Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2010 - 5 StR 319/10

bei uns veröffentlicht am27.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 319/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin H.
alsVerteidigerin,
Rechtsanwältin S.
alsNebenklägervertreterin,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Februar 2010 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , am 3. Juni 2009 unter Einsatz eines Messers die Nebenklägerin in deren Wohnung verbracht, vergewaltigt, körperlich misshandelt und der Freiheit beraubt sowie sie anschließend unter Einsatz des Messers beraubt zu haben. Die gegen den Freispruch gerichtete, lediglich mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 1994 wegen Ermordung einer Frau – nach deren Fesselung und Knebelung – zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilte „übergewichtige und äußerlich auch sonst wenig attraktive Angeklagte“ (UA S. 5) lernte im Juni/Juli 2008 die Nebenklägerin an deren Arbeitsstelle, einem Geschäft für Reisebedarf an einer U-Bahn-Station, kennen. Im Laufe der Zeit entstand ein enger Kontakt mit intensiven Gesprächen und häufigerem Austausch elektronischer Kurzmitteilungen. Die Nebenklägerin sandte dem Angeklagten am 21. Oktober 2008 ein Bild mit nackten Brüsten mit dem beigefügten Text: „Viel Spaß damit, liebe Grüße Deine Doro.“ Der Angeklagte kaufte auf seinen Namen für die – SCHUFA-belastete – Nebenklägerin eine Waschmaschine. Anfang März 2009 besuchte er sie zu Hause. Darüber war sie ungehalten; sie forderte ihn auf, gegenüber ihren Arbeitskolleginnen deutlich zu machen, dass es keine engen Kontakte zwischen ihnen gebe. Diese Forderung fixierte sie schriftlich auf einem Zettel, den sie dem Angeklagten übergab. Der persönliche Kontakt und der Austausch elektronischer Kurznachrichten wurden fortgesetzt. Am 22. April 2009 schenkte der Angeklagte der Nebenklägerin ein Mobiltelefon im Wert von ca. 140 €.
4
Die Nebenklägerin unterhielt seit April 2009 mit dem Zeugen K. eine Beziehung. Dieser klingelte am Nachmittag des 3. Juni 2009 mehrfach ergebnislos an der Tür des Wohnhauses der Nebenklägerin.
5
b) Die nach übereinstimmenden Bekundungen des Angeklagten und der Nebenklägerin gemeinsam in deren Wohnung zugebrachte Zeit zwischen 14.00 Uhr und 2.45 Uhr des Folgetages hatten beide in der Hauptverhandlung sich widersprechend geschildert.
6
aa) Der Angeklagte hat ausgeführt, dass beide nach Verzehr eines gelieferten Essens geschlafen hätten, er dann ein Bad genommen und gegen 19.00 Uhr die nackt auf dem Bett liegende Nebenklägerin – objektiv ohne erkennbare Fesselungsspuren – fotografiert habe. Nach einer weiteren Zeit des Schlafens habe er im Wohnzimmer auf dem Mobiltelefon der Nebenklägerin gespeicherte Nachrichten gefunden, aus denen sich ergeben habe, dass zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen K. eine feste Beziehung bestehe. Er habe die Nebenklägerin zur Rede gestellt, die aber eine Beziehung zu dem Zeugen K. nicht zugegeben habe. Er habe es abgelehnt , der Aufforderung der Nebenklägerin entsprechend in ihr Schlafzimmer zu kommen, wo sie ihm hätte beweisen wollen, wie sehr sie ihn liebe. Zu keinem Zeitpunkt sei es zu sexuellen Handlungen gekommen. Er habe ihr aus Enttäuschung private und berufliche Schwierigkeiten angedroht, falls sie ihm nicht innerhalb von zehn Tagen das Geld für die Waschmaschine und das Mobiltelefon zahlen würde.
