Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2010 - 4 StR 285/10

bei uns veröffentlicht am28.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 285/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Oktober 2009 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revisionen der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, seine damalige Lebensgefährtin während einer Auseinandersetzung aus Eifersucht durch Schläge auf den Gesichtsbereich körperlich so schwer misshandelt zu haben, dass diese nach hinten mit dem Kopf auf ein Möbelstück oder auf den Boden fiel und wenige Tage später an den Folgen des dabei erlittenen beidseitigen subduralen Hämatoms verstarb. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Freispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Auch die Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts; sie erheben ferner Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Nach einem überwiegend gemeinsam mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der später verstorbenen Petra K. , verbrachten Wochenende , in dessen Verlauf es auch zur Teilnahme an verschiedenen Feierlichkeiten gekommen war, wurde der inzwischen stark alkoholisierte Zeuge J. in den Abendstunden des 24. Juni 2007 von der Geschädigten mit dem Pkw nach Hause gefahren. Da diese länger als vom Angeklagten erwartet wegblieb , versuchte er, sie beim Zeugen J. telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Zeuge das Gespräch nicht annahm. Nach ihrer verspäteten Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nahm die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, zunächst eine Dusche. Das Landgericht hält es für möglich, dass sie während des Duschens auf dem nassen Untergrund der Duschbadewanne ausrutschte. Jedenfalls hörte der Angeklagte vom Schlafzimmer aus, wie die Geschädigte im Badezimmer „Aua“ oder „Scheiße“ rief. Nach Verlassen des Badezimmers teilte die Geschädigte dem Angeklagten mit, es sei „etwas passiert“, was der Angeklagte , ohne einer weiteren Erklärung zu bedürfen, dahin verstand, die Geschädigte habe ihn während ihres Aufenthaltes in der Wohnung des Zeugen J. mit diesem betrogen. In drei kurz aufeinander folgenden, seitens des Angeklagten äußerst erregt geführten Telefonaten mit dem Zeugen J. räumte dieser den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten letztlich ein. Die Geschädigte ihrerseits suchte nunmehr eine Aussprache mit dem Angeklagten und hielt ihn deshalb auf dem Weg ins Schlafzimmer im Flur fest. Der Angeklagte machte eine abschüttelnde Handbewegung mit dem rechten Arm, da er nicht reden, sondern allein sein wollte. Die Geschädigte erklärte daraufhin, ihr werde schlecht, was der Angeklagte mit der Bemerkung „Mir auch“ beantwortete. Daraufhin fiel die Geschädigte rückwärts um und krampfte; sie war nicht ansprechbar und verdrehte die Augen. Der Angeklagte begab sich zu dem mit ihm befreundeten Nachbarn, dem Zeugen P. , der den Rettungswagen und den Notarzt alarmierte. Die Geschädigte verstarb am 27. Juni 2007 im Krankenhaus.
4
2. Den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte die zum Tode führenden Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich bei einem Sturz mit Anprall auf das Hinterhaupt erlitt. Es hat sich jedoch letztlich nicht davon überzeugen können , dass ein Handeln des Angeklagten, etwa ein Faustschlag auf die Kopfregion der Geschädigten, zu diesem Sturz führte. Trotz starker Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte die Verletzungen während ihres Aufenthaltes bei dem Zeugen J. , später auf dem Heimweg oder nach Rückkehr in die Wohnung bei einem Sturz im Badezimmer während des Duschens ohne Fremdeinwirkung zugezogen habe. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten nach deren Rückkehr vom Zeugen J. habe nicht stattgefunden. Soweit am Körper der Geschädigten weitere, nur durch Fremdeinwirkung erklärbare Verletzungen im Gesichtsbereich festgestellt worden seien (Bluterguss an der rechten Wange, Hautrötung am Mundboden), sei eine zeitliche Verknüpfung mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel-Hirnbereich nicht möglich. Die anderen festgestellten Verletzungen könnten auch durch einen Sturz und außerdem zeitlich deutlich vor der todesursächlichen Verletzung im Schädel-Hirnbereich entstanden sein.

II.


5
Die von den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Juli 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

III.


