Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2011 - 4 StR 502/10

bei uns veröffentlicht am27.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 502/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1
wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwälte
als Nebenkläger-Vertreter für Roswitha und Gerhard O. ,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreterin für Ronja A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 4. Mai 2010 bezüglich des Angeklagten A. dahin abgeändert, dass die von diesem in Portugal erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. 2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten A. , ihr Rechtsmittel bezüglich des Angeklagten S. sowie die Revisionen der Nebenkläger und der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten hierdurch und durch die Rechtsmittel der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Nötigung und mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in dieser Sache in Portugal erlittene Freiheitsentziehung auf die verhängte Freiheitsstrafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht.
2
Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Staatsanwaltschaft wendet sich insbesondere gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite; zudem bemängelt sie die fehlende Prüfung der Unterbringung des Angeklagten A. in der Sicherungsverwahrung. Die Nebenkläger begehren unter anderem eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge. Die Angeklagten rügen ebenfalls die Anwendung des sachlichen Rechts. Der Angeklagte A. beanstandet insbesondere den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie die Bewertung der Nötigung als besonders schweren Fall. Der Angeklagte S. meint, der Tatbestand des § 231 StGB sei nicht gegeben, weil es sich nicht um eine Schlägerei im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe; ferner beanstandet auch er die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung.
3
Erfolg hat in geringem - aus dem Tenor ersichtlichem - Umfang lediglich das zum Nachteil des Angeklagten A. eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

I.


4
Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
5
Die beiden Angeklagten waren Mitglieder der "Hells Angels", der Angeklagte A. als Vollmitglied ("full member"), der Angeklagte S. als Unterstützer ("supporter"). Dirk O. - das Tatopfer - war Vollmitglied der "Outlaws" und Präsident des "Chapters" Donnersbergkreis.
6
Am 24. Juni 2009 hatte der Angeklagte S. in Bad Kreuznach aus ungeklärten Gründen eine körperliche Auseinandersetzung mit Tobias L. , einem Mitglied des dortigen neu gegründeten Outlaws-Chapters, an deren Ende er von Tobias L. darauf hingewiesen wurde, dass Bad Kreuznach "OutlawGebiet" sei.
7
Am Nachmittag des 26. Juni 2009 trafen sich die Angeklagten in Landstuhl unter anderem mit Björn Sch. , der ebenfalls - als Anwärter ("prospect") - den Hells Angels angehörte. Sie beschlossen, nach Bad Kreuznach zu fahren, um dort "Präsenz zu zeigen"; gegebenenfalls wollten sie auch einem Mitglied der Outlaws wegen des Vorfalls vom 24. Juni 2009 eine "Abreibung verpassen". Gegen 20.00 Uhr brachen die Angeklagten und Björn Sch. in einem angemieteten Pkw nach Bad Kreuznach auf. Dort sahen sie zwar einen Motorradfahrer in "Rockerkluft", konnten ihm aber nicht folgen. Sie beschlossen daher, nach Marnheim zur Gaststätte "I. " zu fahren, dem Treffpunkt der Outlaws in deren neu gegründetem Chapter im Donnersbergkreis , um diese auszukundschaften und - so das Vorhaben des Angeklagten A. und von Björn Sch. - eine nicht näher bestimmte "Aktion" gegen dieses Chapter durchzuführen.
8
Etwa um 23.00 Uhr verließen mehrere Mitglieder der Outlaws, unter anderem Dirk O. , das "I. " und fuhren nach Kirchheimbolanden. Die Angeklagten und Björn Sch. folgten ihnen. Während sich die Mitglieder der Outlaws in einer Gaststätte aufhielten, fassten der Angeklagte A. und Björn Sch. den Entschluss, dem - von ihnen als solchem erkannten - Vollmitglied der Outlaws bei sich bietender Gelegenheit die "Kutte", also die mit Aufnähern versehene Lederweste, abzunehmen, um hierdurch "ein Zeichen gegen die Outlaws zu setzen" sowie "Präsenz zu zeigen" und den Outlaws deutlich zu machen, dass deren Gebietsanspruch nicht akzeptiert werde. Den Angeklagten und Björn Sch. war dabei klar, dass es zu einer "harten körperlichen Auseinandersetzung" auch mit Waffen und Werkzeugen kommen kann. Ihnen war bewusst, dass ihr Handeln "auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte", sie vertrauten aber darauf, dass insbesondere wegen ihrer körperlichen und zahlenmäßigen Überlegenheit "ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde". Ein solcher tödlicher Ausgang war den Angeklagten unerwünscht; der Angeklagte A. fürchtete bei einem "tödlichen Zwischenfall" clubinterne Sanktionen, der Angeklagte S. , der als einziges Mitglied der Hells Angels im Donnersbergkreis wohnte, befürchtete eine "Retourkutsche" der Outlaws.
9
Nachdem die Outlaws die Gaststätte verlassen hatten, folgten die Angeklagten - der Angeklagte S. als Fahrer - und Björn Sch. mit ihrem Pkw zwei Motorrädern der Outlaws, wobei sie die Stellung deren Fahrer als "full member" bzw. "prospect" erkannten, das Vollmitglied aber nicht als Dirk O. und den dortigen Chapter-Präsidenten identifizierten. Nachdem der zweite Motorradfahrer abgebogen war, fuhren Dirk O. und hinter ihm die Angeklagten und Björn Sch. gegen 23.50 Uhr auf der Landstraße 386 in Richtung Stetten. Der Angeklagte A. und Björn Sch. beschlossen nunmehr, Dirk O. zu überholen und zum Anhalten zu bringen, um ihm die Kutte abnehmen zu können. Auf Weisung des Angeklagten A. überholte der Angeklagte S. das Motorrad und bremste den Pkw anschließend bis zum Stillstand stark ab, wobei er darauf achtete und darauf vertraute, dass es nicht zu einer Kollision kam und Dirk O. nicht stürzte. Dirk O. gelang es wenige Meter hinter dem Pkw anzuhalten, wobei die Strafkammer ungeachtet einer Blockierspur von 13,3 Metern Länge nicht festzustellen vermochte, dass dabei tatsächlich die Gefahr bestand, er werde mit dem Pkw kollidieren oder stürzen.
10
Während der Angeklagte S. - auch in der Folgezeit - in dem Pkw verblieb, sprangen der Angeklagte A. und Björn Sch. aus dem Fahrzeug , liefen auf Dirk O. zu und zogen diesen von seinem Motorrad herunter. Sodann schnitten sie mit einem Messer die rechte Hosentasche des Dirk O. auf, in der er - erkennbar - ein Messer mitführte, und warfen dieses Messer weg. Nachdem ein entgegenkommender Pkw vorbeigefahren war und Dirk O. das umgefallene Motorrad aufgerichtet hatte, um mit diesem zu fliehen, versetzte Björn Sch. Dirk O. sechs Stiche kurz unterhalb des Arms in die rechte Seite. Er handelte dabei aus Verärgerung darüber, dass "das gesamte Vorhaben" durch das zufällige Erscheinen des Pkws zu scheitern gedroht hatte, und wollte der "Aktion" endgültig und sicher zum Erfolg verhelfen. "Dass der Dirk O. dabei sterben könnte, war ihm klar, jedoch auch egal". Der Angeklagte A. sah diese nicht abgesprochene Messerattacke, konnte allerdings nicht mehr eingreifen; er ging - wie auch der Angeklagte S. - davon aus, dass das Opfer bereits tödlich verletzt sei und jede, auch eine sofort herbeigerufene Hilfe zu spät kommen werde. Er und Björn Sch. zogen Dirk O. die Kutte aus, um diese mitzunehmen. Welche Motivation dieser Wegnahme zugrunde lag, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, insbesondere konnte sie nicht ausschließen, dass der Tatplan von vorneherein vorsah, die Kutte "zu vernichten" bzw. "verschwinden" zu lassen, damit sie nicht in die Hände der Outlaws gelangt. Sodann versetzte Björn Sch. ebenfalls ohne Absprache mit dem Angeklagten A. Dirk O. einen weiteren Messerstich in den Rücken, der zu einer Querschnittlähmung führte.
11
Infolge der Stiche in die Seite und des dadurch eingetretenen Blutverlustes verstarb Dirk O. am 27. Juni 2009 um 2.17 Uhr.

II.


12
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben keinen (Rechtsmittel der Nebenkläger) bzw. nur in geringem Umfang Erfolg (Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft).
13
1. Die von Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
14
Die Rügen, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt , dass es keinen "in so genannten Motorradclubs … szenekundigen, erfahrenen Ermittlungsbeamten eines Landeskriminalamts oder einer sonst überörtlich zuständigen Polizeidienststelle oder einen Kriminalwissenschaftler" zu deren "Herrschaftsgefüge, Befehlsstrukturen, Riten und Verhaltenskodizes" ange- hört hat, sind unzulässig. Denn die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger teilen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mit, warum sich eine solche Beweiserhebung entgegen und trotz der Ausführungen des Schwurgerichts zu einem nicht zu erwartenden weiteren Erkenntnisgewinn durch eine solche Beweisaufnahme (UA 80) aufgedrängt haben soll, nachdem das Gericht - neben einer Vielzahl weiterer Polizeibeamter sowie mehrerer Zeugen aus "Rockerkreisen" - auch die dem Polizeipräsidium Mainz angehörende Sachbearbeiterin vernommen und diese über die Informationen berichtet hat, die ihr "im Bereich der organisierten Kriminalität erfahrene Kollegen" unter anderem zum "Trophäenkult mit Kutten" gegeben hatten. So wird insbesondere die in den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger angesprochene polizeiliche Vernehmung des Angeklagten S. nicht vollständig mitgeteilt; die Staatsanwaltschaft hat es zudem unterlassen , den von ihr zitierten polizeilichen Abschlussbericht vollständig vorzutragen.
15
Soweit die Staatsanwaltschaft ferner einen Verstoß gegen § 261 StPO beanstandet und geltend macht, das Gericht habe in Zusammenhang mit dem Fluchtversuch des Dirk O. Feststellungen zu "inneren Vorgängen (Überlegungen )" beim Tatopfer getroffen, ohne hierfür über eine "äußere Grundlage" zu verfügen, fehlt es jedenfalls am Beruhen des Urteils auf einer etwaigen Gesetzesverletzung.
16
Erfolglos ist auch die von zwei Nebenklägern in Zusammenhang mit der Zurückweisung einer Frage an den Zeugen G. erhobene Aufklärungsrüge. Insofern verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass dem Zeugen G. das von ihm geltend gemachte Auskunftsverweigerungsrecht zustand.
17
2. Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat - abgesehen von der Entscheidung bezüglich des Angeklagten A. nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft - keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten ergeben.
18
a) Das Schwurgericht hat die Angeklagten auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht nicht wegen besonders schweren Raubes (mit Todesfolge) oder besonders schwerer räuberischer Erpressung (mit Todesfolge) verurteilt.
19
aa) Ein besonders schwerer Raub (mit Todesfolge) liegt - wie ersichtlich auch der Generalbundesanwalt meint - nicht vor.
20
(1) Täter - auch Mittäter - kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten “einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 mwN).
21
An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestandes seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseitezuschaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460; vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 jeweils mwN). Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 mwN; Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter - was grundsätzlich ausreichen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) - für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt.
22
(2) Hiervon ausgehend handelten die Angeklagten und Björn Sch. nach den vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen in Bezug sowohl auf die Kutte von Dirk O. als auch dessen Messer ohne die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Zueignungsabsicht.
23
Zwar diente die Wegnahme der Kutte nach dem Tatplan "dem Ziel, diesem Outlaw im speziellen und den sich neuangesiedelten Outlaws im Allgemeinen gegenüber 'Präsenz zu zeigen' und ihnen klarzumachen, dass mit den in der Nähe angesiedelten Hells Angels stets zu rechnen ist". Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht konnte die Strafkammer jedoch nicht feststellen (UA 17: "Ein weiteres Interesse an der zu erlangenden Kutte, etwa als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum 'Angeben', war nicht feststellbar" ). Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, "dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten." (UA 79). Entsprechendes gilt für das Dirk O. abgenommene Messer, das der Angeklagte A. und Björn Sch. sofort nach der Entwaffnung ihres Opfers wegwarfen (UA 20, 55).
24
Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist - wie auch im Übrigen - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Nach der durch § 261 und § 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10; vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN). Denn der vom Gesetz verwendete "Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig dem objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Es ist also die für die Schuldfrage entscheidende , ihm allein übertragene Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht“ (so bereits BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10). Ist das Tatgericht – wie vorliegend – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage im Rahmen einer Bewertung der erhobenen Beweise im Einzelnen (UA 79 ff.) sowie in einer Gesamtschau (UA 82) zu der möglichen - hier sogar plausiblen - Schlussfolgerung gelangt, die erhobenen Beweise seien mangels nachgewiesener Zueignungsabsicht nicht geeignet, eine Verurteilung der Angeklagten wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge zu tragen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen – als möglicher Schluss des Tatgerichts in der Revisionsinstanz Bestand. Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit wird vom Schwurgericht nirgendwo überschritten (zu diesen Maßstäben: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10).
25
bb) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen aber auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (mit Todesfolge) nicht vor.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine (besonders schwere) räuberische Erpressung zwar auch derjenige begehen, der das Opfer mit Gewalt dazu zwingt, die Wegnahme einer Sache zu dulden (BGH, Urteil vom 30. August 1973 - 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 228 mwN), eine Verurteilung wegen Raubes aber daran scheitert, dass die dafür erforderliche Zueignungsabsicht nicht vorliegt bzw. nicht nachweisbar ist (BGH, Urteile vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388, 390 f.; vom 6. August 1991 - 1 StR 430/91, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 2; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103).
27
Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert jedoch die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9). Sie setzt nach dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen wirtschaftlichen Vermögensbegriff deshalb voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder den Dritten führen soll (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN; ähnlich: BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534), also eine Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens angestrebt wird (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN).
28
Als ein solcher Vermögenszuwachs kann auch die Erlangung des Besitzes an einer Sache bewertet werden und zwar selbst bei einem nur vorübergehenden Besitzwechsel (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.). Jedoch ist der bloße Besitz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt (BGH, Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 159/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 2), was regelmäßig lediglich dann zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter oder der Dritte nutzen will (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1 mwN; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rdn. 98; zum Besitz an einem Kraftfahrzeug: BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.; Beschluss vom 24. April 1990 - 5 StR 111/90, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 7; Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103; ähnlich für den Betrug: BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627).
29
Dagegen genügt - wie beim Raub - nicht, wenn der Täter zwar kurzzeitigen Besitz begründen will, die Sache aber unmittelbar nach der Erlangung vernichtet werden soll (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 mwN; Vogel in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 29; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 253 Rn. 17). Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; ähnlich BGH, Beschluss vom 19. August 1987 - 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1) und allein einen anderen als einen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1971 - 4 StR 397/71).
30
Auf dieser Grundlage fehlt es an einer Bereicherungsabsicht der Angeklagten bzw. des Björn Sch. in Bezug auf die Kutte des Dirk O. und dessen Messer. Denn das Landgericht vermochte - wie oben ausgeführt - nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten und das Messer sofort wegzuwerfen.
31
b) Da die Angeklagten sowie Björn Sch. weder einen Raub noch eine räuberische Erpressung beabsichtigt haben, kommt auch eine Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB nicht in Betracht.
32
c) Das Schwurgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten zu Recht nicht wegen Täterschaft oder Teilnahme an der vorsätzlichen Tötung des Dirk O. verurteilt.
33
aa) Einen Tötungsvorsatz der Angeklagten hat es rechtsfehlerfrei als nicht erwiesen erachtet.
34
(1) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN). Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN), mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373; ähnlich zum unerwünschten Erfolg bereits BGH, Urteil vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369). Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
35
Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN); sowohl das Wissens - als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 jeweils mwN). Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements ist es regelmäßig erforderlich, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267; Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZRR 2009, 372 jeweils mwN). Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jeweils mwN). Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 mwN).
36
(2) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Ab- grenzung des bedingten Tötungsvorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet. Ihre Bewertung, Tötungsvorsatz bei den Angeklagten sei nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf.
37
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts wussten die Angeklagten, "dass es zur Erlangung der symbolträchtigen Kutte zu einer möglicherweise auch harten körperlichen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Rocker" und "auch zum Einsatz von Waffen und Werkzeugen - wie etwa Schlaghölzern, Reizgas, Schlagstöcken, Motocrosshandschuhen und evtl. auch Messern - kommen könnte". Ihnen war "bewusst …, dass derartige Aktionen … ein hohes, unter Umständen auch tödliches, Gewaltpotential in sich tragen" und ihr Handeln "aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Gleichwohl vermochte sich das Landgericht - rechtsfehlerfrei - nicht davon zu überzeugen, dass das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes gegeben ist. Denn die Angeklagten vertrauten - wie das Schwurgericht ausführlich belegt - "im Hinblick auf ihre körperliche und auch zahlenmäßige Überlegenheit … darauf, dass ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde"; auch war ihnen aus unterschiedlichen Gründen ein tödlicher Ausgang unerwünscht.
38
bb) Der Generalbundesanwalt meint auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 (1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281 und Walter, NStZ 2008, 548), der Angeklagte A. sei Gehilfe des vorsätzlichen Tötungsdelikts, weil sich "durch das gemeinsame Ausziehen und Ansichnehmen der Kutte des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten … sein Vorsatz sukzessive auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters Sch. erstreckt" habe. Der Senat lässt offen, ob dem bei Vorliegen einer räuberischen Erpressung zu folgen wäre. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da weder der Angeklagte A. noch Björn Sch. den Tatbestand des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung (mit Todesfolge) verwirklicht haben. Kann bei mehreren nacheinander aktiv werdenden Tätern der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Allein eine nachträgliche Billigung der tödlichen Gewalt kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall eine strafbare Verantwortlichkeit des Angeklagten A. für die bereits abgeschlossene Tötungshandlung nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - 4 StR 526/84 mwN). Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt bejahte Beihilfe zum Mord und bezieht sich in gleicher Weise auf den Angeklagten S. .
39
d) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist den Angeklagten auch der zur Querschnittlähmung des Opfers führende (letzte) Messerstich des Björn Sch. nicht zuzurechnen.
40
Eine solche Zurechnung scheidet aus, wenn der unmittelbare Täter dem Opfer den weiteren Stich nicht mehr im Rahmen verabredeter Gewaltanwendung beibrachte, der Dritte die (weitere) Gewaltanwendung weder gebilligt noch zu ihr gefahrerhöhend beigetragen hat und er deren Folgen auch nicht dazu ausnutzen wollte, den Besitz von durch die Tat erlangten Vermögenswerten zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 259/09, NStZ 2010, 33, 34). So verhält es sich hier. Der Messerstich erfolgte nach der Wegnahme der Kutte, er entsprach nicht dem Tatplan, sondern wurde "ohne weitere Absprache" mit dem Angeklagten A. von Björn Sch. ausgeführt, um (nicht ausschließbar) "ganz sicher zu gehen, dass dieser [also Dirk O. ] versterbe" (UA 63).
41
e) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts haben sich die Angeklagten auch nicht der Täterschaft oder Teilnahme an einem versuchten vorsätzlichen Tötungsverbrechen durch Unterlassen schuldig gemacht.
42
Denn eine Handlungspflicht des Garanten für das Leben eines anderen entfällt, wenn die gebotenen Rettungsbemühungen sicher erfolglos geblieben wären (BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Weigend in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 63). Das ist nach den von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähig begründeten Feststellungen der Fall. Danach ging der Angeklagte A. - der objektiven Lage entsprechend (UA 78 f.) - nach der ersten Messerattacke des Björn Sch. davon aus, "dass der Outlaw durch die Messerstiche bereits tödlich verletzt sei" und selbst "bei sofort herbeigerufener Hilfe sterben" werde. Dasselbe hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten S. festgestellt.
43
Da es durch das Sichentfernen der Angeklagten nicht zu einer Steigerung der für Dirk O. bestehenden Gefahr kam, haben sich die Angeklagten auch nicht nach § 221 StGB strafbar gemacht (vgl. SSW-StGB/Momsen, § 221 Rn. 10, 11).
44
f) Nach den getroffenen Feststellungen hat das Schwurgericht die Angeklagten zu Recht auch nicht des (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB schuldig gesprochen.
45
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst § 315b StGB ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten eines Fahrzeugführers nur dann, wenn dieser das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren" und er dabei mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 82/10 mwN; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, § 315b StGB Rn. 18). Einen solchen, mit dem Eingriff in den Straßenverkehr verbundenen Schädigungsvorsatz vermochte das Landgericht jedoch nicht festzustellen. Es kam vielmehr - rechtsfehlerfrei - zu der Erkenntnis, dass der Angeklagte S. darauf vertraute, dass Dirk O. weder zu Fall kommt, noch auf den Pkw auffährt und dass eine solche Gefahr auch objektiv nicht bestand. Eine versuchte Anstiftung durch den Angeklagten A. (§ 30 Abs. 1, § 315b Abs. 1, 3, § 315 Abs. 3 StGB) liegt nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
46
g) Soweit eine Verurteilung der Angeklagten nach § 323c StGB in Betracht kam (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 323c Rn. 18), hat der Senat das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
47
h) Auch die Rechtsfolgenaussprüche weisen - abgesehen von der den Angeklagten A. betreffenden Entscheidung nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB - keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
48
aa) Dies gilt auch, soweit der Generalbundesanwalt und die revisionsführende Staatsanwaltschaft beim Angeklagten A. die Prüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vermissen.
49
Denn es fehlt nach der vom Senat gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB, § 354a StPO zu beachtenden, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 66 StGB an Vorstrafen, die die dort geforderten Voraussetzungen erfüllen (vgl. BT-Drucks. 17/3403 S. 50). Insbesondere die im Jahr 2005 erfolgte Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und anderem ist nicht mehr geeignet, die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
50
bb) Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung der in Portugal beim Angeklagten A. vollzogenen Auslieferungshaft, den das Landgericht mit 2:1 bestimmt hat.
51
Besondere Erschwernisse, die diesen Anrechnungsmaßstab rechtfertigen könnten, hat die Strafkammer - ersichtlich aufgrund des Schweigens des Angeklagten A. zur Person und zur Sache (UA 25) - nicht festgestellt. Im Hinblick darauf, dass in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - auch in Portugal (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 251/10) - grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1:1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst entsprechend bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2003 - 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3; vom 4. Juli 2007 - 1 StR 298/07; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2005 - 2 BvR 1593/03).

III.


52
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
53
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. ist unbegründet.
54
a) Seine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
55
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, grundsätzlich nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 Rn. 15 mwN). Handelt ein Mittäter aber mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz, ein anderer dagegen nur mit Verletzungsvorsatz, so ist letzterer - wenn er den tödlichen Ausgang für das Opfer vorhersehen konnte - zwar nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts , aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar (BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04, NStZ 2005, 93 m. Anm. Heinrich). Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, mithin auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausgeführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beigetragen hat, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei dem Mittäter das Wissenselement des Tötungsvorsatzes vorlag und dieser allein deshalb fehlte, weil es am Willenselement mangelte (vgl. auch BGH, Urteile vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261, 262; vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 mwN).
56
So verhält es sich hier. Beide Angeklagten rechneten - wie ausgeführt - mit Körperverletzungen unter Einsatz von Waffen und Werkzeugen, auch eines Messers, und billigten diese. Ihnen war ferner bewusst, dass "die Aktion aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Die damit gegebene Vorhersehbarkeit des Todes von Dirk O. reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente des § 227 StGB aus; einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN).
57
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten A. wegen mit der Körperverletzung mit Todesfolge und der Nötigung in Tateinheit stehenden Beteiligung an einer Schlägerei begegnet keinen Bedenken. Sie entspricht sowohl hinsichtlich der Bejahung des Tatbestandes des § 231 StGB als auch bezüglich der Konkurrenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 236/08; Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN)
58
c) Entsprechendes gilt für den Schuldspruch wegen Nötigung. Diese wird hinsichtlich des Ausbremsens vom Verteidiger des Angeklagten A. nicht in Frage gestellt. Sie liegt aber auch hinsichtlich der Wegnahme der Kutte vor, bezüglich derer der Einsatz des Messers von Anfang an vom Vorsatz des Angeklagten A. umfasst war (vgl. auch UA 79).
59
d) Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Schwurgerichts, bei der vom Angeklagten A. begangenen Nötigung handle es sich um einen (unbenannten) besonders schweren Fall im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB. Sie wird vom Tatgericht zutreffend auf das "besonders grobe" Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck gestützt.
60
e) Auch der Maßregelausspruch hält der Überprüfung stand. Zwar war der Angeklagte A. "nur" Beifahrer in dem vom Angeklagten S. gesteuerten Pkw. Indes hat der Angeklagte A. an der ihm zu Recht angelasteten Nötigung des Dirk O. durch das Ausbremsen nicht nur dadurch mitgewirkt, dass er den Angeklagten S. hierzu "verbal gedrängt" hat, sondern auch dadurch, dass er die "Weisung" für den Beginn des Überholmanövers gab. Dies rechtfertigt die Maßregel nach §§ 69, 69a StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2004 - 4 StR 585/03, NStZ 2004, 617; Tepperwien in Festschrift Nehm, 2006, S. 427, 430).
61
2. Die Revision des Angeklagten S. ist ebenfalls unbegründet.
62
a) Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge und zur Beteiligung an einer Schlägerei sowie wegen Nötigung ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei ist - wie ausgeführt - auch die Annahme von Tateinheit zwischen diesen Straftatbeständen.
63
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis ebenfalls der Überprüfung stand.
64
Zwar hat es das Schwurgericht unterlassen, beim Angeklagten S. trotz Vorliegens zweier vertypter Milderungsgründe (§ 27 Abs. 2, § 46b StGB) zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall der Körperverletzung mit Todesfolge vorliegt. Der Senat schließt aufgrund der Besonderheiten des Falles jedoch aus, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Denn es lag im Hinblick auf die vom Landgericht zutreffend dargelegten Strafschärfungsgründe (u.a. Bewährungsversagen ) fern, einen minder schweren Fall gemäß § 227 Abs. 2 StGB ohne "Verbrauch" mindestens eines der vertypten Milderungsgründe anzunehmen. Wäre aber der Strafrahmen des § 227 Abs. 2 StGB einmal nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert worden, so wäre - bei nur geringfügig niedrigerer Strafrahmenobergrenze - die Strafrahmenuntergrenze höher gewesen als nach der vom Schwurgericht vorgenommenen doppelten Minderung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB.
65
Die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung begegnet beim Angeklagten S. auch angesichts der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit dieser Bewertung in der Revision (vgl. Fischer aaO § 46 Rn. 85 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

IV.


66
Das nur geringfügige Obsiegen der Staatsanwaltschaft rechtfertigt keine Kostenteilung. Da mithin sowohl die Revisionen der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben bzw. entsprechend zu behandeln sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch diese Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO); eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn dieser allein erfolglos Revision eingelegt hat, nicht dagegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführe- rin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. aber BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 405/10). Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Zwar sind auch die Revision der Nebenkläger erfolglos geblieben, dies rechtfertigt es jedoch nicht, von einer Auslagenerstattung zu ihren Gunsten abzusehen (§ 473 Abs. 1 Satz 2 StPO; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 30. November 2005 - 2 StR 402/05).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 159/01 vom 17. August 2001 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 15. August 2001 in der Sitzung vom 17. August 200

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2008 - 3 StR 142/08

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 82/10

bei uns veröffentlicht am 16.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 82/10 vom 16. März 2010 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. März 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlo

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2008 - 4 StR 58/08

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Feb. 2000 - 2 StR 582/99

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. März 2000 - 2 StR 598/99

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 598/99 vom 3. März 2000 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 1. März 2000 in der Sitzung vom 3.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2003 - 5 StR 124/03

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5 StR 124/03 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 4. Juni 2003 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2003 beschlossen: Die

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2010 - 5 StR 405/10

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5 StR 405/10 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 9. Dezember 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember 2010, an der tei

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 5 StR 251/10

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2018 - 5 StR 577/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 577/18 vom 11. Dezember 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schweren Raubes u.a. hier: Revision des Angeklagten M. ECLI:DE:BGH:2018:111218B5STR577.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nac

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2020 - 4 StR 583/19

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Referenzen

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226) verursacht worden ist.