7
bb) Die Nebenklägerin hat angegeben, der Angeklagte habe sie bereits unter Vorhalt eines Messers gezwungen, ihn im Auto zu ihrer Wohnung zu fahren; dort habe er ihr sofort nach Betreten der Wohnung die Hände mit einer Gazebinde auf dem Rücken zusammengebunden und ihr mit einem Geschirrtuch aus der Küche die Augen verbunden. Er habe sie trotz der Fesselung ausgezogen. Nach einem abgenötigten Zungenkuss habe sie ihn oral befriedigen müssen. Er habe auch an ihrer Scheide geleckt. Sie habe dem Pizzaboten – nach dessen Klingeln an der Haustür – auf Geheiß des Angeklagten bekleidet geöffnet und sich diesem aus Angst nicht offenbart. Nach erneutem Ausziehen und erneuter Fesselung habe sie das Essen abgelehnt. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte vergeblich versucht, vaginal in sie einzudringen. Dann habe er dies mit Fingern und einem Dildo getan, den sie dann auch selbst habe benutzen müssen. Als K. geklingelt habe, habe der Angeklagte ihr das Messer drohend an den Hals gehalten. Sie habe immer wieder Jägermeister trinken müssen, den er ihr eingeflößt habe. Toilettengänge habe er ihr versagt. Er habe ihr einen Eimer hingestellt, in den sie sich erbrochen und uriniert habe; er müsse diesen Eimer in seiner Reisetasche mitgebracht haben. Nachdem es ihr gelungen sei, die Fesselung zu lösen und die Augenbinde nach oben zu schieben, habe sie gesehen, wie der nackte Angeklagte Schränke und Schubladen im Wohnzimmer durchsucht habe. Nach einem Fluchtversuch habe er sie gegen den Kopf geschlagen und sie sei zu Boden gegangen. Er habe sie erneut gefesselt und ihre Augen verbunden, sie wieder zum Bett gebracht und sich weiter unter Halten des Messers an ihren Hals an ihr vergangen. Sie sei dann eingeschlafen.
8
c) Die Nebenklägerin versuchte um 4.08 Uhr und 8.05 Uhr mit ihrem Freund K. in Kontakt zu treten. Nachdem sie ihn um 8.22 Uhr um einen sofortigen Anruf gebeten hatte, weil etwas ganz Schlimmes passiert sei, teilte sie ihm auf dessen Anruf um 9.30 Uhr weinend mit, dass sie vergewaltigt worden sei. Nach intensivem Zureden durch K. erklärte sich die Nebenklägerin gegen 14.00 Uhr mit einer Verständigung der Polizei einverstanden. An den in der Wohnung der Nebenklägerin auf dem Bettlaken und dem Bettbezug gesicherten Spermaspuren wurde die DNA des Angeklagten ausgeschlossen.
9
Nach dem Geschehen begab sich die Nebenklägerin in psychiatrische Behandlung bei dem als sachverständigen Zeugen vernommenen Kr. , der eine posttraumatische Belastungsstörung ohne Tendenzen für eine Vorspiegelung oder Simulation festgestellt habe. Wegen einer von Gewaltausübung zum Nachteil der Nebenklägerin geprägten früheren Beziehung hat das Landgericht nicht feststellen können, ob das Geschehen vom 3. und 4. Juni 2009 Ursache für die Störung der Nebenklägerin gewesen ist.
10
Der sachverständige Zeuge A. hat keine gynäkologisch relevanten Verletzungen festgestellt, die von der Nebenklägerin am 4. Juni 2009 in ihrer polizeilichen Vernehmung geschilderte Blutungen im Intimbereich hätten belegen können. Auch der von der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung berichtete massive Schlag in das Gesicht durch den Angeklagten konnte medizinisch nicht verifiziert werden; eine dezente Rötung am linken Handgelenk könnte von einer Fesselung oder vom Tragen eines Schmuckstücks oder einer Uhr herrühren.
11
d) Das Landgericht hat bei der Qualitätsanalyse der Aussagen der Nebenklägerin erhebliche Mängel hinsichtlich des Rand- und Kerngeschehens festgestellt:
12
Von der Revision nicht beanstandet hat das Landgericht dargelegt, dass die Nebenklägerin hinsichtlich der Intensität ihrer Beziehung zum Angeklagten vor dem 3. Juni 2009 und zur Schenkung des Mobiltelefons in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung unwahre Angaben gemacht habe, ohne hierfür in der Hauptverhandlung eine plausible Erklärung abgeben zu können. Unwahre Angaben der Nebenklägerin hat das Landgericht auch zu den Umständen der Übergabe des von ihr geschriebenen und dem Angeklagten übergebenen Zettels mit an den Angeklagten gerichteten Verhaltensanweisungen festgestellt.
13
Auf Vorhalte unterschiedlicher Aussagen hinsichtlich des Zusammentreffens mit einer Nachbarin und der – vom Landgericht als wenig nachvollziehbar bewerteten – Essensbestellung in Unterbrechung sexuell motivierter Gewalthandlungen habe sich die Nebenklägerin auf nicht weiter erklärte Erinnerungsverluste bezogen. Dies sei auch hinsichtlich der in mehreren Vernehmungen unterschiedlich geschilderten Situation geschehen, bei der die Nebenklägerin gefesselt gewesen sei, ferner zu dem Messereinsatz des Angeklagten und dem von ihr geschilderten Fluchtversuch.