6
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe lie- gende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
8
2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.
9
a) Vor dem Hintergrund der bestreitenden Angaben des Angeklagten sowie der Aussage des Zeugen J. und mangels unmittelbarer Tatzeugen hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung folgerichtig zunächst die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zu dem für eine Verletzungshandlung in Betracht kommenden Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt. Dass die Strafkammer auf der Grundlage der in den Urteilsgründen eingehend wiedergegebenen Darlegungen dreier erfahrener medizinischer Sachverständiger angenommen hat, das neuropathologische Verletzungsbild lasse den Schluss auf ein Schlag-Sturz-Geschehen bzw. ein Stoß-Sturz-Geschehen unter Fremdeinwirkung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu, stellt eine mögliche und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmende Schlussfolgerung dar. Die Angriffe der Beschwerdeführer dagegen verkennen, dass alle drei Sachverständigen ein Unfallgeschehen für nicht ausschließbar gehalten haben. Das Landgericht hat ferner rechtsfehlerfrei in diese Erwägungen einbezogen, dass die Sachverständigen auf Grund der erhobenen Befunde und nach medizinischer Erfahrung, wenngleich unter Angabe unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsgrade , eine ein- bis zweistündige Handlungsfähigkeit der Geschädigten nach der todesursächlichen Einwirkung auf ihre Schädel-Hirn-Region nicht auszuschließen vermochten. Danach durfte die Strafkammer aus Rechtsgründen begründete Zweifel an einem Tatgeschehen in der Wohnung nach Rückkehr der Geschädigten unter Mitwirkung des Angeklagten haben. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung meint, das in den Urteilsgründen dargelegte Verletzungsbild lege es bei zusammenfassender Würdigung nahe, von einem einheitlichen, durch den Angeklagten verursachten Verletzungsbild auszugehen, ersetzt sie die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Indiztatsachen durch eine eigene. Einen Rechtsfehler vermag sie damit nicht aufzuzeigen ; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen, wie die Beschwerdeführer hier im Einzelnen darlegen. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Auch die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, die sich an die Bewertung der bei der Geschädigten diagnostizierten axonalen Zerreißungen von Nervenfortsätzen im Gehirn für die Frage eines sofortigen Eintritts von Bewusstlosigkeit knüpft, geht fehl. Abgesehen davon, dass der in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. zunächst aufgetretene Widerspruch ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte, hat das Landgericht den Umstand, dass sich allein aus dem Vorhandensein derartiger Zerreißungen keine sicheren Schlüsse auf eine sofortige Bewusstlosigkeit zie- hen lassen, rechtsfehlerfrei in die zusammenfassende Bewertung weiterer erheblicher Indiztatsachen einbezogen.
10
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat das Landgericht die Bekundungen der Sachverständigen hinsichtlich der nicht todesursächlichen Verletzungen zu den Ausführungen hinsichtlich der tödlichen Schädel-HirnVerletzung ausreichend in Beziehung gesetzt und auch insoweit die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht überspannt. Es hat auch die diesbezüglichen Gutachtenergebnisse in den Urteilsgründen ausführlich mitgeteilt und – als Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten – nicht verkannt, dass als Ursache der Verletzungen im Wangen- bzw. Mundbereich schlüssig nur ein Stoß- oder Schlaggeschehen in Frage kam. Andererseits vermochten die Sachverständigen Dr. Pf. und Dr. Z. übereinstimmend eine zeitliche Verknüpfung zwischen der todesverursachenden Verletzung und derjenigen im Wangen- bzw. Mundbodenbereich gerade nicht herzustellen; vielmehr war eine deutliche zeitliche Zäsur nicht auszuschließen.
11
c) Bei der Würdigung der bestreitenden Angaben des Angeklagten, die in den Urteilsgründen eingehend mitgeteilt werden, hat sich die Strafkammer ersichtlich von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab leiten lassen und diese ihren Feststellungen nicht vorschnell als unwiderlegbar zu Grunde gelegt. Sie hat vielmehr die – im Wesentlichen konstanten – Angaben, die der Angeklagte im Anschluss an den Abtransport der Geschädigten ins Krankenhaus Dritten gegenüber gemacht hat, durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen ermittelt und ebenfalls ausführlich dargelegt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten seien die Erwägungen im Urteil widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft, greift zu kurz. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, es sei nach Rückkehr der Geschädigten zu keinerlei Streit zwischen ihnen gekommen, mangels unmittelbar anwesender Zeugen nicht zu widerlegen vermochte. Soweit es eine mögliche körperliche Auseinandersetzung betrifft, erweist sich diese Erwägung als tragfähig. Soweit der Zeuge P. bekundet hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, die Geschädigte habe ihn getreten, kommt die Strafkammer zu dem möglichen Schluss, es habe sich um ein Treten im Zusammenhang mit dem Krampfanfall der Geschädigten gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat ferner, dass das Landgericht aus einer auch von ihm als naheliegend in Betracht gezogenen verbalen Auseinandersetzung nach dem Eingeständnis der "Untreue" weiter gehende, für den Angeklagten nachteilige Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund des übrigen Beweisergebnisses nicht ziehen wollte.
12
Ferner hat die Strafkammer das nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfreie Aussageverhalten des Zeugen J. nachgezeichnet und auch dessen Motivlage vor dem Hintergrund eines nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren beginnenden Liebesverhältnisses zwischen ihm und der Geschädigten erwogen. Dass die Strafkammer den Angaben dieses Zeugen in wesentlichen Teilen nicht gefolgt ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
d) Schließlich fehlt es auch nicht an einer zusammenfassenden Bewertung des Beweisergebnisses und der Indizien unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung. Die dem Landgericht verbliebenen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten sind jedenfalls nachvollziehbar und nicht nur abstrakttheoretisch. Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer weitere Beweisanzeichen zusätzlich, weiter gehend oder noch detailierter hätte erörtern können. Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht er- schöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – 2 StR 35/10).
14
3. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146; Urteil vom 30. November 2005 – 2 StR 402/05, NStZ-RR 2006, 128; vgl. aber BGH, Urteil vom 16. September 2010 – 3 StR 280/10).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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5 StR 253/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 22. und 24. Januar 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt T.
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten B. ,
Rechtsanwalt L. ,
Rechtsanwalt G.
alsVerteidigerfürden Angeklagten E. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 24. Januar 2008 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12. September 2006, soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist, mit Ausnahme der Feststellungen zu den Beihilfehandlungen, die aufrechterhalten bleiben, aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, die hierdurch dem Angeklagten B. entstandenen notwendigen Auslagen sowie die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten E. , soweit sich das Rechtsmittel auf dessen Teilfreispruch bezieht.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision des Angeklagten E. und die weiteren Kosten der diesen Angeklagten betreffenden Revision der Staatsanwaltschaft – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in weiteren 19 Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit Unterstützen einer kriminellen Vereinigung, hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten B. hat es von dem Vorwurf des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung ebenfalls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte E. mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen die Freisprüche und erstrebt im Übrigen – abweichend von der Anklage – eine Verurteilung des Angeklagten E. als täterschaftlich handelndes Bandenmitglied. Der Generalbundesanwalt vertritt die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Ausnahme der erstrebten Verurteilung gemäß § 129 StGB. Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten E. , allerdings unter Aufrechterhaltung der Feststellungen. Zu den Freisprüchen bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat hinsichtlich des Angeklagten E. folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Im Zeitraum von März bis Dezember 2001 betrieben die Mitangeklagten K. , O. und Gr. in folgender Weise Handel mit Kokain: Mindestens einmal im Monat fuhr der Mitangeklagte Gr. in die Niederlande , wo er jeweils ein Kilogramm Kokain erwarb und dieses in die Woh- nung des gesondert verfolgten Li. in Neustadt/Dosse brachte. Dort wurde das Kokain – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan und einer Bandenabrede – mit Milchzucker im Verhältnis 1:1 gestreckt, in Teilmengen von jeweils 100 g gepresst und verpackt. Auf Abruf lieferte Li. die Tütchen mit dem Kokain in „F. ´s Bar“ nach Neuruppin, wo das Kokain in der Damentoilette versteckt wurde. Sofern das Kokain nach der Verarbeitung nicht sofort in die Bar gebracht wurde, bewahrte es Li. in seiner Wohnung – ab Mai 2001 in einem dort aufgestellten Tresor – auf, bis es von den Mitgliedern der Bande abgerufen wurde. Da die Abrufe nicht telefonisch erfolgen sollten, war es die Aufgabe des Angeklagten E. , der nicht zur Bande gehörte, jeweils im Wechsel mit dem Mitangeklagten Ku. auf Anweisung der Bandenmitglieder zur Wohnung des Li. zu fahren und diesen aufzufordern, bestimmte Teilmengen des Kokains zu „F. ´s Bar“ nach Neuruppin zu bringen. Ab Verwendung des Tresors als Verwahrungsort für das Kokain brachte der Angeklagte E. jeweils den zur Entnahme des Rauschgifts aus dem Tresor erforderlichen Safeschlüssel mit und übergab ihn Li. . Nachdem Li. dem Tresor die benötigte Rauschgiftmenge entnommen hatte, um sie nach Neuruppin zu bringen, nahm der Angeklagte E. den Schlüssel jeweils wieder an sich. Sowohl der Angeklagte E. als auch der Mitangeklagte Ku. beteiligten sich jeweils mindestens dreimal in dieser Weise am Kokainhandel.
4
Das Landgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Aussagen des Zeugen Li. gestützt. Da dieser jedoch keine ausreichend bestimmten Angaben zu den einzelnen Abrufen gemacht habe, hat das Landgericht keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Feststellung weiterer Fahrten des Angeklagten zur Wohnung des Zeugen Li. gesehen. Zudem hat sich das Landgericht nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte E. selbst Bandenmitglied gewesen ist. Schließlich hat es das Landgericht auch abgelehnt, die Bande als eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB einzustufen. Die festgestellten drei Fahrten des Angeklagten E. zum Abruf von Kokainlieferungen hat das Landgericht zu einer Tat im Rechtssinne (Bewertungseinheit) zusammengefasst.

