Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2016 - GSSt 1/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:150716BGSST1.16.0
bei uns veröffentlicht am15.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/16
vom
15. Juli 2016
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Macht ein Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch, so erfordern die Einführung des
Inhalts einer früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch
Vernehmung des Richters, vor dem der Zeuge im Rahmen des die konkrete Tat
betreffenden Ermittlungsverfahrens ausgesagt hat, und die Verwertung des
dadurch gewonnenen Beweisergebnisses, dass der Richter den Zeugen gemäß
§ 52 Abs. 3 Satz 1 StPO über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat; einer
weitergehenden Belehrung bedarf es nicht.
BGH, Beschluss vom 15. Juli 2016 - GSSt 1/16 - LG Köln
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
ECLI:DE:BGH:2016:150716BGSST1.16.0

Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum und Prof. Dr. Fischer, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Dr. Franke, Dr. Schäfer, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Krehl und Gericke am 15. Juli 2016 beschlossen:
Macht ein Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch, so erfordern die Einführung des Inhalts einer früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des Richters, vor dem der Zeuge im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens ausgesagt hat, und die Verwertung des dadurch gewonnenen Beweisergebnisses, dass der Richter den Zeugen gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat; einer weitergehenden Belehrung bedarf es nicht.

Gründe:


1
Die Vorlage betrifft eine verfahrensrechtliche Frage aus dem Bereich der §§ 252, 52 StPO.
2
I. 1. In dem beim 2. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte seine Ehefrau durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Motiv der Tat waren die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler und seine mangelnde Bereitschaft, eine vom Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Landgericht hat insoweit angenommen, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt.
3
Der Angeklagte hat diese Verurteilung mit der Revision umfassend angegriffen. Er hat einen Verstoß gegen die §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO gerügt und die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Zur Begründung der Verfahrensrüge hat er vorgetragen, das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die sie im Ermittlungsverfahren gegenüber einem in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte. Dieser habe die Zeugin zwar über ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO belehrt, nicht aber darüber, dass bei etwaiger späterer Zeugnisverweigerung ihre in der richterlichen Vernehmung gemachten Angaben verwertet werden könnten. Nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe, sei ihre frühere Aussage nicht verwertbar. § 252 StPO enthalte für derartige Fälle ein umfassendes Verwertungsverbot; die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme bei einer richterlichen Vernehmung des Zeugen stehe mit dem Schutzzweck der Vorschrift nicht im Einklang. Jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung auch auf die mögliche Verwertbarkeit von Angaben hinzuweisen.
4
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die erhobene Verfahrensrüge sei unter Bezugnahme auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unbegründet ; die Sachrüge dringe ebenfalls nicht durch.
5
Der 2. Strafsenat beabsichtigt, das landgerichtliche Urteil auf die Revision des Angeklagten aufzuheben. Er hält sowohl die Verfahrens- als auch die Sachrüge für erfolgversprechend. Die §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO seien verletzt. Nach bisheriger Rechtsprechung sei es zulässig, in den Fällen, in denen ein vor der Hauptverhandlung vernommener Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch mache, die richterliche Vernehmungsperson über den Inhalt der Aussage des Zeugen zu vernehmen, die der Zeuge nach Belehrung gemäß § 52 StPO in einer früheren richterlichen Vernehmung gemacht habe. Abweichend hiervon sei eine solche Beweisaufnahme nur dann noch gerechtfertigt, wenn der Zeuge in der zuvor durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden sei, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibe, wenn der Zeuge in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Zeugnisverweigerung Gebrauch mache. Materiellrechtlich sei das Urteil fehlerhaft, weil die Feststellungen das Tatbestandsmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe nicht belegten und deshalb den Schuldspruch wegen Mordes nicht trügen. Er sieht sich durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehindert, der Revision auf die Formalrüge hin stattzugeben.
6
2. Der 2. Strafsenat hatte daher die Absicht erklärt, seine eigene Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.) aufzugeben und gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob diese der beabsichtigten Änderung der bisherigen Rechtsprechung zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten (Beschluss vom 4. Juni 2014 - 2 StR 656/13, NStZ 2014, 596).
7
Hierauf hatten der 1., 4. und 5. Strafsenat mitgeteilt, sie hielten an ihrer der neuen Auffassung des 2. Senats widerstreitenden Rechtsprechung fest (Beschlüsse vom 14. Januar 2015 - 1 ARs 21/14, juris; vom 16. Dezember 2014 - 4 ARs 21/14, NStZ-RR 2015, 48; vom 27. Januar 2015 - 5 ARs 64/14, NStZ-RR 2015, 118). Der 3. Strafsenat hatte geantwortet, seine Rechtsprechung stehe der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats nicht entgegen ; er neige allerdings in der Sache dazu, an der bisherigen Rechtsprechung, wie sie bereits seit Jahrzehnten praktiziert werde, festzuhalten (Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 ARs 20/14, juris).
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Mit Beschluss vom 18. März 2015 hatte der 2. Strafsenat die Sache dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG vorgelegt. Nach einem Hinweis des Großen Senats für Strafsachen, die Vorlage sei unzulässig, weil es an der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage fehle, hatte der 2. Strafsenat diese mit Beschluss vom 24. Februar 2016 zurückgenommen.
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3. Mit Beschluss vom selben Tage hat er die Sache gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG erneut dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:
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"Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines Zeugen , der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur dann zulässig, wenn diese den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweige- rungsrecht, sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hatte?"
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Der 2. Strafsenat hält an seiner Auffassung betreffend die Verfahrensrüge nach den §§ 252, 52 StPO und die Erforderlichkeit einer weitergehenden Belehrung des Zeugen fest. Während er in seinem ursprünglichen Anfragebeschluss dargelegt hatte, die in der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit der Vernehmung einer früheren richterlichen Vernehmungsperson führe zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen , die auch heute noch - trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher erhobenen Einwendungen - gerechtfertigt erscheine und auch nicht zu einer bedenklichen Einschränkung von Zeugenrechten führe (BGH, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 2 StR 656/13, NStZ 2014, 596), hat er demgegenüber in seinem Vorlagebeschluss vom 24. Februar 2016 die Meinung vertreten, die Bedenken schon gegen die grundsätzliche Zulassung einer Verwertung der bei einem Richter getätigten Aussage von aussageverweigerungsberechtigten Zeugen trotz Widerspruchs in der Hauptverhandlung hätten erhebliches Gewicht. Der 2. Strafsenat geht davon aus, dass sich der Große Senat für Strafsachen mit dieser der Vorlagefrage vorgelagerten Grundsatzfrage werde befassen müssen. Zudem hat er nunmehr ausgeführt, aufgrund der nach seiner Ansicht fehlerhaften Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durch das Landgericht könne zwar der Schuldspruch nicht bestehen bleiben. Da es sich insoweit aber nur um einen Wertungsfehler handele, könnten auf die Sachrüge die Feststellungen aufrechterhalten werden. Demgegenüber seien auf die Verfahrensrüge nach der hierzu von ihm vertretenen Auffassung nicht nur der Schuldspruch der landgerichtlichen Entscheidung, sondern weitergehend auch die diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Eines neuen Anfrage- verfahrens nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bedürfe es nicht. Aufgrund der Antworten der übrigen Senate auf den Anfragebeschluss vom 4. Juni 2014 sei als sicher davon auszugehen, dass eine zur Vorlage berechtigende Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG fortbestehe. Außerdem sei ein erneutes Anfrageverfahren wegen der dadurch bedingten Verzögerung des Verfahrens mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar. Schließlich sei die vorgelegte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
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Der Generalbundesanwalt erachtet die Vorlage ebenfalls für zulässig und beantragt zu beschließen:
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"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist zulässig , wenn dieser Richter den Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat. Eine qualifizierte Belehrung über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren ist nicht erforderlich."
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II. Die Vorlegungsfrage ist mit Blick auf das hier Entscheidungserhebliche zu weit gefasst:
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1. Sie differenziert zunächst nicht zwischen den einzelnen Zeugnisverweigerungsrechten und betrifft deshalb nicht nur solche aus persönlichen Gründen nach § 52 StPO, wie sie im vorliegenden Fall allein von Bedeutung sind, sondern darüber hinaus auch diejenigen aus beruflichen Gründen nach den §§ 53, 53a und 54 StPO. Dort ist im Gegensatz zu § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht gesetzlich angeordnet, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte vor jeder Vernehmung über sein diesbezügliches Recht zu belehren ist. Demge- mäß stellt sich bei dieser Personengruppe im Rahmen der Prüfung der Verwertbarkeit einer früheren Aussage nach § 252 StPO die Frage, ob diese - unter anderem - davon abhängig ist, dass der Zeuge noch weiter als nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden ist, nicht in gleicher Weise wie in den Fällen des § 52 StPO. Die Vorlegungsfrage ist somit auf die Fälle der Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen zu beschränken.
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2. Im vorliegenden Fall geht es zudem allein um die Verwertung der Aussage eines Richters, der die Zeugin in dem die konkrete Tat betreffenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, nicht aber in einem sonstigen Verfahren vernommen hat.
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3. Der Große Senat für Strafsachen fasst die Vorlegungsfrage deshalb wie folgt neu:
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"Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines Zeugen , der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch macht, durch Vernehmung des Richters, der den Zeugen im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens vernommen hat, nur dann zulässig, wenn dieser den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hatte ?"
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III. Die Vorlage ist zulässig. Von Bedeutung sind dabei im vorliegenden Verfahren lediglich die folgenden Gesichtspunkte:
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1. Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich in dem im Rahmen des § 132 Abs. 2 und 4 GVG maßgeblichen Sinne.
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a) Sowohl im Falle einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG als auch bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage nach § 132 Abs. 4 GVG ist es für die Zulässigkeit der Vorlage über den jeweiligen Gesetzeswortlaut hinaus erforderlich, dass die Beantwortung der streitigen Rechtsfrage für die abweichende Vorentscheidung und die beabsichtigte Entscheidung ergebnisrelevant und deshalb erheblich ist. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob das Ergebnis des konkreten Revisionsverfahrens als solches durch die Beantwortung der Vorlagefrage durch den Großen Senat für Strafsachen beeinflusst wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 1961 - 2 StR 289/61, BGHSt 16, 271, 278; vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 102; Urteil vom 22. April 1997 - 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 58; Beschlüsse vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 128; vom 17. März 2015 - GSSt 1/14, NJW 2015, 3800; SSW-StPO/Quentin, 2. Aufl., § 132 Rn. 2). Dies ist unter anderem dann nicht der Fall, wenn dem Großen Senat für Strafsachen eine das Verfahren betreffende Rechtsfrage vorgelegt wird und der vorlegende Senat das tatgerichtliche Urteil ohnehin aufgrund eines im Rahmen der erhobenen Sachrüge beachtlichen materiellrechtlichen Fehlers aufheben sowie die Sache an ein neues Tatgericht zurückverweisen will.
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b) Hieran gemessen ist die Entscheidungserheblichkeit in dem hiesigen Verfahren gegeben. Der 2. Strafsenat hat zwar ausgeführt, dass er neben der Verfahrensrüge auch die Sachrüge für erfolgversprechend hält. Anders als in dem ersten Vorlageverfahren in dieser Sache hat er nunmehr jedoch in seinem Vorlagebeschluss ausgeführt, dass unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils auf die Sachrüge zwar den Schuldspruch betreffe, indes die vom Landgericht bisher getroffenen Feststellungen unberührt lasse. Demgegenüber führe die Verfahrensrüge zu einer vollständigen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung einschließlich der vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Hieraus folgt, dass die Revision bei einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf die Verfahrensbeanstandung vollen Erfolg hätte; dann hätte das neue Tatgericht insgesamt neue Feststellungen zu treffen. Bei einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf die Sachrüge wäre die Revision demgegenüber nur teilweise erfolgreich; denn in diesem Fall wäre das neue Tatgericht an die bisherigen Feststellungen gebunden und könnte selbst allenfalls ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende neue Feststellungen treffen. Das konkrete Ergebnis des derzeit anhängigen Revisionsverfahrens und seine Auswirkung auf das weitere Verfahren stehen deshalb nicht unabhängig von der Beantwortung der Vorlegungsfrage bereits fest.
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2. Die Durchführung eines erneuten Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG war nicht notwendig.
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Dabei kann offen bleiben, ob dieses Ergebnis bereits daraus folgt, dass ein entsprechendes Verfahren vor dem ersten Vorlagebeschluss des 2. Strafsenats durchgeführt worden war. Denn jedenfalls sind die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG gegeben. In den dort geregelten Fällen ist die Durchführung eines Anfrageverfahrens nicht erforderlich; dies gilt selbst dann, wenn gleichzeitig eine Divergenzvorlage in Betracht käme (BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 - GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 365 f.; vom 23. August 2007 - 3 StR 50/07, NJW 2007, 3294, 3298. Im Ergebnis ebenso BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 128; vom 13. Januar 1987 - 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 256, 258 zu § 42 IRG; KK-Hannich, StPO, 7. Aufl., § 132 GVG Rn. 16; aA LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 132 GVG Rn. 39; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 132 GVG Rn. 16; SK-StPO/ Frister, 4. Aufl., § 132 GVG Rn. 27; Radtke/Hohmann/Rappert, StPO, § 132 GVG Rn. 19; Ignor/Bertheau, NJW 2008, 2209, 2211). Die vorgelegte Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung; denn sie betrifft - auch in der durch den Großen Senat für Strafsachen präzisierten Fassung - eine in Strafverfahren häufig gegebene Fallgestaltung. Die Entscheidung über sie ist deshalb richtungsweisend für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle und somit für die Rechtsanwendung von zukunftsweisender Bedeutung. Sie ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da zu vermeiden ist, dass in einer derart praxisrelevanten Verfahrensfrage zukünftig unterschiedliche Entscheidungen ergehen.
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IV. Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne.
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Er hält an den in der jahrzehntelangen, gefestigten Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Falles von Bedeutung sind, fest. § 252 StPO enthält - was hier als Vorfrage der Klärung durch den Großen Senat für Strafsachen obliegt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 1994 - GSSt 2 und 3/93, BGHSt 40, 138, 145; vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 200) - kein umfassendes Verwertungsverbot , das die Vernehmung eines Richters über den Inhalt der Aussage eines Zeugen ausschließt, den der Richter in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vor der Hauptverhandlung vernommen hat (hierzu u. 1.). Die Einführung und Verwertung des Inhalts der Bekundungen des Zeugen erfordert , dass der Richter ihn über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO belehrt hat; einer weitergehenden Belehrung auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren bedarf es hierfür nicht (hierzu u. 2.). Für den vorliegenden Fall nicht von Relevanz ist demgegenüber, ob § 252 StPO darüber hinaus insgesamt lediglich das Verbot zu entnehmen ist, die frühere Aussage des Zeugen zu verlesen, mithin ob und gegebenenfalls unter welchen näheren Voraussetzungen die Vorschrift die Einführung der früheren Aussage eines nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen auch durch Vernehmung sonstiger Personen, etwa Polizeibeamter , Staatsanwälte oder Richter, die den Zeugen in einem anderen Verfahren vernommen haben, gestattet oder dies untersagt. Der Große Senat für Strafsachen ist deshalb aus Anlass dieses Verfahrens nicht veranlasst, Vorgaben zu diesen und den sich im Übrigen im Rahmen des § 252 StPO stellenden Rechtsfragen zu machen. Zu deren Klärung durch eine in sich stimmige Gesamtregelung ist vielmehr der Gesetzgeber berufen (hierzu u. 3.). Im Einzelnen:
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1. § 252 StPO verbietet es nicht, den Ermittlungsrichter in der Hauptverhandlung zu den Angaben eines Zeugen zu vernehmen, die der Zeuge vor dem Richter gemacht hat, nachdem er über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden war.
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a) Das bisherige Verständnis des Regelungsgehalts des § 252 StPO ist in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich.
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aa) Das Reichsgericht hat dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend in zahlreichen Entscheidungen die Norm dahin ausgelegt, sie enthalte lediglich ein Verlesungs-, nicht aber ein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot (vgl. etwa RG, Urteile vom 1. November 1881 - Rep. 2453/81, RGSt 5, 142, 143; vom 26. Mai 1887 - Rep. 1002/87, RGSt 16, 119, 120; vom 21. November 1901 - Rep. 4486/01, RGSt 35, 5; vom 5. Mai 1914 - II 331/14, RGSt 48, 246; vom 23. Mai 1938 - 2D 188/38, RGSt 72, 221, 222).
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Hiervon abgewichen ist sodann der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone, der entschieden hat, ein Polizeibeamter dürfe über frühere Aussagen eines Zeugen nicht vernommen werden, wenn dieser in der Hauptverhandlung berechtigterweise die Aussage verweigert (OGH, Urteil vom 5. März 1949 - StS 131/48, OGHSt 1, 299).
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Dem hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen, allerdings weiterführend bereits in einer sehr frühen Entscheidung mit ausführlicher Begründung dahin erkannt, dass über den Inhalt einer Aussage, die der Zeuge bei einer früheren richterlichen Vernehmung nach Hinweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemacht hat, durch Vernehmung des Richters Beweis erhoben werden dürfe (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99). In der Folgezeit ist diese Rechtsprechung fortgesetzt und für bestimmte Fallgestaltungen weiterentwickelt worden (vgl. etwa Urteile vom 14. Oktober 1959 - 2 StR 249/59, BGHSt 13, 394; vom 2. Mai 1962 - 2 StR 132/62, BGHSt 17, 324). Der Bundesgerichtshof hat an ihr auch festgehalten, nachdem durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I, S. 1067) die Vorschrift des § 163a Abs. 5 StPO aF eingeführt wurde und auch die Staatsanwaltschaft und die Polizei verpflichtet wurden, die Zeugen über ihr Recht nach § 52 StPO zu belehren (BGH, Urteil vom 14. März 1967 - 5 StR 540/66, BGHSt 21, 218; vgl. auch etwa BGH, Urteile vom 16. März 1977 - 3 StR 327/76, BGHSt 27, 139; vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 29; vom 20. März 1990 - 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385).
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Somit enthält § 252 StPO nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über seinen Wortlaut hinaus nicht nur ein Verlesungs -, sondern auch ein Verwertungsverbot. Dieses schließt in der Regel auch die Feststellung des Inhalts der früheren Aussage durch andere Beweismittel und damit jede Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage eines Zeugen aus, wenn dieser in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Deren Einführung durch Aussage einer früheren Vernehmungsperson ist danach ebenfalls grundsätzlich unzulässig. Von diesem Verbot sind allerdings solche Bekundungen ausgenommen, die ein Zeuge nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht im Bewusstsein der Bedeutung und Tragweite dieses Rechts vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (vgl. aus neuerer Zeit etwa BGH, Urteile vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 345; vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 195; vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 76 f.; Beschluss vom 13. Juni 2012 - 2 StR 112/12, BGHSt 57, 254, 256 jeweils mwN).
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Die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen hat der Bundesgerichtshof in älteren Entscheidungen damit begründet , dass der Richter - anders als nach damaliger Rechtslage ein Polizeibeamter oder Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des § 163a Abs. 5 StPO aF (§ 163 Abs. 3 StPO nF) am 1. April 1965, der - gegebenenfalls i.V.m. § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO - auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, sieht die Rechtsprechung demgegenüber das tragende Argument für die unterschiedliche Behandlung darin, dass das Gesetz - wie § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu entnehmen sei - richterlichen Vernehmungen allgemein höheres Vertrauen entgegenbringe (BGH, Urteile vom 14. März 1967 - 5 StR 540/66, BGHSt 21, 218, 219; vom 20. März 1990 - 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung einer richterlichen Vernehmungsperson mit der für den Zeugen erkennbar erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren begründet (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77). Daneben hat der Bundesgerichtshof wesentlich auf eine Güterabwägung abgestellt. Danach ist im Falle eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in einer richterlichen Vernehmung das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 346; vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 195 f.; vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 14).
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Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung, "qualifiziert" zu belehren (BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.; Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36). Der 2. Strafsenat hat dies seinerzeit mit der Erwägung begründet, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.). Ergänzend hat der 4. Strafsenat angeführt, für die Annahme einer solchen Belehrungs - oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
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bb) Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung nicht beanstandet und betont, der Ermittlungsrichter sei in besonderer Weise geeignet - und vom Gesetzgeber dafür vorgesehen -, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn. 4).
36
cc) Die Auffassung des Bundesgerichtshofs hat im Schrifttum seit jeher zum Teil Zustimmung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 252 Rn. 14; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 252 Rn. 22 ff.; KMR-Paulus, § 252 Rn. 20 ff.; BeckOK-StPO/Ganter, StPO, § 252 Rn. 25 ff.; Krey, Gedächtnisschrift Meyer, S. 239, 242 f.; Bosch, Jura 2012, 33, 35; in der Sache ebenso Frister, Festschrift Fezer, S. 211, 223 f.), überwiegend jedoch Kritik (vgl. etwa LR/Sander/ Cirener, StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 10: "kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung" ) erfahren, wobei die diesbezüglichen Meinungen der Literatur nicht einheitlich sind. Zum Teil wird angeführt, die Rechtsprechung habe die von ihr im Verhältnis zur Legislative einzuhaltenden Grenzen überschritten (vgl. aus neuerer Zeit etwa El-Ghazi, JR 2015, 343, 344 f.; Neumann, ZIS 2016, 121, 122 ff. jeweils mwN). In der Sache wird im Wesentlichen teilweise die Ansicht vertreten, § 252 StPO statuiere ein umfassendes Verwertungsverbot, das auch die Einführung der früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des Richters umfasse, vor dem der Zeuge ausgesagt hat (HK-StPO/Julius, 5. Aufl., § 252 Rn. 2; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 252 Rn. 4; MüKoStPO/Ellbogen, § 252 Rn. 49; Radtke/Hohmann/Pauly, StPO, § 252 Rn. 25; Eschelbach, Festschrift v. Heintschel-Heinegg, S. 147, 154; El-Ghazi, JR 2015, 343, 345 f.; Fezer, JuS 1977, 669, 671; Geppert, Jura 1988, 363, 370; Grünwald, JZ 1966, 489, 497; Hanack, JZ 1972, 236, 238; Geerds, JuS 1991, 199, 201; Eb. Schmidt, JR 1959, 369, 373; Welp, JR 1996, 76, 78; Degener, StV 2006, 509, 512). Insbesondere nach der Einführung der Belehrungspflicht auch bei polizeilichen und staatsanwaltlichen Vernehmungen meint ein anderer Teil des Schrifttums, die Unterscheidung zwischen richterlichen und sonstigen Vernehmungspersonen sei nicht tragfähig zu begründen, und vertritt unter Betonung des Wortlauts der Norm die Auffassung, die frühere Aussage des Zeugen könne durch Vernehmung jedweder Vernehmungsperson, die den Zeugen ordnungsgemäß nach § 52 StPO belehrt hat, in die Hauptverhandlung eingeführt werden (Kohlhaas, NJW 1965, 1254, 1255; ders., DRiZ 1966, 286, 290 f.; Nüse, JR 1966, 281, 282 f.; Rogall, Festschrift Otto, S. 973, 987; Bosch, Festschrift v. Heintschel-Heinegg, S. 65, 73 ff.; Qian Li, Das Beweisverbot des § 252 StPO, S. 207). Teilweise wird auch mit dem vorlegenden Senat eine Ausdehnung der Belehrungsformel befürwortet (Bosch, Festschrift v. HeintschelHeinegg , S. 65, 75 ff.; Neumann, ZIS 2016, 121, 127 ff.; im Ergebnis offen etwa LR/Sander/Cirener, StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 10; SSW-StPO/Kudlich/Schuhr, 2. Aufl., § 252 Rn. 20).
37
b) Die Auslegung des § 252 StPO führt zu einem Verständnis der Norm, das der Vernehmung eines Ermittlungsrichters, vor dem der zeugnisverweigerungsberechtigte , hierüber belehrte Zeuge ausgesagt hat, nicht im Sinne eines umfassenden Verwertungsverbots entgegen steht.
38
aa) Ein Verbot, den Inhalt einer früheren Aussage eines Zeugen, der nach § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, dadurch in die Hauptverhandlung einzuführen, dass der Richter, der den Zeugen in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vernommen hat, zum Gehalt der betreffenden Aussage gehört wird, folgt zunächst nicht aus dem - insoweit eindeutigen - Wortlaut der Norm. Nach diesem ist es vielmehr lediglich untersagt , die frühere Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung zu verlesen, mithin sie durch Verlesung des hierüber erstellten Protokolls zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung einzuführen. Dieses Wortverständnis steht mit dem sonstigen Sprachgebrauch der Strafprozessordnung im Einklang, wie er etwa in § 249 StPO Eingang gefunden hat und liegt auch in anderem Zusammenhang der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde (vgl. etwa BGH, Urteile vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 205; vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 345; vom 10. Februar 2000 - 4 StR 616/99, BGHSt 46, 1, 3).
39
bb) Die Beachtung der Gesetzessystematik führt zu demselben Ergebnis.
40
(1) § 252 StPO ist in die Vorschriften zum Urkundenbeweis (§§ 249 ff. StPO) eingestellt. Deren Regelungsgegenstand ist die Beweiserhebung gerade durch Verlesung von Urkunden in der Hauptverhandlung oder ihrer Einführung im Selbstleseverfahren. In den dadurch begründeten Sachzusammenhang wür- de sich § 252 StPO nicht bruchlos einfügen, wollte man ihm ein Verwertungsverbot bezüglich der Vernehmung eines Richters über eine vor ihm getätigte Aussage eines nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen entnehmen. Der unter systematischen Gesichtspunkten passende Standort für ein derartiges Verbot läge eher bei den §§ 52 ff. StPO, welche die inhaltlichen Regelungen zu den Zeugnisverweigerungsrechten enthalten.
41
(2) § 252 StPO erlangt jedenfalls nach heutiger Rechtslage nicht nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn man ihm ein Verwertungsverbot in dem dargelegten Sinne entnimmt; die Norm geht insbesondere über den Regelungsgehalt des § 250 Satz 2 StPO hinaus. Zwar ist bereits dort bestimmt, dass die Vernehmung eines Zeugen nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden darf. Von diesem Grundsatz macht jedoch § 251 StPO Ausnahmen. Mit Blick auf die Verlesungsmöglichkeiten nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 StPO dürften somit ohne die Bestimmung des § 252 StPO Niederschriften über die vormalige Vernehmung des Zeugen, der in der Hauptverhandlung erstmals von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, bei einem Einverständnis der Verfahrensbeteiligten verlesen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2007 - 4 StR 345/06, BGHSt 51, 280 ff.; vom 29. August 2001 - 2 StR 266/01, NJW 2002, 309, jeweils zu § 55 StPO; s. auch BGH, Urteile vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99, 102; vom 12. Juli 1956 - 4 StR 236/56, BGHSt 10, 77, 78 f.).
42
(3) Hinzu kommt, dass die Strafprozessordnung der Zeugenvernehmung durch einen Richter an verschiedenen Stellen eine besondere Bedeutung einräumt. Dies zeigt sich etwa in § 251 Abs. 2 StPO, der die Verlesung von Niederschriften über eine richterliche Vernehmung auch in Fällen zulässt, in denen § 250 Satz 2, § 251 Abs. 1 StPO dies bei sonstigen Vernehmungsprotokollen nicht erlauben. Gemäß § 168c Abs. 2 StPO ist bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet; hieraus resultieren auch entsprechende Fragerechte. Eine entsprechende Regelung für nichtrichterliche Vernehmungen besteht nicht. Zudem ist nur ein Richter befugt, eine eidliche Vernehmung vorzunehmen (§ 161a Abs. 1 Satz 3 StPO). Deshalb kann sich ein Zeuge wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) oder Meineids (§ 154 StGB) nur strafbar machen, wenn er von einem Richter, nicht aber wenn er von einem Polizeibeamten oder Staatsanwalt vernommen wird.
43
cc) Der Wille des Gesetzgebers steht jedenfalls einem Verständnis des § 252 StPO im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, soweit für die vorliegende Fallgestaltung relevant, nicht entgegen.
44
(1) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift enthält keine deutlichen Hinweise darauf, dass der Wille des historischen Gesetzgebers dahin ging, einen allumfassenden Schutz der Aussagefreiheit des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen sicherzustellen. Als Indiz für den gesetzgeberischen Willen kommen im Wesentlichen allein Äußerungen von Abgeordneten in der zweiten Plenarberatung in Betracht, deren Bedeutung für die vorliegende Fallgestaltung sich allerdings nicht ohne Weiteres erschließt.
45
Die Entwürfe zur Reichsstrafprozessordnung enthielten ursprünglich keine dem § 252 StPO entsprechende Vorschrift. Eine Bestimmung dieses Inhalts konnte als praktisch überflüssig angesehen werden, weil die Verlesung der Niederschrift über eine außerhalb der Hauptverhandlung getätigte Zeugenaussage bereits nach dem heutigen § 250 Satz 2 StPO212 des Entwurfs) unzu- lässig gewesen wäre und ein Fall der - enger als der heutige § 251 StPO gefassten - Ausnahmevorschrift des § 213 des Entwurfs nicht vorlag (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 3, Abteilung 1, 2. Aufl., S. 856 f.). Die Aufnahme einer § 252 StPO entsprechenden Norm (§ 213a des Kommissionsentwurfs) ging auf Beratungen der Reichsjustizkommission zurück. In deren Verlauf wurde der ergänzende Antrag gestellt, eine Verlesungsmöglichkeit unter anderem auch für Aussagen von Zeugen zu schaffen, die erst in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen (vgl. Hahn, aaO, S. 856). Dies stieß auf Widerspruch und führte zu der gegenläufigen Initiative eines Abgeordneten, eine Regelung im Sinne des heutigen § 252 StPO aufzunehmen. In der Beratung wurde auf die Entbehrlichkeit einer solchen Bestimmung im Blick auf die ohnehin gegebene Unzulässigkeit der Verlesung bei Annahme des (ursprünglichen) Entwurfs hingewiesen. Gleichwohl hielt der Abgeordnete an seinem Antrag fest und betonte, dass er auch dann "großes Gewicht darauf lege, diesen Satz im Gesetze auszudrücken" (vgl. Hahn, aaO, S. 858; vgl. auch ders., aaO, Abteilung 2, 2. Aufl., S. 1621, 1657, 1901 ff.).
46
Die Frage, ob die Vernehmung einer Verhörsperson zulässig sei, wurde im Gesetzgebungsverfahren nur ein einziges Mal angesprochen. In der zweiten Plenarberatung machte der Abgeordnete L. geltend, dass die "historisch gewordene Tatsache" der vormaligen Aussage des Zeugen dem weiteren Verfahren zur Wahrheitsermittlung zur Verfügung gestellt werden müsse. Weiter trug er das "formelle Bedenken" vor, dass bei Annahme des Kommissionsantrags eine Vernehmung von Verhörspersonen über die Aussage nicht ausgeschlossen sei. Außerdem lasse sich nicht verhindern, dass die Aussage in den Schlussvorträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung wiedergegeben oder im Beratungszimmer durch "einen Blick in die Akten" festgestellt werde (vgl. Hahn, aaO, S. 1901). Der Berichterstatter S. wandte daraufhin ein, dass jede Gesetzgebung aufhöre, wenn durch derartige Manipulationen "der Gedanke und die Vorschrift des Gesetzes illusorisch gemacht werden" könnten und dürften; die Gesetze müssten "von den Beamten in einer Weise gehandhabt werden, dass der Sinn, den der Gesetzgeber damit verbunden hat, respektiert" werde (Hahn, aaO, Abteilung 2, S. 1902). Im Einzelnen griff er als "Manipulation" die - gegen den heutigen § 261 StPO sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßende - Einführung und Verwertung des Inhalts der Aussage über die Schlussvorträge sowie durch Aktenstudium im Beratungszimmer an und befasste sich nicht weiter mit der Vernehmung der Verhörsperson (vgl. auch Rogall, Festschrift Otto, S. 973, 978).
47
Somit bleibt unklar, inwieweit die Äußerungen des Berichterstatters S. als Erwiderung auf den Abgeordneten L. sich überhaupt auf die Möglichkeit der Vernehmung einer Verhörsperson beziehen. Dies erhellt sich auch nicht durch den weiteren Verlauf der Beratungen, denn in diesen wurde die betreffende Frage nicht mehr angesprochen. Die dem heutigen § 252 StPO entsprechende Vorschrift wurde schließlich in der von der Reichsjustizkommission vorgeschlagenen Fassung unverändert angenommen (vgl. Hahn, aaO, S. 1903).
48
(2) Auch ein - mit Blick auf den Zeitablauf im Vergleich zu den Intentionen des historischen Gesetzgebers ohnehin bedeutsamerer - Wille des aktuellen Gesetzgebers, § 252 StPO dahin zu verstehen, dass dieser es verbietet, richterliche Vernehmungspersonen in der Hauptverhandlung als Zeugen zu hören , ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hat ersichtlich bislang über mehrere Jahrzehnte keinen Anlass gesehen, die Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung zu korrigieren. Auch bei der Einführung des § 255a StPO, der die Möglichkeit einräumt, Bild-Ton-Aufzeichnungen einer Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung vorzuführen, hat er keinen Anlass gesehen, § 252 StPO zu modifizieren, obwohl der in § 255a Abs. 1 StPO enthaltene Verweis auf § 252 StPO dazu führt, dass die Videoaufzeichnung und damit das qualitativ höherwertige Beweismittel nicht verwertet werden darf, während nach der von der Rechtsprechung zu § 252 StPO vertretenen Auffassung der Rückgriff auf die Aussage des Richters über den Vernehmungsinhalt gestattet ist. Der Gesetzgeber hat sogar nicht reagiert, nachdem die Rechtsprechung ausdrücklich auf diesen Wertungswiderspruch hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 76 f.). Der derzeit vorliegende, auf der Grundlage des Berichts einer vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten Kommission erarbeitete Referentenentwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 27. Mai 2016 sieht ebenfalls keine Veränderung des § 252 StPO vor. Dieses langjährige Schweigen des Gesetzgebers kann zwar nicht ohne Weiteres als Zustimmung zu dem Normverständnis der Rechtsprechung gewertet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1988 - 1 BvL 23/86, BVerfGE 78, 20, 25). Seinem Verhalten ist bei einer Gesamtwürdigung jedoch zu entnehmen, dass er die derzeitige Normanwendungspraxis, wie sie sich insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darstellt, jedenfalls nicht beanstandet.
49
dd) Sinn und Zweck der §§ 52, 252 StPO sprechen im Ergebnis ebenfalls nicht dagegen, in den Fällen des § 252 StPO die Vernehmung des Richters in der Hauptverhandlung über die vor ihm getätigte Zeugenaussage zuzulassen.
50
(1) § 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, sei- nen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Die Norm soll folglich in erster Linie den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den Besonderheiten der Vernehmungssituation entstehen, insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und andererseits durch die sozialen Pflichten, die aus der persönlichen Bindung gegenüber dem Beschuldigten bzw. Angeklagten erwachsen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1958 - GSSt 3/58, BGHSt 12, 235, 239; Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 207 mwN). Dieser Gesichtspunkt wird allerdings bei der Einvernahme eines Richters über den Inhalt einer früher vor ihm getätigten Zeugenaussage weitaus weniger berührt, als in den Fällen, in denen der Zeuge selbst aussagen soll. Nach verbreiteter Ansicht erweitert § 252 StPO allerdings den durch § 52 StPO gewährten Schutz des Zeugen dadurch, dass die Norm diesem die Möglichkeit sichert, eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung folgenlos wieder rückgängig machen zu können, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe der Zeuge wiederum dem Spannungsfeld zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis ausgesetzt wäre (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 25. September 2003 - 2 BvR 1337/03, NStZ-RR 2004, 18, 19).
51
(2) Diesem Schutz des Zeugen steht jedenfalls die Wahrheitsfindung als zentrales Anliegen des Strafprozesses und deshalb als Gesichtspunkt, der auch bei der an Sinn und Zweck der Norm orientierten Auslegung des § 252 StPO nicht außer Betracht bleiben darf, gegenüber. Die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten - zu denen auch die hier vorliegende zählt - stellt einen wesentlichen Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens dar (vgl. BVerfG, Urteile vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99, BVerfGE 109, 279, 336; vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 199, jew. mwN). Bei angemessener Beachtung dieses Spannungsverhältnisses und Ab- wägung der gegenläufigen Belange (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn. 4; BGH, Urteile vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99, 105; vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 345; vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 195) gebietet § 252 StPO es jedenfalls nicht, dem Schutz des Zeugen einen quasi absoluten Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung einzuräumen.
52
ee) Mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen trägt das dargelegte Verständnis des § 252 StPO schließlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn. 4).
53
2. Die Verwertung der Erkenntnisse aus der früheren ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Zeugen setzt eine über den Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO hinausgehende Belehrung nicht voraus; der Zeuge muss insbesondere nicht darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeit besteht, den vernehmenden Richter im weiteren Verfahren zu der Aussage des Zeugen zu hören.
54
a) Die Strafprozessordnung sieht in § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 163 Abs. 3 Satz 1, § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO, lediglich vor, dass der zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigte Zeuge über dieses Recht zu belehren ist. Dabei ist dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungsrechts zu vermitteln, ohne dass auf seine Entschließungsfreiheit eingewirkt wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 52 Rn. 26 mwN). Weitere, im vorliegenden Zusammenhang relevante Belehrungspflichten enthält das Gesetz nicht. Nach seiner - etwa auch bei § 55 Abs. 2 StPO deutlich werdenden - Konzeption gehört es insbesondere nicht zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Zeugen, dass dieser auch darüber informiert wird, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn er zunächst aussagt , später jedoch von seinem Weigerungsrecht Gebrauch macht.
55
b) Es besteht kein Anlass, über die geltende Gesetzeslage hinaus die Vernehmung eines Richters zum Inhalt einer vor ihm getätigten Zeugenaussage von einer weiteren Belehrung des Zeugen abhängig zu machen.
56
aa) Ausdrückliche Belehrungen über die Möglichkeit, Angaben von Verfahrensbeteiligten im weiteren Verfahren zu verwerten, sind dem deutschen Strafprozessrecht auch in anderen Konstellationen fremd.
57
(1) Dies zeigt zunächst die Regelung des § 52 Abs. 3 Satz 2 StPO. Die Vorschrift ermöglicht es dem Zeugen, einen Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht auch noch während der Vernehmung zu widerrufen. Die Vernehmung darf in diesem Fall nicht durch- bzw. fortgeführt werden. Was der Zeuge vor dem Widerruf ausgesagt hat, kann allerdings verwertet werden (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99, 107; Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteile vom 9. September 1987 - 3 StR 307/87, NJW 1988, 716; vom 28. Januar 2004 - 2 StR 452/03, NJW 2004, 1466, 1467). Die Norm dient somit ersichtlich dem Zeugenschutz und regelt eine den Fällen des § 252 StPO ähnliche Konstellation, ohne allerdings eine über den Inhalt des § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO hinausgehende Belehrung vorzusehen. Der wesentliche Unterschied zu Fällen der vorliegenden Art besteht lediglich in dem Zeitpunkt des Sinneswandels des Zeugen. Während dieser bei § 52 Abs. 3 Satz 2 StPO in der laufenden Vernehmung eintreten muss, erfasst § 252 StPO diejenigen Fälle, in denen sich der zuvor vernommene Zeu- ge erst in der Hauptverhandlung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft. Es erscheint nicht sachgerecht, allein wegen dieses Umstands die Frage des Inhalts der erforderlichen Belehrung unterschiedlich zu beurteilen.
58
(2) Gegen die Notwendigkeit einer im Sinne des vorlegenden Senats erweiterten Belehrung streitet auch der Vergleich mit der Rechtslage bei einem Beschuldigten. Dessen Aussagefreiheit und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung sind in der Verfassung verankert. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 201 mwN; BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 - GSSt 1/96, BGHSt 42, 139, 151 f.). Hieraus folgt allerdings nur, dass er über seine Aussagefreiheit als solche in Kenntnis gesetzt werden muss (vgl. BVerfG, aaO). Dementsprechend regelt § 136 Abs. 1 Satz 2 ff. StPO - soweit hier von Bedeutung -, dass der Beschuldigte darauf hinzuweisen ist, es stehe ihm frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Lässt er sich daraufhin zur Sache ein, können seine Angaben später jedenfalls durch Zeugnis der Vernehmungsperson in das weitere Verfahren eingeführt und verwertet werden, auch wenn er sich in der Zwischenzeit entschlossen hat, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine polizeiliche, staatsanwaltliche oder richterliche Vernehmungsperson handelt. Trotz des hohen Ranges und des großen Gewichts des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit ist eine ausdrückliche Belehrung über diesen Umstand nicht erforderlich. Es würde zu einem Wertungswiderspruch führen, wollte man für einen zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen, dessen Schutz zwar ebenfalls von großer, keinesfalls aber höherer Bedeutung ist als derjenige des Beschuldigten, eine entsprechende Belehrung verlangen.
59
(3) Die Fälle, in denen die Rechtsprechung eine über den Gesetzeswortlaut des § 136 Abs. 1 Satz 2 ff. StPO hinausgehende sog. qualifizierte Belehrung verlangt, unterscheiden sich grundlegend von der Konstellation bei einem sich erst in der Hauptverhandlung zum Gebrauch des Zeugnisverweigerungsrechts entschließenden Zeugen. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen zunächst ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht gegeben ist, der Beschuldigte aber später erneut vernommen wird. Dann ist der Beschuldigte über den Regelungsgehalt des § 136 Abs. 1 Satz 2 ff. StPO hinaus auch darauf hinzuweisen, dass wegen der bisher fehlerhaften bzw. unterbliebenen Belehrung die vorangehenden Angaben unverwertbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 115). In diesen Fällen dient die sog. qualifizierte Belehrung somit dazu, einen anlässlich einer früheren Vernehmung zu Tage getretenen Verfahrensfehler zu korrigieren, mithin die Möglichkeit seiner Fortwirkung zu beseitigen und so den Einfluss des früheren Fehlers auf die neuen Angaben möglichst auszuschließen. Demgegenüber geht es hier darum, ob ein Zeuge über die Möglichkeit der künftigen Verwertung seiner - als solchen ordnungsgemäß zustande gekommenen - Aussage zu informieren ist.
60
(4) Soweit der Bundesgerichtshof im Übrigen Belehrungspflichten auch ohne eine ausdrückliche diesbezügliche gesetzliche Regelung anerkannt hat, betrifft dies insbesondere Fälle gesetzlich nicht bzw. nicht näher geregelter Befragungen , z.B. vor der Exploration einer Aussageperson durch einen Sachverständigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 1989 - 4 StR 201/89, BGHSt 36, 217, 220; vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 208 f.). Auch diese Fälle weisen zu der hiesigen Konstellation wesentliche Unterschiede auf.
61
bb) Es ist nicht davon auszugehen, dass die in der bisherigen Rechtsprechung vertretene Ansicht zum notwendigen Belehrungsinhalt dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Dieser hatte auch insoweit in Kenntnis der jahrzehntelangen Rechtspraxis ausreichend - z.B. bei der Einführung der Belehrungspflicht bei polizeilichen Vernehmungen oder des § 255a StPO - Gelegenheit , die Belehrungsregelungen etwa im Sinne des Anliegens des anfragenden Senats zu modifizieren. Dies hat er bislang jedoch unterlassen.
62
cc) Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. d EMRK erfordern eine über § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO hinausgehende Belehrung ebenfalls nicht. Diese Regelungen stehen auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Verwertung von im Ermittlungsverfahren erlangten Zeugenaussagen , wenn die Zeugen in der Hauptverhandlung berechtigterweise schweigen, nicht entgegen, sofern der Beschuldigte bzw. Angeklagte ausreichend Gelegenheit hatte, die Bekundungen in Zweifel zu ziehen. Eine besondere Belehrung des Zeugen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrung eines insgesamt fairen Verfahrens nicht für geboten erachtet (vgl. EGMR, Urteil vom 19. Juli 2012 - 26171/07, NJW 2013, 3225, 3226).
63
dd) Weiter ist für den hier vorliegenden Fall der richterlichen Vernehmung in dem konkreten Ermittlungsverfahren von Belang, dass dem Zeugen wegen deren für ihn erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung für das Verfahren nach der Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen steht, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit, eine nahestehende Person belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen, durch Gebrauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber, falls er aussagt, diese Angaben vor einem Richter nicht ohne Weiteres wieder beseitigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77). Um ihm die Tragweite und Endgültigkeit seiner Angaben zu verdeutlichen, bedarf es deshalb jedenfalls bei einer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter keines Hinweises zur Verwertbarkeit der Aussage. Seinen von § 252 StPO wie dargelegt nicht absolut geschützten Interessen wird somit in Fällen der hier vorliegenden Art bereits durch die Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO in ausreichender Weise Rechnung getragen. Weitergehendes ist auf der Grundlage des geltenden Rechts zur sachgerechten Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht erforderlich.
64
3. Der Große Senat für Strafsachen weist abschließend darauf hin, dass mit dieser Entscheidung nur ein Teil der sich bei der Anwendung des § 252 StPO ergebenden Fragen geklärt ist. Wie dargelegt bestehen über die Vorlagefrage hinaus in dem derzeitigen Normengefüge Wertungswidersprüche, etwa zwischen § 252 StPO und § 255a StPO. Strafverfahren, bei denen der Regelungsbereich der §§ 52, 252 StPO betroffen ist, gehören - z.B. wenn sie Fälle des innerfamiliären sexuellen Missbrauchs betreffen - häufig zu denjenigen, bei denen einerseits die Beweissituation typischerweise besonders schwierig ist und andererseits die persönlichen Interessen der Beteiligten in besonderer Weise berührt werden. Hinzu kommt, dass der verstärkte Einsatz technischer Vernehmungshilfen im Ermittlungsverfahren und der Transfer der so gewonnenen Beweisergebnisse in die Hauptverhandlung derzeit im Fokus von die Strafprozessordnung betreffenden Änderungsvorschlägen stehen. Mit Blick auf diese Umstände und vor dem Hintergrund der außerordentlich hohen Praxisrelevanz des hier bedeutsamen Regelungskomplexes erscheint dem Großen Senat für Strafsachen ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Ziel, ein in sich stimmiges Gesamtgefüge zu entwickeln, unabdingbar.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Strafprozeßordnung - StPO | § 53 Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt 1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anv