(2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne daß ihm dies vorzuwerfen ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/10
vom
15. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 3. auf dessen Antrag - und der Beschwerdeführer am 15. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. November 2009,
a) soweit es die Angeklagte N. betrifft, aa) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 2. bis II. 4. sowie II. 10., II. 11. und II. 14. der Urteilsgründe bb) sowie in den Aussprüchen über die in diesen Fällen und in dem Fall II. 13. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben,
b) soweit es den Angeklagten A. betrifft, aa) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 2. bis II. 4. sowie II. 6. und II. 10. der Urteilsgründe bb) sowie in den Aussprüchen über die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte N. wegen Untreue in acht Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung, Unterschlagung in vier Fällen, Betruges und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Angeklagte A. wurde wegen Untreue in sechs Fällen, Unterschlagung in zwei Fällen, Betruges und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Schuldsprüche wegen Unterschlagung in den Fällen II. 4., 10., 11. und 14. der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
4
a) Nach den Feststellungen zu den Tatkomplexen der Unterschlagung haben beide Angeklagte ihrem Arbeitnehmer J. auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die Lohnsteuerkarten für die Jahre 2004 und 2005 nicht ausgehändigt (Fall II. 4. der Urteilsgründe) bzw. hat die Angeklagte N. diverse Unterlagen, welche die Mandanten ihr zur Wahrnehmung von deren Interessen zur Verfügung gestellt hatten, diesen nicht wieder zurückgegeben (Fälle II. 11. und II. 14. der Urteilsgründe). Anlass für das Zurückhalten der Lohnsteuerkarten bzw. der Unterlagen war jeweils eine Verärgerung über das Verhalten des Angestellten bzw. der Mandanten. Zu dem Fall II. 10. der Urteilsgründe hat die Kammer festgestellt, dass die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bochum in einem gegen die Angeklagte N. geführten Verfahren, die dem Angeklagten A. als Verteidiger zur Akteneinsicht übersandt wurden, nicht mehr an die Behörde zurück gesandt wurden. Hierzu hatten sich die Angeklagten entschlossen, weil ihnen die unbeabsichtigte Versäumung der Rückgabefrist unangenehm war.
5
b) Die bisherigen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Unterschlagung in diesen Fällen nicht. Allein dem Unterlassen der Rückgabe lässt sich eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB nicht entnehmen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 – 3 StR 472/06 Rn. 2), insbesondere wenn dies geschieht, um den Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber zu ärgern (BGH, Urteil vom 10. Juli 1980 – 4 StR 323/80; Holtz, MDR 1982, 808, 810; Fischer, StGB, 57. Aufl. § 242 Rn. 36; SSW-StGB/Kudlich § 242 Rn. 48, jeweils m.w.N.).
6
Das Landgericht wird jedoch eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung , im Fall II. 10. zudem wegen Verwahrungsbruches und hinsichtlich des Angeklagten A. gegebenenfalls auch wegen versuchter Strafvereitelung zu prüfen haben.
7
Ergänzend weist der Senat für den Fall II. 10. der Urteilsgründe darauf hin, dass nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum eine Nachteilszufügungsabsicht im Sinne des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB zwar nicht durch die Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs begründet wird, da insoweit kein "anderer" benachteiligt wird (BGH, Beschluss vom 27. März 1990, BGHR StGB § 274 Nachteil 2; BayObLG, NZV 1999, 213, 214; NZV 1989, 81; OLG Düsseldorf, NZV 1989, 477; SSW-StGB/Wittig § 274 Rn. 21; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 274 Rn. 7; Cramer/Heine, in: Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 274 Rn. 16). Es sind aber ergänzende Feststellungen dahingehend möglich, dass dem Anzeigeerstatter im Ermittlungsverfahren 32 Js 547/07 durch die Angeklagten ein Nachteil zugefügt werden sollte. Der zu Benachteiligende braucht auch nicht Eigentümer der Urkunde bzw. mit dem Beweisführungsberechtigten identisch zu sein (Leipziger Kommentar /Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 274 Rn. 60; Fischer aaO § 274 Rn. 6; Wittig aaO § 274 Rn. 21, Cramer/Heine aaO § 274 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Das Landgericht wird auch eine Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs zu erwägen haben. Die zweite Alternative des § 133 Abs. 1 StGB erfasst Gegenstände, die dem Täter oder einem Dritten aufgrund dienstlicher Anordnung in Verwahrung gegeben worden sind. In dienstlicher Verwahrung befinden sich hiernach die dem Verteidiger nach § 147 StPO übergebenen Verfahrensakten (SSWStGB /Jeßberger § 133 Rn. 7; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 133 Rn. 10). Für den Angeklagten A. kommt gegebenenfalls bei Vorliegen eines Vereitelungsansatzes eine Strafbarkeit wegen versuchter Strafvereitelung in Betracht (vgl. Beulke/Ruhmannseder, Die Strafbarkeit des Verteidigers, 2. Aufl., Rn. 103 m.w.N.).
8
2. Die Verurteilung wegen Untreue im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen nicht das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht. Nach § 2 Abs. 7 des fünften Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. März 1994 (BGBl. I S. 406) sind vermögenswirksame Leistungen arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohns oder Gehalts. Die Pflicht des Arbeitgebers, für seine Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen zu entrichten, ist lediglich eine dem Arbeitsverhältnis entspringende Nebenpflicht und bildet nicht den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1954 – 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 318 hinsichtlich der Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Teil des Lohnes zum Kleben so genannter "Urlaubsmarken" zu verwenden; OLG Braunschweig, NJW 1976, 1903 f.). Auch enthält die aus dem Arbeitsvertrag entspringende Pflicht zur ordnungsgemäßen Lohnzahlung nicht schon von sich aus die Verpflichtung, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen (BGH aaO).
9
Die bisherigen Feststellungen legen vielmehr eine Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 3 StGB nahe, wobei für jeden Fälligkeitszeitpunkt eine Tat vorliegen würde (OLG Frankfurt/Main, wistra 2003, 236, 237; NStZ-RR 1999, 104; OLG Celle, NStZRR 1997, 324; Fischer aaO § 266a Rn. 36).
10
3. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe ist das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB ausgegangen. Bei Nichtentrichten der Beiträge an mehreren Fälligkeitsterminen liegt Tatmehrheit vor (OLG Frankfurt/Main, wistra 2003, 236, 237; NStZ-RR 1999, 104; OLG Celle, NStZ-RR 1997, 324; Fischer aaO § 266a Rn. 36). Auch lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, ob lediglich Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 266a Abs. 1 StGB oder auch Arbeitgeberanteile von Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB vorenthalten wurden.
11
4. Die getroffenen Feststellungen zu Fall II. 6. der Urteilsgründe tragen eine Verurteilung des Angeklagten A. wegen Untreue nicht. Die bisherigen Feststellungen belegen nur eine Vertretung der Geschädigten durch die Angeklagte N. . Ergänzende Feststellungen erscheinen jedoch möglich. Sollte der neue Tatrichter eine Beauftragung beider Angeklagter nicht feststellen, weist der Senat darauf hin, dass für den Angeklagten A. auch eine Beihilfe zur Untreue der Angeklagten N. in Betracht kommt.
12
5. Hinsichtlich des Falles II. 13. der Urteilsgründe hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten N. ergeben. Das Rechtsmittel führt jedoch insoweit zur Aufhebung des Strafausspruchs. Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB lediglich gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Es hat zum einen nicht bedacht, dass das Vorliegen eines vertypten Strafmilderungsgrundes bereits für sich allein oder zusammen mit den festgestellten sonstigen Milderungsgründen einen minder schweren Fall begründen kann (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2005 – 4 StR 173/05; Fischer aaO § 50 Rn. 4 m.w.N.). Zum anderen hat das Landgericht die Vorschriften der §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht im Blick gehabt. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs; einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es insofern jedoch nicht. Der Senat kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte.
13
6. In Bezug auf das weitere Revisionsvorbringen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 13. April 2010.
14
7. Mit den Aufhebungen in den genannten Fällen entfallen auch die insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.
15
Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) lediglich auf Art und Höhe der Rechtsfolgen, nicht aber auf eine Veränderung und Verschärfung des Schuldspruchs bezieht (st. Rspr.; vgl. KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 358 Rn. 18; KKPaul , StPO, 6. Aufl., § 331 Rn. 2; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 358 Rn. 11, § 331 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Der neue Tatrichter wäre daher nicht daran gehindert , den Schuldspruch in den Fällen II. 2. und 3. dahingehend zu ändern, dass die Angeklagten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 26 Fällen schuldig sind. In diesem Fall würde das Verschlechterungsverbot aber dazu führen, dass die Summe der Einzelstrafen, die dann jeweils zu verhängen wären, die in dem betreffenden Fall bisher verhängte Einzelstrafe nicht überschreiten darf (BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09 Rn. 14; vom 25. Oktober 2001 - 3 StR 314/01; vom 16. September 1986 – 4 StR 479/86, BGHR StPO § 331 Abs. 1 Einzelstrafe, fehlende 1).
16
Im Hinblick auf die neu festzusetzenden Einzelstrafen weist der Senat ferner darauf hin, dass entgegen der Annahme des Landgerichts eine Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht kommt, weil es den Angeklagten bei ihren Bemühungen um Schadenswiedergutmachung ersichtlich nicht um den Ausgleich immaterieller Folgen ging (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205; vgl. auch Fischer aaO § 46a Rn. 10 m.w.N.). Eine Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB setzt neben einem vollständigen oder überwiegenden Schadensausgleich voraus, dass die Leistung Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist. Das versteht sich bei den zum Teil erst nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen geleisteten Zahlungen oder bei am letzten Hauptverhandlungstag dem Verteidiger zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellten Geldbeträgen nicht von selbst.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Mutzbauer Bender

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

5 StR 319/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin H.
alsVerteidigerin,
Rechtsanwältin S.
alsNebenklägervertreterin,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Februar 2010 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , am 3. Juni 2009 unter Einsatz eines Messers die Nebenklägerin in deren Wohnung verbracht, vergewaltigt, körperlich misshandelt und der Freiheit beraubt sowie sie anschließend unter Einsatz des Messers beraubt zu haben. Die gegen den Freispruch gerichtete, lediglich mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 1994 wegen Ermordung einer Frau – nach deren Fesselung und Knebelung – zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilte „übergewichtige und äußerlich auch sonst wenig attraktive Angeklagte“ (UA S. 5) lernte im Juni/Juli 2008 die Nebenklägerin an deren Arbeitsstelle, einem Geschäft für Reisebedarf an einer U-Bahn-Station, kennen. Im Laufe der Zeit entstand ein enger Kontakt mit intensiven Gesprächen und häufigerem Austausch elektronischer Kurzmitteilungen. Die Nebenklägerin sandte dem Angeklagten am 21. Oktober 2008 ein Bild mit nackten Brüsten mit dem beigefügten Text: „Viel Spaß damit, liebe Grüße Deine Doro.“ Der Angeklagte kaufte auf seinen Namen für die – SCHUFA-belastete – Nebenklägerin eine Waschmaschine. Anfang März 2009 besuchte er sie zu Hause. Darüber war sie ungehalten; sie forderte ihn auf, gegenüber ihren Arbeitskolleginnen deutlich zu machen, dass es keine engen Kontakte zwischen ihnen gebe. Diese Forderung fixierte sie schriftlich auf einem Zettel, den sie dem Angeklagten übergab. Der persönliche Kontakt und der Austausch elektronischer Kurznachrichten wurden fortgesetzt. Am 22. April 2009 schenkte der Angeklagte der Nebenklägerin ein Mobiltelefon im Wert von ca. 140 €.
4
Die Nebenklägerin unterhielt seit April 2009 mit dem Zeugen K. eine Beziehung. Dieser klingelte am Nachmittag des 3. Juni 2009 mehrfach ergebnislos an der Tür des Wohnhauses der Nebenklägerin.
5
b) Die nach übereinstimmenden Bekundungen des Angeklagten und der Nebenklägerin gemeinsam in deren Wohnung zugebrachte Zeit zwischen 14.00 Uhr und 2.45 Uhr des Folgetages hatten beide in der Hauptverhandlung sich widersprechend geschildert.
6
aa) Der Angeklagte hat ausgeführt, dass beide nach Verzehr eines gelieferten Essens geschlafen hätten, er dann ein Bad genommen und gegen 19.00 Uhr die nackt auf dem Bett liegende Nebenklägerin – objektiv ohne erkennbare Fesselungsspuren – fotografiert habe. Nach einer weiteren Zeit des Schlafens habe er im Wohnzimmer auf dem Mobiltelefon der Nebenklägerin gespeicherte Nachrichten gefunden, aus denen sich ergeben habe, dass zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen K. eine feste Beziehung bestehe. Er habe die Nebenklägerin zur Rede gestellt, die aber eine Beziehung zu dem Zeugen K. nicht zugegeben habe. Er habe es abgelehnt , der Aufforderung der Nebenklägerin entsprechend in ihr Schlafzimmer zu kommen, wo sie ihm hätte beweisen wollen, wie sehr sie ihn liebe. Zu keinem Zeitpunkt sei es zu sexuellen Handlungen gekommen. Er habe ihr aus Enttäuschung private und berufliche Schwierigkeiten angedroht, falls sie ihm nicht innerhalb von zehn Tagen das Geld für die Waschmaschine und das Mobiltelefon zahlen würde.
7
bb) Die Nebenklägerin hat angegeben, der Angeklagte habe sie bereits unter Vorhalt eines Messers gezwungen, ihn im Auto zu ihrer Wohnung zu fahren; dort habe er ihr sofort nach Betreten der Wohnung die Hände mit einer Gazebinde auf dem Rücken zusammengebunden und ihr mit einem Geschirrtuch aus der Küche die Augen verbunden. Er habe sie trotz der Fesselung ausgezogen. Nach einem abgenötigten Zungenkuss habe sie ihn oral befriedigen müssen. Er habe auch an ihrer Scheide geleckt. Sie habe dem Pizzaboten – nach dessen Klingeln an der Haustür – auf Geheiß des Angeklagten bekleidet geöffnet und sich diesem aus Angst nicht offenbart. Nach erneutem Ausziehen und erneuter Fesselung habe sie das Essen abgelehnt. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte vergeblich versucht, vaginal in sie einzudringen. Dann habe er dies mit Fingern und einem Dildo getan, den sie dann auch selbst habe benutzen müssen. Als K. geklingelt habe, habe der Angeklagte ihr das Messer drohend an den Hals gehalten. Sie habe immer wieder Jägermeister trinken müssen, den er ihr eingeflößt habe. Toilettengänge habe er ihr versagt. Er habe ihr einen Eimer hingestellt, in den sie sich erbrochen und uriniert habe; er müsse diesen Eimer in seiner Reisetasche mitgebracht haben. Nachdem es ihr gelungen sei, die Fesselung zu lösen und die Augenbinde nach oben zu schieben, habe sie gesehen, wie der nackte Angeklagte Schränke und Schubladen im Wohnzimmer durchsucht habe. Nach einem Fluchtversuch habe er sie gegen den Kopf geschlagen und sie sei zu Boden gegangen. Er habe sie erneut gefesselt und ihre Augen verbunden, sie wieder zum Bett gebracht und sich weiter unter Halten des Messers an ihren Hals an ihr vergangen. Sie sei dann eingeschlafen.
8
c) Die Nebenklägerin versuchte um 4.08 Uhr und 8.05 Uhr mit ihrem Freund K. in Kontakt zu treten. Nachdem sie ihn um 8.22 Uhr um einen sofortigen Anruf gebeten hatte, weil etwas ganz Schlimmes passiert sei, teilte sie ihm auf dessen Anruf um 9.30 Uhr weinend mit, dass sie vergewaltigt worden sei. Nach intensivem Zureden durch K. erklärte sich die Nebenklägerin gegen 14.00 Uhr mit einer Verständigung der Polizei einverstanden. An den in der Wohnung der Nebenklägerin auf dem Bettlaken und dem Bettbezug gesicherten Spermaspuren wurde die DNA des Angeklagten ausgeschlossen.
9
Nach dem Geschehen begab sich die Nebenklägerin in psychiatrische Behandlung bei dem als sachverständigen Zeugen vernommenen Kr. , der eine posttraumatische Belastungsstörung ohne Tendenzen für eine Vorspiegelung oder Simulation festgestellt habe. Wegen einer von Gewaltausübung zum Nachteil der Nebenklägerin geprägten früheren Beziehung hat das Landgericht nicht feststellen können, ob das Geschehen vom 3. und 4. Juni 2009 Ursache für die Störung der Nebenklägerin gewesen ist.
10
Der sachverständige Zeuge A. hat keine gynäkologisch relevanten Verletzungen festgestellt, die von der Nebenklägerin am 4. Juni 2009 in ihrer polizeilichen Vernehmung geschilderte Blutungen im Intimbereich hätten belegen können. Auch der von der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung berichtete massive Schlag in das Gesicht durch den Angeklagten konnte medizinisch nicht verifiziert werden; eine dezente Rötung am linken Handgelenk könnte von einer Fesselung oder vom Tragen eines Schmuckstücks oder einer Uhr herrühren.
11
d) Das Landgericht hat bei der Qualitätsanalyse der Aussagen der Nebenklägerin erhebliche Mängel hinsichtlich des Rand- und Kerngeschehens festgestellt:
12
Von der Revision nicht beanstandet hat das Landgericht dargelegt, dass die Nebenklägerin hinsichtlich der Intensität ihrer Beziehung zum Angeklagten vor dem 3. Juni 2009 und zur Schenkung des Mobiltelefons in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung unwahre Angaben gemacht habe, ohne hierfür in der Hauptverhandlung eine plausible Erklärung abgeben zu können. Unwahre Angaben der Nebenklägerin hat das Landgericht auch zu den Umständen der Übergabe des von ihr geschriebenen und dem Angeklagten übergebenen Zettels mit an den Angeklagten gerichteten Verhaltensanweisungen festgestellt.
13
Auf Vorhalte unterschiedlicher Aussagen hinsichtlich des Zusammentreffens mit einer Nachbarin und der – vom Landgericht als wenig nachvollziehbar bewerteten – Essensbestellung in Unterbrechung sexuell motivierter Gewalthandlungen habe sich die Nebenklägerin auf nicht weiter erklärte Erinnerungsverluste bezogen. Dies sei auch hinsichtlich der in mehreren Vernehmungen unterschiedlich geschilderten Situation geschehen, bei der die Nebenklägerin gefesselt gewesen sei, ferner zu dem Messereinsatz des Angeklagten und dem von ihr geschilderten Fluchtversuch.
14
Hinsichtlich unterschiedlicher Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen , nämlich der Art und Reihenfolge der abgenötigten und erduldeten Sexualhandlungen, hat es das Landgericht als nicht nachvollziehbar gewertet , dass die Nebenklägerin in einer späteren Vernehmung die versuchte vaginale Penetration als – weil ihren Freund möglicherweise belastend – besonders bedeutsam, in ihrer Erstvernehmung und bei der Befragung durch den Arzt aber als nicht erwähnenswert betrachtet habe. Die Angabe der Nebenklägerin , sie sei von dem Arzt nicht nach der Vornahme des Oralverkehrs befragt worden, hat das Landgericht durch die Aussage des sachverständigen Zeugen A. als widerlegt angesehen.
15
Das Landgericht hat diese Qualitätsmängel in der Aussage der Nebenklägerin als Ungereimtheiten, Widersprüche und Falschaussagen bewer- tet und sich nicht in der Lage gesehen, eine Verurteilung auf die Aussage der Nebenklägerin zu gründen, die auch nicht durch äußere Umstände gestützt worden sei.
16
2. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung stand.
17
a) Das Landgericht hat den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Umfang der Darlegungspflicht entscheidungsrelevanter Umstände nicht missachtet (vgl. BGHSt 52, 314, 315; BGH NStZ 2010, 529).
18
Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch hinsichtlich der Persönlichkeit und des Werdegangs des Angeklagten, einschließlich seiner Verurteilung wegen Mordes im Jahre 1994 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren nebst den hierzu festgestellten Begleitumständen. Der Senat entnimmt den wertenden Betrachtungen des Landgerichts UA S. 16 f., 28, in die es den Angaben der Nebenklägerin widersprechende objektive Beweisanzeichen ersichtlich einbezogen hat, dass auf die Angaben der Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten schlechterdings nicht gestützt werden könne. Bei einem schon hierdurch unaufklärbaren Tatgeschehen hätten die von der Revision vermissten Darlegungen keine maßgebliche Stärkung von Belastungsindizien begründen können. Daher liegt keine sachlichrechtlich relevante Erörterungslücke zugunsten des Angeklagten vor.
19
b) Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts den sachlichrechtlichen Anforderungen stand (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
20
aa) Soweit dem Revisionsvortrag zu entnehmen ist, die posttraumatische Belastungsstörung der Nebenklägerin sei insofern lückenhaft erörtert worden, als diese nicht als Ursache für die Qualitätsmängel der Aussage der Nebenklägerin herangezogen worden sei, wird keine relevante Lücke dargelegt. Mangels wissenschaftlicher Anerkennung der Forderungen der psycho- logischen Traumatologie im Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsbeurteilung (vgl. Steller in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer 2002, S. 69, 70) kann die Beweiswürdigung des Landgerichts nämlich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nicht übergangen haben. Das Landgericht hat zudem wesentliche Mängel schon in den Widersprüchlichkeiten der Aussagen unmittelbar nach der Tat, die nach dem Revisionsvortrag von der Traumatisierung unbeeinflusst geblieben wären, festgestellt und auf mit keinem Trauma in Zusammenhang stehende bewusst unwahr geschilderte Umstände abgestellt.
21
bb) Die Bewertung der Aussagequalität der Nebenklägerin ist auch in anderer Hinsicht beanstandungsfrei.
22
Dem Senat ist es – im Gegensatz zur Auffassung des Generalbundesanwalts – verwehrt, den vom Landgericht hergestellten Zusammenhang von bewusst unwahrer Aussage im Randbereich und Qualitätsmängeln im Kernbereich der Aussage der Nebenklägerin in Frage zu stellen. Diesen Zusammenhang zu bewerten, gehört zum Kern tatrichterlicher Beweiswürdigung. Nach der durch §§ 261 und 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kann es nicht darauf ankommen, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte (vgl. BGHSt 10, 208, 211; 29, 18, 20). Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung lebensfremd erscheinen mag (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Falls das Tatgericht – wie hier – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage zu der nachvollziehbaren und plausiblen Schlussfolgerung gelangt ist, die Zeugenaussage sei nicht geeignet, eine Verurteilung eines Angeklagten zu begründen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512) – als möglicher Schluss des Tatgerichts (vgl. BGHSt 10, 208, 210 f.; 29, 18, 20; 36, 1, 14) in der Revisionsinstanz Bestand (vgl. BGH NStZ 2005, 334). Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit (vgl. BGHSt 10, 208, 211) wird vom Landgericht nirgendwo überschritten.
Basdorf Brause Schaal
Schneider König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 285/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Oktober 2009 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revisionen der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, seine damalige Lebensgefährtin während einer Auseinandersetzung aus Eifersucht durch Schläge auf den Gesichtsbereich körperlich so schwer misshandelt zu haben, dass diese nach hinten mit dem Kopf auf ein Möbelstück oder auf den Boden fiel und wenige Tage später an den Folgen des dabei erlittenen beidseitigen subduralen Hämatoms verstarb. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Freispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Auch die Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts; sie erheben ferner Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Nach einem überwiegend gemeinsam mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der später verstorbenen Petra K. , verbrachten Wochenende , in dessen Verlauf es auch zur Teilnahme an verschiedenen Feierlichkeiten gekommen war, wurde der inzwischen stark alkoholisierte Zeuge J. in den Abendstunden des 24. Juni 2007 von der Geschädigten mit dem Pkw nach Hause gefahren. Da diese länger als vom Angeklagten erwartet wegblieb , versuchte er, sie beim Zeugen J. telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Zeuge das Gespräch nicht annahm. Nach ihrer verspäteten Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nahm die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, zunächst eine Dusche. Das Landgericht hält es für möglich, dass sie während des Duschens auf dem nassen Untergrund der Duschbadewanne ausrutschte. Jedenfalls hörte der Angeklagte vom Schlafzimmer aus, wie die Geschädigte im Badezimmer „Aua“ oder „Scheiße“ rief. Nach Verlassen des Badezimmers teilte die Geschädigte dem Angeklagten mit, es sei „etwas passiert“, was der Angeklagte , ohne einer weiteren Erklärung zu bedürfen, dahin verstand, die Geschädigte habe ihn während ihres Aufenthaltes in der Wohnung des Zeugen J. mit diesem betrogen. In drei kurz aufeinander folgenden, seitens des Angeklagten äußerst erregt geführten Telefonaten mit dem Zeugen J. räumte dieser den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten letztlich ein. Die Geschädigte ihrerseits suchte nunmehr eine Aussprache mit dem Angeklagten und hielt ihn deshalb auf dem Weg ins Schlafzimmer im Flur fest. Der Angeklagte machte eine abschüttelnde Handbewegung mit dem rechten Arm, da er nicht reden, sondern allein sein wollte. Die Geschädigte erklärte daraufhin, ihr werde schlecht, was der Angeklagte mit der Bemerkung „Mir auch“ beantwortete. Daraufhin fiel die Geschädigte rückwärts um und krampfte; sie war nicht ansprechbar und verdrehte die Augen. Der Angeklagte begab sich zu dem mit ihm befreundeten Nachbarn, dem Zeugen P. , der den Rettungswagen und den Notarzt alarmierte. Die Geschädigte verstarb am 27. Juni 2007 im Krankenhaus.
4
2. Den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte die zum Tode führenden Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich bei einem Sturz mit Anprall auf das Hinterhaupt erlitt. Es hat sich jedoch letztlich nicht davon überzeugen können , dass ein Handeln des Angeklagten, etwa ein Faustschlag auf die Kopfregion der Geschädigten, zu diesem Sturz führte. Trotz starker Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte die Verletzungen während ihres Aufenthaltes bei dem Zeugen J. , später auf dem Heimweg oder nach Rückkehr in die Wohnung bei einem Sturz im Badezimmer während des Duschens ohne Fremdeinwirkung zugezogen habe. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten nach deren Rückkehr vom Zeugen J. habe nicht stattgefunden. Soweit am Körper der Geschädigten weitere, nur durch Fremdeinwirkung erklärbare Verletzungen im Gesichtsbereich festgestellt worden seien (Bluterguss an der rechten Wange, Hautrötung am Mundboden), sei eine zeitliche Verknüpfung mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel-Hirnbereich nicht möglich. Die anderen festgestellten Verletzungen könnten auch durch einen Sturz und außerdem zeitlich deutlich vor der todesursächlichen Verletzung im Schädel-Hirnbereich entstanden sein.

II.


5
Die von den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Juli 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

III.