II.


5
Die Anklage legt dem Angeklagten B. zur Last, sich zwischen März 2001 und Januar 2002 an der Weitergabe von 25 kg Marihuana durch den Mitangeklagten K. an den Zeugen Li. zum gewinnbringenden Verkauf als Mittäter und Bandenmitglied beteiligt zu haben. Ihm wird vorgeworfen , sein Wohngrundstück in Neuruppin als Zwischenlager für die Abholung des Rauschgifts durch Li. zur Verfügung gestellt zu haben. Das Landgericht konnte sich von einer Tatbeteiligung des Angeklagten B. , der in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit überzeugen. Es hat ihn deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Das Landgericht hat allerdings mehrere den Angeklagten belastende Indizien angeführt (UA S. 182 ff.):
6
Der Zeuge Li. habe ausgesagt, auf Veranlassung des Mitangeklagten K. von dem Grundstück 25 kg Marihuana abgeholt zu haben, die in einem Schuppen auf dem Hinterhof des Grundstücks in einer schwarzen Mülltonne zwischengelagert worden seien und die er zunächst in zwei Reisetaschen gefüllt habe. Auch spreche die persönliche Nähe des Angeklagten B. zu K. dafür, dass dieses Versteck nicht ohne Wissen und Billigung des B. gewählt worden sei. B. sei der langjährige Lebensgefährte der Schwester des K. und pflege mit diesem auch eine eigene Beziehung. Er habe sich regelmäßig in der Gaststätte „F. ´s Bar“, später umbenannt in „B. “, aufgehalten, die der Gruppe um K. als regelmäßiger Treffpunkt gedient habe. Verdächtig gemacht, zum engsten Kreis der „Familie“ zu gehören und auch von dem illegalen Drogenhandel gewusst zu haben, habe er sich auch in einem abgehörten Telefonat mit dem Mitangeklagten D. und durch seine „im Einklang“ mit K.
vorgenommene „provokante Befragung“ des verdeckten Ermittlers „A. N. “ zum Grund von dessen Aufenthalt in Neuruppin. Schließlich habe sich auch aus der Aussage des Zeugen Ba. ein vager Hinweis auf eine unterstützende Tätigkeit des Angeklagten B. hinsichtlich des Rauschmittelhandels ergeben. Ba. habe angegeben, im Auftrag des K. aus einer Wohnung in Neuruppin Kokain abgeholt zu haben, deren Vermieter der Angeklagte B. gewesen sei.
7
Die festgestellten Indizien reichten dem Landgericht jedoch für eine sichere Überzeugung nicht aus, dass der Angeklagte sein Grundstück als Zwischenlager für das Marihuana wissentlich und willentlich zur Verfügung gestellt habe. Zwar sei trotz des Bestreitens des Mitangeklagten K. aufgrund der Angaben des Zeugen Li. davon auszugehen, dass Li. das Marihuana aus einem Schuppen auf dem Grundstück des Angeklagten B. abgeholt habe. Dies ziehe jedoch nicht den „zwingenden Schluss“ nach sich, dass der Angeklagte B. vorsätzlich sein Anwesen als Lagerstätte zur Verfügung gestellt habe. Li. habe angegeben, B. überhaupt nicht zu kennen. Es sei mit Blick auf die baulichen Verhältnisse der Örtlichkeit nicht ausgeschlossen, dass Li. ohne Wissen und Kenntnis des B. in den Schuppen auf den Hinterhof des Anwesens habe gelangen können , weil der Angeklagte B. mit der Schwester des K. die obere Etage bewohnt habe. Die Wohnung in der unteren Etage sei aber an den Zeugen S. vermietet gewesen, der eingeräumt habe, K. schon viele Jahre gut zu kennen. Damit habe der Mitangeklagte K. zu zwei weiteren Personen in dem Anwesen eine vertraute Beziehung gehabt, die ihm bei der kurzfristigen Bunkerung des Rauschgifts im dortigen Schuppen behilflich gewesen sein könnten. Eine Verurteilung des Angeklagten B. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung komme ebenfalls nicht in Betracht.

III.