Strafprozeßordnung - StPO | § 163a Vernehmung des Beschuldigten


(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern. (2) Beantragt d

Strafprozeßordnung - StPO | § 163 Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren


(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ers

Strafprozeßordnung - StPO | § 250 Grundsatz der persönlichen Vernehmung


Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt wer

Strafprozeßordnung - StPO | § 252 Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung


Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 153 Falsche uneidliche Aussage


Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Strafprozeßordnung - StPO | § 168c Anwesenheitsrecht bei richterlichen Vernehmungen


(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. U

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 42 Anrufung des Bundesgerichtshofes


(1) Hält das Oberlandesgericht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes für geboten, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, oder will es von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder einer nach dem Inkrafttreten dieses Ge

Strafprozeßordnung - StPO | § 53a Zeugnisverweigerungsrecht der mitwirkenden Personen


(1) Den Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 stehen die Personen gleich, die im Rahmen 1. eines Vertragsverhältnisses einschließlich der gemeinschaftlichen Berufsausübung,2. einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder3. einer

Strafprozeßordnung - StPO | § 255a Vorführung einer aufgezeichneten Zeugenvernehmung


(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend. (2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle

Strafprozeßordnung - StPO | § 54 Aussagegenehmigung für Angehörige des öffentlichen Dienstes


(1) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage gelten die besonderen beamtenrechtli

Strafgesetzbuch - StGB | § 154 Meineid


(1) Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fü

Strafprozeßordnung - StPO | § 161a Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft


(1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des sechsten und siebenten Abs

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Referenzen

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 5 6 / 1 3
vom
4. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat. 2. Der Senat beabsichtigt, entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufzugeben, und fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete er seine Ehefrau am 22. September 2012 durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Hintergrund der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler, mit dem seine Ehefrau seit längerer Zeit eine auch intime Beziehung unterhielt, und seine mangelnde Bereitschaft, eine von dem Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen , der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

I.

2
Die Revision des Angeklagten erhebt die allgemeine Sachrüge und macht mit der Verfahrensrüge eine Verletzung der §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO geltend. Das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese im Ermittlungsverfahren gegenüber einem nunmehr in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte, ohne dass sie zuvor darüber belehrt worden sei, dass bei späterer Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung ihre zuvor beim Richter gemachten Angaben verwertet werden könnten. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem sie in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht habe und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe. Die bisher in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme einer Vernehmung der richterlichen Verhörsperson stehe mit dem Schutzzweck des § 252 StPO nicht in Einklang, jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung qualifiziert auf die spätere Verwertbarkeit der Angaben hinzuweisen.
3
Der Senat hält die Verfahrensrüge für erfolgversprechend (unten II.), hat aber auch Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe (unten III.).

II.