6
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe lie- gende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
8
2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.
9
a) Vor dem Hintergrund der bestreitenden Angaben des Angeklagten sowie der Aussage des Zeugen J. und mangels unmittelbarer Tatzeugen hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung folgerichtig zunächst die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zu dem für eine Verletzungshandlung in Betracht kommenden Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt. Dass die Strafkammer auf der Grundlage der in den Urteilsgründen eingehend wiedergegebenen Darlegungen dreier erfahrener medizinischer Sachverständiger angenommen hat, das neuropathologische Verletzungsbild lasse den Schluss auf ein Schlag-Sturz-Geschehen bzw. ein Stoß-Sturz-Geschehen unter Fremdeinwirkung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu, stellt eine mögliche und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmende Schlussfolgerung dar. Die Angriffe der Beschwerdeführer dagegen verkennen, dass alle drei Sachverständigen ein Unfallgeschehen für nicht ausschließbar gehalten haben. Das Landgericht hat ferner rechtsfehlerfrei in diese Erwägungen einbezogen, dass die Sachverständigen auf Grund der erhobenen Befunde und nach medizinischer Erfahrung, wenngleich unter Angabe unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsgrade , eine ein- bis zweistündige Handlungsfähigkeit der Geschädigten nach der todesursächlichen Einwirkung auf ihre Schädel-Hirn-Region nicht auszuschließen vermochten. Danach durfte die Strafkammer aus Rechtsgründen begründete Zweifel an einem Tatgeschehen in der Wohnung nach Rückkehr der Geschädigten unter Mitwirkung des Angeklagten haben. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung meint, das in den Urteilsgründen dargelegte Verletzungsbild lege es bei zusammenfassender Würdigung nahe, von einem einheitlichen, durch den Angeklagten verursachten Verletzungsbild auszugehen, ersetzt sie die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Indiztatsachen durch eine eigene. Einen Rechtsfehler vermag sie damit nicht aufzuzeigen ; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen, wie die Beschwerdeführer hier im Einzelnen darlegen. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Auch die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, die sich an die Bewertung der bei der Geschädigten diagnostizierten axonalen Zerreißungen von Nervenfortsätzen im Gehirn für die Frage eines sofortigen Eintritts von Bewusstlosigkeit knüpft, geht fehl. Abgesehen davon, dass der in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. zunächst aufgetretene Widerspruch ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte, hat das Landgericht den Umstand, dass sich allein aus dem Vorhandensein derartiger Zerreißungen keine sicheren Schlüsse auf eine sofortige Bewusstlosigkeit zie- hen lassen, rechtsfehlerfrei in die zusammenfassende Bewertung weiterer erheblicher Indiztatsachen einbezogen.
10
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat das Landgericht die Bekundungen der Sachverständigen hinsichtlich der nicht todesursächlichen Verletzungen zu den Ausführungen hinsichtlich der tödlichen Schädel-HirnVerletzung ausreichend in Beziehung gesetzt und auch insoweit die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht überspannt. Es hat auch die diesbezüglichen Gutachtenergebnisse in den Urteilsgründen ausführlich mitgeteilt und – als Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten – nicht verkannt, dass als Ursache der Verletzungen im Wangen- bzw. Mundbereich schlüssig nur ein Stoß- oder Schlaggeschehen in Frage kam. Andererseits vermochten die Sachverständigen Dr. Pf. und Dr. Z. übereinstimmend eine zeitliche Verknüpfung zwischen der todesverursachenden Verletzung und derjenigen im Wangen- bzw. Mundbodenbereich gerade nicht herzustellen; vielmehr war eine deutliche zeitliche Zäsur nicht auszuschließen.
11
c) Bei der Würdigung der bestreitenden Angaben des Angeklagten, die in den Urteilsgründen eingehend mitgeteilt werden, hat sich die Strafkammer ersichtlich von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab leiten lassen und diese ihren Feststellungen nicht vorschnell als unwiderlegbar zu Grunde gelegt. Sie hat vielmehr die – im Wesentlichen konstanten – Angaben, die der Angeklagte im Anschluss an den Abtransport der Geschädigten ins Krankenhaus Dritten gegenüber gemacht hat, durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen ermittelt und ebenfalls ausführlich dargelegt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten seien die Erwägungen im Urteil widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft, greift zu kurz. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, es sei nach Rückkehr der Geschädigten zu keinerlei Streit zwischen ihnen gekommen, mangels unmittelbar anwesender Zeugen nicht zu widerlegen vermochte. Soweit es eine mögliche körperliche Auseinandersetzung betrifft, erweist sich diese Erwägung als tragfähig. Soweit der Zeuge P. bekundet hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, die Geschädigte habe ihn getreten, kommt die Strafkammer zu dem möglichen Schluss, es habe sich um ein Treten im Zusammenhang mit dem Krampfanfall der Geschädigten gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat ferner, dass das Landgericht aus einer auch von ihm als naheliegend in Betracht gezogenen verbalen Auseinandersetzung nach dem Eingeständnis der "Untreue" weiter gehende, für den Angeklagten nachteilige Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund des übrigen Beweisergebnisses nicht ziehen wollte.
12
Ferner hat die Strafkammer das nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfreie Aussageverhalten des Zeugen J. nachgezeichnet und auch dessen Motivlage vor dem Hintergrund eines nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren beginnenden Liebesverhältnisses zwischen ihm und der Geschädigten erwogen. Dass die Strafkammer den Angaben dieses Zeugen in wesentlichen Teilen nicht gefolgt ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
d) Schließlich fehlt es auch nicht an einer zusammenfassenden Bewertung des Beweisergebnisses und der Indizien unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung. Die dem Landgericht verbliebenen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten sind jedenfalls nachvollziehbar und nicht nur abstrakttheoretisch. Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer weitere Beweisanzeichen zusätzlich, weiter gehend oder noch detailierter hätte erörtern können. Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht er- schöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – 2 StR 35/10).
14
3. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146; Urteil vom 30. November 2005 – 2 StR 402/05, NStZ-RR 2006, 128; vgl. aber BGH, Urteil vom 16. September 2010 – 3 StR 280/10).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer
5 StR 297/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Richterin am Amtsgericht
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte B. und S.
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt K.
alsVerteidigerdes Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt Ö.
alsVertreterderNebenkläger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Februar 2010 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Schwurgericht hat den Angeklagten A. wegen dreier Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn ferner vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, soweit ihm zur Last liegt, am 5. März 2007 Öz. nach einem Streit durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet zu haben, um einen Konkurrenten im Streckmittelhandel aus dem Wege zu räumen. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Vaters sowie der Tochter des Getöteten, die sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen haben. Die Staatsanwaltschaft beanstandet ferner, dass der Angeklagte A. von dem weiteren Vorwurf freigesprochen worden ist, im Anschluss an das Tötungsverbrechen den Angeklagten M. genötigt zu haben, im Keller seines Getränkeladens die Leiche des Öz. zu vergraben.
2
Das Schwurgericht hat den Angeklagten M. wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladewaffe – der Tatwaffe – zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Hinsichtlich dieses Angeklagten beanstandet die Revision der Staatsanwaltschaft, dass keine weitergehende tateinheitliche Verurteilung wegen Strafvereitelung erfolgt ist.
3
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger bleiben ohne Erfolg.
4
1. Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte A. verdiente seinen Lebensunterhalt als Streckmittel - und Rauschgifthändler in Berlin. Der Angeklagte M. betrieb dort seit 2004 mehrere Getränkeläden. Ihn verband eine Freundschaft mit Öz. , der im Frühjahr 2006 das Streckmittelgeschäft von A. übernommen hatte.
6
A. verlangte einige Monate später das Geschäft von Öz. zurück. Unter Vermittlung des Angeklagten M. , der beträchtliche Erlöse aus dem Streckmittelgeschäft bis März 2007 im Keller seines Getränkeladens aufbewahrte , kam es im Herbst 2006 zu einer vorläufigen Lösung des Konfliktes: Öz. durfte weiter mit Streckmitteln handeln, musste die Gewinne jedoch mit A. teilen. Spätestens im Februar 2007 verlangte A. allerdings die vollständige Übergabe des Geschäftes und den Rückzug des Öz. aus dem Streckmittelhandel.
7
Öz. hatte in den Tagen vor dem 5. März 2007 beschlossen, seine geschäftlichen Angelegenheiten in Deutschland zu klären und anschließend in die Türkei zu fahren, um ihm dort zustehendes Geld aus einem gescheiterten Drogengeschäft einzufordern, an dem sich nicht ausschließbar auch der Angeklagte M. beteiligt hatte (UA S. 9). Zur Klärung des Streites mit A. wollte er sich zeitnah mit diesem treffen.
8
„ Öz. wurde in den Abendstunden des 5. März 2007 im Getränkeladen des Angeklagten M. durch einen gezielten Schuss in den Hinterkopf aus einer halbautomatischen Selbstladewaffe Kaliber 7,65 mm Browning getötet. Der Angeklagte M. verbrachte die Leiche noch am selben Abend in den Keller des Getränkeladens. Er verbreiterte und vertiefte das Loch, in welchem er zuvor die Geldbeträge für A. und Öz. aufbewahrt hatte, rollte die Leiche hinein und bedeckte sie mit Sand. Die Tatwaffe versteckte er im Keller. Drei Tage später vergrub er – an anderer Stelle – auch die Waffe im Keller und überzog den Kellerboden dort, wo er Leiche und Waffe vergraben hatte, mit einer dünnen Betonschicht“ (UA S. 10).
9
b) Ein Cousin des Getöteten erstattete im Mai 2007 eine Vermisstenanzeige. M. wurde als Zeuge vernommen. Er bekundete – wie gegenüber dem Anzeigeerstatter und einem Freund des Getöteten –, über den Verbleib von Öz. nichts zu wissen. Im Februar 2009 gewann der Vater des Getöteten aus einem Gespräch mit dem Angeklagten M. die Überzeugung, dass sein Sohn entweder von A. oder von M. getötet worden sei. Er wandte sich an die Polizei. Die Mordkommission vernahm den Angeklagten M. am 14. Februar 2009 zunächst als Zeugen. Zu einem weiteren Vernehmungstermin am 19. Februar 2009 erschien M. in Begleitung seines Verteidigers. Aufgrund seines auffälligen Aussageverhaltens wurde er als Mordgehilfe erfasst. Während einer weiteren Beschuldigtenvernehmung am 21. Februar 2009 wurde der Getränkeladen mit Leichenspürhunden durchsucht, was M. mitgeteilt worden war. Dieser gestand nun, die Leiche und die Waffe vergraben zu haben, und belastete A. unter Angabe weiterer Einzelheiten in zwei nachfolgenden Vernehmungen als Täter. Diese Angaben hat die Staatsanwaltschaft zur Grundlage der Mordanklage gegen A. genommen, die vom Schwurgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden ist.
10
c) Der Angeklagte A. hat in der Hauptverhandlung geschwiegen. Der Angeklagte M. hat über eine durch seinen Verteidiger verlesene Erklärung ausgeführt, dass der Inhalt seiner polizeilichen Vernehmungen zutreffend sei. Am letzten Verhandlungstag hat er über seinen Verteidiger erklärt, er scheue die Beantwortung von Fragen nicht, soweit es nur um seine Person ginge; er habe sich dennoch entschieden, weiterhin keine Fragen zu beantworten, weil Unschuldige und unbeteiligte Dritte zu Schaden kommen könnten, wenn er spreche (UA S. 5).
11
d) Das Landgericht hat in Anwendung des Zweifelssatzes zugunsten des Angeklagten A. angenommen, dass M. der Täter gewesen sei, und zugunsten des Angeklagten M. , dass A. der Schütze gewesen sei, der zudem M. zur Beseitigung der Leiche und der Waffe genötigt habe (UA S. 11).
12
e) Die Schwurgerichtskammer hat in ihrer Beweiswürdigung mehrere den Angeklagten A. belastende Umstände herausgestellt:
13
Er habe über ein „erstklassiges“ Motiv verfügt, Öz. zu töten. Insoweit habe der Zeuge Bi. die Bekundungen des M. bestätigt (UA S. 52 f.). Die Aussagen des M. wiesen eine Reihe von Kennzeichen auf, die für eine erlebnisbegründete Schilderung sprächen. Er habe ein komplexes Geschehen mit einer Vielzahl von Einzelheiten geschildert, die sich nahtlos ineinander fügten und zu einer bildhaften Schilderung führten.
14
f) Das Landgericht hat in seine Würdigung aber auch Umstände einbezogen , die nach seiner Auffassung Zweifel am Wahrheitsgehalt der Bekundungen des Angeklagten M. begründen, namentlich Folgendes:
15
Als seltsam und nicht ohne weiteres verständlich hat das Landgericht das Überlassen der mit Spuren des A. behafteten Tatwaffe in der Obhut des M. bewertet. Mehrere von M. behauptete Äußerungen gegenüber Zeugen nach der Tat wurden von diesen nicht bestätigt (UA S. 64 bis 66). Schließlich konnte das Landgericht nicht ausschließen, dass auch zwischen M. und Öz. ein Konflikt um Geldforderungen bestand (UA S. 53 f.).
16
Zweifel von großem Gewicht an der Glaubhaftigkeit der Angaben des M. haben sich für das Landgericht aus dessen Beschreibung des entscheidenden Moments für den weiteren Verlauf des Streits zwischen A. und Öz. , nämlich des Wechsels der Waffengewalt von dem gut trainierten, vor der Gefährlichkeit des A. gewarnten Öz. auf den wesentlich älteren A. , ergeben. Die Darlegungen seien insoweit außergewöhnlich blass (UA S. 61). Gerade in diesem Punkt hätte in der Hauptverhandlung eine eingehende Befragung des Angeklagten M. und gegebenenfalls eine Nachstellung des Geschehens anhand seiner Angaben nahe gelegen. Aufgrund seines – auch sonst hinsichtlich der Bedrohung zumindest fraglichen und wenig nachvollziehbaren (UA S. 68) – Aussageverhaltens sei dies nicht möglich gewesen (UA S. 61 f.).
17
g) Das Schwurgericht hat nach einer Gesamtabwägung aller Umstände nicht ausschließen können, „dass M. selbst (möglicherweise nach einem von Öz. initiierten Streit) geschossen hat und später versuchte, A. zu belasten, um den Tatverdacht von sich abzuwenden. Dabei handelt es sich nicht um ‚abstrakte’ oder ‚theoretische’ Zweifel, sondern um ein Alternativgeschehen , das im Ergebnis zwar nicht wahrscheinlich, aber eben aufgrund konkreter Zweifel an der Aussage des M. als möglich angesehen werden muss“ (UA S. 69).
18
2. Die von den Revisionen jeweils mit der Sachrüge angegriffene Beweiswürdigung des Schwurgerichts hält der sachlichrechtlichen Überprüfung stand.
19
Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsge- richt grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. Brause NStZ-RR 2010, 329, 330 f. m.N.). Solche Fehler vermag der Senat dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen.
20
Die a) vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft macht mit ihrem zentralen Angriff geltend, das Schwurgericht habe überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt, indem es – zusammenfassend bewertet (UA S. 69) – die alternative Tatbegehung durch M. im Ergebnis zwar als nicht wahrscheinlich, aber aufgrund konkreter Zweifel an der Aussage des M. als möglich angesehen habe.
21
Diese aa) Bewertung steht indes im Einklang mit dem zutreffenden Verständnis des § 261 StPO. „Der vom Gesetz verwendete Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig dem objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit ein absolut sicheres Wissen über einen Tathergang, dem gegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Es ist also die für die Schuldfrage entscheidende , ihm allein übertragene Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht“ (BGHSt 10, 208, 209). Einen Grad von Wahrscheinlichkeit der Täterschaft des A. , der ihm die Überwindung von Zweifeln an dessen Schuld gestattet hätte, hat das Schwurgericht nicht angenommen.
22
bb) Dies geschah rechtsfehlerfrei auf der Grundlage der gebotenen erschöpfenden und fehlerfreien Auswertung der vorhandenen Erkenntnismittel (vgl. BGHSt 10, 208, 211; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung unzureichende 20). Die Revisionen übersehen, dass das Schwurgericht bei der Würdigung von Qualitätsmängeln in den Bekundungen des M. die von diesem Angeklagten durch sein Aussageverhalten vereitelte konfrontative Befragung mit in die Bewertung einzubeziehen hatte (vgl. BGHSt 51, 150, 157 m.w.N.). Gerade hinsichtlich des vom Schwurgericht zu Recht als bedeutsam bewerteten Abschnitts des Tatgeschehens, des zudem besonders blass geschilderten Waffenwechsels , durfte es insoweit eine markante Schwäche den der Aussage des M. im Übrigen entnommenen bedeutsamen belastenden Angaben entgegenstellen.
23
b) Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung als selektiv, lückenhaft und teilweise widersprüchlich bewertet, zeigt sie keine sachlichrechtlichen Fehler auf.
24
Revisionsgericht Dem ist es verwehrt, Details aus dem Rand- und Nachtatgeschehen, denen das Schwurgericht in geringem Umfang eine Beeinträchtigung der Aussagequalität des Angeklagten M. entnommen hat, anders zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 – 5 StR 319/10 m.w.N.). Solches setzt die Revision mit ihrer Kritik indes voraus. Die Annahmen des Schwurgerichts, aus denen es gefolgert hat, die Aussagen des Angeklagten M. seien wenig plausibel, haben als mögliche, auf der Grundlage lückenlos bewerteter Feststellungen gezogene Schlüsse des Tatgerichts in der Revisionsinstanz Bestand. Die Grenze der Denkfehlerhaftigkeit wird vom Landgericht in seiner Beweiswürdigung an keiner Stelle überschritten.
25
3. Danach haben der Freispruch des Angeklagten A. und die lediglich begrenzte Verurteilung des Angeklagten M. Bestand. Eine Postpendenzverurteilung des Angeklagten M. wegen Strafvereitelung war bei der zweifelhaften Vortatbeteiligung hier nicht möglich.
Basdorf Brause Schaal Schneider König
5 StR 319/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin H.
alsVerteidigerin,
Rechtsanwältin S.
alsNebenklägervertreterin,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Februar 2010 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , am 3. Juni 2009 unter Einsatz eines Messers die Nebenklägerin in deren Wohnung verbracht, vergewaltigt, körperlich misshandelt und der Freiheit beraubt sowie sie anschließend unter Einsatz des Messers beraubt zu haben. Die gegen den Freispruch gerichtete, lediglich mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 1994 wegen Ermordung einer Frau – nach deren Fesselung und Knebelung – zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilte „übergewichtige und äußerlich auch sonst wenig attraktive Angeklagte“ (UA S. 5) lernte im Juni/Juli 2008 die Nebenklägerin an deren Arbeitsstelle, einem Geschäft für Reisebedarf an einer U-Bahn-Station, kennen. Im Laufe der Zeit entstand ein enger Kontakt mit intensiven Gesprächen und häufigerem Austausch elektronischer Kurzmitteilungen. Die Nebenklägerin sandte dem Angeklagten am 21. Oktober 2008 ein Bild mit nackten Brüsten mit dem beigefügten Text: „Viel Spaß damit, liebe Grüße Deine Doro.“ Der Angeklagte kaufte auf seinen Namen für die – SCHUFA-belastete – Nebenklägerin eine Waschmaschine. Anfang März 2009 besuchte er sie zu Hause. Darüber war sie ungehalten; sie forderte ihn auf, gegenüber ihren Arbeitskolleginnen deutlich zu machen, dass es keine engen Kontakte zwischen ihnen gebe. Diese Forderung fixierte sie schriftlich auf einem Zettel, den sie dem Angeklagten übergab. Der persönliche Kontakt und der Austausch elektronischer Kurznachrichten wurden fortgesetzt. Am 22. April 2009 schenkte der Angeklagte der Nebenklägerin ein Mobiltelefon im Wert von ca. 140 €.
4
Die Nebenklägerin unterhielt seit April 2009 mit dem Zeugen K. eine Beziehung. Dieser klingelte am Nachmittag des 3. Juni 2009 mehrfach ergebnislos an der Tür des Wohnhauses der Nebenklägerin.
5
b) Die nach übereinstimmenden Bekundungen des Angeklagten und der Nebenklägerin gemeinsam in deren Wohnung zugebrachte Zeit zwischen 14.00 Uhr und 2.45 Uhr des Folgetages hatten beide in der Hauptverhandlung sich widersprechend geschildert.
6
aa) Der Angeklagte hat ausgeführt, dass beide nach Verzehr eines gelieferten Essens geschlafen hätten, er dann ein Bad genommen und gegen 19.00 Uhr die nackt auf dem Bett liegende Nebenklägerin – objektiv ohne erkennbare Fesselungsspuren – fotografiert habe. Nach einer weiteren Zeit des Schlafens habe er im Wohnzimmer auf dem Mobiltelefon der Nebenklägerin gespeicherte Nachrichten gefunden, aus denen sich ergeben habe, dass zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen K. eine feste Beziehung bestehe. Er habe die Nebenklägerin zur Rede gestellt, die aber eine Beziehung zu dem Zeugen K. nicht zugegeben habe. Er habe es abgelehnt , der Aufforderung der Nebenklägerin entsprechend in ihr Schlafzimmer zu kommen, wo sie ihm hätte beweisen wollen, wie sehr sie ihn liebe. Zu keinem Zeitpunkt sei es zu sexuellen Handlungen gekommen. Er habe ihr aus Enttäuschung private und berufliche Schwierigkeiten angedroht, falls sie ihm nicht innerhalb von zehn Tagen das Geld für die Waschmaschine und das Mobiltelefon zahlen würde.
7
bb) Die Nebenklägerin hat angegeben, der Angeklagte habe sie bereits unter Vorhalt eines Messers gezwungen, ihn im Auto zu ihrer Wohnung zu fahren; dort habe er ihr sofort nach Betreten der Wohnung die Hände mit einer Gazebinde auf dem Rücken zusammengebunden und ihr mit einem Geschirrtuch aus der Küche die Augen verbunden. Er habe sie trotz der Fesselung ausgezogen. Nach einem abgenötigten Zungenkuss habe sie ihn oral befriedigen müssen. Er habe auch an ihrer Scheide geleckt. Sie habe dem Pizzaboten – nach dessen Klingeln an der Haustür – auf Geheiß des Angeklagten bekleidet geöffnet und sich diesem aus Angst nicht offenbart. Nach erneutem Ausziehen und erneuter Fesselung habe sie das Essen abgelehnt. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte vergeblich versucht, vaginal in sie einzudringen. Dann habe er dies mit Fingern und einem Dildo getan, den sie dann auch selbst habe benutzen müssen. Als K. geklingelt habe, habe der Angeklagte ihr das Messer drohend an den Hals gehalten. Sie habe immer wieder Jägermeister trinken müssen, den er ihr eingeflößt habe. Toilettengänge habe er ihr versagt. Er habe ihr einen Eimer hingestellt, in den sie sich erbrochen und uriniert habe; er müsse diesen Eimer in seiner Reisetasche mitgebracht haben. Nachdem es ihr gelungen sei, die Fesselung zu lösen und die Augenbinde nach oben zu schieben, habe sie gesehen, wie der nackte Angeklagte Schränke und Schubladen im Wohnzimmer durchsucht habe. Nach einem Fluchtversuch habe er sie gegen den Kopf geschlagen und sie sei zu Boden gegangen. Er habe sie erneut gefesselt und ihre Augen verbunden, sie wieder zum Bett gebracht und sich weiter unter Halten des Messers an ihren Hals an ihr vergangen. Sie sei dann eingeschlafen.
8
c) Die Nebenklägerin versuchte um 4.08 Uhr und 8.05 Uhr mit ihrem Freund K. in Kontakt zu treten. Nachdem sie ihn um 8.22 Uhr um einen sofortigen Anruf gebeten hatte, weil etwas ganz Schlimmes passiert sei, teilte sie ihm auf dessen Anruf um 9.30 Uhr weinend mit, dass sie vergewaltigt worden sei. Nach intensivem Zureden durch K. erklärte sich die Nebenklägerin gegen 14.00 Uhr mit einer Verständigung der Polizei einverstanden. An den in der Wohnung der Nebenklägerin auf dem Bettlaken und dem Bettbezug gesicherten Spermaspuren wurde die DNA des Angeklagten ausgeschlossen.
9
Nach dem Geschehen begab sich die Nebenklägerin in psychiatrische Behandlung bei dem als sachverständigen Zeugen vernommenen Kr. , der eine posttraumatische Belastungsstörung ohne Tendenzen für eine Vorspiegelung oder Simulation festgestellt habe. Wegen einer von Gewaltausübung zum Nachteil der Nebenklägerin geprägten früheren Beziehung hat das Landgericht nicht feststellen können, ob das Geschehen vom 3. und 4. Juni 2009 Ursache für die Störung der Nebenklägerin gewesen ist.
10
Der sachverständige Zeuge A. hat keine gynäkologisch relevanten Verletzungen festgestellt, die von der Nebenklägerin am 4. Juni 2009 in ihrer polizeilichen Vernehmung geschilderte Blutungen im Intimbereich hätten belegen können. Auch der von der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung berichtete massive Schlag in das Gesicht durch den Angeklagten konnte medizinisch nicht verifiziert werden; eine dezente Rötung am linken Handgelenk könnte von einer Fesselung oder vom Tragen eines Schmuckstücks oder einer Uhr herrühren.
11
d) Das Landgericht hat bei der Qualitätsanalyse der Aussagen der Nebenklägerin erhebliche Mängel hinsichtlich des Rand- und Kerngeschehens festgestellt:
12
Von der Revision nicht beanstandet hat das Landgericht dargelegt, dass die Nebenklägerin hinsichtlich der Intensität ihrer Beziehung zum Angeklagten vor dem 3. Juni 2009 und zur Schenkung des Mobiltelefons in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung unwahre Angaben gemacht habe, ohne hierfür in der Hauptverhandlung eine plausible Erklärung abgeben zu können. Unwahre Angaben der Nebenklägerin hat das Landgericht auch zu den Umständen der Übergabe des von ihr geschriebenen und dem Angeklagten übergebenen Zettels mit an den Angeklagten gerichteten Verhaltensanweisungen festgestellt.
13
Auf Vorhalte unterschiedlicher Aussagen hinsichtlich des Zusammentreffens mit einer Nachbarin und der – vom Landgericht als wenig nachvollziehbar bewerteten – Essensbestellung in Unterbrechung sexuell motivierter Gewalthandlungen habe sich die Nebenklägerin auf nicht weiter erklärte Erinnerungsverluste bezogen. Dies sei auch hinsichtlich der in mehreren Vernehmungen unterschiedlich geschilderten Situation geschehen, bei der die Nebenklägerin gefesselt gewesen sei, ferner zu dem Messereinsatz des Angeklagten und dem von ihr geschilderten Fluchtversuch.
14
Hinsichtlich unterschiedlicher Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen , nämlich der Art und Reihenfolge der abgenötigten und erduldeten Sexualhandlungen, hat es das Landgericht als nicht nachvollziehbar gewertet , dass die Nebenklägerin in einer späteren Vernehmung die versuchte vaginale Penetration als – weil ihren Freund möglicherweise belastend – besonders bedeutsam, in ihrer Erstvernehmung und bei der Befragung durch den Arzt aber als nicht erwähnenswert betrachtet habe. Die Angabe der Nebenklägerin , sie sei von dem Arzt nicht nach der Vornahme des Oralverkehrs befragt worden, hat das Landgericht durch die Aussage des sachverständigen Zeugen A. als widerlegt angesehen.
15
Das Landgericht hat diese Qualitätsmängel in der Aussage der Nebenklägerin als Ungereimtheiten, Widersprüche und Falschaussagen bewer- tet und sich nicht in der Lage gesehen, eine Verurteilung auf die Aussage der Nebenklägerin zu gründen, die auch nicht durch äußere Umstände gestützt worden sei.
16
2. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung stand.
17
a) Das Landgericht hat den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Umfang der Darlegungspflicht entscheidungsrelevanter Umstände nicht missachtet (vgl. BGHSt 52, 314, 315; BGH NStZ 2010, 529).
18
Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch hinsichtlich der Persönlichkeit und des Werdegangs des Angeklagten, einschließlich seiner Verurteilung wegen Mordes im Jahre 1994 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren nebst den hierzu festgestellten Begleitumständen. Der Senat entnimmt den wertenden Betrachtungen des Landgerichts UA S. 16 f., 28, in die es den Angaben der Nebenklägerin widersprechende objektive Beweisanzeichen ersichtlich einbezogen hat, dass auf die Angaben der Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten schlechterdings nicht gestützt werden könne. Bei einem schon hierdurch unaufklärbaren Tatgeschehen hätten die von der Revision vermissten Darlegungen keine maßgebliche Stärkung von Belastungsindizien begründen können. Daher liegt keine sachlichrechtlich relevante Erörterungslücke zugunsten des Angeklagten vor.
19
b) Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts den sachlichrechtlichen Anforderungen stand (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
20
aa) Soweit dem Revisionsvortrag zu entnehmen ist, die posttraumatische Belastungsstörung der Nebenklägerin sei insofern lückenhaft erörtert worden, als diese nicht als Ursache für die Qualitätsmängel der Aussage der Nebenklägerin herangezogen worden sei, wird keine relevante Lücke dargelegt. Mangels wissenschaftlicher Anerkennung der Forderungen der psycho- logischen Traumatologie im Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsbeurteilung (vgl. Steller in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer 2002, S. 69, 70) kann die Beweiswürdigung des Landgerichts nämlich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nicht übergangen haben. Das Landgericht hat zudem wesentliche Mängel schon in den Widersprüchlichkeiten der Aussagen unmittelbar nach der Tat, die nach dem Revisionsvortrag von der Traumatisierung unbeeinflusst geblieben wären, festgestellt und auf mit keinem Trauma in Zusammenhang stehende bewusst unwahr geschilderte Umstände abgestellt.
21
bb) Die Bewertung der Aussagequalität der Nebenklägerin ist auch in anderer Hinsicht beanstandungsfrei.
22
Dem Senat ist es – im Gegensatz zur Auffassung des Generalbundesanwalts – verwehrt, den vom Landgericht hergestellten Zusammenhang von bewusst unwahrer Aussage im Randbereich und Qualitätsmängeln im Kernbereich der Aussage der Nebenklägerin in Frage zu stellen. Diesen Zusammenhang zu bewerten, gehört zum Kern tatrichterlicher Beweiswürdigung. Nach der durch §§ 261 und 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kann es nicht darauf ankommen, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte (vgl. BGHSt 10, 208, 211; 29, 18, 20). Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung lebensfremd erscheinen mag (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Falls das Tatgericht – wie hier – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage zu der nachvollziehbaren und plausiblen Schlussfolgerung gelangt ist, die Zeugenaussage sei nicht geeignet, eine Verurteilung eines Angeklagten zu begründen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512) – als möglicher Schluss des Tatgerichts (vgl. BGHSt 10, 208, 210 f.; 29, 18, 20; 36, 1, 14) in der Revisionsinstanz Bestand (vgl. BGH NStZ 2005, 334). Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit (vgl. BGHSt 10, 208, 211) wird vom Landgericht nirgendwo überschritten.
Basdorf Brause Schaal
Schneider König

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 598/99
vom
3. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. März 2000 in der Sitzung vom 3. März 2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. September 1999 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Es hat weiter die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Sein Rechtsmittel ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruches unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Daß der Tatrichter im Falle 6 der Anklage, in dem der Angeklagte beim Opfer Oralverkehr ausübte, nicht schweren sexuellen Mißbrauch von Kindern (§ 176 a StGB; vgl. BGHR StGB § 176 a Abs. 1 Nr. 1 Eindringen 1 = StV 1999, 602 = NJW 1999, 2977) angenommen hat, beschwert den Angeklagten nicht.
Einer Erörterung bedarf allein die vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage, ob die Maßregel gemäß § 64 StGB rechtsfehlerfrei angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat jedoch auch insoweit keinen Erfolg.

II.

1. In der Zeit zwischen 11. Juni 1998 und 12. Oktober 1998 mißbrauchte der Angeklagte den am 28. Juli 1987 geborenen Sohn D. K. seiner Lebensgefährtin sexuell in mindestens fünf Fällen. Die schon Jahre zurückliegenden Vorverurteilungen des Angeklagten hatten keine Sexualdelikte zum Gegenstand. 2. Der Angeklagte nahm seit seinem 16./17. Lebensjahr durchgängig Beruhigungstabletten zur Bekämpfung von Angstzuständen. Als er berufs- und obdachlos wurde, griff er zudem vermehrt zum Alkohol. 1993/94 stand er eine sechsmonatige Entgiftung durch. Er nahm zwar weiterhin Beruhigungsmittel, schränkte aber seinen Alkoholkonsum ein. Im Spätsommer 1998 begann er wieder verstärkt Alkohol zu trinken, wobei er durchgängig weiter Beruhigungsmittel konsumierte. Nach seiner Verhaftung im Oktober 1998 erlitt der Angeklagte einen entzugsbedingten, von Bewußtlosigkeit begleiteten Krampfanfall und wurde ins Krankenhaus verlegt. Nach seiner Entlassung begab er sich noch mehrmals zur stationären Entgiftung in die Landesklinik Merheim. 3. Die vom Sachverständigen K. beratene Strafkammer hat zum Zustand des Angeklagten folgendes festgestellt: Der langjährige Mißbrauch von Beruhigungsmitteln und Alkohol habe zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung geführt. Diese finde ihren Ausdruck insbesondere in Symptomen der Affektlabilität und Stimmungsschwankungen. Der Angeklagte zeige darüber hinaus auch noch andere psychopathologische Auffälligkeiten, wie etwa schon
früh aufgetretene, permanente Angstzustände und Stottern. Die seit 25 Jahren vorliegende Beruhigungsmittelsucht und die seit 10 Jahren hinzutretende Alkoholabhängigkeit hätten zu einer Entdifferenzierung und einer Enthemmung der Persönlichkeit geführt, die es nicht ausschließen lassen, daß der Angeklagte im Tatzeitpunkt nur in erheblich vermindertem Maße in der Lage gewesen sei, sein Verhalten bei bestehen gebliebener Unrechtseinsicht dieser Einsicht folgend zu steuern; gänzlich aufgehoben sei seine Steuerungsfähigkeit jedoch nicht gewesen. Die Taten, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, gingen auf den Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke und Beruhigungsmittel im Übermaße zu sich zu nehmen, zurück, weil dieser Hang zu der tatbegünstigenden Entdifferenzierung und Enthemmung der Persönlichkeit des Angeklagten geführt habe. Angesichts der sich häufenden Aufenthalte in der Landesklinik Merheim, der schwerwiegenden Straftaten im vorliegenden Verfahren , die gerade Folge des übermäßigen Beruhigungsmittel- und Alkoholkonsums seien, sowie seiner mehrfachen, wenn auch insoweit nicht schwerwiegenden Vorstrafen, seien vom Angeklagten aufgrund seines Hanges ohne entsprechende Behandlung auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten zu erwarten. Bei entsprechender Behandlung bestehe aber die hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten zumindest für eine erhebliche Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren.

III.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat den Hang, alkoholische Getränke und zusätzlich Beruhigungsmittel im Übermaße zu sich zu nehmen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gehen die Taten, wegen deren er verurteilt wurde,
auf diesen Hang zurück; sie finden ihre Wurzel in dem Hang. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt zwar darauf hin, daß Sexualdelikte als Anlaßtat für eine Unterbringung seltener in Erscheinung treten als zum Beispiel Betäubungsmitteldelikte (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 130). Sie kommen aber als Anlaßtaten durchaus in Betracht (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 28. Oktober 1998 - 2 StR 404/98; BGH, Beschl. v. 7. Mai 1996 - 5 StR 158/96; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. September 1999 - 1 StR 430/99). Im vorliegenden Fall ist der Symptomwert der Taten für den Hang des Angeklagten zum Mißbrauch berauschender Mittel ausreichend dargetan; denn in ihnen äußert sich seine hangbedingte Gefährlichkeit (vgl. hierzu u.a. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2 m.w.N.). Der langjährige Alkohol- und Beruhigungsmittelmißbrauch hat - wie der Tatrichter festgestellt hat - zu einer tatbegünstigenden Enthemmung und Entdifferenzierung der Persönlichkeit des Angeklagten geführt; die Taten gingen daher auf den Hang zurück. Weiter besteht nach den ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte infolge seines zu der schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung führenden Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird.
Die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1 ff.). wird vom Tatrichter rechtsfehlerfrei damit begründet, daß der Angeklagte sich schon mehrfach um Hilfe im Kampf gegen seine Abhängigkeit bemüht und damit eine gewisse Einsicht in sein Suchtproblem gezeigt hat. Da die Sucht Ursache der Persönlichkeitsstörung ist, gilt es zunächst, den Hang zu beseitigen, um den Täter heilen zu können. Jähnke Detter Bode Otten Rothfuß

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 598/99
vom
3. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. März 2000 in der Sitzung vom 3. März 2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. September 1999 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Es hat weiter die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Sein Rechtsmittel ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruches unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Daß der Tatrichter im Falle 6 der Anklage, in dem der Angeklagte beim Opfer Oralverkehr ausübte, nicht schweren sexuellen Mißbrauch von Kindern (§ 176 a StGB; vgl. BGHR StGB § 176 a Abs. 1 Nr. 1 Eindringen 1 = StV 1999, 602 = NJW 1999, 2977) angenommen hat, beschwert den Angeklagten nicht.
Einer Erörterung bedarf allein die vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage, ob die Maßregel gemäß § 64 StGB rechtsfehlerfrei angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat jedoch auch insoweit keinen Erfolg.

II.

1. In der Zeit zwischen 11. Juni 1998 und 12. Oktober 1998 mißbrauchte der Angeklagte den am 28. Juli 1987 geborenen Sohn D. K. seiner Lebensgefährtin sexuell in mindestens fünf Fällen. Die schon Jahre zurückliegenden Vorverurteilungen des Angeklagten hatten keine Sexualdelikte zum Gegenstand. 2. Der Angeklagte nahm seit seinem 16./17. Lebensjahr durchgängig Beruhigungstabletten zur Bekämpfung von Angstzuständen. Als er berufs- und obdachlos wurde, griff er zudem vermehrt zum Alkohol. 1993/94 stand er eine sechsmonatige Entgiftung durch. Er nahm zwar weiterhin Beruhigungsmittel, schränkte aber seinen Alkoholkonsum ein. Im Spätsommer 1998 begann er wieder verstärkt Alkohol zu trinken, wobei er durchgängig weiter Beruhigungsmittel konsumierte. Nach seiner Verhaftung im Oktober 1998 erlitt der Angeklagte einen entzugsbedingten, von Bewußtlosigkeit begleiteten Krampfanfall und wurde ins Krankenhaus verlegt. Nach seiner Entlassung begab er sich noch mehrmals zur stationären Entgiftung in die Landesklinik Merheim. 3. Die vom Sachverständigen K. beratene Strafkammer hat zum Zustand des Angeklagten folgendes festgestellt: Der langjährige Mißbrauch von Beruhigungsmitteln und Alkohol habe zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung geführt. Diese finde ihren Ausdruck insbesondere in Symptomen der Affektlabilität und Stimmungsschwankungen. Der Angeklagte zeige darüber hinaus auch noch andere psychopathologische Auffälligkeiten, wie etwa schon
früh aufgetretene, permanente Angstzustände und Stottern. Die seit 25 Jahren vorliegende Beruhigungsmittelsucht und die seit 10 Jahren hinzutretende Alkoholabhängigkeit hätten zu einer Entdifferenzierung und einer Enthemmung der Persönlichkeit geführt, die es nicht ausschließen lassen, daß der Angeklagte im Tatzeitpunkt nur in erheblich vermindertem Maße in der Lage gewesen sei, sein Verhalten bei bestehen gebliebener Unrechtseinsicht dieser Einsicht folgend zu steuern; gänzlich aufgehoben sei seine Steuerungsfähigkeit jedoch nicht gewesen. Die Taten, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, gingen auf den Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke und Beruhigungsmittel im Übermaße zu sich zu nehmen, zurück, weil dieser Hang zu der tatbegünstigenden Entdifferenzierung und Enthemmung der Persönlichkeit des Angeklagten geführt habe. Angesichts der sich häufenden Aufenthalte in der Landesklinik Merheim, der schwerwiegenden Straftaten im vorliegenden Verfahren , die gerade Folge des übermäßigen Beruhigungsmittel- und Alkoholkonsums seien, sowie seiner mehrfachen, wenn auch insoweit nicht schwerwiegenden Vorstrafen, seien vom Angeklagten aufgrund seines Hanges ohne entsprechende Behandlung auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten zu erwarten. Bei entsprechender Behandlung bestehe aber die hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten zumindest für eine erhebliche Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren.

III.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat den Hang, alkoholische Getränke und zusätzlich Beruhigungsmittel im Übermaße zu sich zu nehmen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gehen die Taten, wegen deren er verurteilt wurde,
auf diesen Hang zurück; sie finden ihre Wurzel in dem Hang. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt zwar darauf hin, daß Sexualdelikte als Anlaßtat für eine Unterbringung seltener in Erscheinung treten als zum Beispiel Betäubungsmitteldelikte (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 130). Sie kommen aber als Anlaßtaten durchaus in Betracht (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 28. Oktober 1998 - 2 StR 404/98; BGH, Beschl. v. 7. Mai 1996 - 5 StR 158/96; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. September 1999 - 1 StR 430/99). Im vorliegenden Fall ist der Symptomwert der Taten für den Hang des Angeklagten zum Mißbrauch berauschender Mittel ausreichend dargetan; denn in ihnen äußert sich seine hangbedingte Gefährlichkeit (vgl. hierzu u.a. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2 m.w.N.). Der langjährige Alkohol- und Beruhigungsmittelmißbrauch hat - wie der Tatrichter festgestellt hat - zu einer tatbegünstigenden Enthemmung und Entdifferenzierung der Persönlichkeit des Angeklagten geführt; die Taten gingen daher auf den Hang zurück. Weiter besteht nach den ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte infolge seines zu der schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung führenden Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird.
Die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1 ff.). wird vom Tatrichter rechtsfehlerfrei damit begründet, daß der Angeklagte sich schon mehrfach um Hilfe im Kampf gegen seine Abhängigkeit bemüht und damit eine gewisse Einsicht in sein Suchtproblem gezeigt hat. Da die Sucht Ursache der Persönlichkeitsstörung ist, gilt es zunächst, den Hang zu beseitigen, um den Täter heilen zu können. Jähnke Detter Bode Otten Rothfuß

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 128/01
vom
2. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 2. Mai 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. November 2000, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß sie jeweils des schweren Raubes in zwei Fällen, der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der Nötigung schuldig sind;
b) in den Einzelstrafaussprüchen der Fälle II.1. und II.4. der Urteilsgründe sowie im jeweiligen Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen räuberischer Erpressung, schweren Raubes in zwei Fällen und schwerer räuberischer Erpressung zu Gesamtfreiheitsstrafen von elf Jahren (Angeklagter M. - unter Einbeziehung
von Einzelstrafen einer Vorverurteilung) und sechs Jahren (Angeklagter B. ) verurteilt. Ihre auf die Sachrüge gestützten Revisionen haben in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift an den Senat vom 21. März 2001 ausgeführt: "Die umfassende Nachprüfung des Urteils aufgrund der von beiden Beschwerdeführern erhobenen allgemeinen Sachrüge führt zu dem Ergebnis, daß die Verurteilung der Angeklagten wegen räuberischer Erpressung und schwerer räuberischer Erpressung in den Fällen II.1. und II.4. der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Die Strafkammer hält in beiden Fällen den Tatbestand des § 253 StGB für gegeben, weil sie den Vermögensvorteil, den die Angeklagten erlangten, darin erblickt, daß der Mitangeklagte Tr. zu einer unentgeltlichen Tätigkeit als Lagerverwalter unverzollter Zigaretten und z u Kurierfahrten mit entsprechender Ware gezwungen wurde (UA S. 7, 11); durch die erzwungenermaßen unentgeltliche Erbringung dieser Leistungen habe der Mitangeklagte Tr. einen Vermögensschaden erlitten, weil für die ihm abgenötigten Leistungen üblicherweise ein Entgelt geschuldet werde (UA S. 21). Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Handlungen der festgestellten Art, die der Erfüllung strafbarer Tatbestände dienen, wohnt kein messbarer wirtschaftlicher Wert inne, so daß ihre erzwungene Vornahme zu keinem Vermögensschaden führen kann. Insbesondere ist auch auszuschließen , daß sich die Angeklagten durch diese dem Mittäter Tr. abgenötigten
Handlungen bereichern wollten, so daß auch aus diesem Grunde der Tatbestand des § 253 StGB nicht gegeben ist. Er kann zudem nicht aufgrund der Überlegung bejaht werden, daß die Angeklagten Tr. zwar als Tatgehilfen einsetzten, ihm aber seinen Beuteanteil, der üblicherweise auf einen Tatbeteiligten entfallen mag, vorenthielten, und sich auf diese Weise am Beuteanteil desTr. bereicherten. Denn ein solcher denkbarer Beuteanteil desTr. hat keinen Vermögenswert im Sinne von § 253 Abs. 1 StGB. Ein Teilnehmer an einer Straftat erwirbt gegen seine Tatgenossen keinen vermögenswerten, rechtlich geschützten Anspruch, der deshalb auch nicht dem Vermögensbegriff des § 253 StGB unterfallen kann (vgl. dazu Fischer in Fischer/Tröndle 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 b). Im Falle II.1. der Urteilsgründe haben sich die Angeklagten nach den Feststellungen daher der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Im Falle II.4. der Urteilsgründe unternahmen die Angeklagten unter Einsatz eines Werkzeuges im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB den Versuch, Tr. zur rechtsgrundlosen Zahlung von 40.000 DM zu nötigen (UA S. 12, 13). Von diesen wiederholten Bemühungen (unbeendeter Versuch) sind die Angeklagten nicht freiwillig zurückgetreten. Der Fortsetzung ihres Tuns stand entgegen, daß der Mitangeklagte Tr. im Juli 1996 in Abschiebehaft genommen wurde. Die Beschwerdeführer sind deshalb im Falle II.4. der Urteilsgründe der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig. Der Umstellung der Schuldsprüche in den Fällen II.1. und II.4. steht § 265 StPO nicht entgegen, da sich die Beschwerdeführer nach einem entsprechenden Hinweis ersichtlich nicht anders verteidigen könnten als bisher. Die Einzelstrafaussprüche in den genannten Fällen und der jeweilige Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe können nach der Umstellung der
Schuldsprüche ebenfalls keinen Bestand haben. Im Falle II.1. der Urteilsgründe wird der neu entscheidende Tatrichter besonders zu prüfen haben, ob ein besonders schwerer Fall der Nötigung im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB a.F. in Betracht kommt." Dem schließt sich der Senat an. Der Senat hat die Sache an eine allgemeine Strafkammer statt an die Jugendkammer zurückverwiesen, da sich das weitere Verfahren nur noch gegen Erwachsene richtet (vgl. BGHSt 35, 267 ff.). Bode Otten Rothfuß Fischer Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 598/99
vom
3. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. März 2000 in der Sitzung vom 3. März 2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. September 1999 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Es hat weiter die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Sein Rechtsmittel ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruches unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Daß der Tatrichter im Falle 6 der Anklage, in dem der Angeklagte beim Opfer Oralverkehr ausübte, nicht schweren sexuellen Mißbrauch von Kindern (§ 176 a StGB; vgl. BGHR StGB § 176 a Abs. 1 Nr. 1 Eindringen 1 = StV 1999, 602 = NJW 1999, 2977) angenommen hat, beschwert den Angeklagten nicht.
Einer Erörterung bedarf allein die vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage, ob die Maßregel gemäß § 64 StGB rechtsfehlerfrei angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat jedoch auch insoweit keinen Erfolg.

II.

1. In der Zeit zwischen 11. Juni 1998 und 12. Oktober 1998 mißbrauchte der Angeklagte den am 28. Juli 1987 geborenen Sohn D. K. seiner Lebensgefährtin sexuell in mindestens fünf Fällen. Die schon Jahre zurückliegenden Vorverurteilungen des Angeklagten hatten keine Sexualdelikte zum Gegenstand. 2. Der Angeklagte nahm seit seinem 16./17. Lebensjahr durchgängig Beruhigungstabletten zur Bekämpfung von Angstzuständen. Als er berufs- und obdachlos wurde, griff er zudem vermehrt zum Alkohol. 1993/94 stand er eine sechsmonatige Entgiftung durch. Er nahm zwar weiterhin Beruhigungsmittel, schränkte aber seinen Alkoholkonsum ein. Im Spätsommer 1998 begann er wieder verstärkt Alkohol zu trinken, wobei er durchgängig weiter Beruhigungsmittel konsumierte. Nach seiner Verhaftung im Oktober 1998 erlitt der Angeklagte einen entzugsbedingten, von Bewußtlosigkeit begleiteten Krampfanfall und wurde ins Krankenhaus verlegt. Nach seiner Entlassung begab er sich noch mehrmals zur stationären Entgiftung in die Landesklinik Merheim. 3. Die vom Sachverständigen K. beratene Strafkammer hat zum Zustand des Angeklagten folgendes festgestellt: Der langjährige Mißbrauch von Beruhigungsmitteln und Alkohol habe zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung geführt. Diese finde ihren Ausdruck insbesondere in Symptomen der Affektlabilität und Stimmungsschwankungen. Der Angeklagte zeige darüber hinaus auch noch andere psychopathologische Auffälligkeiten, wie etwa schon
früh aufgetretene, permanente Angstzustände und Stottern. Die seit 25 Jahren vorliegende Beruhigungsmittelsucht und die seit 10 Jahren hinzutretende Alkoholabhängigkeit hätten zu einer Entdifferenzierung und einer Enthemmung der Persönlichkeit geführt, die es nicht ausschließen lassen, daß der Angeklagte im Tatzeitpunkt nur in erheblich vermindertem Maße in der Lage gewesen sei, sein Verhalten bei bestehen gebliebener Unrechtseinsicht dieser Einsicht folgend zu steuern; gänzlich aufgehoben sei seine Steuerungsfähigkeit jedoch nicht gewesen. Die Taten, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, gingen auf den Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke und Beruhigungsmittel im Übermaße zu sich zu nehmen, zurück, weil dieser Hang zu der tatbegünstigenden Entdifferenzierung und Enthemmung der Persönlichkeit des Angeklagten geführt habe. Angesichts der sich häufenden Aufenthalte in der Landesklinik Merheim, der schwerwiegenden Straftaten im vorliegenden Verfahren , die gerade Folge des übermäßigen Beruhigungsmittel- und Alkoholkonsums seien, sowie seiner mehrfachen, wenn auch insoweit nicht schwerwiegenden Vorstrafen, seien vom Angeklagten aufgrund seines Hanges ohne entsprechende Behandlung auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten zu erwarten. Bei entsprechender Behandlung bestehe aber die hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten zumindest für eine erhebliche Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren.

III.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat den Hang, alkoholische Getränke und zusätzlich Beruhigungsmittel im Übermaße zu sich zu nehmen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gehen die Taten, wegen deren er verurteilt wurde,
auf diesen Hang zurück; sie finden ihre Wurzel in dem Hang. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt zwar darauf hin, daß Sexualdelikte als Anlaßtat für eine Unterbringung seltener in Erscheinung treten als zum Beispiel Betäubungsmitteldelikte (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 130). Sie kommen aber als Anlaßtaten durchaus in Betracht (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 28. Oktober 1998 - 2 StR 404/98; BGH, Beschl. v. 7. Mai 1996 - 5 StR 158/96; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. September 1999 - 1 StR 430/99). Im vorliegenden Fall ist der Symptomwert der Taten für den Hang des Angeklagten zum Mißbrauch berauschender Mittel ausreichend dargetan; denn in ihnen äußert sich seine hangbedingte Gefährlichkeit (vgl. hierzu u.a. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2 m.w.N.). Der langjährige Alkohol- und Beruhigungsmittelmißbrauch hat - wie der Tatrichter festgestellt hat - zu einer tatbegünstigenden Enthemmung und Entdifferenzierung der Persönlichkeit des Angeklagten geführt; die Taten gingen daher auf den Hang zurück. Weiter besteht nach den ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte infolge seines zu der schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung führenden Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird.
Die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1 ff.). wird vom Tatrichter rechtsfehlerfrei damit begründet, daß der Angeklagte sich schon mehrfach um Hilfe im Kampf gegen seine Abhängigkeit bemüht und damit eine gewisse Einsicht in sein Suchtproblem gezeigt hat. Da die Sucht Ursache der Persönlichkeitsstörung ist, gilt es zunächst, den Hang zu beseitigen, um den Täter heilen zu können. Jähnke Detter Bode Otten Rothfuß

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 159/01
vom
17. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. August 2001 in der Sitzung vom 17. August 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Vertreter der Nebenkläger K. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger K. und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 20. September 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge , fahrlässiger Körperverletzung und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu der Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge, fahrlässiger Körperverletzung und einem Vergehen gegen das Waffengesetz (Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe) sowie wegen "zwei weiteren, zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehenden Vergehen gegen das Waffengesetz" (Erwerb zweier Schußwaffen und von Munition) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte hat sein Rechtsmittel gegen dieses Urteil mit der allgemeinen Sachrüge begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision ebenfalls die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes und macht insbesondere geltend, das Landgericht habe die subjektive Seite des Mordmerkmals der Heimtücke rechtsfehlerhaft verneint. Die Nebenkläger K. rügen die Verletzung formellen und sachlichen Rechts und erstreben gleichfalls einen Schuldspruch wegen Heimtückemordes. Alle Rechtsmittel sind begründet. Das angefochtene Urteil weist Rechtsfehler sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten auf. Lediglich die Verurteilung wegen Erwerbs zweier Schußwaffen und von Munition zu der Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr hat Bestand.

I.

Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt: 1. Der Angeklagte fuhr auf der Autobahn A 4 von H. kommend in Richtung Kir. , als er bei einer Geschwindigkeitskontrolle ein Blitzlicht auslöste und fotografiert wurde. Dies erregte ihn sehr, weil er wegen seines hohen Punktestands im Verkehrszentralregister den Verlust der Fahrerlaubnis befürchtete und damit das Ende seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer sowie seiner Pläne, künftig wieder am Familienwohnsitz in H. zu arbeiten. Er hielt zunächst auf dem Seitenstreifen, bevor er auf eine Zigarettenpause in die Raststätte R. fuhr. Ohne konkreten Plan fuhr er dieselbe Strecke zurück. Als er nochmals an der Kontrollstelle vorbeifuhr, kam ihm die Idee, den Film aus der Überwachungskamera an sich zu bringen, um so die Ahndung der Geschwindigkeitsüberschreitung zu verhindern. Während er erneut zum Rasthof R. fuhr, entschloû er sich, nochmals zu dem Meûwagen zu fahren und mit seiner - unerlaubt - mitgeführten Pistole von den Kontrollbeamten die Herausgabe des Films zu erzwingen. Er fuhr nun zum dritten Mal an der Kontrollstelle vorbei, parkte seinen Pkw 500 m danach auf dem Seitenstreifen, nahm seine mit 15 Schuû geladene halbautomatische Selbstladepistole, die er als Drohmittel verwenden wollte, und lief zu dem Meûwagen zurück, in dem die Polizeibeamten K. und S. den Verkehr beobachteten. Es war bereits dunkel, nur die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Fahrzeuge gaben Licht. Unbemerkt ging der Angeklagte zunächst zu der hinter dem Meûwagen aufgestellten Kamera, wuûte aber nicht, wie er an den Film gelangen sollte. Entsprechend seinem ursprünglichen Plan klopfte er an das Fenster auf der Fahrerseite. Der dort sitzende Beamte K. lieû die Scheibe ein wenig herunter. Aufgrund eines spontanen Entschlusses gab der Angeklagte vor, eine Panne
zu haben. K. fragte, ob er den ADAC rufen solle. Dies bejahte der Angeklagte. K. fragte ihn nach Kennzeichen und Wagentyp und öffnete die Fahrertür einen Spalt, um den Angeklagten wegen des Verkehrslärms besser verstehen zu können. Mit dem Gedanken, nun endlich etwas tun zu müssen, um an den Film zu gelangen, drückte der Angeklagte die Tür ganz auf. Um die Herausgabe des Films durch Drohung mit seiner Waffe zu erreichen, zog der im Umgang mit Waffen geübte Angeklagte die ungesicherte Pistole aus seinem Anorak und lud sie durch. K. , der mit einem Angriff nicht rechnete, griff gerade nach dem Funkhörer, als er das Geräusch des Durchladens bemerkte. Er drehte sich seitlich zu dem Angeklagten und rief: "Was macht der denn da?" Zugleich betätigte S. die Innenbeleuchtung und wollte nach einem Kugelschreiber greifen. Durch die plötzliche Seitwärtsbewegung und den lauten Ausruf K. s irritiert wich der Angeklagte zurück, griff mit der linken Hand nach der Fahrertür und schoû aus 30-50 cm Abstand auf K. , ohne daû er dies zuvor in seinen Plan zur Erlangung des Films aufgenommen hatte oder sonst eine bestimmte Absicht verfolgte. Den Tod K. s nahm er dabei billigend in Kauf. Die Kugel durchdrang K. s Brustkorb und danach S. s rechten Unterarm. K. war sofort tot. S. wurde verletzt. Der Angeklagte hatte den Schuû nicht geplant. Auch die Bedeutung der hilflosen Lage K. s war ihm dabei nicht bewuût. Er erkannte aber nun die Tragweite seines Handelns. Da er nicht durch Ausschalten der Polizeibeamten an den Film gelangen wollte, vergewisserte er sich nicht, ob er K. getroffen hatte, und unternahm auch sonst nichts, um den Film noch zu erlangen. Obwohl ihm das mit dem gefüllten Magazin möglich war, gab er keinen weite-
ren Schuû ab, sondern verlieû fluchtartig den Tatort und fuhr zum Dienstantritt nach F. . Das sachverständig beratene Landgericht hat dem Angeklagten für die Tatzeit zwar eine heftige Gemütsbewegung zugebilligt, aber eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten durch eine tiefgreifende Bewuûtseinsstörung (Affekt) auch vor dem Hintergrund seiner ehelichen, gesundheitlichen und beruflichen Probleme verneint. 2. Nach Februar 1998 erwarb der Angeklagte ohne die erforderliche Erlaubnis zwei Gewehre sowie 476 verschiedene Patronen und verwahrte sie in seiner Garage.

II.

Der Angeklagte wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung, er habe den Polizeibeamten K. mit bedingtem Vorsatz getötet (1.). Die Begründung , mit der das Landgericht Mordmerkmale nicht für gegeben erachtet hat, hält aber der rechtlichen Prüfung nicht stand (2.). Zu Unrecht hat das Landgericht dagegen den Angeklagten auch wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt (3.). Lediglich die Verurteilung wegen des tatmehrheitlich verwirklichten Waffendelikts läût einen Rechtsfehler nicht erkennen (4.). 1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt die Feststellung, der Angeklagte habe den Schuû nicht versehentlich, sondern willentlich abgegeben und dabei den Tod des Polizeibeamten billigend in Kauf genommen. Den äuûeren Tathergang hat der Angeklagte im wesentlichen eingeräumt. Seine Einlassung, der Schuû habe sich versehentlich gelöst, hat das Landgericht mit tragfähigen Gründen als widerlegte Schutzbehauptung gewertet und dabei dem hohen Abzugswiderstand der Tatwaffe von 2,2 kg sowie dem Umstand beson-
dere Bedeutung beigemessen, daû der Angeklagte im Umgang mit Schuûwaffen erfahren war. Auûerdem hatte der Angeklagte unmittelbar vor dem Schuû zur Intensivierung seiner Drohung die ungesicherte Pistole durchgeladen. Die Erregung und Anspannung des Angeklagten vor dem Schuû war nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts nicht so intensiv, daû er nicht mehr Herr seiner Sinne war und gleichsam kopflos ohne vorherige Willensbetätigung gehandelt hat. Dementsprechend hat das Landgericht auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit ohne Rechtsfehler ausgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, daû das Landgericht feststellt, der Angeklagte sei nach dem Schuû über die Folgen seines Tuns erschrocken und zur Vollendung der räuberischen Erpressung psychisch unfähig geworden (UA S. 49). Der Angeklagte hat verschiedene Erklärungsversuche für den Schuû unternommen, aber nie einen Körperkontakt oder Stoû behauptet, der zu dem Schuû geführt haben könnte. Zuletzt hielt er als Erklärung ein Stolpern, Halt verlieren oder Erschrecken für möglich, ohne aber genau zu wissen, wie es zum Schuû kam. Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daû das Landgericht den spekulativen Erklärungsversuchen des Angeklagten nicht gefolgt ist und insbesondere kein Stolpern, Straucheln oder heftiges Erschrecken festgestellt hat. Schlieûlich hat das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung auch deutlich unterschieden zwischen der Frage, ob der Angeklagte gewollt oder versehentlich geschossen hat und ob er den Tod billigend in Kauf genommen hat. Dabei schlieût das Landgericht nicht aus der Gefährlichkeit der Tathandlung darauf, daû der Angeklagte willentlich geschossen hat. Dem Hilfsbeweisantrag, mit dem die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung eine Lücke oder einen Erörterungsmangel in der Beweiswürdigung beweisen wollte, brauchte der Senat nicht nachzugehen. Die be-
haupteten wissenschaftlichen Erfahrungssätze, für die sich die Verteidigung auf ein Sachverständigengutachten in Verbindung mit den Ergebnissen einer noch im Prüfungsverfahren befindlichen Diplomarbeit stützt, waren hier aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Es mag durchaus sein, daû auch im Umgang mit Waffen erfahrene Probanden in besonders streûbelasteten Situationen oder bei Gleichgewichtsverlust auch gegen hohen Abzugswiderstand reflexhaft und ungesteuert einen Schuû auslösen können. Dabei kommt es jedoch auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an, die sich nachträglich kaum zuverlässig rekonstruieren lassen. Hier hat das Landgericht eine "klassische Situation für eine reflexhafte Schuûauslösung" nicht festgestellt. Sofern der Hilfsantrag dies behauptet, entfernt er sich in unzulässiger Weise von den verbindlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die von dem behaupteten Beweiswürdigungsmangel nicht tangiert werden. Das Landgericht hat kein Erschrecken des Angeklagten festgestellt, als er den Polizeibeamten angriff , sondern lediglich eine Irritation. Der Angeklagte griff nicht nach der Tür, weil er infolge des Zurückweichens im Begriff war, das Gleichgewicht zu verlieren. Auch hielt sich seine psychische Belastung in den bereits dargelegten Grenzen. Da sich die festgestellte Tatsituation wesentlich von den Versuchssituationen unterscheidet, die den behaupteten Erfahrungssätzen zugrundeliegen , brauchte sich das Landgericht hiermit auch nicht näher auseinanderzusetzen. 2. Die Begründung, mit der das Landgericht Mordmerkmale für die vorsätzliche Tötung verneint hat, hält der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Landgericht nicht alle Tatumstände, die die Annahme eines Mordmerkmals begründen können, in seine Erwägungen einbezogen hat.

a) Heimtücke hat die Schwurgerichtskammer verneint, obwohl sie zutreffend deren objektive Merkmale für gegeben erachtet, denn das Tatopfer war bei dem Angriff des Angeklagten arg- und wehrlos. Ebenso zutreffend erkennt das Landgericht, daû nach dem äuûeren Geschehensablauf auch subjektiv heimtückisches Handeln naheliegt. Seine Zweifel daran, daû der Angeklagte die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit für die Tat erfaût und diese bewuût ausgenutzt hat, begründet das Landgericht damit, daû der Angeklagte sich dem Radarwagen nicht mit vorgefaûtem Tötungsvorsatz genähert habe, daû er sich in einer heftigen Gemütsbewegung befunden habe, der Schuû eine plötzliche Reaktion auf eine Seitwärtsbewegung des Tatopfers gewesen sei und die sofortige Flucht des Angeklagten nur den Schluû zulasse, daû ihm erst jetzt die Tragweite seines Handelns und die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat bewuût geworden sei. Wenn aber das Landgericht meint, Zweifel nicht überwinden zu können, obwohl die subjektiven Merkmale der Heimtücke aufgrund des äuûeren Tathergangs naheliegen, müssen bei der Beweiswürdigung alle wesentlichen Tatumstände in die Betrachtung einbezogen werden, die gegen diese Zweifel sprechen können. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Rechtsfehlerhaft auûer Betracht gelassen hat das Landgericht in diesem Zusammenhang, daû der Angeklagte den Polizeibeamten zunächst unter Verbergen seiner wahren Absicht gezielt in seiner Arglosigkeit bestärkt hat, indem er vorgab, eine Autopanne zu haben und der Hilfe zu bedürfen. Geschossen hat der Angeklagte erst, als sich ergab, daû er für eine Mitteilung an den ADAC Wagentyp und Kennzeichen des angeblich liegengebliebenen Fahrzeugs angeben sollte. Dieser Geschehensablauf legt nahe, daû der Angeklagte in diesem Augenblick zutreffend erkannte, daû jetzt die akute Gefahr seiner Identifizierung bestand, wenn er die erfragten Angaben machen würde. Alles dies deutet auf eine vorhandene Erkenntnis- und Reaktionsfähig-
keit hin, die dafür spricht, daû der Angeklagte auch die Bedeutung der Argund Wehrlosigkeit für die Tat erkannt und bewuût ausgenutzt hat. Hierfür genügt es, daû der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinn erfaût, daû er sich bewuût ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1, 25; BGH NStZ 1984, 506; 1999, 506, 507; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 47). Das Landgericht hätte sich daher näher mit diesen Umständen auseinandersetzen und sie in seine Beweiswürdigung einbeziehen müssen.
b) Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt , der Angeklagte habe nicht getötet, um eine andere Straftat zu ermöglichen , ist ebenfalls lückenhaft. Ziel des gesamten Vorgehens des Angeklagten war es, mit der geladenen Pistole als Drohmittel die Herausgabe des Films zu erreichen. Da sich der Angeklagte spontan zum Schieûen entschlossen habe, meint das Landgericht, nicht feststellen zu können, daû der Angeklagte deshalb geschossen habe, weil er glaubte, auf diese Weise die andere Straftat (Geiselnahme oder schwerer Raub; zur schweren räuberischen Erpressung vgl. unten II, 3) schneller oder leichter begehen zu können. Allein daraus, daû sich der Angeklagte spontan zum Schieûen entschloû, ergibt sich aber keine tragfähige Begründung dafür, daû ihm gerade bei dem Schuû, der geeignet war, ihn seinem Tatziel entscheidend näher zu bringen, dieses Ziel aus dem Bewuûtsein geraten sein sollte. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Angeklagte dieses Ziel schon zuvor aufgegeben hätte. Hierfür fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt; denn dann hätte es nahegelegen, daû der bis dahin nicht identifizierte Angeklagte sofort die Flucht ergriffen und nicht erst noch auf den Polizeibeamten geschossen hätte. Auch dies hätte das Landgericht daher näher erörtern müssen.

c) Nicht zu beanstanden ist, daû das Landgericht einen Verdeckungsmord verneint hat, da als zu verdeckende Tat nur eine Verkehrsordnungswidrigkeit und keine Straftat in Betracht kommt.
d) Das Landgericht hätte aber prüfen müssen, ob der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen getötet hat. Niedrig ist ein Beweggrund, wenn er als Motiv für eine Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe steht und deshalb verachtenswert ist. Dies ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu beurteilen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11, 22 jew. m.w.N.). Auch wenn das Verhalten des Angeklagten tatbestandlich nicht als Verdeckungsmord anzusehen ist, kann das Verdekkungsmotiv , bei dem in aller Regel eine besonders verwerfliche Gesinnung zutage tritt, für sich als niedriger Beweggrund gewertet werden. Dies gilt ganz allgemein für die Fälle, in denen das Opfer für eine Verhaltensweise des Täters getötet wird, die er zwar nicht für strafbar, jedoch für verwerflich oder seinem Ansehen abträglich hält. Das betrifft also Fälle, in denen sich der Täter eigensüchtig der Verantwortung für vorangegangenes Tun oder begangenes Unrecht entziehen will und deshalb tötet (vgl. BGHSt 35, 116, 121 f.; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21 m.w.N.). Auch ein Miûverhältnis zwischen Tatanlaû und Erfolg ist von wesentlicher, wenn auch nicht allein entscheidender Bedeutung für die Annahme eines niedrigen Beweggrunds (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 211 Rdn. 11; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 211 Rdn. 18 jew. m.w.N.). Ein solches krasses Miûverhältnis zwischen der Tat und ihrem Anlaû ist hier gegeben. Dies gilt auch, wenn man die von dem Angeklagten erwarteten beruflichen und familiären Folgen eines Buûgeldverfahrens mitberücksichtigt. Allerdings bedarf die Annahme niedriger
Beweggründe bei einem spontanen Tatentschluû stets besonders sorgfältiger Prüfung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11). 3. Der Schuldspruch wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge kann nicht bestehen bleiben, weil die von dem Angeklagten erstrebte Verhinderung der Geldbuûe keinen Vermögensvorteil im Sinne der Erpressung darstellt und der Angeklagte daher auch nicht in der Absicht handelte, sich zu Unrecht zu bereichern. Daû das Vereiteln einer Geldbuûe und anderer vergleichbarer staatlicher Sanktionen keinen strafrechtlich relevanten Vermögensvorteil darstellt, ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Grund dafür ist, daû diese Sanktionen keine für den Wirtschaftsverkehr relevanten Gegenstände darstellen, da sie dem wirtschaftlichen Verkehr nicht unterliegen, und daû ihnen daher eine wirtschaftliche Zweckbestimmung nicht zugrunde liegt (vgl. BGHSt 38, 345, 351 f. = JR 1994, 114; BayObLG wistra 1991, 230 = JR 1991, 433; OLG Schleswig SchlHA 1978, 59; OLG Stuttgart MDR 1981, 422; OLG Karlsruhe NStZ 1990, 282; RGSt 71, 280, 281; 76, 276, 279 unter Aufgabe abweichender früherer Rechtsprechung; Schröder JR 1964, 230; Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 252; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 78 a; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 42). Dieser Ansicht schlieût sich der Senat an. Auch der Besitz an dem belichteten Film ist hier kein tatbestandsmäûiger Vermögensvorteil. Der bloûe Besitz einer Sache wurde in der Rechtsprechung nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen er einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert darstellt, wie etwa bei der mit dem Besitz verbundenen Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu benutzen (vgl. BGHSt 14, 386, 390; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswerte 1; BGH NStZ-RR 1996, 35; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 253 Rdn. 14 a; Eser in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 253 Rdn. 17). Dies ist bei einem belichteten Film jedoch nicht der Fall. Zudem fehlt es in Bezug auf den Besitz des Films an der Stoffgleichheit zwischen dem erstrebten Vermögensvorteil des Täters und dem drohenden Schaden der Buûgeldbehörde (vgl. BGHR StGB § 263 Stoffgleichheit 3). 4. Der gesonderte Schuldspruch wegen tateinheitlichen Erwerbs zweier Schuûwaffen und von Munition hat Bestand. Die Annahme von Tatmehrheit zwischen dem unerlaubten Erwerb der beiden Gewehre und der Munition einerseits sowie dem Tötungsverbrechen in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe andererseits ist nicht zu beanstanden. Der Erwerb und gleichzeitige Besitz mehrerer Schuûwaffen, zu denen hier auch die Tatwaffe gehörte, kann zwar zu einer tateinheitlichen waffenrechtlichen Dauerstraftat verbunden sein (vgl. BGH NStZ 1997, 446; 1984, 171; Beschl. v. 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98). Hier beruht das Führen der Tatwaffe bei dem Angriff auf die Polizeibeamten aber auf einem neuen Verbrechensentschluû. Dieser neu gefaûte Tatentschluû bildet eine Zäsur, die die Verwirklichung der Verbrechenstatbestände sachlich-rechtlich von der waffenrechtlichen Dauerstraftat ablöst, so daû insoweit Tatmehrheit anzunehmen ist. Dies ändert allerdings nichts daran, daû das Führen der Tatwaffe mit dem Tötungsverbrechen tateinheitlich verwirklicht wurde (vgl. BGHSt 36, 151, 154). Die für das Waffendelikt verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr läût keinen Rechtsfehler erkennen.

III.

Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Tötungsverbrechens hat die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafe von zwölf Jahren sowie der Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen zur Folge.
Der neue Tatrichter wird auch über eine Maûregel nach §§ 69, 69 a StGB zu befinden haben. Jähnke Detter Bode Ri'inBGH Dr. Otten ist Fischer wegen Urlaubs verhindert , ihre Unterschrift beizufügen. Jähnke

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 58/08
vom
27. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Betrugs u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Betrug u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12. September 2007 1. in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass
a) der Angeklagte B. des Betruges, der Nötigung und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
b) der Angeklagte S. der Beihilfe zum Betrug und der Nötigung schuldig sind, 2. in den Strafaussprüchen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Betrug und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Einzelstrafe: drei Jahre Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung rechtskräftig verhängter Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt, neben der eine weitere rechtskräftige Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten bestehen blieb; außerdem hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren angeordnet. Den Angeklagten S. hat es wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Betrug (Einzelstrafe: zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe ) unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Verfahrensrügen sind nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); die Sachrügen führen zur Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der erkannten Einzelstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafen.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bot der Zeuge Se. dem Angeklagten B. einen Mercedes-Vito-Transporter, den Freunde von ihm mittels eines gefundenen Fahrzeugschlüssels gestohlen hatten , zum "Kauf" an. Der Angeklagte B. ging zum Schein auf das Angebot ein und bot für den Transporter, der einen Wert von etwa 20.000 € hatte, 500 € an. Tatsächlich hatte er vor, sich das Fahrzeug zu verschaffen, ohne etwas dafür zu bezahlen. In diesen Plan weihte er den Angeklagten S. und einen unbekannten Dritten ein. Gemeinsam holten die Drei den Zeugen Se. am späten Abend ab und fuhren mit ihm im Fahrzeug des Angeklagten S. zum Abstellort des Transporters. Der Angeklagte B. ließ sich die Fahrzeugschlüssel aushändigen und erklärte dem Zeugen wahrheitswidrig, dieser werde das Geld erhalten, sobald der Transporter in L. , wohin sie nun alle fahren würden, an den Endabnehmer verkauft worden sei. Er fuhr mit dem Transporter voran, wobei er nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war. Der Angeklagte S. folgte ihm zunächst mit seinem Fahrzeug, auf dessen Rücksitz der Zeuge Se. und der unbekannte Dritte saßen. Sodann bog er absprachegemäß in ein Waldstück und hielt dort an. Der unbekannte Dritte forderte den Zeugen mehrfach auf auszusteigen. Dieser widersetzte sich zunächst unter Hinweis auf die ausstehende Bezahlung. Erst als der Dritte ihm - entsprechend dem gemeinsamen Tatplan - einen waffenartigen Gegenstand, den er zum Schein laut durchgeladen hatte, an den Kopf hielt, stieg der Zeuge Se. aus und "verzichtete endgültig auf die 500 € und den Transporter" [UA 9].
3
2. Diese Feststellungen tragen weder die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung noch die des Angeklagten S. wegen täterschaftlich begangenen Betruges.
4
a) Zutreffend hat das Landgericht allerdings den Angeklagten B. des Betruges schuldig befunden. Dieser Angeklagte täuschte den Zeugen Se. über seine Zahlungswilligkeit und erreichte damit, dass der Zeuge ihm den Besitz an dem Transporter überließ. Damit hat er den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllt. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Freunde des Zeugen, für die dieser das Fahrzeug absetzen wollte, den Besitz daran durch Diebstahl erlangt hatten, denn auch der durch einen Diebstahl erlangte rechtswidrige Besitz gehört zu dem von § 263 StGB geschützten Vermögen (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 263 Rdn. 64 m.w.N.). Der Angeklagte B. hat den rechtswidrigen Vermögensvorteil, der in dem Besitz des Transporters bestand, in dem Moment erlangt, als er das Fahrzeug an dem Abstellort übernahm und der Zeuge Se. jede Einwirkungsmöglichkeit verlor.
5
Für eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen mittäterschaftlich begangenen Betruges reichen die getroffenen Feststellungen dagegen nicht aus. Der Angeklagte S. spielte bei dem Betrug nur eine untergeordnete Rolle. Er unterstützte den Angeklagten B. bei der Tatbegehung lediglich dadurch, dass er die Beteiligten in Kenntnis des Tatplans zum Übergabeort fuhr. Sämtliche Täuschungshandlungen hat allein der Angeklagte B. ausgeführt ; nur er hatte ein Interesse an der Durchführung der Tat, denn es ging ihm darum, "sich den Transporter kostenlos zu verschaffen" [UA 7]. Ein eigenes Tatinteresse des Angeklagten S. bestand nach den Feststellungen nicht. Er hat sich daher lediglich der Beihilfe zum Betrug, §§ 263 Abs. 1, 27 StGB, schuldig gemacht.
6
b) Die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand. Zwar ist der Zeuge Se. durch die Bedrohung mit dem waffenartigen Gegenstand nicht nur dazu genötigt worden, das Fahrzeug des Angeklagten S. zu verlassen, sondern auch endgültig auf das Fahrzeug und die vereinbarte Zahlung von 500 € zu verzichten; ein Vermögensschaden wurde ihm dadurch aber nicht zugefügt. Der Vermögensnachteil auf Seiten des Zeugen, der in dem Besitzverlust des Transporters ohne entsprechende Gegenleistung bestand, ist bereits durch den vorangegangenen Betrug eingetreten. Die nach Beendigung des Betruges erfolgte Bedrohung diente allenfalls der Sicherung des vom Angeklagten B. bereits erlangten Vermögensvorteils (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 2; Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 253 Rdn. 37; zu den Sonderfällen unmittelbar anschließender Gewaltanwendung nach fehlge- schlagener Täuschung bzw. vor Beendigung des Betruges vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1 m.w.N.; BGH NStZ 2002, 33).
7
Der endgültige Verzicht auf die versprochene Gegenleistung, zu dem der Zeuge genötigt wurde, trägt die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung ebenfalls nicht. Zwar kann eine Erpressung auch dadurch begangen werden, dass der Täter das Tatopfer durch Drohung oder Gewalt dazu veranlasst , auf die Geltendmachung einer Forderung zu verzichten. Der von dem Tatbestand vorausgesetzte Vermögensschaden tritt in diesen Fällen aber nur ein, wenn eine Forderung besteht und auch werthaltig ist. Hier stand dem Zeugen Se. jedoch kein Anspruch auf Zahlung gegen den Angeklagten B. zu.
8
c) Die insoweit getroffenen Feststellungen ergeben allerdings, dass sich die Angeklagten der gemeinschaftlich begangenen Nötigung, §§ 240, 25 Abs. 2 StGB, schuldig gemacht haben. Entsprechend dem vom Angeklagten B. entwickelten Tatplan hat auch der Angeklagte S. daran mitgewirkt, den Zeugen Se. durch Drohung mit einem empfindlichen Übel dazu zu veranlassen , sich mit dem Besitzverlust endgültig abzufinden. Dieser Tatbestand steht in Tatmehrheit mit dem Betrug bzw. der Beihilfe zum Betrug (vgl. Eser aaO § 253 Rdn. 37) sowie zu dem vom Angeklagten B. begangenen Fahren ohne Fahrerlaubnis.
9
3. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldvorwürfe anders als geschehen hätten verteidigen können, zumal in der Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung der Nötigungsvorwurf mit enthalten ist. Die Änderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Aussprüche über die Gesamtstrafen nach sich. Der Maßregelausspruch bezüglich des Angeklagten B. wird davon nicht betroffen und kann bestehen bleiben.
10
4. Der neu entscheidende Tatrichter wird zu prüfen haben, ob zwischen Anklageerhebung und Urteil eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung eingetreten ist, die einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK darstellt und eine Kompensation erfordert, welche im Wege des Vollstreckungsmodells (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860 f.) vorzunehmen wäre.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249 oder 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 246/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 5. Dezember 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen versuchten Totschlags verurteilt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der erheblich alkoholisierte (BAK von maximal 2,5 ‰) Angeklagte in einer Diskothek mit einem anderen Gast in Streit. Als der Nebenkläger mit Blick zum Angeklagten zwischen die Kontrahenten trat, um die Auseinandersetzung zu beenden, drang der Angeklagte auf ihn ein, zog ein Messer und stach damit in Richtung von dessen Kopf. Er traf ihn am Kinn und verursachte dort eine Stichverletzung. Ein Ein- dringen des Messers in den Hals wurde dadurch verhindert, dass das Messer auf den Kieferknochen traf. Dem Nebenkläger gelang es, dem Angeklagten, der weiterhin auf ihn einstach und ihm noch zwei kleinere Stichwunden an der Hand zufügte, das Messer zu entwinden.
3
Das Landgericht hat direkten Verletzungsvorsatz angenommen, sich hingegen von einem (auch nur bedingten) Tötungsvorsatz nicht zu überzeugen vermocht. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die generelle Gefährlichkeit von Stichverletzungen im Kopfbereich zwar für einen solchen Vorsatz sprechen könnte; wegen der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten im Tatzeitpunkt , des Fehlens eines (nachvollziehbaren) Tötungsmotivs und der bei der Begehung von Tötungsdelikten generell hohen Hemmschwelle könne die Kammer jedoch nicht ausschließen, dass der Angeklagte auf das Ausbleiben tödlicher Verletzungen vertraut habe.
4
1. Die Ablehnung des bedingten Tötungsvorsatzes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt, wobei dies bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe liegt. Ferner sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51 m. w. N.).
6
Diese sorgfältige Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Es wird schon nicht erkennbar, ob die Kammer bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand (zur Bedeutung des Wissens- und des Willenselements bei der Prüfung des bedingten Vorsatzes vgl. BGH NStZ-RR 2006, 9 m. w. N.). Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel der Strafkammer auch am Wissenselement sprechen; die Erörterung der Motivlage und der Hemmschwelle könnte sich auf das Willenselement beziehen. Erkannte der Angeklagte jedoch, wozu sich das Urteil nicht verhält, trotz seiner Alkoholisierung die äußerste Gefährlichkeit eines mit einem Messer geführten Stiches in Richtung der für tödliche Verletzungen in hohem Maße anfälligen Kinn- und Halspartie, dann liegt bei der hier gegebenen Tatgestaltung auch die Billigung des Todes durchaus nahe. Denn der Angeklagte "fuchtelte" nicht etwa ziellos mit dem Messer herum und traf dabei (zufällig) mit dessen Spitze das Kinn des Nebenklägers, sondern stach nach den Feststellungen zielgerichtet in Richtung des Kopfes des Nebenklägers.
7
Soweit das Landgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten abstellt, darf diese nicht dahin missverstanden werden, dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen, auf einen Tötungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in der praktischen Rechtsanwendung in Frage gestellt werden soll und dieser Beweisgrund den Schluss auf einen Tötungsvorsatz in aller Regel nicht tragen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51 m. w. N.).
8
Hinzu kommt, dass die Erwägung des Landgerichts, für den Angeklagten habe es "keinen Grund" gegeben, den die Auseinandersetzung schlichtenden Nebenkläger zu töten, nicht gegen eine Billigung des Todes spricht und deshalb für die Überzeugungsbildung hinsichtlich eines (lediglich) bedingten Tötungsvorsatzes an Bedeutung verliert. Der für möglich erkannte Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 51, 61 jew. m. w. N.). Zuletzt lässt das Landgericht außer Betracht , dass der Angeklagte nicht nur einmal, sondern mit dem Messer noch weiter in Richtung des Nebenklägers stach; dies hätte als ein Indiz dafür, dass er nicht auf einen glimpflichen Ausgang vertraute, erörtert werden müssen.
9
2. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich sowohl eine nähere Beschreibung des Tatwerkzeugs als auch eine Darstellung der Taten empfehlen wird, die zu den erheblichen Vorstrafen des Angeklagten wegen zahlreicher Gewaltdelikte geführt haben; letzteres auch mit Blick darauf, dass das Landgericht wegen der nicht ausschließbaren erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund des Alkoholkonsums eine Strafrahmenverschiebung vorgenommen und sich dabei nicht damit auseinandergesetzt hat, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafrahmenverschiebung in der Regel nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31, 33, 37; einschränkend BGHR aaO 35; BGH NStZ 2008, 619). Für einen Ausnahmefall (vgl. hierzu NStZ-RR 2009, 230) bestehen bislang keine Anhaltspunkte. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 142/08
vom
8. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (Tötung aus niedrigen Beweggründen) zur Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie beruht auf einer unzureichenden Würdigung der festgestellten Tatumstände.
3
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet; vor der Annahme bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH NStZ 2003, 603, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 33). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt es bei äußert gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz grundsätzlich möglich. Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer auch in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkennt oder jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH NStZ 2003, 603; BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 4). Dabei wird in der Regel ein Vertrauen des Täters auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen sein, wenn der von ihm vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommen wird, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38). Wird das Opfer in einer Weise verletzt , die offensichtlich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - etwa einem Stich in das Herz vergleichbar - zum Tode führt (vgl. BGHR aaO 35 und 51), so liegt (zumindest) bedingter Tötungsvorsatz auf der Hand, ohne dass es dafür besonderer Anforderungen an die Darlegung der inneren Tatseite in den Urteilsgründen bedarf (vgl. BGHR aaO 57; BGH NStZ 2007, 150). Dass eine Hand- lung generell geeignet ist, tödliche Verletzungen herbeizuführen, macht hingegen eine sorgfältige Prüfung des bedingten Vorsatzes nicht entbehrlich. Der Schluss auf - bedingten - Tötungsvorsatz ist daher in solchen Fällen nur rechtsfehlerfrei , wenn der Tatrichter in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einbezogen hat, die ein solches Ergebnis in Frage stellen können (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 27, 50).
4
b) Gemessen daran ist der von der Schwurgerichtskammer allein aus der Art der Tatausführung - sechs mit voller Kraft geführte Hiebe mit einer 75 cm langen und gut ein Kilo schweren Eisenstange auf den Rumpf des Opfers - gezogene Schluss auf den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten schon für sich nicht tragfähig. Schläge auf den Rumpf eines Menschen führen grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Verletzungen, die wegen ihrer Gefährlichkeit mit hoher oder gar sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen. Dies gilt auch für die hier festgestellten Hiebe: Das Opfer hat im Wesentlichen Knochenbrüche im Bereich der Rippen, des Oberkörpers und an den Armen sowie großflächige Hämatome erlitten, war über mehrere Stunden nach der Tat bei Bewusstsein sowie ansprechbar und verstarb (erst) etwa drei Wochen später nach einer Lungenentzündung. Keinesfalls genügt den Anforderungen daher die pauschale Annahme des Landgerichts, dass ein Täter, der auf einem anderen in der festgestellten Art und Weise einschlage, eine für jedermann ersichtlich lebensbedrohliche Handlung vornehme und daher zumindest in der Weise mit Tötungsvorsatz handele, dass er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechne und sich mit dem Tod des Opfers abfinde, und zwar bereits bei dem ersten heftigen Schlag. Diese Begründung lässt vielmehr besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes bereits die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Tathandlungen falsch eingeschätzt und zudem die konkreten Folgen der ausgeführten Schläge nicht genügend in den Blick genommen hat.
5
Hinzu kommt, dass das Landgericht weitere maßgebliche Umstände, die gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes, insbesondere des voluntativen Vorsatzelements, sprechen könnten, nicht in die anzustellende Gesamtabwägung einbezogen hat. Insoweit lassen die Erwägungen des Landgerichts namentlich die Berücksichtigung der Tatentstehung und des Nachtatverhaltens des Angeklagten vermissen. Das Landgericht hat bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes nicht bedacht, dass die Tathandlungen ihren Ausgangspunkt in einem strafbaren Verhalten des in der Wohnung des Angeklagten von diesem beherbergten Opfers hatten, dieses den Angeklagten auch zwischen den einzelnen Schlagserien mehrfach zur Wut provozierte und Täter wie Opfer dem Trinkermilieu angehörten. Ferner lässt das Landgericht unberücksichtigt, dass der Angeklagte bereits kurz nach der Tat einen Notruf absetzen wollte und in den folgenden etwa sieben Stunden mehrere Nachbarn hilfesuchend ansprach sowie schließlich selbst den Rettungsdienst herbeirief, wobei er allein wegen seiner Furcht vor Bestrafung so lange gezögert hatte. Schließlich hat das Landgericht die hohe Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit (3,55 o/oo lediglich im Zusammenhang mit der Frage erörtert, ob der Angeklagte deswegen daran gehindert war, die Lebensgefährlichkeit seines Handelns zu erkennen. Dieser Umstand hätte indes auch bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelementes Berücksichtigung finden müssen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 55).
6
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
7
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum einen (bedingten) Tötungsvorsatz bejahen, so wird er bei der Prüfung der Frage, ob die Tötung aus niedrigen Beweggründen begangen wurde, alle für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit (st. Rspr.; vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 9 m.
w. N.) umfassend in den Blick nehmen müssen. Nach den bisher getroffenen Feststellungen liegt es fern, dass der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB gehandelt haben könnte. RiBGH Pfister befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Becker Kolz Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 246/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 5. Dezember 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen versuchten Totschlags verurteilt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der erheblich alkoholisierte (BAK von maximal 2,5 ‰) Angeklagte in einer Diskothek mit einem anderen Gast in Streit. Als der Nebenkläger mit Blick zum Angeklagten zwischen die Kontrahenten trat, um die Auseinandersetzung zu beenden, drang der Angeklagte auf ihn ein, zog ein Messer und stach damit in Richtung von dessen Kopf. Er traf ihn am Kinn und verursachte dort eine Stichverletzung. Ein Ein- dringen des Messers in den Hals wurde dadurch verhindert, dass das Messer auf den Kieferknochen traf. Dem Nebenkläger gelang es, dem Angeklagten, der weiterhin auf ihn einstach und ihm noch zwei kleinere Stichwunden an der Hand zufügte, das Messer zu entwinden.
3
Das Landgericht hat direkten Verletzungsvorsatz angenommen, sich hingegen von einem (auch nur bedingten) Tötungsvorsatz nicht zu überzeugen vermocht. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die generelle Gefährlichkeit von Stichverletzungen im Kopfbereich zwar für einen solchen Vorsatz sprechen könnte; wegen der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten im Tatzeitpunkt , des Fehlens eines (nachvollziehbaren) Tötungsmotivs und der bei der Begehung von Tötungsdelikten generell hohen Hemmschwelle könne die Kammer jedoch nicht ausschließen, dass der Angeklagte auf das Ausbleiben tödlicher Verletzungen vertraut habe.
4
1. Die Ablehnung des bedingten Tötungsvorsatzes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt, wobei dies bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe liegt. Ferner sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51 m. w. N.).
6
Diese sorgfältige Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Es wird schon nicht erkennbar, ob die Kammer bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand (zur Bedeutung des Wissens- und des Willenselements bei der Prüfung des bedingten Vorsatzes vgl. BGH NStZ-RR 2006, 9 m. w. N.). Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel der Strafkammer auch am Wissenselement sprechen; die Erörterung der Motivlage und der Hemmschwelle könnte sich auf das Willenselement beziehen. Erkannte der Angeklagte jedoch, wozu sich das Urteil nicht verhält, trotz seiner Alkoholisierung die äußerste Gefährlichkeit eines mit einem Messer geführten Stiches in Richtung der für tödliche Verletzungen in hohem Maße anfälligen Kinn- und Halspartie, dann liegt bei der hier gegebenen Tatgestaltung auch die Billigung des Todes durchaus nahe. Denn der Angeklagte "fuchtelte" nicht etwa ziellos mit dem Messer herum und traf dabei (zufällig) mit dessen Spitze das Kinn des Nebenklägers, sondern stach nach den Feststellungen zielgerichtet in Richtung des Kopfes des Nebenklägers.
7
Soweit das Landgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten abstellt, darf diese nicht dahin missverstanden werden, dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen, auf einen Tötungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in der praktischen Rechtsanwendung in Frage gestellt werden soll und dieser Beweisgrund den Schluss auf einen Tötungsvorsatz in aller Regel nicht tragen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51 m. w. N.).
8
Hinzu kommt, dass die Erwägung des Landgerichts, für den Angeklagten habe es "keinen Grund" gegeben, den die Auseinandersetzung schlichtenden Nebenkläger zu töten, nicht gegen eine Billigung des Todes spricht und deshalb für die Überzeugungsbildung hinsichtlich eines (lediglich) bedingten Tötungsvorsatzes an Bedeutung verliert. Der für möglich erkannte Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 51, 61 jew. m. w. N.). Zuletzt lässt das Landgericht außer Betracht , dass der Angeklagte nicht nur einmal, sondern mit dem Messer noch weiter in Richtung des Nebenklägers stach; dies hätte als ein Indiz dafür, dass er nicht auf einen glimpflichen Ausgang vertraute, erörtert werden müssen.
9
2. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich sowohl eine nähere Beschreibung des Tatwerkzeugs als auch eine Darstellung der Taten empfehlen wird, die zu den erheblichen Vorstrafen des Angeklagten wegen zahlreicher Gewaltdelikte geführt haben; letzteres auch mit Blick darauf, dass das Landgericht wegen der nicht ausschließbaren erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund des Alkoholkonsums eine Strafrahmenverschiebung vorgenommen und sich dabei nicht damit auseinandergesetzt hat, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafrahmenverschiebung in der Regel nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31, 33, 37; einschränkend BGHR aaO 35; BGH NStZ 2008, 619). Für einen Ausnahmefall (vgl. hierzu NStZ-RR 2009, 230) bestehen bislang keine Anhaltspunkte. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 142/08
vom
8. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (Tötung aus niedrigen Beweggründen) zur Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie beruht auf einer unzureichenden Würdigung der festgestellten Tatumstände.
3
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet; vor der Annahme bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH NStZ 2003, 603, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 33). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt es bei äußert gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz grundsätzlich möglich. Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer auch in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkennt oder jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH NStZ 2003, 603; BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 4). Dabei wird in der Regel ein Vertrauen des Täters auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen sein, wenn der von ihm vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommen wird, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38). Wird das Opfer in einer Weise verletzt , die offensichtlich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - etwa einem Stich in das Herz vergleichbar - zum Tode führt (vgl. BGHR aaO 35 und 51), so liegt (zumindest) bedingter Tötungsvorsatz auf der Hand, ohne dass es dafür besonderer Anforderungen an die Darlegung der inneren Tatseite in den Urteilsgründen bedarf (vgl. BGHR aaO 57; BGH NStZ 2007, 150). Dass eine Hand- lung generell geeignet ist, tödliche Verletzungen herbeizuführen, macht hingegen eine sorgfältige Prüfung des bedingten Vorsatzes nicht entbehrlich. Der Schluss auf - bedingten - Tötungsvorsatz ist daher in solchen Fällen nur rechtsfehlerfrei , wenn der Tatrichter in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einbezogen hat, die ein solches Ergebnis in Frage stellen können (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 27, 50).
4
b) Gemessen daran ist der von der Schwurgerichtskammer allein aus der Art der Tatausführung - sechs mit voller Kraft geführte Hiebe mit einer 75 cm langen und gut ein Kilo schweren Eisenstange auf den Rumpf des Opfers - gezogene Schluss auf den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten schon für sich nicht tragfähig. Schläge auf den Rumpf eines Menschen führen grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Verletzungen, die wegen ihrer Gefährlichkeit mit hoher oder gar sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen. Dies gilt auch für die hier festgestellten Hiebe: Das Opfer hat im Wesentlichen Knochenbrüche im Bereich der Rippen, des Oberkörpers und an den Armen sowie großflächige Hämatome erlitten, war über mehrere Stunden nach der Tat bei Bewusstsein sowie ansprechbar und verstarb (erst) etwa drei Wochen später nach einer Lungenentzündung. Keinesfalls genügt den Anforderungen daher die pauschale Annahme des Landgerichts, dass ein Täter, der auf einem anderen in der festgestellten Art und Weise einschlage, eine für jedermann ersichtlich lebensbedrohliche Handlung vornehme und daher zumindest in der Weise mit Tötungsvorsatz handele, dass er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechne und sich mit dem Tod des Opfers abfinde, und zwar bereits bei dem ersten heftigen Schlag. Diese Begründung lässt vielmehr besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes bereits die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Tathandlungen falsch eingeschätzt und zudem die konkreten Folgen der ausgeführten Schläge nicht genügend in den Blick genommen hat.
5
Hinzu kommt, dass das Landgericht weitere maßgebliche Umstände, die gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes, insbesondere des voluntativen Vorsatzelements, sprechen könnten, nicht in die anzustellende Gesamtabwägung einbezogen hat. Insoweit lassen die Erwägungen des Landgerichts namentlich die Berücksichtigung der Tatentstehung und des Nachtatverhaltens des Angeklagten vermissen. Das Landgericht hat bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes nicht bedacht, dass die Tathandlungen ihren Ausgangspunkt in einem strafbaren Verhalten des in der Wohnung des Angeklagten von diesem beherbergten Opfers hatten, dieses den Angeklagten auch zwischen den einzelnen Schlagserien mehrfach zur Wut provozierte und Täter wie Opfer dem Trinkermilieu angehörten. Ferner lässt das Landgericht unberücksichtigt, dass der Angeklagte bereits kurz nach der Tat einen Notruf absetzen wollte und in den folgenden etwa sieben Stunden mehrere Nachbarn hilfesuchend ansprach sowie schließlich selbst den Rettungsdienst herbeirief, wobei er allein wegen seiner Furcht vor Bestrafung so lange gezögert hatte. Schließlich hat das Landgericht die hohe Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit (3,55 o/oo lediglich im Zusammenhang mit der Frage erörtert, ob der Angeklagte deswegen daran gehindert war, die Lebensgefährlichkeit seines Handelns zu erkennen. Dieser Umstand hätte indes auch bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelementes Berücksichtigung finden müssen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 55).
6
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
7
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum einen (bedingten) Tötungsvorsatz bejahen, so wird er bei der Prüfung der Frage, ob die Tötung aus niedrigen Beweggründen begangen wurde, alle für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit (st. Rspr.; vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 9 m.
w. N.) umfassend in den Blick nehmen müssen. Nach den bisher getroffenen Feststellungen liegt es fern, dass der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB gehandelt haben könnte. RiBGH Pfister befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Becker Kolz Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 301/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2006 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten K. aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieses Rechtsmittels - an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen das Urteil. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Sie wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Erfolg hat, ist das Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Schuldspruch zu ändern und im Strafausspruch aufzuheben.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Nachmittag des 29. Oktober 2005 überfielen die Angeklagten S. und K. den 62-jährigen W. in seinem Schrebergarten, um dessen Fahrzeug gewaltsam zu entwenden. Die beiden Angeklagten hatten sich zuvor darauf verständigt, das Opfer niederzuschlagen, um ihm die Autoschlüssel abzunehmen und die Zeit der Ohnmacht oder Benommenheit zur Wegnahme des Autos und zur Flucht zu nutzen. Der Angeklagte K. sollte dazu W. nach Wasser und Arbeit fragen; währenddessen sollte sich der Angeklagte S. unbemerkt von hinten anschleichen und das Opfer niederschlagen. Die Mitangeklagte D. hatte diese Absprache mitbekommen und war damit einverstanden, in der Nähe des Fahrzeugs zu warten und gegebenenfalls vor herannahenden Personen zu warnen. K. und D. wussten, dass der Angeklagte S. ein Fahrtenmesser in der Lederscheide am Gürtel bei sich trug.
4
Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend verwickelte der Angeklagte K. W. in ein Gespräch. Der Angeklagte S. hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. In ihm war plötzlich der Gedanke gereift, W. mit seinem mitgeführten Messer zu erstechen, um ungestört und ohne Angst vor späteren Folgen mit dem entwendeten Pkw weiterreisen zu können. Er zog deshalb mit der rechten Hand sein Fahrtenmesser aus der Lederscheide und schlich sich - ansonsten absprachegemäß - von hinten an den völlig ahnungslosen W. heran. Als er dicht hinter ihm angekommen war, schlug er W. nicht - wie vom Angeklagten K. dem Tatplan gemäß erwartet - nieder, sondern umschlang ihn mit dem linken Arm von hinten im Schulterbereich und zog ihn zu sich her. Gleichzeitig führte er mit der rechten Hand mit dem gezückten Messer in Tötungsabsicht zwei heftige Stiche tief in die linke Halsseite, wodurch die Halsschlagader durchtrennt wurde. W. sank zu Boden, versuchte aber in höchster Lebensangst zu schreien und sich durch Arm- und Beinbewegungen zu wehren. Der Angeklagte S. stürzte sich auf ihn und stach weitere neun Mal schnell und heftig vor allem auf die linke Brustseite des Opfers ein. Der nun wehrlose, tödlich getroffene W. gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
5
Um der Gefahr der zufälligen Entdeckung durch Passanten auf dem nur wenige Meter entfernten Weg zu entgehen, begann der Angeklagte S. W. nach hinten in das Grundstück zu ziehen. Da ihm dies alleine zu schwer und zu langsam ging, forderte er den Angeklagten K. auf, ihm zu helfen. K. hatte, als er die wahre Absicht des Angeklagten S. erkannte, versucht wegzulaufen, war aber an den Spalierdrähten der Sträucher gescheitert. Als er auf die Aufforderung nicht gleich reagierte, drohte ihm der Angeklagte S. , dass ihm dasselbe geschehe. Da es dem Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer bedrängten Lage (keine finanziellen Mittel, keine Bleibe) und wegen seines angeschlagenen körperlichen Zustandes (Blasen an den Füßen) nach wie vor darum ging, in den Besitz des Fahrzeugs zu gelangen, um damit gemeinsam schnell und bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite und entschloss sich, diesem zu helfen. Er nahm die rechte Hand von W. , dessen Tod auch er alsbald erwartete, und schleifte gemeinsam mit dem Angeklagte S. das bereits bewusstlos gewordene Opfer rund zehn Meter Richtung Grundstücksmitte, um es zu verstecken.
6
Während der Angeklagte K. sich nun auf Anweisung des Angeklagten S. auf den Weg zum Auto machte, nahm der Angeklagte S. den Schlüsselbund, an dem sich unter anderem der Autoschlüssel befand, aus der Hosentasche des Opfers. Die Angeklagte D. war während des Geschehens absprachegemäß in der Nähe des Fahrzeugs geblieben, um den Weg zu beobachten und gegebenenfalls rechtzeitig zu warnen. Die drei Angeklagten flüchteten anschließend mit dem Auto des Opfers. W. verstarb an den ihm zugefügten Verletzungen.
7
II. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Sachrüge geltend macht, das Landgericht habe § 35 Abs. 2 StGB übersehen, dringt er nicht durch. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 StGB liegen nach den getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht vor, so dass die Kammer in den Urteilsgründen auch nicht darauf eingehen musste. http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/jit/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE004118042&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
8
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge erstrebt, hat Erfolg. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen diesen Schuldspruch.
9
1. Zwar sind dann, wenn lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht hat, die übrigen nach § 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hat.
10
Nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan beziehungsweise von den Vorstellungen des Mittäters begründet die Annahme eines Exzesses. Vielmehr liegt sukzessive Mittäterschaft vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dieses in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird. "Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344, 346). Der die Mittäterschaft begründende Eintritt ist demnach noch möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, selbst wenn sie strafrechtlich schon vorher vollendet war (BGH JZ 1981, 596).

11
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge.
12
Der Angeklagte K. hat in Verfolgung des gemeinsamen Tatplanes die tödlich verlaufenden Körperverletzungen, die sein Mittäter - im Rahmen verabredeter Gewaltausübung - dem Opfer beigebracht hatte, dazu ausgenutzt, sich und seine Tatgenossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen. Dass die tatsächliche Tatausführung von der ursprünglich geplanten abwich, ist dabei unerheblich. Der Angeklagte K. hatte nach den Feststellungen das Geschehen unmittelbar mitverfolgt und trat in Kenntnis und Billigung dieser Umstände in die bereits begonnene, von der ursprünglichen Absprache abweichende Ausführungshandlung ein, indem er mit dem Angeklagten S. das Opfer, "dessen Tod auch er alsbald erwartete" (UA S. 19), versteckte. Um bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite. Dadurch sowie durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten und durch das folgende Entwenden des Fahrzeugs hat sich sein Vorsatz sukzessiv auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters S. erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; BGH, Beschl. vom 1. Februar 2007 - 5 StR 494/06; Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 10). Der Angeklagte K. handelte im Hinblick auf die von ihm gebilligten Tathandlungen des Angeklagten S. und durch die eigene Mithilfe beim Verstecken des tödlich verletzten Opfers bezüglich des Todeseintritts jedenfalls leichtfertig. Dies bedarf aufgrund der Art des Messereinsatzes durch den Angeklagten S. keiner näheren Ausführung.
13
Somit hat er sich als Mittäter des Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Gleichzeitig wurde er Gehilfe des Mörders mit den eigenen Mordmerkmalen "aus Habgier" und "zur Ermöglichung einer Straftat" nach §§ 211, 27 StGB.
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3. Da weitere Feststellungen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
15
IV. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen hierzu kann der neue Tatrichter treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
16
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der Senat die Sache zur Bemessung einer neuen Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/09
vom
9. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 9. Juni
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten R. und J. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. November 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten J. in vollem Umfang ,
b) hinsichtlich des Angeklagten R. , soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt, den Angeklagten R. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten J. hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es der Erörterung der von ihm erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf. Das Rechtsmittel des Angeklagten R. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich beide Angeklagte in den Abendstunden des 13. Mai 2008 in der Wohnung der Marianne H. in Wernigerode auf und genossen, wie schon am Nachmittag zuvor, im Einzelnen nicht näher feststellbare Mengen Alkohol. In den frühen Morgenstunden des 14. Mai 2008 unternahm der erheblich unter Alkoholeinfluss stehende Marco Pi. , der ebenfalls in der Wohnung anwesend war, Annäherungsversuche gegenüber Marianne H. und berührte sie an verschiedenen Körperteilen. Auf den Versuch des Angeklagten J. , Marco Pi. von weiteren Übergriffen abzuhalten und ihn zu diesem Zweck von Marianne H. zu trennen, reagierte Pi. mit einer abwehrenden Armbewegung, wobei er den Angeklagten J. mit der Hand am Hals berührte. Über dieses Verhalten ärgerte sich der Angeklagte R. und beschloss, Marco Pi. dafür mit körperlicher Züchtigung zu bestrafen. Er versetzte diesem drei bis vier Faustschläge auf die linke Gesichtshälfte, woraufhin der Angeklagte J. , der ebenso verärgert war, nun seinerseits beschloss, sich der Bestrafung des Marco Pi. anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Er schlug mehrfach gegen den Körper des Marco Pi. und trat auch mindestens einmal gegen ihn. In der Zwischenzeit beteiligte sich auch der Angeklagte R. weiter an den mit heftigen Schlägen geführten körperlichen Misshandlungen des mittlerweile von der Couch gerutschten Geschädigten. Beide Angeklagte hätten dabei auf Grund ihrer persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen trotz erheblichen Alkoholgenusses erkennen können, dass der auf Grund erheblicher Alko- holisierung (BAK: 4,0 Promille) nahezu wehrlose Geschädigte bei einer derartigen Behandlung ums Leben kommen könne und dass dieser Erfolg durch ein Unterlassen der Gewalthandlungen hätte vermieden werden können. Der Geschädigte erlitt unter Anderem eine Schädel-Hirn-Verletzung mit Brückenvenenabriss. Die dadurch verursachten Blutungen führten noch am selben Tag zum Tode.
3
2. Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass die massive Einblutung in das Hirn des Geschädigten infolge des Abrisses mehrerer Brückenvenen todesursächlich war. Hierfür komme eine stumpfe Gewalteinwirkung gegen den frei beweglichen Kopf des Geschädigten in Betracht; bei Anwendung entsprechender Kraft könne dafür schon ein Schlag ausreichend sein. Ob schon allein die vor dem Eingreifen des Angeklagten J. von R. begangenen Gewalthandlungen für den Eintritt des Brückenvenenabrisses ursächlich waren, hat das Landgericht jedoch, auch insoweit dem Sachverständigen folgend, nicht festzustellen vermocht; auch das Zusammenwirken mehrerer Verletzungshandlungen für den Eintritt des Erfolges hat es nicht feststellen können. Mit der Erwägung, es könne dahinstehen, wer von den beiden Angeklagten die Handlungen ausgeführt habe, die die tödliche Verletzung hervorrief , hat es beide Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt; beide Angeklagte müssten sich auf Grund der mittäterschaftlichen Begehungsweise die Tatbeiträge des jeweils Anderen zurechnen lassen.
4
II. Verurteilung des Angeklagten R.
5
Der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen beschloss der Angeklagte J. , sich der von dem Angeklagten R. begonnenen "Bestrafung" des Geschädigten anzuschließen und setzte diesen Entschluss sodann in die Tat um. Die Gewaltanwendung in diesem zweiten Tatabschnitt erfolgte somit im gegenseitigen Einverständnis und Zusammenwirken beider Angeklagter. Daher muss sich der Angeklagte R. auch die Schläge und den Fußtritt des in diesem Handlungsabschnitt hinzugetretenen Angeklagten J. gegen das Tatopfer zurechnen lassen. Dass R. die todesursächliche Verletzungshandlung – möglicherweise – nicht selbst vorgenommen hat, steht einer Strafbarkeit gemäß § 227 StGB nicht entgegen. Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (Senatsurteil NStZ 1994, 339 m.w.N.). So liegt es hier.
6
III. Verurteilung des Angeklagten J.
7
1. Im Hinblick auf den Angeklagten J. begegnet der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt der Umstand, dass J. die von ihm beobachtete vorangegangene Gewaltanwendung durch den Angeklagten R. billigte und sich zur Teilnahme an dessen weiterer Gewaltanwendung entschloss, nicht dazu, dass die ihm bereits vor seinem Tatentschluss durch R. allein verwirklichten Tatumstände zuzurechnen wären. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven ) Mittäterschaft und eine Mitwirkung an einem Verbrechen des § 227 StGB trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen Anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548, 549; Senatsurteil NStZ 1994, 339).
8
2. Da das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht feststellen konnte, welche der von beiden Angeklagten ausgeübten Gewalteinwirkungen für den todesursächlichen Brückenvenenabriss in der Hirnkammer des Geschädigten ursächlich war, war in Anwendung des Zweifelssatzes davon auszugehen, dass dem Geschädigten die zum Tode führende Verletzung schon im ersten Teil des Geschehens und damit vor dem Zeitpunkt zugefügt worden war, als der Angeklagte J. beschloss, sich der durch den Mitangeklagten R. begonnenen Bestrafung des Tatopfers anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Sollte die zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer insoweit zu keinen weiteren Feststellungen gelangen können , kommt hinsichtlich des Angeklagten J. lediglich eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht.
9
IV. Rechtlichen Bedenken begegnet weiter, dass das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat (§ 64 StGB).
10
1. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei beiden Angeklagten zwar einen Hang im Sinne von § 64 StGB bejaht, jedoch gemeint, es fehle an einem symptomatischen Zusammenhang mit der Straftat. Bei beiden Angeklag- ten sei es vielmehr schon im Vorfeld der Suchtentwicklung sozialisationsbedingt zu einer verschobenen Norm- und Wertevorstellung gekommen, aus der heraus "Gewaltanwendungen auch in der Perspektive einer Alkoholabstinenz seitens der Angeklagten als probates Mittel betrachtet (worden seien), um Konflikte zu lösen". Es gebe daher einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der körperverletzenden Verhaltensweise und den verschobenen Norm- und Wertvorstellungen , nicht aber einen solchen mit der bestehenden Alkoholabhängigkeit.
11
2. Mit dieser Begründung begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Anordnung der Maßregel von zu engen Voraussetzungen abhängig gemacht.
12
a) § 64 Abs. 1 StGB setzt einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem festgestellten Hang zum übermäßigen Alkohol- bzw. Drogengenuss und der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters voraus (vgl. nur BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1). Ein solcher Zusammenhang zwischen den begangenen und den künftig zu befürchtenden Straftaten einerseits und dem Hang zum übermäßigen Alkoholgenuss andererseits ist auch dann zu bejahen , wenn der Hang zum Alkoholgenuss – neben anderen Umständen – mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH NStZ-RR 1997, 231; BGH NStZ 2000, 25). Der Zusammenhang kann grundsätzlich nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (BGHR aaO).
13
b) Die Strafkammer hat insoweit festgestellt, dass beide Angeklagte seit ihrem sechzehnten Lebensjahr regelmäßig Alkoholmissbrauch betreiben, teilweise bis zum Eintritt des Kontrollverlustes, und daneben in erheblichem Umfang Drogen konsumieren. Der Angeklagte R. hat bereits zweimal eine kurzzeitige Therapiemaßnahme absolviert. Lebensinhalt beider Angeklagter ist seit Jahren der regelmäßige Konsum von Alkohol und Rauschmitteln im Freundeskreis , lediglich unterbrochen durch die Verbüßung von Freiheitsstrafen aus zahlreichen Vorverurteilungen wegen Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten. Die Angeklagten verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung und gehen keiner geregelten Beschäftigung nach. Die hier abgeurteilte Tat steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zuvor über den wesentlichen Teil des Tattages hinweg betriebenen Alkoholkonsum. Dass die erhebliche Alkoholisierung die gewalttätige Reaktion der Angeklagten auf eine vergleichsweise geringfügige sexuelle Belästigung einer dritten Person mit beeinflusst hat, liegt danach auf der Hand. Damit ist der erforderliche symptomatische Zusammenhang in dem Sinne dargetan, dass die Alkoholsucht die Begehung der Tat mit ausgelöst hat, mag sie ihre Ursache auch in der von dem medizinischen Sachverständigen bei den Angeklagten festgestellten, bereits zuvor sozialisationsbedingt eingetretenen Verschiebung der allgemeinen Norm- und Wertevorstellungen haben. Kann die kriminalitätsfördernde Wirkung der Sucht in einem solchen Fall durch eine erfolgreiche Behandlung beseitigt werden, ist auch die Tätergefährlichkeit im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB vermindert. Den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, dass bei beiden Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines solchen Behandlungserfolges nicht besteht.
14
c) Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5, 7; BGH NStZ-RR 2008, 107). Sie haben die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.). Der Strafausspruch bei dem Angeklagten R. kann bestehen bleiben. Der Senat kann angesichts des Tatbildes ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
15
3. Es wird nunmehr mit sachverständiger Hilfe (§ 246 a StPO) die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB sowie - im Hinblick auf § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB i.d.F. des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BGBl I 1327) – die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung zu klären sein (vgl. Senatsbeschluss StV 2007, 634).
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 582/99
vom
16. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Februar
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechtes gerügt wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

1. Am 30. September 1998 befanden sich der Angeklagte, sein Freund M. und das spätere Tatopfer E. in einer Gaststätte. M. und E. hatten eine Auseinandersetzung. Der erboste E. verließ das Lokal, drohte aber wiederzukommen. Er holte ein großes Brotmesser und lauerte M. auf. Als der Angeklagte
und M. das Lokal verließen und sich gerade getrennt hatten, sprang E. hervor und brachte dem überraschten M. mit dem Messer am Kopf eine lange Schnittverletzung bei. M. schrie um Hilfe und rannte in Todesangst davon; E. verfolgte ihn. Der Angeklagte folgte den beiden, um seinem Freund zu helfen. E. unterbrach die Verfolgung M.‘s und wandte sich, das Messer in der Hand haltend, nunmehr angriffsbereit dem Angeklagten zu. Dieser prallte in vollem Lauf auf E. und riß ihn zu Boden, wobei diesem das Messer aus der Hand fiel. Es kam zu einem Kampf am Boden, wobei es dem Angeklagten gelang, in den Besitz des Messers zu kommen, mit dem er nun auf seinen Gegner einstach. Die Reihenfolge der Stich- und Schnittverletzungen ließ sich nicht sicher feststellen. Die Kammer ging deshalb zugunsten des Angeklagten davon aus, daß er E. neben Abwehrverletzungen an Arm und Hand als erstes die drei tiefen Stichverletzungen an der Rückseite des rechten Oberschenkels zufügte, unter denen sich die später zum Tode führende Schlagaderverletzung befand. Während dieser Phase des Kampfes mußte der Angeklagte sich noch gegen den Angriff seines Gegners wehren und damit rechnen, daß dieser die Absicht hatte, ihm das Messer wieder zu entwinden und es dann gegen ihn (den Angeklagten) zu richten. Das änderte sich, nachdem der Angeklagte die ersten Stiche gesetzt hatte. Infolge der ihm zugefügten schweren Verletzung schwand die Angriffskraft E.‘s und es gelang dem Angeklagten, seinen Gegner mit dem Rücken auf den Boden zu fixieren und sich - das Gesicht in Richtung von dessen Füßen, den Rücken zu E.‘s Kopf - auf seinen Brustkorb zu setzen oder zu knien. Obwohl der Angeklagte erkannte, daß er seinen Angreifer überwältigt hatte und von diesem, seit er schwerverletzt auf dem Rücken lag, keine Gefahr mehr befürchten mußte, stach er wuchtig mindestens viermal weiter mit dem Messer auf E. ein, gezielt in den Bereich der Beine, wobei er E. nicht töten, sondern nur verletzen wollte. Er nahm bewußt davon Abstand, E. in den Oberkörper-
Bauchbereich zu stechen, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. M., der zunächst weitergelaufen war, kam zurück und sah E. reglos und blutend am Boden liegen. Dem Angeklagten wurde bewußt, daß er ”etwas Schlimmes getan” hatte. Er sprang auf, rief zu M. ”Laß uns abhauen!”, und beide rannten zum Pkw des Angeklagten. Der Angeklagte glaubte in diesem Augenblick nicht, daß E. bereits im Sterben lag, aber es war ihm klar, daß er ihn durch die heftigen Stiche so schwer verletzt hatte, daß dieser ohne ärztliche Behandlung verbluten würde. Obwohl er nicht damit rechnete - was in Anbetracht der tiefen Nachtzeit, der menschenleeren Örtlichkeit und des Regenwetters auch nicht anzunehmen war -, daß dem Verletzten rechtzeitig Hilfe zuteil werden würde, fuhr er mit M. davon. Er tat dies, weil er wegen seiner Vorstrafen befürchtete, daß die Polizei ihm nicht glauben würde, und nahm den Tod des E. durch Verbluten dabei billigend in Kauf. E. wurde ins Krankenhaus eingeliefert und verstarb infolge der erhaltenen Verletzungen. ”Der Tod trat ein infolge der Durchtrennung der rechten Oberschenkelschlagader und vielfältiger Verletzungen kleinerer Gefäße im Bereich der übrigen Wunden, die zu einem massiven Blutverlust führten, der auch durch intensivärztliche Maßnahmen mit Massenbluttransfusionen nicht mehr abzuwenden war, so daß schließlich unter den Zeichen der allgemeinen Blutgerinnungsstörung und Ausprägung von Schockorganen der Tod eintrat” (UA S. 14/15). Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die tödlichen Stiche durch Notwehr gerechtfertigt waren. In den anschließenden weiteren vier Stichen hat es eine gefährliche Körperverletzung gesehen. In Tatmehrheit hierzu hat es versuchten Totschlag durch Unterlassen angenommen. Der Angeklagte habe durch sein vorangegangenes Tun eine Garantenpflicht gegenüber dem Opfer
gehabt. Da die unterlassene Hilfeleistung aber - was der Angeklagte nicht habe wissen können - nicht kausal für den Tod des E. gewesen sei, sei ”nur” wegen eines versuchten Totschlags zu verurteilen.

III.

Das Urteil war aufzuheben. Die Feststellungen zur Todesursache sind widersprüchlich. Die Kammer ist an mehreren Stellen des Urteils zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, daß dieser ”als erstes die drei tiefen Stichverletzungen , unter anderem die später zum Tode führende Schlagaderverletzung”, zufügte. Andererseits hat das Tatgericht festgestellt, daß der Tod infolge der Durchtrennung der rechten Oberschenkelschlagader und vielfältiger Verletzungen kleinerer Gefäße im Bereich der übrigen Wunden ... eingetreten ist. Er sei infolge der ”erhaltenen Verletzungen” verstorben. Nach letzterer Feststellung waren die weiteren Stiche mitursächlich für den Tod des Opfers. Dies läßt sich nicht damit vereinbaren, daß nur die ersten (durch Notwehr gerechtfertigten) Stiche todesursächlich waren. Eine eindeutige Feststellung der Todesursache ist für den Schuldspruch aber von entscheidender Bedeutung: 1. Waren nur die ersten (durch Notwehr gerechtfertigten) Stiche todesursächlich , wäre der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung - im Hinblick auf die vier weiteren Stiche - zutreffend. Körperverletzung mit Todesfolge läge nicht vor, da durch diese Stiche der Tod nicht verursacht wurde. Durch die ersten Stiche hatte der Angeklagte bei E. rechtmäßig den Tod herbeigeführt. Eine Verurteilung gleichwohl wegen (versuchten) Totschlags
(durch Unterlassen) käme danach nicht ohne weiteres in Betracht. Wäre das Opfer sofort gestorben, läge dies auf der Hand. Die Rechtslage ändert sich aber insoweit nicht dadurch, daß der Tod mit einiger Verzögerung eintrat; denn er konnte nicht abgewendet werden. Da die ersten Stiche in Notwehr erfolgten, haben sie hier zu keiner Garantenstellung des Angeklagten geführt (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 2 = NJW 1987, 850). Denn das Bestehen einer Garantenstellung aus vorangegangenem Verhalten setzt jedenfalls eine Pflichtwidrigkeit voraus (vgl. u.a. BGH NStZ 1998, 83; vgl. auch BGHSt 37, 106, 115). Die Verletzung eines Angreifers in Notwehr macht daher in der Regel den Angegriffenen nicht zum Garanten für das Leben des Angreifers (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juli 1970 - 2 StR 221/70, auszugsweise wiedergegeben in BGHSt 23, 327 und BGH MDR 1971, 59; vgl. auch Bringewat MDR 1971, 716, 717; insoweit auch zustimmend Maiwald JuS 1981, 473, 483). Ein Ausnahmefall , daß der Angreifer ”zurechnungsunfähig oder sonst schuldlos ist” (vgl. BGHSt 23, 327, 328), liegt hier nicht vor. Die weiteren - pflichtwidrigen und zur Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung führenden - Stiche haben hier ebenfalls keine Garantenstellung begründet. Pflichtwidriges Vorverhalten begründet nur dann eine Garantenstellung , wenn es die nahe Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolges verursacht (vgl. u.a. BGH NStZ 1998, 83; BGH StV 1998, 127, 128; BGH NJW 1992, 1246, 1247; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3). Die gefährliche Körperverletzung hat hier nicht die nahe Gefahr des Todes verursacht. Eine Körperverletzung löst nur dann eine Garantenstellung aus, wenn sie einen gefahrerhöhenden Zustand bewirkt hat. Das ist hier nicht der Fall. Bei einem - unrettbar - tödlich Verletzten kann ein die Todesgefahr
erhöhendes Tun nur darin gesehen werden, daß hierdurch der Tod beschleunigt werden konnte. Diese Gefahr ist im vorliegenden Fall durch die Unterstellung , daß die weiteren Stiche für den Tod nicht einmal mitursächlich waren, das heißt diesen auch nicht beschleunigt haben, ausgeräumt. Denn sie waren nicht nur nicht todesursächlich, was allein den Rückschluß nahelegt, daß auch eine diesbezügliche Gefahr nicht bestand, sondern sie konnten in der konkreten Situation auch keinen gefahrerhöhenden Zustand verursachen. Eine solche Gefahr ist vom Tatrichter auch nicht festgestellt worden. Er hat vielmehr die Verwirklichung des Tatbestandes der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) verneint, weil hier der Körperverletzung nicht die tatbestandsspezifische Gefahr des tödlichen Ausganges anhaftete. Er hat sogar - gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen Professor B. - noch nicht einmal eine abstrakte Gefahr für das Leben des bereits tödlich Verletzten angenommen und deshalb auch die Alternative "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) ausdrücklich abgelehnt (UA S. 23). Eine (gefährliche) Körperverletzung, die - hier fiktiv - keinerlei Gefahr für das Leben des Opfers bewirkt, löst keine Garantenstellung aus. Es liegt daher zum einen kein pflichtwidriges, zum anderen kein gefahrerhöhendes vorausgehendes Tun vor; eine Garantenstellung bestand danach nicht. In Betracht kommen kann insoweit aber unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB). Dem steht nicht entgegen, daß der Tod des Opfers letztlich nicht abgewendet werden konnte. Denn auf die Erfolgsaussichten der Hilfeleistung kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. u.a. BGH NStZ 1985, 409, 410; BGH, Urt. v. 29. Juli 1970 - 2 StR 221/70, insoweit nicht in BGHSt 23, 327 abgedruckt ). Regelmäßig schließt nur der sofortige Tod des Opfers die Erforder-
lichkeit der Hilfeleistung aus (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 19. Januar 1984 - 4 StR 742/83, insoweit in NStZ 1984, 328 nicht abgedruckt; BGHSt 14, 213, 216; 16, 200, 203). Der Tod des Opfers ist hier nicht sofort eingetreten. 2. Waren die weiteren vier Stiche jedoch für den Tod des Opfers mitursächlich , ist die Rechtslage anders zu beurteilen. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, daß dann statt gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) anzunehmen wäre, da der Verwirklichung der Körperverletzung die tatbestandsspezifische Gefahr anhaftete, die sich im tödlichen Ausgang unmittelbar niedergeschlagen hat. Gerade die zahlreichen Verletzungen haben dann zum Tod durch Verbluten geführt. Bei dieser Fallkonstellation käme weiter auch versuchter Totschlag durch Unterlassen in Betracht. Die Garantenstellung wurde dann durch die weiteren - pflichtwidrigen - Stiche, die mitursächlich für den Tod und damit gefahrerhöhend waren, begründet. Daß der Tod unvermeidbar war, legt, da der Angeklagte seine Garantenpflicht erkannte, eine Rettung für möglich hielt und den Tod des Opfers gleichwohl billigend in Kauf nahm, die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes nahe. Zwar verpflichtet das Recht auch denjenigen nicht zu sinnlosem Tun, der aufgrund einer Garantenstellung gehalten ist, einen bestimmten Erfolg abzuwenden ; aber nur die sicher voraussehbare Erfolglosigkeit eines Rettungsbemühens läßt die Handlungspflicht entfallen (vgl. u.a. BGHR StGB § 13 Abs. 1 - Zumutbarkeit 1 = NStZ 1994, 29 = NJW 1994, 1357 = JR 1994, 510 mit Anm. Loos). Hier war die Erfolglosigkeit zumutbarer Hilfsmaßnahmen des Ange-
klagten (z.B. telefonische Benachrichtigung von Polizei/Notarzt) nicht sicher vorauszusehen; er selbst hielt demgemäß eine Rettung auch für möglich. Das vorsätzliche Unterlassen von Hilfsmaßnahmen ist aber nur dann als vollendete Tat strafbar, wenn festgestellt wird, daß der Angeklagte durch das Ergreifen solcher Maßnahmen den Erfolg hätte verhindern können; denn nur dann kann das Unterlassen für den Erfolgseintritt ursächlich geworden sein (vgl. u.a. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Brandstiftung 1; BGH StV 1984, 247 m.w.N.). Deshalb kommt hier nur der Versuch eines Tötungsdeliktes (durch Unterlassen ) in Betracht. Der Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes ist strafbar (vgl. BGHSt 38, 356, 358 m.w.N.). Ob in Fällen des Unterlassens der ”untaugliche Versuch” strafbar ist, ist jedenfalls im Schrifttum für Einzelfälle umstritten (vgl. die Hinweise in BGHSt 38, 356, 359). Der Senat hat in seinem Beschluß vom 16. Juli 1993 - 2 StR 294/93 (= NStZ 1994, 29) bereits entschieden , daß in vergleichbaren Fällen ein strafbarer untauglicher Versuch gegeben sein kann. Hieran ist festzuhalten. 3. Da demgemäß der Schuldspruch auf den widersprüchlichen Feststellungen beruht, hat der Senat das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Nach Sachlage ist nicht auszuschließen, daß in einer neuen Hauptverhandlung rechtsfehlerfrei festgestellt wird, daß auch die weiteren Stiche mitursächlich für den Tod des Opfers waren, zumal da es nahe liegt, daß die vier wuchtigen Stiche, die zu blutenden Verletzungen des Opfers führten, für einen Tod aufgrund massiven Blutverlustes mitursächlich waren. Der Senat vermag weiter nicht auszuschließen, daß ein neuer Tatrichter andere Feststellungen über die Reihenfolge der Stiche treffen kann. Dies wäre
für die Beurteilung der Notwehrlage von Bedeutung. Deshalb hat der Senat die Feststellungen insgesamt aufgehoben. Jähnke Niemöller Bode Otten Rothfuß

(1) Wer einen Menschen

1.
in eine hilflose Lage versetzt oder
2.
in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 82/10
vom
16. März 2010
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. März 2010 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 14. September 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB getroffen. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision beanstandet der Beschuldigte das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der Verfahrensrüge nicht bedarf.
2
1. Zu den Anlasstaten hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
In den frühen Morgenstunden des 2. Februar 2008 entwendete der Beschuldigte im Verkaufsraum einer Tankstelle 10 Packungen Zigaretten vor den Augen der Kassiererin und legte sie auf den Beifahrersitz seines Autos. Um sich den Besitz der Beute zu erhalten, fuhr der Beschuldigte sehr schnell an, so dass die Kassiererin, die ihm nachgeeilt und die Zigaretten bereits ergriffen hatte , vom Holm des Fahrzeugs getroffen wurde, wodurch sie Prellungen erlitt (Fall II. 1).
4
Unmittelbar danach fuhr der Beschuldigten zu einer anderen Tankstelle und kaufte dort unter Vorlage seiner Kreditkarte Zigaretten. Ein zufällig anwesender Polizeibeamter bemerkte, dass der Beschuldigte die Kreditkarte im Verkaufsraum zurückgelassen hatte und wollte sie dem bereits wieder im Fahrzeug sitzenden Beschuldigten übergeben. Noch bevor er ihn ansprechen konnte, fuhr der Beschuldigte mit Vollgas ruckartig an, wobei der Außenspiegel des PKW die Lederjacke des Polizeibeamten streifte. Der Beamte setzte daraufhin den Streifenwagen , in dem eine weitere Beamtin saß, vor den PKW des Beschuldigten, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern. Der Beschuldigte fuhr nunmehr in "gleichmäßigem gemäßigtem Tempo gezielt auf den Streifenwagen zu" [UA 5] und rammte diesen an der hinteren rechten Beifahrertür, um sich einen Fluchtweg zu eröffnen. Unmittelbar danach wurde er festgenommen (Fall II. 2).
5
Als ihm wenig später in der Gewahrsamszelle vor dem Weitertransport Handschellen angelegt werden sollten, wehrte er sich dagegen und schlug dem diensthabenden Polizeibeamten unvermittelt ins Gesicht, wodurch dieser eine blutende Verletzung erlitt (Fall II. 3).
6
Bei Begehung dieser Taten war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten auf Grund einer akuten Episode einer paranoiden Schizophrenie aufgehoben.
7
2. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine solche Anordnung neben der positiven Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründet, auch die Feststellung voraus, dass der Täter in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist (vgl. nur BGHSt 34, 22, 27).
9
Soweit das Landgericht im Fall II. 1 einen räuberischen Diebstahl in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und im Fall II. 3 eine vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angenommen hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dagegen belegen die Urteilsfeststellungen nicht, dass der Beschuldigte in den Fällen II. 1 und 2 jeweils einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB), im Fall II. 2 tateinheitlich damit auch eine Sachbeschädigung begangen hat.
10
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst § 315 b StGB ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten eines Fahrzeugführers nur dann, wenn dieser das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren" und dabei mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (vgl. BGHSt 41, 231, 234; 48, 233, 236 f. m.w.N.). Den Urteilsfeststellungen ist nicht zu entnehmen, dass der Beschuldigte in dieser Absicht handelte.
11
b) Im Fall II. 2 ist der Beschuldigte zwar absichtlich mit seinem Fahrzeug gegen den Streifenwagen, der ihm den Weg versperrte, gefahren. Angesichts der vom Beschuldigten eingehaltenen mäßigen Geschwindigkeit ist der Schluss des Landgerichts, der Beschuldigte habe dadurch "Leib oder Leben der Polizeibeamten gefährdet" (UA 8), aber nicht nachvollziehbar.
12
Ebenso wenig belegen die bisherigen Feststellungen die konkrete Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert. Hierfür reicht es nicht aus, dass eine Sache von bedeutendem Wert, wie hier der Streifenwagen, nur in wirtschaftlich unbedeutendem Maße gefährdet wird; vielmehr muss der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfangs sein (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07 = NStZ-RR 2008, 83 m.w.N.; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 315 b Rdn. 18 m.w.N.; zur Wertgrenze vgl. BGHSt 48, 119, 121; Fischer aaO § 315 Rdn. 16 a; Barnickel in MünchKomm StGB § 315 Rdn. 69).
13
Die tateinheitliche Verurteilung wegen Sachbeschädigung hat ebenfalls keinen Bestand, weil das Urteil nicht mitteilt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Streifenwagen durch das Anfahren beschädigt worden ist.
14
3. Auch hinsichtlich der Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB bedarf die Sache damit neuer Entscheidung.
Tepperwien Solin-Stojanović Ernemann
Franke Mutzbauer

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 582/99
vom
16. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Februar
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechtes gerügt wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

1. Am 30. September 1998 befanden sich der Angeklagte, sein Freund M. und das spätere Tatopfer E. in einer Gaststätte. M. und E. hatten eine Auseinandersetzung. Der erboste E. verließ das Lokal, drohte aber wiederzukommen. Er holte ein großes Brotmesser und lauerte M. auf. Als der Angeklagte
und M. das Lokal verließen und sich gerade getrennt hatten, sprang E. hervor und brachte dem überraschten M. mit dem Messer am Kopf eine lange Schnittverletzung bei. M. schrie um Hilfe und rannte in Todesangst davon; E. verfolgte ihn. Der Angeklagte folgte den beiden, um seinem Freund zu helfen. E. unterbrach die Verfolgung M.‘s und wandte sich, das Messer in der Hand haltend, nunmehr angriffsbereit dem Angeklagten zu. Dieser prallte in vollem Lauf auf E. und riß ihn zu Boden, wobei diesem das Messer aus der Hand fiel. Es kam zu einem Kampf am Boden, wobei es dem Angeklagten gelang, in den Besitz des Messers zu kommen, mit dem er nun auf seinen Gegner einstach. Die Reihenfolge der Stich- und Schnittverletzungen ließ sich nicht sicher feststellen. Die Kammer ging deshalb zugunsten des Angeklagten davon aus, daß er E. neben Abwehrverletzungen an Arm und Hand als erstes die drei tiefen Stichverletzungen an der Rückseite des rechten Oberschenkels zufügte, unter denen sich die später zum Tode führende Schlagaderverletzung befand. Während dieser Phase des Kampfes mußte der Angeklagte sich noch gegen den Angriff seines Gegners wehren und damit rechnen, daß dieser die Absicht hatte, ihm das Messer wieder zu entwinden und es dann gegen ihn (den Angeklagten) zu richten. Das änderte sich, nachdem der Angeklagte die ersten Stiche gesetzt hatte. Infolge der ihm zugefügten schweren Verletzung schwand die Angriffskraft E.‘s und es gelang dem Angeklagten, seinen Gegner mit dem Rücken auf den Boden zu fixieren und sich - das Gesicht in Richtung von dessen Füßen, den Rücken zu E.‘s Kopf - auf seinen Brustkorb zu setzen oder zu knien. Obwohl der Angeklagte erkannte, daß er seinen Angreifer überwältigt hatte und von diesem, seit er schwerverletzt auf dem Rücken lag, keine Gefahr mehr befürchten mußte, stach er wuchtig mindestens viermal weiter mit dem Messer auf E. ein, gezielt in den Bereich der Beine, wobei er E. nicht töten, sondern nur verletzen wollte. Er nahm bewußt davon Abstand, E. in den Oberkörper-
Bauchbereich zu stechen, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. M., der zunächst weitergelaufen war, kam zurück und sah E. reglos und blutend am Boden liegen. Dem Angeklagten wurde bewußt, daß er ”etwas Schlimmes getan” hatte. Er sprang auf, rief zu M. ”Laß uns abhauen!”, und beide rannten zum Pkw des Angeklagten. Der Angeklagte glaubte in diesem Augenblick nicht, daß E. bereits im Sterben lag, aber es war ihm klar, daß er ihn durch die heftigen Stiche so schwer verletzt hatte, daß dieser ohne ärztliche Behandlung verbluten würde. Obwohl er nicht damit rechnete - was in Anbetracht der tiefen Nachtzeit, der menschenleeren Örtlichkeit und des Regenwetters auch nicht anzunehmen war -, daß dem Verletzten rechtzeitig Hilfe zuteil werden würde, fuhr er mit M. davon. Er tat dies, weil er wegen seiner Vorstrafen befürchtete, daß die Polizei ihm nicht glauben würde, und nahm den Tod des E. durch Verbluten dabei billigend in Kauf. E. wurde ins Krankenhaus eingeliefert und verstarb infolge der erhaltenen Verletzungen. ”Der Tod trat ein infolge der Durchtrennung der rechten Oberschenkelschlagader und vielfältiger Verletzungen kleinerer Gefäße im Bereich der übrigen Wunden, die zu einem massiven Blutverlust führten, der auch durch intensivärztliche Maßnahmen mit Massenbluttransfusionen nicht mehr abzuwenden war, so daß schließlich unter den Zeichen der allgemeinen Blutgerinnungsstörung und Ausprägung von Schockorganen der Tod eintrat” (UA S. 14/15). Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die tödlichen Stiche durch Notwehr gerechtfertigt waren. In den anschließenden weiteren vier Stichen hat es eine gefährliche Körperverletzung gesehen. In Tatmehrheit hierzu hat es versuchten Totschlag durch Unterlassen angenommen. Der Angeklagte habe durch sein vorangegangenes Tun eine Garantenpflicht gegenüber dem Opfer
gehabt. Da die unterlassene Hilfeleistung aber - was der Angeklagte nicht habe wissen können - nicht kausal für den Tod des E. gewesen sei, sei ”nur” wegen eines versuchten Totschlags zu verurteilen.

III.

Das Urteil war aufzuheben. Die Feststellungen zur Todesursache sind widersprüchlich. Die Kammer ist an mehreren Stellen des Urteils zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, daß dieser ”als erstes die drei tiefen Stichverletzungen , unter anderem die später zum Tode führende Schlagaderverletzung”, zufügte. Andererseits hat das Tatgericht festgestellt, daß der Tod infolge der Durchtrennung der rechten Oberschenkelschlagader und vielfältiger Verletzungen kleinerer Gefäße im Bereich der übrigen Wunden ... eingetreten ist. Er sei infolge der ”erhaltenen Verletzungen” verstorben. Nach letzterer Feststellung waren die weiteren Stiche mitursächlich für den Tod des Opfers. Dies läßt sich nicht damit vereinbaren, daß nur die ersten (durch Notwehr gerechtfertigten) Stiche todesursächlich waren. Eine eindeutige Feststellung der Todesursache ist für den Schuldspruch aber von entscheidender Bedeutung: 1. Waren nur die ersten (durch Notwehr gerechtfertigten) Stiche todesursächlich , wäre der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung - im Hinblick auf die vier weiteren Stiche - zutreffend. Körperverletzung mit Todesfolge läge nicht vor, da durch diese Stiche der Tod nicht verursacht wurde. Durch die ersten Stiche hatte der Angeklagte bei E. rechtmäßig den Tod herbeigeführt. Eine Verurteilung gleichwohl wegen (versuchten) Totschlags
(durch Unterlassen) käme danach nicht ohne weiteres in Betracht. Wäre das Opfer sofort gestorben, läge dies auf der Hand. Die Rechtslage ändert sich aber insoweit nicht dadurch, daß der Tod mit einiger Verzögerung eintrat; denn er konnte nicht abgewendet werden. Da die ersten Stiche in Notwehr erfolgten, haben sie hier zu keiner Garantenstellung des Angeklagten geführt (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 2 = NJW 1987, 850). Denn das Bestehen einer Garantenstellung aus vorangegangenem Verhalten setzt jedenfalls eine Pflichtwidrigkeit voraus (vgl. u.a. BGH NStZ 1998, 83; vgl. auch BGHSt 37, 106, 115). Die Verletzung eines Angreifers in Notwehr macht daher in der Regel den Angegriffenen nicht zum Garanten für das Leben des Angreifers (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juli 1970 - 2 StR 221/70, auszugsweise wiedergegeben in BGHSt 23, 327 und BGH MDR 1971, 59; vgl. auch Bringewat MDR 1971, 716, 717; insoweit auch zustimmend Maiwald JuS 1981, 473, 483). Ein Ausnahmefall , daß der Angreifer ”zurechnungsunfähig oder sonst schuldlos ist” (vgl. BGHSt 23, 327, 328), liegt hier nicht vor. Die weiteren - pflichtwidrigen und zur Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung führenden - Stiche haben hier ebenfalls keine Garantenstellung begründet. Pflichtwidriges Vorverhalten begründet nur dann eine Garantenstellung , wenn es die nahe Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolges verursacht (vgl. u.a. BGH NStZ 1998, 83; BGH StV 1998, 127, 128; BGH NJW 1992, 1246, 1247; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3). Die gefährliche Körperverletzung hat hier nicht die nahe Gefahr des Todes verursacht. Eine Körperverletzung löst nur dann eine Garantenstellung aus, wenn sie einen gefahrerhöhenden Zustand bewirkt hat. Das ist hier nicht der Fall. Bei einem - unrettbar - tödlich Verletzten kann ein die Todesgefahr
erhöhendes Tun nur darin gesehen werden, daß hierdurch der Tod beschleunigt werden konnte. Diese Gefahr ist im vorliegenden Fall durch die Unterstellung , daß die weiteren Stiche für den Tod nicht einmal mitursächlich waren, das heißt diesen auch nicht beschleunigt haben, ausgeräumt. Denn sie waren nicht nur nicht todesursächlich, was allein den Rückschluß nahelegt, daß auch eine diesbezügliche Gefahr nicht bestand, sondern sie konnten in der konkreten Situation auch keinen gefahrerhöhenden Zustand verursachen. Eine solche Gefahr ist vom Tatrichter auch nicht festgestellt worden. Er hat vielmehr die Verwirklichung des Tatbestandes der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) verneint, weil hier der Körperverletzung nicht die tatbestandsspezifische Gefahr des tödlichen Ausganges anhaftete. Er hat sogar - gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen Professor B. - noch nicht einmal eine abstrakte Gefahr für das Leben des bereits tödlich Verletzten angenommen und deshalb auch die Alternative "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) ausdrücklich abgelehnt (UA S. 23). Eine (gefährliche) Körperverletzung, die - hier fiktiv - keinerlei Gefahr für das Leben des Opfers bewirkt, löst keine Garantenstellung aus. Es liegt daher zum einen kein pflichtwidriges, zum anderen kein gefahrerhöhendes vorausgehendes Tun vor; eine Garantenstellung bestand danach nicht. In Betracht kommen kann insoweit aber unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB). Dem steht nicht entgegen, daß der Tod des Opfers letztlich nicht abgewendet werden konnte. Denn auf die Erfolgsaussichten der Hilfeleistung kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. u.a. BGH NStZ 1985, 409, 410; BGH, Urt. v. 29. Juli 1970 - 2 StR 221/70, insoweit nicht in BGHSt 23, 327 abgedruckt ). Regelmäßig schließt nur der sofortige Tod des Opfers die Erforder-
lichkeit der Hilfeleistung aus (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 19. Januar 1984 - 4 StR 742/83, insoweit in NStZ 1984, 328 nicht abgedruckt; BGHSt 14, 213, 216; 16, 200, 203). Der Tod des Opfers ist hier nicht sofort eingetreten. 2. Waren die weiteren vier Stiche jedoch für den Tod des Opfers mitursächlich , ist die Rechtslage anders zu beurteilen. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, daß dann statt gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) anzunehmen wäre, da der Verwirklichung der Körperverletzung die tatbestandsspezifische Gefahr anhaftete, die sich im tödlichen Ausgang unmittelbar niedergeschlagen hat. Gerade die zahlreichen Verletzungen haben dann zum Tod durch Verbluten geführt. Bei dieser Fallkonstellation käme weiter auch versuchter Totschlag durch Unterlassen in Betracht. Die Garantenstellung wurde dann durch die weiteren - pflichtwidrigen - Stiche, die mitursächlich für den Tod und damit gefahrerhöhend waren, begründet. Daß der Tod unvermeidbar war, legt, da der Angeklagte seine Garantenpflicht erkannte, eine Rettung für möglich hielt und den Tod des Opfers gleichwohl billigend in Kauf nahm, die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes nahe. Zwar verpflichtet das Recht auch denjenigen nicht zu sinnlosem Tun, der aufgrund einer Garantenstellung gehalten ist, einen bestimmten Erfolg abzuwenden ; aber nur die sicher voraussehbare Erfolglosigkeit eines Rettungsbemühens läßt die Handlungspflicht entfallen (vgl. u.a. BGHR StGB § 13 Abs. 1 - Zumutbarkeit 1 = NStZ 1994, 29 = NJW 1994, 1357 = JR 1994, 510 mit Anm. Loos). Hier war die Erfolglosigkeit zumutbarer Hilfsmaßnahmen des Ange-
klagten (z.B. telefonische Benachrichtigung von Polizei/Notarzt) nicht sicher vorauszusehen; er selbst hielt demgemäß eine Rettung auch für möglich. Das vorsätzliche Unterlassen von Hilfsmaßnahmen ist aber nur dann als vollendete Tat strafbar, wenn festgestellt wird, daß der Angeklagte durch das Ergreifen solcher Maßnahmen den Erfolg hätte verhindern können; denn nur dann kann das Unterlassen für den Erfolgseintritt ursächlich geworden sein (vgl. u.a. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Brandstiftung 1; BGH StV 1984, 247 m.w.N.). Deshalb kommt hier nur der Versuch eines Tötungsdeliktes (durch Unterlassen ) in Betracht. Der Versuch eines unechten Unterlassungsdeliktes ist strafbar (vgl. BGHSt 38, 356, 358 m.w.N.). Ob in Fällen des Unterlassens der ”untaugliche Versuch” strafbar ist, ist jedenfalls im Schrifttum für Einzelfälle umstritten (vgl. die Hinweise in BGHSt 38, 356, 359). Der Senat hat in seinem Beschluß vom 16. Juli 1993 - 2 StR 294/93 (= NStZ 1994, 29) bereits entschieden , daß in vergleichbaren Fällen ein strafbarer untauglicher Versuch gegeben sein kann. Hieran ist festzuhalten. 3. Da demgemäß der Schuldspruch auf den widersprüchlichen Feststellungen beruht, hat der Senat das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Nach Sachlage ist nicht auszuschließen, daß in einer neuen Hauptverhandlung rechtsfehlerfrei festgestellt wird, daß auch die weiteren Stiche mitursächlich für den Tod des Opfers waren, zumal da es nahe liegt, daß die vier wuchtigen Stiche, die zu blutenden Verletzungen des Opfers führten, für einen Tod aufgrund massiven Blutverlustes mitursächlich waren. Der Senat vermag weiter nicht auszuschließen, daß ein neuer Tatrichter andere Feststellungen über die Reihenfolge der Stiche treffen kann. Dies wäre
für die Beurteilung der Notwehrlage von Bedeutung. Deshalb hat der Senat die Feststellungen insgesamt aufgehoben. Jähnke Niemöller Bode Otten Rothfuß

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

5 StR 251/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2010

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 25. November 2009 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Die in Portugal erlittene Auslieferungshaft ist im Maßstab 1:1 auf die Freiheitsstrafe anzurechnen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Brause Sander Schneider König Bellay

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

5 StR 124/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2003

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 2002 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, daß die in Spanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Besetzungsrüge im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO hat neben den vom Generalbundesanwalt zutreffend aufgeführten Gründen auch deswegen keinen Erfolg, weil der Revisionsführer die Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 192 Abs. 2 GVG vom 3. Mai 2002 (Sachakten Bd. IV, Bl. 835) nicht mitgeteilt hat.
Indes war die Urteilsformel um die Entscheidung über die Anrechnung der in Spanien erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen. Entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat das Landgericht im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem diese Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muß in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGHSt 27, 287, 288). Der Senat holt den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Anrech- nung und die Festsetzung des Maßstabes nach. Im Hinblick darauf, daß in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmt.
Harms Basdorf Raum Brause Schaal

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 298/07
vom
4. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 27. Februar 2007 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, dass die in dieser Sache in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1 : 1 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde unter anderem wegen mehreren Fällen der Vergewaltigung , teilweise in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern sowie sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die allgemeine Sachrüge hin erfordert lediglich die Ergänzung der Urteilsformel. Im Übrigen hat sie weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
2
Allerdings ist es hinsichtlich der Freiheitsentziehung, welche der Angeklagte in dieser Sache in den Niederlanden erlitten hat, nach § 51 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 StGB geboten, diese auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe anzurechnen. Dies muss in der Urteilsformel ebenso zum Ausdruck kommen wie der festgesetzte Maßstab der Anrechnung (vgl. nur BGHSt 27, 287, 288). Vorliegend kann der Senat diesen Ausspruch selbst nachholen. Das Anrechnungsverhältnis ist dabei im Hinblick darauf, dass es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften handelt und Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung nicht ersichtlich sind, auf 1 : 1 festzusetzen.
Nack Wahl Boetticher Kolz Graf
15
Auch der vom Landgericht mit einer pauschalen Begründung bejahte Mittäterexzess des gesondert Verfolgten W. hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 - 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231, 234; Fischer, aaO § 25 Rn. 20). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat (BGH, Urteil vom 1. September 1999 - 2 StR 94/99, NStZ 2000, 29 f.; BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261 f.). Dasselbe gilt, wenn ihm die Handlungsweise des Mittäters gleichgültig ist (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511 f.; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 256/72, NJW 1973, 377). Beide Angeklagten wirkten nach der Todesdrohung , an der weiteren Tatbegehung - bei der dem Opfer weitere Handlungen abgenötigt wurden - mit, ohne sich von dieser zu distanzieren. Hinzu kommt beim Angeklagten R. , dass er bei der Tatbegehung einen Schlagstock einsetzte und ein Messer bei sich führte, was ein Indiz dafür sein kann, dass er mit der Todesdrohung des Mittäters W. einverstanden oder diese ihm zumindest gleichgültig war. Auf der Grundlage der Feststellungen liegt die Annahme eines Mittäterexzesses daher eher fern; jedenfalls hätte seine Bejahung näherer Begründung bedurft. Im Übrigen drängt sich das Vorliegen zumindest sukzessiver Mittäterschaft auf.
5 StR 218/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 19. August 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. August
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt V S
als Verteidiger für den Angeklagten M S ,
Rechtsanwalt M Sc
als Verteidiger für den Angeklagten M Sch ,
Rechtsanwalt D
als Verteidiger für den Angeklagten F ,
Rechtsanwalt W
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Angeklagter M S__________ Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 24. Oktober 2003 wird mit der Maßgabe verworfen, daß dieser Angeklagte des Mordes und der gefährlichen Körperverletzung, jeweils in Tateinheit mit Nötigung schuldig ist.
II. Angeklagter M Sch________ Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil 1. im Schuldspruch – unter Aufhebung des Freispruchs wegen des Anklagevorwurfs des Mordes – dahin abgeändert , daß dieser Angeklagte schuldig ist
a) der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Mord und mit Nötigung,
b) der gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen, in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Nötigung, in einem Fall mit versuchter Nötigung; 2. im Strafausspruch dahin abgeändert und klargestellt, daß
a) im Fall 1a eine Einzelstrafe von 13 Jahren Freiheitsstrafe verhängt wird; die Einzelstrafen von zwei und von zehn Jahren Freiheitsstrafe entfallen;
b) die Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren aufrechterhalten bleibt, und zwar unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 7. Mai 2003, dessen Gesamtstrafausspruch entfällt und dessen Maßregelausspruch aufrechterhalten bleibt; 3. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Die Revision des Angeklagten M Sch und die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
III. Angeklagter F___ Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil 1. im Schuldspruch – unter Aufhebung des Freispruchs wegen des Anklagevorwurfs des Mordes – dahin abgeändert und berichtigt, daß dieser Angeklagte schuldig ist
a) der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Nötigung,
b) der gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen, in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Nötigung, in einem Fall mit versuchter Nötigung; 2. im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
IV. Zurückverweisung und Kosten Die Staatskasse trägt die Kosten der den Angeklagten M betreffenden S Revision der Staatsanwaltschaft und die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Angeklagte M Sch trägt die Kosten seiner Revision und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Die Sache wird zu neuer Festsetzung der Höhe der Jugendstrafe gegen den Angeklagten F und zu neuer Verhandlung und Entscheidung über Maßregelanordnungen nach § 66 StGB und § 64 StGB gegen den Angeklagten M Sch , auch zur Entscheidung über die Kosten der diese beiden Angeklagten betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil folgende Feststellungen getroffen: Opfer der im Sommer 2002 begangenen Tat war der damals 16jährige M Schö , den der im selben Dorf wohnende damals 17jährige Angeklagte M S von früheren gemeinsamen Freizeitaktivitäten näher kannte. M S und die Mitangeklagten, sein älterer Bruder, der 23jährige M Sch , und sein Ausbildungskollege, der 17jährige F , der sich zur Tatzeit auf einem Wochenendbesuch bei den Brüdern Sch befand, verachteten M Schö als „Punk“, der Anhänger der „Hip-Hop“-Musikszene war und blond gefärbte Haare und weite Hosen trug. Die Angeklagten bekannten sich hingegen zu rechtsradikaler Einstellung, M S freilich erst seit kurzer Zeit als Mitläufer seines Bruders M . Vor dessen letzter Haftentlassung hatte er, einem verbreiteten Trend folgend, gemeinsam mit M Schö noch selbst der Technound „Hip-Hop“-Szene zugeneigt.
In der Nacht zum 13. Juli 2002 wurde M Schö im späteren Verlauf eines in den Abendstunden begonnenen längeren Trinkgelages von den drei Angeklagten wiederholt gedemütigt, mißhandelt und genötigt. So wurde der Junge geschlagen; er wurde bis zum Erbrechen zum Alkoholtrinken gezwungen ; er sollte sich als „Jude“ bezeichnen; der AngeklagteF urinierte auf ihn, als er am Boden lag. (Erster Tatkomplex) Bei gemeinsamer Heimfahrt mit Fahrrädern zwangen die Angeklagten ihr Opfer, sich mit ihnen auf ein abgelegenes landwirtschaftliches Gelände und dort in einen großen Schweinestall zu begeben, wo sie weiterhin abwechselnd auf den Jungen einschlugen und ihn ängstigen wollten. Zweimal zwangen sie ihn, in die Steinkante eines Schweinetrogs zu beißen. M S wollte ihn damit durch Nachstellen einer brutalen Mordszene aus einem Film, der jedenfalls auch F bekannt war, schockieren. Als der verängstigte Junge, der Aufforderung folgend, zum zweiten Mal in den Steintrog biß, entschloß sich M S spontan aus einem Motivbündel von menschenverachtender Abenteuerlust und Imponierbedürfnis, die Filmszene vollends in die Realität umzusetzen. Er sprang M Schömit direktem Tötungsvorsatz mit beiden Füßen, an denen er Springerstiefel mit Stahlkappen trug, auf den Kopf. Die beiden anderen Angeklagten hatten hiermit möglicherweise nicht gerechnet. Während sich nun- F , mehr schockiert, abwandte und zunächst abseits hielt, beschloß M Sch , das Opfer, das sichtbar schwerste Kopfzerquetschungen und Schädelbrüche erlitten hatte, endgültig zu beseitigen, um die Entdeckung der Tat zu verhindern. Er suchte gemeinsam mit seinem Bruder nach einem geeigneten Tatwerkzeug. M S fand einen großen schweren Betonstein. Diesen warf er M Schö , den er und sein Bruder – möglicherweise zu Unrecht – noch für lebend hielten, zweimal auf den Kopf. Anschließend vergruben die drei Angeklagten die Leiche des M Schö in einer Jauchegrube. (Zweiter Tatkomplex) 1. Im ersten Tatkomplex hat das Landgericht die Angeklagten M Sch und F jeweils der gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen – in zwei Fällen in Tateinheit mit Nötigung, in einem Fall mit versuchter Nötigung – (Einzelfreiheitsstrafen für M Sch : ein Jahr sowie zweimal ein Jahr und sechs Monate), den Angeklagten M S der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung für schuldig befunden; wegen des Anklagevorwurfs eines weiteren entsprechenden tatmehrheitlichen Geschehens, das möglicherweise nicht zusätzlich stattgefunden hatte, wurden die drei Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Im zweiten Tatkomplex hat das Landgericht die drei Angeklagten jeweils einer weiteren tatmehrheitlichen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung für schuldig befunden, ferner den Angeklagten M S des Mordes aus niedrigen Beweggründen und den Angeklagten M Sch des versuchten (Verdeckungs-)Mordes (Einzelfreiheitsstrafen für M Sch : zwei Jahre und zehn Jahre). Vom Anklagevorwurf des vollendeten Mordes hat das Landgericht die Angeklagten M Sch und F aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Der Angeklagte M S wurde zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, der Angeklagte M Sch – unter Einbeziehung anderweitig rechtskräftig verhängter Einzelfreiheitsstrafen (ein Jahr sowie ein Jahr und sechs Monate, jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung u. a., ferner zehn Monate wegen eines Verkehrsvergehens) – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren, der Angeklagte F zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren (ohne Bewährung).
2. Der Angeklagte M Sch ficht seine Verurteilung umfassend mit der Sachrüge an. Die Staatsanwaltschaft führt Revisionen zum Nachteil aller drei Angeklagter mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Sie greift die Schuldsprüche und Freisprüche im ersten Tatkomplex nicht an; insoweit erstrebt sie lediglich eine Urteilsberichtigung, soweit die Qualifikation der „gefährlichen“ Körperverletzung bei dem Angeklagten F versehentlich nicht im Urteilstenor bezeichnet worden ist. Zum zweiten Tatkomplex rügt die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung, insbesondere beanstandet sie, daß das Landgericht nicht zu Schuldsprüchen wegen gemeinschaftlichen vollendeten Mordes gegen alle drei Angeklagten gelangt ist, was sich bei allen, auch bei M S – insoweit wird die Revision der Staatsanwaltschaft vom Generalbundesanwalt nicht vertreten –, rechtsfehlerhaft zu ihrem Vorteil bei der Strafzumessung ausgewirkt habe.
3. Die Revision des Angeklagten M Sch ist offensichtlich unbegründet. Insbesondere ist gegen seine Verurteilung wegen gemeinschaftlich versuchten Verdeckungsmordes, zu dessen Begehung er nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen die Initiative ergriffen und die Tatherrschaft bis hin zur eigenhändigen Tatausführung durch seinen Bruder auch behalten hat, sachlichrechtlich nichts zu erinnern. Auf Revision der Staatsanwaltschaft ist die Beurteilung der Konkurrenzen im zweiten Tatkomplex ohnehin zu korrigieren und das Unterbleiben einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB zu beanstanden; M Sch ist insoweit konkret nicht beschwert.
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt bei dem Angeklagten M S lediglich zu einer Schuldspruchänderung infolge abweichender Beurteilung der Konkurrenzen, die ohne Einfluß auf den Rechtsfolgenausspruch bleibt. Bei den beiden anderen Angeklagten haben die Revisionen jeweils den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg.

a) Die Verfahrensrüge und die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung bleiben erfolglos.
Mit dem Zitat von Auszügen aus dem vorbereitenden Gutachten des in der Hauptverhandlung vernommenen psychiatrischen Sachverständigen, deren Inhalt nach Auffassung der Beschwerdeführerin eine Erörterung im Urteil – mit der naheliegenden Folge abweichender Beweiswürdigung zum gemeinschaftlichen Mordvorsatz – erfordert hätte, läßt sich eine Verletzung des § 261 StPO durch Nichtausschöpfung der Aussage des psychiatrischen Sachverständigen methodisch nicht nachweisen. Dies liefe auf eine im Revisionsverfahren unzulässige Rekonstruktion der für die Urteilsfindung maßgeblichen Aussage des Sachverständigen in der Hauptverhandlung hinaus. Für eine Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht oder der Nichtausschöpfung eines in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittels, die bei unerklärten eklatanten Widersprüchen zwischen Akten- und Urteilsinhalt in Ausnahmefällen statthaft sein kann (vgl. BGHSt 43, 212, 215 f.), fehlt es schon am vollständigen Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) des mit dem angeblichen Verstoß zusammenhängenden Akteninhalts, zu dem hier mindestens die vorbereitenden Gutachten in vollständiger Form und die in den Akten festgehaltenen Einlassungen der Angeklagten gehört hätten.
In der Sache laufen zudem die zugehörigen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft nicht anders als die geäußerten sachlichrechtlichen Einwände gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts letztlich auf einen im Revisionsverfahren nicht statthaften Versuch hinaus, die dem Tatgericht obliegende Beweiswürdigung durch eine eigene zu ersetzen. Tatsächlich läßt die beanstandete tatgerichtliche Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der Frage, ob die Angeklagten MSch und F sich – mindestens stillschweigend – mit M S auf ein gemeinsames Tatvorhaben verständigt haben, das in den Steintrog beißende Opfer nach der Filmvorlage hinzurichten, oder ob sie mit einem solchen Vorgehen ihres Mittäters gerechnet haben, Rechtsfehler nicht erkennen. Die Auffassung des Landgerichts , eine von den beiden anderen Angeklagten weder vorab gebilligte noch vorhergesehene Spontantat M S s – wie dieser sie eingestanden hat – lasse sich nicht ausschließen, ist weder widersprüchlich noch lückenhaft begründet; dies gilt auch im Blick auf die zweimalige Nötigung des Opfers, in den Trog zu beißen, die auch als wiederholte Demütigung und Ängstigung interpretierbar ist. Die der Tötung vorange gangenen Körperverletzungshandlungen waren bei aller Steigerung noch nicht lebensgefährdend; danach ist hier noch nicht zu beanstanden, daß das Landgericht es unterlassen hat, einen Mittätervorsatz zu erörtern, der so stark gesteigert war, daß dabei sogar die Tötung des Opfers durch einen enthemmten Tatgenossen in Kauf genommen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 2004 – 5 StR 530/03 – und vom 30. März 2004 – 5 StR 410/03). Es begründet keinen revisiblen Rechtsfehler, daß ein abweichendes Ergebnis der Beweiswürdigung zu einem gemeinschaftlichen Tötungsvorsatz möglich – unter Umständen gar näherliegend – gewesen wäre.
Daß die beiden anderen Angeklagten daher nicht als Mittäter M S s bei dem durch den Sprung auf den Kopf begangenen Mord angesehen worden sind, ist danach ebensowenig zu beanstanden wie die – ebenfalls rechtsfehlerfrei – unterbliebene Prüfung, ob sie für diesen Mord, der nach vertretbarer tatrichterlicher Auffassung nicht von ihrem Wissen und Wollen erfaßt war, als Unterlassungstäter verantwortlich sein könnten.

b) Auf der Grundlage der mithin fehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen erweist sich die rechtliche Bewertung der Jugendkammer bezogen auf den Angeklagten M S lediglich hinsichtlich der Konkurrenzen als korrekturbedürftig. Die gemeinschaftlichen Körperverletzungshandlungen der Angeklagten im Bereich des Stallgeländes mündeten bei diesem Angeklagten übergangslos in seine exzessive Tötungshandlung im Sinne natürlicher Handlungseinheit. Dabei wird die vorangegangene gefährliche Körperverletzung zum Nachteil desselben Opfers durch den anschließenden – zutreffend bejahten – vollendeten Mord aus niedrigen Beweggründen konsumiert. Zutreffend hat die Jugendkammer hingegen auch die anschließende Mitwirkung M S s am Verdeckungsmordversuch als durch die Vortat konsumiert angesehen, so daß sich das gesamte Geschehen des zweiten Tatkomplexes bei M S als eine einheitliche Tat des vollendeten Mordes (in Tateinheit mit Nötigung) darstellt.
Für das Maß der Schuld des Angeklagten M S ist die Umbewertung der Konkurrenzen ohne jede Bedeutung. Der Strafausspruch erweist sich – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts – noch nicht als rechtsfehlerhaft. Die Nichtausschöpfung des Strafrahmens aus § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG erscheint angesichts des Tatbildes und des Nachtatverhaltens zwar sehr milde. Indes enthält die das Ergebnis verantwortende tatrichterliche Wertung in Anbetracht der – wenngleich noch nicht das Maß des § 21 StGB erreichenden – beträchtlichen psychischen Defekte dieses Angeklagten und seines für die Wahrheitsfindung besonders förderlichen Geständnisses noch keinen Rechtsfehler zu seinem Vorteil.

c) Bei den beiden anderen Angeklagten schöpft die rechtliche Würdigung der Jugendkammer zu deren Vorteil die getroffenen Feststellungen nicht aus.
(1) Das Landgericht hat nicht hinreichend bedacht, daß der spontane tödliche Angriff des Angeklagten M S gegen das Opfer unmittelbar im Anschluß an gemeinsame, sich steigernde, mit Demütigungen, Einschüchterungen und Nötigungen einhergehende körperliche Mißhandlungen des Opfers erfolgte. Dabei blieb die von jedem einzelnen der Mittäter auszuführende Gewalthandlung dessen spontanem Entschluß überlassen, ohne daß dies am generellen Einverständnis aller Mittäter mit der Gewaltfortsetzung etwas änderte, die vom gemeinsamen Ziel des Demütigens und Quälens des Opfers getragen war. Für einen Abschluß dieses gewalttätigen gemeinsamen Vorgehens gegen das Opfer oder eine sonstige Zäsur vor den tödlichen Tritten M S s ist nichts ersichtlich. Durch deren – für sich rechtsfehlerfreie – Bewertung als Exzeß hat sich das Tatgericht letztlich den Blick darauf verstellt, daß das weitere gewaltsame Vorgehen gegen das Opfer von dem gemeinsamen Tatplan der gefährlichen Körperverletzung nach wie vor getragen war. Durch die Intensivierung des als Körperverletzung gewollten Verhaltens hin zu (vorsätzlich) tödlichen Verletzungen wurde der Tod des Opfers verursacht. So massiv diese Intensivierung der Gewalt durch den Mittäter auch war, so war sie doch als weitere fortgesetzte Gewalthandlung gewollt und angesichts der emotional stark aufgeheizten Tatsituation und der vorangegangenen sich steigernden, entwürdigenden und verletzenden Behandlung des Opfers für die Angeklagten M Sch und F auch in ihrer tödlichen Wirkung vorhersehbar. Diese Wertung kann das Revisionsgericht von sich aus treffen, da sie sich auf der Grundlage der vom Tatgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ohne weiteres von selbst versteht. Als Mittäter der gefährlichen Körperverletzung sind diese beiden Angeklagten danach Mittäter einer Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 – 5 StR 15/04, zur Veröffentlichung in BGHR StGB § 227 Todesfolge bestimmt, m.w.N.).
Die unzulängliche rechtliche Würdigung führt zur Schuldspruchänderung von der im selben Handlungskomplex begangenen (konsumierten) gefährlichen Körperverletzung (vgl. oben b) zur Körperverletzung mit Todesfol- ge. Zugleich ist der Teilfreispruch der Angeklagten M Sch und F wegen vollendeten Mordes aufzuheben; er ist zu Unrecht erfolgt, da auch diese Angeklagten für die Tötung des Opfers, wenngleich eingeschränkt, strafrechtlich verantwortlich sind.
Es ist nicht erkennbar, daß sich die Angeklagten gegen diesen weitergehenden Schuldspruch in der Tatsacheninstanz wirkungsvoller als bisher hätten verteidigen können, wenn ihnen bereits dort ein dahingehender rechtlicher Hinweis erteilt worden wäre. Sie haben sich vor der Jugendkammer gegen den Vorwurf der Verantwortlichkeit für die Tötung tatsächlich umfassend verteidigen können. Auf den entsprechenden Hinweis vor der Revisionshauptverhandlung haben die Verteidiger in der Verhandlung lediglich rechtlich argumentiert, indes nichts dafür vorgetragen, daß andere Verteidigungsmöglichkeiten in der Tatsacheninstanz mit dem Ziel maßgeblicher abweichender Feststellungen bestanden hätten. Bei dieser Sachlage erscheint die nach den bisherigen tatgerichtlichen Feststellungen gerechtfertigte Durchentscheidung zum Schuldspruch in der Revisionsinstanz gegenüber einer – zumal mit einem beträchtlich weiter gehenden Verurteilungsrisiko für die Angeklagten verbundenen – Schuldspruchaufhebung und Zurückverweisung sachgerecht und vorzugswürdig.
(2) Bei dem Angeklagten M Sch bedarf es ferner einer Korrektur der Konkurrenzen. Nicht anders als bei seinem Bruder wäre der anschließende Verdeckungsmordversuch auch bei ihm durch eine mittäterschaftliche Mitwirkung bereits an dem vorangegangenen Mord konsumiert. Eine solche hat die Jugendkammer lediglich als nicht erwiesen erachtet. Bei der gegebenen besonderen, auch mit der Anwendung des Zweifelsgrundsatzes zusammenhängenden Sachlage ist das gesamte auf die Tötung des Opfers hinauslaufende , mit seiner vorangegangenen Mißhandlung am selben Ort unmittelbar zusammenhängende Geschehen des zweiten Tatkomplexes rechtlich als tateinheitlich zu bewerten. Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend um.
Dies zieht die Aufhebung der insoweit bislang verhängten Einzelfreiheitsstrafen von zwei und zehn Jahren Freiheitsstrafe nach sich. Angesichts der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten M Sch für den Todeserfolg ist die Verhängung einer einheitlichen Freiheitsstrafe erforderlich , die einen höhergradigen Schuldumfang als bislang angenommen erfaßt. Als rechtlich zutreffend erweist sich freilich die Wertung des Tatgerichts , wegen der insgesamt massiven psychischen Defekte des – grenzdebilen , massiv persönlichkeitsgestörten, zudem bei Alkoholabhängigkeit und hierdurch individuell bedingter herabgesetzter Alkoholverträglichkeit erheblich alkoholisierten – Angeklagten M Sch eine Verschiebung des (fraglos nicht wegen Versuchs zu mildernden) Strafrahmens des § 211 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Bei dieser ganz besonders gelagerten Ausgangssituation – zugleich im Blick auf das bei der gegebenen Sachlage zwingende Gesamtstrafergebnis (15 Jahre Freiheitsstrafe) – hält es der Senat für angezeigt, die Neubemessung der Einzelstrafe für den zweiten Tatkomplex nicht einem neuen Tatgericht zu überlassen, sondern sie in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in der geringst denkbaren Höhe selbst festzusetzen. Diese Höhe ist unter Berücksichtigung der bisherigen , strafzumessungsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Wertung und angesichts des beträchtlich erhöhten Gesamtschuldgehalts in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Antrag der Bundesanwaltschaft in der Revisionshauptverhandlung mit mindestens einem Jahr über der Summe der entfallenden Einzelstrafen – mithin mit 13 Jahren Freiheitsstrafe – zu bemessen. Im Rahmen der Aufrechterhaltung der Gesamtstrafe korrigiert der Senat darüber hinaus den bezüglich der Anwendung des § 55 StGB unvollständigen Urteilstenor.
Zutreffend bemängelt der Generalbundesanwalt die bislang unzulängliche Abhandlung von Maßregeln nach § 66 StGB und § 64 StGB gegen den Angeklagten M Sch. Das Landgericht hat es versäumt, die nur nach Maßgabe von § 66 Abs. 1 StGB geprüfte Frage einer Unterbringung dieses Angeklagten in der Sicherungsverwahrung auch nach § 66 Abs. 2 StGB zu überprüfen. Die formellen Voraussetzungen hierfür liegen – auch im Blick auf die einzubeziehenden Bestrafungen wegen gefährlicher Körperverletzung – fraglos vor. Daß es an den materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und einer für den Angeklagten negativen tatrichterlichen Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB sicher fehlen würde, läßt sich nicht feststellen. Zur Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht – angesichts einer namentlich vor dem Hintergrund massiven Alkoholkonsums entstandenen Tat – verkannt, daß eine gesicherte Feststellung der – zutreffend zugunsten des Angeklagten angenommenen – Voraussetzungen des § 21 StGB für eine Maßregel nach § 64 StGB – anders als bei § 63 StGB – nicht verlangt ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 64 Rdn. 11). Die Frage beider Maßregeln muß erneut tatrichterlich überprüft werden.
(3) Bei dem Angeklagten F beanstandet die Staatsanwaltschaft im Ansatz zutreffend, daß das Landgericht ihn nicht als Garanten für das Opfer aufgrund der massiven vorangegangenen Gewalttätigkeiten angesehen hat (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7; BGH NStZ 2004, 294, 296). Aus diesem Gesichtspunkt durfte eine Verantwortlichkeit dieses Angeklagten für den Verdeckungsmordversuch der Brüder Sch , der sich an die möglicherweise schon für sich tödlichen Tritte M S s gegen das Opfer anschloß, nicht verneint werden.
Indes hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Angeklagte F sich nach dem massiv gesteigerten brutalen Vorgehen M S s, das er so nicht mehr billigte, und angesichts der augenfällig schrecklichen Verletzungen des Opfers räumlich distanziert hatte und in dieser Phase des zweiten Tatkomplexes „so geschockt war, daß er keinen klaren Gedanken fassen konnte“ (UA S. 23). Danach schließt der Senat aus, daß sich auf dieser Basis hätte feststellen lassen, daß F in dieser Situation das weitere Verhalten der Brüder Sch – selbst wenn er es beobachtete – in der Zielsetzung eines erneuten tödlichen Angriffs auf das Opfer so frühzeitig zutreffend bewertete, daß er noch erfolgversprechend hätte versuchen können, sich dem entgegenzustellen. Eine mögliche weitergehende Strafbarkeit des Angeklagten F wegen versuchten Verdeckungsmordes oder Beihilfe hierzu durch Unterlassen scheidet danach aus, ohne daß in diesem Zusammenhang noch die Frage nach der Möglichkeit und Zumutbarkeit eines etwa vorwerfbar unterbliebenen Handelns gestellt werden müßte.
Ungeachtet des insoweit unzutreffenden Prüfungsansatzes des Landgerichts bedarf es daher keiner umfassenden Aufhebung des betreffend den zweiten Tatkomplex ergangenen Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten F . Der Senat beschränkt sich vielmehr auf die erörterte, mit der Aufhebung des Teilfreispruchs wegen des Mordvorwurfs verbundene Schuldspruchverschärfung , welche die Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe der Jugendstrafe zum Nachteil des Angeklagten F nach sich zieht, so daß der Senat über die allein hierzu vorgebrachten Einwände der Revision nicht entscheiden muß. Der Senat korrigiert ferner auch den unvollständigen Schuldspruch zum ersten Tatkomplex gegen diesen Angeklagten.
Über die Höhe der gegen den Angeklagten F zu verhängenden Jugendstrafe hat ein neuer Tatrichter auf der Grundlage des beträchtlich verschärften Schuldspruchs und der bislang durchweg rechtsfehlerfrei getroffe- nen Feststellungen, die allein durch weitere ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden dürfen, zu entscheiden.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/09
vom
9. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 9. Juni
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten R. und J. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. November 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten J. in vollem Umfang ,
b) hinsichtlich des Angeklagten R. , soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt, den Angeklagten R. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten J. hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es der Erörterung der von ihm erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf. Das Rechtsmittel des Angeklagten R. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich beide Angeklagte in den Abendstunden des 13. Mai 2008 in der Wohnung der Marianne H. in Wernigerode auf und genossen, wie schon am Nachmittag zuvor, im Einzelnen nicht näher feststellbare Mengen Alkohol. In den frühen Morgenstunden des 14. Mai 2008 unternahm der erheblich unter Alkoholeinfluss stehende Marco Pi. , der ebenfalls in der Wohnung anwesend war, Annäherungsversuche gegenüber Marianne H. und berührte sie an verschiedenen Körperteilen. Auf den Versuch des Angeklagten J. , Marco Pi. von weiteren Übergriffen abzuhalten und ihn zu diesem Zweck von Marianne H. zu trennen, reagierte Pi. mit einer abwehrenden Armbewegung, wobei er den Angeklagten J. mit der Hand am Hals berührte. Über dieses Verhalten ärgerte sich der Angeklagte R. und beschloss, Marco Pi. dafür mit körperlicher Züchtigung zu bestrafen. Er versetzte diesem drei bis vier Faustschläge auf die linke Gesichtshälfte, woraufhin der Angeklagte J. , der ebenso verärgert war, nun seinerseits beschloss, sich der Bestrafung des Marco Pi. anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Er schlug mehrfach gegen den Körper des Marco Pi. und trat auch mindestens einmal gegen ihn. In der Zwischenzeit beteiligte sich auch der Angeklagte R. weiter an den mit heftigen Schlägen geführten körperlichen Misshandlungen des mittlerweile von der Couch gerutschten Geschädigten. Beide Angeklagte hätten dabei auf Grund ihrer persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen trotz erheblichen Alkoholgenusses erkennen können, dass der auf Grund erheblicher Alko- holisierung (BAK: 4,0 Promille) nahezu wehrlose Geschädigte bei einer derartigen Behandlung ums Leben kommen könne und dass dieser Erfolg durch ein Unterlassen der Gewalthandlungen hätte vermieden werden können. Der Geschädigte erlitt unter Anderem eine Schädel-Hirn-Verletzung mit Brückenvenenabriss. Die dadurch verursachten Blutungen führten noch am selben Tag zum Tode.
3
2. Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass die massive Einblutung in das Hirn des Geschädigten infolge des Abrisses mehrerer Brückenvenen todesursächlich war. Hierfür komme eine stumpfe Gewalteinwirkung gegen den frei beweglichen Kopf des Geschädigten in Betracht; bei Anwendung entsprechender Kraft könne dafür schon ein Schlag ausreichend sein. Ob schon allein die vor dem Eingreifen des Angeklagten J. von R. begangenen Gewalthandlungen für den Eintritt des Brückenvenenabrisses ursächlich waren, hat das Landgericht jedoch, auch insoweit dem Sachverständigen folgend, nicht festzustellen vermocht; auch das Zusammenwirken mehrerer Verletzungshandlungen für den Eintritt des Erfolges hat es nicht feststellen können. Mit der Erwägung, es könne dahinstehen, wer von den beiden Angeklagten die Handlungen ausgeführt habe, die die tödliche Verletzung hervorrief , hat es beide Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt; beide Angeklagte müssten sich auf Grund der mittäterschaftlichen Begehungsweise die Tatbeiträge des jeweils Anderen zurechnen lassen.
4
II. Verurteilung des Angeklagten R.
5
Der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen beschloss der Angeklagte J. , sich der von dem Angeklagten R. begonnenen "Bestrafung" des Geschädigten anzuschließen und setzte diesen Entschluss sodann in die Tat um. Die Gewaltanwendung in diesem zweiten Tatabschnitt erfolgte somit im gegenseitigen Einverständnis und Zusammenwirken beider Angeklagter. Daher muss sich der Angeklagte R. auch die Schläge und den Fußtritt des in diesem Handlungsabschnitt hinzugetretenen Angeklagten J. gegen das Tatopfer zurechnen lassen. Dass R. die todesursächliche Verletzungshandlung – möglicherweise – nicht selbst vorgenommen hat, steht einer Strafbarkeit gemäß § 227 StGB nicht entgegen. Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (Senatsurteil NStZ 1994, 339 m.w.N.). So liegt es hier.
6
III. Verurteilung des Angeklagten J.
7
1. Im Hinblick auf den Angeklagten J. begegnet der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt der Umstand, dass J. die von ihm beobachtete vorangegangene Gewaltanwendung durch den Angeklagten R. billigte und sich zur Teilnahme an dessen weiterer Gewaltanwendung entschloss, nicht dazu, dass die ihm bereits vor seinem Tatentschluss durch R. allein verwirklichten Tatumstände zuzurechnen wären. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven ) Mittäterschaft und eine Mitwirkung an einem Verbrechen des § 227 StGB trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen Anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548, 549; Senatsurteil NStZ 1994, 339).
8
2. Da das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht feststellen konnte, welche der von beiden Angeklagten ausgeübten Gewalteinwirkungen für den todesursächlichen Brückenvenenabriss in der Hirnkammer des Geschädigten ursächlich war, war in Anwendung des Zweifelssatzes davon auszugehen, dass dem Geschädigten die zum Tode führende Verletzung schon im ersten Teil des Geschehens und damit vor dem Zeitpunkt zugefügt worden war, als der Angeklagte J. beschloss, sich der durch den Mitangeklagten R. begonnenen Bestrafung des Tatopfers anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Sollte die zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer insoweit zu keinen weiteren Feststellungen gelangen können , kommt hinsichtlich des Angeklagten J. lediglich eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht.
9
IV. Rechtlichen Bedenken begegnet weiter, dass das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat (§ 64 StGB).
10
1. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei beiden Angeklagten zwar einen Hang im Sinne von § 64 StGB bejaht, jedoch gemeint, es fehle an einem symptomatischen Zusammenhang mit der Straftat. Bei beiden Angeklag- ten sei es vielmehr schon im Vorfeld der Suchtentwicklung sozialisationsbedingt zu einer verschobenen Norm- und Wertevorstellung gekommen, aus der heraus "Gewaltanwendungen auch in der Perspektive einer Alkoholabstinenz seitens der Angeklagten als probates Mittel betrachtet (worden seien), um Konflikte zu lösen". Es gebe daher einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der körperverletzenden Verhaltensweise und den verschobenen Norm- und Wertvorstellungen , nicht aber einen solchen mit der bestehenden Alkoholabhängigkeit.
11
2. Mit dieser Begründung begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Anordnung der Maßregel von zu engen Voraussetzungen abhängig gemacht.
12
a) § 64 Abs. 1 StGB setzt einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem festgestellten Hang zum übermäßigen Alkohol- bzw. Drogengenuss und der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters voraus (vgl. nur BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1). Ein solcher Zusammenhang zwischen den begangenen und den künftig zu befürchtenden Straftaten einerseits und dem Hang zum übermäßigen Alkoholgenuss andererseits ist auch dann zu bejahen , wenn der Hang zum Alkoholgenuss – neben anderen Umständen – mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH NStZ-RR 1997, 231; BGH NStZ 2000, 25). Der Zusammenhang kann grundsätzlich nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (BGHR aaO).
13
b) Die Strafkammer hat insoweit festgestellt, dass beide Angeklagte seit ihrem sechzehnten Lebensjahr regelmäßig Alkoholmissbrauch betreiben, teilweise bis zum Eintritt des Kontrollverlustes, und daneben in erheblichem Umfang Drogen konsumieren. Der Angeklagte R. hat bereits zweimal eine kurzzeitige Therapiemaßnahme absolviert. Lebensinhalt beider Angeklagter ist seit Jahren der regelmäßige Konsum von Alkohol und Rauschmitteln im Freundeskreis , lediglich unterbrochen durch die Verbüßung von Freiheitsstrafen aus zahlreichen Vorverurteilungen wegen Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten. Die Angeklagten verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung und gehen keiner geregelten Beschäftigung nach. Die hier abgeurteilte Tat steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zuvor über den wesentlichen Teil des Tattages hinweg betriebenen Alkoholkonsum. Dass die erhebliche Alkoholisierung die gewalttätige Reaktion der Angeklagten auf eine vergleichsweise geringfügige sexuelle Belästigung einer dritten Person mit beeinflusst hat, liegt danach auf der Hand. Damit ist der erforderliche symptomatische Zusammenhang in dem Sinne dargetan, dass die Alkoholsucht die Begehung der Tat mit ausgelöst hat, mag sie ihre Ursache auch in der von dem medizinischen Sachverständigen bei den Angeklagten festgestellten, bereits zuvor sozialisationsbedingt eingetretenen Verschiebung der allgemeinen Norm- und Wertevorstellungen haben. Kann die kriminalitätsfördernde Wirkung der Sucht in einem solchen Fall durch eine erfolgreiche Behandlung beseitigt werden, ist auch die Tätergefährlichkeit im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB vermindert. Den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, dass bei beiden Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines solchen Behandlungserfolges nicht besteht.
14
c) Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5, 7; BGH NStZ-RR 2008, 107). Sie haben die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.). Der Strafausspruch bei dem Angeklagten R. kann bestehen bleiben. Der Senat kann angesichts des Tatbildes ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
15
3. Es wird nunmehr mit sachverständiger Hilfe (§ 246 a StPO) die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB sowie - im Hinblick auf § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB i.d.F. des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BGBl I 1327) – die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung zu klären sein (vgl. Senatsbeschluss StV 2007, 634).
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke
15
Auch der vom Landgericht mit einer pauschalen Begründung bejahte Mittäterexzess des gesondert Verfolgten W. hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 - 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231, 234; Fischer, aaO § 25 Rn. 20). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat (BGH, Urteil vom 1. September 1999 - 2 StR 94/99, NStZ 2000, 29 f.; BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261 f.). Dasselbe gilt, wenn ihm die Handlungsweise des Mittäters gleichgültig ist (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511 f.; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 256/72, NJW 1973, 377). Beide Angeklagten wirkten nach der Todesdrohung , an der weiteren Tatbegehung - bei der dem Opfer weitere Handlungen abgenötigt wurden - mit, ohne sich von dieser zu distanzieren. Hinzu kommt beim Angeklagten R. , dass er bei der Tatbegehung einen Schlagstock einsetzte und ein Messer bei sich führte, was ein Indiz dafür sein kann, dass er mit der Todesdrohung des Mittäters W. einverstanden oder diese ihm zumindest gleichgültig war. Auf der Grundlage der Feststellungen liegt die Annahme eines Mittäterexzesses daher eher fern; jedenfalls hätte seine Bejahung näherer Begründung bedurft. Im Übrigen drängt sich das Vorliegen zumindest sukzessiver Mittäterschaft auf.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226) verursacht worden ist.

(2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne daß ihm dies vorzuwerfen ist.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

5 StR 405/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember
2010, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Brause als Vorsitzender,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 10. Mai 2010 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs (Fall 1) und versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Hausfriedensbruch (Fall 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt, ihn im Übrigen vom Vorwurf der Vergewaltigung im Fall 3 der Urteilsgründe freigesprochen. Die mit der allgemeinen Sachrüge gegen den Freispruch betreffend Fall 3 der Urteilsgründe geführte Revision der Nebenklage bleibt ohne Erfolg; Gleiches gilt für die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der – insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten – die unterbliebene Verurteilung wegen Vergewaltigung im Fall 2 der Urteilsgründe gerügt wird.
2
Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Von einer Verurteilung des Angeklagten auch wegen Vergewaltigung der Nebenklägerin im Fall 2 der Urteilsgründe hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler abgesehen; insoweit vermochte sie nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die Tatsituation fehlerhaft bewertete und den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin in der Annahme vollzog, diese verkehre freiwillig mit ihm.
3
1. Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung stellt die Strafkammer wesentlich auf die nach dem widerrechtlichen Eindringen in die Wohnung der Nebenklägerin , seiner langjährigen früheren Lebensgefährtin, objektiv eingetretene „Entspannung der Situation“ ab (UA S. 26). Zwar hatte der Angeklagte der Nebenklägerin zunächst den Einsatz des mitgeführten Elektroschockgeräts für den Fall verweigerten Geschlechtsverkehrs angedroht und ihre Hände mit Klebeband gefesselt. Auf Wunsch der Nebenklägerin begab er sich allerdings anschließend zunächst zum Duschen ins Badezimmer und schilderte ihr währenddessen seine Gefühle wegen der kurz zuvor von der Nebenklägerin vollzogenen Trennung (UA S. 28). Anschließend tranken beide gemeinsam in der Küche bei ausführlicher Unterhaltung Kaffee (UA S. 26). Zu einem späteren, zeitlich nicht näher festgestellten Zeitpunkt begaben sie sich ins Schlafzimmer. Dort vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin zunächst den Analverkehr. Er brach ihn auf ihren Wunsch hin ab, weil sie diesen als schmerzhaft empfunden hatte, „fasste sie an und masturbierte“ und vollzog sodann den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr (UA S. 14). Anschließend entschuldigte er sich für den Einsatz des Klebebandes, kochte erneut Kaffee und beide unterhielten sich, bis der Angeklagte die Wohnung verließ und Zigaretten sowie eine Schachtel Schokoladenherzen für die Nebenklägerin kaufte.
4
Der psychiatrische Sachverständige, dessen Beurteilung die Strafkammer gefolgt ist, hat zur Persönlichkeitsstruktur ausgeführt, dass „kognitive Verzerrungen“ wegen der „narzisstischen und dissozialen Anteile“ der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten „sehr wahrscheinlich“ aufträten; es sei möglich, dass er „den gewaltsamen Beginn der konkreten Situation nach dem Eindringen in die Wohnung“ wegen der „eingetretenen Entspannung“ nicht mehr berücksichtigt habe und davon ausgegangen sei, dass die Nebenklägerin freiwillig mit ihm den Geschlechtsverkehr vollziehe (UA S. 28).
5
2. Nachvollziehbar hat die Strafkammer das sich dynamisch entwickelnde Tatgeschehen verbunden mit der langjährigen, sexuellen TäterOpfer -Beziehung mit Blick auf eine mögliche Verkennung der Tatsituation gewürdigt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1988 – 1 StR 179/88; vgl. auch Schorsch, Sexualstraftäter S. 214 f.). Die Besonderheiten im Tatbild hat die Strafkammer überdies in eine Gesamtschau mit der festgestellten kombinierten Persönlichkeitsstörung des Angeklagten eingestellt. Ohne Rechtsfehler hat sie dieser bereits im Rahmen der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite und nicht erst bei der Frage der Schuldfähigkeit besondere Bedeutung beigemessen (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 28. Februar 1991 – 4 StR 553/90, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 8).
6
Die Strafkammer überspannt dabei ersichtlich nicht die Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung. In plausibler Weise hat sie bei ihrer Würdigung auf die das Tatgeschehen prägenden Umstände sowie das zwischen beiden übliche und früher einverständlich praktizierte Sexualverhalten abgestellt.
Brause Raum Schneider König Bellay

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.