8
Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten E. haben die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft teilweise Erfolg. Insoweit hält das Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten E. dringt bereits mit der Sachrüge weitgehend durch; lediglich die Feststellungen können aufrechterhalten bleiben.
10
a) Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG i.V.m. § 27 StGB nicht. Nach der Überzeugung der Strafkammer handelte der Angeklagte E. zwar als enger Vertrauter des Mitangeklagten K. , war aber selbst nicht Mitglied der Bande. Die Bandenmitgliedschaft stellt indes ein strafschärfendes besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB dar (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 – 5 StR 404/07; Beschluss vom 6. November 2007 – 5 StR 449/07; jeweils m.w.N.). Das Fehlen dieses Merkmals führt zu einer Tatbestandsverschiebung (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 28 Rdn. 8 m.w.N.). Damit kann ein Gehilfe, der nicht selbst Bandenmitglied ist, nur wegen Beteiligung am Grunddelikt, nicht aber aus der Qualifikation der bandenmäßigen Begehung bestraft werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2006 – 2 StR 609/05 – und vom 19. Juli 2006 – 2 StR 162/06; BGH NStZ-RR 2007, 279, 280).
11
Das Landgericht, das die Strafe dem gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG entnommen hat (UA S. 393), ist somit von einem unrichtigen Strafrahmen mit einer Untergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafe auf der fehlerhaften Strafrahmenwahl beruht. Zwar erhöht es den Unrechtsgehalt der Hilfeleistung zu einer Straftat gemäß § 29a BtMG, wenn mit ihr die Tätigkeit einer Bande gefördert wird, die sich zum unerlaubten Rauschgifthandel verbunden hat. Die Untergrenze des gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 29a BtMG liegt jedoch mit drei Monaten Freiheitsstrafe so erheblich unter derjenigen von zwei Jahren, die das Landgericht seiner Strafzumessung zugrundegelegt hat, dass hier ein Beruhen nicht auszuschließen ist. Die Strafe kann auch nicht dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Mindeststrafe: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) entnommen werden. Denn es liegt nicht etwa ein Fall vor, in dem eine „Doppelmilderung“ deshalb ausscheidet, weil derselbe Umstand nach verschiedenen Vorschriften eine Milderung zulässt oder vorschreibt (vgl. Fischer aaO § 50 Rdn. 7 m.w.N.). Der Angeklagte E. ist nicht lediglich deswegen, weil er nicht Bandenmitglied ist, als Gehilfe verurteilt worden, sondern weil er nur untergeordnete Unterstützungshandlungen zu einem fremden Drogengeschäft geleistet hat (UA S. 369).
12
Von einer an sich auf die Revision des Angeklagten angezeigten Schuldspruchänderung sieht der Senat im Blick auf die Revision der Staatsanwaltschaft , die – wie noch auszuführen sein wird – erfolgreich die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Bandenmitgliedschaft beanstandet, ab.
13
b) Soweit der Beschwerdeführer die Überzeugung des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte E. sei über alle Umstände des Drogenhandels , und zwar auch über die Größenordnung der Kokainmengen, mit denen Handel getrieben wurde, informiert gewesen (UA S. 177), deckt der Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler auf. Dieser Schluss, den die Strafkammer aus der Stellung des Angeklagten E. als enger Vertrauter und ständiger Begleiter des Mitangeklagten K. gezogen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
14
c) Eines Eingehens auf die vom Angeklagten E. erhobene Verfahrensrüge bedarf es nicht, da diese nur den Strafausspruch betrifft, der ohnehin entfällt.
15
2. Die zu Ungunsten des Angeklagten E. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.
16
a) Das Landgericht hat die Verneinung einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten E. nicht tragfähig begründet. Es hat lediglich den Umstand in den Blick genommen, dass der Angeklagte nur untergeordnete, den Mitangeklagten K. unterstützende Tätigkeiten ausgeführt habe. Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer von fehlerhaften Maßstäben ausgegangen ist. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. BGHSt 47, 214, 218 f.). Für die Annahme einer Bandenabrede ist es auch nicht erforderlich, dass sich sämtliche Mitglieder einer bandenmäßig organisierten Gruppe persönlich verabredet haben und untereinander kennen, wenn nur jeder den Willen hat, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit mindestens zwei anderen zu verbinden (vgl. BGHSt 50, 160, 164).
17
In die Würdigung ist zudem ein für die Frage einer Bandenmitgliedschaft nicht gänzlich unbedeutender Umstand nicht einbezogen worden. Nach den Urteilsfeststellungen benutzte auch der Angeklagte E. Fahrzeuge , die mit Kraftfahrzeugkennzeichen mit der Buchstabenkombination „XY“ zugelassen worden waren (UA S. 200). Nach der Wertung des Landgerichts wollten aber hier die Nutzer der „XY-Kennzeichen“ das Gefühl ihrer Zusammengehörigkeit nach außen kundtun.
18
Da die Urteilsfeststellungen auch bei Zugrundelegung zutreffender Wertungsmaßstäbe eine Bandenmitgliedschaft des Angeklagten E. nicht ohne weiteres belegen, kann der Senat den Schuldspruch nicht selbst – hier im Sinne einer Änderung (vgl. oben 1a) – aufrechterhalten. Es bedarf daher insoweit einer neuen tatrichterlichen Wertung auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die durch weitere, hierzu nicht im Widerspruch stehende ergänzt werden können.
19
b) Der Teilfreispruch erweist sich als nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Der Senat nimmt die überaus vorsichtige, aber rechtlich nicht zu beanstandende Annahme des Landgerichts, dem Angeklagten E. seien im Tatzeitraum nur drei Unterstützungshandlungen nachzuweisen, hin.
20
c) Dass das Landgericht die Gruppierung um den Mitangeklagten K. nicht zugleich als kriminelle Vereinigung eingestuft hat, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einer kriminellen Vereinigung ein auf eine gewisse Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen , die bei Unterordnung des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 239, 240; BGH wistra 2006, 462; NStZ 2005, 377). In organisatorischer Hinsicht ist eine interne Verbandsstruktur dergestalt erforderlich, dass sich die arbeitsteilig koordinierte Durchsetzung der Vereinigungsziele nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht. Hinzukommen muss die subjektive Einbindung der Beteiligten in die internen Willensbildungsprozesse der Vereinigung. Ausgehend von dem Schutzzweck der Vorschrift ist Anwendungsvoraussetzung die Feststellung von verbandsinternen Entscheidungsstrukturen zur Herausbildung eines Gruppenwillens, den die Mitglieder als verbindlich anerkennen und zur Maxime ihres Handelns machen (BGHSt 31, 239, 240; BGH wistra 2006, 462; NStZ 2005, 377). Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Bande; denn diese muss weder eine festgefügte Organisationsnoch Entscheidungsstruktur zur Herausbildung eines Gesamtwillens der Mitglieder aufweisen (BGHSt 31, 202, 205).
21
Das Landgericht ist bei der Abgrenzung des Begriffs der Bande von dem der kriminellen Vereinigung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen und hat alle hier für und gegen das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung sprechenden Umstände erkannt und bewertet. Es ist dabei aufgrund einer Gesamtschau der insoweit bedeutsamen Tatsachen zum Ergebnis gelangt, dass eine ausreichend feste Verbandsstruktur zur organisierten Herausbildung eines Gruppenwillens, dem sich die Mitglieder unterordneten, hier ebenso wenig vorhanden war, wie verbindliche Regeln, nach denen die Entscheidungen innerhalb der Gruppe zu treffen waren. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das im Vordergrund stehende gemeinsame Ziel der Gruppenmitglieder, aus dem Handel mit Rauschgift Einnahmen zu erzielen, ist auch mit der Annahme einer bloßen Bandenstruktur vereinbar.
22
3. Die rechtliche Bewertung der – nunmehr allein verfahrensgegenständlichen – drei Teilakte bedarf demnach insgesamt (einschließlich der Frage einer etwaigen täterschaftlichen Beteiligung) neuer tatrichterlicher Prüfung. Die dazu getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von den hier allein vorliegenden Subsumtionsfehlern nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter darf ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen. Er wird zudem die Bewertungseinheit und damit die Annahme von Tateinheit gerade auch unter dem Gesichtspunkt zu hinterfragen haben, dass der Angeklagte E. nur Beiträge zu Teilverkäufen leistete (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 22; vgl. aber auch BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 21; BGH NStZ 2007, 102).

IV.


