikation umfassend aufgeklärt worden sei und diese nach Einschätzung der Klinik nicht gravierend seien.

34

d) Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer - nunmehr zusätzlich mit Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 2011 (BVerfGE 129, 269) - erneut unter anderem geltend machte, die §§ 22, 23 SächsPsychKG stellten keine verfassungsgemäße Grundlage für die weitere Zwangsbehandlung dar, verwarf das Oberlandesgericht, unter Gewährung von Prozesskostenhilfe, mit angegriffenem Beschluss vom 11. Januar 2012. Die Rechtsbeschwerde sei unbegründet. Zwar sprächen vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März und 12. Oktober 2011 (BVerfGE 128, 282 und 129, 269) gute Gründe dafür, dass auch die eine Zwangsmedikation des Beschwerdeführers regelnden §§ 22, 23 SächsPsychKG mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar seien. Den Mängeln der gesetzlichen Regelungen könne jedoch im vorliegenden Fall im Wege verfassungskonformer Auslegung abgeholfen werden. Im Gegensatz zu den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen werde eine Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers nicht nur durch das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten selbst, sondern auch durch die sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen, gerechtfertigt. Sollte die Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers unterlassen werden, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers dramatisch verschlechtern und der Beschwerdeführer Verhaltensmuster zeigen werde, die vor der mit Zustimmung des Betreuers begonnenen Zwangsmedikation im Juli 2010 zu beobachten gewesen seien. Damals hätten sich das abnorme Bedeutungserleben und die körperlichen Halluzinationen des Beschwerdeführers soweit verstärkt, dass er angegeben habe, von Mitarbeitern vergewaltigt worden zu sein und sich im Kriseninterventionsraum durch nicht anwesende Personen massiv sexuell bedrängt gefühlt zu haben. Zudem habe er täglich onaniert und sich mit Kot eingerieben, was er als lustvolles Erleben angegeben habe. Er habe daher weiter im Kriseninterventionsraum untergebracht werden müssen, wo er fortgesetzt "animalisch und primitiv anmutende" Verhaltensauffälligkeiten gezeigt habe, indem er in den Raum uriniert, vor anderen onaniert, mit dem eigenen Kot Hakenkreuze geschmiert und suizidale Ideen geäußert habe. Vor diesem Hintergrund müsse der Achtung der Menschenwürde des Beschwerdeführers Vorrang vor seinem grundrechtlich geschützten Recht auf Krankheit eingeräumt werden und die mit Zustimmung des Betreuers durchgeführte Medikation auch gegen den natürlichen Willen des Beschwerdeführers erlaubt sein.

II.

35

1. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz ergangenen Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie gegen die landesgesetzlichen Regelungen der Zwangsbehandlung im sächsischen Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten, insbesondere gegen die §§ 22 und 23 SächsPsychKG, und rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. Gemessen an den Maßstäben der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 und vom 12. Oktober 2011 könnten die angegriffenen Entscheidungen und gesetzlichen Bestimmungen keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellten die §§ 22, 23 SächsPsychKG keine verfassungsgemäße Grundlage für die weitere Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers dar. Der vom Oberlandesgericht ins Feld geführte Art. 1 GG vermöge daran nichts zu ändern. Art. 1 GG enthalte nicht die erforderlichen konkreten Maßgaben und ermächtige nicht zur zwangsweisen Änderung der Identität eines Menschen gegen dessen Willen. Selbst wenn man aus Art. 1 GG die Verpflichtung des Staates herleiten wollte, den Beschwerdeführer durch zwangsweise Veränderung seiner Identität vor sich selbst zu schützen, bedürfe ein solches Vorgehen besonderer, detailliert auszugestaltender verfahrensrechtlicher Vorkehrungen.

36

2. Die zuständige Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 10. Februar 2012 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Februar 2012 - 2 BvR 228/12 -, juris) und mit Beschluss vom 9. Mai 2012 dem Beschwerdeführer für das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab 31. Januar 2012 bewilligt.

37

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, die Staatsregierung des Freistaates Sachsen sowie der Bundesgerichtshof Stellung genommen.

38

a) Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium der Justiz mit Stellungnahme vom 15. Juni 2012 ausgeführt, eine Zwangsmedikation sei im betreuungsrechtlichen Verfahren nur im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 BGB und damit nur unter engen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen möglich. Als sogenannte Betreuerlösung werde diskutiert, ob im Maßregelvollzug eine Zwangsbehandlung bei einem krankheitsbedingt einsichtsunfähigen Betroffenen durchgeführt werden könne, wenn ein Betreuer mit dem Aufgabenbereich der Gesundheitssorge als Stellvertreter des Betroffenen in die Behandlung einwillige. Im Hinblick auf die Einbindung eines rechtlichen Betreuers in die Genehmigung einer Zwangsbehandlung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sei aus der Sicht der Bundesregierung auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen: Der Betreuer entscheide über medizinische Maßnahmen im Falle eines nichteinwilligungsfähigen Betreuten allein unter Berücksichtigung dessen Wohls; er habe die Behandlungswünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. Dabei habe er zu berücksichtigen, dass zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit gehöre, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Das Betreuungsrecht erkenne damit sowohl die Freiheit zur Krankheit als auch die Freiheit zur Selbstschädigung an. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht unter Vorsitz des Bundesministeriums der Justiz habe sich in ihrem Abschlussbericht kritisch mit der verfahrensmäßigen Absicherung einer Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug durch Einschaltung eines rechtlichen Betreuers auseinandergesetzt. Die Ausführungen der Arbeitsgruppe, wonach es dem Betreuer nicht möglich sei, über eine Einwilligung in eine Zwangsbehandlung zum Zwecke der Erreichung eines bestimmten Vollzugszieles zu entscheiden, und eine verfahrensmäßige Einbeziehung des Betreuers zur Absicherung einer Maßnahme nach Maßregelvollzugsrecht daher systemwidrig wäre, würden von der Bundesregierung geteilt. Ob Zwangsmaßnahmen während einer Unterbringung im Maßregelvollzug nach Maßregelvollzugsrecht zulässig seien, ergebe sich aus dem Landesrecht. Dies gelte auch für die verfahrensrechtlichen Sicherungen für solche Maßnahmen. Im Hinblick auf die landesrechtlichen Regelungen erfolge keine Bewertung.

39

b) Für die Sächsische Staatsregierung hat mit Schreiben vom 14. Juni 2012 das Staatsministerium der Justiz und für Europa Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. § 22 Abs. 1 SächsPsychKG stelle eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die angefochtenen Entscheidungen beziehungsweise die beanstandeten Behandlungsmaßnahmen dar. Die §§ 21 und 22 SächsPsychKG trügen den sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Maßstäben hinreichend Rechnung.

40

Anders als die Regelungen des rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugsgesetzes und des baden-württembergischen Unterbringungsgesetzes, die Gegenstand der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gewesen seien, sähen die Regelungen in § 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 22 SächsPsychKG grundsätzlich keine Möglichkeiten einer Zwangsbehandlung vor, über die allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide. Der sächsische Gesetzgeber habe sich wegen der vorangegangenen Erfahrungen mit politischem Missbrauch der Psychiatrie in der ehemaligen DDR bewusst gegen Zwangsbehandlungen von Untergebrachten entschieden - abgesehen von aktuellen Notfällen - und Behandlungen auch im Hinblick auf das in § 136 Satz 2 StVollzG normierte Vollzugsziel vom Vorliegen einer Einwilligung abhängig gemacht. Der erforderliche besondere Schutz der grundrechtlich geschützten Belange des Untergebrachten gegenüber therapeutischen Eigeninteressen der Unterbringungseinrichtung sei damit bereits im Ansatz anders vorgezeichnet als in den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelungen. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG fordere für alle nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einvernehmen des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters. Eine Ausnahme formuliere § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG lediglich für den Fall, dass die Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden könne und durch einen Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Patienten erheblich gefährdet werde. Eine Sonderregelung treffe § 22 Abs. 2 SächsPsychKG. Sei die Behandlung mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Patienten verbunden oder handele es sich um einen operativen Eingriff, sei stets eine rechtswirksame Einwilligung erforderlich. Damit sei die Therapie von Maßregelvollzugspatienten den allgemeinen Grundsätzen der Krankenhausbehandlung angenähert. Sei die Einsichtsfähigkeit des Untergebrachten vorhanden, habe sein Wille Vorrang. Auch sein von durchschnittlichen Präferenzen abweichender oder aus der Außensicht unvernünftig erscheinender Wille sei insoweit beachtlich. Erst wenn diese Einsichtsfähigkeit - wie im Falle des Beschwerdeführers - krankheitsbedingt fehle, sei auf die Erklärung des Betreuers abzustellen, der kraft Gesetzes dem Wohl des Betreuten und nicht den Zielen des Maßregelvollzugs verpflichtet sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 23. März 2011 ausgeführt, dass bei Zwangsbehandlungen die Rechte des Betroffenen auch durch Einschaltung eines Betreuers gewahrt werden könnten, so dass bei fehlender Zustimmung des Betroffenen die ersetzende Einwilligung des Betreuers erforderlich und ausreichend sein könne.

41

Unter Berücksichtigung der sich aus dem gewählten Regelungsmodell ergebenden Besonderheiten genügten die sächsischen Regelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf eine hinreichend konkretisierte Ankündigung der Behandlung und das vorherige Bemühen um eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung seien in § 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 2 SächsPsychKG umgesetzt. Danach sei die Behandlung unabhängig von der Einwilligungsfähigkeit des Patienten mit diesem zu erörtern. Der Patient sei auch umfassend aufzuklären (§ 21 Abs. 2 Satz 2 SächsPsychKG). Die Anordnung und Überwachung durch einen Arzt sei in § 22 Abs. 4 Halbsatz 2 SächsPsychKG geregelt. Schließlich sei eine Dokumentationspflicht in § 33 Satz 2 SächsPsychKG vorgegeben.

42

Soweit der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit der Regelung deshalb in Zweifel ziehe, weil es in Fällen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an der Möglichkeit fehle, gerichtlich gegen die Erteilung dieser Einwilligung vorzugehen, sei dem nicht zu folgen. Aus der Garantie des effektiven Rechtsschutzes folge in erster Linie das verfahrensrechtliche Gebot einer Ankündigung der Behandlung, die dem Betroffenen überhaupt erst die Möglichkeit eröffnen solle, Rechtsschutz zu suchen. Ein entsprechendes Zeitfenster werde bei einem Vorgehen nach § 21 Abs. 2, § 22 Abs. 1 und 4 sowie § 23 Satz 1 SächsPsychKG regelmäßig gegeben sein. Dass die Ankündigung einer Behandlung möglichst so rechtzeitig erfolgen müsse, dass gegebenenfalls Rechtsschutz gesucht werden könne, ergebe sich unmittelbar aus Verfassungsrecht. Insoweit sei § 21 Abs. 2 SächsPsychKG zumindest einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Im Übrigen bestünden Zweifel, ob das gerichtliche Verfahren betreffend eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in den Unterbringungsgesetzen der Länder geregelt werden könnte. Der Beschwerdeführer selbst gehe davon aus, dass eine rechtliche Prüfung der Einwilligung des Betreuers im Rahmen des Betreuungsrechts zu erfolgen hätte. Eine entsprechende Regelung durch die Länder dürfte mangels Gesetzgebungskompetenz nicht in Betracht kommen.

43

Mit den angegriffenen Beschlüssen sei die Untersagung einer weiteren Zwangsbehandlung zu Recht abgelehnt worden. Bei der Behandlung seien die vom Gesetz gezogenen Grenzen einer Behandlung ohne Einwilligung des Patienten beachtet worden. Nach der Stellungnahme der Klinik vom 10. Oktober 2011 sei der Beschwerdeführer zu Beginn seiner Behandlung im Juli 2010 krankheitsbedingt nicht fähig gewesen, die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit einer Behandlung zu erkennen. Um ihm eine Entlassungsperspektive zu eröffnen, habe daher eine medikamentöse Behandlung gegen seinen natürlichen Willen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG mit Einwilligung seines Betreuers erfolgen können. Aus der Stellungnahme der Klinik ergebe sich auch, dass sie sich um eine auf Vertrauen gegründete, im Rechtssinne freiwillige Zustimmung des Patienten bemüht habe und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden sei.

44

c) Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mit Schreiben vom 1. Juni 2012 eine Stellungnahme des XII. Zivilsenats vom 30. Mai 2012 übersandt. Darin wird der Stand der Rechtsprechung des Senats zu den Befugnissen eines Betreuers im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung des Betreuten dargestellt und ausgeführt, der Senat werde anlässlich der zur Genehmigungsfähigkeit der Zwangsbehandlung im Rahmen der betreuungsrechtlichen Unterbringung gegenwärtig anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren zu entscheiden haben, ob an dieser Rechtsprechung angesichts der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung festzuhalten sei. Zu der Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem im Maßregelvollzug Untergebrachten und nach §§ 1896 ff. BGB Betreuten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der durch seinen Betreuer erteilten Einwilligung in eine Zwangsbehandlung eröffnet seien, insbesondere was die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Behandlung sowie das Bestehen einer krankheitsbedingten Unfähigkeit des Betreuten zur Einsicht in die Notwendigkeit seiner Behandlung angehe, nehme der Senat wie folgt Stellung: Der Betreuer sei außerhalb einer betreuungsrechtlichen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB als gesetzlicher Vertreter des Betreuten befugt, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betreuten einzuwilligen. Hingegen sei er in solchen Fällen nicht berechtigt, den einer medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu überwinden. Deshalb könne eine Einwilligung des Betreuers in die Zwangsbehandlung auch nicht betreuungsrechtlich genehmigt werden. Verhalte der Betreuer sich pflichtwidrig, weil er gedenke, in eine (ersichtlich) nicht indizierte Heilbehandlung einzuwilligen, könne das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB hiergegen durch geeignete Ge- und Verbote einschreiten. Bestünden Zweifel an der Eignung des Betreuers, könne der Betreute gemäß § 1908b Abs. 1 BGB auf eine Entlassung des Betreuers hinwirken. Sei die Einwilligung in die Behandlung betreuungsrechtlich nicht zu beanstanden, ziehe sie aber - wie vorliegend gemäß § 22 Abs. 1, § 23 SächsPsychKG - eine Zwangsbehandlung nach sich, sei die Beurteilung, ob diese rechtmäßig erfolge, auf der Grundlage der die Zwangsbehandlung rechtfertigenden Normen, hier also des sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten, durch die für den Maßregelvollzug zuständigen Gerichte (§ 138 Abs. 3 i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG) anhand der einschlägigen Normen vorzunehmen. § 1906 BGB eröffne keine Handlungsbefugnis des Betreuungsgerichts, Feststellungen zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug zu treffen. Bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einwilligung des Betreuers wegen einer möglicherweise bestehenden Einsichtsfähigkeit des Betreuten, könne dieser vor dem Betreuungsgericht um Rechtsschutz nachsuchen (KG, Beschluss vom 29. August 2007 - 2 Ws 66/07 Vollz -, FamRZ 2008, S. 300 <302 f.>). Der Betreuer könne in die Heilbehandlung und in ärztliche Eingriffe nur wirksam einwilligen, wenn der Betreute selbst zu einer solchen Einwilligung nicht in der Lage - insbesondere nicht einsichts- oder steuerungsfähig - sei (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 Rn. 21).

45

4. Auf die Stellungnahme der Sächsischen Staatsregierung hat der Beschwerdeführer erwidert, dass das Abstellen auf die vorliegende Genehmigung des Betreuers an der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen gerichtlichen Beschlüsse und gesetzlichen Regelungen nichts zu ändern vermöge. Insoweit werde bereits verkannt, dass es für die Zustimmung eines Betreuers selbst an einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage fehle (mit Verweis auf die zwischenzeitlich ergangenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2012; s. dazu im Folgenden unter III.). Es sei zudem in keiner Weise ein hinreichendes Korrektiv zur - auch fachlichen - Übermacht der Maßregelvollzugskliniken in Zwangsbehandlungsangelegenheiten, wenn externe Kontrolle durch eine bloße Beteiligung des jeweiligen Betreuers gewährleistet werden solle. Es bedürfe vielmehr prinzipiell - also ohne dass der psychisch kranke Mensch insoweit selbst aktiv werden müsse - einer vorherigen Prüfung in einem gerichtlichen Verfahren unter Beiordnung von angemessen vergüteten Rechtsbeiständen sowie unter regelmäßiger Beteiligung externen gutachterlichen Sachverstandes.

46

5. Dem Senat haben die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens vorgelegen.

III.

47

Mit Beschlüssen vom 20. Juni 2012 hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur Genehmigungsfähigkeit von Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgegeben (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 -, NJW 2012, S. 2967 ff., und - XII ZB 130/12, juris). Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit würden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt habe, nicht gerecht. Diese Anforderungen seien im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihr die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse. Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügten den Anforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt habe und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssten. Danach fehle es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb dürfe ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.

B.

48

Die Verfassungsbeschwerde - die die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nur insoweit angreift, als sie nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen - ist zulässig und begründet. Die Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

I.

49

1. Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten greift, unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt wird, in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, das die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht schützt (BVerfGE 128, 282<300>; 129, 269 <280>; zur Unabhängigkeit des Eingriffscharakters von der Einsichtsfähigkeit des Betroffenen BVerfGE 128, 282 <301>).

50

Die Eingriffsqualität entfällt nicht bereits dann, wenn der Betroffene der abgelehnten Behandlung keinen physischen Widerstand entgegensetzt (vgl. BVerfGE 128, 282 <300 f.>; 129, 269 <280>). Eine Zwangsbehandlung im Sinne einer medizinischen Behandlung, die gegen den natürlichen Willen des Betroffenen erfolgt, liegt unabhängig davon vor, ob eine gewaltsame Durchsetzung der Maßnahme erforderlich wird oder der Betroffene sich, etwa weil er die Aussichtslosigkeit eines körperlichen Widerstandes erkennt, ungeachtet fortbestehender Ablehnung in die Maßnahme fügt und damit die Anwendung körperlicher Gewalt entbehrlich macht (vgl. BVerfGE 128, 282 <300 f.>; 129, 269 <280>). Dem grundrechtseingreifenden Charakter der beanstandeten Behandlung, und demgemäß auch der angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen, steht es danach nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer sich, ohne seine Ablehnung aufzugeben, aus Angst vor Zwangsmaßnahmen auf die Verabreichung der Medikamente eingelassen hat.

51

Auch die Einwilligung eines Betreuers nimmt der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter. Sie lässt den Eingriff unberührt, der darin liegt, dass die Maßnahme gegen den natürlichen Willen des Betroffenen erfolgt (vgl. BVerfGE 10, 302 <309>).

52

2. Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten kann ungeachtet der besonderen Schwere des darin liegenden Eingriffs gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 128, 282 <304 ff.>; 129, 269 <280 ff.>). Sie ist jedoch, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt (BVerfGE 128, 282 <317>).

53

Das Erfordernis einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe besteht auch dann, wenn für den jeweils betrachteten Eingriff gute oder sogar zwingende sachliche Gründe sprechen mögen (vgl. BVerfGE 116, 69 <80>; BVerfGK 9, 123 <126 f.>). Der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass in Grundrechte nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Vorbehalt des Gesetzes), hat gerade den Sinn, die primäre Zuständigkeit für die Bewertung von Grundrechtsbeschränkungen als wohlbegründet oder ungerechtfertigt zu bestimmen. Er stellt sicher, dass die Grenzen zwischen zulässigem und unzulässigem Grundrechtsgebrauch, zwischen zulässiger und unzulässiger Grundrechtseinschränkung nicht fallweise nach eigener Einschätzung von beliebigen Behörden oder Gerichten, sondern primär - in der Form eines allgemeinen Gesetzes - durch den Gesetzgeber gezogen werden.

54

Der Vorbehalt des Gesetzes gilt nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Gesetzlicher Regelung bedürfen in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein. Für aktuell und potentiell betroffene Untergebrachte und für die zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträger der Unterbringungseinrichtung, die einer klaren, Rechtssicherheit vermittelnden Eingriffsgrundlage auch im eigenen Interesse bedürfen, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels aus dem Gesetz erkennbar sein; sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht bedarf es einer über abstrakte Verhältnismäßigkeitsanforderungen hinausgehenden Konkretisierung dieser Voraussetzungen (vgl. BVerfGE 128, 282 <318 ff.>; 129, 269 <283>).

55

3. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Ziels des Maßregelvollzuges, einschließlich der Anforderungen, denen die gesetzliche Grundlage für eine solche Behandlung genügen muss, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23. März 2011 geklärt (vgl. BVerfGE 128, 282 <304 ff.>; s. auch BVerfGE 129, 269 <280 ff.>).

56

Danach verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer bereits deshalb in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, weil es für die Zwangsbehandlung, die sie als rechtmäßig bestätigen, an einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage fehlt. Die herangezogene Eingriffsgrundlage des § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar und nichtig.

57

a) Dies gilt unabhängig von der Frage, inwieweit Zwangsbehandlungen auch zu anderen Zwecken als zur Erreichung des Vollzugsziels zulässig sein können und inwieweit die für Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei einer andersgerichteten Maßnahme - etwa einer Behandlungsmaßnahme zur Rettung des Untergebrachten aus akuter Lebens- oder schwerer Gesundheitsgefahr (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG) - uneingeschränkt Gültigkeit beanspruchen. Denn bei § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG handelt es sich nicht um eine Vorschrift, die auf Zwangsbehandlungen zu anderen als vollzugszielbezogenen Zwecken zugeschnitten wäre oder abtrennbare diesbezügliche Gehalte aufwiese. Die Vorschrift sieht vielmehr von einer Zweckvorgabe ab (s. b)bb)).

58

b) Die Regelungen des sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten unterscheiden sich allerdings von den bislang verfassungsgerichtlich geprüften und beanstandeten landesrechtlichen Regelungen dadurch, dass sie für den Regelfall keinerlei Zwangsbehandlungsmaßnahmen zulassen, über die allein die Unterbringungseinrichtung entschiede. Erforderlich ist grundsätzlich entweder die Einwilligung des Betroffenen selbst oder die seines gesetzlichen Vertreters oder, wenn es an einem gesetzlichen Vertreter fehlt, weil ein Betreuer nicht bestellt wurde, eine gerichtliche Genehmigung der Maßnahme nach § 16 SächsPsychKG; etwas anderes gilt nur für den Fall, dass durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Patienten erheblich gefährdet wäre (s. i.E. § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 SächsPsychKG). Dies führt jedoch weder zur Unanwendbarkeit der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzlichen Grundlagen einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels noch dazu, dass diese Anforderungen erfüllt wären. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG verfehlt vielmehr die verfassungsrechtlichen Anforderungen in mehreren Hinsichten.

59

aa) Weder diese Bestimmung noch andere, ergänzend heranzuziehende Vorschriften des Gesetzes beschränken die medizinische Zwangsbehandlung des Untergebrachten zur Erreichung des Vollzugsziels, wie verfassungsrechtlich geboten (vgl. BVerfGE 128, 282 <307 f.>; 129, 269 <281 f.>), auf den Fall seiner krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit.

60

(1) Dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG auf die Regeln der ärztlichen Kunst verweist, ändert daran nichts. Unabhängig von der Frage, ob dieser Verweis überhaupt hinreichend deutlich eine umfassende Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst statuiert, liegt in einer solchen Bindung keine hinreichend deutliche gesetzliche Begrenzung der Möglichkeit der Zwangsbehandlung auf Fälle der fehlenden Einsichtsfähigkeit. Der Umstand, dass § 22 SächsPsychKG nur in Absatz 2 für Behandlungsmaßnahmen, die mit einem operativen Eingriff oder einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Untergebrachten verbunden sind, die eingriffsrechtfertigende Wirkung der Einwilligung des Patienten daran knüpft, dass dieser die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung beurteilen kann, legt eher die Schlussfolgerung nahe, dass Eingriffe unterhalb der genannten Schwelle unabhängig von der Frage einer krankheitsbedingten Selbstbestimmungsunfähigkeit zugelassen sein sollen. Auch wenn man diesen Schluss nicht ziehen will, weil zwischen dem Fehlen der in § 22 Abs. 2 SächsPsychKG angesprochenen Fähigkeit zu positiver Einwilligung in eine ärztlich indizierte Behandlung und einer "Vetofähigkeit" (vgl. Böse, in: FS Roxin, 2011, S. 523 <529>) zu unterscheiden und die Möglichkeit zu erwägen sein könnte, dass bestimmte - etwa paranoische - psychische Erkrankungen nur die letztere Fähigkeit beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 129, 269 <281 f.>), stellt jedenfalls nicht schon der Verweis auf die Regeln der ärztlichen Kunst in der notwendigen Weise klar, dass krankheitsbedingt fehlende Einsichtsfähigkeit Voraussetzung der Zwangsbehandlung ist (vgl. BVerfGE 129, 269 <281 f.>).

61

(2) Eine ausreichende gesetzliche Regelung des Erfordernisses krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit liegt auch nicht darin, dass die Einwilligung eines Betreuers, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG geeignet sein soll, eine Behandlung auch gegen den natürlichen Willen des Untergebrachten zu legitimieren, ihrerseits die krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit des Betreuten voraussetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <867>).

62

Die landesrechtliche Anknüpfung der Befugnis, einen Untergebrachten zur Herstellung seiner Entlassungsfähigkeit gegen seinen erklärten Willen - notfalls unter Anwendung physischen Zwangs - zu behandeln, an das Vorliegen der Einwilligung des Betreuers ist schon im Ansatz ungeeignet, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Bestimmung der materiellen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen einer solchen Behandlung Rechnung zu tragen. Denn die mit dieser Anknüpfung in Bezug genommenen bundesrechtlichen Vorschriften des Betreuungsrechts selbst gestatten dem Betreuer - dessen Befugnisse schon aus kompetenziellen Gründen nicht durch den Landesgesetzgeber erweitert werden können - die Erteilung einer auch eine Zwangsbehandlung einschließenden Einwilligung nicht.

63

Die Vorschriften des Betreuungsrechts (§§ 1896 ff. BGB) sehen die Möglichkeit einer Zwangsbehandlung nicht ausdrücklich vor. Zwar ist ein Betreuer kraft seiner gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1902 BGB) grundsätzlich auch befugt, anstelle eines nicht einsichts- oder steuerungsfähigen Betreuten in medizinische Heilbehandlungen einzuwilligen (vgl. BGHZ 145, 297 <306 f.>); nur unter den Voraussetzungen des § 1904 Abs. 1 BGB ist in einem solchen Fall zusätzlich die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Aus § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB hat die höchstrichterliche Rechtsprechung abgeleitet, dass der Betreuer bei der Erteilung seiner Einwilligung den Wünschen des Betreuten nicht entsprechen muss, wenn sie dessen Wohl zuwiderlaufen (vgl. BGHZ 166, 141 <150 f.>). Auch nach dieser Auslegung folgt jedoch aus der gesetzlichen Vertretungsmacht, die es dem Betreuer ermöglicht, in eine medizinische Behandlung des Betreuten mit rechtfertigender Wirkung einzuwilligen, nicht zugleich die Befugnis, den einer medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu überwinden beziehungsweise eine Zwangsbehandlung seitens dritter Personen durch Einwilligung zu legitimieren, da die §§ 1901, 1902 BGB für sich genommen keine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Zweck, Gegenstand und Ausmaß der vom Betreuten unter Zwang zu duldenden Behandlung ermöglichen (vgl. BGHZ 145, 297 <306 ff.>; 166, 141 <151>; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <866 f.>). Eine gesetzliche Grundlage für derartige Zwangsmaßnahmen hat der Bundesgerichtshof zwar bis zur Änderung seiner - insoweit umstritten gebliebenen - Rechtsprechung durch die Beschlüsse vom 20. Juni 2012 (s.o. A.III.) in § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gesehen, der die Unterbringung eines krankheitsbedingt einsichts- oder steuerungsunfähigen Betreuten durch den Betreuer zum Zweck einer anders nicht durchführbaren medizinischen Behandlung - mit Zustimmung des Betreuungsgerichts (§ 1906 Abs. 2 BGB) - ermöglicht: Diese Unterbringungsermächtigung schließe die Ermächtigung zur zwangsweisen Durchführung der Behandlung, auf die die Unterbringung zielt, ein (vgl. BGHZ 166, 141 <151 f.>; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008, a.a.O. S. 867; a.A. Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, Handkommentar, 4. Aufl. 2010, § 1904 BGB Rn. 11; Narr/Saschenbrecker, FamRZ 2006, S. 1079 <1082>; Ludyga, FPR 2007, S. 104 <105 f.>; Olzen/van der Sanden, JR 2007, S. 248 <249 f.>, m.w.N.). Auch soweit danach eine Rechtsgrundlage für Zwangsbehandlungen als im Betreuungsrecht angelegt gesehen wurde, betraf dies allerdings, entsprechend der Ableitung der Zwangsbehandlungsbefugnis aus der dem Wortlaut nach nur zu einer Unterbringung ermächtigenden Vorschrift des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, ausschließlich Behandlungen im Rahmen einer nach dieser Vorschrift angeordneten Unterbringung (vgl. BGHZ 145, 297 <300 f.>; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008, a.a.O. S. 866). Für medizinische Zwangsbehandlungen außerhalb einer Unterbringung oder im Rahmen von auf anderer Rechtsgrundlage erfolgten Unterbringungen, einschließlich der Unterbringung im Maßregelvollzug (§ 63 StGB), bot § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB danach bereits in seiner Auslegung durch die frühere Rechtsprechung keine gesetzliche Grundlage. Die zwischenzeitliche Änderung dieser Rechtsprechung dahingehend, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für Maßnahmen der Zwangsbehandlung im Rahmen von Unterbringungen nach dieser Vorschrift keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Grundlage darstellt (s.o. A.III.), verdeutlicht insofern für den vorliegenden Zusammenhang nur, dass die Vorschriften des Betreuungsrechts als - sei es primäre oder ergänzende - Grundlage für Zwangsbehandlungen zur Erreichung des Vollzugsziels im Maßregelvollzug von Verfassungs wegen erst recht nicht in Betracht kommen.

64

bb) Auch den weiteren aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuleitenden Anforderungen, denen ein zur medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten ermächtigendes Gesetz entsprechen muss, ist nicht genügt. Es fehlt sowohl an der abschließenden Bestimmung des Zwecks oder der Zwecke, die den Eingriff rechtfertigen sollen, und damit an der Ausscheidung von Zwecken, die einen Eingriff prinzipiell nicht zu rechtfertigen geeignet sind - eine ausschließende Bedeutung kommt insbesondere § 21 Abs. 1 Satz 4 und § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsPsychKG nicht zu -, als auch sonst an einer ausreichenden Konkretisierung der materiellen und verfahrensmäßigen Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben.

65

(1) § 22 Abs. 1 SächsPsychKG statuiert in dem eingriffsermächtigenden Satz 1 keine zureichenden inhaltlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen, sondern verlangt nur, dass zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters einzuholen ist. Dies reicht nicht aus (vgl. BVerfGE 129, 269 <281>). Materiell beschränkende Regelungen für eine gemäß dieser Vorschrift mit Einwilligung des Betreuers oder sonstigen gesetzlichen Vertreters erfolgende Zwangsbehandlung finden sich in den Absätzen 1 und 2 des § 22 SächsPsychKG auch sonst nicht; Absatz 1 Satz 2 regelt nur, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe bei Fehlen jeglicher Einwilligung - auch der eines Vertreters oder des Gerichts - zulässig sind, und Absatz 2 statuiert, in nicht ganz deutlichem Verhältnis zu Absatz 1 Satz 2, wiederum nur Einwilligungserfordernisse. Lediglich in § 22 Abs. 3 und Abs. 4 SächsPsychKG finden sich weitere die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in materieller Hinsicht betreffende Anforderungen, nämlich eine Sonderregelung für den Fall der Zwangsernährung - diese soll nur zur Abwehr erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit zulässig sein (Abs. 3) - und das Verbot der Verletzung der Würde des Patienten (Abs. 4). Damit ist dem Erfordernis, die materiellen Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung über die Anforderung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinaus gesetzlich zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 128, 282 <317 f.>; 129, 269 <282 f.>), nicht Genüge getan.

66

(2) Auch mit Blick auf die Ausgestaltung des Verfahrens wird die als Grundlage der Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers herangezogene gesetzliche Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur teilweise gerecht.

67

Ausreichend ist die gesetzliche Regelung allerdings, soweit es um das Erfordernis der Anordnung und Überwachung von Zwangsbehandlungen durch einen Arzt (vgl. BVerfGE 128, 282 <313, 320>; 129, 269 <283>) geht. Nach § 22 Abs. 4 SächsPsychKG sind sämtliche Maßnahmen nur auf Anordnung und unter unmittelbarer Leitung und Verantwortung eines Arztes zulässig.

68

Das Gesetz enthält auch die erforderliche (vgl. BVerfGE 128, 282 <313 ff.>; 129, 269 <283>) Regelung der Pflicht zur Dokumentation aller Zwangsbehandlungsmaßnahmen. § 33 Satz 2 SächsPsychKG sieht vor, dass alle medizinischen Maßnahmen und belastenden Vollzugsmaßnahmen zu dokumentieren sind. Danach sind medizinische Maßnahmen, wenn sie gegen den natürlichen Willen eines Untergebrachten erfolgen, nicht nur als medizinische, sondern zugleich auch in ihrer Eigenschaft als belastende, nämlich dem natürlichen Willen des Betroffenen zuwiderlaufende, zu dokumentieren. Der Umfang des dokumentarisch Festzuhaltenden ist zwar im Gesetz nicht näher präzisiert, ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Sinn und Zweck des Dokumentationserfordernisses, der über die Orientierungsfunktion für das weitere ärztliche Handeln hinaus auch darin besteht, das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Maßnahme erkennbar und überprüfbar zu machen.

69

Dagegen fehlt es an einer angemessenen Regelung des - unabhängig von der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen bestehenden - Erfordernisses der vorherigen Bemühung um eine auf Vertrauen gegründete im Rechtssinne freiwillige, insbesondere nicht bloß wegen anderenfalls drohender Gewaltanwendung erteilte Zustimmung des Betroffenen (vgl. hierzu BVerfGE 128, 282 <309 f.>; 129, 269 <283>). § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG fordert nur, dass zu allen nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erforderlichen Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich das Einverständnis des Patientenoder seines gesetzlichen Vertreters eingeholt wird. Allerdings ist nach § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsPsychKG der Behandlungsplan mit dem Patienten zu erörtern, und nach Satz 2 der Vorschrift ist der Patient über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend aufzuklären. Der Umstand, dass das Gesetz in weiteren Vorschriften zwischen dem Patienten und seinem Betreuer oder sonstigen gesetzlichen Vertreter unterscheidet (§ 22 Abs. 1 und Abs. 2 SächsPsychKG), legt es nahe, diese informationsbezogene Regelung dahin auszulegen, dass sie die Erörterung des Behandlungsplans mit dem Patienten in eigener Person sowie Aufklärung des Patienten selbst gebietet, also nicht etwa die Aufklärung des Betreuers genügen lässt. Zweifel an dieser Auslegung weckt allerdings das Fehlen einer gesonderten Regelung über die Aufklärungspflicht gegenüber dem gesetzlichen Vertreter für den Fall, dass dem Patienten selbst die Einwilligungsfähigkeit fehlt, und das Fehlen einer Ausnahme für den Fall, dass der Betroffene nicht kommunikationsfähig ist. Unabhängig davon ist § 21 Abs. 2 SächsPsychKG jedenfalls nichts dafür zu entnehmen, dass die gebotene Erörterung und Aufklärung auf eine vertrauensbasierte freiwillige, insbesondere nicht bloß auf eine anderenfalls drohende Gewaltanwendung gegründete Zustimmung des Betroffenen gerichtet sein muss. Mit einer bloßen Erörterungs- und Aufklärungspflicht wäre es auch vereinbar, anstelle geduldiger Bemühung um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses den Betroffenen - zeitsparend - von vornherein vor die Alternative zwischen Hinnahme der geplanten Behandlung und Anwendung unmittelbaren Zwangs zu stellen. Ein solches Vorgehen genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen aber, jedenfalls außerhalb akuter Notfallsituationen, gerade nicht. Dieser Mangel der gesetzlichen Regelung kann nicht durch verfassungskonforme Auslegung behoben werden, weil damit den hohen Bestimmtheitsanforderungen, die an die gesetzliche Regelung der Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung zu stellen sind (vgl. BVerfGE 128, 282 <317 f.>), nicht genügt wäre.

70

Weiter fehlt es an einer zureichenden Regelung des, jedenfalls für planmäßige Behandlungsmaßnahmen bestehenden, Erfordernisses einer hinreichend konkretisierten Ankündigung (vgl. BVerfGE 128, 282 <311 ff.>; 129, 269 <283>). Eine solche Regelung ist nicht deshalb entbehrlich, weil das Ankündigungserfordernis, wie auch andere Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung, die der Konkretisierung oder ausdrücklichen Klarstellung durch einfaches Gesetz bedürfen, seine Grundlage im Verfassungsrecht hat (vgl. dementsprechend die Beanstandung ihres Fehlens in BVerfGE 128, 282 <320>; 129, 269 <283>). Eine ausreichende Regelung der Ankündigung liegt nicht bereits in der vorgesehenen Erörterungs- und Aufklärungspflicht (§ 21 Abs. 2 SächsPsychKG). Diese zielt auf die Schaffung der informatorischen Grundlagen für eine den Eingriffscharakter der Maßnahme ausschließende Zustimmung. Das Ankündigungserfordernis betrifft demgegenüber Maßnahmen, für die eine solche Zustimmung gerade nicht vorliegt, und zielt auf die Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. BVerfGE 128, 282 <311>). Eine vorherige Ankündigung ist - mit einer Ausnahme für den Fall, dass die Umstände sie nicht zulassen - nur in § 23 SächsPsychKG für die Anwendung unmittelbaren Zwangs vorgesehen. Mit einer Regelung, die eine Androhung allein für die Anwendung physischen Zwangs vorschreibt, sind jedoch die Fälle, für die das Ankündigungserfordernis von Verfassungs wegen besteht, nicht ausreichend erfasst (vgl. BVerfGE 128, 282 <321>; 129, 269 <283>). Eine Zwangsbehandlung im hier maßgebenden Sinne liegt nicht erst dann vor, wenn die Behandlung im Wege des unmittelbaren Zwangs gegen Widerstand durchgesetzt wird (s.o. B.I.1.). Die Ankündigungsregelung des § 23 SächsPsychKG stellt auch nicht sicher, dass die Ankündigung sich auf Art, Dauer und Intensität der geplanten Zwangsbehandlung erstreckt und damit eine ausreichende gerichtliche Überprüfung ermöglicht. Entsprechendes gilt für die Bestimmungen, die die Erstellung eines Behandlungsplans und dessen Erörterung mit dem Patienten vorsehen (§ 21 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SächsPsychKG).

71

Entgegen den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist zudem eine vorausgehende Überprüfung der Maßnahme in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung (vgl. hierzu BVerfGE 128, 282 <315 ff.>; 129, 269 <283>) nicht vorgesehen. Die erforderliche Überprüfung ist insbesondere nicht dadurch sichergestellt, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG die Behandlung eines Untergebrachten, die nicht mit dessen eigenem Einverständnis erfolgt, grundsätzlich das Einverständnis des gesetzlichen Vertreters, bei Erwachsenen also eines Betreuers, voraussetzt. Zwar gehört neben anderen möglichen Lösungen, wie etwa einem Richtervorbehalt oder der Beteiligung einer sonstigen neutralen Stelle (vgl. BVerfGE 128, 282 <316>), auch die Einschaltung eines Betreuers grundsätzlich zu den in Betracht kommenden Möglichkeiten der erforderlichen vorausgehenden externen Überprüfung, sofern das Betreuungsrecht selbst dies zulässt. Die in § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG getroffene Regelung sieht jedoch, unabhängig von den betreuungsrechtlichen Fragen, die sie aufwirft, eine derartige Überprüfung schon im Ansatz nicht vor. Die Vorschrift weist, indem sie die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung allein an das Vorliegen des Einverständnisses des gesetzlichen Vertreters bindet, diesem nicht die Funktion zu, eine Entscheidung der Klinik darauf hin zu überprüfen, ob sie vorgegebenen gesetzlichen Maßstäben entspricht. Vielmehr setzt sie die Entscheidung des Betreuers an die Stelle solcher Maßstäbe. Um eine externe Kontrolle im Sinne des Erfordernisses vorausgehender Überprüfung der Maßnahme in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung handelt es sich daher hier nicht. Das Fehlen materieller Kriterien für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung (oben B.I.3b)bb)(1)) entzieht somit zugleich dem verfahrensrechtlichen Ansatz des angegriffenen Gesetzes die ihm zugedachte Legitimationsfunktion.

72

cc) Im Hinblick auf die Gewährleistung gerichtlichen Rechtsschutzes ist die Eingriffsermächtigung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG schließlich auch deshalb unzureichend, weil angesichts der mit der gewählten "Betreuerlösung" verbundenen Unklarheiten nicht gesichert und für den Betroffenen nicht hinreichend erkennbar ist, wie er den verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz erlangen kann. Dies zeigt für den vorliegenden Fall das Zusammenspiel der angegriffenen Entscheidungen mit den Entscheidungen im vorausgegangenen betreuungsgerichtlichen Verfahren. Während der Beschwerdeführer im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG, in dem die hier angegriffenen Entscheidungen ergangen sind, keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Einwilligung des Betreuers erreichen konnte, weil nach der unbeanstandet gebliebenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer die Rechtmäßigkeit dieser Einwilligung und die Frage, ob der Betroffene einwilligungsunfähig und die Behandlung erforderlich und angemessen ist, allein durch das Betreuungsgericht geprüft werden können, hatte sich, gleichfalls bis in die letzte Instanz unbeanstandet, das Landgericht im betreuungsgerichtlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt, dass sich aus § 1906 BGB keine Befugnis des Betreuungsgerichts zu dahingehenden Feststellungen ergebe.

II.

73

Da die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, soweit angegriffen, das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bereits mangels einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage für den gebilligten Eingriff verletzen, kann offenbleiben, ob die Rechtsanwendung durch die Fachgerichte noch aus anderen Gründen Anlass zu verfassungsrechtlicher Beanstandung gibt.

C.

I.

74

§ 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ist wegen der festgestellten Verfassungsverstöße für nichtig zu erklären. Die Voraussetzungen für eine bloße Unvereinbarerklärung liegen nicht vor (vgl. BVerfGE 128, 282 <321 f.>; 129, 269 <284>). Dasselbe gilt für die Voraussetzungen einer Erstreckung des Nichtigkeitsausspruchs (§ 78 Satz 2 BVerfGG) auf andere Teile des § 22 SächsPsychKG.

75

Die angegriffenen Entscheidungen sind gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG in dem bezeichneten Umfang aufzuheben, und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

76

Gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.