14
Hinsichtlich unterschiedlicher Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen , nämlich der Art und Reihenfolge der abgenötigten und erduldeten Sexualhandlungen, hat es das Landgericht als nicht nachvollziehbar gewertet , dass die Nebenklägerin in einer späteren Vernehmung die versuchte vaginale Penetration als – weil ihren Freund möglicherweise belastend – besonders bedeutsam, in ihrer Erstvernehmung und bei der Befragung durch den Arzt aber als nicht erwähnenswert betrachtet habe. Die Angabe der Nebenklägerin , sie sei von dem Arzt nicht nach der Vornahme des Oralverkehrs befragt worden, hat das Landgericht durch die Aussage des sachverständigen Zeugen A. als widerlegt angesehen.
15
Das Landgericht hat diese Qualitätsmängel in der Aussage der Nebenklägerin als Ungereimtheiten, Widersprüche und Falschaussagen bewer- tet und sich nicht in der Lage gesehen, eine Verurteilung auf die Aussage der Nebenklägerin zu gründen, die auch nicht durch äußere Umstände gestützt worden sei.
16
2. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung stand.
17
a) Das Landgericht hat den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Umfang der Darlegungspflicht entscheidungsrelevanter Umstände nicht missachtet (vgl. BGHSt 52, 314, 315; BGH NStZ 2010, 529).
18
Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch hinsichtlich der Persönlichkeit und des Werdegangs des Angeklagten, einschließlich seiner Verurteilung wegen Mordes im Jahre 1994 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren nebst den hierzu festgestellten Begleitumständen. Der Senat entnimmt den wertenden Betrachtungen des Landgerichts UA S. 16 f., 28, in die es den Angaben der Nebenklägerin widersprechende objektive Beweisanzeichen ersichtlich einbezogen hat, dass auf die Angaben der Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten schlechterdings nicht gestützt werden könne. Bei einem schon hierdurch unaufklärbaren Tatgeschehen hätten die von der Revision vermissten Darlegungen keine maßgebliche Stärkung von Belastungsindizien begründen können. Daher liegt keine sachlichrechtlich relevante Erörterungslücke zugunsten des Angeklagten vor.
19
b) Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts den sachlichrechtlichen Anforderungen stand (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
20
aa) Soweit dem Revisionsvortrag zu entnehmen ist, die posttraumatische Belastungsstörung der Nebenklägerin sei insofern lückenhaft erörtert worden, als diese nicht als Ursache für die Qualitätsmängel der Aussage der Nebenklägerin herangezogen worden sei, wird keine relevante Lücke dargelegt. Mangels wissenschaftlicher Anerkennung der Forderungen der psycho- logischen Traumatologie im Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsbeurteilung (vgl. Steller in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer 2002, S. 69, 70) kann die Beweiswürdigung des Landgerichts nämlich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nicht übergangen haben. Das Landgericht hat zudem wesentliche Mängel schon in den Widersprüchlichkeiten der Aussagen unmittelbar nach der Tat, die nach dem Revisionsvortrag von der Traumatisierung unbeeinflusst geblieben wären, festgestellt und auf mit keinem Trauma in Zusammenhang stehende bewusst unwahr geschilderte Umstände abgestellt.
21
bb) Die Bewertung der Aussagequalität der Nebenklägerin ist auch in anderer Hinsicht beanstandungsfrei.
22
Dem Senat ist es – im Gegensatz zur Auffassung des Generalbundesanwalts – verwehrt, den vom Landgericht hergestellten Zusammenhang von bewusst unwahrer Aussage im Randbereich und Qualitätsmängeln im Kernbereich der Aussage der Nebenklägerin in Frage zu stellen. Diesen Zusammenhang zu bewerten, gehört zum Kern tatrichterlicher Beweiswürdigung. Nach der durch §§ 261 und 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kann es nicht darauf ankommen, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte (vgl. BGHSt 10, 208, 211; 29, 18, 20). Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung lebensfremd erscheinen mag (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Falls das Tatgericht – wie hier – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage zu der nachvollziehbaren und plausiblen Schlussfolgerung gelangt ist, die Zeugenaussage sei nicht geeignet, eine Verurteilung eines Angeklagten zu begründen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512) – als möglicher Schluss des Tatgerichts (vgl. BGHSt 10, 208, 210 f.; 29, 18, 20; 36, 1, 14) in der Revisionsinstanz Bestand (vgl. BGH NStZ 2005, 334). Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit (vgl. BGHSt 10, 208, 211) wird vom Landgericht nirgendwo überschritten.