23
Die Freisprechung des Angeklagten B. hat insgesamt Bestand.
24
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 16; BGH StV 1994, 580; BGH wistra 2008, 22, 24 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob das Landgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler auch darin liegen, dass der Tatrichter nach den Feststellungen nicht naheliegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen , die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; BGH wistra 2008, 22, 24 m.w.N.). Wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es freilich in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH wistra 2007, 18, 19; 2002, 430 m.w.N.).
25
Unter diesen Voraussetzungen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts der revisionsgerichtlichen Prüfung noch stand. Die Strafkammer hat gesehen, dass sehr viel für eine Beteiligung des Angeklagten an dem Rauschgiftgeschäft spricht. Sie hält indes die von ihr erörterten Indizien nicht für geeignet, sich eine sichere Überzeugung zu verschaffen, dass der Angeklagte B. sein Grundstück als Zwischenlager für das Marihuana wissentlich und willentlich zur Verfügung gestellt hatte (UA S. 183).
26
Die Beweiswürdigung ist letztlich nicht lückenhaft. Zwar hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit dem durchaus bedeutsamen Umstand auseinandergesetzt, dass sich B. für seine Kraftfahrzeuge Wunschkennzeichen mit der Buchstabenkombination „XY“ zuteilen ließ (UA S. 200). Eine Abhandlung dieses Umstands wäre wünschenswert gewesen, da das Landgericht selbst die gemeinsame Nutzung von „XY-Kennzeichen“ als Anzeichen für ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe angesehen hat, das auch nach außen kundgetan werden sollte. Der Senat schließt indes aus, dass das Landgericht dieses selbst festgestellte und in anderem Zusammenhang im Urteil ausdrücklich ausgewertete markant wirkende („XYBande“ ), gleichwohl nur begrenzt aussagekräftige Indiz (UA S. 199 f.) etwa gänzlich aus dem Blick verloren hätte. Es hat die persönliche Nähe B. s zu K. im Rahmen der Beweiswürdigung hervorgehoben und dabei auch dessen Kontakte zu anderen Bandenmitgliedern nicht außer Acht gelassen (UA S. 182 f.).
27
Der Senat sieht auch vor dem Hintergrund deutlicher, allerdings nicht konkret fallbezogener Belastungsindizien – der Angeklagte bediente sich in einem abgehörten Telefonat gegenüber dem Mitangeklagten D. der der Bande eigenen und auf Betäubungsmittelgeschäfte hinweisenden „Tarnsprache“ und bedrängte mit K. einen verdeckten Ermittler (UA S. 183, 211) – noch keine tatrichterliche Überspannung der Verurteilungsvoraussetzungen. Dies gilt im Blick auf die konkrete Möglichkeit der Einschaltung eines Alternativtäters, des Zeugen S. . Dessen wenig ergiebiges Aussageverhalten ist nicht etwa nur unzulänglich ausgewertet worden, auch nicht angesichts eines Risikos der Bande, erhebliche Mengen von Marihuana auf einem Grundstück zu deponieren, ohne den Grundstückseigentümer hierüber zu informieren (vgl. dazu BGH wistra 2005, 33, 34). Soweit das Landgericht im Zusammenhang mit der Freisprechung des Angeklagten B. einen „zwingenden Schluss“ erwähnt, handelt es sich nach dem Zusammenhang der Begründung allenfalls um eine unpräzise sprachliche Wendung, die nicht besorgen lässt, das Landgericht könne die Beweisanforderungen für eine Verurteilung grundlegend verkannt haben.
28
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten B. nicht als Mitglied einer kriminellen Vereinigung um den Mitangeklagten K. angesehen hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung hat das Landgericht, wie bereits ausgeführt, rechtsfehlerfrei verneint. Basdorf Gerhardt Raum Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 231/08
vom
15. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 23. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, die Nebenklägerin nach einem Diskobesuch in einem Waldstück vergewaltigt zu haben. Das Landgericht konnte sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die Nebenklägerin stützt ihre Revision auf Verfahrensbeschwerden und die Sachrüge. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte besuchte im Februar 2007 gemeinsam mit dem Zeugen W. eine Disko, um die „Weiberfastnacht“ zu feiern. Dort hielt sich auch die Nebenklägerin gemeinsam mit einer Freundin auf. Die Nebenklägerin trug ein Faschingskostüm, trank an diesem Abend mehr als üblich Alkohol und tanzte entgegen ihrer Gewohnheit „enthemmt“. Sie äußerte, sie wolle sich an diesem Abend „abschießen“. Sie nahm Kontakt zum Angeklagten auf, tauschte mit ihm Küsse – auch Zungenküsse – aus und ließ sich von ihm an den Busen und an den Po fassen. Gemeinsam mit dem Angeklagten begab sich die Nebenklägerin einmal zum Garderobenbereich des Lokals, wo sie miteinander „knutschten“. Bei den Mitarbeitern der Disko entstand der Eindruck, zwischen beiden bestehe ein freundschaftliches Verhältnis. Zweimal begab sich die Nebenklägerin mit ihrer Freundin vor das Lokal. Einmal folgte ihnen der Angeklagte und forderte die Freundin auf, sie solle ihn mit der Nebenklägerin allein lassen. Die Freundin forderte ihn auf, die Nebenklägerin in Ruhe zu lassen, sie würde, bedingt durch den Alkohol, nichts mehr „checken“. Gegen zwei Uhr dreißig versuchte ihre Freundin, die Nebenklägerin in ein Taxi zu schieben. Die Nebenklägerin wollte jedoch allein den 1,5 km langen Weg nach Hause gehen. Als die Freundin nach Hause fuhr, ging die Nebenklägerin in das Lokal zurück. Nach einer Viertelstunde teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie nach Hause gehen werde.
4
Der Angeklagte folgte ihr auf dem Radweg der Bundesstraße bis zu einem Waldstück, in dem es zu sexuellen Handlungen kam. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin nicht gegen ihren Willen von ihrem zunächst eingeschlagenen Heimweg abgebracht wurde, sondern sich hat überreden lassen. Erst im Waldstück habe sie umkehren wollen und dies verbal geäußert.
5
2. Die Strafkammer hat sich überzeugt gezeigt, dass es in dem Waldstück zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Darüber, welcher Art diese sexuellen Handlungen waren und ob diese gegen den erkennbaren und erkannten Willen der Nebenklägerin durchgeführt worden sind, konnte sie sich keine sichere Überzeugung bilden.
6