4
1. § 252 StPO schließt es aus, die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern. Über den Wortlaut hinaus enthält die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur ein Verlesungs-, sondern auch ein Verwertungsverbot. Die- ses schließt auch jede andere Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage aus, wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Auch die Vernehmung einer Vernehmungsperson über den Inhalt der früheren Vernehmung ist unzulässig. Von diesem Verbot sind nur solche Bekundungen ausgenommen, die der Zeuge - nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht - vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGHSt 45, 342, 345; 46, 189, 195; 49, 68, 76 f.; 57, 254, 256, jew. mwN).
5
a) Diese differenzierende Behandlung im Umgang mit dem Verwertungsverbot des § 252 StGB begründet der Bundesgerichtshof mit dem Unterschied zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen. In älteren Entscheidungen hat er sich in erster Linie darauf berufen, dass der Richter - anders als der vernehmende Polizeibeamte oder der Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGHSt 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des § 163a Abs. 5 StPO, der auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, sieht die Rechtsprechung das tragende Argument für die unterschiedliche Behandlung richterlicher und nichtrichterlicher Vernehmungen darin, dass das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu entnehmen sei - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringe (BGHSt 21, 218, 219; 36, 385, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung der richterlichen Verhörsperson mit der für den Zeugen erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren gerechtfertigt. Diesem stehe nach der Belehrung durch den Richter deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Gebrauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber im Falle der Aussage seine Angaben nicht ohne Weiteres wieder beseitigen könne (BGHSt 49, 72, 77). Schließlich soll die Ungleichbehandlung von Aussagen vor einem Ermittlungsrichter und vor nichtrichterlichen Ermittlungspersonen einen sachlichen Grund darin finden, dass der Ermittlungsrichter in besonderer Weise geeignet - und in vielfältiger Weise vom Gesetzgeber dafür vorgesehen - sei, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn.4).
6
b) Ihre materielle Rechtfertigung findet die Ausnahme vom Verwertungsverbot des § 252 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Güterabwägung. Angesichts eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in der verfahrensrechtlich hervorgehobenen Situation einer richterlichen Vernehmung ist das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. BGHSt 45, 342, 346; 46, 189, 195; BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 14). Durch diese Ausnahme vom Verwertungsverbot ist den Ermittlungsbehörden im Regelfall durch Herbeiführung einer richterlichen Vernehmung der Weg eröffnet , eine verwertbar bleibende Aussage zu erhalten.
7
2. Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße richterliche Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen, vom 2. Strafsenat begründeten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung , "qualifiziert" zu belehren (BGHSt 32, 25, 31 f.; BGH, Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36). Begründet wurde dies mit der Erwägung, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (BGHSt 32, 25, 32). Ergänzend wurde angeführt, für die Annahme einer solchen Belehrungs- oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, NStZ 1985, aaO). Diese Begründung erscheint dem Senat nicht mehr tragfähig.
8
3. a) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 122, 248, 270 mwN).
9
Die Wahrheitserforschung im Strafprozess hat jedoch Grenzen, zur Wahrung des Schutzes eines Beschuldigten oder auch anderer Verfahrensbeteiligter , die nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden dürfen und in der Strafprozessordnung wie auch in der Verfassung deshalb mit eigenen prozessualen Rechten ausgestattet sind, die der Wahrheitserforschung im Wege stehen können. Das Recht eines als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beschuldigten im Sinne von § 52 Abs. 1 StPO, das Zeugnis - ohne Angabe von Gründen - zu verweigern, ist ein solches Recht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Es gründet sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des verwandten Zeugen aus Art. 2 Abs. 1 GG, das die Aufgabe hat, die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170). Es umfasst sowohl die in § 52 StPO geregelte Freiheit, ein Zeugnis betreffend eines nahen Angehörigen verweigern zu können, wie auch die Option, früher getätigte Aussagen der Verwertung im Strafverfahren wieder zu entziehen.
10
§ 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Niemand soll gezwungen sein, aktiv zur Überführung eines Angehörigen beizutragen, weil der Zwang zur Belastung von Angehörigen mit dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen unvereinbar wäre wie ein gegen den Zeugen geübter Zwang zur Selbstbelastung (BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Die Regelung lässt das öffentliche Interesse an möglichst unbehinderter Strafverfolgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen (BGHSt 12, 235, 239).
11
Die Konfliktsituation zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis wirkt zeitlich regelmäßig über die erste Zeugenaussage vor der Polizei hinaus fort. Aus diesem Grund erweitert § 252 StPO den Schutz des Zeugen, der eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem beschriebenen Spannungsverhältnis ausgesetzt wäre. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine zuvor getätigte Aussage vorliegt, die über die Verlesung dieser Aussage oder auch über die Vernehmung der Verhörsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden könnte. § 252 StPO löst damit - auch im Verständnis des Bundesgerichtshofs, der, wie dargelegt, § 252 StPO nicht nur als Verlesungs-, sondern als Verwertungsverbot versteht - grundsätzlich den Konflikt zwischen Aufklärungsinteresse und Zeugenschutz.
12
b) Die in der Rechtsprechung seit jeher anerkannte Ausnahme von der vorstehenden Regel durch Vernehmung einer früheren richterlicher Vernehmungsperson - unter der Voraussetzung damaliger Belehrung des Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht - führt zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen, die auch heute noch - trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher (vgl. aus älterer Zeit etwa: Eb. Schmidt, JR 1959, 369, 373; Grünwald, JZ 1966, 489, 497 f.; Peters, JR 1967, 467 f.; Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 200) erhobenen Einwendungen (Sander/Cirener, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252, Rn. 10: kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung , die weder im Wortlaut noch im Regelungszweck des § 252 StPO eine Stütze finde; so auch: Pauly, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 252, Rn. 25; s. ferner : Velten, in: SK-StPO, 4. Aufl., § 252, Rn. 4; Kudlich/Schuhr, in: SSW-StPO, § 252, Rn. 20; Güntge, in: Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 881) - gerechtfertigt erscheint (vgl. aber auch BGHSt 49, 72, 78 f., wo der BGH auf den Wertungswiderspruch hinweist, dass auf eine Bild-TonAufzeichnung einer früheren richterlichen Vernehmung nach § 255a Abs. 1 StPO nicht, hingegen auf die Vernehmung des Richters als weniger zuverlässigem Beweismittel zurückgegriffen werden kann, ohne die althergebrachte Rechtsprechung in Frage zu stellen) und auch nicht zu einer bedenklichen Einschränkung von Zeugenrechten führt.
13
Schon in seiner Grundsatzentscheidung im Jahre 1952 hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung nicht allein auf die formale Überlegung gestützt , dass der Richter - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - zur Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht verpflichtet sei. Er hat zudem auf die für den Zeugen erkennbare und regelmäßig von ihm empfundene (sich auch aus § 251 StPO ergebende) erhöhte Bedeutung der richterlichen Vernehmung (dazu auch: Pauly, aaO, § 252, Rn. 25) und dessen nach ordnungsgemäßer Belehrung und in Kenntnis der Tragweite seines Verhaltens getroffene Entschließung abgestellt, an welcher er im Interesse der Wahrheitsfindung festgehalten werden könne. Dieses Argument trägt auch heute noch grundsätzlich - ohne dass es auf die von der Revision angezweifelte besondere "Qualität" oder "Dignität" einer richterlichen Vernehmung ankäme (vgl. insoweit auch Eisenberg , NStZ 1988, 488; Geerds, JuS 1991, 199, 200) - die Differenzierung zwischen polizeilich getätigten Aussagen und solchen, die in einer richterlichen Vernehmung gemacht werden (zustimmend: Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 252, Rn. 22, 26; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. § 252, Rn. 14). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass damit spätere unlautere Beeinflussungsversuche auf einen Zeugen, durch welche die Wahrheitsermittlung im Strafverfahren Not leiden würde, genauso verhindert werden können (vgl. BGHSt 2, 99, 109; 27, 139, 143; 45, 342, 347) wie wirksam der Gefahr begegnet werden kann, dass sich ein Zeuge zum Herrn des Verfahrens macht und dadurch die Wahrheitsermittlung vereitelt (vgl. schon BGHSt 2, 199, 107 f.; s. auch BGHSt 45, 342, 347 f.).
14
Ob an diesen Grundsätzen für richterliche Vernehmungen außerhalb eines Ermittlungsverfahrens festzuhalten ist, etwa für Angaben in einem familiengerichtlichen Verfahren, in dem ein Interesse daran bestehen kann, in diesem Verfahren Angaben zu machen, ohne dass eine Strafverfolgung gewünscht oder beabsichtigt ist, bedarf hier keiner Entscheidung (gegen die Möglichkeit der Verwertung insoweit mit beachtlichen Argumenten Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 30; vgl. auch BGHSt 36, 384 ff. m. Anm. Hassemer JuS 1990, 1023, 1024; dazu auch Julius, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 252, Rn. 10; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 201).
15
c) Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung sieht der Senat diese Ausgangs-Überlegung aber nur dann als gerechtfertigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden ist, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch macht (so auch Julius, aaO, § 252, Rn. 2; a. A. ohne nähere Begründung etwa Diemer, aaO, § 252, Rn. 28; weitere abweichende Meinungen zitieren gleichfalls nur die genannte Rechtsprechung). Erforderlich ist daher eine "qualifizierte" Belehrung, welche den Zeugen umfassend in die Lage versetzt, über seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden, und zugleich die Ausnahme von einem umfassenden Verwertungsverbot bei einer richterlichen Vernehmung legitimiert.
16
aa) Zu Recht hat der BGH vielfach auf die besondere Bedeutung der Belehrung des Zeugen für dessen Entscheidung hingewiesen, Angaben zu machen (BGHSt 2, 99, 106; zur Bedeutung der Belehrung s. auch BGHSt 9, 195, 197; 32, 25, 30 f.; so auch Diemer, aaO, § 252, Rn. 28). Zu der hierfür erforderlichen umfassenden Information gehört aber nicht allein die Kenntnis eines zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts, sondern auch die Kenntnis über die möglichen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Aussagebereitschaft. Denn für die in den meisten Fällen nicht rechtskundigen Zeugen liegt es in der Regel fern, sich zum Zeitpunkt einer (richterlichen) Vernehmung im Ermittlungsverfahren von sich aus Gedanken darüber zu machen, ob auch bei späterer Aussageverweigerung - für welche es eine Vielzahl nicht zu überprüfender Gründe geben kann - ihre Aussage verwertbar bleibt. Die von §§ 52, 252 StPO geschützten Interessen gebieten es vor diesem Hintergrund, den Zeugen auch darüber zu belehren, dass er an zu diesem Zeitpunkt endgültig und unwiderruflich über die Wahrnehmung des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu entscheiden hat. Geschieht dies - wie bisher - nicht, leidet der Entschluss des Zeugen an einem durchgreifenden Mangel, weil er sich dieser Konsequenz seines Handelns nicht bewusst ist (vgl. zur notwendigen Belehrung eines Zeugen, der Angaben in der Hauptverhandlung verweigern , aber der Verwertung zuvor gemachter polizeilicher Angaben zulassen möchte, BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 296/07, NStZ 2007, 712, 713).
17
Eine in diesem Sinn qualifizierte Belehrung bietet hingegen eine sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen. Sie kann zudem seinen Blick auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation schärfen, die ansonsten für den Angehörigen oft erst unmittelbar vor und während der Hauptverhandlung erkenn- und spürbar wird (vgl. Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; so auch Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 10).
18
Sofern man anders als der Senat davon ausginge, der Zeuge sei angesichts des Verfahrensgangs ohnehin meist der Ansicht, dass mit der richterlichen Vernehmung seine Angaben für eine spätere Hauptverhandlung gesichert werden sollen, würde dies keinen genügenden Grund darstellen, von einer entsprechenden Belehrungspflicht abzusehen. Diese würde insoweit jedenfalls die "Ausnahmefälle" erfassen, in denen es an der entsprechenden Kenntnis fehlt; für die Praxis der Strafverfolgung hätte sie überdies keine besondere Relevanz, weil die maßgeblichen Entscheidungen der Zeugen schon jetzt in umfassender Kenntnis der damit verbundenen Auswirkungen getroffen würden.
19
bb) Der Annahme einer Belehrungspflicht stehen die bisher in der Rechtsprechung des BGH hiergegen vorgebrachten Erwägungen nicht entgegen. Dass es an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehle (so BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36), ist zwar zutreffend, schließt aber die vom Senat befürwortete Anerkennung einer entsprechenden Belehrung gerade nicht aus. Denn es handelt sich um Erwägungen und Anforderungen im Bereich der richterrechtlich begründeten Ausnahme von dem Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO. Es wäre widersprüchlich, ungeschriebene Ausnahmen von einem Verwertungsverbot zuzulassen, für deren rechtsstaatliche Begrenzung aber eine gesetzliche Grundlage zu verlangen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung auch in anderen Bereichen gesetzlich nicht vorgesehene Belehrungspflichten entwickelt hat, etwa im Zusammenhang mit § 136a StPO.
20
Soweit der Senat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 (BGHSt 32, 25, 31 f.) die Ansicht vertreten hat, die Annahme einer Belehrungspflicht bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung sei nicht geboten, weil auch bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung kein Hinweis vonnöten sei, dass der in der Aussage liegende Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht jeder- zeit, auch noch während laufender Vernehmung, widerrufen werden könne, hält er daran nicht fest. Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschlossen hat, trotz Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist nicht mit der Lage zu vergleichen, in der sich der Zeuge bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung befindet. Entscheidet sich die ordnungsgemäß belehrte Aussageperson in der Hauptverhandlung zu einer Aussage, liegt dem regelmäßig eine in Kenntnis der Folgen für den verwandten Angeklagten getroffene bewusste Entscheidung zugrunde, die keinen Anhalt für einen bestehenden Willensmangel oder eine kurzfristig (während der Vernehmung) zu erwartende Willensänderung bietet. Bei einer Vernehmung durch einen Richter im Ermittlungsverfahren ist hingegen - wie oben dargelegt - nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Zeuge sich der Endgültigkeit seiner Entscheidung, die schon mit Blick auf den zu erwartenden Zeitablauf zwischen dieser Vernehmung und einer späteren Hauptverhandlung und die sich in dieser Zeitspanne möglicherweise ergebenden Entwicklungen im Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem verwandten Zeugen vom Schutzzweck getragene Änderungen unterliegen kann, bewusst ist. Ihn darauf hinzuweisen , ist - anders als in der Hauptverhandlung - ein Gebot, das es ihm erst ermöglicht, verantwortungsvoll über die Wahrnehmung seiner Rechte in der vom Gesetz grundsätzlich als schützenswert angesehenen Situation zu entscheiden.
21
cc) Die vom Senat für notwendig erachtete Belehrungspflicht würde die Effektivität der Strafverfolgung nicht in nennenswertem Umfang in Frage stellen. Es ist nicht zu befürchten, dass die Entscheidungen der großen Mehrzahl der Zeugen nach einer solchen Belehrung anders ausfallen könnte als bisher, selbst wenn es einzelne Zeugen geben mag, für die eine solche Belehrung Anlass sein könnte, von einer Zeugenbekundung Abstand zu nehmen oder auf sie jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten. Dies wäre hinzunehmen, denn es entspricht der gesetzgeberischen Wertung, dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen insoweit durch Einschränkung der Wahrheitsermittlung und damit letztlich auch der Strafverfolgung Rechnung zu tragen, und räumt dem Zeugen damit noch keine Befugnisse ein, die ihn - fernab des Konflikts, in dem er sich befindet und den er berechtigt für sich auch durch den Verzicht auf eine Aussage lösen kann - zum "Herren über das Verfahren" machen würde. Eine Effektivität der Strafrechtspflege, welche ihre Kraft wesentlich darauf stützte, dass Personen , deren Rechte dem Schutz des Gesetzes und der Strafverfolgungsorgane anvertraut sind, bewusst unzureichend über ihre Rechtsstellung aufgeklärt werden , wäre eines Rechtsstaats nicht würdig.

III.

22
Auch die Sachrüge erscheint dem Senat erfolgversprechend.
23
Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe. Das Landgericht ist davon ausgegangen, das der Tat ihr Gepräge gebende Hauptmotiv sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; dies stehe sittlich auf niedrigster Stufe. Dabei hat es zwar das ambivalente Verhalten des Tatopfers in den Blick genommen; die Begründung, mit der die Strafkammer dieses Verhalten als unbeachtlich angesehen hat, erscheint aber bedenklich. Dass der Angeklagte "Handlungsalternativen" gehabt hat und die Situation anders als durch Tötung seiner Ehefrau hätte lösen können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich und vermag nicht, dem Opferverhalten, das im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist, seine Bedeutung zu nehmen.

IV.

24
Dass der Senat insoweit die landgerichtliche Entscheidung aufheben könnte, ohne dass eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage notwendig wäre , ändert aus seiner Sicht allerdings nichts an der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage (als Voraussetzung einer möglichen Divergenzvorlage). Eine allein auf die Sachrüge gestützte Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung würde unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres dazu führen, dass die Schwurgerichtskammer ihrer Entscheidung erneut die über die Vernehmung des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Tochter des Angeklagten zugrunde legen und sich damit aus der Sicht des Senats erneut rechtsfehlerhaft über die geschützten Interessen der Zeugin hinwegsetzen müsste. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 A R s 2 1 / 1 4
vom
14. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Antwort auf den Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014
- 2 StR 656/13
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2015 gemäß
§ 132 Abs. 3 Satz 2 GVG beschlossen:
Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des anfragenden Senats nicht an. Er hält eine qualifizierte Belehrung aus Rechtsgründen nicht für erforderlich.

Gründe:


1
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden:
2
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
3
Er hat daher mit Beschluss vom 4. Juni 2014 - 2 StR 656/13 - angefragt, ob dieser Rechtsauffassung zugestimmt wird oder an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
4
Nach der Rechtsprechung des 1. Strafsenats können Angaben eines Zeugen vor dem Ermittlungsrichter durch Vernehmung dieses Richters in die Hauptverhandlung eingeführt werden, wenn sich der Zeuge in der Hauptver- handlung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und ihn der Ermittlungsrichter ordnungsgemäß über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hatte (Urteil vom 21. März 2012 - 1 StR 43/12, NStZ 2012, 521 ff.).
5
Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es auch keiner Belehrung des Zeugen darüber bedarf, dass seine Aussage später ohne Rücksicht auf eine etwaige Zeugnisverweigerung verwertet werden kann (BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 31 f.; BGH, Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36). Denn eine ordnungsgemäße Belehrung des Zeugen verlange nicht, ihn vorsorglich auch darüber zu unterrichten, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn er zunächst aussagt, in der Hauptverhandlung aber das Zeugnis verweigern sollte. Der Zeuge brauche nicht einmal darauf hingewiesen zu werden, dass es ihm freisteht, den Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung zu widerrufen. Das Gesetz fordere lediglich, dass die Belehrung dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungsrechts vermittle. Für die gegenteilige Auffassung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
6
An dieser Rechtsprechung hält der 1. Strafsenat fest.
7
Danach ist die Vernehmung des Richters über die frühere Aussage bereits dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO belehrt hat.
8
Dem Erfordernis einer qualifizierten Belehrung ist der Senat bisher nicht nähergetreten, er hat einen derartigen Hinweis vielmehr für nicht geboten er- achtet (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1982 - 1 StR 537/82). Er ist weiterhin der Auffassung, dass ein Zeuge über die Verwertbarkeit seiner Aussage trotz späterer Zeugnisverweigerung nicht zu belehren ist. Eine solche Belehrung ist gesetzlich weder vorgeschrieben noch zur sachgerechten Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts erforderlich.

I.


9
Die im Anfragebeschluss behandelte Rechtsfrage, ob die Verwertbarkeit einer früheren richterlichen Vernehmung des Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, eine qualifizierte Belehrung voraussetzt, hat seine Grundlage in dem Umstand, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 252 StPO die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson nicht verbietet.
10
Der 2. Strafsenat sieht diese Rechtsauffassung nur dann als gerechtfertigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt wurde, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibe, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der "Aussageverweigerung" Gebrauch mache (Anfragebeschluss, Rn. 15). Inhaltlich wird eine "qualifizierte" Belehrung gefordert , welche den Zeugen umfassend in die Lage versetze, über seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden. Zu den hierfür erforderlichen Informationen gehöre nicht allein die Kenntnis eines zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts , sondern auch die Kenntnis über die möglichen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Aussagebereitschaft (Anfragebeschluss, Rn. 16). Nur eine in diesem Sinn qualifizierte Belehrung biete eine sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen (Anfragebeschluss, Rn. 17).
11
Die hierfür gegebene Begründung im Anfragebeschluss vermag nicht zu überzeugen.
12
1. Für die Annahme einer solchen Belehrungs- oder Hinweispflicht fehlt es an einem gesetzlichen Gebot (BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
13
Soweit der 2. Strafsenat darauf hinweist, dass die Rechtsprechung auch in anderen Bereichen gesetzlich nicht vorgesehene Belehrungspflichten entwickelt hat, etwa im Zusammenhang mit § 136a StPO (Anfragebeschluss, Rn. 19), ist dieses Argument nicht stichhaltig. Der Bundesgerichtshof hat für verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO bislang offen gelassen, ob dem Beschuldigten vor einer weiteren Vernehmung eine qualifizierte Belehrung zu erteilen ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 544/08, BGHSt 53, 112, 115 f.; vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 136a Rn. 30 mN; Rogall SK-StPO, 4. Aufl., § 136a Rn. 104 mwN).
14
Eine Pflicht zur qualifizierten Belehrung hat der Bundesgerichtshof dagegen gefordert bei Beschuldigtenvernehmungen, die unter Verletzung des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO erfolgten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 544/08, BGHSt 53, 112, 115; Rogall, aaO, § 136 Rn. 60 mwN; MeyerGoßner /Schmitt, aaO, § 136 Rn. 9 mwN).
15
Die in diesem Bereich entwickelte, gesetzlich nicht vorgesehene sog. qualifizierte Belehrungspflicht soll die Fortwirkung von Verfahrensverstößen beseitigen, also den Einfluss des früheren Fehlers auf die aktuell getätigte Einlassung oder Aussage. Hat der Richter den vernommenen Zeugen aber ordnungsgemäß über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt, fehlt es an einem Verfahrensverstoß, der auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung die qualifizierte Belehrung auslösen könnte.
16
2. Ein Zeuge muss nicht einmal auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass er den Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht auch während der Vernehmung widerrufen kann (§ 52 Abs. 3 Satz 2 StPO). Kommen ihm also während der Vernehmung Bedenken, ob er weiter aussagen solle, und sagt er dennoch weiter aus, weil er glaubt, seine Aussage nicht abbrechen zu können, ist seine Aussage in vollem Umfang verwertbar. Umso weniger ist es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25, 32).
17
3. Eine Verpflichtung zur qualifizierten Belehrung würde nicht nur die richterliche Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren erfassen, sondern jede Einvernahme des Zeugen. Dazu gehören die erste Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung, seine erneute Einvernahme in derselben Instanz nach seiner Entlassung, seine Vernehmung in der Berufungsinstanz, nach Aussetzung des Verfahrens, nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht oder nach Wiederaufnahme des Verfahrens.
18
4. Eine Belehrung des Zeugen im Ermittlungsverfahren über die Möglichkeit , seine Aussage im weiteren Verfahren einzuführen und zu verwerten, dehnt die Belehrungspflicht einseitig auf die Aufklärung des Zeugen über die künftige strafprozessuale Behandlung seiner Aussage in der Hauptverhandlung bei Wegfall seiner Aussagebereitschaft aus.
19
Die Entscheidung des Zeugen, im Ermittlungsverfahren auszusagen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut auszusagen oder seine Aussage zu verweigern , ist jedoch von vielen Faktoren abhängig.
20
Soll der Zeuge in allen Belangen verantwortungsvoll über die Ausübung seines Zeugnisverweigerungsrechts entscheiden können, müsste er auch über alle weiteren Umstände informiert werden, die für seine Entscheidung von Belang sein könnten. So kann es für den Zeugen von Bedeutung sein, ob der Täter auch ohne seine Aussage überführt werden könnte. Das Vorhandensein weiterer Zeugen oder anderer zur Überführung des Täters geeigneter Beweismittel oder aber deren Fehlen kann ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Entscheidung des Zeugen sein, im Ermittlungsverfahren vor dem Richter oder in der Hauptverhandlung auszusagen. Über die Beweislage aber wird der Zeuge nicht informiert.
21
5. Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschließt, trotz Bestehens eines Zeugnisverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist durchaus mit der Lage zu vergleichen, in der sich der Zeuge bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung befindet. In beiden Fällen liegt dem Entschluss auszusagen regelmäßig eine in Kenntnis der Folgen für den verwandten Beschuldigten oder Angeklagten getroffene bewusste Entscheidung zugrunde, die keinen Anhalt für einen bestehenden Willensmangel oder eine kurzfristig (während der Vernehmung) zu erwartende Willensänderung bietet.
22
Hierbei geht ein vernommener Zeuge ohnehin davon aus, seine im Ermittlungsverfahren getätigten und schriftlich niedergelegten Angaben nicht mehr beseitigen zu können, weil er sie gegenüber Personen, die sich beruflich mit Strafverfolgung befassen, gemacht hat. Außerdem sind seine Angaben schriftlich festgehalten und von ihm unterschrieben worden.

II.


23
Ergänzend merkt der Senat an: Die Anfrage, ob bei einer richterlichen Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren eine qualifizierte Belehrung notwendig ist, beruht auf der Zulassung der Vernehmung einer richterlichen Verhörsperson. Nach Auffassung des 2. Strafsenats ist dies bei Fehlen einer "qualifizierten" Belehrung nicht gesetzlich legitimiert.
24
Dem 2. Strafsenat ist insoweit zuzustimmen als sich gegen die Zulässigkeit der Vernehmung der richterlichen Verhörsperson, die überhaupt erst die Frage einer qualifizierten Belehrung aufwirft, Argumente vorbringen lassen.
25
1. Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Auch die Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung eines solchen Zeugen ist unzulässig (BGH, Beschluss vom 29. Mai 1996 - 3 StR 157/96, NStZ 1997, 95 f.). Damit könnte auch jede andere Verwertung der Aussage, insbe- sondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausgeschlossen sein. § 252 StPO ergänzt § 52 StPO für den Fall nachträglicher Zeugnisverweigerung. Gleichwohl ist nach bisheriger Rechtsprechung aber bei vorausgegangener richterlicher Vernehmung die Vernehmung des Richters zulässig.
26
Die Zulässigkeit der Vernehmung richterlicher Verhörspersonen kann den Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts beeinträchtigen. Dieses überlässt es dem Zeugen, bei jeder Vernehmung und auch während einer Vernehmung (§ 52 Abs. 3 Satz 2 StPO) zu entscheiden, ob er nun sein Recht ausüben will. Deshalb untersagt § 252 StPO, das Protokoll über die richterliche Vernehmung des Zeugen bei dessen späterer Verweigerung des Zeugnisses zu verlesen und gewährt dem Zeugenschutz damit Vorrang gegenüber dem Aufklärungsinteresse. Dem könnte es widersprechen, die frühere Aussage durch Vernehmung der richterlichen Verhörsperson einzuführen.
27
Das Argument, dem Zeugen stehe wegen der für ihn erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren nach der Belehrung durch den Richter deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Verweigerung des Zeugnisses befreien, aber im Falle der Aussage seine Angaben nicht ohne weiteres wieder beseitigen könne (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77; Anfragebeschluss, Rn. 5), bedürfte noch einer empirischen Grundlage.
28
Die im Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung strafbarer Sachverhalte entwickelte Rechtsprechung (vgl. Anfragebeschluss, Rn. 12), die den Ermittlungsbehörden im Regelfall - etwa beim sexuellen Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung in der Ehe oder sonstiger häuslicher Gewalt - den Weg öffnet, zügig eine verwertbar bleibende Aussage zu erhalten, könnte nach der gesetzlichen Wertung der §§ 252, 52 StPO hinter dem Interesse des Zeugen zurücktreten , einen umfassenden Schutz durch das Zeugnisverweigerungsrecht zu erhalten. Denn dieses Interesse muss auch zurücktreten, wenn der Zeuge von Anfang an und durchgehend von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht. Auch das Schweigen der Opfer setzt dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung strafbarer Sachverhalte Grenzen. Strafantragsdelikte können ebenfalls solche Grenzen setzen.
29
2. Die Gesetzgebungsmaterialien zur Entstehung des Verbots, bei späterer Verweigerung des Zeugnisses die protokollierte Aussage zu verlesen (Hahn, Die Gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 3, Materialien zur Strafprozessordnung, Abteilung 1, 2. Aufl., S. 856 ff. und Abteilung 2, 2. Aufl., S. 1585, 1621, 1901 f.) belegen, dass dadurch ein umfassender Zeugenschutz sichergestellt werden sollte.
30
Im amtlichen Bericht der Justizkommission heißt es: "Das Recht zur Ablehnung der Aussage, welches der Zeuge noch in der Hauptverhandlung geltend machen kann, würde illusorisch sein, wenn dessen ungeachtet die von ihm früher erstattete Aussage, bei welcher er vielleicht noch nicht die Tragweite seines Zeugnisses zu erkennen vermochte, in der Hauptverhandlung zur Verlesung gebracht werden dürfte" (Hahn, aaO, S. 1585).
31
Auch die Umgehung des Verlesungsverbots durch Vernehmung der Verhörsperson wurde in der abschließenden Reichstagsdebatte thematisiert. So führte der Abgeordnete L. aus, "wenn Sie den Antrag der Kommission annehmen, so werden Sie in keinem Falle ausschließen, dass die Parteien die Befugnis hätten, die Tatsache, dass ein solches Zeugnis abgelegt wäre, dadurch zu konstatieren, dass der Untersuchungsrichter und die Polizeibehörde , der gegenüber jenes erste Zeugnis abgelegt wäre, in die Hauptverhandlung als Zeuge zitiert würde" (Hahn, aaO, S. 1901). Darauf erwiderte der Berichterstatter S. , wenn zulässig sei, dass durch derartige Manipulationen , der Gedanke und die Vorschrift des Gesetzes illusorisch gemacht werden dürften und könnten, dann höre jede Gesetzgebung auf. Die Gesetze müssten "von den Beamten in einer Weise gehandhabt werden, dass der Sinn, den der Gesetzgeber damit verbunden hat, respektiert" werde (Hahn, aaO, S. 1902).
32
Dies zeigt, dass das Verbot der Verlesung der früheren Aussage dahin verstanden werden sollte, die frühere Aussage in keiner Form in der Hauptverhandlung zu verwerten und zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen. Eine Ergänzung des Gesetzes dahin, dass auch die Vernehmung jeglicher Verhörsperson ausgeschlossen ist, wurde damals - wie die Diskussion über eine mögliche Umgehung der Vorschrift zeigt - offensichtlich nicht für notwendig erachtet.
33
3. Die Regelung des § 255a Abs. 1 StPO fügt sich, soweit sie für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung auch § 252 StPO für anwendbar erklärt, in Fällen, die die Aufzeichnung einer richterlichen Vernehmung betreffen, nicht stimmig in die bestehende Rechtslage ein (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 76).
34
Während das schriftliche Protokoll die Aussage des Zeugen in der Regel nicht wörtlich wiedergibt, vermittelt die Videoaufzeichnung die frühere Aussage des Zeugen - einschließlich der nonverbalen Vernehmungsinhalte und der erfolgten Interaktionen - in allen Einzelheiten sehr viel genauer als es der auf der Grundlage seiner Erinnerung aussagende Richter könnte. Ihre Unverwertbarkeit in den Fällen des § 252 StPO führt deshalb zu dem mit Blick auf die Qualität der Wiedergabe der früheren Aussage schwer verständlichen Ergebnis, dass die Verwertung des qualitativ höherwertigen Beweismittels untersagt, der Rückgriff auf ein weniger zuverlässiges aber gestattet ist. Der darin liegende Wertungswiderspruch verstärkt sich, wenn zur Unterstützung des Gedächtnisses des Richters als Vorhalt nicht nur die Vernehmungsniederschrift verlesen, sondern auch eine Bild-Ton-Aufzeichnung der früheren Vernehmung vorgespielt werden dürfte (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 78).
35
4. Das Bundesverfassungsgericht sieht § 252 StPO als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des verwandten Zeugen gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Die Norm erfasse auch die Option des verwandten Zeugen, bereits getätigte Aussagen gemäß § 252 StPO dem Strafverfahren wieder zu entziehen. Die Regelung lasse das öffentliche Interesse an möglichst "unbehinderter" Strafverfolgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen. Die §§ 52, 252 StPO schützten den Zeugen nicht nur vor der Verpflichtung, als Zeuge Angehörige wahrheitsgemäß zu belasten, sondern sicherten zudem, dass der Zeuge seine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung gemäß § 52 StPO würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine zuvor getätigte Aussage vorliege, weil diese frühere Aussage ohne die Regelung des § 252 StPO über die Vernehmung der Verhörsperson eingeführt werden könnte (vgl. insoweit BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19 zur Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage durch Vernehmung der Verhörspersonen).
Raum Rothfuß Jäger
Cirener Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4ARs 21/14
vom
16. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 – 2 StR 656/13
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2014 gemäß
§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach die Einführung und Verwertung von Angaben eines früher richterlich vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch gemacht hat, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson auch ohne vorherige Belehrung des Zeugen über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage zulässig ist.

Gründe:


I.


1
Der 2. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden: „Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
2
Er hat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

II.


3
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Urteile vom 27. April 1978 – 4 StR 180/78, und vom 30. August 1984 – 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36, sowie – hinsichtlich der Vorlagefrage nicht tragend – Urteile vom 10. Februar 2000 – 4 StR 616/99, BGHSt 46, 1, 3; vom 20. Februar 1997 – 4 StR 598/96, BGHSt 42, 391, 397; vom 8. März 1979 – 4 StR 634/78, NJW 1979, 1722; Beschlüsse vom 12. April 1984 – 4 StR 229/84, StV 1984, 326; vom 9. Februar 2010 – 4 StR 660/09, NStZ 2010, 406).
4
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
5
1. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Ausnahme von dem aus § 252 StPO hergeleiteten Verwertungsverbot für den Fall der Vernehmung einer richterlichen Verhörperson über Angaben eines in der Hauptverhandlung unter Berufung auf § 52 StPO schweigenden Zeugen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 – 1 StR 341/51, BGHSt 2, 99; seither st. Rspr.) wird vom vorlegenden Strafsenat nicht grundsätzlich in Frage gestellt (Anfragebeschluss S. 9 f.) und ist als solche nicht Gegenstand des Anfrageverfahrens.
6
2. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur dann zulässig ist, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat (vgl. dazu auch den "Alternativ-Entwurf Beweisaufnahme" , GA 2014, 1, 26).
7
a) Eine solche qualifizierte Belehrung ist in den Vorschriften über die Vernehmung des Zeugen nicht vorgesehen. Für eine entsprechende Belehrungspflicht fehlt es mithin an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, Urteil vom 30. August 1984 – 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36).
8
Auch eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes liegt insofern nicht vor. Der Gesetzgeber hat vielmehr Inhalt und Umfang der erforderlichen Belehrungen von Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung ausdrücklich geregelt (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1, § 55 Abs. 2, § 163 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine Belehrung über die Verwertbarkeit der Aussage für den Fall, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, hat er indes nicht vorgesehen. Da der Gesetzgeber aber schon im Jahr 1964 die Belehrungspflichten von Polizeibeamten gegenüber Zeugen im Ermittlungsverfahren in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwertung von früheren Aussagen durch Vernehmung richterlicher Vernehmungspersonen neu geregelt hat, kann vor dem Hintergrund, dass in diesem Zusammenhang eine weiter gehende Belehrungspflicht durch den Richter nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, von einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden (vgl. BT-Drucks. IV/178, S. 18, 33; BT-Drucks. 16/12098, S. 26). Dies belegen auch die Neuregelungen in § 255a StPO (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 78, 82 ff.; dazu auch ElGhazi /Merold, StV 2012, 250, 253 f. mwN).
9
b) Es ist auch nicht geboten, die Einführung oder die Verwertbarkeit der Aussage einer richterlichen Verhörperson über frühere Angaben eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung berechtigt auf sein gemäß § 52 StPO bestehendes Aussageverweigerungsrecht beruft, von einer schon damals erteilten qualifizierten Belehrung abhängig zu machen.
10
Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist – worauf auch der anfragende Senat verweist (Anfragebeschluss S. 6) – die Ermittlung des wahren Sachverhalts , ohne den das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann. Als eine der Wahrheitsfindung entgegenstehende Gestaltung kommt § 252 StPO in Betracht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18). Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift oder eine auf sie gestützte weitere Einschränkung der Möglichkeit zur Ermittlung des wahren Sachverhalts bedarf daher einer hinreichenden Rechtfertigung. An dieser fehlt es jedoch bezüglich des vom anfragenden Senat befürworteten Verwertungsverbots in Fällen fehlender qualifizierter Belehrung.
11
aa) § 252 StPO und das weiter gehend aus ihm hergeleitete Verwertungsverbot bezwecken nicht den Schutz des Angeklagten. Vielmehr schützen §§ 52, 252 StPO lediglich Zeugen vor der Verpflichtung, als Angehörige den Beschuldigten bzw. Angeklagten wahrheitsgemäß zu belasten, und sichern zu- dem, dass der Zeuge seine einmal gemachte Aussage – ob wahrheitsgemäß oder wahrheitswidrig, ob belastend oder entlastend – auch noch in der Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem Spannungsfeld zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis ausgesetzt wäre (vgl. BVerfG aaO; ferner El-Ghazi/Merold aaO, S. 251 mwN).
12
bb) Schon dies legt nahe, dass es auch der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht gebietet, zur Wahrung berechtigter Interessen des Angeklagten die Verwertbarkeit einer früheren – nach ordnungsgemäßer Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht erfolgten – richterlichen Vernehmung des Zeugen von dessen qualifizierten Belehrung über die weitere Verwertbarkeit seiner Aussage abhängig zu machen. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass die Verwertung von im Ermittlungsstadium erlangten Aussagen auch in einem Fall, in dem ermittlungsrichterliche Angaben von in der Hauptverhandlung berechtigt schweigenden Angehörigen verwertet wurden, nicht in Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. d EMRK steht, sofern der Angeklagte ausreichend Gelegenheit hatte, die Aussage in dem Zeitpunkt, in dem sie gemacht wurde, oder später in Zweifel zu ziehen (Urteil vom 19. Juli 2012 – 26171/07, NJW 2013, 3225 Ziffer 42). Die vom anfragenden Senat als notwendig erachtete Belehrung hat er dagegen ersichtlich nicht als für ein faires Verfahren geboten erachtet (aaO Ziffern 39, 41, 45).
13
cc) Der Senat sieht es aber auch bei Einbeziehung der vom anfragenden Senat zum "Schutz eines … Verfahrensbeteiligten", der "nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden" darf (Anfragebeschluss S. 7), angeführten, allein auf den Zeugen bezogenen Umstände in die bei der Prüfung eines Verwertungsverbots erforderliche Gesamtwürdigung nicht als geboten an, ohne des- sen qualifizierte Belehrung über die weitere Verwertbarkeit seiner Aussage ein Verwertungsverbot anzunehmen.
14
Vielmehr ist der Senat mit der bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77) der Ansicht , dass – jedenfalls bei einer Vernehmung in dem Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen den Angehörigen – einem Zeugen bei seiner richterlichen Vernehmung (hinreichend) bewusst ist, dass eine – nach Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 StPO und freier Entscheidung des Zeugen – getätigte Aussage für das weitere Verfahren und die Frage, ob der Angeklagte auch aufgrund dieser Aussage verurteilt werden kann, Bedeutung haben kann (vgl. auch El-Ghazi/ Merold, aaO S. 252; dort auch zu der nur für richterliche Vernehmungen geltenden Regelung des § 168c StPO).
15
c) Soweit der Bundesgerichtshof anerkannt hat, dass Belehrungspflichten auch ohne ausdrückliches gesetzliches Gebot bestehen können, betrifft dies besondere, mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Konstellationen , insbesondere Fälle gesetzlich nicht (näher) geregelter Befragungen etwa vor der Exploration einer Aussageperson durch einen Sachverständigen (BGH, Urteile vom 29. Juni 1989 – 4 StR 201/89, BGHSt 36, 217, 220; vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 208 f.), nicht aber – wie in dem der Anfrage zugrunde liegenden Fall – eine Erweiterung der Belehrungspflicht im Zusammenhang mit gesetzlich – auch hinsichtlich der notwendigen Belehrungen – ausdrücklich normierten Maßnahmen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3AR s 2 0 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 4. Juni 2014 (2 StR 656/13)
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2015 gemäß § 132
Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen.

Gründe:

1
1. Der 2. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision u.a., das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese bei einer richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren gemacht hatte, ohne zuvor darüber belehrt worden zu sein, dass bei späterer Zeugnisverweigerung ihre zuvor beim Ermittlungsrichter gemachten Angaben verwertet werden können. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe und mit der Verwertung der früheren Aussage nicht einverstanden gewesen sei.
2
Der 2. Strafsenat hält die Rüge für erfolgversprechend und beabsichtigt unter Aufgabe eigener, entgegenstehender Rechtsprechung zu entscheiden:
3
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
4
Er fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
5
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegen; denn der 3. Strafsenat ist bisher nicht mit einer Rüge befasst gewesen, mit der ein Verstoß gegen § 252 StPO geltend gemacht und dabei beanstandet worden ist, die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson und die Verwertung ihrer Aussage seien unzulässig gewesen , weil es an einer "qualifizierten" Belehrung mit dem vom 2. Strafsenat nunmehr für notwendig erachteten Inhalt gefehlt habe.
6
Der Senat neigt allerdings in der Sache dazu, an der bisherigen Rechtsprechung , wie sie mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten praktiziert wird, festzuhalten , wonach es - soweit hier von Bedeutung - genügt, wenn die richterliche Verhörsperson den Zeugen über dessen Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt hat. Eine darüber hinausgehende Belehrung, wie sie vom 2. Strafsenat jetzt für geboten gehalten wird, ist weder mit Blick auf den Inhalt der Strafprozessordnung noch vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Thematik erforderlich. Insbesondere wird die vom 2. Strafsenat betonte besondere Konfliktsituation des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen durch die bisherige Rechtspraxis ausdrücklich berücksichtigt; ihr wird durch das Erfordernis der gesetzlich vorgesehenen Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO aus- reichend Rechnung getragen. Einer weitergehenden, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Belehrung bedarf es deshalb nicht.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Spaniol

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 5 6 / 1 3
vom
4. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht , sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat. 2. Der Senat beabsichtigt, entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufzugeben, und fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete er seine Ehefrau am 22. September 2012 durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Hintergrund der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler, mit dem seine Ehefrau seit längerer Zeit eine auch intime Beziehung unterhielt, und seine mangelnde Bereitschaft, eine von dem Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen , der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

I.

2
Die Revision des Angeklagten erhebt die allgemeine Sachrüge und macht mit der Verfahrensrüge eine Verletzung der §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO geltend. Das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang maßgeblich auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die diese im Ermittlungsverfahren gegenüber einem nunmehr in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte, ohne dass sie zuvor darüber belehrt worden sei, dass bei späterer Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung ihre zuvor beim Richter gemachten Angaben verwertet werden könnten. Dies müsse zu einem Verwertungsverbot führen, nachdem sie in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht habe und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe. Die bisher in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme einer Vernehmung der richterlichen Verhörsperson stehe mit dem Schutzzweck des § 252 StPO nicht in Einklang, jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung qualifiziert auf die spätere Verwertbarkeit der Angaben hinzuweisen.
3
Der Senat hält die Verfahrensrüge für erfolgversprechend (unten II.), hat aber auch Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe (unten III.).

II.

