Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2StR 389/13
vom
22. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. Juli 2015, in der Sitzung am 22. Juli 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger der Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger der Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten Th. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten Se. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger der Angeklagten He. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Soweit die Angeklagten S. und Th. im Fall 103 der Gründe des Urteils des Landgerichts Gera vom 28. September 2012 verurteilt worden sind, wird das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Die Revisionen der Angeklagten B. , T. , H. , D. , Se. und He. gegen das vorgenannte Urteil werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass von den Gesamtfreiheitsstrafen jeweils zwei Monate als bereits vollstreckt gelten.
Diese Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
3. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorgenannte Urteil, soweit er verurteilt worden ist,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Erschleichen von Aufenthaltstiteln in 90 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Amtsanmaßung, schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
4. Auf die Revision des Angeklagten Th. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten S. und Th. werden verworfen.
5. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten B. wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in acht Fällen unter Auflösung der Gesamtstrafe aus einem früheren Urteil und Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in fünfundsechzig Fällen und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren; zudem hat das Landgericht ein Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt für die Dauer von drei Jahren verhängt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 187.000 Euro angeordnet, - die Angeklagte D. unter Freisprechung im Übrigen wegen des Benutzens von unrichtigen oder unvollständigen Angaben, um sich einen Aufenthaltstitel zu beschaffen, in zwei Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung , - den Angeklagten S. unter Freisprechung im Übrigen wegen des Benutzens von unrichtigen oder unvollständigen Angaben, um für einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen, in einundneunzig Fällen, jeweils in Tateinheit mit Amtsanmaßung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, - die Angeklagte T. unter Freisprechung im Übrigen wegen gewerbs - und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in siebenunddreißig Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, - den Angeklagten H. unter Freisprechung im Übrigen wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern sowiewegen gewerbsund bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten Th. unter Freisprechung im Übrigen wegen Geschehenlassens einer rechtswidrigen Tat seines Untergebenen im Amt in einundachtzig Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten Se. unter Freisprechung im Übrigen wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern sowie gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung, - die Angeklagte He. unter Freisprechung im Übrigen wegen Einschleusens von Ausländern in fünf Fällen sowie versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung.
2
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
4
Der als Rechtsanwalt tätige Angeklagte B. verfolgte das Ziel, Flüchtlingen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union gegen Zahlung eines Entgelts zu Aufenthaltserlaubnissen im Inland zu verhelfen, um sich selbst dadurch eine fortdauernde Einkommensquelle zu verschaffen. Hierzu stellte er den Ausländern ein von ihm entwickeltes „Limited-Modell“ vor, das darauf ge- richtet war, unter Vorspiegelung einer selbständigen Tätigkeit in Deutschland Aufenthaltstitel zu erlangen. Hierfür hatten die Ausländer im ersten Jahr einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro und in den beiden Folgejahren jeweils 1.500 Euro zu zahlen. Das „Limited-Modell“ sah die Gründung einer Scheinfirma in der Rechtsform einer Limited nach britischem Recht sowie die Anmeldung einer gewerblichen Zweigniederlassung im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde E. vor, ferner die Wohnsitzanmeldung der Ausländer unter einer Scheinadresse. Die Ausländer sollten durch diesen Anschein wie Unternehmensorgane einer Gesellschaft im europäischen Raum wirken und so den Status von Bürgern der Europäischen Union erlangen. Die Wohnsitzanmeldung erfolgte, um den Anschein des dauerhaften Aufenthalts im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde E. zu erwecken und die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen durch den dort zuständigen Sachbearbeiter, den Angeklagten S. , zu erreichen. Tatsächlich hatten die Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht dort, sondern im Raum F. . Der Angeklagte B. übernahm für die Antragsteller jeweils das Einreichen der Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
5
Um sein „Limited-Modell“ umsetzen zu können, handelte der Angeklagte B. seit Mitte Dezember 2007 mit dem gesondert verfolgten Z. sowie mit den Angeklagten T. und H. zusammen. Dabei kam den Letztgenannten die Aufgabe zu, den Ausländern gegen Zahlung eines Entgelts die Wohn- und Meldeadressen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus schlossen die Angeklagten T. und H. mit den Ausländern Miet- und Büroserviceverträge ab, um den Eingang und die Weiterleitung der behördlichen Post sicherzustellen.
6
Der Angeklagten D. , der auch mit Hilfe des „Limited-Modells“ des Angeklagten B. durch die Ausländerbehörde zunächst selbst eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und diese verlängert worden war, oblag ab Januar 2009 die bürotechnische Ausführung des „Limited-Modells“ und die telefonische Be- treuung der Ausländer. Sie erledigte Formalitäten der Firmengründungen und bereitete die Gewerbeanmeldungen vor. Dafür erhielt sie eine Vergütung, die sie als dauerhafte Einnahmequelle nutzen wollte.
7
Seit Februar 2009 war zudem der Angeklagte Se. bei dem Angeklagten B. beschäftigt. Dieser erstellte Unternehmensplanungen mit erfundenen Umsatzprognosen. Auch fingierte er Bauunternehmerverträge, die gegenüber der Ausländerbehörde einen tatsächlich nicht vorhandenen Geschäftsbetrieb der neu gegründeten Firmen vortäuschen sollten. Durch diese Tätigkeit erhoffte sich auch der Angeklagte Se. dauerhafte Einnahmen.
8
Die Angeklagte He. erstellte Prognosen zur Unternehmensentwicklung der Firmen, die jedoch einer tragfähigen Grundlage entbehrten und nur den Eindruck einer künftigen positiven Geschäftsentwicklung erwecken sollten.
9
Die von dem Angeklagten B. bei der Ausländerbehörde E. eingereichten Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen wurden jeweils von dem hierfür alleine zuständigen Angeklagten S. bearbeitet. Dieser wusste spätestens seit dem 10. Juli 2008, dass die Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht an den in den Anträgen aufgeführten Meldeadressen hatten. Er erteilte gleichwohl aus altruistischen Motiven heraus in zahlreichen Fällen unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben die beantragten Aufenthaltserlaubnisse. Dabei wusste er, dass eine örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde E. nicht bestand.
10
Auch der Angeklagte Th. , der im Tatzeitraum Sachgebietsleiter bei der Ausländerbehörde E. und Vorgesetzter des Angeklagten S. war, hatte Kenntnis von den eingehenden Anträgen des Angeklagten B.
und seit dem 27. Oktober 2008 von den darin enthaltenen unrichtigen Angaben. Gleichwohl unternahm er jeweils nichts, um die Erteilung von Aufenthaltstiteln durch den Angeklagten S. zu verhindern.

II.


11
Die Sachrügen der Angeklagten B. , D. , T. , H. , Se. und He. sind unbegründet. Auch die erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg; das bedarf nur zu den Rügen hinsichtlich der Verletzung von § 243 Abs. 4 StPO unten (V. und VI.) der Erläuterung. Das Urteil ist, soweit es die genannten Angeklagten betrifft, im Übrigen nur um eine Kompensationsentscheidung wegen der langen Dauer des Revisionsverfahrens zu ergänzen (unten VII.).
12
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist, auch soweit sie die Taten der Angeklagten S. und Th. betrifft, rechtsfehlerfrei.
13
Das gilt auch hinsichtlich der Verwertung der Aussage des gesondert verfolgten Z. . Das gegen diesen gerichtete Verfahren ist abgetrennt und nach einer Verständigung durch gesondertes Urteil aufgrund eines verständigungsbasierten Geständnisses dieses früheren Mitangeklagten beendet worden. Das Landgericht hat geprüft, ob dessen Angaben glaubhaft sind, auch soweit sie die Beschwerdeführer belasten können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 1 StR 464/02, BGHSt 48, 161, 168; Beschluss vom 6. November 2007 - 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78, 82 f.). Zwar hat das Landgericht keine näheren Ausführungen zum Verständigungsverfahren des Gerichts gegenüber dem gesondert verfolgten Z. gemacht, das zu dessen Geständnis mit einem die Beschwerdeführer belastenden Inhalt geführt hat. Auch hat es den Aussageinhalt jenes Geständnisses nicht näher dargelegt. Darauf kam es hier aber nicht an, weil das Landgericht die Taten der Angeklagten, auch soweit sie bandenmäßig begangen wurden, mit Hilfe anderer Beweismittel festgestellt, dies jeweils im Einzelnen belegt und die Angaben des gesondert verfolgten Z. in den Urteilsgründen dabei nicht hervorgehoben hat. Der Senat schließt daher aus, dass das Urteil insoweit auf einem Erörterungsmangel beruht.
14
2. Die rechtlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit der Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG liegen vor.
15
a) Nach dieser Bestimmung wird bestraft, wer einen anderen zu einer der in § 95 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 oder Abs. 2 AufenthG bezeichneten Handlungen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt oder wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt. Für den Fall eines gewerbsmäßigen Handelns sieht § 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG eine Qualifikation vor. Bei gewerbs- und bandenmäßigem Handeln ist die Tat gemäß § 97 Abs. 2 AufenthG weitergehend qualifiziert.
16
aa) Durch die Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 AufenthG werden nach allgemeinen Regeln strafbare Teilnahmehandlungen an den in Bezug genommenen Taten zu selbständigen, täterschaftlich begangenen Straftaten heraufgestuft , wenn der Beteiligte eines der in § 96 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfüllt. Trotz dieser tatbestandlichen Verselbständigung gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 AufenthG die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät. Erforderlich ist daher eine vorsätzlich und rechtswidrig begangene Tat eines anderen im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 oder Abs. 2 AufenthG (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - 4 StR 378/14, NStZ 2015, 399, 400). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
17
Die Ausländer, die in den verfahrensgegenständlichen Fällen bei der Ausländerbehörde in E. einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gestellt haben, haben sich gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht. Sie haben jeweils unrichtige Angaben über ihren Wohnsitz und die Eigenschaft als Geschäftsführer (Direktoren) von geschäftlich derzeit oder künftig aktiven Gesellschaften gemacht, die ihnen den Status von Bürgern der Europäischen Union verleihen sollten. Die falschen Wohnsitzangaben waren für die Zuständigkeit der Behörde relevant; ohne sie wären die Aufenthaltserlaubnisse dort nicht erteilt worden. Tathandlungen sind auch die Vorlage oder das Benutzen unzutreffender Unterlagen zur angeblichen Geschäftstätigkeit der jeweiligen Gesellschaft, die auch dazu benutzt wurden, den Direktoren den scheinbaren Status von Bürgern der Europäischen Union zu verschaffen. Sämtliche Angaben betreffen die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die falschen Angaben müssen nach der Strafnorm nur allgemein für das Verfahren von Bedeutung sein und grundsätzlich zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels führen können. Dazu waren die Falschangaben der Antragsteller im vorliegenden Fall geeignet.
18
bb) Auf die vom Angeklagten B. in seiner Einlassung vor dem Landgericht hervorgehobene Art des Vorgehens im Rahmen von „informellem Ver- waltungshandeln“ der Ausländerbehörde kommt es nicht an, weil zwingende gesetzliche Vorschriften nicht dadurch umgangen werden dürfen. Auch eine - rechtswidrige - behördliche „Duldung“ des fehlerhaften Verhaltens der Antragsteller hebt weder den Straftatbestand auf noch vermag sie das straftatbestandsmäßige Verhalten zu rechtfertigen.
19
Jedenfalls wenn - wie hier - das behördliche Handeln seinerseits strafrechtliche Bedeutung im Sinne einer Amtsanmaßung des Beamten besitzt, der den begünstigenden Verwaltungsakt erlässt, und in einem kollusiven Zusammenwirken zwischen dem Sachbearbeiter der Ausländerbehörde und den Antragstellern besteht, die falsche Angaben gemacht haben, kann das straftatbestandsmäßige Verhalten des jeweiligen Antragstellers nicht gerechtfertigt sein. Es geht nicht um die Ausnutzung eines behördlichen Ermessenspielraums, sondern um die Verletzung zwingender Vorschriften des Ausländerrechts, die einer aktiven „behördlichen Duldung“ jede rechtfertigende Bedeutung nimmt (vgl. in anderem Zusammenhang Fischer, StGB, 62. Aufl., Vor § 324 Rn. 9; Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 324 ff. Rn. 30; MünchKomm/Schmitz, StGB, 2. Aufl., Vorbemerkung zu den §§ 324 ff. Rn. 99). Die erteilten Aufenthaltserlaubnisse waren nichtig.
20
cc) Es ist zur Erfüllung des Tatbestands des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG auch nicht erforderlich, dass die falschen Angaben der Antragsteller zur Beschaffung des Aufenthaltstitels konkret geeignet waren. Sie müssen dafür nur eine erhöhte Beweiskraft besitzen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 266/09, BGHSt 54, 140, 146); denn die Strafvorschrift regelt ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Nach ihrem Zweck stellt sie den Rechtsmissbrauch zur Erlangung eines Aufenthaltstitels im Vorfeld der behördlichen Entscheidung unter Strafe. Es genügt daher, wenn der antragstellende Ausländer solche Angaben macht, die im Allgemeinen zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels geeignet sind. Strafbarkeit bestünde sogar dann, wenn trotz der falschen oder unvollständigen Angaben ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestünde.
21
Die Tatsache, dass es in mehreren Fällen nicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels kam, steht der Strafbarkeit der darauf abzielenden Handlungen ebenfalls nicht entgegen (vgl. BGH aaO, BGHSt 54, 140, 146). Auch ist es unerheblich , dass der Angeklagte S. im Fall 85 keine Aufenthaltserlaubnis nach § 21 AufenthG erteilte, sondern eine solche nach § 28 AufenthG. Auf eine Kausalität der unrichtigen Angaben bei der Erteilung des Aufenthaltstitels kommt es nicht an (vgl. BGH aaO, BGHSt 54, 140, 143).
22
b) Zu den Taten der Ausländer gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG haben die Angeklagten B. , D. , T. , H. , Se. und He. im Sinne von § 96 Abs. 1 AufenthG in ihrer jeweiligen Rolle innerhalb des von B. organisierten Systems nach dem „Limited-Modell“ Hilfe geleistet. Nach der Rechtsprechung ist grundsätzlich jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert (BGH aaO, BGHSt 54, 140, 142 f.). Dies ist durch die festgestellten Handlungen der genannten Angeklagten geschehen.
23
Sie haben sich dafür einen Vermögensvorteil versprechen lassen. Außerdem haben sie wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern gehandelt.
24
c) Die Angeklagten B. , D. , T. , H. , Se. und He. , die alle relevanten Umstände kannten und in ihren Willlen aufgenommen haben, handelten vorsätzlich.
25
d) Ein Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB lag nicht vor. Nur die rechtmäßige Duldung der zuständigen Behörde könnte im Einzelfall zu einem Verbotsirrtum des Täters führen (vgl. in anderem Zusammenhang Fischer aaO Rn. 11; Heine/ Hecker aaO Rn. 23; MünchKomm/Schmitz aaO Rn. 102). Die Ausländerbehörde in E. war aber nicht zuständig und die Antragstellung bei ihrerfolgte kollusiv mit Hilfe der falschen Wohnsitz- und Unternehmensangaben gerade deshalb, weil der Sachbearbeiter S. bereit war, in Kenntnis der Unrichtigkeit der Angaben die Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.
26
e) In den Fällen 16 - 126 hat das Landgericht jeweils rechtlich zutreffend den Qualifikationstatbestand des § 97 Abs. 2 AufenthG angewendet. In diesen Fällen liegen zugleich die Merkmale des gewerbsmäßigen und des bandenmäßigen Einschleusen von Ausländern bei den Angeklagten B. , D. , T. , H. und Se. im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung vor.
27
Das Landgericht hat eine stillschweigend getroffene Bandenabrede der genannten Angeklagten und des gesondert verfolgten Z. festgestellt und eine bandenmäßige Tatbegehung auf dieser Grundlage angenommen.
28
Auch in den Fällen des § 97 Abs. 2 AufenthG gelten die für den Bandenbegriff allgemein entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325 ff.). Allerdings ist es im Gegensatz zu anderen Bandenstraftaten bei § 97 Abs. 2 AufenthG nicht erforderlich , dass mehrere Bandenmitglieder unmittelbar am gleichen Tatort der Einschleusung zusammenwirken, um den Qualifikationstatbestand zu erfüllen. Ausreichend ist insoweit das Handeln eines Bandenmitglieds gegenüber der Ausländerbehörde im Rahmen der bandenmäßigen Verbindung (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2005 - 5 StR 68/05; MünchKomm/Gericke, StGB, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 29). Mittäterschaft reicht andererseits für sich genommen noch nicht aus, um eine bandenmäßige Tatbegehung anzunehmen.
Vielmehr muss sich das Handeln im Rahmen der Bandenabrede halten. Indizien für das Vorliegen einer Bande können unter anderem eine genaue Buchführung , geschäftsmäßige Auftragsverwaltung oder arbeitsteilige Abwicklung sein (vgl. Winkelmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 13). Die Angeklagten haben arbeitsteilig mit gleichbleibenden Rollen in einer Vielzahl von Fällen zusammengewirkt. Die Handlungskomponenten waren aus ihrer Sicht jeweils in ihrem Zusammenwirken zur Erreichung des gemeinsamen Ziels erforderlich und hielten sich im Rahmen der Bandenabrede.
29
Der Annahme einer Bandentat steht es nicht entgegen, dass die Bandenmitglieder vorrangig ihre eigenen finanziellen Interessen verfolgten. Ein gefestigter Bandenwille oder ein Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse ist auch in den Fällen des § 97 Abs. 2 AufenthG nicht erforderlich. Die Tatsache, dass ein Bandenmitglied nicht in die ursprüngliche Tatplanung eingebunden war und nicht mit allen Bandenmitgliedern selbst Kontakt hatte, führt zu keiner anderen Bewertung. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass sich sämtliche Mitglieder der Gruppe persönlich verabredet haben. Eine Bandenabrede kann auch durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen, wenn sich zunächst zwei Täter einig sind, künftig Straftaten mit zumindest einem weiteren Beteiligten zu begehen und ein dritter, der durch einen der beiden Täter über ihr Vorhaben informiert wird, sich dieser Vereinbarung anschließt. Dasselbe gilt sodann für den Anschluss weiterer Tatbeteiligter.
30
f) § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG konsumiert eine mittelbare Falschbeurkundung im Sinne von § 271 Abs. 1 StGB (vgl. BGH aaO, BGHSt 54, 140, 145).
31
3. Soweit die Angeklagte D. darüber hinaus wegen Benutzens von unrichtigen oder unvollständigen Angaben, um für sich einen Aufenthaltstitel zu beschaffen, in zwei Fällen verurteilt wurde, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
32
4. Rechtliche Bedenken gegen die Entscheidungen über die Strafzumessung liegen nicht vor.
33
5. Die Entscheidung über das Berufsverbot gemäß § 70 StGB für den Angeklagten B. ist rechtsfehlerfrei. Seine Taten stellen zwar keinen Missbrauch des Berufs dar. Jedoch liegt eine grobe Verletzung beruflicher Pflichten als Rechtsanwalt vor.
34
Das Landgericht hat allerdings die Prognose drohender künftiger Taten nicht näher erläutert. Sie folgt aber ohne weiteres daraus, dass der Angeklagte einschlägig vorverurteilt ist und in einer großen Zahl von Fällen gleichartige Taten begangen hat.
35
Die Dauer des Berufsverbots hält sich im gesetzlichen Rahmen. Die Ermessensentscheidung des Landgerichts ist angesichts der einschlägigen Vorstrafe und der nachfolgenden Tatserie rechtsfehlerfrei.
36
6. Die Entscheidung über den Verfall von Wertersatz gemäß § 73a StGB bei dem Angeklagten B. ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

III.


37
Die Revision des Angeklagten S. führt nach Teileinstellung des Verfahrens zu einer Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs aufgrund der Sachrüge. Seine Verfahrensrüge hat dagegen aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen keinen Erfolg.
38
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts bezüglich Fall 103 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, da der Angeklagte S. nach den Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall keinen Aufenthaltstitel erteilt hat.
39
2. a) Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Amtsanmaßung in den verbleibenden neunzig Fällen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Angeklagten war bekannt, dass der tatsächliche Aufenthaltsort der Antragsteller mit den angegebenen Meldeadressen nicht übereinstimmte, so dass eine örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde E. für die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse nicht bestand. Bei bewusster Überschreitung der Zuständigkeit liegt eine Amtsanmaßung vor, wenn der Kompetenzmangel - wie hier - nicht nur auf innerdienstlichen Regeln beruht (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1958 - 1 StR 310/58, BGHSt 12, 85, 86; Urteil vom 24. Oktober 1990 - 3 StR 196/90, BGHSt 37, 207, 211).
40
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten S. darüber hinauswegen des Benutzens von unrichtigen oder unvollständigen Angaben, um für einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen, in neunzig Fällen verurteilt hat, wird der Schuldspruch von den Feststellungen nicht getragen. Der Angeklagte hat den Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht als Täter ver- wirklicht, sondern nur den Antragstellern Beihilfe zur unberechtigten Erlangung eines Aufenthaltstitels geleistet.
41
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragsteller insbesondere durch Vorspiegelung eines Wohnsitzes im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde E. unrichtige Angaben im Sinne des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gemacht haben. Der Angeklagte S. , der seit dem 10. Juli 2008 von der Unrichtigkeit der Angaben wusste, hat jedoch keine unrichtigen Angaben im Sinne des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG benutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2013 - 5 StR 130/13, BGHSt 58, 262, 267).
42
§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stellt ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar und dient der Sicherung des ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahrens gegenüber Falschangaben. Er schützt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 266/09, BGHSt 54, 140, 145 f.). Nach diesem Schutzzweck stellt das Gesetz die Unterbreitung und das Benutzen unrichtiger Angaben im Vorfeld der behördlichen Entscheidung unter Strafe (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2006 - 2 StR 157/06, NStZ 2007, 289, 290). An einer die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung gefährdenden Handlung in diesem Sinne fehlt es jedoch, wenn der Sachbearbeiter der Ausländerbehörde selbst einen Aufenthaltstitel erteilt, obwohl er die Unrichtigkeit der im Antrag enthaltenen Angaben kennt. Die unrichtigen oder unvollständigen Angaben müssen zwar zur Erfüllung des Tatbestands des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG weder für die Erteilung des Aufenthaltstitels ursächlich gewesen sein (vgl. Hohoff in BeckOKAuslR , § 95 AufenthG Rn. 90) noch bedarf es der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 266/09, BGHSt 54, 140, 146). Ebenso ist nicht erforderlich, dass die Angaben durch die Aus- länderbehörde tatsächlich geprüft werden, da nach dem Wortlaut des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bereits die Absicht genügt, sich durch unrichtige oder unvollständige Angaben einen Aufenthaltstitel zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2007 - 1 StR 189/07). Jedoch müssen die Angaben vom Täter des Vergehens nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG der Ausländerbehörde zur Kenntnis gebracht werden, damit von einem „Benutzen“ gesprochen werden kann (vgl. Gericke in MünchKomm, StGB, 2. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 101). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn - wie hier - der für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zuständige Sachbearbeiter der Ausländerbehörde selbst handelt und dabei weiß, dass die Angaben des jeweiligen Antragstellers unrichtig sind. Sein eigenes Handeln ist weder auf eine durch Täuschung bewirkte Verfälschung der Entscheidungsgrundlage der Behörde gerichtet noch bringt er die zuvor erfolgten unrichtigen Angaben der Behörde erst zur Kenntnis. Auch verschafft er nicht sich, sondern einem anderen einen Aufenthaltstitel.
43
bb) Die von dem Landgericht getroffenen Feststellungen tragen jedoch eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen Beihilfe zum Erschleichen von Aufenthaltstiteln (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB; zur Begriffswahl für die Tenorierung s. auch BGH, Beschluss vom 30. Mai 2013 - 5 StR 130/13, BGHSt 58, 262, 265). Da der Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG frühestens mit der Erteilung des erschlichenen Aufenthaltstitels beendet ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 58, 262, 267), war eine Beihilfe dazu durch Inaussichtstellen der Erteilung des Verwaltungsakts möglich.
44
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte S. nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
45
3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

IV.


46
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten Th. hat - nach Teileinstellung des Verfahrens zu Fall 103 wie bei dem Angeklagten S. - keinen Erfolg, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Sie führt aber zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch.
47
1. Der Schuldspruch zeigt auch hinsichtlich der Konkurrenzbewertung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten Th. auf.
48
Ein Vorgesetzter, welcher eine rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen lässt, hat nach § 357 Abs. 1 Var. 3 StGB die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt. Dabei handelt es sich der Sache nach um Beihilfe durch Unterlassen an der Tat des Untergebenen, die vom Gesetz als eine Art von Nebentäterschaft behandelt wird (vgl. Fischer, aaO § 357 Rn. 5; Heine/Weißer in Schönke/Schröder, aaO § 357 Rn. 7). Soweit der Vorgesetzte diese Unterstützung einer Mehrzahl von rechtswidrigen Taten eines Untergebenen durch einheitliches Unterlassen leistet, kann für ihn nur eine Tat im Sinne von § 52 StGB vorliegen. Andererseits kann bei jedem Einzelfall der sukzessiven Tatbegehung durch den Untergebenen ein Unterlassungsdelikt des Vorgesetzten vorliegen, wenn dieser jeweils aufgrund eines neuen Entschlusses das Verhalten des Untergebenen hinnimmt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte Th. schon bei Posteingang von neuen Anträgen der Ausländer auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Kenntnis erlangt, deren positive Bescheidung durch den Angeklagten S. er trotz falscher Tatsachenanga- ben erwartete. Den Urteilsgründen ist dagegen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte Th. in bestimmten Konstellationen zugleich die Erteilung von mehreren Aufenthaltserlaubnissen durch den Angeklagten S. geschehen ließ, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Die Annahme von Tatmehrheit des jeweiligen Geschehenlassens der rechtswidrigen Taten nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gemäß § 357 StGB durch den Angeklagten Th. ist daher nicht zu beanstanden.
49
2. Jedoch kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Die Strafdrohung gegen den Vorgesetzten, der rechtswidrige Taten seiner Untergebenen geschehen lässt, ist gegenüber der Strafdrohung gegen den Untergebenen akzessorisch. Ist der Angeklagte S. entgegen der Annahme des Landgerichts nur wegen Beihilfe zu Vergehen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar , statt wegen Täterschaft, so muss sich die mindere Beteiligungsform des Untergebenen auch auf den Schuldumfang des Vorgesetzten bei dessen Vergehen gemäß § 357 StGB auswirken.

V.