3. Die Nebenklägerin hat ausgesagt, sie sei mit dem Angeklagten nicht freiwillig in das Waldstück gegangen, wisse allerdings auch nicht mehr, weshalb sie dorthin gegangen sei. Sie sei von ihm möglicherweise geschubst worden, vielleicht sei sie auch alkoholbedingt gestolpert und gestürzt und sei auf den Knien aufgekommen. Sie habe auf dem Boden gelegen, mit dem Gesicht zur Erde. Sie habe gesagt, dass sie aus dem Wald wolle, habe auch geschrien. Er habe sie auf die Backe geschlagen und sie aufgefordert, ruhig zu sein. Er habe ihr auch den Mund zugehalten und gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht „die Klappe“ halte. Der Angeklagte habe ihre Hose heruntergezogen und habe mit seinem Körper auf ihrem Rücken gelegen. Er habe sein Glied in ihren „Hintern“ eingeführt und sich hin- und herbewegt. Er sei auch kurz vaginal „drin gewesen“. Plötzlich sei der Angeklagte aufgestanden und gegangen. Sie sei aufgestanden und habe begonnen, ihre Hose hochzuziehen. Der Angeklagte sei zurückgekommen, habe sie geschubst, so dass sie auf den Rücken gefallen sei. Er habe sich auf ihre Brust gesetzt und versucht, sein entblößtes Glied in ihren Mund zu schieben. Dies sei nicht gelungen, weil sie ihren Mund fest geschlossen gehalten habe. Sie sei dann wieder auf die Seite und schließlich auf dem Bauch zu liegen gekommen. Der Angeklagte habe ihre Hose wieder nach unten gezogen und sei erneut anal und vaginal in sie eingedrungen, allerdings nicht mehr so lange wie zuvor. Sie habe geschrien. Daraufhin sei W. gekommen ; allerdings sei der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Wald raus gegangen und sie sei schon angezogen gewesen.
7
4. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, hat sich aber im Ermittlungsverfahren – so das Landgericht – widersprüchlich eingelassen. Nach anfänglicher Berufung auf Erinnerungslücken habe er angegeben, er habe die ihm namentlich nicht bekannte Frau im Lokal kennen gelernt, wo diese ihn angemacht habe und sie sich geküsst hätten. Im Wald sei die Frau auf dem Rücken gelegen. Sie sei unten herum bis zu den Hüften nackt gewesen. Er habe versucht, sie anzuheben , was ihm nicht gelungen sei. Als die Frau angefangen habe zu weinen, sei er gegangen. Bei seiner zweiten Vernehmung habe er einen Oralverkehr auf freiwilliger Basis geschildert, bei dem er gestanden und die Frau gekniet habe. Sie sei umgefallen und er habe versucht, sie aufzuheben. Als sie zu weinen begonnen habe, habe er von ihr abgelassen. In seiner dritten Beschuldigtenvernehmung habe er angegeben, die Nebenklägerin habe den Mund für den Oralverkehr nicht geöffnet. Sie hätten miteinander schlafen wollen und hätten gemeinsam angefangen. Mit ihrem Einverständnis hätten sie ihre Hose herunter gezogen. Sie seien umgefallen. Als sie zu weinen angefangen und gefordert habe, er solle sie lassen, seien sie aufgestanden und gegangen. Schläge, Drohungen und erzwungene sexuelle Handlungen gegen ihren Willen stritt der Angeklagte ab.
8
5. Für die Zeit nach dem Geschehen im Waldstück ist folgendes festgestellt :
9
a) Der Zeuge W. , der in der Disko eingeschlafen war, war nach deren Schließung dem Angeklagten gefolgt und kam an das Waldstück „nach dem Geschehen hinzu“, als sich der Angeklagte schon entfernt hatte (UA S. 13). Er hörte auf dem Weg dorthin „einen kurzen Schrei“ aus dem Wald. Die Nebenklägerin rief in Anwesenheit des Zeugen W. mit ihrem Handy nach der Polizei, forderte – als die Verbindung stand – den Zeugen W. auf, sich zu entfernen, und verlangte, mit der Polizeibeamtin „C. “ verbunden zu werden. Als „C. “ nicht zu erreichen war, bat sie den das Gespräch annehmenden Beamten um Hilfe. Sie machte bei dem Telefongespräch „einen verängstigten Eindruck“, so dass der Polizeibeamte sofort einen Einsatzwagen zu dem Waldstück schickte. Die Beamten des Einsatzwagens erlebten „die Gemütslage der Nebenklägerin als sehr wechselhaft mit Wein- und Wutanfällen“. Sie musste immer wieder beruhigt werden. Sie roch leicht nach Alkohol, schwankte aber nicht. Während der Fahrt im Streifenwagen richtete die Nebenklägerin ihre Sitzhaltung so ein, dass „sie möglichst schräg saß oder auf dem Bauch lag und dabei über Schmerzen im Po klagte“. Die gegen 3.00 Uhr entnommenen Blutproben ergaben bei der Nebenklägerin eine Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von wahrscheinlich 2,06 o/oo, maximal 2,52 o/oo, beim Angeklagten eine solche von wahrscheinlich 1,56 o/oo und maximal 2,07 o/oo).
10
b) Bei der unmittelbar nach der Tat erfolgten rechtsmedizinischen Untersuchung fanden sich weder am Penisabstrich des Angeklagten DNA-Spuren der Nebenklägerin, noch fanden sich im Scheiden- und Anusabstrich der Nebenklägerin DNA-Spuren des Angeklagten.
11
c) Unter neun der zehn Fingernägel des Angeklagten wurden DNASpuren der Nebenklägerin sichergestellt. Der Sachverständige erklärte den DNA-Befund „am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen“, der Befund weise aber nicht auf ein Einführen eines oder mehrerer Finger in eine der Körperöffnungen hin. Im inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten wurden DNA-Spuren gesichert, die der Nebenklägerin zugeordnet werden konnten. Am Handrücken des Angeklagten wurden Blutspuren sichergestellt , die nach der DNA-Analyse Mischspuren darstellten, „wobei Verursacher sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin und mindestens eine weitere Person seien“. Die Jeans des Angeklagten wiesen Verschmutzungen im Bereich der Knie auf.
12
d) Im Schrittbereich der Unterhose und der Strumpfhose der Nebenklägerin befand sich Blut, das ihr nach den Ergebnissen der DNA-Analyse zugeordnet werden konnte. Ob das Blut aus einer frischen Verletzung oder aus der vorangegangenen Menstruationsblutung stammte, konnte nicht sicher festgestellt werden. Bei der Nebenklägerin wurde in der Scheide ein Tampon festgestellt , den sie nach dem Abklingen der Blutung noch aus Sicherheitsgründen trug.
13
6. Das Landgericht hat sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen können. Zwar sprächen die Aussageentstehung und das von der Nebenklägerin unmittelbar nach dem Vorfall gezeigte Verhalten dafür, dass im Waldstück ein Ereignis mit sexuellem Bezug vorgefallen sei, welches der Nebenklägerin sehr zugesetzt habe. Die Aussage der Nebenklägerin weise inhaltlich einige Auffälligkeiten auf, auf Grund derer die Kammer erhebliche Zweifel daran gehabt habe, dass die wiedergegebene Schilderung den Vorfall vollständig beschreibe und der Angeklagte in der gegebenen Situation Anlass zu der Annahme gehabt habe, dass die Nebenklägerin sexuelle Handlungen nicht wolle.