4
1. § 252 StPO schließt es aus, die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern. Über den Wortlaut hinaus enthält die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur ein Verlesungs-, sondern auch ein Verwertungsverbot. Die- ses schließt auch jede andere Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage aus, wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Auch die Vernehmung einer Vernehmungsperson über den Inhalt der früheren Vernehmung ist unzulässig. Von diesem Verbot sind nur solche Bekundungen ausgenommen, die der Zeuge - nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht - vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGHSt 45, 342, 345; 46, 189, 195; 49, 68, 76 f.; 57, 254, 256, jew. mwN).
5
a) Diese differenzierende Behandlung im Umgang mit dem Verwertungsverbot des § 252 StGB begründet der Bundesgerichtshof mit dem Unterschied zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen. In älteren Entscheidungen hat er sich in erster Linie darauf berufen, dass der Richter - anders als der vernehmende Polizeibeamte oder der Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGHSt 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des § 163a Abs. 5 StPO, der auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, sieht die Rechtsprechung das tragende Argument für die unterschiedliche Behandlung richterlicher und nichtrichterlicher Vernehmungen darin, dass das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu entnehmen sei - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringe (BGHSt 21, 218, 219; 36, 385, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung der richterlichen Verhörsperson mit der für den Zeugen erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung der richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren gerechtfertigt. Diesem stehe nach der Belehrung durch den Richter deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Gebrauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber im Falle der Aussage seine Angaben nicht ohne Weiteres wieder beseitigen könne (BGHSt 49, 72, 77). Schließlich soll die Ungleichbehandlung von Aussagen vor einem Ermittlungsrichter und vor nichtrichterlichen Ermittlungspersonen einen sachlichen Grund darin finden, dass der Ermittlungsrichter in besonderer Weise geeignet - und in vielfältiger Weise vom Gesetzgeber dafür vorgesehen - sei, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07, juris Rn.4).
6
b) Ihre materielle Rechtfertigung findet die Ausnahme vom Verwertungsverbot des § 252 StPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Güterabwägung. Angesichts eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in der verfahrensrechtlich hervorgehobenen Situation einer richterlichen Vernehmung ist das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. BGHSt 45, 342, 346; 46, 189, 195; BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 14). Durch diese Ausnahme vom Verwertungsverbot ist den Ermittlungsbehörden im Regelfall durch Herbeiführung einer richterlichen Vernehmung der Weg eröffnet , eine verwertbar bleibende Aussage zu erhalten.
7
2. Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße richterliche Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen, vom 2. Strafsenat begründeten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung , "qualifiziert" zu belehren (BGHSt 32, 25, 31 f.; BGH, Beschluss vom 12. April 1984 - 4 StR 229/84, StV 1984, 326; Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36). Begründet wurde dies mit der Erwägung, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen (BGHSt 32, 25, 32). Ergänzend wurde angeführt, für die Annahme einer solchen Belehrungs- oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen Grundlage (BGH, NStZ 1985, aaO). Diese Begründung erscheint dem Senat nicht mehr tragfähig.
8
3. a) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 122, 248, 270 mwN).
9
Die Wahrheitserforschung im Strafprozess hat jedoch Grenzen, zur Wahrung des Schutzes eines Beschuldigten oder auch anderer Verfahrensbeteiligter , die nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht werden dürfen und in der Strafprozessordnung wie auch in der Verfassung deshalb mit eigenen prozessualen Rechten ausgestattet sind, die der Wahrheitserforschung im Wege stehen können. Das Recht eines als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beschuldigten im Sinne von § 52 Abs. 1 StPO, das Zeugnis - ohne Angabe von Gründen - zu verweigern, ist ein solches Recht (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Es gründet sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des verwandten Zeugen aus Art. 2 Abs. 1 GG, das die Aufgabe hat, die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (BVerfGE 54, 148, 153; 72, 155, 170). Es umfasst sowohl die in § 52 StPO geregelte Freiheit, ein Zeugnis betreffend eines nahen Angehörigen verweigern zu können, wie auch die Option, früher getätigte Aussagen der Verwertung im Strafverfahren wieder zu entziehen.
10
§ 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Niemand soll gezwungen sein, aktiv zur Überführung eines Angehörigen beizutragen, weil der Zwang zur Belastung von Angehörigen mit dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen unvereinbar wäre wie ein gegen den Zeugen geübter Zwang zur Selbstbelastung (BVerfG, NStZ-RR 2004, 18, 19). Die Regelung lässt das öffentliche Interesse an möglichst unbehinderter Strafverfolgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen (BGHSt 12, 235, 239).
11
Die Konfliktsituation zwischen Wahrheitspflicht und Näheverhältnis wirkt zeitlich regelmäßig über die erste Zeugenaussage vor der Polizei hinaus fort. Aus diesem Grund erweitert § 252 StPO den Schutz des Zeugen, der eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Abgabe er wiederum dem beschriebenen Spannungsverhältnis ausgesetzt wäre. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine zuvor getätigte Aussage vorliegt, die über die Verlesung dieser Aussage oder auch über die Vernehmung der Verhörsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden könnte. § 252 StPO löst damit - auch im Verständnis des Bundesgerichtshofs, der, wie dargelegt, § 252 StPO nicht nur als Verlesungs-, sondern als Verwertungsverbot versteht - grundsätzlich den Konflikt zwischen Aufklärungsinteresse und Zeugenschutz.
12
b) Die in der Rechtsprechung seit jeher anerkannte Ausnahme von der vorstehenden Regel durch Vernehmung einer früheren richterlicher Vernehmungsperson - unter der Voraussetzung damaliger Belehrung des Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht - führt zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen, die auch heute noch - trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher (vgl. aus älterer Zeit etwa: Eb. Schmidt, JR 1959, 369, 373; Grünwald, JZ 1966, 489, 497 f.; Peters, JR 1967, 467 f.; Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 200) erhobenen Einwendungen (Sander/Cirener, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252, Rn. 10: kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung , die weder im Wortlaut noch im Regelungszweck des § 252 StPO eine Stütze finde; so auch: Pauly, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 252, Rn. 25; s. ferner : Velten, in: SK-StPO, 4. Aufl., § 252, Rn. 4; Kudlich/Schuhr, in: SSW-StPO, § 252, Rn. 20; Güntge, in: Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 881) - gerechtfertigt erscheint (vgl. aber auch BGHSt 49, 72, 78 f., wo der BGH auf den Wertungswiderspruch hinweist, dass auf eine Bild-TonAufzeichnung einer früheren richterlichen Vernehmung nach § 255a Abs. 1 StPO nicht, hingegen auf die Vernehmung des Richters als weniger zuverlässigem Beweismittel zurückgegriffen werden kann, ohne die althergebrachte Rechtsprechung in Frage zu stellen) und auch nicht zu einer bedenklichen Einschränkung von Zeugenrechten führt.
13
Schon in seiner Grundsatzentscheidung im Jahre 1952 hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung nicht allein auf die formale Überlegung gestützt , dass der Richter - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - zur Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht verpflichtet sei. Er hat zudem auf die für den Zeugen erkennbare und regelmäßig von ihm empfundene (sich auch aus § 251 StPO ergebende) erhöhte Bedeutung der richterlichen Vernehmung (dazu auch: Pauly, aaO, § 252, Rn. 25) und dessen nach ordnungsgemäßer Belehrung und in Kenntnis der Tragweite seines Verhaltens getroffene Entschließung abgestellt, an welcher er im Interesse der Wahrheitsfindung festgehalten werden könne. Dieses Argument trägt auch heute noch grundsätzlich - ohne dass es auf die von der Revision angezweifelte besondere "Qualität" oder "Dignität" einer richterlichen Vernehmung ankäme (vgl. insoweit auch Eisenberg , NStZ 1988, 488; Geerds, JuS 1991, 199, 200) - die Differenzierung zwischen polizeilich getätigten Aussagen und solchen, die in einer richterlichen Vernehmung gemacht werden (zustimmend: Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 252, Rn. 22, 26; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. § 252, Rn. 14). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass damit spätere unlautere Beeinflussungsversuche auf einen Zeugen, durch welche die Wahrheitsermittlung im Strafverfahren Not leiden würde, genauso verhindert werden können (vgl. BGHSt 2, 99, 109; 27, 139, 143; 45, 342, 347) wie wirksam der Gefahr begegnet werden kann, dass sich ein Zeuge zum Herrn des Verfahrens macht und dadurch die Wahrheitsermittlung vereitelt (vgl. schon BGHSt 2, 199, 107 f.; s. auch BGHSt 45, 342, 347 f.).
14
Ob an diesen Grundsätzen für richterliche Vernehmungen außerhalb eines Ermittlungsverfahrens festzuhalten ist, etwa für Angaben in einem familiengerichtlichen Verfahren, in dem ein Interesse daran bestehen kann, in diesem Verfahren Angaben zu machen, ohne dass eine Strafverfolgung gewünscht oder beabsichtigt ist, bedarf hier keiner Entscheidung (gegen die Möglichkeit der Verwertung insoweit mit beachtlichen Argumenten Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 30; vgl. auch BGHSt 36, 384 ff. m. Anm. Hassemer JuS 1990, 1023, 1024; dazu auch Julius, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 252, Rn. 10; Fezer, JZ 1990, 875, 876; Geerds, JuS 1991, 199, 201).
15
c) Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung sieht der Senat diese Ausgangs-Überlegung aber nur dann als gerechtfertigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden ist, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Aussageverweigerung Gebrauch macht (so auch Julius, aaO, § 252, Rn. 2; a. A. ohne nähere Begründung etwa Diemer, aaO, § 252, Rn. 28; weitere abweichende Meinungen zitieren gleichfalls nur die genannte Rechtsprechung). Erforderlich ist daher eine "qualifizierte" Belehrung, welche den Zeugen umfassend in die Lage versetzt, über seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden, und zugleich die Ausnahme von einem umfassenden Verwertungsverbot bei einer richterlichen Vernehmung legitimiert.
16
aa) Zu Recht hat der BGH vielfach auf die besondere Bedeutung der Belehrung des Zeugen für dessen Entscheidung hingewiesen, Angaben zu machen (BGHSt 2, 99, 106; zur Bedeutung der Belehrung s. auch BGHSt 9, 195, 197; 32, 25, 30 f.; so auch Diemer, aaO, § 252, Rn. 28). Zu der hierfür erforderlichen umfassenden Information gehört aber nicht allein die Kenntnis eines zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts, sondern auch die Kenntnis über die möglichen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Aussagebereitschaft. Denn für die in den meisten Fällen nicht rechtskundigen Zeugen liegt es in der Regel fern, sich zum Zeitpunkt einer (richterlichen) Vernehmung im Ermittlungsverfahren von sich aus Gedanken darüber zu machen, ob auch bei späterer Aussageverweigerung - für welche es eine Vielzahl nicht zu überprüfender Gründe geben kann - ihre Aussage verwertbar bleibt. Die von §§ 52, 252 StPO geschützten Interessen gebieten es vor diesem Hintergrund, den Zeugen auch darüber zu belehren, dass er an zu diesem Zeitpunkt endgültig und unwiderruflich über die Wahrnehmung des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu entscheiden hat. Geschieht dies - wie bisher - nicht, leidet der Entschluss des Zeugen an einem durchgreifenden Mangel, weil er sich dieser Konsequenz seines Handelns nicht bewusst ist (vgl. zur notwendigen Belehrung eines Zeugen, der Angaben in der Hauptverhandlung verweigern , aber der Verwertung zuvor gemachter polizeilicher Angaben zulassen möchte, BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 296/07, NStZ 2007, 712, 713).
17
Eine in diesem Sinn qualifizierte Belehrung bietet hingegen eine sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen. Sie kann zudem seinen Blick auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation schärfen, die ansonsten für den Angehörigen oft erst unmittelbar vor und während der Hauptverhandlung erkenn- und spürbar wird (vgl. Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; so auch Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 10).
18
Sofern man anders als der Senat davon ausginge, der Zeuge sei angesichts des Verfahrensgangs ohnehin meist der Ansicht, dass mit der richterlichen Vernehmung seine Angaben für eine spätere Hauptverhandlung gesichert werden sollen, würde dies keinen genügenden Grund darstellen, von einer entsprechenden Belehrungspflicht abzusehen. Diese würde insoweit jedenfalls die "Ausnahmefälle" erfassen, in denen es an der entsprechenden Kenntnis fehlt; für die Praxis der Strafverfolgung hätte sie überdies keine besondere Relevanz, weil die maßgeblichen Entscheidungen der Zeugen schon jetzt in umfassender Kenntnis der damit verbundenen Auswirkungen getroffen würden.
19
bb) Der Annahme einer Belehrungspflicht stehen die bisher in der Rechtsprechung des BGH hiergegen vorgebrachten Erwägungen nicht entgegen. Dass es an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehle (so BGH, Urteil vom 30. August 1984 - 4 StR 475/84, NStZ 1985, 36), ist zwar zutreffend, schließt aber die vom Senat befürwortete Anerkennung einer entsprechenden Belehrung gerade nicht aus. Denn es handelt sich um Erwägungen und Anforderungen im Bereich der richterrechtlich begründeten Ausnahme von dem Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO. Es wäre widersprüchlich, ungeschriebene Ausnahmen von einem Verwertungsverbot zuzulassen, für deren rechtsstaatliche Begrenzung aber eine gesetzliche Grundlage zu verlangen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung auch in anderen Bereichen gesetzlich nicht vorgesehene Belehrungspflichten entwickelt hat, etwa im Zusammenhang mit § 136a StPO.
20
Soweit der Senat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 (BGHSt 32, 25, 31 f.) die Ansicht vertreten hat, die Annahme einer Belehrungspflicht bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung sei nicht geboten, weil auch bei einer Vernehmung in der Hauptverhandlung kein Hinweis vonnöten sei, dass der in der Aussage liegende Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht jeder- zeit, auch noch während laufender Vernehmung, widerrufen werden könne, hält er daran nicht fest. Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschlossen hat, trotz Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist nicht mit der Lage zu vergleichen, in der sich der Zeuge bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung befindet. Entscheidet sich die ordnungsgemäß belehrte Aussageperson in der Hauptverhandlung zu einer Aussage, liegt dem regelmäßig eine in Kenntnis der Folgen für den verwandten Angeklagten getroffene bewusste Entscheidung zugrunde, die keinen Anhalt für einen bestehenden Willensmangel oder eine kurzfristig (während der Vernehmung) zu erwartende Willensänderung bietet. Bei einer Vernehmung durch einen Richter im Ermittlungsverfahren ist hingegen - wie oben dargelegt - nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Zeuge sich der Endgültigkeit seiner Entscheidung, die schon mit Blick auf den zu erwartenden Zeitablauf zwischen dieser Vernehmung und einer späteren Hauptverhandlung und die sich in dieser Zeitspanne möglicherweise ergebenden Entwicklungen im Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem verwandten Zeugen vom Schutzzweck getragene Änderungen unterliegen kann, bewusst ist. Ihn darauf hinzuweisen , ist - anders als in der Hauptverhandlung - ein Gebot, das es ihm erst ermöglicht, verantwortungsvoll über die Wahrnehmung seiner Rechte in der vom Gesetz grundsätzlich als schützenswert angesehenen Situation zu entscheiden.
21
cc) Die vom Senat für notwendig erachtete Belehrungspflicht würde die Effektivität der Strafverfolgung nicht in nennenswertem Umfang in Frage stellen. Es ist nicht zu befürchten, dass die Entscheidungen der großen Mehrzahl der Zeugen nach einer solchen Belehrung anders ausfallen könnte als bisher, selbst wenn es einzelne Zeugen geben mag, für die eine solche Belehrung Anlass sein könnte, von einer Zeugenbekundung Abstand zu nehmen oder auf sie jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten. Dies wäre hinzunehmen, denn es entspricht der gesetzgeberischen Wertung, dem Persönlichkeitsrecht des Zeugen insoweit durch Einschränkung der Wahrheitsermittlung und damit letztlich auch der Strafverfolgung Rechnung zu tragen, und räumt dem Zeugen damit noch keine Befugnisse ein, die ihn - fernab des Konflikts, in dem er sich befindet und den er berechtigt für sich auch durch den Verzicht auf eine Aussage lösen kann - zum "Herren über das Verfahren" machen würde. Eine Effektivität der Strafrechtspflege, welche ihre Kraft wesentlich darauf stützte, dass Personen , deren Rechte dem Schutz des Gesetzes und der Strafverfolgungsorgane anvertraut sind, bewusst unzureichend über ihre Rechtsstellung aufgeklärt werden , wäre eines Rechtsstaats nicht würdig.

III.

22
Auch die Sachrüge erscheint dem Senat erfolgversprechend.
23
Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe. Das Landgericht ist davon ausgegangen, das der Tat ihr Gepräge gebende Hauptmotiv sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; dies stehe sittlich auf niedrigster Stufe. Dabei hat es zwar das ambivalente Verhalten des Tatopfers in den Blick genommen; die Begründung, mit der die Strafkammer dieses Verhalten als unbeachtlich angesehen hat, erscheint aber bedenklich. Dass der Angeklagte "Handlungsalternativen" gehabt hat und die Situation anders als durch Tötung seiner Ehefrau hätte lösen können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich und vermag nicht, dem Opferverhalten, das im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist, seine Bedeutung zu nehmen.

IV.

24
Dass der Senat insoweit die landgerichtliche Entscheidung aufheben könnte, ohne dass eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage notwendig wäre , ändert aus seiner Sicht allerdings nichts an der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage (als Voraussetzung einer möglichen Divergenzvorlage). Eine allein auf die Sachrüge gestützte Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung würde unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres dazu führen, dass die Schwurgerichtskammer ihrer Entscheidung erneut die über die Vernehmung des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Tochter des Angeklagten zugrunde legen und sich damit aus der Sicht des Senats erneut rechtsfehlerhaft über die geschützten Interessen der Zeugin hinwegsetzen müsste. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Den Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 stehen die Personen gleich, die im Rahmen

1.
eines Vertragsverhältnisses einschließlich der gemeinschaftlichen Berufsausübung,
2.
einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder
3.
einer sonstigen Hilfstätigkeit
an deren beruflicher Tätigkeit mitwirken. Über die Ausübung des Rechts dieser Personen, das Zeugnis zu verweigern, entscheiden die Berufsgeheimnisträger, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann.

(2) Die Entbindung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit (§ 53 Absatz 2 Satz 1) gilt auch für die nach Absatz 1 mitwirkenden Personen.

(1) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage gelten die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften.

(2) Für die Mitglieder des Bundestages, eines Landtages, der Bundes- oder einer Landesregierung sowie für die Angestellten einer Fraktion des Bundestages und eines Landtages gelten die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften.

(3) Der Bundespräsident kann das Zeugnis verweigern, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.

(4) Diese Vorschriften gelten auch, wenn die vorgenannten Personen nicht mehr im öffentlichen Dienst oder Angestellte einer Fraktion sind oder ihre Mandate beendet sind, soweit es sich um Tatsachen handelt, die sich während ihrer Dienst-, Beschäftigungs- oder Mandatszeit ereignet haben oder ihnen während ihrer Dienst-, Beschäftigungs- oder Mandatszeit zur Kenntnis gelangt sind.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/07
vom
17. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert
worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter
näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle
der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen,
dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil
der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - Landgericht Oldenburg
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Basdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Miebach,
Dr. Wahl, Dr. Bode, Prof. Dr. Kuckein, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Gerhardt sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und Becker am
17. Januar 2008 beschlossen:
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.

Gründe:


I.

1
Die Vorlage des 3. Strafsenats betrifft die Frage, in welcher Weise es im Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen ist, wenn Strafverfolgungsbehörden das Verfahren gegen den Angeklagten in rechtsstaatswidriger Weise verzögert haben.
2
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Strafsache gegen F. (3 StR 50/07) über die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Re- vision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Mit ihrem Rechtsmittel beanstandet es die Revisionsführerin als sachlichrechtlichen Mangel, dass das Landgericht zum Ausgleich für eine von ihm zu verantwortende Verzögerung des Verfahrens gegen den Angeklagten auf eine Strafe erkannt hat, die das gesetzliche Mindestmaß unterschreitet.
3
Der Angeklagte hatte einen im Eigentum seiner Mutter stehenden, aber maßgeblich von ihm geleiteten Landgasthof in Brand gesetzt, um Leistungen aus der von seiner Mutter für den Betrieb abgeschlossenen Gebäude-, Inventar - und Ertragsausfallversicherung zu erlangen. Er hatte den Schadensfall der Versicherung gemeldet, diese hatte jedoch keine Zahlungen geleistet.
4
Wegen dieses Sachverhalts hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten der besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und des versuchten Betruges (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass das Verfahren in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Weise verzögert worden sei, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 5. Oktober 2004 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24. Mai 2006 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Es hat sodann dargelegt, dass ohne Berücksichtigung dieser Verfahrensverzögerung zur Ahndung der besonders schweren Brandstiftung die in § 306 b Abs. 2 StGB vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe angemessen sei. Da § 306 b StGB keinen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle vorsehe, sei ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung innerhalb des gesetzlich eröffneten Strafrahmens nicht möglich. Daher sei, um dem Angeklagten die verfassungsrechtlich gebotene Kompensation für die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu gewähren, eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Das Landgericht hat demgemäß den Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB nach den Maßstäben des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 StGB gemildert und sodann zur Kompensation der Verfahrensverzögerung statt der an sich verwirkten Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren eine solche von drei Jahren und zehn Monaten festgesetzt.
5
Für den versuchten Betrug hat es an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen erachtet, wegen der überlangen Verfahrensdauer jedoch auf eine solche von sechs Monaten erkannt. Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und zehn Monaten hat es sodann eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; ohne die jeweiligen Strafabschläge hätte es eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet.
6
2. Diese Strafzumessung hält der 3. Strafsenat für rechtsfehlerhaft. Er beabsichtigt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im gesamten Strafausspruch aufzuheben.
7
a) Hierbei will er es allerdings im Ausgangspunkt nicht beanstanden, dass das Landgericht im Hinblick auf die zwischen der Anklageerhebung und dem Eröffnungsbeschluss verstrichene Zeit einen von der Justiz zu verantwortenden Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung angenommen und die sich hieraus ergebende Verzögerung des Verfahrens - wenn auch nicht ausdrücklich ziffernmäßig, so doch nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen - auf etwa ein Jahr und sechs Monate bemessen hat. Auch sieht er keinen Verstoß gegen Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung dadurch begründet, dass das Landgericht als Ausgleich für diese Verfahrensverzögerung die für den versuchten Betrug eigentlich als angemessen erachtete Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr um die Hälfte reduziert und auf sechs Monate festgesetzt hat. Ebensowenig liege ein revisibler Bewertungsfehler des Landge- richts darin, dass dieses für das Brandstiftungsdelikt ohne Berücksichtigung der Verzögerung auf die Mindeststrafe von fünf Jahren erkannt hätte.
8
Als berechtigt erachtet der 3. Strafsenat dagegen die Rüge der Revision, das Landgericht habe zur Gewährleistung eines Ausgleichs für die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht das gesetzliche Mindestmaß der für das Brandstiftungsdelikt angedrohten Freiheitsstrafe unterschreiten dürfen. Die vom Landgericht vorgenommene entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB hält er für rechtlich nicht zulässig. Er vertritt die Auffassung, die gebotene Kompensation für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei insoweit vielmehr in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Weise vorzunehmen , dass auf die Mindeststrafe als angemessene Strafe zu erkennen und in der Urteilsformel gleichzeitig auszusprechen sei, dass ein bestimmter Teil der Strafe, der dem gebotenen Ausmaß der Kompensation entspricht, als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung).
9
b) Hinsichtlich der Einzelstrafe für die besonders schwere Brandstiftung in dieser Weise zu entscheiden, sieht sich der 3. Strafsenat weder durch Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs noch durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gehindert. Ob es möglich wäre, aus der reduzierten Einzelstrafe für den versuchten Betrug und einer teilweise für vollstreckt erklärten Einzelstrafe für das Brandstiftungsdelikt in stimmiger Weise eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat der 3. Strafsenat offen gelassen. Denn er ist der Auffassung, dass die durch vorliegende Sonderkonstellation aufgeworfenen Rechtsfragen und das von ihm zu deren Lösung befürwortete Modell Anlass zu einer generellen Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung geben. Diese Prüfung ergebe, dass sich die Vollstreckungslösung allgemein stimmiger in das Rechtsfolgensystem des Strafgesetzbuchs einfüge und der an sich angemessenen Strafe die Funktion belasse, die ihr in daran anknüpfenden Folge- regelungen inner- und außerhalb des Strafrechts zukomme. Er möchte daher dieses Modell generell anwenden und demgemäß auch den Einzelstrafausspruch wegen des versuchten Betruges aufheben. Daher beabsichtigt er zu entscheiden: Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen; zugleich ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
10
Da hiermit eine Abkehr von einer bisher einhelligen Rechtsprechung verbunden wäre, hat er dem Großen Senat für Strafsachen die Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts zur Entscheidung vorgelegt (BGH NJW 2007, 3294).
11
3. Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats angeschlossen.

II.

12
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG sind gegeben.
13
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Die Ansicht des 3. Strafsenats, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es für erforderlich erachtet habe, die Verzögerung des Verfahrens zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss auf der Rechtsfolgenseite zugunsten des Angeklagten auszugleichen, und hierfür hinsichtlich des Brandstiftungsdelikts innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens keine hinreichende Möglichkeit gesehen habe, ist vertretbar. Auf dieser Grundlage hängt die Revisionsentscheidung davon ab, wie die vorgelegte Rechtsfrage zu beantworten ist. Diese hat auch grundsätzliche Bedeutung. Verstöße der Strafverfolgungsorgane gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung sind in zunehmendem Maße festzustellen ; die Gründe hierfür hat der Große Senat an dieser Stelle nicht zu erörtern. Die Frage, welche Folgen aus derartigen Verstößen zu ziehen sind, ist regelmäßig Gegenstand tatrichterlicher und revisionsgerichtlicher Entscheidungen. Eine einheitliche Handhabung durch entsprechende Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher geboten. Vor diesem Hintergrund erstrebt die Vorlage eine Fortbildung des Rechts; denn sie zielt auf die Festlegung neuer Auslegungsgrundsätze, als deren Folge sich ein von der bisherigen Handhabung abweichendes rechtliches Modell für die Kompensation von Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs ergäbe.

III.