Basdorf Brause Schaal
Schneider König

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Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2010 - 5 StR 319/10 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 231/08
vom
15. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 23. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, die Nebenklägerin nach einem Diskobesuch in einem Waldstück vergewaltigt zu haben. Das Landgericht konnte sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die Nebenklägerin stützt ihre Revision auf Verfahrensbeschwerden und die Sachrüge. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte besuchte im Februar 2007 gemeinsam mit dem Zeugen W. eine Disko, um die „Weiberfastnacht“ zu feiern. Dort hielt sich auch die Nebenklägerin gemeinsam mit einer Freundin auf. Die Nebenklägerin trug ein Faschingskostüm, trank an diesem Abend mehr als üblich Alkohol und tanzte entgegen ihrer Gewohnheit „enthemmt“. Sie äußerte, sie wolle sich an diesem Abend „abschießen“. Sie nahm Kontakt zum Angeklagten auf, tauschte mit ihm Küsse – auch Zungenküsse – aus und ließ sich von ihm an den Busen und an den Po fassen. Gemeinsam mit dem Angeklagten begab sich die Nebenklägerin einmal zum Garderobenbereich des Lokals, wo sie miteinander „knutschten“. Bei den Mitarbeitern der Disko entstand der Eindruck, zwischen beiden bestehe ein freundschaftliches Verhältnis. Zweimal begab sich die Nebenklägerin mit ihrer Freundin vor das Lokal. Einmal folgte ihnen der Angeklagte und forderte die Freundin auf, sie solle ihn mit der Nebenklägerin allein lassen. Die Freundin forderte ihn auf, die Nebenklägerin in Ruhe zu lassen, sie würde, bedingt durch den Alkohol, nichts mehr „checken“. Gegen zwei Uhr dreißig versuchte ihre Freundin, die Nebenklägerin in ein Taxi zu schieben. Die Nebenklägerin wollte jedoch allein den 1,5 km langen Weg nach Hause gehen. Als die Freundin nach Hause fuhr, ging die Nebenklägerin in das Lokal zurück. Nach einer Viertelstunde teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie nach Hause gehen werde.
4
Der Angeklagte folgte ihr auf dem Radweg der Bundesstraße bis zu einem Waldstück, in dem es zu sexuellen Handlungen kam. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin nicht gegen ihren Willen von ihrem zunächst eingeschlagenen Heimweg abgebracht wurde, sondern sich hat überreden lassen. Erst im Waldstück habe sie umkehren wollen und dies verbal geäußert.
5
2. Die Strafkammer hat sich überzeugt gezeigt, dass es in dem Waldstück zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Darüber, welcher Art diese sexuellen Handlungen waren und ob diese gegen den erkennbaren und erkannten Willen der Nebenklägerin durchgeführt worden sind, konnte sie sich keine sichere Überzeugung bilden.
6
3. Die Nebenklägerin hat ausgesagt, sie sei mit dem Angeklagten nicht freiwillig in das Waldstück gegangen, wisse allerdings auch nicht mehr, weshalb sie dorthin gegangen sei. Sie sei von ihm möglicherweise geschubst worden, vielleicht sei sie auch alkoholbedingt gestolpert und gestürzt und sei auf den Knien aufgekommen. Sie habe auf dem Boden gelegen, mit dem Gesicht zur Erde. Sie habe gesagt, dass sie aus dem Wald wolle, habe auch geschrien. Er habe sie auf die Backe geschlagen und sie aufgefordert, ruhig zu sein. Er habe ihr auch den Mund zugehalten und gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht „die Klappe“ halte. Der Angeklagte habe ihre Hose heruntergezogen und habe mit seinem Körper auf ihrem Rücken gelegen. Er habe sein Glied in ihren „Hintern“ eingeführt und sich hin- und herbewegt. Er sei auch kurz vaginal „drin gewesen“. Plötzlich sei der Angeklagte aufgestanden und gegangen. Sie sei aufgestanden und habe begonnen, ihre Hose hochzuziehen. Der Angeklagte sei zurückgekommen, habe sie geschubst, so dass sie auf den Rücken gefallen sei. Er habe sich auf ihre Brust gesetzt und versucht, sein entblößtes Glied in ihren Mund zu schieben. Dies sei nicht gelungen, weil sie ihren Mund fest geschlossen gehalten habe. Sie sei dann wieder auf die Seite und schließlich auf dem Bauch zu liegen gekommen. Der Angeklagte habe ihre Hose wieder nach unten gezogen und sei erneut anal und vaginal in sie eingedrungen, allerdings nicht mehr so lange wie zuvor. Sie habe geschrien. Daraufhin sei W. gekommen ; allerdings sei der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Wald raus gegangen und sie sei schon angezogen gewesen.
7
4. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, hat sich aber im Ermittlungsverfahren – so das Landgericht – widersprüchlich eingelassen. Nach anfänglicher Berufung auf Erinnerungslücken habe er angegeben, er habe die ihm namentlich nicht bekannte Frau im Lokal kennen gelernt, wo diese ihn angemacht habe und sie sich geküsst hätten. Im Wald sei die Frau auf dem Rücken gelegen. Sie sei unten herum bis zu den Hüften nackt gewesen. Er habe versucht, sie anzuheben , was ihm nicht gelungen sei. Als die Frau angefangen habe zu weinen, sei er gegangen. Bei seiner zweiten Vernehmung habe er einen Oralverkehr auf freiwilliger Basis geschildert, bei dem er gestanden und die Frau gekniet habe. Sie sei umgefallen und er habe versucht, sie aufzuheben. Als sie zu weinen begonnen habe, habe er von ihr abgelassen. In seiner dritten Beschuldigtenvernehmung habe er angegeben, die Nebenklägerin habe den Mund für den Oralverkehr nicht geöffnet. Sie hätten miteinander schlafen wollen und hätten gemeinsam angefangen. Mit ihrem Einverständnis hätten sie ihre Hose herunter gezogen. Sie seien umgefallen. Als sie zu weinen angefangen und gefordert habe, er solle sie lassen, seien sie aufgestanden und gegangen. Schläge, Drohungen und erzwungene sexuelle Handlungen gegen ihren Willen stritt der Angeklagte ab.
8
5. Für die Zeit nach dem Geschehen im Waldstück ist folgendes festgestellt :
9
a) Der Zeuge W. , der in der Disko eingeschlafen war, war nach deren Schließung dem Angeklagten gefolgt und kam an das Waldstück „nach dem Geschehen hinzu“, als sich der Angeklagte schon entfernt hatte (UA S. 13). Er hörte auf dem Weg dorthin „einen kurzen Schrei“ aus dem Wald. Die Nebenklägerin rief in Anwesenheit des Zeugen W. mit ihrem Handy nach der Polizei, forderte – als die Verbindung stand – den Zeugen W. auf, sich zu entfernen, und verlangte, mit der Polizeibeamtin „C. “ verbunden zu werden. Als „C. “ nicht zu erreichen war, bat sie den das Gespräch annehmenden Beamten um Hilfe. Sie machte bei dem Telefongespräch „einen verängstigten Eindruck“, so dass der Polizeibeamte sofort einen Einsatzwagen zu dem Waldstück schickte. Die Beamten des Einsatzwagens erlebten „die Gemütslage der Nebenklägerin als sehr wechselhaft mit Wein- und Wutanfällen“. Sie musste immer wieder beruhigt werden. Sie roch leicht nach Alkohol, schwankte aber nicht. Während der Fahrt im Streifenwagen richtete die Nebenklägerin ihre Sitzhaltung so ein, dass „sie möglichst schräg saß oder auf dem Bauch lag und dabei über Schmerzen im Po klagte“. Die gegen 3.00 Uhr entnommenen Blutproben ergaben bei der Nebenklägerin eine Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von wahrscheinlich 2,06 o/oo, maximal 2,52 o/oo, beim Angeklagten eine solche von wahrscheinlich 1,56 o/oo und maximal 2,07 o/oo).
10
b) Bei der unmittelbar nach der Tat erfolgten rechtsmedizinischen Untersuchung fanden sich weder am Penisabstrich des Angeklagten DNA-Spuren der Nebenklägerin, noch fanden sich im Scheiden- und Anusabstrich der Nebenklägerin DNA-Spuren des Angeklagten.
11
c) Unter neun der zehn Fingernägel des Angeklagten wurden DNASpuren der Nebenklägerin sichergestellt. Der Sachverständige erklärte den DNA-Befund „am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen“, der Befund weise aber nicht auf ein Einführen eines oder mehrerer Finger in eine der Körperöffnungen hin. Im inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten wurden DNA-Spuren gesichert, die der Nebenklägerin zugeordnet werden konnten. Am Handrücken des Angeklagten wurden Blutspuren sichergestellt , die nach der DNA-Analyse Mischspuren darstellten, „wobei Verursacher sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin und mindestens eine weitere Person seien“. Die Jeans des Angeklagten wiesen Verschmutzungen im Bereich der Knie auf.
12
d) Im Schrittbereich der Unterhose und der Strumpfhose der Nebenklägerin befand sich Blut, das ihr nach den Ergebnissen der DNA-Analyse zugeordnet werden konnte. Ob das Blut aus einer frischen Verletzung oder aus der vorangegangenen Menstruationsblutung stammte, konnte nicht sicher festgestellt werden. Bei der Nebenklägerin wurde in der Scheide ein Tampon festgestellt , den sie nach dem Abklingen der Blutung noch aus Sicherheitsgründen trug.
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6. Das Landgericht hat sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen können. Zwar sprächen die Aussageentstehung und das von der Nebenklägerin unmittelbar nach dem Vorfall gezeigte Verhalten dafür, dass im Waldstück ein Ereignis mit sexuellem Bezug vorgefallen sei, welches der Nebenklägerin sehr zugesetzt habe. Die Aussage der Nebenklägerin weise inhaltlich einige Auffälligkeiten auf, auf Grund derer die Kammer erhebliche Zweifel daran gehabt habe, dass die wiedergegebene Schilderung den Vorfall vollständig beschreibe und der Angeklagte in der gegebenen Situation Anlass zu der Annahme gehabt habe, dass die Nebenklägerin sexuelle Handlungen nicht wolle.

II.

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Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
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Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06 –; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.). Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16, 24, Überzeugungsbildung 30; BGH NStZ 2000, 48).
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2. Ist wie hier die Beweislage schwierig und hängt die Entscheidung im Wesentlichen davon ab, ob das Gericht den Angaben des potentiellen Opfers einer Vergewaltigung oder dem Angeklagten folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Diesem Maßstab wird die von der Strafkammer vorgenommene umfangreiche Beweiswürdigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
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a) Zwar führt die Strafkammer aus, die von ihr vorgenommene „Gesamtschau“ der einerseits vorhandenen und der andererseits fehlenden Spuren sowie des Aussageverhaltens der Nebenklägerin ließen Zweifel an einem Geschehensablauf wie von der Nebenklägerin geschildert zu (UA S. 20). Eine solche „Gesamtschau“ ist aber dann keine lückenlose Gesamtwürdigung der Indizien , wenn die Strafkammer – wie hier – bereits vorher wichtige objektive Beweisanzeichen ohne umfassende Auseinandersetzung mit den Aussagen der Nebenklägerin und des Angeklagten isoliert bewertet, dabei insbesondere feststellt , die Herkunft wichtiger Spuren lasse sich nicht klären und im Ergebnis dem Indiz dann – der Sache nach – maßgeblichen Beweiswert aberkennt. Aus der Bewertung der Strafkammer in ihrer „Gesamtschau“, es lägen keine objektiven Umstände vor, welche die Schilderung der Nebenklägerin über die Ereignisse im Waldstück stützen würden und mit Gewissheit dem Geschehen im Waldstück zugeordnet werden könnten, folgt, dass die Strafkammer die Reichweite der Regel „in dubio pro reo“ verkannt hat. Dies ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag, und nicht auf jedes Indiz für sich anzuwenden ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass Indizien, auch wenn sie sie – einzeln für sich betrachtet – nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten.
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So meint die Kammer, die unter neun Fingernägeln des Angeklagten gefundenen DNA-Spuren, die mit Sicherheit der Nebenklägerin zugeordnet wur- den, wiesen nicht auf Gewaltanwendung im Rahmen des Geschehens im Waldstück hin und spricht ihnen im Ergebnis Beweiswert ab, - obwohl die Nebenklägerin ausgesagt hat, der Angeklagte habe ihr zweimal die Hosen – u.a. eine eng anliegende schwarze Stretchhose – herunter gezogen, - obwohl der Sachverständige erläutert hat, der DNA-Befund sei am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen zu erklären, - sowie trotz der Feststellungen zu der Verspannung und den Schmerzen im Bereich des Afters der Nebenklägerin, wovon letztere nicht nur durch die Nebenklägerin vorgebracht wurden, sondern durch die Aussagen der Polizeibeamten und zweier Zeuginnen gestützt wurden. Einzig mit der Begründung, die Nebenklägerin habe in der Hauptverhandlung – ausweislich der Urteilsgründe anders als in der Anklageschrift – nicht von einem Zupacken, sondern von einer anderen Form der Gewalteinwirkung gesprochen , kommt die Kammer zu dem isolierten Schluss, „dieses Zupacken [könne] kann nicht mit ausreichender Sicherheit mit dem Geschehen im Waldstück in Verbindung gebracht werden“, ohne zu erörtern, woher diese objektiven Spuren denn ansonsten überhaupt herrühren könnten: „Wo die DNASpuren unter den Fingernägeln des Angeklagten ihre Ursache haben, bleibt für das Gericht offen“. Die Strafkammer hätte sich damit auseinandersetzen müssen , ob die Spuren unter den Fingernägeln mit dem zweimaligen Herunterziehen der Hose, welches ein festes Zupacken erfordert, in Einklang zu bringen ist. Damit erweist sich die Beweiswürdigung in diesem Punkt auch als lückenhaft.
20
Isoliert betrachtet die Kammer auch die Verschmutzung der Jeanshose des Angeklagten. Dieser Umstand weise (allein) darauf hin, dass er auf dem Waldboden gekniet haben dürfte. Ohne Auseinandersetzung mit dem von der Nebenklägerin behaupteten zweimaligen Analverkehr kommt die Kammer zu dem Ergebnis, ein Knien auf dem Boden lasse Schlussfolgerungen über einen bestimmten Geschehensablauf nicht zu.
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Ebenso lässt die Kammer die Herkunft der aus dem inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten genommenen DNA-Spur, die der Nebenklägerin zugeordnet wurde, offen, ohne zu erörtern, welche andere Verursachung als durch das von der Nebenklägerin geschilderte Tatgeschehen in Betracht kommt. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine Übertragung von DNA sei möglich bei Geschlechtsverkehr, bei einem Oralverkehr am Penis oder bei längeren und intensiven Manipulationen mit der Hand in der Unterhose. Jedenfalls hinterlasse ein weniger intensiver Kontakt, wie ein normales Anfassen der Unterhose, keine DNA-Spuren. Die Kammer setzt diese Spur nicht in Bezug zur Aussage der Nebenklägerin, es habe Anal- und Vaginalverkehr stattgefunden.
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Entsprechendes gilt hinsichtlich der Herkunft der Blutspuren in der Unterhose und an der Strumpfhose der Nebenklägerin sowie auf dem Handrücken des Angeklagten. Die positive Feststellung einer frischen Verletzung als Ursache für die Blutspur sei trotz der Aussagen einer Zeugin über die Reaktion der Nebenklägerin beim Entkleiden nicht möglich, so dass letztlich offen bleiben müsse, wo die Blutspur ihre Ursache habe und ob sie dem Geschehen zugeordnet werden könne. Eine sichere Feststellung, wie es zu der Antragung auf dem Handrücken gekommen sei, könne ebenfalls nicht getroffen werden, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich in der Unterhose der Nebenklägerin bereits vor dem Geschehen in dem Waldstück Blut befunden haben könne.
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Selbst wenn im Übrigen keines dieser Indizien für sich genommen eine Ohrfeige oder Drohung beweist, so kann doch im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben, wenn die Spurenlage mit der Schilderung der Nebenklägerin ohne weiteres vereinbar ist, mit der Schilderung des Angeklagten dagegen nicht.
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b) Die „Gesamtschau“ leidet auch daran, dass die Strafkammer ihre ernsthaften Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Geschehen im Waldstück überwiegend nicht mit konkreten Details begründet, die sich aus einer fachgerechten Analyse der Aussage zum Kerngeschehen ergeben haben. Die Zweifel werden vielmehr mit Feststellungen zur Person der Nebenklägerin – ihrer unreifen Persönlichkeit sowie ihrem durch Alkohol geprägten Gesamtverhalten in der Disko – und zum Rahmengeschehen, insbesondere aus ihrer Entscheidung, in ihrem Zustand, gegen den Rat der Freundin , den Heimweg zu Fuß anzutreten, begründet.
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So sei es – so die Strafkammer – auffällig, dass die Nebenklägerin in dieser Nacht allein zu Fuß nach Hause gehen wollte und sich vehement gegen die Benutzung des Taxis gewehrt habe; dass sie, die doch ihrer Freundin erklärt hat, sich vom Angeklagten belästigt zu fühlen, ihm sogar noch Mitteilung über den Antritt des Heimwegs gemacht hat. Dass sie unter diesen Umständen den Weg zu Fuß nach Hause gehen wollte, sei „jedenfalls auffällig und nicht recht nachvollziehbar“. Unabhängig davon soll die Schilderung der Nebenklägerin auch deshalb „unlogisch und merkwürdig“ sein, weil sie keine nachvollziehbaren Erklärungen dafür abgeben konnte, dass sich der Angeklagte „während des Geschehens ohne Erklärung oder Anlass aufsteht, sich kurzzeitig entfernt und sodann zurück kommt, um erneut mit der Nebenklägerin sexuell zu verkehren“.
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Die Kammer äußert auch Bedenken, ob auf die Angaben der Nebenklägerin „Verlass“ ist, nachdem sie in der Hauptverhandlung ausführlich zu ihren sexuellen Erfahrungen und zu ihren Sexualpartnern seit ihrem siebzehnten Lebensjahr befragt worden ist. Dabei habe sie zu „Zweifeln an der Vollständigkeit der Angaben“ Anlass gegeben. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer ihre Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Tatgeschehen ersichtlich aus der Bewertung ihres bisherigen Lebenswandels gezogen. Es habe sich ergeben, dass die Nebenklägerin entgegen ihren Angaben ihren Slip schon länger getragen haben musste, weil sich im Bundbereich ihres Slips DNA-Spuren von drei Männern und im Bundbereich der Strumpfhose von vier verschiedenen Männern fanden. Schließlich habe die Nebenklägerin in einem eher nebensächlichen Punkt erst auf Vorhalt eingeräumt, dass sie bereits eine Woche nach dem Vorfall wieder in dem Lokal gewesen und dort als sehr vergnügt aufgefallen sei.
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Ohne dass den Urteilsgründen und den darin geäußerten Zweifeln ein Motiv für eine bewusst falsche Beschuldigung des Angeklagten zu entnehmen ist, lassen diese Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass sie die allgemeine , personale Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen hat (dagegen schon BGHSt 45, 164, 167 f.) und ihr dabei die genaue Analyse des Inhalts der Aussage zum Kerngeschehen und deren Vereinbarkeit mit den festgestellten Blutanhaftungen , den DNA-Spuren und Beschmutzungen aus dem Blick geraten ist.
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c) Schließlich machen die geäußerten Zweifel an der Aussage der Nebenklägerin es für die Strafkammer nicht entbehrlich, sich auch mit den von ihr selbst als widersprüchlich angesehenen Einlassungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren in der gebotenen Gesamtwürdigung im Detail auseinanderzusetzen. Ohne näher darzulegen, ob und inwieweit der Angeklagte seine Ein- lassung dem jeweiligen Ermittlungsergebnis angepasst haben könnte, wird erst am Schluss der Urteilsgründe ausgeführt, der Umstand der widersprüchlichen Einlassung im Ermittlungsverfahren könne „auch in einer Zusammenschau mit den Zeugenaussagen keine taugliche Grundlage [bilden], um sich eine sichere Überzeugung vom Geschehen zu bilden“ (UA S. 28). Danach hätte der Angeklagte jeweils nur versucht, mit der Nebenklägerin einverständlich sexuell zu verkehren, sich dann aber jeweils sofort zurückgezogen, sobald die Nebenklägerin angefangen habe zu weinen.
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Die Strafkammer hätte in ihre Erwägungen erkennbar einbeziehen müssen , dass der Angeklagte bei jeder der drei Einlassungen im Ermittlungsverfahren nach eigenen Angaben stets den entgegenstehenden Willen erkannte. Die Feststellung, möglicherweise habe der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht erkannt, ist ohne nähere Begründung nicht vereinbar mit der Angabe des Angeklagten, er habe den entgegenstehenden Willen zwar erkannt, ihn aber respektiert. Auch würde das behauptete vorsichtige und fürsorgliche Verhalten des Angeklagten nicht ohne weiteres erklären, weshalb die Nebenklägerin schrie, sofort die Polizei benachrichtigte und die der Anklageschrift zugrunde liegenden Beschuldigungen erhoben haben sollte, wonach der Angeklagte sie geschlagen, ihr den Mund zugehalten und gedroht habe, sie umzubringen. Die Beweiswürdigung zum Aussageverhalten des Angeklagten ist deshalb in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Sie lässt ferner besorgen, dass die Strafkammer die Anforderungen an eine für die Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugungsbildung überspannt hat. Die Zweifel der Strafkammer an der Aussage der Nebenklägerin rechtfertigen es nicht, sich nicht mit den Widersprüchen in den Einlassungen auseinanderzusetzen und sie nicht in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen.

III.



30
Auf diesen Beweiswürdigungsmängeln, insbesondere an der fehlenden bzw. fehlerhaften Gesamtwürdigung aller den Angeklagten belastenden und entlastenden Umstände kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte. Es mag dahinstehen, ob jeder einzelne der genannten Gesichtspunkte notwendigerweise zu einer Urteilsaufhebung hätte führen müssen. Insgesamt führen sie dazu, dass die Sache neu entschieden werden muss.
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