II.

14
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
16
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06 –; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.). Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16, 24, Überzeugungsbildung 30; BGH NStZ 2000, 48).
17
2. Ist wie hier die Beweislage schwierig und hängt die Entscheidung im Wesentlichen davon ab, ob das Gericht den Angaben des potentiellen Opfers einer Vergewaltigung oder dem Angeklagten folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Diesem Maßstab wird die von der Strafkammer vorgenommene umfangreiche Beweiswürdigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
18
a) Zwar führt die Strafkammer aus, die von ihr vorgenommene „Gesamtschau“ der einerseits vorhandenen und der andererseits fehlenden Spuren sowie des Aussageverhaltens der Nebenklägerin ließen Zweifel an einem Geschehensablauf wie von der Nebenklägerin geschildert zu (UA S. 20). Eine solche „Gesamtschau“ ist aber dann keine lückenlose Gesamtwürdigung der Indizien , wenn die Strafkammer – wie hier – bereits vorher wichtige objektive Beweisanzeichen ohne umfassende Auseinandersetzung mit den Aussagen der Nebenklägerin und des Angeklagten isoliert bewertet, dabei insbesondere feststellt , die Herkunft wichtiger Spuren lasse sich nicht klären und im Ergebnis dem Indiz dann – der Sache nach – maßgeblichen Beweiswert aberkennt. Aus der Bewertung der Strafkammer in ihrer „Gesamtschau“, es lägen keine objektiven Umstände vor, welche die Schilderung der Nebenklägerin über die Ereignisse im Waldstück stützen würden und mit Gewissheit dem Geschehen im Waldstück zugeordnet werden könnten, folgt, dass die Strafkammer die Reichweite der Regel „in dubio pro reo“ verkannt hat. Dies ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag, und nicht auf jedes Indiz für sich anzuwenden ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass Indizien, auch wenn sie sie – einzeln für sich betrachtet – nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten.
19
So meint die Kammer, die unter neun Fingernägeln des Angeklagten gefundenen DNA-Spuren, die mit Sicherheit der Nebenklägerin zugeordnet wur- den, wiesen nicht auf Gewaltanwendung im Rahmen des Geschehens im Waldstück hin und spricht ihnen im Ergebnis Beweiswert ab, - obwohl die Nebenklägerin ausgesagt hat, der Angeklagte habe ihr zweimal die Hosen – u.a. eine eng anliegende schwarze Stretchhose – herunter gezogen, - obwohl der Sachverständige erläutert hat, der DNA-Befund sei am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen zu erklären, - sowie trotz der Feststellungen zu der Verspannung und den Schmerzen im Bereich des Afters der Nebenklägerin, wovon letztere nicht nur durch die Nebenklägerin vorgebracht wurden, sondern durch die Aussagen der Polizeibeamten und zweier Zeuginnen gestützt wurden. Einzig mit der Begründung, die Nebenklägerin habe in der Hauptverhandlung – ausweislich der Urteilsgründe anders als in der Anklageschrift – nicht von einem Zupacken, sondern von einer anderen Form der Gewalteinwirkung gesprochen , kommt die Kammer zu dem isolierten Schluss, „dieses Zupacken [könne] kann nicht mit ausreichender Sicherheit mit dem Geschehen im Waldstück in Verbindung gebracht werden“, ohne zu erörtern, woher diese objektiven Spuren denn ansonsten überhaupt herrühren könnten: „Wo die DNASpuren unter den Fingernägeln des Angeklagten ihre Ursache haben, bleibt für das Gericht offen“. Die Strafkammer hätte sich damit auseinandersetzen müssen , ob die Spuren unter den Fingernägeln mit dem zweimaligen Herunterziehen der Hose, welches ein festes Zupacken erfordert, in Einklang zu bringen ist. Damit erweist sich die Beweiswürdigung in diesem Punkt auch als lückenhaft.
20
Isoliert betrachtet die Kammer auch die Verschmutzung der Jeanshose des Angeklagten. Dieser Umstand weise (allein) darauf hin, dass er auf dem Waldboden gekniet haben dürfte. Ohne Auseinandersetzung mit dem von der Nebenklägerin behaupteten zweimaligen Analverkehr kommt die Kammer zu dem Ergebnis, ein Knien auf dem Boden lasse Schlussfolgerungen über einen bestimmten Geschehensablauf nicht zu.
21
Ebenso lässt die Kammer die Herkunft der aus dem inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten genommenen DNA-Spur, die der Nebenklägerin zugeordnet wurde, offen, ohne zu erörtern, welche andere Verursachung als durch das von der Nebenklägerin geschilderte Tatgeschehen in Betracht kommt. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine Übertragung von DNA sei möglich bei Geschlechtsverkehr, bei einem Oralverkehr am Penis oder bei längeren und intensiven Manipulationen mit der Hand in der Unterhose. Jedenfalls hinterlasse ein weniger intensiver Kontakt, wie ein normales Anfassen der Unterhose, keine DNA-Spuren. Die Kammer setzt diese Spur nicht in Bezug zur Aussage der Nebenklägerin, es habe Anal- und Vaginalverkehr stattgefunden.
22
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Herkunft der Blutspuren in der Unterhose und an der Strumpfhose der Nebenklägerin sowie auf dem Handrücken des Angeklagten. Die positive Feststellung einer frischen Verletzung als Ursache für die Blutspur sei trotz der Aussagen einer Zeugin über die Reaktion der Nebenklägerin beim Entkleiden nicht möglich, so dass letztlich offen bleiben müsse, wo die Blutspur ihre Ursache habe und ob sie dem Geschehen zugeordnet werden könne. Eine sichere Feststellung, wie es zu der Antragung auf dem Handrücken gekommen sei, könne ebenfalls nicht getroffen werden, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich in der Unterhose der Nebenklägerin bereits vor dem Geschehen in dem Waldstück Blut befunden haben könne.
23
Selbst wenn im Übrigen keines dieser Indizien für sich genommen eine Ohrfeige oder Drohung beweist, so kann doch im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben, wenn die Spurenlage mit der Schilderung der Nebenklägerin ohne weiteres vereinbar ist, mit der Schilderung des Angeklagten dagegen nicht.
24
b) Die „Gesamtschau“ leidet auch daran, dass die Strafkammer ihre ernsthaften Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Geschehen im Waldstück überwiegend nicht mit konkreten Details begründet, die sich aus einer fachgerechten Analyse der Aussage zum Kerngeschehen ergeben haben. Die Zweifel werden vielmehr mit Feststellungen zur Person der Nebenklägerin – ihrer unreifen Persönlichkeit sowie ihrem durch Alkohol geprägten Gesamtverhalten in der Disko – und zum Rahmengeschehen, insbesondere aus ihrer Entscheidung, in ihrem Zustand, gegen den Rat der Freundin , den Heimweg zu Fuß anzutreten, begründet.
25
So sei es – so die Strafkammer – auffällig, dass die Nebenklägerin in dieser Nacht allein zu Fuß nach Hause gehen wollte und sich vehement gegen die Benutzung des Taxis gewehrt habe; dass sie, die doch ihrer Freundin erklärt hat, sich vom Angeklagten belästigt zu fühlen, ihm sogar noch Mitteilung über den Antritt des Heimwegs gemacht hat. Dass sie unter diesen Umständen den Weg zu Fuß nach Hause gehen wollte, sei „jedenfalls auffällig und nicht recht nachvollziehbar“. Unabhängig davon soll die Schilderung der Nebenklägerin auch deshalb „unlogisch und merkwürdig“ sein, weil sie keine nachvollziehbaren Erklärungen dafür abgeben konnte, dass sich der Angeklagte „während des Geschehens ohne Erklärung oder Anlass aufsteht, sich kurzzeitig entfernt und sodann zurück kommt, um erneut mit der Nebenklägerin sexuell zu verkehren“.
26
Die Kammer äußert auch Bedenken, ob auf die Angaben der Nebenklägerin „Verlass“ ist, nachdem sie in der Hauptverhandlung ausführlich zu ihren sexuellen Erfahrungen und zu ihren Sexualpartnern seit ihrem siebzehnten Lebensjahr befragt worden ist. Dabei habe sie zu „Zweifeln an der Vollständigkeit der Angaben“ Anlass gegeben. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer ihre Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Tatgeschehen ersichtlich aus der Bewertung ihres bisherigen Lebenswandels gezogen. Es habe sich ergeben, dass die Nebenklägerin entgegen ihren Angaben ihren Slip schon länger getragen haben musste, weil sich im Bundbereich ihres Slips DNA-Spuren von drei Männern und im Bundbereich der Strumpfhose von vier verschiedenen Männern fanden. Schließlich habe die Nebenklägerin in einem eher nebensächlichen Punkt erst auf Vorhalt eingeräumt, dass sie bereits eine Woche nach dem Vorfall wieder in dem Lokal gewesen und dort als sehr vergnügt aufgefallen sei.
27
Ohne dass den Urteilsgründen und den darin geäußerten Zweifeln ein Motiv für eine bewusst falsche Beschuldigung des Angeklagten zu entnehmen ist, lassen diese Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass sie die allgemeine , personale Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen hat (dagegen schon BGHSt 45, 164, 167 f.) und ihr dabei die genaue Analyse des Inhalts der Aussage zum Kerngeschehen und deren Vereinbarkeit mit den festgestellten Blutanhaftungen , den DNA-Spuren und Beschmutzungen aus dem Blick geraten ist.
28
c) Schließlich machen die geäußerten Zweifel an der Aussage der Nebenklägerin es für die Strafkammer nicht entbehrlich, sich auch mit den von ihr selbst als widersprüchlich angesehenen Einlassungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren in der gebotenen Gesamtwürdigung im Detail auseinanderzusetzen. Ohne näher darzulegen, ob und inwieweit der Angeklagte seine Ein- lassung dem jeweiligen Ermittlungsergebnis angepasst haben könnte, wird erst am Schluss der Urteilsgründe ausgeführt, der Umstand der widersprüchlichen Einlassung im Ermittlungsverfahren könne „auch in einer Zusammenschau mit den Zeugenaussagen keine taugliche Grundlage [bilden], um sich eine sichere Überzeugung vom Geschehen zu bilden“ (UA S. 28). Danach hätte der Angeklagte jeweils nur versucht, mit der Nebenklägerin einverständlich sexuell zu verkehren, sich dann aber jeweils sofort zurückgezogen, sobald die Nebenklägerin angefangen habe zu weinen.
29
Die Strafkammer hätte in ihre Erwägungen erkennbar einbeziehen müssen , dass der Angeklagte bei jeder der drei Einlassungen im Ermittlungsverfahren nach eigenen Angaben stets den entgegenstehenden Willen erkannte. Die Feststellung, möglicherweise habe der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht erkannt, ist ohne nähere Begründung nicht vereinbar mit der Angabe des Angeklagten, er habe den entgegenstehenden Willen zwar erkannt, ihn aber respektiert. Auch würde das behauptete vorsichtige und fürsorgliche Verhalten des Angeklagten nicht ohne weiteres erklären, weshalb die Nebenklägerin schrie, sofort die Polizei benachrichtigte und die der Anklageschrift zugrunde liegenden Beschuldigungen erhoben haben sollte, wonach der Angeklagte sie geschlagen, ihr den Mund zugehalten und gedroht habe, sie umzubringen. Die Beweiswürdigung zum Aussageverhalten des Angeklagten ist deshalb in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Sie lässt ferner besorgen, dass die Strafkammer die Anforderungen an eine für die Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugungsbildung überspannt hat. Die Zweifel der Strafkammer an der Aussage der Nebenklägerin rechtfertigen es nicht, sich nicht mit den Widersprüchen in den Einlassungen auseinanderzusetzen und sie nicht in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen.