14
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die ihm unterbreitete Rechtsfrage im Ergebnis im Sinne des Vorlegungsbeschlusses.
15
Zwar führt das bisher in der Rechtsprechung praktizierte Modell, dem Angeklagten als Ausgleich für einen rechtsstaatswidrigen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung einen bezifferten Abschlag auf die an sich verwirkte Strafe zu gewähren, im Regelfall zu einer Kompensation dieses Verstoßes , die nicht nur mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK), sondern auch mit dem nationalen deutschen Straf- und Strafprozess- recht in Einklang steht. Jedoch stößt dieses Modell in besonders gelagerten Fällen an gesetzliche Grenzen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann die Gewährung der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Kompensation durch Strafabschlag zu Ergebnissen führen, die den einfachgesetzlichen Rahmen des Strafzumessungsrechts sprengen. Hierdurch wird jedoch die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) berührt, die durch das StGB vorgegebene Grenzen der Strafenfindung zu achten haben. Deren Überschreitung könnte aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten nur dann gerechtfertigt werden, wenn keine andere Möglichkeit der Kompensation zur Verfügung stünde , die die Grundsätze des Strafzumessungsrechts des StGB unberührt lässt. Eine solche liegt mit der Vollstreckungslösung indes vor. Der Große Senat hält daher einen Wechsel zu diesem Modell für geboten. Dies gilt auch deshalb, weil diese Form der Entschädigung gemäß den Vorgaben der MRK, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) präzisiert worden sind, im Gegensatz zur bisherigen Verfahrensweise in allen Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eine Kompensation ermöglicht. Die Vollstreckungslösung genügt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
16
Unabhängig hiervon hat die Vollstreckungslösung gegenüber dem Strafabschlagsmodell weitere Vorzüge, die für die Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen einen Systemwechsel angezeigt erscheinen lassen. Durch die Trennung von Strafzumessung und Entschädigung belässt sie der unrechts- und schuldangemessenen Strafe die ihr in strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Folgebestimmungen beigelegte Funktion. Darüber hinaus vereinfacht sie die Rechtsfolgenbestimmung.
17
Im Einzelnen:
18
1. Weder die Strafprozessordnung noch das Strafgesetzbuch enthalten Regelungen dazu, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ein Strafverfahren aus Gründen verzögert wird, die im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Nach dessen Auffassung war eine gesetzliche Verankerung des Beschleunigungsgebots in der Strafprozessordnung entbehrlich, weil bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK die Strafverfolgungsorgane hinreichend zu einer zügigen Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren verpflichte. Der Beschleunigungsgrundsatz sei daher dem deutschen Strafverfahrensrecht auch ohne ausdrückliche Regelung immanent. Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde ließen es ebenfalls nicht zu, den Beschuldigten länger als unvermeidbar in der Drucksituation des Strafverfahrens zu belassen. Wie der Grundsatz zügiger Verfahrenserledigung inhaltlich näher zu präzisieren sei und welche Folgen an seine Verletzung anzuknüpfen seien, müsse der Klärung durch Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen werden (vgl. den Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 1973 für das 1. StVRG, BT-Drucks. 7/551 S. 36 f.).
19
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Hinzu tritt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 MRK, wonach jede Person, die aus Anlass eines gegen sie geführten Strafverfahrens von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat; wird dieser Anspruch verletzt, so kann sie verlangen, während des Verfahrens (aus der Haft) entlassen zu werden. Regelungen darüber , welche sonstigen Konsequenzen aus einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung und Urteil innerhalb angemessener Frist zu ziehen sind, enthält die MRK nicht. Jedoch bestimmt Art. 13 MRK, dass jede Person, die in ihren in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben , auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
20
2. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung vertreten, die Verletzung des Anspruchs des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf zügige Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens begründe zwar kein Verfahrenshindernis, sei jedoch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Spielraum, den das Gesetz insoweit gewähre , reiche aus, um den Belastungen, denen der Angeklagte durch das unangemessen zögerlich geführte Verfahren ausgesetzt gewesen sei, in hinreichender Weise Rechnung zu tragen (BGHSt 24, 239, 242; 27, 274, 275 f.; BGH NStZ 1982, 291, 292 m. w. N.). Dies könne in den gesetzlich vorgesehenen Fällen bis zum Absehen von Strafe, bei Verfahren wegen Vergehen aber auch zur deren Einstellung gemäß § 153 StPO führen; auch ein Gnadenerweis sei in Betracht zu ziehen (BGHSt 24, 239, 242 f.).
21
Danach war es ausreichend, den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Abwägung der sonstigen strafmildernden und -schärfenden Aspekte selbständig , auch neben dem schon für sich mildernden Umstand eines langen Zeitraums zwischen Tat und Urteil, zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1983, 167; 1986, 217, 218; 1987, 232 f.; 1988, 552; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 2).
22
Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof später im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts modifiziert.
23
a) Der EGMR hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1982 (E. ./. Bundesrepublik Deutschland - EuGRZ 1983, 371 ff. m. Anm. Kühne) in zwei gegen die dortigen Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden festgestellt. Hieran anknüpfend hat er es in dem einen der beanstandeten Verfahren nicht als hinreichenden Ausgleich zugunsten der Beschwerdeführer erachtet , dass diesen die Verzögerungen bei der Strafzumessung des landgerichtlichen Urteils ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten worden waren; dies sei nicht geeignet, den Beschwerdeführern ihre Opfereigenschaft im Sinne des Art. 25 MRK aF (= Art. 34 MRK nF) zu nehmen, da das Urteil keine hinreichenden Hinweise enthalte, die eine Überprüfung der Berücksichtigung der Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Konvention erlaubten (EGMR EuGRZ 1983, 371, 381). In dem anderen Verfahren gelte das Gleiche, soweit dieses schließlich gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei; denn der Einstellungsbeschluss enthalte keinen Hinweis auf eine Berücksichtigung der Verfahrensverzögerungen (aaO S. 382). Zu der Frage, wie die vermissten "Hinweise" hätten ausgestaltet sein müssen und welche inhaltlichen Anforderungen an die den Beschwerdeführern zu gewährende Kompensation zu stellen gewesen wären, um den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch im Rahmen des nationalen Rechts auszugleichen, äußert sich die Entscheidung nicht.
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt eine von den Justizbehörden zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten auch in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie - wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet - in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer könne den Beschuldigten - insbesondere dann, wenn die Dauer durch vermeidbare Verzögerungen seitens der Justizorgane bedingt sei - zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleich kämen. Mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens gerieten sie in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, dass die Strafe verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen müsse (BVerfG - Kammer - NJW 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; NStZ 2006, 680, 681 = JR 2007, 251 m. Anm. Gaede; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1992, 2472, 2473 für das Ordnungswidrigkeitenverfahren). So, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhalte, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen, verpflichte er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zur Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2225; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247; vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3485 zum weiteren Vollzug der Untersuchungshaft).
25
Solange es an einer gesetzlichen Regelung fehle, seien die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zunächst in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts zu ziehen. Komme eine angemessene Reaktion auf solche Verfahrensverzögerungen mit vorhandenen prozessualen Mitteln (§§ 153, 153 a, 154, 154 a StPO) nicht in Frage, so sei eine sachgerechte, angemessene Berücksichtigung im Rechtsfolgenausspruch, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglicherweise durch Absehen von Strafe oder Verwarnung mit Strafvorbehalt, jenseits davon bei der Strafzumessung wie auch gegebenenfalls bei der Strafaussetzung zur Bewährung und bei der Frage der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung regelmäßig verfassungsrechtlich gefordert , aber auch ausreichend (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967). Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung müsse sich bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im Extrembereich zum Vorliegen eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitenden Verfahrenshindernisses führe. Dabei liege es schon im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dessen Auslegung durch den EGMR nahe, erscheine aber auch mit Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung angezeigt, dass die Fachgerichte der Strafgerichtsbarkeit, wenn sie die gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen, dabei die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich feststellen und das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstands näher bestimmen (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; 2003, 2225 f.; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247 f.).
26
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dahin präzisiert , dass es nicht genüge, die Verletzung des Beschleunigungsgebots als eigenständigen Strafmilderungsgrund festzustellen und zu berücksichtigen. Vielmehr sei das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der Verzögerung angemessenen Strafe exakt zu bestimmen (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 591).
27
c) An diese Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend haben die Strafsenate des Bundesgerichtshofs ihre ursprüngliche Spruchpraxis geändert: Ist ein Strafverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und rechtsstaatliche Grundsätze durch die Strafverfolgungsorgane verzögert worden, so hat der Tatrichter nach der neueren Rechtsprechung zunächst stets Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursache konkret festzustellen und - falls dies zum Ausgleich der vom Beschuldigten erlittenen Belastungen nicht ausreichend ist und andere rechtliche Folgen (Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen oder wegen eines Verfahrenshindernisses ) nicht in Betracht kommen - in einem zweiten Schritt das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (s. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH NJW 1999, 1198, 1199; NStZ-RR 2000, 343; StV 1998, 377; 2002, 598; wistra 1997, 347; 2001, 177; 2002, 420; StraFo 2003, 247). Dies gilt bei der Bildung einer Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 StGB) nicht nur für diese, sondern auch für alle zugrunde liegenden Einzelstrafen, soweit das Verfahren hinsichtlich der entsprechenden Taten verzögert worden ist (vgl. BGH NStZ 2002, 589). Der Tatrichter hat somit in den Urteilsgründen für jede Einzeltat zwei Strafen auszuweisen, was sich aus Gründen der Klarheit auch für die Gesamtstrafe empfiehlt (vgl. BGH NStZ 2003, 601). In die Urteilsformel ist allein die reduzierte Strafe aufzunehmen. In welchem Umfang sich dabei der Konventionsverstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich auch nach dem - durch die Belastungen des verzögerten Verfahrens geminderten - Maß der Schuld des Angeklagten (vgl. BGHSt 46, 159, 174; s. auch BGH NStZ 1996, 506; 1997, 543, 544; StV 2002, 598).
28
3. An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten.
29
a) Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) stets - ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - daran festgehalten, dass die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den Mitteln vorzunehmen ist, die das Straf- oder Strafverfahrensrecht dem Rechtsanwender zur Verfügung stellen. So kommt beispielsweise die Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153 a StPO nur in Betracht , wenn sich der Angeklagte keines Verbrechens schuldig gemacht hat (vgl. BGHSt 24, 239, 242). Ebenso ist ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung durch Strafreduzierung, Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder Absehen von Strafe (§ 60 StGB) nur in den Grenzen zulässig, die das Strafgesetzbuch insoweit jeweils setzt (s. BGHSt 27, 274 zu § 59 StGB). Von der ge- setzlich vorgeschriebenen Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kann aus Kompensationsgründen nicht abgesehen werden (BGH NJW 2006, 1529, 1535; ob hiervon in extremen Fällen Ausnahmen denkbar sind, ist dort offen gelassen worden). All dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3256; 2003, 2897, 2899; NStZ 2006, 680, 681).
30
In Fällen, in denen eine Kompensation nur durch eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafen möglich wäre, gerät die bisher von der Rechtsprechung angewandte Strafabschlagslösung jedoch an ihre Grenzen und läuft Gefahr, das Rechtsfolgensystem des StGB in Frage zu stellen. Dieser Konflikt zwischen Straf- und Strafprozessrecht auf der einen und verfassungs- sowie konventionsrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite muss in einer Weise aufgelöst werden, welche die Bindung der Gerichte an die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung so weit wie möglich respektiert. Im Bereich der Strafzumessung bedeutet dies, dass die gesetzliche Untergrenze der angedrohten Strafe nur dann unterschritten werden darf, wenn keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, das vom Angeklagten erlittene Verfahrensunrecht in einer nach den Maßstäben des Grundgesetzes und der MRK hinreichenden Weise auszugleichen.
31
Diese Möglichkeit ist mit dem Vollstreckungsmodell jedoch vorhanden, das seine rechtlichen Grundlagen in den Bestimmungen der MRK und deren Entschädigungsprinzip findet sowie den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB fruchtbar macht (s. unten). Indem es die Kompensation für die von staatlichen Stellen verursachten Verfahrensverzögerungen in einem gesonderten Schritt nach der eigentlichen Strafzumessung vornimmt, respektiert es im Ausgangspunkt die im Gesetz vorgegebenen Mindeststrafen, die nach der Bewertung des Gesetzgebers auch im denkbar mildesten Fall noch einen angemessenen Schuldausgleich gewährleisten (vgl. Kutzner StV 2002, 277, 278). Gleichzeitig eröffnet es die Möglichkeit, die gebotene Entschädigung des Angeklagten für das von ihm erlittene Verfahrensunrecht dennoch zu leisten. Dies gilt selbst im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sollte hier ausnahmsweise eine Kompensation einmal geboten sein (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1535), so könnte sie durch Anrechnung auf die Mindestverbüßungsdauer im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgenommen werden. Die Vollstreckungslösung erübrigt damit von vornherein Überlegungen, ob für besondere Ausnahmefälle ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe oder gar ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe (vgl. BGH StV 2002, 598; NJW 2006, 1529, 1535) in Betracht gezogen werden muss, sei es in der Form eines „Härteausgleichs“ (s. für den Fall der nicht - mehr - möglichen Gesamtstrafenbildung BGHSt 31, 102, 104 m. Anm. Loos NStZ 1983, 260; vgl. auch BGHSt 36, 270, 275 f.), sei es durch eine Strafrahmenverschiebung in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 oder 2 StGB (s. Krehl ZIS 2006, 168, 178 f.; StV 2006, 408, 412; Hoffmann-Holland ZIS 2006, 539 f.), wie dies der Bundesgerichtshof in Ausnahmefällen für zulässig erachtet hat, wenn die Verhängung der von § 211 StGB vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe aus anderen Gründen mit dem Übermaßverbot in Widerstreit gerät (vgl. BGHSt 30, 105).
32
b) Die bisher praktizierte Strafabschlagslösung ist aber auch deshalb durch das Vollstreckungsmodell zu ersetzen, weil dieses sich inhaltlich in vollem Umfang an den Kriterien ausrichtet, die nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 13, 34 MRK für den Ausgleich rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen maßgeblich sind.
33
aa) Die MRK ist durch das Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) vom 7. August 1952 (BGBl II 685; ber. 953) unmittelbar geltendes nationales Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes geworden (vgl. etwa BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 323 f.; BGHSt 45, 321, 329; 46, 178, 186). Ihre Gewährleistungen sind daher durch die deutschen Gerichte wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 323). Hierbei ist auch das Verständnis zu berücksichtigen , das sie in der Rechtsprechung des EGMR gefunden haben. Auf dieser Grundlage ist das nationale Recht unabhängig von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit der MRK zu interpretieren (vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 324).
34
Nach welchen Kriterien, in welcher Weise und in welchem Umfang eine Verletzung des Anspruchs auf zügige Verfahrenserledigung aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu kompensieren ist, um dem Betroffenen seine Opferstellung im Sinne des Art. 34 MRK zu nehmen und damit den jeweiligen Vertragsstaat vor einer Verurteilung zu bewahren, ist in der MRK nicht geregelt und daher vom EGMR den nationalen Fachgerichten nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsordnung zur Entscheidung überlassen worden (vgl. EGMR EuGRZ 1983, 371, 382 m. Anm. Kühne; NJW 2001, 2694, 2700, Zf. 159; Pfeiffer in Festschrift Baumann S. 329, 338; Trurnit/Schroth StraFo 2005, 358, 361). Jedoch hat die Rechtsprechung des EGMR hierzu konkretisierende Maßstäbe entwickelt; ihr lassen sich auch deutliche Hinweise dazu entnehmen, welche Formen der Kompensation im Einzelfall eine hinreichende Wiedergutmachung des Konventionsverstoßes bewirken können.
35
Nach dem Konzept der MRK - in der Auslegung des EGMR - dient die Kompensation für eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung allein dem Ausgleich eines durch die Verletzung eines Menschenrechts entstandenen objektiven Verfahrensunrechts (Demko HRRS 2005, 283, 295; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. Gaede wistra 2004, 166, 168; JR 2007, 254 f.). Sie ist Wiedergutmachung und soll eine Verurteilung des jeweiligen Vertragsstaates wegen der Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhindern (Krehl ZIS 2006, 168, 178; s. auch BGH NStZ 1988, 552). Auf diese Wiedergutmachung hat der Betroffene gemäß Art. 13 MRK Anspruch, wenn die Konventionsverletzung nicht präventiv hat verhindert werden können (vgl. EGMR NJW 2001, 2694, 2698 ff., insbes. Zf. 159; Demko HRRS 2005, 403 ff.; Gaede wistra 2004, 166, 171; JR 2007, 254; Meyer-Ladewig MRK 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 10, 22). Ist sie geleistet, so entfällt die Opfereigenschaft des Betroffenen im Sinne des Art. 34 MRK (vgl. EGMR StV 2006, 474, 477 f., Zf. 83). Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld sind dabei als solche weder für die Frage relevant, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist (zu den maßgeblichen Kriterien in der Rechtsprechung des EGMR s. Kühne StV 2001, 529, 530 f. m. Nachw.; Demko HRRS 2005, 283, 289 ff.), noch spielen diese Umstände für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (Demko HRRS 2005, 283, 294 f.; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. auch Kutzner StV 2002, 277, 283). Diese ist vielmehr allein an der Intensität der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auszurichten. Durch die Kompensation wird danach eine Art Staatshaftungsanspruch erfüllt, der dem von einem überlangen Strafverfahren betroffenen Angeklagten in gleicher Weise erwachsen kann wie der Partei eines vom Gericht schleppend geführten Zivilprozesses oder einem Bürger , der an einem verzögerten Verwaltungsrechtsstreit beteiligt ist. Dieser Anspruch entsteht auch dann, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Ein unmittelbarer Bezug zu dem vom Angeklagten schuldhaft verwirklichten Unrecht oder sonstigen Strafzumessungskriterien besteht daher nicht.
36
Die Kompensation durch Gewährung eines bezifferten Abschlags auf die an sich verwirkte Strafe knüpft somit nach den Maßstäben der MRK im Ausgangspunkt an ein eher sachfernes Bewertungskriterium an, mag sie auch im Großteil der Fälle dazu führen, dass der gebotene Ausgleich geschaffen wird und damit die Opferstellung des Angeklagten entfällt. Demgegenüber koppelt das Vollstreckungsmodell den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von vornherein von Fragen des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Damit entspricht es nicht nur den Vorgaben der MRK, sondern es vermeidet gleichzeitig die Komplikationen, die sich für die Strafabschlagslösung aus der Bindung des Gerichts an die gesetzlich vorgegebenen Strafuntergrenzen ergeben (s. oben a).
37
bb) Die Vollstreckungslösung genügt auch den inhaltlichen und formellen Anforderungen, die die Art. 13, 34 MRK an eine hinreichende Kompensation stellen.
38
Nach der Rechtsprechung des EGMR verlangt ein angemessener Ausgleich zumindest die ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Anerkennung des Konventionsverstoßes. Diese kann je nach den Umständen als Kompensation hinreichen; denn der EGMR hat in etlichen Fällen, in denen erst er selbst den Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausdrücklich festgestellt hat, diese Feststellung als Ausgleich genügen lassen und dem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 41 MRK für immaterielle Einbußen zugesprochen (vgl. EGMR NJW 1984, 2749, 2751 - Ver-waltungsrechtsstreit; 2001, 213, 214 - Zivilrechtsstreit; StV 2005, 475, 477 m. Anm. Pauly - Strafverfahren ). Dies legt es nahe, dass aus der Sicht des EGMR insoweit - das heißt ohne Berücksichtigung etwaiger materieller Schäden - die Opferstellung des Betroffenen bereits durch die nationalen Gerichte aufgehoben worden wäre, wenn sie die entsprechende Feststellung selbst getroffen hätten.
39
Der EGMR hat weiterhin deutlich gemacht, dass die "innerstaatlichen Behörden" durch eine eindeutige und messbare Minderung der Strafe angemessene Wiedergutmachung leisten können (s. - je m. w. Nachw. - EGMR StV 2006, 474, 479 m. Anm. Pauly; Urteil vom 26. Oktober 2006 - Nr. 65655/01, Zf. 24, juris). Dies gelte auch, soweit eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK auszugleichen sei; jedoch müsse dieser Verstoß gesondert anerkannt werden und zu einer selbständigen messbaren Strafmilderung führen (vgl. EGMR StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly).
40
Zu Weiterem verhält sich der EGMR nicht näher. Nach den in seinen Entscheidungen entwickelten Maßstäben sind aber auch die in der deutschen Rechtsprechung neben der Strafreduktion in Betracht gezogenen Konsequenzen (Annahme eines Verfahrenshindernisses, Strafaussetzung zur Bewährung, Absehen von Maßregeln der Besserung und Sicherung, völlige oder teilweise Verfahrenseinstellung nach strafprozessualen Opportunitätsgrundsätzen) je nach den Umständen erkennbar als hinreichende Wiedergutmachung tauglich. Notwendig ist lediglich der ausdrückliche Hinweis, dass die jeweilige Maßnahme des materiellen oder prozessualen Rechts gerade zur Kompensation des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot getroffen worden ist (vgl. zu § 154 StPO: EGMR EuGRZ 1983, 371, 382).
41
Nicht ausgeschlossen ist nach den Vorgaben des EGMR auch eine Wiedergutmachung durch Zahlung einer Geldentschädigung (s. dazu etwa Kühne EuGRZ 1983, 392, 383; Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren S. 267 ff.; Wohlers JR 1994, 138, 142 f.; Kraatz JR 2006, 403, 407 ff.). Die Rechtsordnungen anderer Vertragsstaaten der MRK enthalten hierzu ausdrückliche Regelungen (etwa Spanien: s. näher Paeffgen StV 2007, 487, 494; Italien: s. näher Ress in Festschrift Müller-Dietz S. 627, 628; Frankreich: s. Kraatz JR 2006, 2003, 2006). Mit den einschlägigen Vorschriften des französischen Rechts hat der EGMR sich bereits mit Blick auf Art. 13 MRK befasst. Er hat dabei eine derartige Form der Wiedergutmachung nicht generell für unzureichend erachtet. Er hat es vielmehr nur nicht für hinreichend belegt angesehen, dass die Bestimmungen nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und ihrer konkreten Handhabung in dem zu beurteilenden Fall ein wirksames innerstaatliches Rechtsmittel im Sinne des Art. 13 MRK zur Erlangung einer angemessenen Entschädigung darstellen (Entscheidung vom 26. März 2002, Nr. 48215/99, Zf. 20; s. Kraatz aaO). Das deutsche Recht enthält demgegenüber keine Regelungen , die es den Strafgerichten ermöglichten, eine Geldentschädigung zuzuerkennen. Die Bestimmungen des StrEG können nicht entsprechend herangezogen werden; sie haben abschließenden Charakter. Eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO gäbe keinen ausreichenden Entscheidungsspielraum. Es wäre Sache des Gesetzgebers, eine eindeutige rechtliche Grundlage zu schaffen.
42
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass nach den genannten Kriterien auch das Modell, einen angemessenen Teil der Strafe als vollstreckt anzurechnen, den Anforderungen an eine ausreichende Entschädigung gerecht wird. Es zieht neben dem Entschädigungsprinzip der MRK auch den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB heran; denn ähnlich wie bei der Untersuchungshaft handelt es sich bei den Belastungen, denen der Angeklagte durch die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens ausgesetzt ist, in erster Linie um immaterielle Nachteile, die allein in der Durchführung des Verfahrens wurzeln. Dies rechtfertigt es, diese Nachteile ähnlich wie die Auswirkungen der Untersuchungshaft durch Anrechnung auf die Strafe auszugleichen (vgl. Kraatz JR 2006, 204, 206; s. auch Theune in LK 12. Aufl. § 46 Rdn. 244; zu § 60 StGB: Jeschek/Weigend, StGB AT 5. Aufl. S. 863; dazu auch Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 224 ff.). Die Kompensation ist jedoch auch nach dem Vollstreckungsmodell bereits im Erkenntnisverfahren vorzu- nehmen. Sie kann nicht den Strafvollstreckungsbehörden überlassen werden; denn da die Entschädigung nicht durch schematische Anrechnung der jeweiligen Verzögerungsdauer auf die Strafe vorzunehmen, sondern aufgrund einer wertenden Betrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (s. unten IV. 1.), muss sie dem Tatrichter vorbehalten bleiben, dem schon die Feststellung dieser Umstände obliegt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
43
4. Neben all dem sprechen weitere gewichtige Gründe für einen Übergang vom Strafabschlags- auf das Vollstreckungsmodell.
44
a) Da die im Wege der Anrechnung vorgenommene Kompensation einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn darstellt, behält die nach den Maßstäben des § 46 StGB zugemessene und im Urteilstenor auszusprechende Strafe die Funktion, die ihr in anderen strafrechtlichen Bestimmungen, aber auch in außerstrafrechtlichen Regelungen zugewiesen ist. So bleibt - wie nach der gesetzlichen Konzeption des StGB vorgesehen - die dem Unrecht und der Schuld angemessene und nicht eine aus Entschädigungsgründen reduzierte Strafe maßgeblich etwa für die Fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 56 Abs. 1 bis 3 StGB), ob die formellen Voraussetzungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 bis 3 StGB), deren Vorbehalt (§ 66 a Abs. 1 StGB) oder deren nachträgliche Anordnung (§ 66 b StGB) erfüllt sind, ob der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts eintritt (§ 45 StGB), ob Führungsaufsicht angeordnet werden kann (§ 68 Abs. 1 StGB), ob Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommt (§ 59 Abs. 1 StGB) oder ob von Strafe abgesehen werden kann (§ 60 StGB) und wann Vollstreckungsverjährung eintritt (§ 79 StGB). Darüber hinaus behält sie die Bedeutung, die ihr in beamtenrechtlichen (§ 24 BRRG; für Richter s. § 24 DRiG) und ausländerrechtlichen (§§ 53, 54 AufenthG) Folgeregelungen beigelegt wird, sowie auch für die Tilgungsfristen nach dem BZRG (s. etwa § 46 BZRG) oder die Eintragungsvoraussetzungen in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO).
45
Hierdurch wird der überlangen Verfahrensdauer andererseits jedoch nicht ihre Bedeutung als Strafzumessungsgrund genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam deswegen, weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält - unbeschadet der insoweit zutreffenden dogmatischen Einordnung (zum Meinungsstreit s. Paeffgen StV 2007, 487, 490 Fn. 27) - ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem Verfahrensabschluss verstreicht; diese sind bei der Straffindung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung mitbedingt ist (vgl. BGH NJW 1999, 1198; NStZ 1988, 552; 1992, 229, 230; NStZ-RR 1998, 108). Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädigende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesensfremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen.
46
b) Durch den Übergang zur Vollstreckungslösung wird die Strafenbildung von der Notwendigkeit befreit, einen einzelnen Zumessungsaspekt in mathematisierender Weise durch bezifferten Strafabschlag - gegebenenfalls gesondert für Einzelstrafen und Gesamtstrafe - auszuweisen. Gerade diese rechnerische Vorgehensweise ist zu Recht kritisiert worden (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 443; ders. in Festschrift Tondorf S. 351, 357 f.; s. auch Gaede JR 2007, 254, 256). Selbst in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist sie als Fremdkörper in der Strafzumessung (BGH NStZ-RR 2006, 201, 202) sowie systemwidrig (BGH NStZ 2005, 465, 466) bezeichnet und es ist für wünschenswert erachtet worden, diese - ansonsten als rechtlich verfehlt erachtete (BGH NStZ-RR 1999, 101, 102; 2000, 43; 2006, 270, 271; NStZ 2007, 28) - Mathematisierung der Strafenfindung zu überdenken (BGH, Beschl. v. 23. Juni 2006 - 1 ARs 5/04; BGH wistra 2004, 470).
47
Zwar kann die durch Anrechung vorgenommene Kompensation den Rechtsfolgenausspruch - schon wegen der entsprechenden Vorgaben des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - nicht von jeder Mathematisierung freihalten. Jedoch verlagert sie durch ihre Anlehnung an § 51 StGB die Bezifferung der Entschädigung zumindest in einen Bereich, der schon nach der gesetzlichen Konzeption derartigen Berechnungen offen steht und in diesem Rahmen auch eine zahlenmäßige Bewertung verfahrensbedingt erlittener Nachteile kennt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Die eigentliche Strafzumessung wird demgegenüber nicht mehr mit ihr wesensfremden Anforderungen belastet. Dies ist insbesondere auch deswegen bedeutsam, weil es nach der neueren Rechtsprechung des EGMR (StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly) notwendig werden kann, künftig den durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 MRK neben demjenigen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gesondert zu kompensieren; dies würde nach dem Strafabschlagsmodell in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Strafzumessung mit zwei Rechenwerken befrachtet werden müßte, im Falle einer Gesamtstrafenbildung auch noch gesondert für jede Einzelstrafe und - unter Vermeidung einer Doppelkompensation - für die Gesamtstrafe.
48
Demgegenüber knüpft das Vollstreckungsmodell die Kompensation ausschließlich an die - für die Vollstreckung allein relevante - Gesamtstrafe an und vereinfacht hierdurch die Rechtsfolgenentscheidung erheblich.
49
5. Die Kompensation durch Anrechnung steht nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Allerdings findet sich auch in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Aussage, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgesetzt ist, den aus der Verwirklichung des Straftatbestandes abzuleitenden Unrechtsgehalt abmilderten, der dem Angeklagten als Tatschuld angelastet werde, und daher „grundsätzlich“ als Strafmilderungsgrund bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien (s. insb. BVerfG - Kammer - NStZ 2006, 680, 681; vgl. auch BVerfGK 2, 239, 247). Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass die nach der Rechtsprechung des EGMR gebotene Entschädigung des Angeklagten nach den Vorgaben des Grundgesetzes ausschließlich in der Form einer - zusätzlichen - bezifferten Strafmilderung zulässig wäre (vgl. dagegen I. Roxin StV 2008, 14, 16). Anliegen des Bundesverfassungsgerichts ist es nicht, eine bestimmte dogmatische Sichtweise des einfachgesetzlichen Rechts über die unrechts- und schuldmildernde Wirkung rechtsstaatswidrig verursachter Verfahrenshärten als verfassungsrechtlich allein zulässige festzuschreiben. Ebensowenig will es ersichtlich ein bestimmtes Modell der konventionsrechtlich geforderten Kompensation zum verfassungsrechtlich allein statthaften erklären. Vielmehr geht es dem Bundesverfassungsgericht, wie sich seinen einschlägigen Entscheidungen deutlich entnehmen lässt, allein um die Beachtung des in der Verfassung verankerten Übermaßverbots. In welcher Form die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durch die Fachgerichte in Anwendung des Straf- oder Strafprozessrechts gewährleistet wird, ist demgegenüber in der Verfassung nicht vorgegeben. Anders wäre es auch kaum erklärbar, dass das Bundesverfassungs- gericht eine kompensierende Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung für möglich erachtet. Wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in der Weise Rechnung getragen, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch das überlange Verfahren ausgesetzt war, zunächst allgemein mildernd in die Strafzumessung einfließen und sodann der besondere Aspekt, dass sie (teilweise) auf rechtsstaatswidrige Verzögerungen seitens der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen sind, im Urteil dadurch Berücksichtigung findet, dass als Entschädigung hierfür ein Teil der Strafe als bereits vollstreckt gilt, so ist damit in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Genüge getan wie durch die bezifferte Reduzierung der Strafe.
50
6. Die Vollstreckungslösung kann nicht nur - sachgerechte - gesetzliche Folgen haben, die sich im Vergleich zur Strafabschlagslösung zum Nachteil des Angeklagten auswirken (s. 4. a), sondern auch solche, die ihm zum Vorteil gereichen ; denn durch die Anrechnung werden bei der Strafzeitberechnung die Halbstrafe und der Zwei-Drittel-Zeitpunkt regelmäßig schneller erreicht, so dass es früher als bisher möglich ist, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 1, 2 und 4 StGB). Auch dies ist eine systemgerechte Konsequenz des neuen Modells.
51
Wird die Freiheitsstrafe, die zur Wiedergutmachung teilweise als vollstreckt erklärt wird, von vornherein zur Bewährung ausgesetzt, so ergeben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage. Nach beiden Kompensationsmodellen wird die Entschädigung faktisch erst dann wirksam, wenn die Strafe nach einem Bewährungswiderruf vollstreckt werden muss. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö- gerung neben der Anrechnung auf die Strafe aktuell wirksam auch dadurch auszugleichen, dass im Bewährungsbeschluss ausdrücklich auf Auflagen im Sinne des § 56b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 StGB verzichtet wird.
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Auch sonst ergeben sich durch die Vollstreckungslösung keine bedeutsamen Unterschiede: Kommt nur die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht, so ist diese wegen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe in der Urteilsformel auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gilt. In Fällen, in denen das gebotene Maß der Kompensation die schuldangemessene (Einzel-)Strafe erreicht oder übersteigt, ist - wie bisher - die Anwendung der §§ 59, 60 StGB oder die (teilweise) Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen zu erwägen (§§ 153, 153a, 154, 154a StPO); gegebenenfalls ist zu prüfen, ob ein aus der Verfassung abzuleitendes Verfahrenshindernis der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht.
53
Die im Bereich des Jugendstrafrechts bestehenden besonderen Probleme werden durch das Vollstreckungsmodell weder beseitigt noch verstärkt. Während sich bisher die Frage stellte, ob von der aus Erziehungsgründen erforderlichen Strafe zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein bezifferter Abschlag vorgenommen werden darf (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 15), ist nunmehr danach zu fragen, ob es dem Erziehungsgedanken widerstreitet, einen Teil der Strafe als Entschädigung für vollstreckt zu erklären (s. § 52a JGG, ferner § 88 JGG mit größerer Flexibilität für die Reststrafenaussetzung).

IV.

54
Die Strafgerichte haben die erforderliche Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach dem Vollstreckungsmodell somit an folgenden Grundsätzen auszurichten:
55
1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.
56
Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
57
In die Urteilsformel ist die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene Strafe aufzunehmen; gleichzeitig ist dort auszusprechen, welcher bezifferte Teil dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt.
58
2. Stehen mehrere Straftaten des Angeklagten zur Aburteilung an, so ist - wie bisher - zunächst zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Verfahren bei der Verfolgung aller dieser Delikte rechtsstaatswidrig verzögert worden ist; gegebenenfalls sind insoweit differenzierte Feststellungen zu treffen und der Abstand zwischen Tatzeitpunkt und Urteil sowie die Belastungen des Angeklagten durch die Verfahrensdauer nur bei einigen der festzusetzenden Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen. Allein auf die durch Zusammenfassung der Einzelstrafen gebildete und in der Urteilsformel ausgesprochene Gesamtstrafe ist die Anrechnung vorzunehmen, indem ein bezifferter Teil hiervon im Wege der Kompensation für vollstreckt erklärt wird; denn allein die Gesamtstrafe ist Grundlage der Vollstreckung.
59
Wird die Gesamtstrafe nachträglich aufgelöst, so hat das Gericht, das unter Einbeziehung der dieser zugrunde liegenden Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe zu bilden hat, auch festzusetzen, welcher bezifferte Teil dieser neuen Gesamtstrafe aus Kompensationsgründen als vollstreckt anzurechnen ist.
Hierdurch darf der, wie rechtskräftig festgestellt, von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung betroffene Verurteilte nicht nachträglich schlechter gestellt werden (vgl. § 51 Abs. 2 StGB). Dies gilt entsprechend, wenn die Einzelstrafen des ursprünglichen Urteils in mehrere neu zu bildende Gesamtstrafen einzubeziehen sind. Das zur Entscheidung berufene Gericht hat dann festzulegen , in welchem Umfang die neu auszusprechenden Gesamtstrafen anteilig als vollstreckt gelten. Dabei hat es sich daran zu orientieren, in welchem Umfang in die jeweilige neue Gesamtstrafe Einzelstrafen einfließen, die ursprünglich nach einem rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahren festgesetzt worden waren. In der Summe dürfen die für vollstreckt erklärten Teile der neuen Gesamtstrafen nicht hinter der ursprünglich ausgesprochenen Anrechnung zurückbleiben. Hirsch Rissing-vanSaan Basdorf Maatz Miebach Wahl Bode Kuckein Gerhardt Kolz Becker

(1) Hält das Oberlandesgericht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes für geboten, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, oder will es von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder einer nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts über eine Rechtsfrage in Auslieferungssachen abweichen, so begründet es seine Auffassung und holt die Entscheidung des Bundesgerichtshofes über die Rechtsfrage ein.

(2) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes wird auch eingeholt, wenn der Generalbundesanwalt oder die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht dies zur Klärung einer Rechtsfrage beantragt.

(3) Der Bundesgerichtshof gibt dem Verfolgten Gelegenheit zur Äußerung. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben
, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen
gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet
werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli 1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994 als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. z u ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar 1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten - nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht verwerten dürfen, die diese gegenüber der früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P. in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu Grunde: Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993 ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J. für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde legte. Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte das Landgericht die Sachverständige J. mit einem ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995. Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht mehr zu einer Exploration zur Verfügung. In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zunächst Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer hat in der dem ange-
fochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die Sachverständige M. gehört. In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J. über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P. gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J. über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden. 3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und früheren Sachverständigen J. z u den Angaben, die N. P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993 insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs -, sondern ein Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl. BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des § 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die Vernehmung der Richter zuläßt, die an der früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231), kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4). Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18, 107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453; 1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1 [= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils m.w.N.). Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) berief,
waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie gegenüber der früheren Sachverständigen J. gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11, 97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen Tatrichter Ä ußerungen eines richterlich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die "Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt 13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es um die Frage gegangen, ob die von einem über sein Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97 zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem Sachverständigengutachten Tatsachen oder Ä ußerungen zugrundegelegt werden dürfen, die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber unterstellt, daß die früheren Angaben für die Erstattung des Glaubwürdigkeits-
gutachtens (begrenzt) verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. , sondern von der Sachverständigen M. erstattet. Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997, 297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der Ä ußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1. Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit und zum Lebenslauf des Beschuldigten , die bei einem Gutachten über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Trotz dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht in Betracht. aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten, daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des § 252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt. Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch § 161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt 45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet. bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des § 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen, einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für weitest-
gehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage z urückversetzt, die es durch den Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64, 66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/MeyerGoßner a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür, dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein größeres Gewicht zu geben als in einer früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung, in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt. cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.). 3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung des Angeklagten
nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben. Jähnke Detter Bode Otten Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 112/12
vom
13. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
1. Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 252 StPO
setzt nicht den Vortrag voraus, der zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge
habe nicht nach qualifizierter Belehrung auf das Verwertungsverbot verzichtet.
2. Die qualifizierte Belehrung über Möglichkeit und Rechtsfolgen eines Verzichts
auf das Verwertungsverbot gemäß § 252 StPO sowie die daraufhin abgegebene
Verzichtserklärung eines zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen
sind als wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens in das Hauptverhandlungsprotokoll
aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 StPO).
3. Ist auf das Verwertungsverbot aus § 252 StPO wirksam verzichtet worden
, ist die frühere Aussage des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen
nach allgemeinen Regeln verwertbar; dies schließt eine Verlesung gemäß
BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012 - 2 StR 112/12 - LG Gera
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. Juni 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 10. November 2011 aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Jugendschutzkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 111 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und ihn im Übrigen - vom Vorwurf einer Vielzahl weiterer Fälle - freigesprochen. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; auf die ebenfalls ausgeführte Sachrüge kommt es nicht an.
2
1. Der Verfahrensrüge einer Verletzung von § 252 StPO liegt folgender Verfahrenssachverhalt zugrunde:
3
Das Landgericht hat am 3. Tag der Hauptverhandlung die Zeuginnen S. L. und M. L. , die nach den Urteilsfeststellungen geschädigten Töchter des Angeklagten, vernommen. Beide Zeuginnen wurden gemäß § 52 StPO über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und verweigerten sodann unter Berufung auf dieses Recht die Aussage.
4
Nach Entlassen der Zeuginnen ist im Hauptverhandlungsprotokoll jeweils vermerkt: "Der Vorsitzende erläutert den Verfahrensbeteiligten die Sach- und Rechtslage sowie den weiteren Verfahrensfortgang." Im Anschluss daran erklärten der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft jeweils, sie seien mit der Verlesung der richterlichen Vernehmung der Zeuginnen einverstanden. Dies wurde jeweils durch Beschlüsse des Landgerichts angeordnet. Die Verlesung wurde ausgeführt; auf den Inhalt der Vernehmungen ist die Verurteilung des Angeklagten gestützt.
5
In den Urteilsgründen hat das Landgericht ausgeführt: "Die richterlichen Aussagen wurden im Einvernehmen aller Beteiligten verlesen, da die beiden Frauen (…) von ihrem (…) Aussageverweige- rungsrecht Gebrauch gemacht haben. Beiden Zeuginnen war dabei sehr wohl bewusst und bekannt, dass dann gleichwohl ihre Angaben, die sie zuvor vor dem jeweiligen Ermittlungsrichter gemacht hatten, in die Hauptverhandlung eingeführt werden können und auch eingeführt werden."
6
2. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge einer Verletzung des § 252 StPO ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht unzulässig. Dieser hat ausgeführt, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hätte den Vortrag des Revisi- onsführers verlangt, dass die Zeuginnen auf das Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO nicht wirksam verzichtet hatten. Der Senat teilt diese Ansicht nicht.
7
Aus § 252 StPO ergibt sich, wenn ein Zeuge unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert, grundsätzlich ein umfassendes Verwertungsverbot (vgl. BGHSt 29, 230, 232; 32, 25, 29). Eine Ausnahme gilt nach ständiger Rechtsprechung insoweit nur für eine Vernehmung eines Richters als Zeuge über eine frühere Aussage der Auskunftsperson, wenn diese bei jener früheren Vernehmung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt worden war (BGHSt 32, 25, 29; 36, 384, 385; 46, 189, 195; st. Rspr.). Weitergehend erlaubt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine Verwertung früherer Aussagen, wenn der verweigerungsberechtigte Zeuge nach ausdrücklicher, qualifizierter Belehrung hierüber mitteilt, er mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, gestatte jedoch die Verwertung jener früheren Aussage (BGHSt 45, 203; BGH NStZ 2007, 352; vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 252 Rn. 16a m.zahlr.Nachw.). Es handelt sich insoweit folglich um eine in der Rechtsprechung entwickelte eng begrenzte Ausnahme von dem gesetzlichen Verwertungsverbot. Nach Ansicht des Senats würde es die Regelung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig überdehnen, für die Zulässigkeit der Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 252 StPO den Vortrag einer Negativtatsache durch den Revisionsführer zu verlangen, wonach die Voraussetzungen dieser Ausnahme nicht gegeben sind.
8
3. Die Rüge ist auch begründet. Da die früheren richterlichen Aussagen der beiden Zeuginnen nicht durch Vernehmung des Richters, sondern durch Verlesung eingeführt wurden, wäre hierzu ein ausdrücklicher Verzicht der Zeuginnen auf das Verwertungsverbot gemäß § 252 StPO erforderlich gewesen.
Hieran fehlt es. Durch den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls ist bewiesen , dass eine qualifizierte Belehrung der Zeuginnen S. und M. L. nicht erfolgte und dass diese auch nicht ausdrücklich ihr Einverständnis mit der Verwertung ihrer Aussagen erklärt haben. Hierbei handelt es sich um wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens (§ 273 Abs. 1 StPO); das Schweigen des Protokolls beweist, dass sie nicht stattgefunden haben.
9
Diese Verfahrenstatsachen werden auch nicht dadurch ersetzt, dass das Landgericht in den Urteilsgründen ausgeführt hat, den Zeuginnen sei "bewusst und bekannt" gewesen, dass ihre frühere Vernehmung verwertet werden würde (UA S. 17). Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Zulässigkeit einer Verwertung früherer Aussagen trotz gegenwärtiger Zeugnisverweigerung wäre es nicht angezeigt, die für diesen Fall von der Rechtsprechung entwickelten strengen Förmlichkeiten aufzuweichen und schon ein allgemeines, vom Tatrichter in den Urteilsgründen dargelegtes "Bewusstsein" des Zeugen von einer Verwertungsmöglichkeit ausreichen zu lassen.
10
4. Auch die Erklärung des "Einvernehmens" aller Beteiligten (UA S. 17) mit der Verlesung der Niederschriften der richterlichen Aussagen konnte die Verzichtserklärungen nach qualifizierter Belehrung nicht ersetzen. Eine solche Erklärung gemäß § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO ist zwar grundsätzlich möglich, wenn durch eine Verzichtserklärung des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen die Schwelle des § 252 StPO überwunden und eine Verwertung daher - nach allgemeinen Regeln - zulässig ist. Die Einverständniserklärung nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO kann aber die Erklärung eines Verzichts auf das Verwertungsverbot nach qualifizierter Belehrung nicht ersetzen. Das ergibt sich schon daraus, dass § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO ein Einverständnis des betroffenen Zeugen nicht voraussetzt. Daher wurde vorliegend über die Verlesung der Verneh- mungsprotokolle folgerichtig erst jeweils nach Entlassung der Zeuginnen beraten und entschieden.
11
5. Das Urteil war auf die Verfahrensrüge insgesamt aufzuheben, so dass es auf die Sachrüge nicht mehr ankommt. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass der Generalbundesanwalt zutreffend das Fehlen einer von Tatsachen getragenen Grundlage für die Feststellung der Taten 52 bis 111 zu Lasten der Geschädigten M. L. bemängelt hat. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen , dass die Schätzung des Landgerichts, es sei zu insgesamt mindestens 60 Taten gekommen, auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht.

VRiBGH Dr. Ernemann ist Fischer Appl in den Ruhestand getreten und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Schmitt Eschelbach

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des sechsten und siebenten Abschnitts des ersten Buches über Zeugen und Sachverständige entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Richter vorbehalten.

(2) Bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung eines Zeugen oder Sachverständigen steht die Befugnis zu den in den §§ 51, 70 und 77 vorgesehenen Maßregeln der Staatsanwaltschaft zu. Jedoch bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.

(3) Gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 2 Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft Entscheidungen im Sinne des § 68b getroffen hat. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.

(4) Ersucht eine Staatsanwaltschaft eine andere Staatsanwaltschaft um die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, so stehen die Befugnisse nach Absatz 2 Satz 1 auch der ersuchten Staatsanwaltschaft zu.

(5) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben
, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen
gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet
werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli 1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994 als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. z u ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar 1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten - nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht verwerten dürfen, die diese gegenüber der früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P. in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu Grunde: Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993 ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J. für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde legte. Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte das Landgericht die Sachverständige J. mit einem ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995. Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht mehr zu einer Exploration zur Verfügung. In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zunächst Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer hat in der dem ange-
fochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die Sachverständige M. gehört. In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J. über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P. gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J. über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden. 3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und früheren Sachverständigen J. z u den Angaben, die N. P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993 insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs -, sondern ein Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl. BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des § 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die Vernehmung der Richter zuläßt, die an der früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231), kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4). Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18, 107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453; 1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1 [= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils m.w.N.). Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) berief,
waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie gegenüber der früheren Sachverständigen J. gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11, 97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen Tatrichter Ä ußerungen eines richterlich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die "Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt 13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es um die Frage gegangen, ob die von einem über sein Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97 zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem Sachverständigengutachten Tatsachen oder Ä ußerungen zugrundegelegt werden dürfen, die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber unterstellt, daß die früheren Angaben für die Erstattung des Glaubwürdigkeits-
gutachtens (begrenzt) verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. , sondern von der Sachverständigen M. erstattet. Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997, 297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der Ä ußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1. Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit und zum Lebenslauf des Beschuldigten , die bei einem Gutachten über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Trotz dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht in Betracht. aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten, daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des § 252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt. Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch § 161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt 45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet. bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des § 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen, einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für weitest-
gehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage z urückversetzt, die es durch den Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64, 66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/MeyerGoßner a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür, dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein größeres Gewicht zu geben als in einer früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung, in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt. cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.). 3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung des Angeklagten
nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben. Jähnke Detter Bode Otten Elf

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Die Verlesung eines richterlichen Vernehmungsprotokolls ist jedenfalls dann
zulässig, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht
nach § 55 StPO umfassend Gebrauch macht, Gründe der
Aufklärungspflicht der Verlesung nicht entgegenstehen, alle Verfahrensbeteiligten
mit der Verlesung einverstanden sind und auf die Vernehmung der Verhörsperson
verzichten.
BGH, Beschluß vom 29. August 2001 - 2 StR 266/01 - LG Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 266/01
vom
29. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 29. August 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 2. November 2000 im Schuldspruch wie folgt geändert und klargestellt: Der Angeklagte C. ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe. Die Angeklagte F. ist schuldig der Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte C. hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I. Verfahrensrügen
Näher zu erörtern ist lediglich die Rüge eines Verstoßes gegen das Unmittelbarkeitsprinzip des § 250 Satz 2 StPO, im übrigen greifen die Verfahrensrügen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen nicht durch.

a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Zeuge W. , der im Ermittlungs- und Zwischenverfahren mehrfach polizeilich und richterlich vernommen worden war, erklärte anläßlich seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, daß er die Beantwortung aller an ihn gerichteten Fragen verweigere, weil gegen ihn ein Verfahren wegen des Verdachts einer uneidlichen Falschaussage anhängig sei. Der weitere Gang der Beweiserhebung wurde mit allen Verfahrensbeteiligten erörtert; diese ver-
zichteten auf eine Vernehmung des Richters am Amtsgericht B. , der den Zeugen im Ermittlungsverfahren vernommen hatte, und erklärten ihr Einverständnis mit der Verlesung der richterlichen und polizeilichen Vernehmungen des Zeugen W. . Daraufhin verkündete die Kammer einen Beschluû, wonach im Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten gemäû § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 StPO die Vernehmung des Zeugen W. durch den Richter am Amtsgericht B. vom 29. März 2000 sowie durch die Berufsrichter der Kammer vom 16. Juni 2000, darüber hinaus die polizeilichen Vernehmungen des Zeugen W. vom 21. März, 23. März und 7. April 2000 verlesen werden sollten. Der Beschluû wurde sodann ausgeführt.
Die Revision beanstandet, daû das Landgericht die früheren Angaben des Zeugen W. durch Verlesung der Vernehmungsniederschriften in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Die Kammer habe die Verlesung zu Unrecht auf § 251 Abs. 1 Nr. 4 und § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO gestützt, nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 Satz 2 StPO sei sie verpflichtet gewesen, die Vernehmungspersonen über den Inhalt der Aussagen zu hören.

b) Ob angesichts des in der Hauptverhandlung erklärten Einverständnisses des Angeklagten mit der Verlesung der Protokolle die Grundsätze zur Verwirkung von Verfahrensrügen bei widersprüchlichem Prozeûverhalten in Betracht zu ziehen sind, bedarf keiner Entscheidung, die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Verlesung der richterlichen und polizeilichen Vernehmungsprotokolle im Einverständnis aller Beteiligten, nachdem der Zeuge W. sich auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, war nicht verfahrensfehlerhaft.
Ein Verlesungsverbot für die Vernehmungsprotokolle des Zeugen W. folgt hier nicht schon aus § 252 StPO. Der Fall der Verweigerung der Auskunft nach § 55 StPO, der im Einzelfall der Verweigerung des ganzen Zeugnisses gleichkommen kann, ist, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, in § 252 StPO nicht geregelt (BGHSt 17, 245).
Aber auch § 250 StPO stand einer Verlesung der Protokolle im vorliegenden Fall nicht entgegen. Danach darf die Aussage eines Zeugen durch eine Protokollverlesung nur ersetzt werden, wenn ein Ausnahmefall des § 251 StPO vorliegt. Ein solcher Ausnahmefall ist nach § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 StPO (im letzteren Fall unter der Voraussetzung, daû der Angeklagte einen Verteidiger hat) gegeben, wenn die Verlesung im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten erfolgt. Allerdings soll auch bei Einverständnis aller Beteiligter - wie der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden hat - eine Protokollverlesung dann nicht zulässig sein, wenn sich der Zeuge in der Hauptverhandlung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO beruft (so BGH, Beschluû vom 29. Juni 1976 - 5 StR 209/76 - für einen Fall, bei dem der Zeuge einzelne Fragen nicht beantwortet hatte; BGH, Urt. vom 11. Mai 1982 - 5 StR 92/82 = NStZ 1982, 342; Beschl. vom 27. September 1995 - 4 StR 488/95 = NStZ 1996, 96 auch für den Fall, daû der Zeuge in der Hauptverhandlung umfassend vom Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und nicht zur Sache ausgesagt hatte). Da der Zeuge in der Hauptverhandlung erschienen und vernommen worden sei, liege keine Ersetzung seiner Aussage vor, die Voraussetzungen des § 251 Abs.1 StPO seien daher nicht gegeben (BGH, Beschl. vom 29. Juni 1976 - 5 StR 209/76; Beschl. vom 27. September 1995 - 4 StR 488/95 aaO). In weiteren Entscheidungen, die sich allerdings auf die alte Fassung des § 251 Abs. 2 StPO vor Inkrafttreten des Strafverfah-
rensänderungsgesetzes 1987 beziehen, welche eine Verlesung im Einverständnis noch nicht vorsah, hat der Bundesgerichthof auch die Verlesung nichtrichterlicher Vernehmungsprotokolle für unzulässig erklärt, weil die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 StPO aF nicht gegeben seien. (BGH, Urt. vom 28. Oktober 1975 - 5 StR 407/75; Beschl. vom 5. Dezember 1978 - 5 StR 767/78; Beschl. vom 26. Juli 1983 - 5 StR 310/83; Urt. vom 29. Juni 1983 - 2 StR 855/82 = NJW 1984, 136; offengelassen im Urteil vom 23. Dezember 1986 - 1 StR 514/86, NStZ 1988, 36 für den Fall der Teilverweigerung, zulässig jedenfalls für sonstige schriftliche Erklärungen).
Der Senat hat Bedenken, ob dieser auch im Schrifttum (Nachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 251 Rdn. 10, 2; Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 251 Rdn. 10 a) nicht unumstrittenen Rechtsprechung zu folgen ist. Die Auslegung, nach der ein Ersetzen einer Zeugenaussage dann nicht vorliege, wenn sich der Zeuge in der Hauptverhandlung lediglich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen und nicht zur Sache ausgesagt hat, ist vom Gesetzeswortlaut nicht zwingend gefordert und in der Sache nicht geboten. Allerdings kann die Aufklärungspflicht die - nach ständiger Rechtsprechung zulässige - Vernehmung der polizeilichen oder richterlichen Verhörsperson statt der Verlesung der Vernehmungsniederschrift erfordern, so wenn Unklarheiten im Protokoll vorliegen, das Aussageverhalten näher zu beleuchten ist oder sonstige Umstände eine ergänzende Nachfrage bei der Vernehmungsperson nahelegen. Liegen solche Umstände nicht vor, geht es vielmehr ausschlieûlich um den Aussageinhalt als solchen, wird sich dieser regelmäûig aber am zuverlässigsten durch das Protokoll feststellen lassen. In diesen Fällen kann es der auch § 250 Satz 2 StPO zugrunde liegende Gedanke best-
möglicher Sachaufklärung gerade erfordern, von diesem Beweismittel Gebrauch zu machen (so auch Diemer aaO).
Der Senat muû jedoch anhand der vorliegenden Fallgestaltung nicht entscheiden, ob an der dargelegten Rechtsprechung festzuhalten ist, weil hier bedeutsame Besonderheiten vorliegen:
Soweit das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen vor dem Ermittlungsrichter verlesen wurde, kommt eine Verletzung der prozessualen Rechte des Revisionsführers nicht in Betracht, denn er hatte nicht nur sein Einverständnis mit der Verlesung in der Hauptverhandlung erklärt, sondern auch ausdrücklich auf die Vernehmung der Verhörsperson verzichtet. Die weitere richterliche Vernehmung des Zeugen war hier durch die Berufsrichter der Kammer im Haftprüfungsverfahren erfolgt. Deren zeugenschaftliche Vernehmung hätte aber zu einer nicht gerechtfertigten Verfahrensverzögerung geführt, weil sie ohne eine Aussetzung des Verfahrens und Neubeginn in geänderter Besetzung nicht möglich gewesen wäre.
Der Verlesung der polizeilichen Vernehmungsprotokolle nach § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO durch das Landgericht stehen die dargelegten, lediglich zu § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO aF ergangenen Entscheidungen, die sich auf die Frage der rechtlichen Gleichbehandlung der Aussageverweigerung eines Zeugen nach § 55 StPO mit seiner Unerreichbarkeit beziehen, nicht entgegen. Im übrigen kann auf ihrer Verlesung nichts beruhen. Der Zeuge hat bei seinen polizeilichen wie richterlichen Vernehmungen im Kernbereich entsprechend den Feststellungen ausgesagt. Auf die Konstanz der Aussagen hat das Land-
gericht nicht abgestellt, sondern die Aussagen überhaupt nur herangezogen, soweit sie durch weitere Beweismittel bestätigt wurden.
II. Sachrüge
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt lediglich zu der aus der Beschluûformel ersichtlichen Änderung und Klarstellung des Schuldspruchs.

a) Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte unterhielt seit einiger Zeit eine Beziehung zu der Mitangeklagten F. , welche in Bo. Mitbetreiberin eines Bordells war. In diesem hielt sich auch der Angeklagte regelmäûig auf. Der Zeuge W. , Eigentümer von zwei Wohnungen, die er bevorzugt an Prostituierte vermietete, suchte am 21. März 2000 das Bordell auf, um die Mitangeklagte zu einer Wohnungsbesichtigung abzuholen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte im Wohn-/Küchenraum des Bordells, der vom Eingangsbereich durch einen Vorhang abgetrennt war. Der Angeklagte begab sich zu dem Zeugen W. in den Eingangsbereich, warf ihm in aggressivem Tonfall vor, er wolle ihm die Frauen wegnehmen, schlug ihm mit der flachen Hand sowie mit einer Hundeleine, die der Geschädigte mit sich führte, ins Gesicht und gab ihm einen Stoû, so daû er zu Fall kam. Nachdem der Angeklagte das Portemonnaie des Zeugen durchsucht und sich die auf dem Fahrzeugschein vermerkte Adresse notiert hatte, verlangte er unter bewuûter Ausnutzung der Einschüchterung des Geschädigten durch die vorangegangene Gewalt, er solle bis zum nächsten Tag 5.000 DM zahlen, ansonsten werde er erschossen. In Kenntnis der Situati-
on griff die Mitangeklagte F. ein und drohte dem Geschädigten, sie werde, falls er zur Polizei gehe, aussagen, er habe sie vergewaltigt. Während des gesamten Tatzeitraums hatte sich in Reichweite des Angeklagten - dessen waren er und die Mitangeklagte sich auch bewuût gewesen - eine geladene Gaspistole befunden, die zum Schutze der in dem Etablissement arbeitenden Frauen stets in einem offenen Schubfach der im Wohn-/Küchenraum befindlichen Theke lag. 2. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten C. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253, 255, 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, 22, 23 StGB) nicht.
Die Urteilsausführungen, nach denen sich die Waffe in “Reichweite” des Angeklagten befunden habe, belegen nicht, daû der Angeklagte die Waffe bei sich geführt hat. Beisichführen einer Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB setzt voraus, daû die Waffe dem Täter "zur Verfügung steht", d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befindet, daû er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (BGHSt 31, 105; 43, 8, 10).
Zwar mag bei einer in einem anderen Raum gelagerten Waffe je nach den tatsächlichen Verhältnissen das Merkmal des Beisichführens unter Umständen zu bejahen sein (vgl. auch BGH NStZ 1998, 354; siehe auch BGH, Urt. vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99). Abgesehen davon, daû das Landgericht die räumlichen Verhältnisse nur lückenhaft dargestellt hat, insbesondere keine Feststellungen zur Entfernung des Lagerungsortes der Waffe zum Ort des eigentlichen Tatgeschehens getroffen hat, kommt hier hinzu, daû der Angeklagte nicht selbst Betreiber des Bordells war und die Waffe dem Schutz der Frauen
dienen sollte, so daû auch eine eigene Sachherrschaft des Angeklagten über die Waffe nicht ausreichend dargelegt ist (vgl. auch BGHSt 42, 368, 369).
Auch in subjektiver Hinsicht reichen die Feststellungen des Landgerichts nicht aus, um das erforderliche aktuelle Bewuûtsein des Angeklagten über die Verfügbarkeit der Waffe zu belegen. Das Landgericht hat dazu lediglich ausgeführt , daû sich der Angeklagte der in Griffbereitschaft befindlichen Waffe bewuût gewesen sei. Dies war aber angesichts des eigentlichen Zwecks der Waffenlagerung in der Theke nicht selbstverständlich. An die Prüfung und Darlegung der subjektiven Seite müssen strengere Anforderungen gestellt werden, wenn die Umstände nahelegen, daû dem Täter im Moment der Tatbegehung das aktuelle Bewuûtsein der Bewaffnung fehlt (vgl. BGH, Urt. vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99).
Da nicht zu erwarten ist, daû in einer neuen Verhandlung noch tragfähige Feststellungen für eine versuchte schwere räuberische Erpressung getroffen werden können, hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch selbst geändert.
Trotz der Schuldspruchänderung zugunsten des Angeklagten können die Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe bestehen bleiben. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB verneint und ist nach Milderung gemäû §§ 49 Abs. 1, 23 Abs. 2 StGB von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis elf Jahren und drei Monaten ausgegangen. Unter Anwendung des § 249 Abs. 1 StGB hätte sich bei entsprechender Vorgehensweise ein Strafrahmen von drei Monaten bis elf Jahren und drei Monaten ergeben. Hier-
auf beruht der Strafausspruch nicht, da die vom Landgericht konkret zugemessene Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten erheblich über der Mindeststrafe liegt. Der Senat schlieût aus, daû die geringfügige Änderung der Strafrahmenuntergrenze zu einer anderen Strafe geführt hätte.
3. Soweit das Landgericht den Angeklagten C. des unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladewaffe von nicht mehr als 60 cm Länge für schuldig befunden hat, war der Schuldspruch wie geschehen klarzustellen.
4. Die Änderung des Schuldspruchs bezüglich der versuchten räuberischen Erpressung war gemäû § 357 StPO auch auf die Mitangeklagte F. zu erstrecken, die vom Landgericht der Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung für schuldig befunden wurde. Da sich bei der vom Landgericht vorgenommenen Verneinung eines minder schweren Falles und der zweifachen Milderung des Strafrahmens aber unter Zugrundelegung des § 249 Abs. 1 StGB kein abweichender Strafrahmen ergeben hätte, schlieût der Senat auch hier aus, daû der Ausspruch für diese Einzelstrafe auf dem geänderten Schuldspruch beruht.
Jähnke Detter Bode Otten Elf

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden.

(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a gilt entsprechend.

(3) Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.

(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.

(5) Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt die Benachrichtigung, soweit sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.

(1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des sechsten und siebenten Abschnitts des ersten Buches über Zeugen und Sachverständige entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Richter vorbehalten.

(2) Bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung eines Zeugen oder Sachverständigen steht die Befugnis zu den in den §§ 51, 70 und 77 vorgesehenen Maßregeln der Staatsanwaltschaft zu. Jedoch bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.

(3) Gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 2 Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft Entscheidungen im Sinne des § 68b getroffen hat. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.

(4) Ersucht eine Staatsanwaltschaft eine andere Staatsanwaltschaft um die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, so stehen die Befugnisse nach Absatz 2 Satz 1 auch der ersuchten Staatsanwaltschaft zu.

(5) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben
, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen
gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet
werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli 1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994 als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. z u ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar 1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten - nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht verwerten dürfen, die diese gegenüber der früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P. in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu Grunde: Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993 ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J. für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde legte. Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte das Landgericht die Sachverständige J. mit einem ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995. Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht mehr zu einer Exploration zur Verfügung. In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zunächst Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer hat in der dem ange-
fochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die Sachverständige M. gehört. In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J. über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P. gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J. über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden. 3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und früheren Sachverständigen J. z u den Angaben, die N. P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993 insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs -, sondern ein Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl. BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des § 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die Vernehmung der Richter zuläßt, die an der früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231), kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4). Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18, 107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453; 1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1 [= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils m.w.N.). Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) berief,
waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie gegenüber der früheren Sachverständigen J. gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11, 97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen Tatrichter Ä ußerungen eines richterlich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die "Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt 13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es um die Frage gegangen, ob die von einem über sein Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97 zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem Sachverständigengutachten Tatsachen oder Ä ußerungen zugrundegelegt werden dürfen, die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber unterstellt, daß die früheren Angaben für die Erstattung des Glaubwürdigkeits-
gutachtens (begrenzt) verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. , sondern von der Sachverständigen M. erstattet. Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997, 297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der Ä ußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1. Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit und zum Lebenslauf des Beschuldigten , die bei einem Gutachten über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Trotz dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht in Betracht. aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten, daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des § 252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt. Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch § 161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt 45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet. bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des § 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen, einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für weitest-
gehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage z urückversetzt, die es durch den Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64, 66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/MeyerGoßner a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür, dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein größeres Gewicht zu geben als in einer früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung, in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt. cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.). 3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung des Angeklagten
nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben. Jähnke Detter Bode Otten Elf

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des sechsten und siebenten Abschnitts des ersten Buches über Zeugen und Sachverständige entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Richter vorbehalten.

(2) Bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung eines Zeugen oder Sachverständigen steht die Befugnis zu den in den §§ 51, 70 und 77 vorgesehenen Maßregeln der Staatsanwaltschaft zu. Jedoch bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.

(3) Gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 2 Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft Entscheidungen im Sinne des § 68b getroffen hat. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.

(4) Ersucht eine Staatsanwaltschaft eine andere Staatsanwaltschaft um die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, so stehen die Befugnisse nach Absatz 2 Satz 1 auch der ersuchten Staatsanwaltschaft zu.

(5) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 455/08
vom
18. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist
er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn
der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit
der früheren Angaben hinzuweisen („qualifizierte“ Belehrung).
2. Unterbleibt die „qualifizierte“ Belehrung, sind trotz rechtzeitigen Widerspruchs
die nach der Belehrung als Beschuldigter gemachten Angaben
nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall verwertbar.
3. Neben dem in die Abwägung einzubeziehenden Gewicht des Verfahrensverstoßes
und des Sachaufklärungsinteresses ist maßgeblich darauf abzustellen
, ob der Betreffende nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung davon
ausgegangen ist, von seinen früheren Angaben nicht mehr abrücken zu
können [im Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07 = StV
2007, 450, 452].
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08 – Landgericht Arnsberg
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. bis 3. versuchten schweren Raubes u.a.
zu 4. Beihilfe zum versuchten schweren Raub
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 4. März 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Angeklagten T. und C. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, diesen Angeklagten die Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Jedoch haben sie die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten Sch. , T. und C. jeweils des (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raubes, den Angeklagten Sch. darüber hinaus der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung , für schuldig befunden. Den Angeklagten Sch. hat es zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten T. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten A. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewäh- rung ausgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht ein Messer und einen Kabelschlagstock eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie beanstandet, dass das Landgericht die Angeklagten nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts bzw. der Beteiligung daran für schuldig befunden hat. Die Angeklagten T. und C. rügen mit ihren Revisionen ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklagte C. greift insoweit insbesondere die Beweiswürdigung und die Strafzumessung des angefochtenen Urteils an. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten T. und C. als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagten Sch. , T. und C. fassten im Verlauf des 30. Mai 2007 den Entschluss, durch einen Überfall auf den Kiosk der Eheleute S. zu Geld zu kommen, um sich anschließend Kokain zu besorgen. Sie vereinbarten, dass ein Messer eingesetzt werden sollte, um damit den Kioskinhaber S. bedrohen zu können. In diesem Zusammenhang forderte der Angeklagte T. den Angeklagten Sch. auf, aus seiner Wohnung ein Messer zu holen, das lang und spitz sein müsse, weil das stark übergewichtige Opfer so dick sei. Dementsprechend holte der Angeklagte Sch. aus seiner Wohnung ein Steakmesser mit 12,5 cm langer, spitz zulaufender und einseitig gezahnt geschliffener Klinge. Sodann rief absprachegemäß der Angeklagte C. den mit ihm befreundeten Angeklagten A. an und bat ihn, mit dem Pkw zu ihnen zu kommen, was A. auch tat. Gemeinsam fuhren sie dann am Kiosk der Eheleute S. vorbei, wobei A. erst zu diesem Zeitpunkt in den Tatplan eingeweiht wurde. Ob dabei auch über das Messer und dessen geplante Verwendung gesprochen wurde, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Angeklagte A. stellte den Pkw in der Nähe des vorgesehenen Tatortes ab und verblieb beim Fahrzeug, während die drei anderen Angeklagten auf dem Weg zum Kiosk die konkreten Einzelheiten der bis dahin nur grob geplanten Tat besprachen. Der Angeklagte T. überredete den Angeklagten Sch. , den Kioskbetreiber S. mit dem Messer "in Schach zu halten" und ihm "auf die Ohren zu boxen", falls dieser anfange zu schreien. Der Angeklagte Sch. traf als erster auf den Kioskbetreiber S. , als dieser sich gerade vor seinem Kiosk befand. Kurz bevor der Angeklagte Sch. ihn erreichte, richtete sich S. auf und drehte sich mit dem Oberkörper in Richtung des Angeklagten. Dieser "stach - enthemmt von dem fortdauernden Verlangen nach weiteren Drogen und überrascht und überfordert davon, dass der Geschädigte sich plötzlich in seine Richtung drehte - ungezielt mit nicht erheblichem Kraftaufwand auf den Geschädigten ein. Er fühlte sich dabei 'wie im Film'". Der Stich drang knapp oberhalb der rechten Gesäßhälfte maximal 3 cm in dessen Rücken ein. "Aus Panik und Überforderung mit der Situation" stach der Angeklagte Sch. mindestens drei weitere Male ungezielt auf sein Opfer ein, das blutüberströmt zu Boden sank. S. erlitt eine mindestens 15cm tiefe Stichwunde im Epigastrium mit Penetration des Bauchfells sowie Eröffnung der Bauchhöhle mit linksseitiger Verletzung der Leber, ferner einen ca. 6 cm tiefen Stich in den rechten Brustkorb sowie einen ca. 3 cm tiefen Stich in den linken Unterbauch; er verlor noch am Tatort 1,5 bis 2 Liter Blut. "Bei sämtlichen Stichen hatte der Angeklagte Sch. nicht den Tod des Geschädigten gewollt und nicht billigend in Kauf genommen und auch diese Möglichkeiten nicht in sein Bewusstsein aufgenommen". Während dessen begab sich der Angeklagte T. durch die seitliche Eingangstür in den Kiosk, gefolgt von dem Angeklagten C. . Dabei trafen die Angeklagten auf die Ehefrau des Geschädigten, die auf die Hilferufe ihres Mannes aus ihrem Wohnhaus in den angrenzenden Kiosk geeilt war. Auf ihren Zuruf: "Was wollt ihr hier? Macht, dass ihr rauskommt!" flüchteten beide Angeklagte aus dem Kiosk und rannten mit dem Angeklagten Sch. weg. Der Angeklagte A. hatte das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Ihm war bewusst, dass die Ausführung des Raubes gescheitert war. Deshalb rannte er zu seinem Pkw und fuhr davon; er erhielt aber kurz darauf einen Anruf des Angeklagten C. , holte ihn ab und fuhr ihn nach Hause. Der blutüberströmt vor dem Kiosk liegende Geschädigte wurde von der Fahrerin eines vorbeifahrenden Linienbusses bemerkt, die den Notarzt und die Polizei verständigte. Die Stichverletzungen waren nicht unmittelbar lebensbedrohlich.

II.


4
Revision der Staatsanwaltschaft
5
Die Beschwerdeführerin hat schon mit ihren Verfahrensbeschwerden Erfolg. Mit diesen beanstandet sie, dass das Landgericht entgegen den Anträgen der Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten Schu. und B. sowie den Richter am Amtsgericht J. nicht als Zeugen zu den Angaben der Angeklagten C. und A. bei ihren Vernehmungen am 21. Juni 2007 vernommen und diese Angaben auch nicht verwertet hat. Daraus hätte sich ergeben, dass unter den Angeklagten Sch. , T. und C. von vornherein abgesprochen worden war, das mitgeführte Tatmesser gegen den Geschädigten S. einzusetzen, und der Angeklagte A. hiervon auch wusste.
6
Das Landgericht hat insoweit ein Beweiserhebungsverbot angenommen, weil die Polizeibeamten die Angeklagten C. und A. trotz gegen sie bereits bestehenden Tatverdachts als Zeugen vernommen und deshalb nicht ordnungsgemäß nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hätten. Auch habe der Kriminalbeamte Schu. den Angeklagten C. im späteren Verlauf der Vernehmung ebenso wie der Ermittlungsrichter die beiden Angeklagten zwar als Beschuldigte belehrt; die Vernehmungspersonen hätten dabei aber den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bei den Vernehmungen als Zeugen gemachten Angaben unterlassen ("qualifizierte" Belehrung; vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 136 Rdn. 9 m.N.).
7
Die deshalb unterbliebene Beweiserhebung zu den Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren rügt die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
8
1. Allerdings ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte C. bereits auf Grund der Auswertung des von ihm noch in der Tatnacht mit dem Mitangeklagten T. geführten SMS-Verkehrs der Tatbeteiligung verdächtig war und er deshalb bereits zu Beginn seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen, auch wenn gegen ihn noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war und er nicht die Stellung eines formell Beschuldigten hatte.
9
a) Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde , nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; BGHSt 37, 48, 51 f.; 51, 367, 371; Senatsurteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. BGHSt aaO).
10
So verhält es sich hier hinsichtlich des Angeklagten C. . Denn aus der Auswertung der SMS-Nachrichten und der Erklärung des C. anlässlich der Durchsuchung am frühen Morgen noch vor Beginn seiner Zeugenvernehmung, er habe die fraglichen SMS-Nachrichten an den Mitangeklagten T. versandt, ergab sich bereits zweifelsfrei, dass außer T. auch der Angeklagte C. am Tatort gewesen war und sie dort gemeinsam hatten Beute machen wollen. Zu Recht hat deshalb das Landgericht – nach Widerspruch – ein Beweiserhebungs - und Verwertungsverbot jedenfalls hinsichtlich der Angaben des Angeklagten C. angenommen, die dieser bei seiner Vernehmung durch den Kriminalbeamten Schu. vor der Beschuldigtenbelehrung als Zeuge gemacht hat (st. Rspr.; BGHSt 38, 214, 224 f.; 47, 172, 173 a.E.). Denn der Verstoß gegen die Belehrungspflicht wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte C. anschließend nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt wurde und danach erneut aussagte (BGHSt 51, 367, 376 m. Anm. Roxin JR 2008, 16 ff.).
11
b) Daraus folgt jedoch noch nicht ohne Weiteres, dass auch die Angaben , die der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen.
12
aa) Allerdings hätte der Angeklagte C. – was nicht erfolgt ist – bei Beginn der Beschuldigtenvernehmung zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der bisher unterbliebenen Belehrung als Beschuldigter die vorangehende Zeugenaussage unverwertbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt; ferner BGH, Urteil vom 19. September 2000 – 1 StR 205/00 [der 1. Strafsenat ersichtlich unter Abweichung von seiner Entscheidung BGHSt 22, 129]; Diemer in KK-StPO 6. Aufl. § 136 Rdn. 27 m.w.N.; Gleß in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 136 Rdn. 106; Lesch in KMR StPO § 136, Rdn. 28; Roxin aaO S. 17; wohl auch Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 m.w.N.).
13
Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), gehören zum „Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens“ (EGMR NJW 2002, 499, 501; JR 2005, 423 m. Anm. Gaede; dazu weiter BGHSt – GS – 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer „qualifizierten“ Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können (Roxin aaO). Zwar ergibt sich ein gewisser Widerspruch insofern, als die Rechtsprechung bislang bei den – schwerer wiegenden – Verstößen nach § 136 a StPO eine solche „qualifizierte“ Belehrung nicht verlangt (vgl. Meyer-Goßner aaO § 136 a Rdn. 30 m.N.); ob daran festzuhalten ist, hat der Senat hier jedoch nicht zu entscheiden.
14
bb) Der Verstoß gegen die Pflicht zur "qualifizierten" Belehrung hat allerdings nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452; krit. dazu Roxin aaO S. 17; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 a.E.).
15
Bei einer solchen Abwägung ist zum einen auf das Gewicht des Verfahrensverstoßes abzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Vernehmung als Zeuge - wofür hier nichts spricht - in bewusster Umgehung der Belehrungspflichten erfolgt ist; weiter muss das Interesse an der Sachaufklärung Beachtung finden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 aaO; BGHSt 42, 139, 157 [Hörfalle]; 47, 172, 179 f.; BGH NJW 2007, 3138, 3142). Darüber hinaus ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass der Vernommene davon ausgegangen ist, von seinen vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn sich die Beschuldigtenvernehmung inhaltlich als bloße Wiederholung oder Fortsetzung der in der Zeugenvernehmung gemachten Angaben darstellt. So verhält es sich hier jedoch nicht. Denn der Angeklagte C. hat nach seiner Belehrung als Beschuldigter gerade nicht seine früheren Angaben lediglich im Wesentlichen wiederholt. Er hat auch nicht nur weiterhin – nunmehr allerdings detailliert – die Mitangeklagten Sch. und T. belastet. Vielmehr hat er erstmals auch sich selbst massiv belastende Angaben gemacht, denen zufolge Sch. das Opfer "auf jeden Fall abstechen" sollte und ihm, C. , "absolut klar (war), dass der Mann dabei sterben kann". Angesichts dessen liegt die Annahme eher fern, dass sich der Angeklagte C.
seiner Entscheidungsfreiheit nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung nicht bewusst war und dass deshalb der ursprüngliche Belehrungsverstoß fortwirkte. Jedenfalls spricht danach die – vom Landgericht unterlassene – Abwägung hier gegen das von der Jugendkammer angenommene Beweiserhebungsund -verwertungsverbot hinsichtlich der nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Angeklagten C. ; das Gericht hätte deshalb den entsprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Kriminalbeamten Schu. und des Ermittlungsrichters stattgeben müssen.
16
2. Soweit die Beschwerdeführerin die unterbliebene Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich der Angaben des Angeklagten A. beanstandet, die dieser bei seinen Vernehmungen als Zeuge durch den Kriminalbeamten B. am 21. Juni 2006 und nachfolgend als Beschuldigter bei seiner richterlichen Vernehmung am selben Tage gemacht hat, dringt die Rüge schon deshalb durch, weil der vom Landgericht auch insoweit angenommene Belehrungsverstoß nicht vorliegt. Anders als bei dem Angeklagten C. bestand gegen ihn bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung noch kein solcher Verdacht der Beteiligung an dem Überfall auf den Kiosk, dass nach den aufgezeigten Maßstäben der vernehmende Beamte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums willkürlich überschritt, indem er den Angeklagten A. nicht von vornherein als Beschuldigten vernahm (vgl. BGH NStZ 2008, 48). Denn bezüglich A. stand selbst nach Auswertung der zwischen den Angeklagten C. und T. ausgewerteten SMS-Nachrichten vom Tattag nur fest, dass er Anschlussinhaber des von dem Angeklagten C. benutzten Mobil-Telefons war. Das allein genügte jedoch nicht, um einen hinreichenden Tatverdacht der Beteiligung an dem Überfall gegen ihn zu begründen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, musste der Vernehmungsbeamte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit nach § 138 StGB zu einer Beschuldigtenvernehmung übergehen, nachdem der Angeklagte seine Anwesenheit am Tatort eingeräumt hatte. Denn A. hatte weiter angegeben, er habe mit der Sache nichts zu tun haben wollen und habe noch versucht, den Anderen die Tat auszureden. Insoweit war die erfolgte Belehrung nach § 55 StPO durch den Vernehmungsbeamten ausreichend, um den Angeklagten vor einer übereilten, sich selbst belastenden Aussage zu schützen (vgl. BGH aaO). Hinderungsgründe, die der Beweisaufnahme und der Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren entgegengestanden hätten, lagen danach nicht vor.
17
3. Auf der unterbliebenen Beweiserhebung zu den Angaben des Angeklagten C. nach seiner Belehrung als Beschuldigter und denjenigen des Angeklagten A. im Ermittlungsverfahren beruht das angefochtene Urteil (§ 337 StPO). Denn es liegt nahe, dass der Tatrichter, hätte er die Vernehmungspersonen gehört und die betreffenden Angaben der Angeklagten verwertet, sich entgegen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die Überzeugung verschafft hätte, dass es dem Plan der Angeklagten entsprach, dass der Angeklagte Sch. auf den Geschädigten S. auch um den Preis seines Todes einstechen sollte.
18
4. Dringen die Verfahrensbeschwerden der Staatsanwaltschaft somit schon deshalb durch, weil das Landgericht zu Unrecht Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren für unverwertbar erachtet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, dass ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht jeweils nur zu Gunsten desjenigen Angeklagten wirkt, demgegenüber der Verstoß begangen wurde, nicht aber auch zu Gunsten von Mitbeschuldigten und Mitangeklagten (so aber BGH NStZ 1994, 595, 596; ebenso BGH wistra 2000, 311, 313; NJW 2002, 1279; zustimmend Diemer aaO § 136 Rdn. 26; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 20; a.A. Gleß in Löwe-Rosenberg aaO Rdn. 90 m.w.N.).

III.


19
Revisionen der Angeklagten T. und C.
20
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen der beiden Beschwerdeführer hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 14. Oktober 2008 nach § 349 Abs. 2 StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.