50
Die Revisionen der Angeklagten Se. und He. haben auch nicht mit Verfahrensrügen Erfolg. Über die Ausführung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift hinaus bedarf nur die von diesen Angeklagten im Wesentlichen inhaltsgleich erhobenen Rügen einer Verletzung von § 243 Abs. 4 StPO der Erwähnung.
51
1. Die Beschwerdeführer rügen insoweit Folgendes:
52
Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung an einem der dem Hauptverhandlungstermin am 5. Juli 2011 zeitnah vorangehenden Verhandlungstagen fand zumindest ein Gespräch zwischen den Verteidigern der genannten Angeklagten und dem Vorsitzenden der Strafkammer statt, in dessen Verlauf die Verteidiger anfragten, ob für das Gericht eine verfahrensbeendende Absprache in Betracht komme. An den konkreten Inhalt des Gesprächs konnten sich die Instanzverteidiger später nicht mehr erinnern. Nach dem Revisionsvorbringen sicherte ihnen der Vorsitzende zu, die Möglichkeit einer Verständigung mit den Mitgliedern der Strafkammer zu erörtern und die Staatsanwaltschaft einzubinden. In der Folge verfügte der Vorsitzende die Verlegung des Beginns der Hauptverhandlung am 5. Juli 2011 von 9.15 Uhr auf 11.00 Uhr. Vor Beginn der Hauptverhandlung an diesem Tag beriet die Strafkammer über die Frage einer Verständigung und machte anschließend in der Hauptverhandlung einen Verständigungsvorschlag. Die Angeklagten Se. und He. stimmten dem jedoch nicht zu.
53
Die Revisionen der Angeklagten Se. und He. machen im Kern übereinstimmend geltend, zu keinem Zeitpunkt sei in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden erklärt worden, ob Erörterungen über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben. Es sei auch nicht mitgeteilt worden, dass keine Erörterungen stattgefunden hätten, mithin fehle bereits eine Negativmitteilung. Dies beweise das Hauptverhandlungsprotokoll passim negativ.
54
2. Die Rügen der Verletzung von § 243 Abs. 4 StPO sind im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, weil sie die Angriffsrichtung nicht eindeutig erkennen lassen.
55
Die Angriffsrichtung der Revisionsrüge bestimmt den Prüfungsumfang seitens des Revisionsgerichtes (§ 352 StPO). Der Revisionsführer muss daher den Gegenstand und die Angriffsrichtung seiner Rüge verdeutlichen und hierzu strukturiert vortragen. Kommen nach den dargelegten Tatsachen mehrere Verfahrensfehler in Betracht, muss die Revision erkennen lassen, welchen Fehler sie geltend macht. Mehrdeutiges Vorbringen führt zur Unzulässigkeit der Rüge (BeckOK-StPO/Wiedner, StPO, 21. Edition, § 344 Rn. 40 ff.; differenzierend Norouzi, NStZ 2013, 203, 205 f.), soweit nicht durch Auslegung ein eindeutiges Ergebnis zu erzielen ist (Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312).
56
Die jeweilige Revisionsbegründung lässt hier schon offen, welche der Alternativen gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geltend gemacht werden soll. Wäre die Anfrage der Verteidiger an den Vorsitzenden der Strafkammer noch keine Erörterung mit dem Ziel der Herbeiführung einer Verständigung gewesen , so hätte es vom Standpunkt der Revision aus einer Negativmitteilung bedurft. Wäre darin andererseits bereits ein Gespräch zu sehen gewesen, das auf die Herbeiführung einer Verständigung gerichtet war, so hätte der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht nur die Tatsache der Gesprächsführung, sondern auch deren wesentlichen Inhalt mitteilen müssen. Die schriftliche Revisionsbegründung der genannten Beschwerdeführer lässt es jedoch jeweils unklar erscheinen, worauf sich der Vorwurf der fehlenden Mitteilung des Vorsitzenden der Strafkammer in der Hauptverhandlung beziehen soll. Die Klarstellung der Angriffsrichtung der Revisionsrügen wäre bereits innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erforderlich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1998 - 4 StR 253/98, NStZ 1998, 636; weitere Nachweise bei Cirener, NStZ-RR 2014, 33, 34). Die Erläuterungen in der Revisionshauptverhandlung können diesen Mangel nicht mehr heilen.
57
Im Übrigen wird das Hauptverhandlungsprotokoll nur für den 3. Juli und 4. August 2011 - und das auch nur auszugsweise - vorgelegt.

VI.


58
Auch die Revision der Angeklagten D. hat mit einer Verfahrensrüge zu § 243 Abs. 4 StPO keinen Erfolg.
59
Die Angeklagte D. beanstandet, in der Hauptverhandlung sei die nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO erforderliche Mitteilung unterblieben, dass keine Gespräche mit dem Ziel der Verständigung geführt wurden. Damit zeigt sie aber ebenfalls keinen durchgreifenden Verfahrensfehler auf.
60
Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine Negativmitteilung, wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche stattgefunden haben. Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt in dieser Konstellation aber nur vor, wenn das Urteil auf dem Fehlen einer solchen Mitteilung beruht. Dies kann ausgeschlossen werden, wenn feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 2 StR 123/14, NStZ 2015, 294 f.; Beschluss vom 25. Februar 2015 - 5 StR 258/13, NStZ 2015, 232 f.; Beschluss vom 14. April 2015 - 5 StR 9/15).
61
Dem Revisionsvortrag der Angeklagten D. ist nicht zu entnehmen , dass außerhalb der Hauptverhandlung mit ihrem Verteidiger Gespräche geführt wurden, die auf eine Verständigung abzielten. Der Senat lässt es an dieser Stelle offen, ob die Rüge der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - 3 StR 363/13; Senat, Beschluss vom 25. November 2014 - 2 StR 171/14, NJW 2015, 266 f.). Jedenfalls ist sie unbegründet.
62
Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Verurteilung der Angeklagten D. keine auf eine Verständigung gerichteten Erörterungen mit ihrem Verteidiger vorangegangen sind. Dies hat die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung bestätigt. Die vom Senat im Freibeweisverfahren eingeholte dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer, der die Verteidigung der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, belegt ebenfalls , dass keine Gespräche mit dem Verteidiger der Angeklagten D. mit dem Ziel einer Verständigung stattgefunden haben. Danach ist auszuschließen , dass das Urteil auf einer Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht.

VII.


63
Zur Kompensation der langen Dauer des Revisionsverfahrens ist bei den Angeklagten, deren Rechtsmittel vom Senat verworfen werden, anzuordnen, dass zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als vollstreckt gelten. Soweit die Sache an das Landgericht zurückverwiesen wurde, hat das neue Tatgericht die Verfahrensdauer insgesamt bei seiner Sachentscheidung zu berücksichtigen.
64
Das Revisionsverfahren hat aus Gründen, welche die Angeklagten nicht zu vertreten haben, auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Sache besonders lange gedauert. Das angefochtene Urteil wurde am 28. September 2012 verkündet. Es wurde den Angeklagten im Mai 2013 zugestellt. Deren Revisionsbegründungen lagen im Juni 2013 vor. Die Anträge des Generalbundesanwalts zu den Revisionen lagen im September 2013 vor. Erwiderungen der Verteidigung der verschiedenen Angeklagten hierzu gingen bis Ende des Jahres 2013 beim Senat ein. Der Senat hat im Dezember 2014 beschlossen, ein Freibeweisverfahren durchzuführen, zu dem Äußerungen im Januar und Februar 2015 eingereicht wurden. Der Generalbundesanwalt hat mit Schriftsatz vom 5. März 2015 dazu nochmals ausführlich Stellung genommen. Hierauf hat der Senat die Revisionshauptverhandlung anberaumt, die im Juli 2015 durchgeführt wurde. Insgesamt hätte das Revisionsverfahren etwa acht Monate schneller erledigt werden können. Zum Ausgleich dieser Verzögerung ist eine Anrechnung von zwei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafen, die als vollstreckt gelten, angemessen.
Fischer Eschelbach Ott
Zeng Bartel

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Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Strafgesetzbuch - StGB | § 17 Verbotsirrtum


Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 96 Einschleusen von Ausländern


(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung 1. nach § 95 Abs.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 21 Selbständige Tätigkeit


(1) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn 1. ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,2. die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwar

Strafgesetzbuch - StGB | § 70 Anordnung des Berufsverbots


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigke

Strafgesetzbuch - StGB | § 271 Mittelbare Falschbeurkundung


(1) Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werde

Strafprozeßordnung - StPO | § 352 Umfang der Urteilsprüfung


(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind. (2) Eine we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 97 Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht. (2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, we

Strafgesetzbuch - StGB | § 357 Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat


(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe ve

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________
Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten
, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache sind,
muß die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht
nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen
und der Inhalt der Absprache.
BGH, Beschluß vom 15. Januar 2003 - 1 StR 464/02 - LG München I

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 464/02
vom
15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2003 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. April 2002, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Dem Angeklagten E. liegt zur Last, den Mitangeklagten F. und Z. bei Untreuehandlungen zu Lasten der BBV-Immobilien-Fonds GmbH (im folgenden BBVI) im Zusammenhang mit der Errichtung des Gewerbe- und Dienstleistungszentrums in Clarenberg/Frechen Beihilfe geleistet zu haben. Das Landgericht hat deshalb den Angeklagten E. wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Den Mitangeklagten F. hat es wegen Untreue in drei Fällen unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Mitangeklagte Z. ist wegen Untreue in vier Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Schließlich hat das Landgericht den Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, wobei es die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Die drei Mitangeklagten F. , Z. und S. haben gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt. Der Angeklagte E. wendet sich gegen seine Verurteilung mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: 1. Die Mitangeklagten F. und Z. waren Geschäftsführer der BBVI, einer Tochter der Bayerischen Beamten- und Lebensversicherung AG (BBV). Geschäftszweck der BBVI war u.a. das Auflegen von geschlossenen Immobilienfonds. Mit dem Ziel, durch den Erwerb geeigneter Immobilienobjekte weitere Immobilienfonds aufzulegen, wurden zahlreiche Kommanditgesellschaften gegründet, deren Komplementärin die BBVI war. Kommanditisten dieser KG's waren in der Regel die Angeklagten F. und Z. . Im April 1994 schlossen der Angeklagte Z. für die BBVI und der anderweitig verfolgte M. einen Vertrag zur Gründung der BBV Immobilien -Fonds GmbH & Co Frechen KG (im folgenden Frechen KG). Aus dieser ging später der geschlossene BBVI-Immobilien-Fonds GmbH & Co. Nr. 16 KG hervor. An der Frechen KG war M. als Kommanditist mit einem Kapitalanteil von neun Zehntel beteiligt. Zwischen den Mitangeklagten Z. und F. und M. wurde vereinbart, daß dieser eine Abfin-
dung erhalten solle, wenn er als Kommanditist ausscheide. Von dem Abfindungsguthaben sollte aber ein Drittel an den Mitangeklagten Z. ausge- zahlt werden, der seinerseits diesen Betrag zur Hälfte mit dem Mitangeklagten F. teilen wollte. Im September 1994 schlossen die Angeklagten F. und Z. für die Frechen KG mit der Firma i. , Niederlassung Leverkusen, einen Generalunternehmervertrag für die schlüsselfertige Erstellung des Gewerbeparks Clarenberg/Frechen zum Pauschalfestpreis von Netto 44.900.000 DM. Niederlassungsleiter der Firma i. war in diesem Zeitraum der Angeklagte E. . Nach Beendigung der Bauarbeiten erstellte der Mitangeklagte S. für die Firma i. eine Rechnung vom 27. Juni 1995 mit einer vorläufigen Abrechnungssumme von 47.825.945,44 DM netto. In der Rechnung waren ergänzend zur Auftragssumme Mehr- und Minderkosten sowie Nachträge enthalten. Als sich herausstellte, daß die Abfindung für M. höher ausfallen würde als ursprünglich angenommen, vereinbarten die Mitangeklagten Z. und F. , den für die Abfindung erforderlichen Betrag, aber auch den eigenen Anteil daran, aus dem Gesellschaftsvermögen der BBVImmobilien -Fonds GmbH & Co. Frechen KG zu entnehmen und dies über die Firma i. abzuwickeln. Der Mitangeklagte Z. bat den Angeklagten E. , die Schlußrechnung mit einer Gesamtabrechnungssumme auszustellen, die ca. dreizehn Millionen DM höher liegen sollte als die Rechnung vom 27. Juni 1995. Der Angeklagte E. forderte den Mitangeklagten S. auf, sich Nachträge für tatsächlich nicht erbrachte Bauleistungen im Wert von ca. zwölf Millionen DM einfallen zu lassen. Er wies den Mitangeklagten S. darauf hin, diese Summe bliebe nicht bei der Firma i. und müsse noch mit der finanzierenden Bank der Frechen KG abgestimmt werden. Der Mitange-
klagte S. gab einem freien Mitarbeiter der Firma i. Hinweise, wie die Nachträge gestaltet werden sollten. Mit Fax-Schreiben vom 2. und 9. November 1995 (E. an Z. ) sowie vom 6. November 1995 (Z. an E. ) stimmten der Angeklagte E. und der Mitangeklagte Z. den Inhalt der Nachträge ab, um welche die ursprüngliche Rechnung für das Bauvorhaben Clarenberg/Frechen erhöht werden sollte. Der Angeklagte E. und der Mitangeklagte S. wußten, daß den Nachträgen keine tatsächlichen Bauleistungen bzw. berechtigte Mehrforderungen zugrunde lagen und nahmen daher in Kauf, daß der Mitangeklagte Z. dem Gesellschaftsvermögen der Frechen KG durch Zahlungsanweisungen auf eine überhöhte Schlußrechnung der Firma i. Nachteile zufügte. Die Firma i. erteilte der Frechen KG am 4. Dezember 1995 die Schlußrechnung für den Gewerbepark Clarenberg /Frechen über 60.680.148 DM netto zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer. In der Schlußrechnung bestätigte er, die Firma i. habe bereits 63.020.000 DM Abschlagszahlungen inklusive der anteiligen Mehrwertsteuer erhalten. 2. Diese Feststellungen beruhen auf den Geständnissen der Mitangeklagten F. , Z. und S. . Hierzu ist in den Urteilsgründen folgendes ausgeführt:
a) Der Angeklagte F. erklärte, daß er prinzipiell im Sinne der Anklage schuldig sei, jedoch die Daten in der Anklageschrift von der Realität abwichen. Er ließ durch seinen Verteidiger eine schriftliche Erklärung vorlegen, in welcher von ihm eingeräumt wurde, kollusiv mit dem Mitangeklagten Z. zum eigenen Vorteil zusammengearbeitet zu haben. Die Abschöpfungssumme zu seinen Gunsten habe allenfalls sechs Millionen DM betragen. Er wolle aber aus prozeßökonomischen und familiären Gründen zu einer Abkürzung des Verfahrens beitragen.

b) Der Angeklagte Z. ließ durch seinen Verteidiger vortragen, daß die Anklage im Sinne eines Geständnisses richtig sei. De facto sei der Kaufpreis bei den einzelnen Objekten erhöht worden. Von den zurückgeflossenen Geldbeträgen habe er ca. elf Millionen DM behalten und ca. zehn Millionen an F. weitergegeben. Der Angeklagte Z. erklärte, daß das Vorbringen seines Verteidigers richtig sei.
c) Der Angeklagte S. ließ durch seinen Verteidiger eine schriftliche Stellungnahme als Einlassung verlesen und erklärte glaubhaft, die schriftliche Einlassung sei richtig. Zum Objekt Clarenberg gab er auch mündlich glaubhaft an, er sei für die technische und der Angeklagte E. die kaufmännische Abwicklung des Objekts verantwortlich gewesen. Er habe die Rechnung vom 27. Juni 1995 erstellt, die auch sein Diktatzeichen trage. In dieser Rechnung seien Mehrkosten bereits berücksichtigt worden. Der Angeklagte E. sei an ihn herangetreten und habe geäußert, er solle sich wegen der Nachträge etwas einfallen lassen. Er, S. , habe daraufhin mit dem freien Mitarbeiter gesprochen, in welcher Weise Nachträge dargestellt werden könnten.
d) Der Angeklagte E. ließ sich bezüglich des Objektes Clarenberg dahin ein, daß er von Z. angerufen und gebeten worden sei, Kosten einzurechnen, die bei diesem, Z. , angefallen, aber noch nicht erfaßt worden seien. Er habe vermutet, es handele sich um Nebenkosten. Der Angeklagte S. habe mit dem Architekten die Nachträge abgestimmt. Es sei ihm klargewesen, daß Nachträge in Höhe von zwölf Millionen DM in der Rechnung der Firma i. nichts zu suchen gehabt hätten. Er habe keine eigenen Vorteile gehabt.
e) Das Landgericht hat seine Überzeugung nicht auf die Einlassung des Angeklagten E. gestützt, denn es ist wörtlich ausgeführt: „Aufgrund der in-
soweit glaubhaften Angaben der Angeklagten Z. und S. bezüglich des Objekts Clarenberg und der verlesenen Schriftstücke (Rechnungen, FaxSchreiben , Kalkulationsnotizen, Verfügung vom 9. April 2001, Nr. 1 bis 12 als Anlage des Protokolls) ist das Gericht davon überzeugt, daß die Angeklagten E. und S. wußten, daß den Nachträgen in der Schlußrechnung vom 4. Dezember 1995 in Höhe von insgesamt zwölf Millionen DM keine äquivalenten Bauleistungen der Firma i. entgegenstanden und damit billigend in Kauf nahmen, daß die Geschäftsführer der BBVI-Nr. 16 KG das Gesellschaftsvermögen durch Zahlung der unberechtigten Nachforderungen schädigten. Der Angeklagte E. wußte, daß bereits in der Schlußrechnung vom 27. Juni 1995 Mehrkosten in Höhe von 2.491.000 DM netto berücksichtigt waren. Anhaltspunkte für weitere berechtigte Mehrkosten in Höhe von ca. zwölf Millionen DM hatte er nicht, als er den Mitangeklagten S. bat, sich Nachträge in entsprechender Höhe einfallen zu lassen“.

II.

Die Revision macht u.a. geltend, das Landgericht habe die Verurteilung des Angeklagten E. ohne weitere Beweisaufnahme allein auf die Geständnisse seiner Mitangeklagten gestützt. Weder im Hauptverhandlungsprotokoll noch in den Urteilsgründen sei dargelegt, daß diese Geständnisse aufgrund einer verfahrensbeendenden Absprache abgegeben worden seien, an der sich der Angeklagte E. nicht beteiligt habe. Die Strafkammer habe mehrere Verfahrensfehler begangen, weil die Absprache gegen die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Maßstäbe für die Zulässigkeit von Absprachen im Strafverfahren verstoße. Das Urteil enthalte aber auch sachlich-rechtliche Darstellungsmängel. Der von der Strafkammer der Verurteilung des Angeklagten E. zugrunde
liegende Sachverhalt sei aufgrund der unzureichend dargelegten Beweiswürdigung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Der Beschwerdeführer trägt dazu - ohne daß die Staatsanwaltschaft dem in ihrer Gegenerklärung entgegen getreten ist - im einzelnen vor, es habe im Zwischenverfahren auf Betreiben der Strafkammer ein Gespräch zur Vorbereitung der Hauptverhandlung stattgefunden, an dem die drei Berufsrichter, von jedem Angeschuldigten zumindest ein Verteidiger sowie Vertreter der Staatsanwaltschaft teilnahmen. In diesem Gespräch hätten die Mitglieder der Kammer betont, sie wollten eine „schlanke“ Hauptverhandlung ohne zeitraubende Beweisaufnahme durchführen, die durch Geständnisse erheblich abgekürzt werden könnte. Die Berufsrichter hätten für den Fall von Geständnissen Strafhöchstgrenzen in Aussicht gestellt. Am ersten Hauptverhandlungstag sei die Sitzung unterbrochen worden, um zwischen den Berufsrichtern, den Schöffen, den Verteidigern sowie dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft im Beratungszimmer ein vertrauliches Gespräch zu führen. Von den Angeklagten habe an diesem Gespräch keiner teilgenommen. In diesem Gespräch sei erneut die Möglichkeit erörtert worden, auf die Beweiserhebung zu verzichten und statt dessen die Verurteilung lediglich auf geständige Einlassungen der Angeklagten sowie einige im Selbstleseverfahren einzuführende Urkunden zu stützen. Die Strafkammer habe ihre Erwartungen zum Strafmaß erneuert. Der Verteidiger des Angeklagten E. habe auch an diesem Gespräch teilgenommen, habe aber keine geständige Einlassung zugesagt. Der Inhalt der verfahrensbeendenden Absprache sei in öffentlicher Hauptverhandlung nicht wiederholt und auch im Sitzungsprotokoll nicht vermerkt worden.

III.


Es kann offen bleiben, ob der Strafkammer Verfahrensfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob es eine mit den Grundsätzen von BGHSt 43, 195 ff nicht vereinbare verfahrensbeendende Absprache mit den Angeklagten F. , Z. und S. gegeben hat. Denn die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt, daß die Beweiswürdigung lückenhaft ist. Sie besteht im wesentlichen aus der teilweisen Wiedergabe der von den Verteidigern verlesenen Erklärungen dieser drei Angeklagten. Die Strafkammer ist damit ihrer Pflicht nicht ausreichend nachgekommen, in den Urteilsgründen ihre Überzeugungsbildung darzulegen. Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Strafkammer die Geständnisse der Mitangeklagten Z. und S. als glaubhaft bewertet und auch darauf ihre Überzeugung von der Beihilfehandlung des Angeklagten E. gestützt hat. Das Urteil kann deshalb, soweit es den Angeklagten E. betrifft, schon aufgrund dieses sachlich-rechtlichen Mangels keinen Bestand haben. 1. Für die Verwertung von Geständnissen als Grundlage einer Verurteilung gilt allgemein, daß der Tatrichter nicht gehindert ist, dem Geständnis eines Angeklagten Glauben zu schenken und seine Feststellungen darauf zu gründen, auch wenn dieser den Anklagevorwurf nur pauschal einräumt. Für die Bewertung eines Geständnisses gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (BGHSt 39, 291, 303). Der Tatrichter muß, will er die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Wann und unter welchen Umständen er diese Überzeugung gewinnen darf oder nicht, kann ihm aber grundsätzlich nicht vorgeschrieben werden. Die Freiheit der tatrichterlichen Würdigung stößt aber dort auf Grenzen , wo der Angeklagte nicht etwa die Sachverhaltsannahmen der Anklage als richtig bestätigt, sondern sich vielmehr, ohne den Sachverhalt einzuräumen, auf eine Stellungnahme beschränkt, die gleichsam ein bloß prozessuales An-
erkenntnis oder eine nur formale Unterwerfung enthält (BGH NStZ 1999, 92 m. w. Nachw.). 2. Der Tatrichter ist auch nicht gehindert, ein Geständnis für glaubhaft zu halten, wenn der Angeklagte dieses erst ablegt, nachdem ihm für diesen Fall ein bestimmtes Strafmaß in Aussicht gestellt wird. Hier gilt folgendes:
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits betont hat, darf eine Absprache über das Strafmaß nicht dazu führen, daß ein so zustande gekommenes Geständnis dem Schuldspruch zugrunde gelegt wird, ohne daß sich das Gericht von dessen Richtigkeit überzeugt. Das Gericht bleibt dem Gebot der Wahrheitsfindung verpflichtet. Das Geständnis muß daher auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürfen nicht unterbleiben (BGHSt 43, 195, 204 m. w. Nachw.).
b) Dies gilt um so mehr, wenn sich das Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte richtet, von denen nicht alle ein Geständnis ablegen. Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache sind, muß die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der Absprache. Denn bei dieser Sachlage besteht unter anderem die Gefahr, daß die Mitangeklagten den Nichtgeständigen zu Unrecht belasten , weil sie sich dadurch für die eigene Verteidigung Vorteile versprechen. Dieses Problem besteht überall dort, wo "Aufklärungsgehilfen" Vorteile gewährt werden, etwa bei der Kronzeugenregelung oder der Strafmilderung nach § 31 BtMG. In einem solchen Fall ist das Gericht zum einen zu besonderer Rücksichtnahme auf die Verteidigungsinteressen des nicht geständigen Angeklagten verpflichtet, zum anderen hat der Tatrichter die Geständnisse der anderen
Angeklagten kritisch zu würdigen (so zutreffend Kuckein/Pfister, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 641, 657 m. w. Nachw.). Maßgeblich für die Bewertung ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse. Dies schließt auch das Zustandekommen, den Inhalt und gegebenenfalls das Scheitern einer verfahrensbeendenden Absprache mit ein. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, daß sich die geständigen Angeklagten durch ein Geständnis gegen die Zusage einer - im Einzelfall nicht schuldangemessenen - Strafe nicht nur eigene Vorteile verschafft, sondern sich auch zu Lasten des nicht geständigen Angeklagten eingelassen haben. Fehlen solche Darlegungen in den Urteilsgründen, so kann dies ein sachlich-rechtlicher Fehler sein. Dessen ungeachtet bleibt es bei der Verpflichtung, die Absprache in die Hauptverhandlung einzuführen und im Hauptverhandlungsprotokoll festzuhalten (BGHSt 43, 195, 205f.). 3. Hier lassen die Urteilsgründe besorgen, daß es sich bei den Mitangeklagten F. , Z. und S. um nur pauschale "Geständnisse" aufgrund einer nicht offengelegten verfahrensbeendenden Absprache gehandelt hat. Darin liegt hier ein durchgreifender Erörterungsmangel.
a) Zwar haben sich von vier Angeklagten drei "im Sinne der Anklage für schuldig erklärt". Der Angeklagte F. hat sich aber lediglich "prinzipiell" im Sinne der Anklageschrift für schuldig erklärt. Seiner einschränkenden Aussage, die "Abschöpfungssumme zu seinen Gunsten" habe allenfalls sechs Millionen DM betragen, ist die Strafkammer nicht näher nachgegangen. Denn nach der Einlassung des Angeklagten Z. hat dieser von den zurückgeflossenen zwölf Millionen ca. zehn Millionen an F. weitergeleitet. Die Erklärung des Angeklagten F. , er wolle aus familiären Gründen zur Abkürzung der Beweisaufnahme beitragen, läßt besorgen, die Verfahrensbeteiligten hätten sich
nach der Abgabe der Erklärungen der Verteidiger um eine nähere Aufklärung des Sachverhalts nicht mehr bemüht, um die angesichts der angerichteten Schäden und der einzubeziehenden Verurteilung kaum noch angemessene, aber möglicherweise vorher zugesagte Gesamtstrafe, nicht zu gefährden. Soweit das Geständnis des Angeklagten Z. mitgeteilt wird, verteidigt sich dieser damit, er habe den größten Teil der veruntreuten Gelder an den Angeklagten F. weitergeleitet. So bleibt letztlich offen, welchen Tatbeitrag und welchen persönlichen Vorteil die Strafkammer der von ihr festgesetzten Strafe zugrunde gelegt hat. Zu dem Tatvorwurf der Beihilfe des Angeklagten E. enthält das mitgeteilte Geständnis keinerlei Ausführungen. Auch dies läßt besorgen, daß die Strafkammer sich hinsichtlich der Beihilfehandlung des Angeklagten E. maßgeblich auf das in eigener Sache abgegebene Geständnis des Angeklagten Z. gestützt hat und eine weitere Prüfung des den Angeklagten E. betreffenden Sachverhalts nicht erfolgt ist.
b) Das Geständnis des Angeklagten S. sowie dessen zusätzliche mündliche Einlassung enthalten lediglich Ausführungen dazu, daß der Angeklagte E. an ihn herangetreten sei und geäußert habe, er solle sich wegen der Nachträge etwas einfallen lassen. Zu dem Widerspruch gegenüber der Einlassung des Angeklagten E. , er habe vermutet, es handele sich um Nebenkosten , die beim Angeklagten Z. angefallen seien, ist dem Geständnis des Angeklagten S. nichts zu entnehmen. 4. Ein Beruhen des Urteils auf der Beweiswürdigungslücke kann der Senat nicht ausschließen, auch wenn der Angeklagte E. angegeben hat, ihm sei klar gewesen, daß die Nachträge in Höhe von zwölf Millionen DM in der Rechnung der Firma i. „nichts zu suchen gehabt“ hätten. Dies läßt sich jedenfalls nicht ohne weiteres als uneingeschränktes eigenes Geständnis die-
ses Angeklagten hinsichtlich seiner Beihilfe zur Untreue verstehen. Denn der Zusammenhang seiner Einlassung verdeutlicht, daß er zugleich von tatsächlich angefallenen Kosten ausging, die noch nicht erfaßt seien. Dem entspricht, daß die Strafkammer für das Wissen des Angeklagten E. um das Nichtvorhandensein „äquivalenter Bauleistungen“ in Höhe von zwölf Millionen DM nicht etwa auch auf dessen eigene Einlassung abhebt, sondern - neben Urkunden - auf die von ihr für glaubhaft erachteten Angaben der Mitangeklagten.
Der neue Tatrichter wird sich demnach gegebenenfalls näher mit der Einlassung des Angeklagten E. auseinandersetzen müssen. Will er diese - etwa auch nur teilweise - für widerlegt halten und sich dabei u.a. auf die Geständnisse von Mitangeklagten stützen, so müssen diese auch im Lichte ihres Zustandekommens gewürdigt werden.
Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 370/07
vom
6. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2007 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des
Landgerichts Stuttgart vom 26. Februar 2007, soweit es ihn betrifft
, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Verfahren richtete sich zunächst gegen fünf Angeklagte. Ein Angeklagter - S. - wurde nach Abtrennung seines Verfahrens aufgrund seines dann abgegebenen Geständnisses frühzeitig abgeurteilt. Später verurteilte das Landgericht die übrigen vier Angeklagten - T. , L. , G. und T a. - mit dem angefochtenen Urteil zu Freiheitsstrafen und zwar den Beschwerdeführer L. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren. Die Revision dieses Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Mit einer Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte die fehlende Auseinandersetzung damit, dass der Belastungszeuge seine Angaben aufgrund einer allein mit ihm getroffenen Urteilsabsprache gemacht hat (Verstoß gegen § 261 StPO).
3
1. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
4
a) Nach den Urteilsfeststellungen erteilte der frühere Mitangeklagte und spätere Zeuge S. dem Angeklagten T. den Auftrag zur gewaltsamen Durchsetzung einer „nicht einklagbaren“ Geldforderung gegen den Zeugen A. . T. bediente sich bei der - letztlich erfolglosen - Umsetzung dann seinerseits dreier weiterer Personen, der Angeklagten L. , G. und Ta. , die den wirtschaftlichen Hintergrund der Aktion nicht im Einzelnen kannten.
5
T. , L. , G. und Ta. haben sich in der gegen sie gerichteten Hauptverhandlung entweder zur Sache überhaupt nicht oder abweichend vom Tatvorwurf eingelassen. Entscheidende Grundlage für wesentliche Feststellungen der Strafkammer insbesondere zum Tathintergrund und zur Vorgeschichte waren die Angaben des Auftraggebers S. . Dieser hat „vor der Kammer als Angeklagter und nach Abtrennung des Verfahrens und rechtskräftiger Verurteilung als Zeuge glaubhaft ausgesagt. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass S. insoweit die Unwahrheit gesagt haben könnte. Zwar hat die Strafkammer die genauen Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen S. und dem Geschädigten nicht klären können. Dafür dass S. s Angaben aber jedenfalls insoweit den Tatsachen entsprachen, als er eine rechtlich nicht durchsetzbare Forderung mit Gewalt durchsetzen wollte, spricht bereits , dass er insoweit die gleichen Angaben im Verfahren gegen sich gemacht hat und sich dadurch belastete“. Eine weitergehende Würdigung dieser Aussa- ge, die Darstellung der Umstände ihres Zustandekommens sowie die Auseinandersetzung damit enthalten die Urteilsgründe nicht.
6
b) Zur Aussageentstehung teilt die Revisionsbegründung Folgendes mit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO):
7
Das Verfahren richtete sich zunächst - wie bereits bekannt - gegen die fünf Angeklagten S. , T. , L. , G. und Ta. . Am ersten Verhandlungstag machten die Angeklagten nur Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen. Danach kam es zu Verständigungsgesprächen , die jedoch zu keinem gemeinsamen Ergebnis führten. Zu Beginn des zweiten Verhandlungstags wurde das Verfahren gegen den Angeklagten S. abgetrennt und sofort fortgesetzt. Das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten wurde unterbrochen und dessen Fortsetzung um 13.30 Uhr verfügt. Die Angeklagten L. , G. , Ta. und T. verließen den Gerichtssaal.
8
In der nunmehr allein gegen den Angeklagten S. fortgeführten Hauptverhandlung gab der Vorsitzende die Erklärung ab, „dass die Beteiligten Verständigungsgespräche geführt haben, und zwar des Inhalts, dass der Angeklagte im Falle eines Geständnisses im Sinne der Anklageschrift eine maximale Freiheitsstrafe (Strafobergrenze ) von drei Jahren drei Monaten zu erwarten hat und dass er auf Herausgabe der sichergestellten 3.750 Euro verzichtet; dieser Betrag soll als Schmerzensgeld zu Gunsten des Geschädigten A. dienen“.
9
Die Verteidiger des Angeklagten S. gaben daraufhin folgende von ihnen schriftlich vorformulierte und von ihnen unterschriebene Erklärung ab: „Ich gestehe, daß ich eine auf dem Rechtsweg meiner Ansicht nach nicht durchsetzbare Geldforderung von mir gegen A. dadurch durchsetzen wollte, daß ich andere Personen dazu veranlasste, gegen ihn Druck auszuüben, wobei ich billigend in Kauf nahm, daß dies durch Einsatz von Gewalt und Schlägen erfolgen würde. Es ging mir nicht darum, den Zeugen A. von der Geltendmachung irgendwelcher eigener Forderungen abzuhalten. Ich habe T. die Adresse des A. genannt, woraufhin A. am 18. März 2006 in Frankfurt am M. von mehreren Personen aufgesucht und geschlagen wurde. Ich bedaure mein Verhalten zutiefst und bin damit einverstanden, daß der bei mir sichergestellte Gesamtgeldbetrag, der der Firma Te. GmbH gehört, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ich bin, in Höhe von 3.750 Euro nicht an mich, sondern an den Geschädigten A. als Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen herausgegeben wird“.
10
Der Angeklagte S. akzeptierte diese Erklärung als eigene.
11
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft gab eine Erklärung zu einer möglichen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO ab im Hinblick auf Ermittlungsergebnisse aus der Vernehmung des Zeugen U. .
12
Nach Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs hinsichtlich des Angeklagten S. , den Schlussvorträgen, der Gewährung des letzten Wortes, in dem sich der Angeklagte den Ausführungen seiner Verteidiger anschloss, und der Beratung wurde das Urteil verkündet. Nach Belehrung verzichteten sowohl der Angeklagte, als auch die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel.
13
Die Hauptverhandlung gegen die übrigen vier Angeklagten, darunter der Beschwerdeführer, wurde noch am selben Tag fortgesetzt. Am neunten der insgesamt 13 Verhandlungstage wurde S. als Zeuge zur Sache gehört. Durch diese Vernehmung kann auch - im Wege des Vorhalts - über den Inhalt der in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren für ihn abgege- benen Erklärung sowie über seine Verurteilung Beweis erhoben worden sein - weshalb auch eine weitere, schon auf eine fehlende Erhebung dieser in den Urteilsgründen teilweise erwähnten Vorgänge abzielende Rüge der Verletzung des § 261 StPO nicht trägt.
14
2. Vor diesem, erst durch das vom Revisionsvorbringen erhellten Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Dies aufzudecken, bedurfte es in diesem Fall - anders als in der Sache BGHSt 48, 161, 166 - der Erhebung einer Verfahrensrüge. In den Urteilsgründen ist zwar erwähnt, dass die Angaben des Zeugen S. auf ein Geständnis in dem gegen ihn gerichteten - abgetrennten - Verfahren zurückgehen. Die Strafkammer hebt bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit sogar ausdrücklich auf die Konstanz seiner Angaben als Angeklagter und Zeuge ab. Sie verschweigt aber zwei maßgebliche Punkte und setzt sich in der Konsequenz damit auch nicht auseinander. - Die Strafkammer teilt schon nicht mit, dass sich der Angeklagte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren zur Sache überhaupt nicht persönlich eingelassen, sondern nur eine von den Verteidigern verfasste und verlesene Erklärung pauschal bestätigt hat. - Vor allem teilt die Strafkammer aber nicht mit, dass das „Geständnis“ des Zeugen S. in dem gegen ihn gerichteten Verfahren auf einer verfahrensbeendenden Absprache beruhte und wie diese zustande kam.
15
Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der Hinweis auf die Konstanz der Angaben des Zeugen im Hinblick auf dessen Glaubwürdigkeit nämlich in einem ganz anderen Licht. Dies hätte der Erörterung bedurft.
16
Zwar ist ein Geständnis, das aufgrund einer verfahrensbeendenden Absprache abgegeben wurde, nicht von vorneherein unglaubwürdig. Dies ist im Grundsatz auch bei einer von den Verteidigern vorformulierten, vom Angeklagten lediglich pauschal übernommenen Erklärung nicht ausgeschlossen. Allerdings bedürfen von Anderen für Angeklagte vorformulierte und von diesen nur summarisch bestätigte Geständnisse generell besonders kritischer Betrachtung hinsichtlich ihrer Substanz, ihrer Übereinstimmung mit dem Ermittlungsergebnis sowie dahingehend, ob sie wirklich als von dem jeweiligen Angeklagten stammend , als von diesem akzeptiert angesehen werden können. Legt der Angeklagte ein Geständnis ab, so soll er dies im Grundsatz mit eigenen Worten tun (vgl. auch RiStBV Nr. 45 Abs. 2), gegebenenfalls ergänzend zu der von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung. Auch insoweit gilt jedoch der Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung. Bei Geständnissen, die auf Verfahrensabsprachen beruhen, muss diese aber in ihren Grundlagen und deren Darstellung in den Urteilsgründen besonderen Anforderungen genügen (vgl. BGHSt 50, 40, 49; BGH NJW 2007, 2424; BGH, Beschl. vom 13. Juni 2007 - 3 StR 162/07 - Rdn. 18).
17
Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Vereinbarung im Verfahren gegen den späteren Zeugen S. einer unzulässigen (vgl. BGHSt 50, 40, 50) Absprache über Elemente des Schuldspruchs (Erpressung, hier räuberische versuchte, aber versucht nur mangels Erlangung des Vermögensvorteils) zumindest sehr nahe kommt. Denn die dem Angeklagten in den Mund gelegte Formulierung „eine auf dem Rechtsweg meiner Ansicht nach nicht durchsetzbaren Geldforderung von mir gegen A. “ besagt noch nichts über die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und den Vorstellungen des damaligen Angeklagten hierüber. Immerhin gab der Angeklagte T. , der in der Hauptverhandlung zur Sache schwieg, im Ermittlungsverfahren noch an (UA S. 10), S. habe ihm erzählt, der Geschädigte habe 39.000,-- € Schulden bei ihm. Den Vorschlag, dies gerichtlich geltend zu machen, habe er nur abgelehnt, weil dies zu zeitaufwändig sei. Für das jetzt der Revision zugrundeliegende Urteil ist das nicht von unmittelbarer Bedeutung. In diesem wird noch hinreichend deutlich festgestellt, dass S. einen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebte.
18
Von Bedeutung in diesem Verfahren ist jedoch, dass dem Geständnis des S. der Sache nach eine verfahrensbeendende Absprache zu Lasten Dritter, auch des Beschwerdeführers L. , zugrunde lag. Der Senat hat in BGHSt 48, 161 entschieden, dass bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache waren, die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden muss. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der Absprache. Denn bei dieser Sachlage besteht die Gefahr, dass die Mitangeklagten den Nichtgeständigen zu Unrecht belasten, weil sie sich dadurch für die eigene Verteidigung Vorteile versprechen. In einem solchen Fall hat der Tatrichter die Geständnisse der anderen Angeklagten kritisch zu würdigen (Kuckein/Pfister, FS aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 641, 657 m.w.N.). Maßgeblich für die Bewertung ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse. Dies schließt auch das Zustandekommen, den Inhalt - einschließlich von der Staatsanwaltschaft zugesagter Einstellungen gemäß § 154 StPO - und gegebenenfalls das Scheitern einer verfahrensbeendenden Absprache mit ein. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, dass sich die geständigen Angeklagten durch ein Geständnis gegen die Zusage einer - im Einzelfall nicht schuldangemessenen - Strafe nicht nur eigene Vorteile verschafft, sondern sich auch zutreffend eingelassen haben. Für den hier vorliegenden Fall, dass der geständige frühere Mitangeklagte nach rechtskräftigem Abschluss seines Verfahrens als Zeuge gehört wird, gilt nichts anderes. Im vorlie- genden Fall kommt die Zusage der Staatsanwaltschaft zur Einstellung eines weiteren - drohenden - Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 StPO hinzu.
19
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils kommt den Angaben des Zeugen S. insbesondere im Hinblick auf die Hintergründe der Tat und deren Vorgeschichte ausschlaggebende Bedeutung zu. Andere indizielle Tatsachen , wie etwa Passagen aus der Telefonüberwachung, hat die Strafkammer zum Teil erst vor dem Hintergrund seiner Angaben bewerten können (vgl. UA S. 10 unten).
20
Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass das Urteil auch gegen den Angeklagten L. auf der lückenhaften Erörterung des Hintergrunds des „Geständnisses“ des S. in dem gegen ihn gerichteten Verfahren und damit der lückenhaften Bewertung seiner Angaben als Zeuge in diesem Verfahren beruht.
21
Die Sache bedarf daher schon deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Auf die übrigen Rügen kommt es daher nicht mehr an. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Graf

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR378/14
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Nr. 1. a) auf dessen Antrag, zu Nr. 1. b) mit dessen Zustimmung
, und des Beschwerdeführers am 13. Januar 2015 gemäß § 154 Abs. 2,
154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11. März 2014 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) im Fall II. 3. der Urteilsgründe der Vorwurf des versuchten Einschleusens von Ausländern von der Verfolgung ausgenommen;
c) das vorgenannte Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren , des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren und des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren schuldig ist; bb) mit den zugehörigen Feststellungen hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten II. 1. und 3. der Urteilsgründe , im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit Einschleusen von Ausländern, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen versuchten Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in Tateinheit mit versuchtem Einschleusen von Ausländern zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt und drei näher bezeichnete Mobiltelefone eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt nach einer Verfolgungsbeschränkung in einem der abgeurteilten Fälle und einer Teileinstellung des Verfahrens zur Änderung des Schuldspruchs und zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kam es im Laufe des Jahres 2012 zu Kontakten des Angeklagten mit indischen Staatsangehörigen, deren eigener Aufenthaltsstatus oder der von Verwandten oder Freunden in Deutschland bzw. der Europäischen Union nicht gesichert war. Für diese Personen beschaffte der Angeklagte gefälschte Aufenthaltskarten und Meldebescheinigungen aus Spanien, um mit deren Hilfe entweder eine Einreise nach Deutschland bzw. in einen anderen Schengen-Staat oder die Legalisierung eines bereits tatsächlich bestehenden Aufenthalts zu ermöglichen. Darüber hinaus organisierte der Angeklagte zusätzlich die Vermittlung von weiblichen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland oder anderer europäischer Staaten, die sich gegen Entgelt für die Schließung von Scheinehen vorwiegend in Dänemark zur Verfügung stellen sollten. Zur Durchführung eines entsprechenden Auftrags nahm der Angeklagte zunächst Verbindung zu dem indischen Staatsangehörigen G. S. auf, der in Spanien sein Ansprechpartner für gefälschte Aufenthaltspapiere war und auf Bestellung falsche Aufenthaltskarten und Meldebescheinigungen besorgen konnte. Für seine Tätigkeit verlangte der Angeklagte in der Regel mindestens 1.000 €, wobei er 500 € pro Fall an G. S. weiterleitete. Die Tätigkeit des Angeklagten umfasste die Weiterleitung aller für die Fälschung erforderlichen Daten und Unterlagen an G. S. , der die Fälschung der Aufenthaltskarten nicht selbst vornahm, sondern seinerseits in Auftrag gab, die Kontrolle auf Übereinstimmung der Daten sowie die Rückleitung der falschen Papiere an seine Kunden bzw. deren Weiterleitung an die Heiratsagentur , wobei er auch die Terminsvereinbarungen koordinierte. Der Angeklagte erschloss sich durch die Schleusungshandlungen Vermögensvorteile von einiger Dauer und einigem Umfang zur Aufbesserung seiner finanziellen Situation.
3
Soweit nach der Teileinstellung des Verfahrens noch von Belang, kam es im Einzelnen zu folgenden Taten:
4
Im November 2012 nahm der indische Staatsangehörige V. S. alias M. , der sich als Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt , telefonisch Kontakt zum Angeklagten auf, um Maßnahmen gegen eine befürchtete Abschiebung in sein Heimatland zu treffen. M. hatte vor, mit einer deutschen Staatsangehörigen aus seinem Umfeld eine Scheinehe einzugehen , wusste jedoch nicht, wie er das umsetzen konnte. Zu diesem Zweck bestellte der Angeklagte für M. mit den Daten eines von diesem in Portugal bei der dortigen Botschaft erlangten echten Reisepasses eine falsche spanische Aufenthaltskarte sowie eine falsche spanische Meldebestätigung und organisierte auf der Basis dieser Identitätspapiere über eine Heiratsagentur einen Hochzeitstermin in Dänemark. Die gefälschte spanische Aufenthaltskarte wurde nach Deutschland übersandt. Zu der für den 13. Dezember 2012 angemeldeten Eheschließung in Dänemark kam es kurzfristig nicht, weil die für die Eheschließung vorgesehene Frau aus ungeklärten Umständen nicht zur Verfügung stand. Für seine Tätigkeit sollte der Angeklagte insgesamt 3.500 € erhalten, worauf M. einen Teilbetrag in unbekannter Höhe leistete (Fall II. 1. der Urteilsgründe

).


5
Nachdem die gefälschte spanische Aufenthaltskarte und der Reisepass des M. im Rahmen polizeilicher Ermittlungen in anderer Sache sichergestellt worden waren, besorgte sich M. einen neuen, auf falsche Personalien lautenden indischen Reisepass, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, in Dänemark zu heiraten. Erneut bat er den Angeklagten darum, für ihn tätig zu werden. Der Angeklagte bestellte daraufhin bei G. S. in Spanien eine neue, auf die Daten des Ersatzpapiers lautende total gefälschte spanische Auf- enthaltserlaubnis und bemühte sich vergeblich darum, in kurzer Zeit eine andere Frau für eine Scheinehe mit M. zu finden. Dieser war zwischenzeitlich in seinem Umfeld fündig geworden und hatte eine Frau als Ehekandidatin gewinnen können. Nachdem es dem ursprünglich beauftragten Eheinstitut nicht gelungen war, mit den vom Angeklagten per E-Mail übersandten Unterlagen einen Termin bei einem Standesamt zu erhalten, machte die vorgesehene Ehepartnerin eine andere Heiratsagentur ausfindig. Der Angeklagte übernahm daraufhin wie bisher die weitere Organisation und Abstimmung zur Vorbereitung der Eheschließung. Am 19. Februar 2013 reiste M. zur Eheschließung nach Dänemark , wo er im Standesamt festgenommen und anschließend nach Indien abgeschoben wurde. Auch in diesem Fall hatte M. Geldzahlungen in unbekannter Höhe an den Angeklagten erbracht (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
6
Um den 7. Februar 2013 traf der Angeklagte mit einer Person zusammen , die sich ihm namentlich vorstellte und einem angeblich in Italien lebenden Cousin den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen wollte. In Wahrheit handelte es sich bei dieser Person um eine Vertrauensperson der Bundespolizei, die zum Schein auf das Angebot des Angeklagten eingegangen war, eine total gefälschte spanische Aufenthaltskarte zu besorgen. Der Angeklagte gab Anweisungen für die Errichtung eines E-Mail-Postfachs mit Passwort und erhielt hierüber die erforderlichen Informationen über den angeblichen Cousin, insbesondere Personendaten, Lichtbilder und Unterschrift, die er an G. S. in Spanien übermittelte. Hierfür erhielt der Angeklagte bei einem weiteren Treffen vereinbarungsgemäß als Anzahlung einen Betrag von 1.000 €, von dem er 500 € an G. S. weiterleitete. Am 25. Februar 2013 schickte der Angeklagte eine Abbildung der Aufenthaltskarte zur Kontrolle der Daten an die Vertrauensperson. Nachdem die Richtigkeit der Daten bestätigt worden war, veranlasste der Angeklagte die Fertigstellung der Karte, die am 28. März 2013 von Spanien aus direkt an die dem Angeklagten von der Vertrauensperson genannte Adresse in Stuttgart geschickt wurde (Fall II. 3. der Urteilsgründe

).


7
Ohne nähere Ausführungen zur rechtlichen Subsumtion geht die Strafkammer davon aus, dass sich der Angeklagte – jeweils in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen gemäß § 276 Abs. 1 und 2 StGB – in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe des vollendeten und im Fall II. 3. der Urteilsgründe des versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 1 und 2 AufenthG i.V.m. „§ 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1b oder Nr. 2 AufenthG“ strafbar gemacht hat.

II.


8
1. Die Schuldsprüche wegen (gewerbsmäßigen) Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AufenthG in Tateinheit mit (gewerbsmäßigem ) Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen nach § 276 Abs. 1 und 2 StGB in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Urteilsausführungen ergeben indes, dass sich der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe des vollendeten und im Fall II. 1. der Urteilsgründe des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren nach § 276 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 276a StGB strafbar gemacht hat.
9
a) Durch die Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 AufenthG werden sonst nach den allgemeinen Regeln (§§ 26, 27 StGB) strafbare Teilnahmehandlungen an den in § 96 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen Taten nach § 95 AufenthG zu selbständigen, in Täterschaft (§ 25 StGB) begangenen Straftaten heraufgestuft , wenn der Teilnehmer zugleich eines der in § 96 Abs. 1 AufenthG geregelten Schleusermerkmale erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12, NStZ 2013, 483; vom 30. Mai 2013 – 5 StR 130/13, BGHSt 58, 262, 265 f.; Urteil vom 11. Juli 2003 – 2 StR 31/03, NStZ 2004, 45; vgl. Gericke in MüKoStGB, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 2). Trotz dieser tatbestandlichen Verselbständigung zur Täterschaft gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 AufenthG die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät (vgl. Gericke aaO, Rn. 3; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 AufenthG Rn. 3). Die Strafbarkeit wegen vollendeten Einschleusens von Ausländern setzt daher das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Geschleusten voraus.
10
Fehlt es an einer in § 96 Abs. 1 AufenthG genannten Bezugstat oder wird diese nur versucht, kommt für den mit Schleusermerkmalen handelnden Teilnehmer eine Strafbarkeit wegen versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 3 AufenthG in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409). Für die durch § 96 Abs. 3 AufenthG strafrechtlich erfasste versuchte Teilnahme gelten die allgemeinen zur Versuchsstrafbarkeit entwickelten Grundsätze. Sowohl für die Anforderungen, die an den Tatvorsatz des Täters zu stellen sind, als auch für die Prüfung des unmittelbaren Ansetzens kann ergänzend die Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 23. März 1999 – 1 StR 344/99 aaO). Der Versuch des Einschleusens von Ausländern in der Tatbestandsalternative des Hilfeleistens erfordert danach in subjektiver Hinsicht, dass der Vorsatz des Schleusers auf die Förderung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Bezugstat im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG gerichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 – 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347, 348; vom 21. April 1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 66; vgl. Schünemann in LK-StPO, 12. Aufl., § 30 Rn. 24 ff.). Die objektiven Voraussetzungen des Versuchs sind erfüllt, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Förderung der präsumtiven Bezugstat ansetzt. Maßgebend ist, wie weit sich der Täter bereits dem von ihm anvisierten Unterstützungserfolg angenähert und durch sein Handeln eine Gefahr für das betroffene Rechtsgut begründet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO).
11
b) Den im angefochtenen Urteil zu den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen lassen sich vom Angeklagten geförderte Bezugstaten im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG nicht entnehmen. Da der indische Staatsangehörige V. S. alias M. zum Zeitpunkt der Unterstützungshandlungen des Angeklagten bereits in das Bundesgebiet eingereist war und sich als Asylbewerber aufgrund der aus § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG resultierenden gesetzlichen Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Asylverfahrens (zu den Erlöschensgründen vgl. § 67 Abs. 1 AsylVfG) erlaubt in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt, scheidet eine unerlaubte Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG oder ein unerlaubter Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG als Bezugstaten aus. Ein späteres möglicherweise ins Auge gefasstes Erschleichen eines Aufenthaltstitels gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG durch unrichtige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sollte durch die Eheschließung in Dänemark erst vorbereitet werden. Feststellungen zu diesbezüglichen Vorstellungen des Angeklagten enthält das Urteil nicht.
12
c) Die Urteilsfeststellungen ergeben indes, dass der Angeklagte – jeweils unter Verwirklichung des Schleusermerkmals des § 96 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG sowie gewerbsmäßig handelnd – im Fall II. 2. der Urteilsgründe bei einer Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften über die Einreise nach Dänemark Hilfe geleistet und im Fall II. 1. der Urteilsgründe dies versucht hat (vollendetes und versuchtes gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG).
13
Indem der Angeklagte die Beschaffung der für die Einreise nach Dänemark und die dortige Eheschließung erforderlichen gefälschten spanischen Aufenthaltserlaubnis aus Spanien übernahm und die Eheschließung in Dänemark organisatorisch vorbereitete, leistete er im Fall II. 2. der Urteilsgründe einen die Einreise des V. S. alias M. nach Dänemark am 19. Februar 2013 objektiv fördernden Beitrag. Die Einreise erfolgte unter Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften Dänemarks über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern. Hierfür reicht aus, dass die Einreise nach Maßgabe der dänischen Rechtsordnung unerlaubt war (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2000 – 1 StR 447/00, NStZ 2001, 157, 158; Mosbacher in GK-AufenthG [Stand: Juli 2008], § 96 AufenthG Rn. 52 f.; enger Gericke aaO, § 96 AufenthG Rn. 41 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 3 StR 174/01, NStZ 2002, 33). Dies war hier der Fall, da dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen ist, dass V. S. alias M. , der als Negativstaatler der Visumspflicht nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (EG-VisaVO) unterlag, ein für die Einreise nach Dänemark erforderliches Visum nicht besaß.
14
Im Fall II. 1. der Urteilsgründe war der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet, V. S. alias M. bei der Eheschließung in Dänemark und der dafür erforderlichen Einreise nach Dänemark zu unterstützen. Da der Angeklagte mit seiner Mitwirkung bei der Beschaffung der gefälschten spanischen Aufenthaltskarte und der Organisation des Hochzeitstermins in Dänemark wesentliche Teile seiner Unterstützungshandlungen erbracht hat, liegt auch das unmittelbare Ansetzen zur Hilfeleistung vor.
15
d) Tateinheitlich zu den Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz hat sich der Angeklagte in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe durch das mittäterschaftlich mit seinem Hintermann in Spanien bewirkte Einführen der falschen Aufenthaltspapiere ins Inland jeweils des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren nach §§ 276a, 276 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Durch die Vorschrift des § 276a StGB, die den Anwendungsbereich des § 276 StGB u.a. auf aufenthaltsrechtliche Papiere erstreckt , werden auch ausländische aufenthaltsrechtliche Papiere von Schengen -Staaten erfasst, die aufgrund der im Schengen-Raum geltenden Rechtsregeln (vgl. etwa Art. 21 SDÜ, Art. 5 Abs. 1b Schengener Grenzkodex) im Inland unmittelbare aufenthaltsrechtliche Bedeutung besitzen (vgl. Gesetzentwurf zum Verbrechensbekämpfungsgesetz, BT-Drucks. 12/6853, S. 30; Heger in Lackner/ Kühl, StGB, 28. Aufl., § 276a Rn. 1). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass auch die gefälschte Aufenthaltserlaubnis im Fall II. 2. der Urteilsgründe vor der Fahrt des V. S. alias M. nach Dänemark ins Inland gelangte.
16
e) Der Senat ändert die Schuldsprüche in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
17
2. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe nimmt der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des Einschleusens von Ausländern gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung aus, weil die bisherigen Feststellungen einen auf die Förderung einer hinreichend konkretisierten Haupttat im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG gerichteten Tatvorsatz des Angeklagten nicht belegen. Die Verfolgungsbeschränkung führt zur Änderung des Schuldspruchs, wobei der Angeklagte sich auch in diesem Fall des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren strafbar gemacht hat. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen.
18
3. Soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 1 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein.
19
4. Die Schuldspruchänderungen in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe führen zu der Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen. Demgegenüber kann die Einzelstrafe von zwei Jahren im Fall II. 2. der Urteilsgründe mit Blick auf die identische Strafandrohung und die durch die Schuldspruchänderung nicht berührten Strafzumessungserwägungen des Landgerichts bestehen bleiben. Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe und der Wegfall der Einzelstrafe infolge der Teileinstellung des Verfahrens haben die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge. Die Einziehungsentscheidung kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil nach den Urteilsausführungen nicht auszuschließen ist, dass eingezogene Mobiltelefone allein bei der nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tat II. 4. der Urteilsgründe gebraucht wurden.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Der Annahme einer Beihilfe (§ 27 StGB) zum unerlaubten
Aufenthalt eines Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
durch tätige Hilfeleistung steht es nicht entgegen,
dass der Haupttäter auch ungeachtet der Hilfeleistung zur
Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen ist.
2. Die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 in Verbindung mit
mit § 63 Abs. 5 AsylVfG, ist hinsichtlich der Personalangaben
jedenfalls dann keine öffentliche Urkunde im Sinne
des § 271 StGB, wenn die Verwaltungsbehörde den Hinweis
in die Urkunde aufnimmt, dass die Personalangaben
auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen (§ 78
Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG).
3. Die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG konsumiert
den allgemeinen Tatbestand der mittelbaren
Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1, 2 StGB).
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 – 5 StR 266/09
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen mittelbarer Falschbeurkundung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2009

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Erschleichens einer Duldung nach § 95 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers und wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs für Fall 2 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3
a) Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann hinreichend deutlich entnommen werden, dass sich der Haupttäter, der vietnamesische Staatsangehörige B. , im Tatzeitraum unerlaubt in Deutschland aufgehalten hat.
4
aa) B. war zuvor illegal nach Deutschland geschleust worden, ohne dass er den Ausländerbehörden seine Einreise oder seinen Aufenthalt offenbart hatte. Deswegen konnte ihm keine Duldung (§ 60a AufenthG) erteilt werden. Die Frage eines die Erfüllung des Tatbestands ausschließenden hypothetischen Duldungsanspruchs (hierzu BVerfG – Kammer – NStZ 2003, 488, 489) stellt sich mithin nicht (BGHR AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 4 m.w.N.). Das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes hat insoweit keine Änderung herbeigeführt (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 73).
5
bb) Umstände, nach denen dem B. die Ausreise unmöglich oder unzumutbar gewesen sein könnte, hat das Landgericht nicht festgestellt. Jedenfalls solche der Ausreise entgegenstehenden tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse, die mit der illegalen Einreise typischerweise verbunden sind (z. B. Passlosigkeit, Nichtaufnahme durch einen anderen Staat wegen ungeklärter Identität), würden der Annahme einer rechtswidrigen Haupttat auch nicht widerstreiten. Dabei muss nicht entschieden werden, ob Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit schon deswegen nicht gegeben ist, weil dem „untergetauchten“ Ausländer stets ein „Auftauchen“ zum Zweck der Erlangung einer Duldung möglich und zumutbar ist (BGH StV 2005, 24, 26; krit. Mosbacher aaO § 95 Rdn. 80 ff.). Denn unter dem Blickwinkel der sogenannten omissio libera in causa (vgl. BGHSt 47, 318, 320 f.; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 – 5 StR 98/08; Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 67) ist dem illegal eingereisten Täter insoweit die Berufung auf eine etwaige Handlungsunfähigkeit oder Unzumutbarkeit versagt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 57, 59). Ob für „atypische“ Hinderungsgründe, wie etwa eine die Ausreise unmöglich machende schwere Erkrankung, anderes zu gelten hätte, muss der Senat nicht entscheiden; Anhaltspunkte für deren Vorliegen sind nach den Urteilsgründen nicht vorhanden.
6
b) Die Bewertung des Tatgerichts, der Angeklagte habe dem B. im Sinne des § 27 StGB Hilfe geleistet, ist frei von Rechtsfehlern.
7
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist grundsätzlich jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; BGH NJW 2008, 1460, 1461). Anders liegt es nur, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen der Tat ist (BGH NJW 2008, 1460, 1461; vgl. auch BGH StV 1996, 87).
8
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Angeklagten entfaltete Tätigkeit als Beihilfe zu werten. Er hat den B. beherbergt und dessen Lebensunterhalt gewährleistet. Es liegt auf der Hand, dass er hierdurch die Verletzung der Ausreisepflicht durch diesen objektiv gefördert und erleichtert hat (vgl. König NJW 2002, 1623, 1624). Allerdings hat das Landgericht – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist – nicht festgestellt, ob B. auch ohne die Hilfeleistung des Angeklagten zur Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen gewesen wäre. Jedoch ließe eine solche Willenshaltung des B. entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (BayObLG NStZ 1999, 627; NJW 2002, 1663; OLG Düsseldorf StV 2002, 312; KG NStZ 2006, 530) die Strafbarkeit des Angeklagten nicht entfallen. Denn nach allgemeinen Regeln, die auch beim Dauerdelikt keine Änderung erfahren (vgl. BGH NStZ 2004, 44, 45), muss die Hilfeleistung nicht conditio sine qua non für die Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts sein (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2003, 184; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 184, 186; König NJW 2002, 1623, 1624 f.; ebenso Fischer, StGB 56. Aufl. § 27 Rdn. 8; siehe auch BayObLG, Beschlüsse vom 22. November 2004 – 4 St RR 179/04 – und vom 20. Dezember 2004 – 4 St RR 184/04). Ein Fall der psychischen Beihilfe, der bei fest entschlossenen Haupttätern besonders sorgfältiger Prüfung bedürfte (vgl. etwa BGHSt 46, 107, 115), liegt nicht vor, weil der Angeklagte den B. durch tätige Hilfe unterstützt hat. Eines ausdrücklichen Eingehens auf das Vorstellungsbild des B. durch das Landgericht bedurfte es nach alledem nicht.
9
cc) Soweit der Bundesgerichtshof eine Ausnahme für den Fall erwogen hat, dass der Gehilfe dem Haupttäter eine Unterbringung in menschenunwürdigen Verhältnissen ersparen will (BGH NJW 1990, 2207, 2208), ist vorliegend nicht ersichtlich, dass sich der Angeklagte von derartigen Motiven hat leiten lassen.
10
c) Der Angeklagte hat den B. zugleich möglicherweise dabei unterstützt oder ihn dazu verleitet, unter der Angabe eines falschen Geburtsdatums einen Asylantrag zu stellen (UA S. 5). Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht die Prüfung unterlassen hat, ob er sich deswegen der Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 1 AsylVfG schuldig gemacht hat.
11
2. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe am 28. August 2007 eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) im Sinne des § 60a AufenthG beantragt und dabei einen falschen Namen, ein falsches Geburtsdatum sowie einen falschen Geburtsort angegeben. Seine Angaben wurden in die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4, § 78 Abs. 7 AufenthG übernommen. Mit dieser Urkunde wies er sich gegenüber zwei Polizeibeamten aus.
12
a) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht den Angeklagten hierfür wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 StGB) verurteilt hat.
13
aa) Die Bescheinigung über die Duldung (§ 60a Abs. 4, § 78 Abs. 7 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 6 AufenthG) entfaltet nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz ) vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361, 3142) am 1. Januar 2002 hin- sichtlich der Personalangaben des Antragstellers jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt die nach § 271 StGB erforderliche Beweiskraft für und gegen jedermann. Das Gleiche gilt für die Bescheinigung über die vom Landgericht angesprochene Aufenthaltsgestattung nach §§ 63, 64 AsylVfG.
14
(1) Es unterliegt freilich keinem Zweifel, dass die genannten Bescheinigungen als solche öffentliche Urkunden darstellen (BGHSt 42, 131). Dem entspricht § 276a StGB, der Aufenthaltstitel und Duldungen für die Anwendung der §§ 275, 276 StGB amtlichen Ausweisen gleichstellt. Indessen muss nicht jede der in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Angaben öffentlichen Glauben im Sinne des § 271 StGB genießen. Die Frage der Beweiskraft ist vielmehr – unter Anlegung eines strengen Maßstabs – für die jeweils betroffenen Angaben anhand der für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, aber auch nach der Verkehrsanschauung zu prüfen (BGHSt – GS – 22, 201, 203; BGHSt 42, 131; BGH NJW 1996, 470).
15
(2) § 78 Abs. 7 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG, auch i.V.m. § 63 Abs. 5 AsylVfG, erlaubt es den Behörden, in die genannten Bescheinigungen den Hinweis aufzunehmen, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einen – von der Bundesregierung unterstützten (BT-Drucks 14/7754 S. 3) – Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen. Der Vorschlag war damit begründet, dass gerade „bei Duldungsinhabern, bei denen die Personalien häufig nur auf eigenen Angaben“ beruhten, „die Anmerkung ‚Identität nicht nachgewiesen‛ möglich sein“ müsse (BT-Drucks 14/7727 S. 9; zu § 39 Abs. 1 Satz 3 AuslG a.F.).
16
Wird der Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG in die Bescheinigung aufgenommen, so ist hierdurch für den Rechtsverkehr unmissverständlich klargestellt, dass sich die Urkunde hinsichtlich der Personalangaben keine Beweiskraft beimisst (OLG Karlsruhe StV 2009, 133; OLG Naumburg StV 2007, 134; KG NStZ 2009, 448; siehe auch OLG Stuttgart NStZ-RR 2008, 155). Für diesen Fall scheidet auch eine Strafbarkeit nach § 271 StGB aus.
17
bb) Ob die dem Angeklagten ausgestellte Duldungsbescheinigung den bezeichneten Hinweis enthält, hat das Landgericht nicht festgestellt. Jedoch kommt es darauf nicht maßgebend an. Dabei muss der Senat nicht entscheiden , ob es der für § 271 StGB erforderlichen Beweiskraft auch in Fällen ermangelt , in denen die Personalangaben zwar ausschließlich auf den Mitteilungen des Antragstellers beruhen, die Behörde den Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG aber gleichwohl unterlassen hat (vgl. OLG Karlsruhe StV 2009, 133), oder ob die gesetzlich vorgegebene Hinweismöglichkeit die Beweiskraft der relevanten Personalangaben gar generell in Frage zu stellen vermag. Denn der Gesetzgeber hat in Bezug auf Falschangaben im ausländerrechtlichen Verfahren und den Gebrauch hierdurch erschlichener Bescheinigungen durch § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG eine Sonderregelung geschaffen, die die allgemeine Vorschrift des § 271 Abs. 1, 2 StGB konsumiert.
18
(1) § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stellt denjenigen unter Strafe, der unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Die Strafvorschrift will das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren im Interesse materiell richtiger Entscheidungen gegenüber Falschangaben absichern (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376) und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung schützen (BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 345; Mosbacher aaO § 95 Rdn. 246; für § 95 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG auch Aurnhammer, Spezielles Ausländerstrafrecht 1996 S. 82, 147; a.M. Cantzler, Das Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit 2004 S. 117 ff.).
19
Um einen möglichst umfassenden Schutz zu gewährleisten, ist durch § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AufenthG bereits die Unterbreitung unrichtiger oder unvollständiger Angaben unter Strafe gestellt. Zur Erteilung der Bescheinigung braucht es nicht zu kommen. Es müssen auch nicht gerade die falschen Angaben geeignet sein, die Ausstellung der Urkunde zu bewirken; vielmehr genügt es, wenn sie für das Verfahren allgemein von Bedeutung sind und damit grundsätzlich zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels bzw. einer Duldung führen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2007 – 1 StR 189/07; OLG Karlsruhe Justiz 1998, 223, 224; NStZ-RR 2004, 376), die richtige Anwendung des materiellen Aufenthaltsrechts wegen der Falschangaben mithin abstrakt gefährdet ist (BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 345; BayVGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 19 C 08.22, 19 CS 08.21). Die betroffenen Angaben müssen keine erhöhte Beweiskraft entfalten (BayVGH aaO; Hailbronner, Ausländerrecht § 95 AufenthG Rdn. 94).
20
Aufgrund der in dieser Weise umfassend erfolgten Pönalisierung abstrakt gefährlicher Handlungen bereits im Vorfeld ausländerrechtlicher Entscheidungen (vgl. BGH NStZ 2007, 289) und der Strafbarkeit des Gebrauchs erschlichener Bescheinigungen ist in den hier relevanten Fällen in der Praxis keine Tat nach § 271 Abs. 1, 2 StGB ersichtlich, die nicht bereits von § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfasst wird. Wegen der in § 271 Abs. 1, 2 StGB nicht enthaltenen Erfordernisse absichtlichen Verhaltens in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AufenthG oder wissentlichen Urkundengebrauchs in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG kommen allein theoretisch Abweichungen in Betracht, welche der Annahme von Konsumtion nicht entgegenstehen.
21
(2) Es besteht auch kein Bedürfnis, eine zugleich mit dem Erschleichen des Aufenthaltstitels bzw. der Duldung verwirklichte mittelbare Falschbeurkundung im Schuldspruch eigenständig zum Ausdruck zu bringen. Der spezifische Unrechts- und Schuldgehalt der Erschleichung der Urkunden und des Urkundengebrauchs kommt in einer Verurteilung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hinreichend zum Ausdruck, ohne dass die Klarstellungsfunktion der Tateinheit die Ausurteilung einer Tat nach § 271 StGB erfordern würde (a.M. Fischer aaO § 271 Rdn. 19). Dem entspricht es, dass § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG denselben Strafrahmen androht wie § 271 Abs. 1, 2 StGB. Letztlich korreliert auch der Schutzzweck des § 271 StGB (Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Beweiskraft öffentlicher Urkunden; Zieschang in LK 12. Aufl. § 271 Rdn. 2) weitgehend mit dem des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der ausländerrechtlichen Verwaltungsentscheidung).
22
b) Der Angeklagte hat sich aufgrund der Falschangaben und des anschließenden Gebrauchs der hierdurch erlangten Duldungsbescheinigung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht.
23
aa) Er hat die Tat am 28. August 2007, mithin am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) begangen , mit der die zuvor hinsichtlich des Erschleichens einer Duldung bestehende Strafbarkeitslücke behoben worden ist (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 244 sowie BT-Drucks 16/5065 S. 199). Die von ihm gemachten Personalangaben waren geeignet, zur Erlangung einer unrechtmäßigen Duldung zu führen. Der Angeklagte hat die erlangte Urkunde durch Vorzeigen gegenüber zwei Polizeibeamten wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Tat des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Mosbacher aaO § 95 Rdn. 263).
24
bb) Der Senat berichtigt den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die im Fall 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten und damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe haben Bestand. Die Schuldspruchänderung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es die Tat rechtlich zutreffend bewertet hätte.
Basdorf Raum Brause Schneider König

(1) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn

1.
ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,
2.
die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und
3.
die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist.
Die Beurteilung der Voraussetzungen nach Satz 1 richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung. Bei der Prüfung sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.

(2) Eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann auch erteilt werden, wenn völkerrechtliche Vergünstigungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit bestehen.

(2a) Einem Ausländer, der sein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen hat oder der als Forscher oder Wissenschaftler eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18b, 18d oder § 19c Absatz 1 besitzt, kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Die beabsichtigte selbständige Tätigkeit muss einen Zusammenhang mit den in der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnissen oder der Tätigkeit als Forscher oder Wissenschaftler erkennen lassen.

(3) Ausländern, die älter sind als 45 Jahre, soll die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn sie über eine angemessene Altersversorgung verfügen.

(4) Die Aufenthaltserlaubnis wird auf längstens drei Jahre befristet. Nach drei Jahren kann abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer die geplante Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat und der Lebensunterhalt des Ausländers und seiner mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Angehörigen, denen er Unterhalt zu leisten hat, durch ausreichende Einkünfte gesichert ist und die Voraussetzung des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 vorliegt.

(5) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Eine erforderliche Erlaubnis zur Ausübung des freien Berufes muss erteilt worden oder ihre Erteilung zugesagt sein. Absatz 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Absatz 4 ist nicht anzuwenden.

(6) Einem Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck erteilt wird oder erteilt worden ist, kann unter Beibehaltung dieses Aufenthaltszwecks die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erlaubt werden, wenn die nach sonstigen Vorschriften erforderlichen Erlaubnisse erteilt wurden oder ihre Erteilung zugesagt ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

5 StR 68/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 6. April 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2005

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. August 2004 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Anwendung des § 92b Abs. 1 AuslG stößt auch in den Fällen nicht auf Bedenken, in denen der Angeklagte allein deutsche Staatsangehörige zur Eingehung einer Scheinehe mit chinesischen Staatsangehörigen vermittelt hat. Soweit die Eheschließungen in China stattfanden, wirkten neben dem Angeklagten das Bandenmitglied W bei der Betreuung vor Ort und das Bandenmitglied Fr durch Organisation der erforderlichen Reisen mit (vgl. BGH wistra 2001, 431). Letzteres trifft auch für die Eheschließungen in Dänemark (Fälle 24, 29, 42) zu. Auch in den übrigen Fällen entnimmt der Senat dem Zusammenhang der Urteilsgründe die erforderliche Einbeziehung der Taten in die Gesamtabrede, weil es als ein sonstiger Bandenbezug anzusehen ist, daß die Bandenmitglieder S und Fr zur Überwin- dung besonderer Schwierigkeiten zur Verfügung standen (vgl. BGHR StGB § 260 Abs. 1 Bande 1).
Harms Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine falsche Beurkundung oder Datenspeicherung der in Absatz 1 bezeichneten Art zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern oder eine andere Person zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.

(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.

(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
AufenthG § 96 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2
Der Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (§ 92a Abs. 1
Nr. 1 AuslG 1990) steht es nicht grundsätzlich entgegen, dass
derjenige, der durch sein Handeln zugleich Falschangaben
eines anderen unterstützt, bei isolierter Betrachtung als Täter
einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2
Nr. 2 AuslG 1990) anzusehen wäre.
BGH, Beschluss vom 30. Mai 2013 – 5 StR 130/13
LG Dresden –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 30. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Mai 2013

beschlossen:
Die Revision der Angeklagten W. gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. Juni 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass in den Fällen 1 hh und 1 ii der Urteilsgründe die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter Bestechlichkeit entfällt.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte W. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 48 Fällen, in 14 Fällen in Tateinheit mit Bestechlichkeit, und wegen Geheimnisverrats zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen die nicht revidierenden Mitangeklagten T. und L. hat es wegen des Tatkomplexes Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren bzw. vier Jahren und vier Monaten verhängt. Die mit der Sachbeschwerde geführte Revision der Angeklagten W. erzielt lediglich in einem geringen Umfang Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bildeten die Angeklagten spätestens seit 2000 eine Bande, die sich auf die Einschleusung von vietnamesischen Staatsangehörigen und die missbräuchliche Verschaffung von Aufenthaltstiteln für diese spezialisiert hatte. Die Angeklagten L. (bis 2007) und W. (bis 2010) waren im Tatzeitraum Sachbearbeiter bei der Ausländerbehörde Dresden, die Angeklagte T. dolmetschte für die Behörde.
Vietnamesische Staatsangehörige wurden mit Unterstützung von Mittelsmännern der Angeklagten T. in Vietnam mit durch Falschangaben erschlichenen Visa nach Deutschland verbracht und dann gegebenenfalls bis zur Erteilung einer kollusiv beschafften Niederlassungserlaubnis betreut. Von den „Leistungen“ der Angeklagten umfasst waren unter anderem die Organi- sation von Scheinehen und deren jeweils zwei bis drei Jahre später erfolgter Scheidung sowie die Organisation von missbräuchlichen (Schein-) Vaterschaftsanerkennungen. Bei Bedarf wurden weitere Maßnahmen getroffen, um die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu schaffen, etwa Bescheinigungen über Mietverträge oder fingierte Lohnabrechnungen besorgt. Je nach Aufwand forderte die Angeklagte T. von den Geschleus- ten Beträge von 7.000 bis 22.000 €.
3
Der Angeklagte L. , der als versierter Fachmann im Ausländerrecht als Ideengeber für das Vorgehen im Einzelnen fungierte, wurde für seine Beiträge mit Geldgeschenken, der Finanzierung von Urlaubsreisen und in Form sexueller Dienstleistungen entlohnt. Die Angeklagte W. erhielt Bar- geldbeträge bis zu 700 €, Kleidungsstücke und andere Geschenke sowie Vergünstigungen beim Besuch des von der Angeklagten T. betriebenen Nagelstudios.
4
2. Die Revision der Angeklagten W. ist im Wesentlichen unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
5
a) In den Fällen 1 hh und 1 ii der Urteilsgründe ist die Verfolgung der jeweils tateinheitlich mit dem Verbrechen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern ausgeurteilten Bestechlichkeit verjährt. Entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hat die Angeklagte die beiden Schleusungstaten am 22. März 2005 begangen, wohingegen der verjährungsunterbrechende Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden erst am 26. März 2010 und damit nach Ablauf der für § 332 StGB maßgebenden Verjährungsfrist von fünf Jahren erging (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach Durchführung der genannten pflichtwidrigen Diensthandlungen gemäß zuvor getroffener Unrechtsvereinbarung und nicht ausschließbar zuvor erfolgter Entlohnung war der Angriff auf das Schutzgut des § 332 StGB abgeschlossen und demnach Beendigung eingetreten (vgl. dazu BGH, Urteile vom 19. Juni 2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 303 ff., und vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10, NStZ 2012, 511, 513). Auf die Geltungsdauer der erteilten Aufenthaltstitel, die allenfalls für das Schutzgut aufenthaltsrechtlicher Strafvorschriften relevant sein könnte, kann es insoweit nicht ankommen.
6
Der Senat hat den Schuldspruch analog § 354 Abs. 1 StPO berichtigt. Der Wegfall des Vorwurfs der Bestechlichkeit lässt die betroffenen Einzelstrafaussprüche und die Gesamtstrafe unberührt. Das gilt schon deswegen, weil die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen nicht danach unterscheiden , ob die Angeklagte in unverjährter Zeit zusätzlich ein Amtsdelikt verwirklicht hat.
7
b) Der Schuldspruch wegen (gewerbs- und bandenmäßigen) Einschleusens von Ausländern in Form entgeltlicher Unterstützung von Falschangaben im aufenthaltsrechtlichen Verfahren (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2, § 97 Abs. 2 AufenthG bzw. § 92a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2, § 92b Abs. 1 AuslG 1990) hat in den Fällen Bestand, in denen die Angeklagte ausschließlich (Fälle 2 aa, 11 bb, 13 bb, 16 cc und 29) oder innerhalb einer Handlungseinheit neben der Erteilung von Aufenthaltstiteln (Fälle 3 bb, 4 bb, 6 cc, 7 bb, 8 cc, 8 dd, 9 cc, 10 cc, 11 aa, 13 aa, 19 bb, 19 cc, 21 aa, 22 und 30) selbst falsche Angaben gemacht hat. Betroffen sind ganz überwiegend wahrheitswidrige Bestätigungen, dass Scheinehepartner die erforderlichen Erklärungen vorrangig zum Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft persönlich vor ihr abgegeben hätten (Fälle 3 bb, 4 bb, 6 cc, 7 bb, 8 cc, 8 dd, 9 cc, 10 cc, 11 aa, 13 aa, 13 bb, 16 cc, 19 bb, 19 cc, 21 aa,22 und 30). Teils bestätigte die Angeklagte (zusätzlich) wahrheitswidrig, dass kein Sozialleistungsbezug vorliege (8 dd), dass deutsche Sprachkenntnisse genügend (Fälle 11 bb, 13 bb) oder die Vermögensverhältnisse hinreichend seien (Fall 30).
8
aa) Die Frage, ob der Täter einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990), der durch eigene Falschangaben zugleich solche des den Aufenthaltstitel erstrebenden Ausländers oder eines anderen fördert, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) wegen Einschleusens von Ausländern verurteilt werden kann, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl., wohl befürwortend, Cannawurf, Die Beteiligung im Ausländerstrafrecht, 2007, S. 145, eher ablehnend Mosbacher in GK AufenthG, Stand Juli 2008, § 95 Rn. 260 f.; offen gelassen von OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, 376, 378). Der Senat bejaht sie jedenfalls für die vorliegenden Fallkonstellationen.
9
Zwar wird derjenige, der fremdnützig (Erschleichen eines Aufenthaltstitels „für einen anderen“) Falschangaben macht, wegen dieser Tat grundsätzlich nicht auch der Beihilfe zur Straftat eines anderen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) schuldig zu sprechen sein (vgl. Mosbacher aaO). Indessen sieht der Gesetzgeber den Kern des Schleusungsunrechts in entgeltlichen oder wiederholten Beihilfe- und Anstiftungshandlungen. Er hat deswegen in § 96 Abs. 1 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) in selbständigen Tatbeständen die Beteiligung zur Täterschaft erhoben (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409; vom 11. Juli 2003 – 2 StR 31/03, NStZ 2004, 45). Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es dabei darauf an, ob der Täter des § 96 Abs. 1 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) durch seinen Beitrag (gegebenenfalls auch) zu den dort in Bezug genommenen Straftaten Hilfe geleistet oder zu ihnen angestiftet hat. Das hat die Angeklagte in Bezug auf § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) getan, indem sie den Erklärungen der im aufenthaltsrechtlichen Verfahren aufgetretenen Scheinehepartner zum Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Bestätigung deren persönlicher Anwesenheit und damit verbundene Vorspiegelung selbst vorgenommener amtlicher Prüfung höheres Gewicht verliehen hat. Entsprechendes gilt für die anderen Verlautbarungen. Demgegenüber kann im Hinblick auf die Verselbständigung der Schleusungstatbestände nicht ausschlaggebend sein, ob der Betroffene, wenn er nur nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) verurteilt würde, als Teilnehmer oder (auch) als Täter zu bestrafen wäre (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 – 1 StR 501/04). Dass der Gesetzgeber solche „doppelge- sichtigen“ Handlungen durch eine enge Anknüpfung an die Entscheidung für oder gegen eine Täterschaft hinsichtlich des isoliert betrachteten § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) aus den Schleusungsdelikten ausgrenzen wollte, liegt gänzlich fern. Eine Interpretation in diesem Sinn wäre geeignet, nicht auflösbare Wertungswidersprüche hervorzurufen (insoweit auch OLG Karlsruhe, aaO; Mosbacher, aaO, Rn. 262 sowie § 96 Rn. 2).
10
bb) Das Urteil des Senats vom 4. Dezember 2007 (5 StR 324/07, StV 2008, 182) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt und steht der Entscheidung schon deswegen nicht entgegen. Zu prüfen war dort, ob bei gemeinsamer illegaler Einreise von zwei Ausländern jeder der beiden Ausländer neben seiner Strafbarkeit als Täter einer illegalen Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ohne Weiteres zugleich Gehilfe in Bezug auf die illegale Einreise des anderen ist, mit der Folge, dass bei darüber hinaus verwirklichter Beihilfe zur illegalen Einreise eines weiteren Ausländers durch Übernahme von Verpflegungs- und Unterbringungskosten der Schleusungstatbestand nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) – Handeln zugunsten mehrerer Ausländer – verwirklicht wird (BGH, aaO, Rn. 14, 30; abweichend Mosbacher , aaO, § 96 Rn. 2; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1990 – 1 StR 500/90). Das hat der Senat verneint.
11
c) Die Verurteilung wegen Einschleusens von Ausländern wird auch in den Fällen von den Feststellungen getragen, in denen sich der Beitrag der Angeklagten auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln, das Aufbringen eines Klebers auf Ausweispapieren oder die Zustimmung zu durch Falschangaben erschlichenen Visa (vorgebliche Studienaufenthalte, vorgetäuschte Tätigkeit als Au-Pair-Kraft) beschränkte.
12
Das (abstrakte) Gefährdungsdelikt nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) ist in seiner ersten Fallvariante vollendet, sobald die Falschangaben gemacht sind. Beendigung tritt hingegen frühestens mit der Erteilung des erschlichenen Aufenthaltstitels ein, weil erst ab diesem Zeitpunkt der Angriff auf das von der Vorschrift geschützte Rechtsgut abgeschlossen sein kann (vgl. zur gleichgelagerten Frage beim Subventionsbetrug etwa BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578, 579 mwN). Bis zur Beendigung ist nach ständiger Rechtsprechung Beihilfe möglich. Dass die Handlungsakte der Angeklagten die Haupttaten gefördert haben und fördern sollten, steht außer Zweifel (vgl. zum Subventionsbetrug auch Tiedemann in LK StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 37 f.; Schönke /Schröder/Perron, StGB, 28. Aufl., § 264 Rn. 49, jeweils mwN). Ob die Angeklagte im Hinblick auf das kollusive Zusammenwirken der Beteiligten den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) täterschaftlich verwirklicht hat, ist aus den bereits dargelegten Gründen nicht entscheidend.
13
d) Der im Fall 18 bb erteilten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gingen ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 58) falsche Mitteilungen zu einem gesicherten Lebensunterhalt sowie – anspruchsbegründend – zur Ausübung der gemeinsamen Personensorge für das Kind mit dem Scheinvater und damit für das aufenthaltsrechtliche Verfahren allgemein bedeutsame Angaben (BGH, Beschluss vom 2. September 2009 – 5 StR 266/09, BGHSt 54, 140, 146) voraus (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 4 AufenthG; siehe auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. August 2006 – 2 M 228/06). Ähnliches gilt für Fall 24 bb (UA S. 71). In beiden Fällen muss deshalb nicht entschieden werden, ob – für sich genommen – die Geltendmachung einer allein zur Erlangung eines Aufenthaltstitels erfolg- ten und damit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung den Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) erfüllen würde (vgl. dazu OVG Münster, InfAuslR 2013, 23; OLG Hamm, NJW 2008, 1240; Gericke in MünchKomm-StGB, § 95 AufenthG Rn. 101 mwN).
14
e) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Annahme gewerbsund bandenmäßigen Handelns der Angeklagten W. rechtlich nicht zu beanstanden.
15
aa) Dem Zusammenhang der von den Angeklagten verwirklichten Vielzahl von Taten ist ein arbeitsteiliges und von hoher Professionalität geprägtes deliktisches Verhalten im Rahmen internationaler organisierter Schleuserkriminalität zu entnehmen. Das Ausscheiden des Bandenmitglieds L. aus der Ausländerbehörde im Jahre 2007 hat dabei nur dazu geführt , dass die Angeklagte W. zum Teil in dessen Stellung eingerückt ist, wobei aber L. nach den Feststellungen weiterhin im Hintergrund wirkte.
16
bb) Das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit hat das Landgericht aus der Feststellung abgeleitet, dass das Bandenmitglied T. neben weiterer – für einen längeren Zeitraum, wenngleich in eher gering gewichtigem Umfang von der Angeklagten W. eingeräumter – Vorteilsgewährung dieser im Jahr 2010 mehrfach Geldbeträge bis zu 700 € gezahlt hat. Wenn es hieraus und namentlich auch mit Blick auf die mit den Taten für die Angeklagte W. verbundenen hohen persönlichen Risiken den Schluss zieht, dass diese im gesamten Tatzeitraum gegen tatbestandsrelevante Entlohnung gehandelt hat, so hält sich dies im Rahmen zulässiger richterlicher Überzeugungsbildung.
17
3. Der Generalbundesanwalt weist mit Recht darauf hin, dass das Landgericht über den Fall 25 der Anklage nicht entschieden hat, weswegen dieser Fall nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (vgl. BGH, Be- schlüsse vom 11. November 1993 – 4 StR 629/93 – und vom 23. März 2001 – 2 StR 7/01).
18
4. Die Vorschriftenliste ist um das Vergehen des Geheimnisverrats (§ 353b StGB) zu ergänzen.
Basdorf Sander Schneider Dölp König

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Der Annahme einer Beihilfe (§ 27 StGB) zum unerlaubten
Aufenthalt eines Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
durch tätige Hilfeleistung steht es nicht entgegen,
dass der Haupttäter auch ungeachtet der Hilfeleistung zur
Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen ist.
2. Die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 in Verbindung mit
mit § 63 Abs. 5 AsylVfG, ist hinsichtlich der Personalangaben
jedenfalls dann keine öffentliche Urkunde im Sinne
des § 271 StGB, wenn die Verwaltungsbehörde den Hinweis
in die Urkunde aufnimmt, dass die Personalangaben
auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen (§ 78
Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG).
3. Die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG konsumiert
den allgemeinen Tatbestand der mittelbaren
Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1, 2 StGB).
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 – 5 StR 266/09
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen mittelbarer Falschbeurkundung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2009

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Erschleichens einer Duldung nach § 95 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers und wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs für Fall 2 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3
a) Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann hinreichend deutlich entnommen werden, dass sich der Haupttäter, der vietnamesische Staatsangehörige B. , im Tatzeitraum unerlaubt in Deutschland aufgehalten hat.
4
aa) B. war zuvor illegal nach Deutschland geschleust worden, ohne dass er den Ausländerbehörden seine Einreise oder seinen Aufenthalt offenbart hatte. Deswegen konnte ihm keine Duldung (§ 60a AufenthG) erteilt werden. Die Frage eines die Erfüllung des Tatbestands ausschließenden hypothetischen Duldungsanspruchs (hierzu BVerfG – Kammer – NStZ 2003, 488, 489) stellt sich mithin nicht (BGHR AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 4 m.w.N.). Das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes hat insoweit keine Änderung herbeigeführt (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 73).
5
bb) Umstände, nach denen dem B. die Ausreise unmöglich oder unzumutbar gewesen sein könnte, hat das Landgericht nicht festgestellt. Jedenfalls solche der Ausreise entgegenstehenden tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse, die mit der illegalen Einreise typischerweise verbunden sind (z. B. Passlosigkeit, Nichtaufnahme durch einen anderen Staat wegen ungeklärter Identität), würden der Annahme einer rechtswidrigen Haupttat auch nicht widerstreiten. Dabei muss nicht entschieden werden, ob Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit schon deswegen nicht gegeben ist, weil dem „untergetauchten“ Ausländer stets ein „Auftauchen“ zum Zweck der Erlangung einer Duldung möglich und zumutbar ist (BGH StV 2005, 24, 26; krit. Mosbacher aaO § 95 Rdn. 80 ff.). Denn unter dem Blickwinkel der sogenannten omissio libera in causa (vgl. BGHSt 47, 318, 320 f.; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 – 5 StR 98/08; Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 67) ist dem illegal eingereisten Täter insoweit die Berufung auf eine etwaige Handlungsunfähigkeit oder Unzumutbarkeit versagt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 57, 59). Ob für „atypische“ Hinderungsgründe, wie etwa eine die Ausreise unmöglich machende schwere Erkrankung, anderes zu gelten hätte, muss der Senat nicht entscheiden; Anhaltspunkte für deren Vorliegen sind nach den Urteilsgründen nicht vorhanden.
6
b) Die Bewertung des Tatgerichts, der Angeklagte habe dem B. im Sinne des § 27 StGB Hilfe geleistet, ist frei von Rechtsfehlern.
7
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist grundsätzlich jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; BGH NJW 2008, 1460, 1461). Anders liegt es nur, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen der Tat ist (BGH NJW 2008, 1460, 1461; vgl. auch BGH StV 1996, 87).
8
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Angeklagten entfaltete Tätigkeit als Beihilfe zu werten. Er hat den B. beherbergt und dessen Lebensunterhalt gewährleistet. Es liegt auf der Hand, dass er hierdurch die Verletzung der Ausreisepflicht durch diesen objektiv gefördert und erleichtert hat (vgl. König NJW 2002, 1623, 1624). Allerdings hat das Landgericht – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist – nicht festgestellt, ob B. auch ohne die Hilfeleistung des Angeklagten zur Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen gewesen wäre. Jedoch ließe eine solche Willenshaltung des B. entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (BayObLG NStZ 1999, 627; NJW 2002, 1663; OLG Düsseldorf StV 2002, 312; KG NStZ 2006, 530) die Strafbarkeit des Angeklagten nicht entfallen. Denn nach allgemeinen Regeln, die auch beim Dauerdelikt keine Änderung erfahren (vgl. BGH NStZ 2004, 44, 45), muss die Hilfeleistung nicht conditio sine qua non für die Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts sein (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2003, 184; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 184, 186; König NJW 2002, 1623, 1624 f.; ebenso Fischer, StGB 56. Aufl. § 27 Rdn. 8; siehe auch BayObLG, Beschlüsse vom 22. November 2004 – 4 St RR 179/04 – und vom 20. Dezember 2004 – 4 St RR 184/04). Ein Fall der psychischen Beihilfe, der bei fest entschlossenen Haupttätern besonders sorgfältiger Prüfung bedürfte (vgl. etwa BGHSt 46, 107, 115), liegt nicht vor, weil der Angeklagte den B. durch tätige Hilfe unterstützt hat. Eines ausdrücklichen Eingehens auf das Vorstellungsbild des B. durch das Landgericht bedurfte es nach alledem nicht.
9
cc) Soweit der Bundesgerichtshof eine Ausnahme für den Fall erwogen hat, dass der Gehilfe dem Haupttäter eine Unterbringung in menschenunwürdigen Verhältnissen ersparen will (BGH NJW 1990, 2207, 2208), ist vorliegend nicht ersichtlich, dass sich der Angeklagte von derartigen Motiven hat leiten lassen.
10
c) Der Angeklagte hat den B. zugleich möglicherweise dabei unterstützt oder ihn dazu verleitet, unter der Angabe eines falschen Geburtsdatums einen Asylantrag zu stellen (UA S. 5). Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht die Prüfung unterlassen hat, ob er sich deswegen der Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 1 AsylVfG schuldig gemacht hat.
11
2. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe am 28. August 2007 eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) im Sinne des § 60a AufenthG beantragt und dabei einen falschen Namen, ein falsches Geburtsdatum sowie einen falschen Geburtsort angegeben. Seine Angaben wurden in die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4, § 78 Abs. 7 AufenthG übernommen. Mit dieser Urkunde wies er sich gegenüber zwei Polizeibeamten aus.
12
a) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht den Angeklagten hierfür wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 StGB) verurteilt hat.
13
aa) Die Bescheinigung über die Duldung (§ 60a Abs. 4, § 78 Abs. 7 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 6 AufenthG) entfaltet nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz ) vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361, 3142) am 1. Januar 2002 hin- sichtlich der Personalangaben des Antragstellers jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt die nach § 271 StGB erforderliche Beweiskraft für und gegen jedermann. Das Gleiche gilt für die Bescheinigung über die vom Landgericht angesprochene Aufenthaltsgestattung nach §§ 63, 64 AsylVfG.
14
(1) Es unterliegt freilich keinem Zweifel, dass die genannten Bescheinigungen als solche öffentliche Urkunden darstellen (BGHSt 42, 131). Dem entspricht § 276a StGB, der Aufenthaltstitel und Duldungen für die Anwendung der §§ 275, 276 StGB amtlichen Ausweisen gleichstellt. Indessen muss nicht jede der in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Angaben öffentlichen Glauben im Sinne des § 271 StGB genießen. Die Frage der Beweiskraft ist vielmehr – unter Anlegung eines strengen Maßstabs – für die jeweils betroffenen Angaben anhand der für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, aber auch nach der Verkehrsanschauung zu prüfen (BGHSt – GS – 22, 201, 203; BGHSt 42, 131; BGH NJW 1996, 470).
15
(2) § 78 Abs. 7 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG, auch i.V.m. § 63 Abs. 5 AsylVfG, erlaubt es den Behörden, in die genannten Bescheinigungen den Hinweis aufzunehmen, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einen – von der Bundesregierung unterstützten (BT-Drucks 14/7754 S. 3) – Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen. Der Vorschlag war damit begründet, dass gerade „bei Duldungsinhabern, bei denen die Personalien häufig nur auf eigenen Angaben“ beruhten, „die Anmerkung ‚Identität nicht nachgewiesen‛ möglich sein“ müsse (BT-Drucks 14/7727 S. 9; zu § 39 Abs. 1 Satz 3 AuslG a.F.).
16
Wird der Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG in die Bescheinigung aufgenommen, so ist hierdurch für den Rechtsverkehr unmissverständlich klargestellt, dass sich die Urkunde hinsichtlich der Personalangaben keine Beweiskraft beimisst (OLG Karlsruhe StV 2009, 133; OLG Naumburg StV 2007, 134; KG NStZ 2009, 448; siehe auch OLG Stuttgart NStZ-RR 2008, 155). Für diesen Fall scheidet auch eine Strafbarkeit nach § 271 StGB aus.
17
bb) Ob die dem Angeklagten ausgestellte Duldungsbescheinigung den bezeichneten Hinweis enthält, hat das Landgericht nicht festgestellt. Jedoch kommt es darauf nicht maßgebend an. Dabei muss der Senat nicht entscheiden , ob es der für § 271 StGB erforderlichen Beweiskraft auch in Fällen ermangelt , in denen die Personalangaben zwar ausschließlich auf den Mitteilungen des Antragstellers beruhen, die Behörde den Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG aber gleichwohl unterlassen hat (vgl. OLG Karlsruhe StV 2009, 133), oder ob die gesetzlich vorgegebene Hinweismöglichkeit die Beweiskraft der relevanten Personalangaben gar generell in Frage zu stellen vermag. Denn der Gesetzgeber hat in Bezug auf Falschangaben im ausländerrechtlichen Verfahren und den Gebrauch hierdurch erschlichener Bescheinigungen durch § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG eine Sonderregelung geschaffen, die die allgemeine Vorschrift des § 271 Abs. 1, 2 StGB konsumiert.
18
(1) § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stellt denjenigen unter Strafe, der unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Die Strafvorschrift will das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren im Interesse materiell richtiger Entscheidungen gegenüber Falschangaben absichern (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376) und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung schützen (BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 345; Mosbacher aaO § 95 Rdn. 246; für § 95 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG auch Aurnhammer, Spezielles Ausländerstrafrecht 1996 S. 82, 147; a.M. Cantzler, Das Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit 2004 S. 117 ff.).
19
Um einen möglichst umfassenden Schutz zu gewährleisten, ist durch § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AufenthG bereits die Unterbreitung unrichtiger oder unvollständiger Angaben unter Strafe gestellt. Zur Erteilung der Bescheinigung braucht es nicht zu kommen. Es müssen auch nicht gerade die falschen Angaben geeignet sein, die Ausstellung der Urkunde zu bewirken; vielmehr genügt es, wenn sie für das Verfahren allgemein von Bedeutung sind und damit grundsätzlich zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels bzw. einer Duldung führen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2007 – 1 StR 189/07; OLG Karlsruhe Justiz 1998, 223, 224; NStZ-RR 2004, 376), die richtige Anwendung des materiellen Aufenthaltsrechts wegen der Falschangaben mithin abstrakt gefährdet ist (BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 345; BayVGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 19 C 08.22, 19 CS 08.21). Die betroffenen Angaben müssen keine erhöhte Beweiskraft entfalten (BayVGH aaO; Hailbronner, Ausländerrecht § 95 AufenthG Rdn. 94).
20
Aufgrund der in dieser Weise umfassend erfolgten Pönalisierung abstrakt gefährlicher Handlungen bereits im Vorfeld ausländerrechtlicher Entscheidungen (vgl. BGH NStZ 2007, 289) und der Strafbarkeit des Gebrauchs erschlichener Bescheinigungen ist in den hier relevanten Fällen in der Praxis keine Tat nach § 271 Abs. 1, 2 StGB ersichtlich, die nicht bereits von § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfasst wird. Wegen der in § 271 Abs. 1, 2 StGB nicht enthaltenen Erfordernisse absichtlichen Verhaltens in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AufenthG oder wissentlichen Urkundengebrauchs in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG kommen allein theoretisch Abweichungen in Betracht, welche der Annahme von Konsumtion nicht entgegenstehen.
21
(2) Es besteht auch kein Bedürfnis, eine zugleich mit dem Erschleichen des Aufenthaltstitels bzw. der Duldung verwirklichte mittelbare Falschbeurkundung im Schuldspruch eigenständig zum Ausdruck zu bringen. Der spezifische Unrechts- und Schuldgehalt der Erschleichung der Urkunden und des Urkundengebrauchs kommt in einer Verurteilung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hinreichend zum Ausdruck, ohne dass die Klarstellungsfunktion der Tateinheit die Ausurteilung einer Tat nach § 271 StGB erfordern würde (a.M. Fischer aaO § 271 Rdn. 19). Dem entspricht es, dass § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG denselben Strafrahmen androht wie § 271 Abs. 1, 2 StGB. Letztlich korreliert auch der Schutzzweck des § 271 StGB (Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Beweiskraft öffentlicher Urkunden; Zieschang in LK 12. Aufl. § 271 Rdn. 2) weitgehend mit dem des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der ausländerrechtlichen Verwaltungsentscheidung).
22
b) Der Angeklagte hat sich aufgrund der Falschangaben und des anschließenden Gebrauchs der hierdurch erlangten Duldungsbescheinigung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht.
23
aa) Er hat die Tat am 28. August 2007, mithin am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) begangen , mit der die zuvor hinsichtlich des Erschleichens einer Duldung bestehende Strafbarkeitslücke behoben worden ist (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 244 sowie BT-Drucks 16/5065 S. 199). Die von ihm gemachten Personalangaben waren geeignet, zur Erlangung einer unrechtmäßigen Duldung zu führen. Der Angeklagte hat die erlangte Urkunde durch Vorzeigen gegenüber zwei Polizeibeamten wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Tat des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Mosbacher aaO § 95 Rdn. 263).
24
bb) Der Senat berichtigt den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die im Fall 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten und damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe haben Bestand. Die Schuldspruchänderung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es die Tat rechtlich zutreffend bewertet hätte.
Basdorf Raum Brause Schneider König

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Der Annahme einer Beihilfe (§ 27 StGB) zum unerlaubten
Aufenthalt eines Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
durch tätige Hilfeleistung steht es nicht entgegen,
dass der Haupttäter auch ungeachtet der Hilfeleistung zur
Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen ist.
2. Die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 in Verbindung mit
mit § 63 Abs. 5 AsylVfG, ist hinsichtlich der Personalangaben
jedenfalls dann keine öffentliche Urkunde im Sinne
des § 271 StGB, wenn die Verwaltungsbehörde den Hinweis
in die Urkunde aufnimmt, dass die Personalangaben
auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen (§ 78
Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG).
3. Die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG konsumiert
den allgemeinen Tatbestand der mittelbaren
Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1, 2 StGB).
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 – 5 StR 266/09
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen mittelbarer Falschbeurkundung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2009

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Erschleichens einer Duldung nach § 95 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers und wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs für Fall 2 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3
a) Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann hinreichend deutlich entnommen werden, dass sich der Haupttäter, der vietnamesische Staatsangehörige B. , im Tatzeitraum unerlaubt in Deutschland aufgehalten hat.
4
aa) B. war zuvor illegal nach Deutschland geschleust worden, ohne dass er den Ausländerbehörden seine Einreise oder seinen Aufenthalt offenbart hatte. Deswegen konnte ihm keine Duldung (§ 60a AufenthG) erteilt werden. Die Frage eines die Erfüllung des Tatbestands ausschließenden hypothetischen Duldungsanspruchs (hierzu BVerfG – Kammer – NStZ 2003, 488, 489) stellt sich mithin nicht (BGHR AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 4 m.w.N.). Das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes hat insoweit keine Änderung herbeigeführt (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 73).
5
bb) Umstände, nach denen dem B. die Ausreise unmöglich oder unzumutbar gewesen sein könnte, hat das Landgericht nicht festgestellt. Jedenfalls solche der Ausreise entgegenstehenden tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse, die mit der illegalen Einreise typischerweise verbunden sind (z. B. Passlosigkeit, Nichtaufnahme durch einen anderen Staat wegen ungeklärter Identität), würden der Annahme einer rechtswidrigen Haupttat auch nicht widerstreiten. Dabei muss nicht entschieden werden, ob Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit schon deswegen nicht gegeben ist, weil dem „untergetauchten“ Ausländer stets ein „Auftauchen“ zum Zweck der Erlangung einer Duldung möglich und zumutbar ist (BGH StV 2005, 24, 26; krit. Mosbacher aaO § 95 Rdn. 80 ff.). Denn unter dem Blickwinkel der sogenannten omissio libera in causa (vgl. BGHSt 47, 318, 320 f.; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 – 5 StR 98/08; Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 67) ist dem illegal eingereisten Täter insoweit die Berufung auf eine etwaige Handlungsunfähigkeit oder Unzumutbarkeit versagt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 57, 59). Ob für „atypische“ Hinderungsgründe, wie etwa eine die Ausreise unmöglich machende schwere Erkrankung, anderes zu gelten hätte, muss der Senat nicht entscheiden; Anhaltspunkte für deren Vorliegen sind nach den Urteilsgründen nicht vorhanden.
6
b) Die Bewertung des Tatgerichts, der Angeklagte habe dem B. im Sinne des § 27 StGB Hilfe geleistet, ist frei von Rechtsfehlern.
7
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist grundsätzlich jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; BGH NJW 2008, 1460, 1461). Anders liegt es nur, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen der Tat ist (BGH NJW 2008, 1460, 1461; vgl. auch BGH StV 1996, 87).
8
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Angeklagten entfaltete Tätigkeit als Beihilfe zu werten. Er hat den B. beherbergt und dessen Lebensunterhalt gewährleistet. Es liegt auf der Hand, dass er hierdurch die Verletzung der Ausreisepflicht durch diesen objektiv gefördert und erleichtert hat (vgl. König NJW 2002, 1623, 1624). Allerdings hat das Landgericht – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist – nicht festgestellt, ob B. auch ohne die Hilfeleistung des Angeklagten zur Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen gewesen wäre. Jedoch ließe eine solche Willenshaltung des B. entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (BayObLG NStZ 1999, 627; NJW 2002, 1663; OLG Düsseldorf StV 2002, 312; KG NStZ 2006, 530) die Strafbarkeit des Angeklagten nicht entfallen. Denn nach allgemeinen Regeln, die auch beim Dauerdelikt keine Änderung erfahren (vgl. BGH NStZ 2004, 44, 45), muss die Hilfeleistung nicht conditio sine qua non für die Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts sein (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2003, 184; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 184, 186; König NJW 2002, 1623, 1624 f.; ebenso Fischer, StGB 56. Aufl. § 27 Rdn. 8; siehe auch BayObLG, Beschlüsse vom 22. November 2004 – 4 St RR 179/04 – und vom 20. Dezember 2004 – 4 St RR 184/04). Ein Fall der psychischen Beihilfe, der bei fest entschlossenen Haupttätern besonders sorgfältiger Prüfung bedürfte (vgl. etwa BGHSt 46, 107, 115), liegt nicht vor, weil der Angeklagte den B. durch tätige Hilfe unterstützt hat. Eines ausdrücklichen Eingehens auf das Vorstellungsbild des B. durch das Landgericht bedurfte es nach alledem nicht.
9
cc) Soweit der Bundesgerichtshof eine Ausnahme für den Fall erwogen hat, dass der Gehilfe dem Haupttäter eine Unterbringung in menschenunwürdigen Verhältnissen ersparen will (BGH NJW 1990, 2207, 2208), ist vorliegend nicht ersichtlich, dass sich der Angeklagte von derartigen Motiven hat leiten lassen.
10
c) Der Angeklagte hat den B. zugleich möglicherweise dabei unterstützt oder ihn dazu verleitet, unter der Angabe eines falschen Geburtsdatums einen Asylantrag zu stellen (UA S. 5). Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht die Prüfung unterlassen hat, ob er sich deswegen der Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 1 AsylVfG schuldig gemacht hat.
11
2. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe am 28. August 2007 eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) im Sinne des § 60a AufenthG beantragt und dabei einen falschen Namen, ein falsches Geburtsdatum sowie einen falschen Geburtsort angegeben. Seine Angaben wurden in die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4, § 78 Abs. 7 AufenthG übernommen. Mit dieser Urkunde wies er sich gegenüber zwei Polizeibeamten aus.
12
a) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht den Angeklagten hierfür wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 StGB) verurteilt hat.
13
aa) Die Bescheinigung über die Duldung (§ 60a Abs. 4, § 78 Abs. 7 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 6 AufenthG) entfaltet nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz ) vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361, 3142) am 1. Januar 2002 hin- sichtlich der Personalangaben des Antragstellers jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt die nach § 271 StGB erforderliche Beweiskraft für und gegen jedermann. Das Gleiche gilt für die Bescheinigung über die vom Landgericht angesprochene Aufenthaltsgestattung nach §§ 63, 64 AsylVfG.
14
(1) Es unterliegt freilich keinem Zweifel, dass die genannten Bescheinigungen als solche öffentliche Urkunden darstellen (BGHSt 42, 131). Dem entspricht § 276a StGB, der Aufenthaltstitel und Duldungen für die Anwendung der §§ 275, 276 StGB amtlichen Ausweisen gleichstellt. Indessen muss nicht jede der in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Angaben öffentlichen Glauben im Sinne des § 271 StGB genießen. Die Frage der Beweiskraft ist vielmehr – unter Anlegung eines strengen Maßstabs – für die jeweils betroffenen Angaben anhand der für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, aber auch nach der Verkehrsanschauung zu prüfen (BGHSt – GS – 22, 201, 203; BGHSt 42, 131; BGH NJW 1996, 470).
15
(2) § 78 Abs. 7 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG, auch i.V.m. § 63 Abs. 5 AsylVfG, erlaubt es den Behörden, in die genannten Bescheinigungen den Hinweis aufzunehmen, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einen – von der Bundesregierung unterstützten (BT-Drucks 14/7754 S. 3) – Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen. Der Vorschlag war damit begründet, dass gerade „bei Duldungsinhabern, bei denen die Personalien häufig nur auf eigenen Angaben“ beruhten, „die Anmerkung ‚Identität nicht nachgewiesen‛ möglich sein“ müsse (BT-Drucks 14/7727 S. 9; zu § 39 Abs. 1 Satz 3 AuslG a.F.).
16
Wird der Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG in die Bescheinigung aufgenommen, so ist hierdurch für den Rechtsverkehr unmissverständlich klargestellt, dass sich die Urkunde hinsichtlich der Personalangaben keine Beweiskraft beimisst (OLG Karlsruhe StV 2009, 133; OLG Naumburg StV 2007, 134; KG NStZ 2009, 448; siehe auch OLG Stuttgart NStZ-RR 2008, 155). Für diesen Fall scheidet auch eine Strafbarkeit nach § 271 StGB aus.
17
bb) Ob die dem Angeklagten ausgestellte Duldungsbescheinigung den bezeichneten Hinweis enthält, hat das Landgericht nicht festgestellt. Jedoch kommt es darauf nicht maßgebend an. Dabei muss der Senat nicht entscheiden , ob es der für § 271 StGB erforderlichen Beweiskraft auch in Fällen ermangelt , in denen die Personalangaben zwar ausschließlich auf den Mitteilungen des Antragstellers beruhen, die Behörde den Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG aber gleichwohl unterlassen hat (vgl. OLG Karlsruhe StV 2009, 133), oder ob die gesetzlich vorgegebene Hinweismöglichkeit die Beweiskraft der relevanten Personalangaben gar generell in Frage zu stellen vermag. Denn der Gesetzgeber hat in Bezug auf Falschangaben im ausländerrechtlichen Verfahren und den Gebrauch hierdurch erschlichener Bescheinigungen durch § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG eine Sonderregelung geschaffen, die die allgemeine Vorschrift des § 271 Abs. 1, 2 StGB konsumiert.
18
(1) § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stellt denjenigen unter Strafe, der unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Die Strafvorschrift will das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren im Interesse materiell richtiger Entscheidungen gegenüber Falschangaben absichern (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376) und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung schützen (BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 345; Mosbacher aaO § 95 Rdn. 246; für § 95 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG auch Aurnhammer, Spezielles Ausländerstrafrecht 1996 S. 82, 147; a.M. Cantzler, Das Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit 2004 S. 117 ff.).
19
Um einen möglichst umfassenden Schutz zu gewährleisten, ist durch § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AufenthG bereits die Unterbreitung unrichtiger oder unvollständiger Angaben unter Strafe gestellt. Zur Erteilung der Bescheinigung braucht es nicht zu kommen. Es müssen auch nicht gerade die falschen Angaben geeignet sein, die Ausstellung der Urkunde zu bewirken; vielmehr genügt es, wenn sie für das Verfahren allgemein von Bedeutung sind und damit grundsätzlich zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels bzw. einer Duldung führen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2007 – 1 StR 189/07; OLG Karlsruhe Justiz 1998, 223, 224; NStZ-RR 2004, 376), die richtige Anwendung des materiellen Aufenthaltsrechts wegen der Falschangaben mithin abstrakt gefährdet ist (BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 345; BayVGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 19 C 08.22, 19 CS 08.21). Die betroffenen Angaben müssen keine erhöhte Beweiskraft entfalten (BayVGH aaO; Hailbronner, Ausländerrecht § 95 AufenthG Rdn. 94).
20
Aufgrund der in dieser Weise umfassend erfolgten Pönalisierung abstrakt gefährlicher Handlungen bereits im Vorfeld ausländerrechtlicher Entscheidungen (vgl. BGH NStZ 2007, 289) und der Strafbarkeit des Gebrauchs erschlichener Bescheinigungen ist in den hier relevanten Fällen in der Praxis keine Tat nach § 271 Abs. 1, 2 StGB ersichtlich, die nicht bereits von § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfasst wird. Wegen der in § 271 Abs. 1, 2 StGB nicht enthaltenen Erfordernisse absichtlichen Verhaltens in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AufenthG oder wissentlichen Urkundengebrauchs in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG kommen allein theoretisch Abweichungen in Betracht, welche der Annahme von Konsumtion nicht entgegenstehen.
21
(2) Es besteht auch kein Bedürfnis, eine zugleich mit dem Erschleichen des Aufenthaltstitels bzw. der Duldung verwirklichte mittelbare Falschbeurkundung im Schuldspruch eigenständig zum Ausdruck zu bringen. Der spezifische Unrechts- und Schuldgehalt der Erschleichung der Urkunden und des Urkundengebrauchs kommt in einer Verurteilung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hinreichend zum Ausdruck, ohne dass die Klarstellungsfunktion der Tateinheit die Ausurteilung einer Tat nach § 271 StGB erfordern würde (a.M. Fischer aaO § 271 Rdn. 19). Dem entspricht es, dass § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG denselben Strafrahmen androht wie § 271 Abs. 1, 2 StGB. Letztlich korreliert auch der Schutzzweck des § 271 StGB (Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Beweiskraft öffentlicher Urkunden; Zieschang in LK 12. Aufl. § 271 Rdn. 2) weitgehend mit dem des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der ausländerrechtlichen Verwaltungsentscheidung).
22
b) Der Angeklagte hat sich aufgrund der Falschangaben und des anschließenden Gebrauchs der hierdurch erlangten Duldungsbescheinigung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht.
23
aa) Er hat die Tat am 28. August 2007, mithin am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) begangen , mit der die zuvor hinsichtlich des Erschleichens einer Duldung bestehende Strafbarkeitslücke behoben worden ist (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 244 sowie BT-Drucks 16/5065 S. 199). Die von ihm gemachten Personalangaben waren geeignet, zur Erlangung einer unrechtmäßigen Duldung zu führen. Der Angeklagte hat die erlangte Urkunde durch Vorzeigen gegenüber zwei Polizeibeamten wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Tat des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Mosbacher aaO § 95 Rdn. 263).
24
bb) Der Senat berichtigt den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die im Fall 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten und damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe haben Bestand. Die Schuldspruchänderung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es die Tat rechtlich zutreffend bewertet hätte.
Basdorf Raum Brause Schneider König

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 189/07
vom
24. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten J. F. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20. Dezember 2006 aufgehoben, soweit die Angeklagten von den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen freigesprochen worden sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten von den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1 StGB), des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF) und des Überlassens ausländischer Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung (§ 15 Abs. 1 AÜG) freigesprochen.
2
Mit den auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche, soweit diese die Vorwürfe des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt für den Zeitraum bis zum 30. April 2004 sowie des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen betreffen. Die Rechtsmittel haben Erfolg. Hinsichtlich der Vorwürfe des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt führen sie allerdings auch insoweit zur Aufhebung der Freisprüche ohne zeitliche Begrenzung.

I.

3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
4
Der Angeklagte J. F. war Geschäftsführer der L. mit Sitz in Berlin, die beim Ordnungsamt Berlin-Lichtenberg als unselbständige Zweigniederlassung der L. mit Hauptsitz in Ungarn angemeldet war (fortan: Firma L. ). Er hatte dem Angeklagten K. F. , seinem Bruder , der mehrheitlicher Gesellschafter der Firma L. war, eine weitgehende Vollmacht erteilt, Geschäfte für die Firma zu tätigen. Der Angeklagte J. F. war weiterhin einer von zwei Geschäftsführern der I. -M. -B. mit Sitz in Berlin, die beim Ordnungsamt Berlin-Hohenschönhausen als unselbständige Zweigniederlassung der I. -M. -B. mit Hauptsitz in Ungarn angemeldet war (fortan: Firma IMB). Der Angeklagte J. F. hielt 20%, der Angeklagte K. F. 60% der Gesellschaftsanteile. Diesem hatte der andere der beiden Geschäftsführer eine weitgehende Vollmacht erteilt, Geschäfte für die Firma zu tätigen.
5
Unter der als Hauptsitz der Firma L. angegebenen ungarischen Adresse befanden sich keine von ihr genutzten Räumlichkeiten. In einer "kleinen Wohnung" unter der als Hauptsitz der Firma IMB angegebenen ungarischen Adresse erfolgten für beide Firmen lediglich die Anwerbung von Personal und die Durchführung administrativer Tätigkeiten für die im Ausland zu erbringenden werkvertraglichen Leistungen.
6
a) Zu den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt :
7
Die Angeklagten schlossen für die Firmen L. und IMB - der Angeklagte K. F. allerdings nicht als faktischer Geschäftsführer - Werkverträge mit verschiedenen deutschen Unternehmen ab, wonach die Firmen für diese als Subunternehmerinnen tätig werden sollten. Auf Grund der Verträge wurden ungarische Arbeitnehmer bei den deutschen Unternehmen eingesetzt, für die der Angeklagte J. F. den sozialversicherungsrechtlichen Ausnahmetatbestand der Entsendung nach dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn vom 2. Mai 1998 in Anspruch nahm. Die Arbeitnehmer waren nicht in den Betriebsablauf der deutschen Unternehmen eingegliedert, sondern arbeiteten jeweils unter Leitung eines Vorarbeiters der Firma selbständig entsprechend den Werkverträgen. Beide Firmen waren keine Unternehmen, die in Ungarn jemals die "Schwerpunkttätigkeit" in den Branchen hatten, in denen die Leistungen in den deutschen Unternehmen erbracht wurden (Fleischzerlegung bzw. Montage sowie Schlosser- und Schweißerarbeiten etc.). In Ungarn hatten die Firmen "keine Produktionsstätten". Dort "wurde letztlich nur die Verwaltungstätigkeit beider Firmen ausgeübt", wofür - insgesamt - "nur zwei bis drei Mitarbeiter" beschäftigt wurden.
8
Sämtliche von den Angeklagten in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer verfügten während ihrer Tätigkeit über gültige D/H-101-Bescheinigungen, welche bestätigten, dass die Arbeitnehmer nach Art. 7 des vorbezeichneten Sozialversicherungsabkommens ausschließlich dem ungarischen Sozialversicherungsrecht unterfielen. Diese Bescheinigungen waren von der zuständigen ungarischen Sozialversicherungsbehörde OEP ausgestellt worden. Wären die Arbeitnehmer in Deutschland sozialversicherungspflichtig gewesen, wären an die Einzugsstellen - nach den vom Zeugen W. bestätigten Listen im Anklagesatz - für die Monate August 1999 bis April 2005 Arbeitnehmeranteile von insgesamt 274.932,-- € (Firma L. ) sowie 262.411,71 € (Firma IMB) abzuführen gewesen. Ob für die Arbeitnehmer in Ungarn Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, ist nicht festgestellt.
9
b) Zu den Vorwürfen des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen:
10
Für die ungarischen Arbeitnehmer der Firmen L. und IMB wurden zunächst beim Landesarbeitsamt Hessen unter Mitteilung der mit den deutschen Unternehmen abgeschlossenen Werkverträge sowie der von den ungarischen Behörden ausgestellten Unterlagen, insbesondere der D/H-101-Bescheinigungen , sog. Zusicherungsbescheide beantragt. In diesen - daraufhin erlassenen - Bescheiden wurde die spätere Erteilung von entsprechenden Arbeitserlaubnissen auf der Grundlage der Werkverträge zugesichert. Unter Vorlage der Zusicherungsbescheide und der D/H-101-Bescheinigungen wurden bei der deutschen Botschaft in Budapest für die Arbeitnehmer Visa beantragt, die in der Folgezeit auch erteilt wurden. Mit den Visa reisten die Arbeitnehmer in das Bundesgebiet ein, wo ihnen die zuständigen Arbeitsämter auf entsprechende Anträge Arbeitserlaubnisse ausstellten.
11
Nach Ablauf der zunächst auf drei Monate begrenzten Gültigkeit der Visa wurden sodann bei den deutschen Ausländerbehörden entsprechende Aufenthaltsbewilligungen beantragt. Mit diesen Anträgen wurden jeweils das für den Arbeitnehmer ursprünglich erteilte Visum, die D/H-101-Bescheinigung sowie die ihm erteilte Arbeitserlaubnis vorgelegt. Die Aufenthaltsbewilligungen wurden in der Folgezeit antragsgemäß erteilt; sie waren mit der Auflage versehen, dass die Arbeitnehmer ausschließlich eine konkret umschriebene Tätigkeit im Rahmen der Entsendung ausüben durften.
12
Feststellungen dazu, inwieweit die jeweiligen Anträge unter Mitwirkung oder auf Veranlassung der Angeklagten gestellt wurden, hat das Landgericht nicht getroffen.
13
2. Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen.
14
a) Eine Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 StGB hat es verneint, weil die ungarischen Arbeitnehmer in Deutschland nicht sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Zwar seien beide Firmen nach deutschem Recht keine entsendefähigen Unternehmen. Das Landgericht hat den D/H-101-Bescheinigungen jedoch insoweit Bindungswirkung zuerkannt. Die Grundsätze, die nach der Senatsrechtsprechung für die innerhalb der Europäischen Union verwendeten E-101-Bescheinigungen gelten (vgl. BGHSt 51, 124), seien auf die D/H-101-Bescheinigungen auf der Grundlage des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens vom 2. Mai 1998 zu übertragen. Insbesondere die Zielsetzungen des Abkommens seien nämlich mit denjenigen der - für die Rechtslage in der Europäischen Union maßgeblichen - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vergleichbar. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die Ausstellung der Bescheinigungen auch nach ungarischem Rechtsverständnis fehlerhaft gewesen wäre. Die ungarischen Behörden seien jedoch anhand der ihnen vorgelegten wahrheitsgemäßen Unterlagen davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Entsendefalls vorlägen; für Gegenteiliges bestünden nämlich keine Anhaltspunkte.
15
b) Die Angeklagten hätten sich auch nicht nach ausländerrechtlichen Strafvorschriften strafbar gemacht, da die Angaben, die zur Erteilung von Visa und Aufenthaltsbewilligungen für die ungarischen Arbeitnehmer geführt hätten, nicht im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Den mit den Anträgen vorgelegten D/H-101-Bescheinigungen komme auch insoweit Bindungswirkung zu. Im Hinblick auf eine Entsendung seien weitergehende Erklärungen indessen nicht abgegeben worden; so habe das Antragsformular für die Aufenthaltsbewilligungen eine Frage nach den Entsendevoraussetzungen nicht enthalten. Überdies hätten die Sachbearbeiter der Ausländerbehörden nicht materiell geprüft, ob tatsächlich Entsendefälle vorgelegen hätten.
16
3. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Wirtschaftsstrafkammer den D/H-101-Bescheinigungen Bindungswirkung zuerkannt hat. Sie macht geltend, die Grundsätze, die nach der Senatsrechtsprechung für E-101-Bescheinigungen gelten (vgl. BGHSt 51, 124), seien hier nicht anwendbar. Das deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen habe sich von der für die Rechtslage in der Europäischen Union maßgeblichen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht nur in seinen Zielsetzungen unterschieden. Vor dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 sei auch kein dem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 EG-Vertrag gleichwertiges Beanstandungsverfahren vorgesehen gewesen; ferner habe kein übergeordneter, Art. 10 EGVertrag gleichwertiger Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gegolten. Jedenfalls hinsichtlich ausländerrechtlichen Strafvorschriften dürften aus dem Vorliegen von D/H-101-Bescheinigungen keine derart weitgehenden Schlüsse gezogen werden.
17
Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin die Annahme der Kammer, dass die Ausstellung der D/H-101-Bescheinigungen ungarischem Rechtsverständnis entsprochen habe. Angesichts der Feststellungen, dass in Ungarn kein Umsatz erwirtschaftet und keine werktätigen Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, sei nicht nachvollziehbar, dass keine Anhaltspunkte vorlägen, die dieser Annahme widersprächen.

II.

18
Soweit die Revisionen die (Teil-)Freisprüche von den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt angreifen, ist die Beschränkung auf den Zeitraum bis zum 30. April 2004 gegenstandslos; dem Senat ist hier anhand der Urteilsfeststellungen eine selbständige Beurteilung der unterlassenen Beitragsentrichtung ab Mai 2004 verwehrt.

III.

19
Die Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
20
1. Zu den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt :
21
Zu Unrecht nimmt das Landgericht an, die Angeklagten hätten den sozialrechtsakzessorischen Straftatbestand des § 266a StGB deshalb nicht verwirklicht , weil die betroffenen ungarischen Arbeitnehmer nicht der inländischen Sozialversicherungspflicht unterstanden hätten. Vielmehr ergab sich die Pflicht, Arbeitnehmerbeiträge zur deutschen Sozialversicherung zu entrichten, aus § 3 Nr. 1, § 9 Abs. 1 SGB IV, da die Arbeitnehmer nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 SGB IV entsandt waren (nachfolgend a)) und abweichende Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne von § 6 SGB IV nicht bestanden (nachfolgend b)).
22
a) Nach deutschem Recht liegt eine Entsendung nicht vor. Denn bereits aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 SGB IV ("im Rahmen eines … Beschäftigungsverhältnisses" ) folgt, dass das Beschäftigungsverhältnis für die Entsen- dung den Rahmen bilden muss. Jedenfalls in den Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis - ausnahmsweise - erst mit der Entsendung begonnen hat, ist daher erforderlich, dass infolge der Eigenart der Beschäftigung feststeht oder von vornherein vereinbart ist, dass die Beschäftigung beim entsendenden Unternehmen weitergeführt wird (BSG SozR 3-2400 § 4 SGB IV Nr. 5; vgl. auch BSGE 75, 232). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass die Firmen L. und IMB nach deutschem Recht keine entsendefähigen Unternehmen sind.
23
b) Die in den verfahrensgegenständlichen Bescheinigungen "D/H 101" bestätigte Anwendbarkeit ungarischen Sozialversicherungsrechts führt nicht zu einer Befreiung von der inländischen Sozialversicherungspflicht.
24
Die D/H-101-Bescheinigungen beruhen - anders als die innerhalb der Europäischen Union verwendeten Bescheinigungen "E 101" - auf einem völkerrechtlichen Vertrag, so dass das Gemeinschaftsrecht keine Anwendung findet (nachfolgend aa)). Bisher hat der Senat ausdrücklich offen gelassen, inwieweit Bescheinigungen auf Grund bilateraler Sozialversicherungsabkommen bindend sein können (vgl. NJW 2007, 1370, 1372, zur Veröffentlichung in BGHSt 51, 224 bestimmt). Er entscheidet diese Rechtsfrage nunmehr dahingehend, dass solche Bescheinigungen, somit auch die verfahrensgegenständlichen D/H-101Bescheinigungen keine derart weitgehende Bindungswirkung wie die E-101-Bescheinigungen haben (nachfolgend bb)). Der Senat kann dahinstehen lassen, inwieweit ihnen eine beschränkte Bindungswirkung zukommt (nachfolgend cc)); denn die gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisse wären hiervon jedenfalls nicht erfasst (nachfolgend dd)).
25
aa) Rechtsgrundlage für die - vom 1. Mai 2000 bis zum 30. April 2004 maßgeblichen - D/H-101-Bescheinigungen ist nicht das Gemeinschaftsrecht, sondern das zwischenstaatliche Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit vom 2. Mai 1998 in Verbindung mit der Vereinbarung zur Durchführung dieses Abkommens vom selben Tag. Durch Gesetz vom 7. Oktober 1999 (BGBl II 900) sind Abkommen und Durchführungsvereinbarung Bestandteile des Bundesrechts geworden. Art. 7 des Abkommens regelt die Versicherungspflicht für Fälle der Entsendung wie folgt: "Wird ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat beschäftigt ist, im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses von seinem Arbeitgeber in den anderen Vertragsstaat entsandt, um dort eine Arbeit für diesen Arbeitgeber auszuführen, so gelten in bezug auf diese Beschäftigung während der ersten 24 Kalendermonate allein die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaats über die Versicherungspflicht so weiter, als wäre er noch in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt."
26
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsvereinbarung erteilt in diesen Fällen der zuständige Träger des Herkunftsstaats auf Antrag eine Bescheinigung darüber, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber seinen Rechtsvorschriften unterstehen.
27
Mit dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 (A Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des EU-Beitrittsvertrags vom 16. April 2003, BGBl II 1408) hat die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (sog. "Wanderarbeitnehmerverordnung", ABlEG L 149 vom 5. Juli 1971 S. 2, fortan: VO 1408/71) das zwischenstaatliche Abkommen über Soziale Sicherheit im Wesentlichen abgelöst. Diese Verordnung, die insbesondere in Art. 14 Abs. 1 lit. a die Entsendung regelt, wird ergänzt durch die Durchführungsvorschriften in der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vom 21. März 1972 (ABlEG L 74 vom 27. März 1972 S. 1, fortan: VO 574/72), welche in Art. 11 vorsieht, dass der zu- ständige Sozialversicherungsträger des Herkunftsstaats auf Antrag die Entsendung bestätigt und für einen begrenzten Zeitraum bescheinigt, dass der Arbeitnehmer dessen Rechtsvorschriften unterstellt bleibt (sog. E-101-Bescheinigung ).
28
Dass für Ungarn als einem der beigetretenen Staaten diese Vorschriften des Gemeinschaftsrechts rückwirkend in Kraft gesetzt werden sollten, folgt aus dem EU-Beitrittsvertrag vom 16. April 2003 nicht (vgl. nur B Art. 2, 4, 53 sowie Schlussakte II 13 "Erklärung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Ungarn"). Auch aus Art. 37 ff. des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Ungarn vom 16. Dezember 1991 (Assoziierungsabkommen, BGBl 1993 II 1472) lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten (vgl. LSG NW, Beschl. vom 17. Januar 2005 - L 2 B 9/03 KR ER - Rdn. 30).
29
Die Anwendbarkeit von - milderem - Gemeinschaftsrecht ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 3 StGB. Dass mittlerweile auch im Verhältnis zu Ungarn E-101-Bescheinigungen Verwendung finden, welche die inhaltsgleichen D/H-101-Bescheinigungen ersetzt haben, berührt nämlich den Inhalt der strafbewehrten Gebotsnorm nicht, sondern betrifft lediglich die verwaltungstechnische Abwicklung der Entsendung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 2 Rdn. 6 f.; ferner BGHSt 50, 105, 120 f.).
30
bb) Eine Gleichstellung der D/H-101-Bescheinigungen mit den E-101-Bescheinigungen und deren weitgehenden Bindungswirkung ist nicht geboten.
31
Die Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die europarechtlichen Kollisionsnormen in der VO 1408/71 in Verbindung mit der VO 574/72 gelten (Urteile vom 10. Februar 2000 - Rs. C-202/97, SozR 3-6050 Art. 14 EWGV 1408/71; vom 30. März 2000 - Rs.
C-178/97, Slg. 2000 I, 2005, 2040 ff.; vom 26. Januar 2006 - Rs. C-2/05, AP EWG-Verordnung Nr. 1408/71 Nr. 13), können nicht auf das deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen und die Durchführungsvereinbarung übertragen werden.
32
Maßgebend hierfür ist die unterschiedliche Rechtsnatur von herkömmlichen internationalen völkerrechtlichen Verträgen im Vergleich zum einheitlichen Rechtsraum, wie er für die Europäische Union kennzeichnend ist. Die supranationale Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften fußt auf der Zuweisung von Souveränitätsrechten und damit einhergehend auf der Beschränkung von Souveränitätsrechten ihrer Mitgliedstaaten. Dies schließt ein, dass Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats auf Grund Gemeinschaftsrechts an Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat - etwa E-101-Bescheinigungen - gebunden sein können, selbst wenn diese Entscheidungen nicht der Rechtsordnung der Gemeinschaften entsprechen sollten. Mit einer solchen Beschränkung von Souveränitätsrechten korrespondiert andererseits - neben dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten (Art. 10 EG-Vertrag) - die Möglichkeit, gegen Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat , die der Rechtslage nicht entsprechen, effektiv vorzugehen. So können sich etwa die beteiligten Mitgliedstaaten, sollten sie sich über die Rechtmäßigkeit von E-101-Bescheinigungen nicht einigen können, an die - nach Art. 80, 81 der VO 1408/71 zu Fragen der Auslegung und Durchführung der Verordnung eingesetzten - Verwaltungskommission wenden und anschließend ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 EG-Vertrag einleiten.
33
Eine Auslegung des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens dahingehend, dass die beiden Vertragsstaaten derart weitgehend Souveränitätsrechte wechselseitig übertragen wollten, liegt fern. Insbesondere Wortlaut und Materialien geben hierfür keinen Anhalt. Der unterschiedlichen Rechts- qualität von europarechtlichen Regelungen einerseits und bilateralem völkerrechtlichem Vertrag andererseits erlaubt eine Gleichstellung ohne einen solchen Anhalt indessen nicht. Dies gilt umso mehr, als die in Art. 39 des Abkommens vorgesehenen Möglichkeiten der Streitbeilegung nicht denjenigen innerhalb der Europäischen Union gleichkommen.
34
Überdies ist die weitgehende Bindungswirkung der E-101-Bescheinigungen deshalb sachgerecht, weil die europarechtlichen Kollisionsnormen - anders als das deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen - an einen einheitlichen , nämlich gemeinschaftsrechtlich zu bestimmenden Entsendebegriff anknüpfen. Die Frage der Entsendung ist damit nach dem Gemeinschaftsrecht für alle Mitgliedstaaten im gleichen Sinn verbindlich zu beantworten (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht 54. Lfg. § 6 SGB IV Rdn. 4a m.w.N.). Gerade der gemeinschaftsrechtliche Entsendebegriff setzt unter anderem voraus, dass das entsendende Unternehmen gewöhnlich eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Gebiet des Herkunftsstaats verrichtet. Um dies zu beurteilen, müssen in einer Gesamtschau sämtliche Tätigkeiten des Unternehmens gewürdigt werden. Dagegen kann insbesondere ein Unternehmen, das - wie hier - im Herkunftsstaat bloß interne Verwaltungstätigkeiten ausführt, nicht den Ausnahmetatbestand der Entsendung nach der VO 1408/71 in Anspruch nehmen (vgl. Beschl. der Verwaltungskommission Nr. 181 vom 13. Dezember 2000, ABlEG L 329 vom 14. Dezember 2001 S. 73, Nr. 3 b ii; ferner EuGH, Urt. vom 10. Februar 2000 - Rs. C-202/97, SozR 3-6050 Art. 14 EWGV 1408/71 Nr. 6).
35
Der Senat teilt infolgedessen nicht die Auffassung, dass für die Frage einer Bindungswirkung die Zielsetzungen des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens - auch vor dem Hintergrund des Assoziierungsabkommens vom 16. Dezember 1991 - entscheidend seien, mögen die Zielsetzungen auch mit denjenigen der VO 1408/71 in mancher Hinsicht übereinstimmen (so aber Jofer/Weiß StraFo 2007, 277, 281 f.).
36
cc) Den D/H-101-Bescheinigungen könnte allenfalls eine beschränkte Bindungswirkung zukommen.
37
Zur Prüfung einer etwaigen Bindung ist vom Wortlaut des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens auszugehen. Bei der Auslegung von Sozialversicherungsabkommen kommt dem Vertragstext eine größere Bedeutung als bei der Auslegung rein nationaler Rechtsvorschriften zu (BSGE 72, 25, 31 m. w. N.).
38
Art. 7 des Abkommens enthält zwar keine abschließende Definition der Entsendung, so dass sich nach Art. 1 Abs. 2 des Abkommens die Einzelheiten ihrer Bedeutung im Grundsatz nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften des Herkunftsstaats richten. Artikel 7 regelt jedoch Mindestvoraussetzungen; hiernach liegt ein Fall der Entsendung - nur - vor, wenn ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat beschäftigt ist, im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses von seinem Arbeitgeber in den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um hier eine Arbeit für diesen Arbeitgeber auszuführen. Für den so umschriebenen Fall bestimmt die Vorschrift, dass in Bezug auf diese Beschäftigung während der ersten 24 Kalendermonate allein die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Herkunftsstaats weiter gelten, als wäre der Arbeitnehmer noch dort beschäftigt.
39
Sind die Entsendebescheinigungen gemessen an dem Wortlaut des Abkommens inhaltlich offensichtlich unzutreffend, haben die deutschen Behörden und Gerichte die Rechtslage nach deutschem Recht zu prüfen. Eine Bindung an die Bescheinigungen könnte demgegenüber allenfalls bestehen, soweit die Beschäftigungsverhältnisse, für die die Bescheinigungen erteilt wurden, noch vom möglichen Wortsinn des Vertragstexts erfasst werden, mag dieser in Deutschland auch anders ausgelegt werden.
40
In diesem Sinne versteht der Senat auch die Ausführungen des Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 16. Dezember 1999 - B 14 KG 1/99 R (= BSGE 85, 240) zu Entsendebescheinigungen auf Grund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (ebenso BayLSG, Urt. vom 23. Januar 2007 - L 5 KR 124/05 - Rdn. 31 zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen ). Hiernach sind der "deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte … grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Trägers über die nach dessen Recht … maßgebenden Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind allerdings berechtigt zu überprüfen, ob die im anderen Vertragsstaat zuständige Stelle die Vorschriften des Abkommens richtig angewandt hat. Nur insoweit besteht keine Bindung an die Auslegung oder Anwendung des Abkommens durch den im anderen Vertragsstaat zuständigen Träger" (BSG aaO 243).
41
dd) Eine etwaige beschränkte Bindungswirkung der D/H-101-Bescheinigungen ist für die gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisse ohne Bedeutung. Denn eine solche Bindungswirkung fände nach dem oben Gesagten (s. III.1.b cc)) ihre Grenze dort, wo die Bescheinigungen - wie hier - gemessen am Wortlaut des Abkommens inhaltlich offensichtlich unzutreffend sind.
42
Gemäß Art. 7 des Abkommens lagen keine Fälle der Entsendung vor. Nach den Feststellungen des Landgerichts trifft es nicht zu, dass die ungarischen Arbeitnehmer in Ungarn beschäftigt waren und im Rahmen dieser Beschäftigungsverhältnisse von den Firmen L. und IMB nach Deutschland entsandt wurden, um eine Arbeit für diese Firmen auszuführen. Vielmehr wurden die Arbeitnehmer in Ungarn nur angeworben, damit sie Arbeitsleistungen in den deutschen Unternehmen erbrachten; es spricht nichts dafür, dass die Arbeitnehmer nach Beendigung der Entsendung weiterbeschäftigt werden sollten. Die beiden Firmen waren in Ungarn jedenfalls zu keiner Zeit in denselben Branchen (Fleischzerlegung bzw. Montage sowie Schlosser- und Schweißerarbeiten etc.) wie in Deutschland tätig. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wurde in Ungarn kein Umsatz erwirtschaftet. Dort wurden vielmehr nur interne Verwaltungstätigkeiten durchgeführt, wobei "nur zwei bis drei Mitarbeiter" beschäftigt wurden. Zu diesem Zweck verfügte lediglich die Firma IMB unter ihrer als Hauptsitz angegebenen Adresse über Wohnraum, der von beiden Firmen für Bürotätigkeiten genutzt wurde. Infolgedessen konnte das ungarische Sozialversicherungsrecht nicht - so Artikel 7 - weiter gelten, als wären die Arbeitnehmer noch in Ungarn beschäftigt.
43
Darauf, ob die Ausstellung der D/H-101-Bescheinigungen durch die zuständige ungarische Sozialversicherungsbehörde OEP der ungarischen Rechtslage entsprach (vgl. BSGE 85, 240, 244: "Rechtsverständnis"), kommt es bei Berücksichtigung des Wortlauts des Abkommens nicht mehr an. Unbeschadet dessen bestünden aber auch Zweifel, ob nach ungarischem Recht Entsendungsfälle vorlagen. Denn § 105 Abs. 1 des ungarischen Gesetzes Nr. XXII von 1992 über das Arbeitsgesetzbuch lautet wie folgt: "Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Interessen zeitweilig zu einer Arbeitsverrichtung außerhalb des gewöhnlichen Ortes seiner Arbeitsverrichtung verpflichten (Entsendung ). Voraussetzung dessen ist, dass der Arbeitnehmer auch während dieses Zeitraumes seine Arbeit auf Anleitung und Anweisung des Arbeitgebers verrichtet. Es wird nicht als Entsendung angesehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit - aus der Natur der Arbeit heraus - gewöhnlich außerhalb der Niederlassung verrichtet."
44
Mit dem Wortlaut dieser Vorschrift ("außerhalb des gewöhnlichen Ortes") sind die Feststellungen des Landgerichts nur schwerlich in Einklang zu bringen. Auch deswegen und in Anbetracht der räumlichen Ausstattung der beiden Firmen versteht es sich nicht von selbst, dass gegenüber den ungarischen Behörden keine falschen Angaben gemacht wurden, um dem ungarischen Recht nicht entsprechende Entsendebescheinigungen zu erhalten. Die Frage nach der Rechtslage in Ungarn ist eine Rechtsfrage, welche der eigenständigen Beurteilung durch das Revisionsgericht - unabhängig von Mutmaßungen zum "Rechtsverständnis" nicht individualisierter Behördenmitarbeiter - unterliegt. Hierauf kommt es nach dem zuvor Gesagten jedoch nicht an, so dass der Senat dieser Rechtsfrage nicht näher nachzugehen braucht.
45
ee) Nach alledem muss der Senat nicht der Frage nachgehen, wie es revisionsrechtlich zu beurteilen ist, dass das Urteil davon auszugehen scheint, die D/H-101-Bescheinigungen hätten bereits vor dem Inkrafttreten des Abkommens am 1. Mai 2000 (BGBl II 644), nämlich ab August 1999 (s. I.1.a)) vorgelegen.
46
2. Zu den Vorwürfen des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen:
47
Die Ausführungen, mit denen die Kammer eine Strafbarkeit nach ausländerrechtlichen Strafvorschriften abgelehnt hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
48
Gemäß den obigen Ausführungen (s. III.1.b)) vermag der Senat der Kammer nicht darin zu folgen, dass für die ungarischen Arbeitnehmer schon deshalb keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF gemacht worden seien, weil der Inhalt der D/H-101Bescheinigungen auch insoweit bindend sei. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Hiernach lagen keine Fälle der Entsendung vor.
49
Zwar wurden bei der Beantragung der Visa und Aufenthaltsbewilligungen keine ausdrücklichen Erklärungen im Hinblick auf eine Entsendung abgegeben. Es liegt jedoch nahe, dass mit der Vorlage der D/H-101-Bescheinigungen die konkludente Erklärung verbunden war, dass die Arbeitnehmer tatsächlich im Rahmen eines in Ungarn bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in das Bundesgebiet entsandt waren. Dass es den Ausländerbehörden im Verfahren über die Erteilung der Aufenthaltsbewilligungen hierauf ankam, ergibt sich schon daraus, dass diese mit einer entsprechenden Auflage versehen wurden. Wäre aber der Ausnahmetatbestand der Entsendung jeweils konkludent vorgespiegelt worden, wären die Anträge nach den Urteilsfeststellungen - objektiv - "unrichtig" gewesen. Dies hätte daher näherer Erörterung bedurft.
50
§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF setzt auch eine materielle Prüfung der Entsendevoraussetzungen durch die Ausländerbehörden nicht voraus. Sein Wortlaut ("um zu") nimmt Bezug auf die Absicht des Täters, mit den unzutreffenden Angaben bestimmte Aufenthaltstitel zu erlangen.
51
Der Beitritt Ungarns zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 lässt eine etwaige Strafbarkeit der Angeklagten wegen Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF - nunmehr: § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG - unberührt (vgl. BGHSt 50, 105, 120 f.). Nack Boetticher Kolz Hebenstreit Graf

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
AufenthG § 96 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2
Der Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (§ 92a Abs. 1
Nr. 1 AuslG 1990) steht es nicht grundsätzlich entgegen, dass
derjenige, der durch sein Handeln zugleich Falschangaben
eines anderen unterstützt, bei isolierter Betrachtung als Täter
einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2
Nr. 2 AuslG 1990) anzusehen wäre.
BGH, Beschluss vom 30. Mai 2013 – 5 StR 130/13
LG Dresden –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 30. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Mai 2013

beschlossen:
Die Revision der Angeklagten W. gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. Juni 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass in den Fällen 1 hh und 1 ii der Urteilsgründe die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter Bestechlichkeit entfällt.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte W. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 48 Fällen, in 14 Fällen in Tateinheit mit Bestechlichkeit, und wegen Geheimnisverrats zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen die nicht revidierenden Mitangeklagten T. und L. hat es wegen des Tatkomplexes Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren bzw. vier Jahren und vier Monaten verhängt. Die mit der Sachbeschwerde geführte Revision der Angeklagten W. erzielt lediglich in einem geringen Umfang Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bildeten die Angeklagten spätestens seit 2000 eine Bande, die sich auf die Einschleusung von vietnamesischen Staatsangehörigen und die missbräuchliche Verschaffung von Aufenthaltstiteln für diese spezialisiert hatte. Die Angeklagten L. (bis 2007) und W. (bis 2010) waren im Tatzeitraum Sachbearbeiter bei der Ausländerbehörde Dresden, die Angeklagte T. dolmetschte für die Behörde.
Vietnamesische Staatsangehörige wurden mit Unterstützung von Mittelsmännern der Angeklagten T. in Vietnam mit durch Falschangaben erschlichenen Visa nach Deutschland verbracht und dann gegebenenfalls bis zur Erteilung einer kollusiv beschafften Niederlassungserlaubnis betreut. Von den „Leistungen“ der Angeklagten umfasst waren unter anderem die Organi- sation von Scheinehen und deren jeweils zwei bis drei Jahre später erfolgter Scheidung sowie die Organisation von missbräuchlichen (Schein-) Vaterschaftsanerkennungen. Bei Bedarf wurden weitere Maßnahmen getroffen, um die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu schaffen, etwa Bescheinigungen über Mietverträge oder fingierte Lohnabrechnungen besorgt. Je nach Aufwand forderte die Angeklagte T. von den Geschleus- ten Beträge von 7.000 bis 22.000 €.
3
Der Angeklagte L. , der als versierter Fachmann im Ausländerrecht als Ideengeber für das Vorgehen im Einzelnen fungierte, wurde für seine Beiträge mit Geldgeschenken, der Finanzierung von Urlaubsreisen und in Form sexueller Dienstleistungen entlohnt. Die Angeklagte W. erhielt Bar- geldbeträge bis zu 700 €, Kleidungsstücke und andere Geschenke sowie Vergünstigungen beim Besuch des von der Angeklagten T. betriebenen Nagelstudios.
4
2. Die Revision der Angeklagten W. ist im Wesentlichen unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
5
a) In den Fällen 1 hh und 1 ii der Urteilsgründe ist die Verfolgung der jeweils tateinheitlich mit dem Verbrechen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern ausgeurteilten Bestechlichkeit verjährt. Entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hat die Angeklagte die beiden Schleusungstaten am 22. März 2005 begangen, wohingegen der verjährungsunterbrechende Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden erst am 26. März 2010 und damit nach Ablauf der für § 332 StGB maßgebenden Verjährungsfrist von fünf Jahren erging (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach Durchführung der genannten pflichtwidrigen Diensthandlungen gemäß zuvor getroffener Unrechtsvereinbarung und nicht ausschließbar zuvor erfolgter Entlohnung war der Angriff auf das Schutzgut des § 332 StGB abgeschlossen und demnach Beendigung eingetreten (vgl. dazu BGH, Urteile vom 19. Juni 2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 303 ff., und vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10, NStZ 2012, 511, 513). Auf die Geltungsdauer der erteilten Aufenthaltstitel, die allenfalls für das Schutzgut aufenthaltsrechtlicher Strafvorschriften relevant sein könnte, kann es insoweit nicht ankommen.
6
Der Senat hat den Schuldspruch analog § 354 Abs. 1 StPO berichtigt. Der Wegfall des Vorwurfs der Bestechlichkeit lässt die betroffenen Einzelstrafaussprüche und die Gesamtstrafe unberührt. Das gilt schon deswegen, weil die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen nicht danach unterscheiden , ob die Angeklagte in unverjährter Zeit zusätzlich ein Amtsdelikt verwirklicht hat.
7
b) Der Schuldspruch wegen (gewerbs- und bandenmäßigen) Einschleusens von Ausländern in Form entgeltlicher Unterstützung von Falschangaben im aufenthaltsrechtlichen Verfahren (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2, § 97 Abs. 2 AufenthG bzw. § 92a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2, § 92b Abs. 1 AuslG 1990) hat in den Fällen Bestand, in denen die Angeklagte ausschließlich (Fälle 2 aa, 11 bb, 13 bb, 16 cc und 29) oder innerhalb einer Handlungseinheit neben der Erteilung von Aufenthaltstiteln (Fälle 3 bb, 4 bb, 6 cc, 7 bb, 8 cc, 8 dd, 9 cc, 10 cc, 11 aa, 13 aa, 19 bb, 19 cc, 21 aa, 22 und 30) selbst falsche Angaben gemacht hat. Betroffen sind ganz überwiegend wahrheitswidrige Bestätigungen, dass Scheinehepartner die erforderlichen Erklärungen vorrangig zum Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft persönlich vor ihr abgegeben hätten (Fälle 3 bb, 4 bb, 6 cc, 7 bb, 8 cc, 8 dd, 9 cc, 10 cc, 11 aa, 13 aa, 13 bb, 16 cc, 19 bb, 19 cc, 21 aa,22 und 30). Teils bestätigte die Angeklagte (zusätzlich) wahrheitswidrig, dass kein Sozialleistungsbezug vorliege (8 dd), dass deutsche Sprachkenntnisse genügend (Fälle 11 bb, 13 bb) oder die Vermögensverhältnisse hinreichend seien (Fall 30).
8
aa) Die Frage, ob der Täter einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990), der durch eigene Falschangaben zugleich solche des den Aufenthaltstitel erstrebenden Ausländers oder eines anderen fördert, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) wegen Einschleusens von Ausländern verurteilt werden kann, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl., wohl befürwortend, Cannawurf, Die Beteiligung im Ausländerstrafrecht, 2007, S. 145, eher ablehnend Mosbacher in GK AufenthG, Stand Juli 2008, § 95 Rn. 260 f.; offen gelassen von OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, 376, 378). Der Senat bejaht sie jedenfalls für die vorliegenden Fallkonstellationen.
9
Zwar wird derjenige, der fremdnützig (Erschleichen eines Aufenthaltstitels „für einen anderen“) Falschangaben macht, wegen dieser Tat grundsätzlich nicht auch der Beihilfe zur Straftat eines anderen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) schuldig zu sprechen sein (vgl. Mosbacher aaO). Indessen sieht der Gesetzgeber den Kern des Schleusungsunrechts in entgeltlichen oder wiederholten Beihilfe- und Anstiftungshandlungen. Er hat deswegen in § 96 Abs. 1 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) in selbständigen Tatbeständen die Beteiligung zur Täterschaft erhoben (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409; vom 11. Juli 2003 – 2 StR 31/03, NStZ 2004, 45). Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es dabei darauf an, ob der Täter des § 96 Abs. 1 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) durch seinen Beitrag (gegebenenfalls auch) zu den dort in Bezug genommenen Straftaten Hilfe geleistet oder zu ihnen angestiftet hat. Das hat die Angeklagte in Bezug auf § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) getan, indem sie den Erklärungen der im aufenthaltsrechtlichen Verfahren aufgetretenen Scheinehepartner zum Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Bestätigung deren persönlicher Anwesenheit und damit verbundene Vorspiegelung selbst vorgenommener amtlicher Prüfung höheres Gewicht verliehen hat. Entsprechendes gilt für die anderen Verlautbarungen. Demgegenüber kann im Hinblick auf die Verselbständigung der Schleusungstatbestände nicht ausschlaggebend sein, ob der Betroffene, wenn er nur nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) verurteilt würde, als Teilnehmer oder (auch) als Täter zu bestrafen wäre (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 – 1 StR 501/04). Dass der Gesetzgeber solche „doppelge- sichtigen“ Handlungen durch eine enge Anknüpfung an die Entscheidung für oder gegen eine Täterschaft hinsichtlich des isoliert betrachteten § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) aus den Schleusungsdelikten ausgrenzen wollte, liegt gänzlich fern. Eine Interpretation in diesem Sinn wäre geeignet, nicht auflösbare Wertungswidersprüche hervorzurufen (insoweit auch OLG Karlsruhe, aaO; Mosbacher, aaO, Rn. 262 sowie § 96 Rn. 2).
10
bb) Das Urteil des Senats vom 4. Dezember 2007 (5 StR 324/07, StV 2008, 182) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt und steht der Entscheidung schon deswegen nicht entgegen. Zu prüfen war dort, ob bei gemeinsamer illegaler Einreise von zwei Ausländern jeder der beiden Ausländer neben seiner Strafbarkeit als Täter einer illegalen Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ohne Weiteres zugleich Gehilfe in Bezug auf die illegale Einreise des anderen ist, mit der Folge, dass bei darüber hinaus verwirklichter Beihilfe zur illegalen Einreise eines weiteren Ausländers durch Übernahme von Verpflegungs- und Unterbringungskosten der Schleusungstatbestand nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) – Handeln zugunsten mehrerer Ausländer – verwirklicht wird (BGH, aaO, Rn. 14, 30; abweichend Mosbacher , aaO, § 96 Rn. 2; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1990 – 1 StR 500/90). Das hat der Senat verneint.
11
c) Die Verurteilung wegen Einschleusens von Ausländern wird auch in den Fällen von den Feststellungen getragen, in denen sich der Beitrag der Angeklagten auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln, das Aufbringen eines Klebers auf Ausweispapieren oder die Zustimmung zu durch Falschangaben erschlichenen Visa (vorgebliche Studienaufenthalte, vorgetäuschte Tätigkeit als Au-Pair-Kraft) beschränkte.
12
Das (abstrakte) Gefährdungsdelikt nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) ist in seiner ersten Fallvariante vollendet, sobald die Falschangaben gemacht sind. Beendigung tritt hingegen frühestens mit der Erteilung des erschlichenen Aufenthaltstitels ein, weil erst ab diesem Zeitpunkt der Angriff auf das von der Vorschrift geschützte Rechtsgut abgeschlossen sein kann (vgl. zur gleichgelagerten Frage beim Subventionsbetrug etwa BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578, 579 mwN). Bis zur Beendigung ist nach ständiger Rechtsprechung Beihilfe möglich. Dass die Handlungsakte der Angeklagten die Haupttaten gefördert haben und fördern sollten, steht außer Zweifel (vgl. zum Subventionsbetrug auch Tiedemann in LK StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 37 f.; Schönke /Schröder/Perron, StGB, 28. Aufl., § 264 Rn. 49, jeweils mwN). Ob die Angeklagte im Hinblick auf das kollusive Zusammenwirken der Beteiligten den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) täterschaftlich verwirklicht hat, ist aus den bereits dargelegten Gründen nicht entscheidend.
13
d) Der im Fall 18 bb erteilten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gingen ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 58) falsche Mitteilungen zu einem gesicherten Lebensunterhalt sowie – anspruchsbegründend – zur Ausübung der gemeinsamen Personensorge für das Kind mit dem Scheinvater und damit für das aufenthaltsrechtliche Verfahren allgemein bedeutsame Angaben (BGH, Beschluss vom 2. September 2009 – 5 StR 266/09, BGHSt 54, 140, 146) voraus (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 4 AufenthG; siehe auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. August 2006 – 2 M 228/06). Ähnliches gilt für Fall 24 bb (UA S. 71). In beiden Fällen muss deshalb nicht entschieden werden, ob – für sich genommen – die Geltendmachung einer allein zur Erlangung eines Aufenthaltstitels erfolg- ten und damit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung den Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) erfüllen würde (vgl. dazu OVG Münster, InfAuslR 2013, 23; OLG Hamm, NJW 2008, 1240; Gericke in MünchKomm-StGB, § 95 AufenthG Rn. 101 mwN).
14
e) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Annahme gewerbsund bandenmäßigen Handelns der Angeklagten W. rechtlich nicht zu beanstanden.
15
aa) Dem Zusammenhang der von den Angeklagten verwirklichten Vielzahl von Taten ist ein arbeitsteiliges und von hoher Professionalität geprägtes deliktisches Verhalten im Rahmen internationaler organisierter Schleuserkriminalität zu entnehmen. Das Ausscheiden des Bandenmitglieds L. aus der Ausländerbehörde im Jahre 2007 hat dabei nur dazu geführt , dass die Angeklagte W. zum Teil in dessen Stellung eingerückt ist, wobei aber L. nach den Feststellungen weiterhin im Hintergrund wirkte.
16
bb) Das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit hat das Landgericht aus der Feststellung abgeleitet, dass das Bandenmitglied T. neben weiterer – für einen längeren Zeitraum, wenngleich in eher gering gewichtigem Umfang von der Angeklagten W. eingeräumter – Vorteilsgewährung dieser im Jahr 2010 mehrfach Geldbeträge bis zu 700 € gezahlt hat. Wenn es hieraus und namentlich auch mit Blick auf die mit den Taten für die Angeklagte W. verbundenen hohen persönlichen Risiken den Schluss zieht, dass diese im gesamten Tatzeitraum gegen tatbestandsrelevante Entlohnung gehandelt hat, so hält sich dies im Rahmen zulässiger richterlicher Überzeugungsbildung.
17
3. Der Generalbundesanwalt weist mit Recht darauf hin, dass das Landgericht über den Fall 25 der Anklage nicht entschieden hat, weswegen dieser Fall nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (vgl. BGH, Be- schlüsse vom 11. November 1993 – 4 StR 629/93 – und vom 23. März 2001 – 2 StR 7/01).
18
4. Die Vorschriftenliste ist um das Vergehen des Geheimnisverrats (§ 353b StGB) zu ergänzen.
Basdorf Sander Schneider Dölp König

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.

(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.

(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.

(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 195/12
vom
10. Juli 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
------------------------------
1. Die Grundsätze zur Unzulässigkeit einer bloßen Protokollrüge gelten nicht, wenn
ein Verfahrensfehler behauptet wird, der in seinem Kern darin besteht, dass das
Hauptverhandlungsprotokoll den Inhalt außerhalb der Verhandlung geführter Verständigungsgespräche
nicht wiedergibt. Insoweit hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung
getroffen.
2. Eine entgegen § 273 Abs. 1a StPO fehlende oder inhaltlich unzureichende Dokumentation
von außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächen
im Sinne von § 243 Abs. 4 StPO führt in der Regel dazu, dass das Beruhen
des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12 – LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
3. Juli 2013 in der Sitzung am 10. Juli 2013, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
der Angeklagte T. in der Verhandlung in Person,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 6. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen, Gründungschwindels in zwei Fällen, Bankrotts in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit falscher Versicherung an Eides statt, und wegen Gläubigerbegünstigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachbeschwerde und Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die weiteren Rügen nicht mehr ankommt.

I.

2
Dem Urteil ist eine Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 3 StPO vorangegangen. Im Protokoll der Hauptverhandlung ist ausgeführt: "Der Vorsitzende gab bekannt, dass in der Verhandlungspause eine tatsächliche Verständigung nach § 257c StPO erörtert worden ist. Das Gericht hat für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze von drei Jahren und eine Strafuntergrenze von zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe in Aussicht gestellt. … Die Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmten zu. Die Hauptverhandlung wurde von 12.40 Uhr bis 12.46 Uhr unterbrochen. Der Angeklagte und der Verteidiger erklärten Zustimmung. …"
3
Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, die "formellen Anforderungen an eine Verständigung" seien nicht eingehalten worden, "da insbesondere die erforderlichen Protokollierungsanforderungen nicht beachtet" worden seien. Er trägt vor, anhand des Protokolls müssten zumindest die Fragen beantwortet werden können, von wem die Initiative zur Verständigung ausgegangen sei, ob alle Verfahrensbeteiligten an dem Gespräch beteiligt gewesen und von welchem Sachverhalt sie ausgegangen seien, ferner welche Vorstellungen sie vom Ergebnis der Verständigung gehabt hätten. Das Protokoll besage nichts darüber.

II.

4
Diese Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.
5
1. Das Vorbringen unterliegt der Auslegung. Soweit der Beschwerdeführer Ausführungen im Protokoll zur Mitteilung des Inhalts von Gesprächen mit dem Ziel einer Verständigung vermisst, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt worden waren, geht es der Sache nach um die Nichtbeachtung der §§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO.
6
Nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO, der auf die Auslegung von Verfahrensrügen entsprechend angewendet wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99 u.a., BVerfGE 112, 185, 211), schadet es nicht, dass der Beschwerdeführer nur auf § 257c StPO verweist, denn die Regelungen der §§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO betreffen das Verfahren auf dem Weg zu einer Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 3 StPO. Insoweit ist die Angriffsrichtung des Rügevorbringens eindeutig erkennbar.
7
Das Vorbringen des Beschwerdeführers genügt den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar ist eine Verfahrensrüge im Allgemeinen unzulässig, wenn sich dem Revisionsvorbringen nicht die bestimmte Behauptung entnehmen lässt, dass ein Verfahrensfehler vorliegt, sondern nur, dass er sich aus dem Protokoll ergebe (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 – 4 StR 181/11, StV 2012, 73). Dies kann aber ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn ein Verfahrensfehler behauptet wird, der in seinem Kern gerade darin besteht, dass das Protokoll den Inhalt der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführt wurden, nicht mitteilt. Denn dazu hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung getroffen.
8
Die Herstellung von Transparenz und die Dokumentation aller mit dem Ziel der Verständigung geführten Erörterungen entsprechen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren (VerstStVfÄndG, BGBl. 2009 I, S. 2353; Regierungsentwurf in BT-Drucks. 16/12310). Sie sind Elemente eines einheitlichen Konzepts (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1067 f., Tz. 96 f.). Die Einheitlichkeit dieses Regelungskonzepts hat auch Auswirkungen auf die Darlegungspflichten eines Revisionsführers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sein Vorbringen genügt, wenn Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden und eine Mitteilung des Vorsitzenden über deren wesentlichen Inhalt entweder tatsächlich nicht erfolgt ist oder jedenfalls nicht im Protokoll dokumentiert wurde, bereits dann den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Verfahrensrüge, wenn er nur auf das Fehlen einer Dokumentation hinweist. Denn ein Protokoll, das alleine die Tatsache einer außerhalb der Hauptverhandlung geführten Erörterung oder nur deren Ergebnis mitteilt, ist fehlerhaft, und schon dieser Verfahrensfehler kann erhebliche Auswirkungen auf das Prozessverhalten des Angeklagten entfalten (s. unten II.2.b). Mitteilungs - und Dokumentationsmängel im Hinblick auf die Anforderungen an das Verständigungsverfahren aus den §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO sind dann aber auch im Sinne der Darlegungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gleich zu behandeln.
9
2. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruht.
10
a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen im Sinne der §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, und gegebenenfalls deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu auch Senat , Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13). Diese Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 12; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, § 243 Rn. 18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit sollen nicht nur darüber informiert werden, ob solche Erörterungen stattgefunden ha- ben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfG aaO NJW 2013, 1058, 1065, Tz. 85; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Zur Gewährleistung der Möglichkeit einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Das Fehlen der Protokollierung ist ein Rechtsfehler des Verständigungsverfahrens (vgl. BVerfG aaO NJW 2013, 1058, 1067, Tz. 97); er wird durch das Protokoll der Hauptverhandlung bewiesen.
11
Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob der Dokumentationspflicht nur dann ausreichend Genüge getan worden wäre, wenn der Protokollvermerk verlesen und genehmigt wurde (vgl. § 273 Abs. 3 Satz 3 StPO), wie es sinnvoll sein kann, weil ein erhebliches Interesse des Angeklagten (vgl. unten II.2.b) an der Feststellung des Wortlauts der Mitteilung besteht.
12
b) Ein Mangel des Verfahrens an Transparenz und Dokumentation der Gespräche, die mit dem Ziel der Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden, führt – ebenso wie die mangelhafte Dokumentation einer Verständigung – regelmäßig dazu, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist (vgl. BVerfG aaO NJW 2013, 1058, 1067, Tz. 97).
13
Das Gesetz will die Transparenz der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt werden, durch die Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten herbeiführen. Der Angeklagte als ei- genverantwortliches Prozesssubjekt soll zuverlässig und in nachprüfbarer Form über den Ablauf und Inhalt derjenigen Verständigungsgespräche informiert werden, die außerhalb der Hauptverhandlung – in der Praxis meist in seiner Abwesenheit – geführt wurden. Durch die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO und durch deren Protokollierung gemäß § 273 Abs. 1a StPO wird nicht nur das Ergebnis der Absprache, sondern auch der dahin führende Entscheidungsprozess festgeschrieben und der revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. Die Mitteilung und deren Dokumentation sowie die Nachprüfbarkeit in einem einheitlichen System der Kontrolle sind jeweils Grundlage einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Angeklagten darüber, ob er dem Vorschlag des Gerichts gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustimmt. Für die Entscheidung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der Hauptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner Mitteilungen im Protokoll der Hauptverhandlung unterrichtet. Schon durch das Fehlen der Dokumentation kann das Prozessverhalten des Angeklagten beeinflusst werden.
14
Es mag nicht ausgeschlossen sein, dass der Angeklagte im Einzelfall auch bei fehlerhaftem Hauptverhandlungsprotokoll durch eine ebenso zuverlässige Dokumentation in anderer Weise so unterrichtet wird, dass das Beru- hen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler ausgeschlossen werden kann. Anhaltspunkte dafür liegen hier aber nicht vor.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 2 3 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17. September 2013 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Der Erörterung bedarf lediglich die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge , mit der er eine Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt. Mit dieser Rüge macht der Angeklagte geltend, der Strafkammervorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO zu keinem Zeitpunkt Mitteilung darüber gemacht, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt Verständigungsgespräche im Sinne von § 257c StPO stattgefunden hätten. Tatsächlich habe es derartige Gespräche gegeben. Ein Verteidiger habe mit dem damaligen Vorsitzenden der Strafkammer eine mögliche Haftverschonung des Angeklagten unter Stellung einer Kaution von 50.000 € erörtert. Inhalt der Gespräche sei auch eine mögliche Bewertung des Tatverhaltens des Angeklagten gewesen, auch wenn die erörterten Zumessungserwägungen nicht zu einer Fixierung konkreter Zahlen geführt habe. Eine Vereinbarung hinsichtlich der Haftfrage sei an der Zustimmung der Staatsanwaltschaft gescheitert. Dass über diese Gespräche in der Hauptverhandlung nichts mitgeteilt worden sei, verstoße gegen die Transparenzpflicht aus § 243 Abs. 4 StPO; der vor der Beginn der Hauptverhandlung erfolgte Wechsel in der Person des Vorsitzenden lasse die Pflicht zur Mitteilung im Sinne von § 243 Abs. 4 StPO nicht entfallen. Auf einem solchen Verstoß beruhe regelmäßig auch das Urteil, worauf das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich hingewiesen habe. 1. Die Rüge ist zulässig erhoben. Der Angeklagte hat - wie es nach der Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit der Rüge erforderlich ist (vgl. Beschluss vom 25. November 2014 - 2 StR 171/14, Rn. 4, 6) - vorgetragen, dass und mit welchem Inhalt Erörterungen im Vorfeld der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Es ist - was die Rüge trotz des Vorbringens zu Gesprächen zwischen Verteidigung und Gericht im Ermittlungsverfahren unzulässig machen würde - auch nicht ausgeschlossen, dass es sich um ein auf Verständigung im Sinne von § 257c StPO abzielendes Gespräch gehandelt haben könnte. 2. Die Rüge ist aber unbegründet. Zwar liegt - unabhängig davon, ob es Gespräche im Sinne von § 257c StPO vor der Hauptverhandlung gegeben hat - eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vor, wenn es wie im zugrunde liegenden Fall keine Negativmitteilung gegeben hat (BVerfG NStZ 2014, 592, 593 f.). Sie entfällt auch nicht durch den zum Beginn der Hauptverhandlung erfolgten Wechsel in der Person des Vorsitzenden Richters, der die Mitteilungspflicht des neuen Vorsitzenden unberührt lässt (BGH NJW 2014, 3385). Auf diesem Verstoß aber beruht die angefochtene Entscheidung nicht. Denn es ist unter Berücksichtigung einer dienstlichen Äußerung des ehemaligen Vorsitzenden der Strafkammer, die der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft beigefügt war und der der Angeklagte nicht entgegengetreten ist, ausgeschlossen , dass verständigungsbezogene Gespräche zwischen Verteidigung und Angeklagten geführt worden sind (vgl. zum Beruhensausschluss BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG NStZ 2014, 592, 584; Senat aaO Rn. 5 mwN). Nach der Erinnerung des ehemaligen Vorsitzenden der Strafkammer hat es zwei kurze Gespräche mit einem der Verteidiger des Angeklagten gegeben. Dabei habe es sich nicht um Verständigungsgespräche gehandelt, es sei nicht um die Bewertung des Tatverhaltens des Angeklagten gegangen. Der Verteidiger habe lediglich angefragt, ob aus Sicht der Kammer eine Haftverschonung bei Zahlung einer Kaution möglich sei. Dies sei aus seiner Sicht nicht in Betracht gekommen; für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft eine solche demgegenüber für vertretbar halten sollte, sei in Aussicht gestellt worden, dass sich die Strafkammer dem möglicherweise nicht verschließen würde. Auf der Grundlage dieser dienstlichen Äußerung sind zwischen dem Verteidiger des Angeklagten und dem ehemaligen Vorsitzenden der Strafkammer lediglich Gespräche über eine Haftverschonung bei Kautionsstellung gegeben. Solche Gespräche stellen keine Gespräche dar, über die gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Mitteilung zu machen wäre. Zwar kann die Frage der Fortdauer von Untersuchungshaft grundsätzlich Gegenstand einer Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 2 StPO sein (Senat, BGH NStZ 2014, 219). Erforderlich für ein auf Verständigung abzielendes Gespräch ist aber, dass die Frage der Untersuchungshaft mit einem für das Verfahren bedeutsamen Verhalten des Angeklagten verknüpft ist oder wird. In Betracht kommt auch insoweit ein Geständnis, das regelmäßig Bestandteil einer Verständigung sein soll (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO) und etwa die Verdunkelungsgefahr entfallen lassen kann. Denkbar ist aber auch ein sonstiges, für den Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens bedeutsames Prozessverhalten wie etwa der Verzicht auf Beweis-, Befangenheits-, Unterbrechungs- oder Aussetzungsanträge (vgl. Moldenhauer/Wenske, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 257c, Rn. 22). Das bloße Angebot, eine angemessene Sicherheit im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 4 StPO zu stellen, reicht hierfür nicht. Es erschöpft sich in seiner Bedeutung für die Klärung der Haftfrage und hat keine Auswirkungen auf den weiteren Gang des Verfahrens. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 258/13
vom
25. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2015 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Potsdam vom 14. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO im Ausspruch über das Absehen von der Verfallsanordnung
nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 23 Fällen und versuchten Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass dem Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.193.056,40 Euro die Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte der Senat bereits durch Beschluss vom 17. September 2013 (NStZ 2014, 32) hinsichtlich des angefochtenen Schuld- und Strafausspruchs nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten aufgehoben, weil sie ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt habe (BVerfG, NJW 2014, 3504). Auch die neuerliche Prüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten, die auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist, führt lediglich zur Aufhebung der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO (vgl. insoweit Senat aaO).
2
Der Erörterung bedarf allein die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Der Angeklagte macht geltend, die Strafkammervorsitzende habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben, ob vor der Hauptverhandlung Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Diese Rüge ist jedenfalls unbegründet:
3
1. Soweit die Revision vorträgt, der mit dem Verfahren befasste Staatsanwalt habe während des Ermittlungsverfahrens mit den beiden Verteidigern des Angeklagten und des (ehemals) Mitangeklagten mehrere Gespräche geführt , in denen er bei geständigen Einlassungen als Verfahrensergebnis (jeweils ) eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren und eine Entlassung aus der Untersuchungshaft als angemessen bezeichnet und angekündigt habe, sich beim Gericht durch entsprechende Anträge dafür stark zu machen, handelt es sich um ein Geschehen vor der Anklageerhebung. Schon deshalb werden solche der Regelung des § 160b StPO unterfallende Erörterungen von der Vor- schrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht erfasst, die lediglich „Erörterungen nach §§ 202a, 212“ StPO betrifft.
4
Dass zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach Anklageerhebung noch weitere auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden haben, von denen das Gericht auch nur beiläufig Kenntnis erlangt hat, teilt weder die Revision mit, noch ergibt sich dies aus den eingeholten dienstlichen Äußerungen. Es kommt mithin nicht auf die eher zu verneinende Frage an, ob bei Gesprächen über Strafvorstellungen, die vor Beginn der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft mit der Verteidigung – anders als es die §§ 202a, 212 StPO vorsehen – ohne Beteiligung des Gerichts geführt werden, eine Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO allein durch eine Kenntniserlangung des Gerichts begründet werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115; siehe auch Urteil vom 29. November 2011 – 1 StR 287/11, NStZ 2012, 347, 348; ablehnend KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 36).
5
2. Ebenfalls nicht als mitteilungspflichtige Erörterung einzuordnen ist ein Gespräch des Verteidigers des Mitangeklagten mit dem beisitzenden Richter vor Beginn der Hauptverhandlung. Nach den Darlegungen der Revision hat der Verteidiger angefragt, ob seitens der Strafkammer Interesse an einer Verfahrensabsprache bestehe, und über den Inhalt der Gespräche mit dem Staatsanwalt informiert. Hierzu habe der Richter abweisend reagiert. Dies ist durch die vom Senat im Freibeweisverfahren eingeholte dienstliche Erklärung des beisitzenden Richters im Wesentlichen bestätigt und weiter konkretisiert worden. Danach ist die Anfrage des Verteidigers am Rande eines Telefonats zur organisatorischen Abwicklung einer Aktenrückgabe erfolgt und hat sich auf eine generelle Aufgeschlossenheit der Strafkammer gegenüber Verständigungen nach § 257c StPO bezogen. Er habe sich „nicht bemüßigt gesehen, Erklärungen namens der Kammer abzugeben“, und fürseine Person lediglich erklärt, „dem Rechtsinstitut einer Verständigung nach § 257c StPO wenig abgewinnen“ zu können. Er habe auf die Mitteilung des Verteidigers über eine vom Staatsanwalt in Aussicht gestellte Antragstellung im Rahmen seines Schlussvortrags vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Strafkammer an Anträge der Staatsanwaltschaft zur Höhe etwaiger Strafen nicht gebunden sei.
6
Damit hatte das Telefonat – auch ungeachtet der Frage, ob es sich um eine Erörterung des „Gerichts“ handelte (vgl.BGH, Beschluss vom 20. Okto- ber 2010 – 1 StR 400/10, NStZ 2011, 592, 593) – keinen verständigungsbezogenen Gesprächsinhalt, der eine Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO hätte auslösen können (vgl. Schneider, NStZ 2014, 192, 198). Der beisitzende Richter hat keinen Standpunkt zu einem möglichen Ergebnis des Verfahrens vertreten und kein Verhalten gezeigt, das als Vorbereitung von Verständigungsgesprächen oder gar als Eintritt in ein solches hätte (miss)verstanden werden können. Vielmehr hat er sich für seine Person vorbehaltlos Gesprächen mit dem Ziel einer Verständigung nach § 257c StPO abgeneigt gezeigt und ist auf ein diesbezügliches Ansinnen des Verteidigers, wollte man es in der aus Sicht der Revision „vorfühlenden“ Anfrage überhaupt erkennen, jedenfalls nicht eingegangen.
7
3. a) Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine so genannte Negativmitteilung , wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG, NJW 2014, 3504 f.; anders noch Senat, Beschluss vom 17. September 2013 im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315). Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Ver- fahrensfehler liegt aber nur vor, wenn das Urteil auf der fehlenden Mitteilung beruht. Dies kann auszuschließen sein, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, „in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand“ (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG, NJW 2014, 3504, 3506; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2013 – 4 StR 121/13, NStZ 2013, 541, vom 3. September 2013 – 1 StR 237/13, BGH NStZ 2013, 724, vom 29. Januar 2014 – 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115 und vom 25. November 2014 – 2 StR 171/14, NJW 2015, 266, 267).
8
So verhält es sich hier. Der Senat hat freibeweislich dienstliche Erklärungen von der Vorsitzenden Richterin und dem Berichterstatter sowie dem staatsanwaltschaftlichen Sitzungsvertreter eingeholt. Danach hat es über den dargestellten Kontakt zwischen dem beisitzenden Richter und dem Verteidiger des Mitangeklagten keine Gespräche gegeben, die eine Verständigung zum Gegenstand gehabt hatten. Der Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Erklärungen steht für den Senat außer Zweifel, zumal auch die Revision keinerlei Anhaltspunkte für weitere im Vorfeld der Hauptverhandlung geführte und die Frage einer Verständigung berührende Erörterungen vorgetragen hat. Mithin schließt der Senat sicher aus, dass das angefochtene Urteil auf dem Verstoß gegen die Negativmitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht.
9
b) Ein Beruhen lässt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht damit begründen, dass der Beschwerdeführer sich in dem Glauben befunden habe, es hätten Verständigungsgespräche stattgefunden, und ihn eine Negativmitteilung möglicherweise von der Abgabe seines Geständnisses abgehalten hätte. Den Angeklagten vor dem behaupteten Irrtum zu bewahren, dass eine von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in den Raum gestellte Straferwartung mit dem Gericht abgestimmt worden sei, unterfällt – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, NJW 2014, 3504, 3506) – nicht dem Schutzzweck des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sichert über das Transparenzgebot neben der Kontrolle eines Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14) auch den Informationsgleichstand sämtlicher Verfahrensbeteiligter über Erörterungen in den nicht öffentlich geführten Verfahrensstadien des Zwischen- und des Hauptverfahrens vor Beginn der Hauptverhandlung. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der in der öffentlichen Hauptverhandlung zu erfüllenden Mitteilungspflicht die Konsequenz aus der in §§ 202a, 212 StPO zugelassenen Möglichkeit von Vorgesprächen über eine Verständigung gezogen (siehe BT-Drucks. 16/12310 S. 12), jedoch keine weitergehende Informationspflicht jenseits der von diesen Regelungen erfassten Erörterungen begründet (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 – 32 Ss 87/11, NStZ 2012, 285, 286).
10
Der Schriftsatz vom 23. Februar 2015 hat dem Senat vorgelegen.
Sander Dölp König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR9/15
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2015 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Juli 2014 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 277 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten E. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 256 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt; ferner hat es einen Wertersatzverfall in Höhe von fünf Millionen Euro angeordnet, für den beide Angeklagte gesamtschuldnerisch haften. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und mit Verfahrensrügen.
2
Keines der Rechtsmittel hat Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Näherer Erörterung bedürfen nur die folgenden beiden Rügen einer Verletzung des § 243 Abs. 4 StPO:
3
1. Soweit die Angeklagten geltend machen, der Vorsitzende der Strafkammer habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben, ob vor der Hauptverhandlung Erörterungen stattgefunden hätten, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen sei, ist diese Rüge jedenfalls unbegründet.
4
Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine sogenannte Negativmitteilung , wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG, NJW 2014, 3504 f.). Eine solche Negativmitteilung ist hier nach dem Revisionsvorbringen, das durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft Bestätigung gefunden hat, nicht erfolgt. Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt aber nur vor, wenn das Urteil auf der fehlenden Mitteilung beruht. Dies kann auszuschließen sein, wenn zweifelsfrei fest- steht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, „in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand“ (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG, NJW 2014, 3504, 3506; siehe auch Senat, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 5 StR 258/13 mwN).
5
So verhält es sich hier. Nach der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsgegenerklärung mitgeteilten dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden Richters hat es keine Gespräche gegeben, „die in irgendeiner Weise der Vorbe- reitung einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO gedient hätten.“ Der Wahrheitsgehalt dieser unwidersprochen gebliebenen dienstlichen Erklärung steht für den Senat außer Zweifel, zumal auch die Revisionen keinerlei Anhaltspunkte für weitere im Vorfeld der Hauptverhandlung geführte und die Frage einer Verständigung berührende Erörterungen vorgebracht haben. Vielmehr gibt die Revision des Angeklagten E. eine Erklärung von dessen Instanzverteidigern wieder, selbst an keinem Vorgespräch teilgenommen zu haben.
Soweit der Revisionsverteidiger dieses Angeklagten darüber hinaus die ein- schränkende Äußerung der Instanzverteidiger vorträgt, „(sie) können aber auch nicht ausschließen, dass wenigstens der Versuch einer Verständigung von Verteidigern der Mitangeklagten unternommen worden sei," vermag diese nicht tatsachengestützte Spekulation die Beweiskraft der vom Senat freibeweislich zu verwertenden Äußerung des Vorsitzenden nicht einzuschränken (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 520/14). Ohne sich noch zu eigenen freibeweislichen Erhebungen veranlasst sehen zu müssen, kann der Senat mithin ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem Verstoß gegen die Negativmitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht.
6
2. Die Revisionen rügen weiter, der Vorsitzende der Strafkammer habe entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht vollständig über ein Gespräch außerhalb der Hauptverhandlung unterrichtet, das die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand gehabt habe.
7
a) Den Rügen liegt aufgrund des Revisionsvorbringens, das sich auf eine Erklärung des Instanzverteidigers des Angeklagten E. stützt und im Protokoll in Bezug auf das Geschehen innerhalb der Hauptverhandlung seine Bestätigung findet, sowie aufgrund der in der Revisionsgegenerklärung mitgeteilten dienstlichen Erklärungen des Vorsitzenden Richters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft folgender Verfahrensgang zugrunde:
8
Am 2. Juli 2014, dem 40. Tag der Hauptverhandlung, die nach mehreren Verfahrensabtrennungen und Verurteilungen der früheren insgesamt acht Mitangeklagten nur noch gegen die beiden Angeklagten durchgeführt wurde, fand vor Aufruf der Sache ein Gespräch der Verteidiger beider Angeklagten mit der Strafkammer und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft statt. Voraus- gegangen war die Ankündigung des Vorsitzenden im Zusammenhang mit einem noch unerledigten Antrag auf Akteneinsicht in die Daten auf diversen sichergestellten Datenträgern, dass er hierzu neue Informationen vom LKA habe. Einer der Verteidiger nutzte diese Mitteilung zu der Anfrage, ob die Strafkam- mer bereit sei, „über den weiteren Gang der Verhandlung ein Rechtsgespräch zu führen.“ Zu einem solchen Gespräch war die Strafkammer bereit. Deren Vorsitzender hatte – wie die Revisionen mit einer weiteren Verfahrensrüge vorgetragen haben – an einem früheren Verhandlungstag die Anfrage des Verteidigers eines ehemals Mitangeklagten, ob es bilaterale Absprachen der Strafkammer mit einzelnen Angeklagten gegeben habe, verneint und erläuternd hinzugefügt , seine Kammer sei bekannt dafür, keine Absprachen zu treffen; der beisitzende Richter hatte im Zuge des Verfahrens über Ablehnungsgesuche, die an diese Äußerung anknüpften und in der grundsätzlichen Nichtanwendung des § 257c StPO durch die Strafkammer eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Rechtsanwendungsverweigerung zu Lasten des Angeklagten sahen, erklärt, dass der Vorsitzende damit die Gepflogenheit der Strafkammer zutreffend dargelegt habe.
9
In dem Gespräch vom 2. Juli 2014 beschrieb der Vorsitzende zunächst den Umfang des sichergestellten Datenmaterials, dessen Auswertung sich wohl über Wochen oder Monate hinziehen könne. Die Verteidiger des Angeklagten E. trugen daraufhin vor, der Angeklagte habe wegen einer schweren Erkrankung seines Vaters Interesse an einer schnellen Beendigung des Verfahrens und an einer Haftverschonung. Die Verteidiger suchten mit ihrem Vortrag von der Strafkammer „endlich irgendein Signal zu erhalten“, welches Strafmaß bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten zu erwarten sei. Sie argumentierten unter Würdigung der Einlassung eines ehemals Mitangeklagten zum Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten E. und in Kenntnis der gegen die früheren Mitangeklagten in den abgetrennten Verfahren bereits verhängten Strafen, dass eine Strafe von knapp sieben Jahren für den Angeklagten E. ausreichend sei. Für den Angeklagten S. kündigte dessen Verteidiger an, dass er eine Einlassung zur Sache abgeben wolle. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass für ihn eine Haftverschonung des Angeklagten E. nicht in Betracht komme. Er begründete seine negative Haltung auf Nachfrage der Verteidigung unter anderem damit, dass er die Beweisaufnahme für nahezu abgeschlossen halte und keine weitergehenden Ergebnisse mehr erwarte, selbst wenn das Gericht den bereits gestellten Anträgen der Verteidigung noch nachgehen sollte; ein Geständnis sei für ihn angesichts der bereits erfolgten Verurteilungen der früheren Mitangeklagten ohne Bedeutung. Außerdem verfüge der Angeklagte E. über ausgeprägte Auslandskontakte und er habe aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine höhere Freiheitsstrafe als die gesondert Verfolgten zu erwarten. Im weiteren Verlauf des Gesprächs äußerte der Strafkammervorsitzende, dass von ihm oder den anderen Richtern zur Straferwartung keine Zahlen genannt würden, die Kammer aber ein Geständnis auch jetzt noch zugunsten der Angeklagten bewerten werde. Aus seiner Sicht käme aber für den Angeklagten E. eine Haftverschonung ebenso wenig in Betracht wie eine Strafe in dem von der Verteidigung genannten Bereich. Möglich sei allerdings eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 StPO. Hierüber wurden beide Angeklagte durch ihre Verteidiger unterrichtet.
10
Nach Eintritt in die Verhandlung teilte der Vorsitzende den Inhalt des Gesprächs nicht mit. Zum verzögerten Verhandlungsbeginn wurde im Protokoll der Hinweis aufgenommen, dass „der Aufruf der Sache verspätet (erfolgte), da au- ßerhalb der Hauptverhandlung ein Rechtsgespräch stattfand.“ Der Vorsitzende gab den Inhalt eines Schriftsatzes zu dem Akteneinsichtsgesuch der Verteidiger bekannt. Sodann erklärten die Verteidiger beider Angeklagten die Rücknahme des Akteneinsichtsgesuchs und aller noch nicht beschiedenen Beweisanträge. In seiner anschließenden Einlassung räumte der Angeklagte E. die Ankla- gevorwürfe unter Einschränkung des Tatzeitraums als „im Wesentlichen zutreffend“ ein und machte hierzu weitere Ausführungen. Am folgenden Hauptver- handlungstag endete das Verfahren, nachdem sich zuvor auch der Angeklagte S. noch geständig eingelassen und das Landgericht hinsichtlich der von dem Angeklagten E. nicht eingestandenen Taten das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hatte.
11
b) Die Rügen bleiben ohne Erfolg.
12
aa) Diejenige des Angeklagten S. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
13
bb) Eine Verletzung der Informationspflichten aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO liegt nicht vor.
14
Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende über Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung Mitteilung machen. Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit , Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13,NJW 2014, 2514, 2515 mwN; Beschlussvom 15. April 2014 – 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Mitteilungspflichtig ist danach jedes ausdrückli- che oder konkludente Bemühen um eine Verständigung in Gesprächen, die von den Verfahrensbeteiligten insoweit als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können.
15
Ein verständigungsbezogenes (Vor-)Gespräch ist als Unterfall der „Erörterung des Verfahrensstandes“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310, S. 12) von sonstigen zur Verfahrensförderung geeigneten Erörterungen zwischen den Verfahrensbeteiligten abzugrenzen, wie gesetzessystematisch das Nebeneinander der Bestimmungen der §§ 257b, 257c StPO für Erörterungen innerhalb der Hauptverhandlung zeigt. Während sich § 257b StPO auf kommunikative Elemente beschränkt, die der Transparenz und Verfahrensförderung dienen, aber nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung gerichtet sind, ist diese in § 257c StPO gesondert geregelt (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 13). Als Gegenstände von unverbindlichen Erörterungen , die das Gericht ohne Verständigungsbezug allein als Ausdruck transparenten kommunikativen Verhandlungsstils führen kann, sind als verfassungsrechtlich unbedenklich etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses angesehen worden (BVerfGE 133, 168, 228 Rn. 106). Darüber hinaus hielt der Gesetzgeber auch die Mitteilung einer Ober- und Untergrenze der nach dem Verfahrensstand vorläufig zu erwartenden Strafe durch das Gericht für ein Beispiel einer offenen Verfahrensführung (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 12; siehe auch Schneider, NStZ 2014, 198, zur Bekanntgabe einer Strafmaßprognose als bloßer „Wissenserklärung“), die inzwischen eine selbstverständliche Anforde- rung an eine sachgerechte Prozessleitung ist (BVerfG, aaO).
16
Vor diesem Hintergrund weist hier die Erörterung der Verfahrensbeteilig- ten, die von der Verteidigung selbst als Rechtsgespräch „über den weiteren Gang der Verhandlung“ initiiert worden ist, nachdem bedingt durch ein Akten- einsichtsgesuch der Verteidiger eine erhebliche Verlängerung des fortgeschrittenen Verfahrens zu erwarten war, keinen Verständigungsbezug auf. Zwar ist es den Instanzverteidigern beider Angeklagten nach dem übereinstimmenden Revisionsvorbringen bei dem Gespräch mit der Strafkammer auch darum gegangen , eine Äußerung des Gerichts zur Straferwartung zu erhalten. Diese Intention hat jedoch weder ausdrücklich zu einer Anfrage nach der Möglichkeit einer Verständigung geführt, noch stand eine solche konkludent im Raum. Den Instanzverteidigern war vielmehr die grundsätzlich ablehnende Haltung der Strafkammer gegenüber Verfahrensabsprachen aufgrund der in einem früheren Verfahrensstadium erfolgten und zum Gegenstand eines Befangenheitsantrags gemachten Bemerkung des Vorsitzenden bekannt. Diese Haltung war unverändert geblieben, wie der Vorsitzende mit der seine Stellungnahme einleitenden Bemerkung nachdrücklich klargestellt hat, niemand werde irgendwelche Zahlen von ihm oder den anderen Richtern hören. Außerdem war der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft schon vor der Stellungnahme des Vorsitzenden dem Vortrag der Verteidigung des Angeklagten E. und dessen Wunsch nach einer Haftverschonung – auch für die Verteidigung unmissverständlich – entgegengetreten. Auch insoweit stellte sich die Frage nach einer Verfahrenserledigung durch Verständigung, die eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorausgesetzt hätte (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO), nicht. Die nachfolgenden Äußerungen des Vorsitzenden, die aus der Sicht der Instanzverteidiger des Angeklagten E. ohnehin „sehr vage“ geblieben waren, haben sich daher nicht als Vorbereitung einer Verständigung, sondern nur als Akte eines kommunikativen Verfahrensstils verstehen lassen. Insbesondere hat zwischen seiner Ablehnung einer Haftverschonung des Angeklagten E. und eines von dessen Verteidigung in Erwägung gezogenen Verfahrensergebnisses einerseits und einer von der Verteidigung in den Raum gestellten Ablegung eines Geständnisses andererseits keine Verknüpfung bestanden, wie sie ein Verständigungsverfahren nach § 257c StPO mit dem Gegenseitigkeitsverhältnis von der Zusage eines Strafrahmens (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) und der Abgabe eines Geständnisses bzw. der Zusage sonstigen Prozessverhaltens als Gegenleistung des Angeklagten (§ 257c Abs. 2 StPO) kennzeichnet.
17
Ebenso wenig hat der Hinweis des Vorsitzenden, ein Geständnis auch im fortgeschrittenen Verfahrensstadium noch strafmildernd zu berücksichtigen, einen solchen synallagmatischen Konnex zwischen einem prozessualen Verhalten des Angeklagten und dem Verfahrensergebnis begründet, der zur Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO wegen einer dann im Raum stehenden Verständigungsmöglichkeit führt (BVerfGE 133, 168, 216 Rn. 85). Die allgemein gehaltene Erklärung des Vorsitzenden hat sich erkennbar auf die Stellungnahme des Staatsanwalts zur fehlenden Bedeutung eines Geständnisses angesichts der für ihn vor dem Ende stehenden Beweisaufnahme bezogen. Sie hat insofern eine Selbstverständlichkeit beinhaltet und gehört – wie dargelegt – zum beispielhaften Inhalt unverbindlicher Erörterungen ohne Verständigungsbezug.
18
cc) Nach dem Verfahrensablauf kann der Senat ausschließen, dass eine gesetzeswidrige Absprache angestrebt oder gar getroffen wurde.
Sander Dölp König
Berger Bellay

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 6 3 / 1 3
vom
6. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 6. März 2014 einstimmig

beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 8. Mai 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. Den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landgericht zutreffend als Beweisantrag behandelt. Die Frage, "ob" an der sichergestellten Bekleidung der Angeklagten Schmauchpartikelanhaftungen wie aus dem Lauf der Tatwaffe hätten gefunden werden müssen, stand im Zusammenhang mit der in das Wissen des Sachverständigen gestellten Erkenntnis , es könne die Angeklagte nicht viermal mit dem Revolver geschossen haben , ohne dass an ihrer Kleidung Rückstände von Schmauchpartikeln vorhanden gewesen wären. Die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts bleibt gleichwohl erfolglos, weil das Landgericht die antizipierende Beweiswürdigung im Ablehnungsbeschluss hinreichend dargelegt hat.
2. Die Rüge, der Strafkammervorsitzende habe weder mitgeteilt, ob und ggf. mit welchem Ergebnis Erörterungen stattgefunden hatten, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung i.S.v. § 257c StPO gewesen war (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO), noch habe er im Protokoll vermerkt, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO), ist nicht zulässig erhoben. Um dem Revisionsgericht eine Entscheidung über das Beruhen des Urteils auf einem Verfahrensfehler zu ermöglichen, muss die Revision nicht nur vortragen, ob und ggf. welche Mitteilung der Vorsitzende in der Hauptverhandlung gemacht hat, sondern auch, ob und ggf. mit welchem Inhalt Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO tatsächlich stattgefunden hatten.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 7 1 / 1 4
vom
25. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. November 2014
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 7. Januar 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Misshandlung von Schutzbefohlenen in 14 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen, davon in drei Fällen in vier, in zwei Fällen in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen, in vier Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, davon in zwei Fällen in drei und in einem Fall in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 32 Fällen, davon in einem Fall in vier, in einem Fall in drei und in drei Fällen in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn im Üb- rigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Der Erörterung bedarf lediglich die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO:
3
1. Mit dieser Rüge macht der Angeklagte geltend, der Strafkammervorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO keine Mitteilungen über Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemacht und keine entsprechenden Protokollierungen veranlasst. Damit fehle es an der gebotenen Negativmitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und dem gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erforderlichen Negativattest.
4
2. Die Rüge ist bereits unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, ob überhaupt Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben und welchen Inhalt diese gegebenenfalls hatten (Senatsurteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 318; BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - 3 StR 363/13, NStZ 2014, 419; Allgayer NStZ 2014, 530; offengelassen von BGH, Beschluss vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, NStZ 2013, 724; Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZRR 2014, 115; vgl. dazu auch BVerfG NStZ 2014, 592, 594).
5
a) Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO grundsätzlich die so genannte Negativmitteilung auch dann, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG NStZ 2014, 592, 593 f.; anders noch Senatsurteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315 ff.). Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn das Urteil auf der Nichtmitteilung, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben, beruht. Dies ist dann auszuschließen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben hat (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG NStZ 2014, 592, 594; BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 4 StR 121/13, NStZ 2013, 541; Beschluss vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, BGH NStZ 2013, 724; Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115).
6
b) Vor diesem Hintergrund muss die Revisionsbegründung mitteilen, über welche Kenntnisse und Hinweise bezüglich etwaiger Verständigungsgespräche der Revisionsverteidiger und der Angeklagte - gegebenenfalls nach zumutbarer Einholung entsprechender Auskünfte beim Instanzverteidiger - verfügen (BVerfG NStZ 2014, 592, 594), weil nur so das Revisionsgericht die Beruhensfrage prüfen kann. Fehlt es - wie hier - an entsprechenden Darlegungen und fehlt es auch sonst an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass auf eine Verstädigung gerichtete Gespräche stattgefunden haben, ist eine auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gestützte Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben. Fischer Appl RiBGH Prof. Dr. Schmitt ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Ott Zeng

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.