III.



30
Auf diesen Beweiswürdigungsmängeln, insbesondere an der fehlenden bzw. fehlerhaften Gesamtwürdigung aller den Angeklagten belastenden und entlastenden Umstände kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte. Es mag dahinstehen, ob jeder einzelne der genannten Gesichtspunkte notwendigerweise zu einer Urteilsaufhebung hätte führen müssen. Insgesamt führen sie dazu, dass die Sache neu entschieden werden muss.
Wahl Boetticher Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist urlaubsabwesendunddeshalb anderUnterschriftgehindert. Elf Wahl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 280/10
vom
16. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. September
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 4. Februar 2010 werden verworfen.
Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung und der vorsätzlichen Körperverletzung freigesprochen. Es hat zwar festgestellt, dass der Angeklagte sexuelle Handlungen an der Nebenklägerin vorgenommen hat, sich indes nicht davon überzeugen können, dass er die Nebenklägerin - ihren Angaben entsprechend - gegen ihren Willen und durch Anwendung körperlicher Gewalt gezwungen habe, dies zu dulden.
2
Gegen den Freispruch wenden sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin. Die Beschwerdeführerinnen halten die Beweiswürdi- gung des Landgerichts für rechtsfehlerhaft; zudem beanstanden sie mit der Aufklärungsrüge, dass das Landgericht sich hätte gedrängt sehen müssen, zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin und zur Glaubhaftigkeit ihrer Aussage einen psychiatrischen bzw. einen aussagepsychologischen Sachverständigen zu hören. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird vom Generalbundesanwalt nicht vertreten.
3
Die Rechtsmittel sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Pfister Sost-Scheible
RiBGH Hubert befindet sich Mayer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker