Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2016 - 2 StR 495/12

bei uns veröffentlicht am02.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 495/12
vom
2. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei
hier: Vorlagebeschluss nach § 132 Abs. 4 GVG
ECLI:DE:BGH:2016:021116B2STR495.12.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2016 gemäß § 132 Abs. 4 GVG beschlossen:
Dem Großen Senat für Strafsachen wird die Frage vorgelegt: 1. Ist die gesetzesalternative Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei verfassungsgemäß ? 2. Wenn ja: Ist die gesetzesalternative Verurteilung bei gleichzeitiger Erfüllung des Tatbestands der Geldwäsche ausgeschlossen ?

Gründe:


A.


1
Die Vorlage betrifft die Frage der Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung und – bejahendenfalls – des Vorrangs einer eindeutigen Verurteilung wegen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 StGB vor einer gesetzesalternativen Verurteilung, wenn sich diese auf Katalogtaten der Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB bezieht, die in exklusiver Alternativität festzustellen sind.

I.


2
Die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung beruht auf Richterrecht.
3
1. Die Frage nach der Möglichkeit einer wahlweisen Feststellung und Aburteilung alternativ in Frage kommender strafbarer Handlungen stellte sich in den deutschen Partikularrechten erstmals, als im Jahr 1848 Schwurgerichte eingeführt wurden. Im gemeinen Recht hatten Tatbestandsabgrenzungen noch keine vergleichbare Rolle gespielt. Als Schwurgerichtsverfassungen eingeführt wurden, fällten die Geschworenen einen Schuldspruch, den der Richter durch eine mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage anzufordern hatte. Daraus ergab sich das Problem, ob die an die Geschworenen gerichteten Fragen auch alternativ gefasst werden durften. Das partikulare deutsche Recht und die Rechtsprechung ließen eine alternative Fragestellung regelmäßig nur zu, wenn Sachverhaltsalternativen unter denselben Straftatbestand subsumiert werden konnten und der Schuldspruch eindeutig ausfiel (vgl. Wolter, Alternative und eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage im Strafrecht, 1972, S. 20 mwN). Der Gesetzgeber der Reichsjustizgesetze hat dies offen gelassen und auf weitere Erörterungen in der Wissenschaft verwiesen, welche noch nicht zu einem Abschluss gelangt seien, so dass die Zeit noch nicht reif sei, die Möglichkeit der alternativen Fragestellung und entsprechender Feststellungen „durch fest formulierte Vorschriften zu entscheiden“ (vgl. Hahn, Materialien zur Strafprozessordnung, 1. Abt., 1880, S. 223 f.).
4
Die Rechtsprechung des Reichsgerichts lehnte zunächst die alternative Fragestellung an die Geschworenen, die über die Grenzen eines Straftat- bestands hinausging, ebenfalls ab, weil sonst der Wahrspruch „als ein undeutlicher und unvollständiger bezeichnet werden“ und erklärt werden müsse,wa- rum eine eindeutige Antwort unmöglich sei (vgl. RG, Urteil vom 29. September 1884 – Rep. 1763/84, RGSt 11, 103, 104). Eine alternative Sachverhaltsfeststellung wurde nicht beanstandet, wenn es sich bei den Alternativen um unterschiedliche Ausführungsarten desselben Delikts handelte (RG, Urteil vom 18. Juni 1920 – II 476/20, RGSt 55, 44). Das im Schuldspruch genannte Delikt musste aber sicher nachgewiesen sein (RG, Urteil vom 29. September 1884 – Rep. 1763/84, RGSt 11, 103, 104). Der Grundsatz „nullum crimen sine lege“ beherrsche das Strafrecht so sehr, dass eine Strafe nur ausgesprochen werden dürfe, wenn die zur Bestrafung herangezogene Handlung derart festgestellt werden könne, dass sie ein bestimmtes Strafgesetz erfülle, weil in ihr sämtliche Merkmale einer bestimmten Strafnorm zu finden seien (vgl. RG, Urteil vom 9. November 1891 – Rep. 2638/91, RGSt 22, 213, 216). Eine Ausnahme von dem Gebot der Eindeutigkeit von Tatsachenfeststellungen als Urteilsgrundlage komme nur in Betracht, wenn der gesetzliche Straftatbestand selbst verschiedene Varianten vorsehe, insoweit trotz Unklarheit über die Erfüllung einer bestimmten Modalität einen eindeutigen Schuldspruch ermögliche und für die Alternativen vom Gesetz derselbe Strafrahmen zur Verfügung gestellt werde (vgl. RG, Urteil vom 9. November 1891 – Rep. 2638/91, RGSt 22, 213, 216; Urteil vom 8. April 1892 – Rep. 822/92, RGSt 23, 47, 48; Urteil vom 1. Februar 1921 – II 899/20, RGSt 55, 228, 229; Urteil vom 19. April 1921 – IV 483/21, RGSt 56, 35 f.; Urteil vom 4. Januar 1923 – II 538/22, RGSt 57, 174 f.). Davon wurde der Fall unterschieden, dass die in Betracht gezogenen Sachverhaltsalternativen verschiedene Straftatbestände erfüllten. Wenn kein eindeutiger Schuldspruch gefällt werden konnte, war keine Verurteilung möglich. Das galt auch für die Alternative von Diebstahl oder Hehlerei (vgl. RG, Urteil vom 30. April 1919 – III 156/19, RGSt 53, 231, 232).
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2. Von dieser Rechtsprechung rückten die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts durch Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33 (RGSt 68, 257, 259 ff.) ab. Grundsätzlich waren nach ihrer Auffassung zwar alternative Tatsachenfeststellungen als Anlass für eine Verurteilung nur dann zulässig, wenn die Alternativen lediglich verschiedene Ausführungsarten desselben Delikts be- trafen, nicht aber, wenn verschiedene Straftatbestände in Frage stehen (RGSt 68, 257 f.). Als Ausnahme sollte nur der Fall gelten, in dem Diebstahl oder Hehlerei in Betracht kommen. Dann könne eine Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei ausgesprochen werden. Darauf sei das Gesetz anzuwenden, das nach der besonderen Lage des Falles die mildeste Bestrafung zulasse. Diese Aus- nahme diene der Vermeidung ungerechter Freisprechungen oder „erzwungener Feststellungen“, von deren Richtigkeit der Tatrichterselbst nicht überzeugt sei (RGSt 68, 257, 258; krit. dazu Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 33, 55).
6
Zur Begründung der Ausnahme führten die Vereinigten Strafsenate aus, eine „Willenserklärung des Gesetzgebers“ dazu liege nicht vor. Der Richter ha- be im Allgemeinen nur die Aufgabe der Gesetzesanwendung, sein Wille sei demjenigen des Gesetzgebers unterzuordnen. Der Auftrag, die Frage der Wahlfeststellung zu klären, führe aus diesem Aufgabenkreis hinaus (RGSt 68, 257, 259). Die höchstrichterliche Rechtsprechung sei berechtigt, „zur Ergänzung ei- ner im Verfahrensrecht vorhandenen Gesetzeslücke“ auch „rechtsschöpferisch“ tätig zu werden (RGSt 68, 257, 259). Bei dieser Rechtsfortbildung müsse die Rechtsprechung „gleich dem Gesetzgeber arbeiten“.Daher seien auch Zweck- mäßigkeitsgesichtspunkte zu beachten. Dementsprechend sei das Reichsgericht bei der Ausgestaltung des Beweisantragsrechts vorgegangen (RGSt 68, 257, 259 f.). Danach bestehe auch im Fall der Wahlfeststellung kein Bedenken dagegen, einem Rechtsgrundsatz wie dem Zweifelssatz durch Richterrecht eine „Ausnahme“ anzufügen. Dem Vorschlag, dass eine alternative Fragestellung bei der Urteilsabstimmung generell zuzulassen sei (RG, Urteil vom 12. November 1931 – 2 D 1078/31), sei aus Gründen der Sicherheit der Urteilsfindung und der Gerechtigkeit der Urteilswirkung nicht zu folgen. „In einer solchen Unklarheit“ habe „die nach § 261 StPO zu erfordernde Überzeugung keinen zuverlässigen Boden“. Der Zweck der Urteilsformel werde dadurch geschwächt. Der darin enthaltenen „Erklärung über den strafrechtlichen Gehalt der Tat“ komme keine geringere Bedeutung zu als dem Strafausspruch (RGSt 68, 259, 261). Eine wahlweise getroffene Verurteilung beeinträchtige diese Erklärung. Sie belaste den Verurteilten mit der Nennung einer alternativ in Betracht gezogenen Straftat, „hinter der keine Wirklichkeit steht, zu Unrecht mit einem öffentlich bescheinigten Verdacht“. Die Ungerechtigkeit einer solchen Bloßstellung dränge sich besonders auf, wo mehrere Verfehlungen, die eine verschiedene seelische Verfassung des Täters voraussetzen und ihm eine verschiedene sittliche Bewertung zuziehen, in die Wahl aufgenommen werden. Deshalb sei es erforderlich , dass derart schwankende Entscheidungen im Strafverfahren nicht weiter um sich greifen, als ein zwingendes Bedürfnis sie verlange. Dies sei nur in den nicht selten vorkommenden Konstellationen der Fall, in denen bei einem Beschuldigten Diebesgut unter Umständen gefunden werde, die den Schluss zuließen , dass er die Sachen entweder selbst gestohlen oder sich als Hehler verschafft habe. Die Zulassung einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl oder Hehlerei trage dem allgemeinen Rechtsempfinden Rechnung, weil dieses der Tat des Hehlers dieselbe sittliche Missbilligung angedeihen lasse wie derjenigen des Diebes (RGSt 68, 257, 262). Für andere Tatbestandsalternativen sei eine gesetzesalternative Verurteilung abzulehnen.
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3. Durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBl. 1935 I, S. 839) wurde zugleich mit der Aufhebung des Analogieverbots durch § 2a RStGB eine Regelung über die Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung als § 2b RStGB eingeführt, die Folgendes bestimmte:
8
„Steht fest, dass jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen ver- stoßen hat, ist aber eine Tatfeststellung nur wahlweise möglich, so ist der Täter aus dem mildesten Gesetz zu bestrafen.“
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In der Urteilsformel war in diesem Fall beim Schuldspruch nur das im Ergebnis angewendete Strafgesetz zu nennen (§ 267b Abs. 1 RStPO).
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Eine Regelung der Verurteilungsmöglichkeit bei einer reinen Tatsachenalternativität (unechte Wahlfeststellung) hielt der Normgeber für entbehrlich, weil dann „der Richter auch ohne ausdrückliche Gesetzesbestimmung zu einer Verurteilung gelangen“ könne (vgl. Wolter aaO S. 26 mwN).
11
Die Regelungen des § 2b RStGB und § 267b RStPO wurden durch das Gesetz des Alliierten Kontrollrats für Deutschland Nr. 11 vom 30. Januar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 55) aufgehoben (vgl. Etzel, Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat [1945 – 1948], 1992, S. 83 ff.).
12
4. Der Bundesgerichtshof knüpfte ab 1951 an den Beschluss der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts vom 2. Mai 1934 an (BGH, Urteil vom 19. April 1951 – 3 StR 165/51, BGHSt 1, 127, 128; Urteil vom 21. Juni 1951 – 4 StR 26/51, BGHSt 1, 275, 276). Auch der Große Senat für Strafsachen folg- te ihm (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 – GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 392 ff. mit Anm. Dreher, MDR 1957, 179 f. und Heinitz, JR 1957, 126 ff.).
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Ausgangspunkt war auch nach dieser Rechtsprechung der Grundsatz der eindeutigen Verurteilung. Das deutsche Strafverfahrensrecht habe die Findung eines bestimmten Schuldspruchs zum Ziel. Dies komme in den Vorschriften über den notwendigen Inhalt der Anklageschrift und der Urteilsbegründung zum Ausdruck und entspreche auch dem sachlichen Strafrecht, das nur scharf voneinander abgegrenzte Straftatbestände kennt. Grundsätzlich dürfe ein Angeklagter deshalb nur verurteilt werden, wenn ihm eine bestimmte Straftat nachgewiesen werden kann (BGH, Urteil vom 11. November 1966 – 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 153). Zur Vermeidung lebensfremder und der Gerechtigkeit widersprechender Ergebnisse lasse die Rechtsprechung allerdings in Ausnahmefällen eine Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage zu.
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Die Bejahung einer gesetzesalternativen Verurteilung durch den Bundesgerichtshof betraf zuerst erneut die Alternativen von Diebstahl oder Hehlerei (BGH, Urteil vom 12. September 1951 – 4 StR 533/51, BGHSt 1, 302, 304; Urteil vom 2. Oktober 1951 – 1 StR 353/51, BGHSt 1, 327, 328; Urteil vom 16. April 1953 – 4 StR 377/52, BGHSt 4, 128, 129; Urteil vom 4. Dezember 1958 – 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388; Urteil vom 4. Dezember 1958 – 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388), später auch Konstellationen wie Raub oder räuberische Erpressung (BGH, Urteil vom 12. Januar 1954 – 1 StR 631/53, BGHSt 5, 280, 281), Diebstahl oder Begünstigung (Senat, Urteil vom 21. Oktober 1970 – 2 StR 316/70, BGHSt 23, 360 f.), Betrug oder Hehlerei (BGH, Urteil vom 20. Februar 1974 – 3 StR 1/74, NJW 1974, 804, 805). Erweiterungen erfolgten mit der richterrechtlich geschaffenen Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund mehrerer Tatbestandsvarianten, so bei den Varianten des Diebstahls, der Hehlerei oder der Beihilfe zum Diebstahl in Tateinheit mit Hehlerei (Senat, Urteil vom 30. Juni 1960 – 2 StR 275/60, BGHSt 15, 63, 64 ff.) sowie des Diebstahls, der Unterschlagung oder der Hehlerei (Senat , Urteil vom 26. Juli 1961 – 2 StR 190/61, BGHSt 16, 184, 186 f.). Schließlich wurde mit einer Eliminierungsmethode angenommen, dass Erschwerungsgründe bei einer Alternative der gesetzesalternativen Verurteilung nicht entgegenstehen , wenn die Grundgestaltung rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Tatbestände betrifft (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1957 – 4 StR 73/57, BGHSt 11, 26, 28). In einem solchen Fall müsse sich die Verurteilung auf das Vergleichbare beschränken, so bei der Möglichkeit von schwerem Raub oder Unterschlagung auf Diebstahl oder Unterschlagung (BGH, Urteil vom 15. Mai 1973 – 4 StR 172/73, BGHSt 25, 182, 183 f. mit Anm. Hruschka, NJW 1973, 1804 ff.; anders für schweren Raub oder Hehlerei BGH, Urteil vom 11. November 1966 – 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 154).
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5. Die Bundesregierung wies im Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes (Strafrechtsbereinigungsgesetz) vom 29. September 1952 zur Erklärung dafür, warum die weggefallene Regelung in § 2b RStGB und § 257b RStPO nicht erneuert oder durch funktional vergleichbare Vorschriften ersetzt werden solle, darauf hin, bei der aufgehobenen Regelung habe es sich nicht um typisch nationalsozialistisches Recht gehandelt, das wegen Rechtsstaatswidrigkeit auf Dauer zu entfallen habe. Die obersten Gerichte hätten sich nach dem Krieg der Vorkriegsrechtsprechung des Reichsgerichts im Sinne seiner Plenarentscheidung angeschlossen. Zum Teil sei der Bundesgerichtshof darüber hinausgegangen. Unter diesen Umständen könne die Frage, wie die Grenzen für die Zulässigkeit von wahlweisen Feststellungen als Verurteilungsgrundlage zu ziehen seien, auch in Zukunft der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen werden (BT-Drucks. I/3713 S. 19). Seither hat der Gesetzgeber auch bei weiteren Strafrechtsnovellen „beharrlich“ zur Frage der Möglichkeit von wahl- deutigen Feststellungen und gesetzesalternativen Verurteilungen geschwiegen (vgl. Günther, Verurteilungen im Strafprozess trotz subsumtionsrelevanter Tat- sachenzweifel. Ein Beitrag zum Institut der sog. „ungleichartigen Wahlfeststellung“ , 1976, S. 28 ff. mwN).

II.


16
Der Senat hat folgenden Fall zu entscheiden:
17
1. Das Landgericht Meiningen hat den Angeklagten L. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei in neunzehn Fällen zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten E. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei in achtzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Gegen diese Verurteilung richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachbeschwerde.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts stahlen oder hehlten die Angeklagten seit dem Jahr 2008 in erheblichem Umfang Gegenstände, vor allem Fahrzeuge und Fahrzeugteile sowie Werkzeuge und andere Hilfsmittel, die bei der Montage oder Demontage von Fahrzeugen Verwendung finden konnten. Ob die Angeklagten in den abgeurteilten Fällen als Mittäter jeweils Diebstähle begangen oder die später bei ihnen sichergestellten Gegenstände als Hehler erworben haben, konnte die Strafkammer nicht klären. Sie hat ausgeführt, es sei auch möglich, dass die Angeklagten in den einzelnen Fällen getrennt voneinander Beutestücke aus den Diebstählen angekauft oder einer von beiden – neben Dritten – an den Diebstählen beteiligt gewesen sei und danach Beute- gegenstände an den jeweils anderen abgegeben habe.
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Der Angeklagte E. mietete zur Lagerung der Gegenstände und zur Montage oder Demontage von Fahrzeugen ein Werkstattgebäude an. Dort reparierte er auch fremde Fahrzeuge, wozu bisweilen auch Fahrzeuge oder Fahrzeugteile aus der Diebesbeute verwendet wurden, und trieb mit Fahrzeugteilen Handel. Der Angeklagte L. verfügte über ein Grundstück mit Garagen und einem Container, wo er auch Gegenstände, die aus Diebstählen herrührten , lagerte und Fahrzeuge bearbeiten konnte.
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Nach einer anonymen Strafanzeige wurden die Räume am 23. und 24. Juni 2009 durchsucht. Dabei wurden zahlreiche Gegenstände sichergestellt, die in dem für die Einzeltaten näher konkretisierten Tatzeitraum zwischen dem 26. März 2007 und dem 20. Juni 2009 gestohlen worden waren. Dabei handelte es sich um Diebstähle, die „in vielen Fällen schon aufgrund der Menge des Die- besgutes und der Schwere der einzelnen Gegenstände gar nicht allein hätten durchgeführt werden können.“ Auch war „bei allen Taten aufgrund des professionellen Vorgehens zu erwarten, dass zumindest ein Täter den Tatort abgesi- chert hat.“
21
Das Landgericht hat den Angeklagten jeweils nur Diebstahl oder gewerbsmäßige Hehlerei zugerechnet, soweit bei ihnen selbst Gegenstände aus solchen Taten aufgefunden wurden. Soweit hingegen bei dem jeweils anderen Angeklagten Beutestücke festgestellt wurden, hat es die Angeklagten freigesprochen.
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Mit Ausnahme zweier Fälle (Fälle 6 und 11 bei dem AngeklagtenL. ) handelte es sich bei den Diebstählen – von gewerbsmäßiger Tatbegehung gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB abgesehen – um Taten im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB.
23
Bei den Diebstählen war regelmäßig erheblicher Sachschaden verursacht und umfangreiche Beute erzielt worden, während die sichergestellten Gegenstände, deren Erlangung den Angeklagten zugerechnet wurde, Einzelstücke aus der Diebesbeute darstellten.
24
2. Die Strafkammer hat die Angeklagten wegen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB oder gewerbsmäßiger Hehlerei im Sinne der §§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt.
25
Die Voraussetzungen einer Postpendenzfeststellung der gewerbsmäßigen Hehlerei hat es verneint, weil es eine zumindest einseitig sichere Feststel- lung der Hehlereivoraussetzungen – hier hinsichtlich der Tatbegehung in Bezug auf eine „Sache, dieein anderer gestohlen … hat“ – nicht treffen konnte: „Ob die Angeklagten bei den jeweiligen abgeurteilten Fällen gemeinschaftlich die Diebstähle begangen oder Gegenstände angekauft haben, konnte nicht geklärt werden. So ist es auch möglich, dass in diesen Fällen beide getrennt voneinander von derselben Quelle gekauft haben oder einer der beiden den Diebstahl begangen hat und an den anderen Diebesgut abgegeben hat.“
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3. Weil der Strafrahmen für gewerbsmäßige Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 StGB eine höhere als die in § 243 Abs. 1 StGB angedrohte Mindeststrafe vorsieht, ist das Landgericht vom Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgegangen. Bei der – einheitlich vorgenommenen – Strafzumessung hat es den geringeren Schaden zu Grunde gelegt, der beim Erwerb der einzelnen Beutestücke durch Hehlerei verursacht worden wäre. Im Übrigen hat es auf allgemeine Strafzumessungsgesichtspunkte abgestellt, ohne ein konkretes Tatbild zu bewerten.

III.


27
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist nach Ansicht des Senats keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
28
2. Auch die Ablehnung einer eindeutigen Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 1987 – 2 StR 506/87, BGHSt 35, 86, 88).
29
Für eine Postpendenzfeststellung müsste – da Diebstahl und Hehlerei sich gegenseitig ausschließen – feststehen, dass die Angeklagten als Hehler die Gegenstände nicht selbst durch Diebstahl erlangt hatten (BGH, Urteil vom 29. März 1990 – 4 StR 681/89, BGHR StGB vor § 1 Wahlfeststellung, Postpendenz 4). Der Dieb ist kein tauglicher Täter der Hehlerei (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 259 Rn. 30; LK/Walter, StGB, 12. Aufl., § 259 Rn. 90 f.). Eine einseitig eindeutige (Postpendenz-)Feststellung der Täterschaft der Angeklagten in Form einer Hehlerei war der Strafkammer nicht möglich, weil sie ihre (Mit-) Täterschaft beim Diebstahl jeweils nicht ausschließen konnte.
30
3. Insoweit stünde die Verurteilung im Wege der Wahlfeststellung zwischen gewerbsmäßig begangenem Diebstahl unter Eliminierung von Einbruchsoder Aufbruchskomponenten oder gewerbsmäßiger Hehlerei in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass eine gesetzesalternative Verurteilung mit dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 103 Abs. 2 GG und mit dem Schuldgrundsatz unvereinbar ist. Im Anwendungsbereich des § 261 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB wäre überdies für eine gesetzesalternative Verurteilung wegen solcher Taten, die Katalogvortaten der Geldwäsche darstellen können, wegen des Prinzips vom Vorrang des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG, kein Raum.

IV.


31
1. Der Senat hat im Hinblick auf die erfolgte Verurteilung der Angeklagten wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei durch Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12 (StV 2014, 580 ff.) gemäß § 132 Abs. 3 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie an der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung festhalten. Dabei hat er die Auffassung vertreten, eine gesetzesalternative Verurteilung verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Deshalb sei eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen ) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei rechtlich zu beanstanden. Eine gesetzesalternative Verurteilung verstoße gegen das Analogieverbot. Sie wirke strafbegründend, weil in einem solchen Fall die Erfüllung eines bestimmten Straftatbestands nicht feststellbar sei. Die Verurteilung beruhe dann letztlich auf einer ungeschriebenen dritten Norm, die nicht durch den Gesetzgeber erlassen worden sei, sondern Richterrecht darstelle. Aus diesem Grund sei im Fall einer gesetzesalternativen Verurteilung zudem keine dem Gesetz entsprechende Strafzumessung möglich.
32
2. Die anderen Strafsenate sind dem entgegengetreten (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 ARs 14/14, NStZ-RR 2014, 308 f.; Beschluss vom 30. September 2014 – 3 ARs 13/14, NStZ-RR 2015, 39 f.; Beschluss vom 11. September 2014 – 4 ARs 12/14, NStZ-RR 2015, 40 f.; Beschluss vom 16. Juli 2014 – 5 ARs 39/14, NStZ-RR 2014, 307 f.). Sie haben im Kern übereinstimmend angenommen, bei der gesetzesalternativen Verurteilung handele es sich um eine den Grundsatz „in dubio pro reo“ einschränkende prozessuale Entscheidungsregel, die nicht der Verfassungsbestimmung des Art. 103 Abs. 2 GG unterliege. Diese Verfassungsnorm fordere keinen eindeutig bestimmten Schuldspruch im Strafurteil. Das Richterrecht bestimme auch nicht, was strafbar sei, sondern lege nur fest, wie das Gericht in einer bestimmten Prozesslage zu reagieren habe. Die Strafbarkeit selbst sei durch den Gesetzgeber bestimmt und für den Normunterworfenen vorhersehbar. Der Angeklagte werde nicht aus einer ungeschriebenen dritten Strafnorm verurteilt. Ein Freispruch in doppelter Anwendung des Zweifelsatzes wäre hingegen in Fällen, in denen ein strafloses Verhalten des Angeklagten sicher auszuschließen sei, mit dem Gebot der Gerechtigkeit unvereinbar. Die Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund von Richterrecht entspreche der Einschätzung des Gesetzgebers. Das von der Rechtsprechung entwickelte Merkmal der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit der verschiedenen Taten stelle nur sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz der Tatsachenalternativen an einen im Kern einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfe. Erschwerende Umstände, die nur bei einer der alternativ in Betracht kommenden Verhaltensweisen infrage kämen , dürften einem Angeklagten nicht angelastet werden.
33
3. Mit Beschluss vom 11. März 2015 (StV 2016, 212 ff. mit Anm. Haas, HRRS 2016, 190 ff.) hat der Senat dem Großen Senat des Bundesgerichthofs für Strafsachen die Frage vorgelegt, ob die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung, insbesondere bei einer Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei, mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist. Darin hat er im Kern die Ansicht des Anfragebeschlusses wiederholt und ergänzt, aus dem Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG mit seinem Bestimmtheitsgebot ergebe sich auch das Erfordernis eines eindeutigen Schuldspruchs.
34
Die Vorlage (GSSt 2/15) hat der Senat nach Zweifeln an der Zulässigkeit mit Beschluss vom 9. August 2016 zurückgenommen, um näher zu prüfen, ob sich bereits aus dem Tatbestand der Geldwäsche und dessen Auslegung durch die Rechtsprechung ein Hindernis für eine gesetzesalternative Verurteilung wegen solcher Taten ergibt, die Katalogtaten der Geldwäsche sein können.
35
4. Der 5. Strafsenat hat durch Urteil vom 16. August 2016 – 5 StR 182/16 – (NJW 2016, 3317 f., für BGHSt bestimmt) entschieden, dass die gesetzesalternative Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei bei gleichzeitiger Verwirklichung des Tatbestands der Geldwäsche nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB einen Schuldspruch wegen Geldwäsche ausschließe (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB). Die gesetzesalternative Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestünden nicht.
Die gesetzesalternative Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage scheide auch nicht deshalb aus, weil eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche in Betracht komme. Die ergänzte Regelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB dahin, dass auch bei nicht auszuschließender Vortatbeteiligung des Geldwäschers dessen Verurteilung wegen Geldwäsche möglich sei, sofern er sich nicht sicher wegen Begehung der Katalogtat strafbar gemacht habe, führe nicht dazu, dass eine gesetzesalternative Verurteilung wegen der verschiedenen Katalogtaten ausscheide. § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB sei als Strafausschließungsgrund und Konkurrenzregel geschaffen worden, um eine doppelte Bestrafung wegen der Katalogtat und wegen Geldwäsche zu verhindern. Eine Postpendenzfeststellung der Geldwäsche werde durch das Gesetz nur ermöglicht, wenn eine Strafbarkeit wegen einer Katalogtat ausscheide. Sei aber die Erfüllung eines Tatbestands aus dem Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB sicher und insoweit jedenfalls eine gesetzesalternative Verurteilung wegen verschiedener Katalogtaten möglich, scheide eine Verurteilung wegen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB aus. Es fehle jeder Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber insoweit der gesetzesalternativen Verurteilung den Boden habe entziehen wollen.

B.


36
Der Senat ist der Auffassung, dass eine gesetzesalternative Verurteilung wegen gewerbsmäßig begangenen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie den Schuldgrundsatz aus Art. 1 Abs. 1 GG unzulässig ist (unten I.). Überdies nimmt er an, dass nach § 261 Abs. 1 und 2 StGB für eine gesetzesalternative Verurteilung wegen zweier Katalogtaten der Geldwäsche erst recht kein Raum ist. Ihr steht weiterhin das Prinzip vom Vorrang des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG entgegen (unten II.). Diese Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 4 GVG, weil sie voraussichtlich künftig häufig auftauchen werden, so dass die Entscheidung für die Rechtsanwendung von erheblicher präjudizieller Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2016 – GSSt 1/16 Rn. 24). Insbesondere Fälle, in denen Personen im Besitz gestohlener Gegenstände unter Umständen angetroffen werden, die den Schluss zulassen, sie hätten das Diebesgut entweder selbst gestohlen oder sich als Hehler verschafft, kommen in der Praxis häufig vor (vgl. SK-StGB/ Wolter, 9. Aufl., § 55 Anh. Rn. 1).

I.


37
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass eine gesetzesalternative Verurteilung mit dem besonderen Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht aus Art. 103 Abs. 2 GG kollidiert. Im Übrigen ist sie auch mit dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG, unvereinbar; denn davon werden ohne gesetzliche Grundlage der Zweifelssatz und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) modifiziert. Schließlich bleibt im Fall der gesetzesalternativen Verurteilung auch der Schuldgrundsatz unbeachtet.
38
1. Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass „eine Tat“ nur bestraft werden kann, wenn „die Strafbarkeit“ gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Der Begriff der Strafbarkeit betrifft dabei sowohl die Voraussetzungen der Strafbarkeit als auch das Strafmaß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 288).
39
a) Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein striktes Bestimmtheitsgebot für die Gesetzgebung sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10, BVerfGE 130, 1, 43). Diese Garantien dienen einem doppelten Zweck. Einerseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber übernimmt mit der Entscheidung über strafwürdiges Verhalten die demokratisch legitimierte Verantwortung für eine Form hoheitlichen Handelns, die zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit zählt. Andererseits geht es bei Art. 103 Abs. 2 GG um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 194).
40
Wenn die Verfassung fordert, dass die Strafbarkeit „gesetzlich bestimmt“ sein muss, bedeutet dies zweierlei. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit müssen gesetzlich geregelt und das diesbezügliche Gesetz muss hinreichend bestimmt sein. Für den Gesetzgeber enthält Art. 103 Abs. 2 GG die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. In Grenzbereichen trifft die Rechtsprechung ein Präzisierungsgebot.
41
b) Den Gerichten ist es verwehrt, die gesetzgeberische Entscheidung abzuändern. Dies gilt auch, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen , obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen können wie das pönalisierte Verhalten. Das fragmentarische Strafgesetzbuch enthält demnach keine Gesetzeslücken , die durch Richterrecht zu schließen wären. Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er eine erkannte Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine Regelung schließen will (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 126, 170, 197). Letzteres hat er in jüngerer Zeit etwa mit der Neuschaffung des Tatbestands der Geldwäsche gemäß § 261 StGB und der Ausdehnung bestehender Straftatbestände, wie der Unterschlagung gemäß § 246 StGB getan. Ebenso besteht keine „Regelungslücke“ im Strafprozessrecht, das der Umsetzung der Strafnormen dient.
42
Wegen des strikten Gesetzesvorbehalts für das Strafrecht aus Art. 103 Abs. 2 GG darf auch die Auslegung der Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht dazu führen, dass die Eingrenzung der Strafbarkeit durch den Wortlaut des gesetzlichen Straftatbestands im Ergebnis aufgehoben wird. Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen nicht so weit ausgelegt werden, dass sie in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 126, 170, 198).
43
c) Das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt zum einen für den Straftatbestand (nullum crimen sine lege). Es gilt zum anderen auch für die Strafandrohung (nulla poena sine lege). Tatbestand und Rechtsfolge müssen vom Gesetzgeber sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Beide sind wechselseitig aufeinander bezogen. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsguts und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat in der Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestands von entscheidender Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 286; Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153 f.).
44
Dies alles gebietet einen eindeutigen Schuldspruch und eine Strafzumessung , die auf dem vom Gesetzgeber für den Tatbestand vorgesehenen Strafrahmen beruht und zu dem erfüllten Straftatbestand passt.
45
2. Nach diesem Maßstab ist die richterrechtliche Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.
46
a) Die gesetzesalternative Verurteilung greift in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG ein und verletzt dessen Normzweck.
47
aa) Für eine rein prozessuale Regelung würden die Gebote des Art. 103 Abs. 2 GG nicht gelten (vgl. Kudlich in Kudlich/Montiel/Schuhr [Hrsg.], Gesetzlichkeit und Strafrecht, 2012, S. 233, 239 ff. mwN). Darum geht es hier aber nicht. Die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung bestimmt vielmehr „die Strafbarkeit“ (vgl. Haas, HRRS 2016, 190, 191 ff.; aA SK/Wolter, StGB, 9. Aufl., Anh. zu § 55 Rn. 11). Das räumen zum Teil auch Befürworter einer unbeschränkten gesetzesalternativen Verurteilung ein (vgl. Nüse, GA 1953, 33, 41); zum Teil gehen sie von einer doppelten Relevanz für das formelle und materielle Strafrecht aus (vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 5. Aufl., § 1 I 2, S. 145); auch dies reicht für die Annahme aus, dass der Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berührt ist. Die gesetzesalternative Ver- urteilung ist daher an den Grundsätzen „nullum crimen sine lege“ und „nulla poena sine lege“ zu messen. Warum die Vereinigten Strafsenate des Reichs- gerichts sie – entgegen vormaliger Rechtsprechung (RGSt 22, 213, 216) – nicht daran messen wollten, sondern dem „Verfahrensrecht“ zugeordnet haben (RGSt 68, 257, 259), ist den Gründen des Plenarbeschlusses nicht zu entnehmen (vgl. Haas, HRRS 2016, 190, 191). Die Annahme einer rein verfahrensrechtlichen Bedeutung trifft nicht zu.
48
(1) Strafrecht ist Eingriffsrecht des Staates, das nach dem hierfür streng gehandhabten Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 103 Abs. 2 GG) eine gesetzliche Eingriffsermächtigung erfordert, deren Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen (vgl. Freund/Rostalski, JZ 2015, 164, 168). Mangels sicheren Nachweises des Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale der alternativ in Betracht kommenden Strafnormen, einschließlich des subjektiven Tatbestands (vgl. Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334, 350 ff.), steht in der Wahlfeststellungssituation jeweils nicht zu der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugung der erkennenden Richter fest, dass der Angeklagte die eine oder die andere Tat eindeutig begangen hat (Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 33,

49).


49
Aus der exklusiven Alternativität von zwei Verdachtsfällen folgt dagegen eine Sachverhaltsgewissheit im Ergebnis nur in Bezug auf einen gemeinsamen Unrechtskern, denn hinsichtlich der alternativ in Frage kommenden Tatbestände kann das Tatgericht gerade nicht jeweils das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen in Bezug auf den Angeklagten feststellen. Folgerichtig wird im Schrifttum, soweit es eine gesetzesalternative Verurteilung überhaupt zulässt, vorausgesetzt, dass diese nur erfolgen darf, wenn die Straftatbestände einen gemeinsamen Unrechtskern besitzen (vgl. LK/Dannecker, StGB, 12. Aufl., Anh. zu § 1 Rn. 150 ff. mwN). Die alternativen Verdachtsfälle lassen sich jedoch nicht zu einer einheitlichen Schuldfeststellung verbinden (vgl. Alwart, GA 1992, 545, 565; Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 33, 53; Freund/Rostalski, JZ 2015, 164, 166; Haas, HRRS 2016, 190, 194). Schließen sich die Straftatbestände – wie Diebstahl oder Hehlerei – gegenseitig aus, fehlt in der Wahlfeststellungssituation jeweils der Nachweis mindestens eines Tatbestandselements bei beiden Strafnormen. Die wahldeutige Verurteilung erfolgt dann aber eben praktisch nicht durch bloße Anwendung einer prozessualen Entscheidungs- regel, sondern aufgrund der Überzeugung der Richter von dem Vorliegen eines den alternativen Tatbeständen gemeinsamen Unrechtskerns. Die Regel, wonach die gesetzesalternative Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage zulässig sei, tritt der Sache nach – unter den Voraussetzungen, die ihre Anwendung legitimieren sollen – an die Stelle der jeweils fehlenden sachlichrechtlichen Voraussetzungen eines eindeutigen Schuldspruchs. Das Richterrecht zur gesetzesalternativen Verurteilung stellt materielles Strafanwendungsrecht dar.
50
Der gesetzesalternative Schuldspruch läuft dann jedoch der Sache nach auf eine „Entgrenzung“ von Tatbeständen oder auf eine „Verschleifung“ zweier Straftatbestände durch alternative Vereinigung der Einzelvoraussetzungen hinaus , die noch über die verfassungsrechtlich zu beanstandende „Verschleifung“ von verschiedenen Tatbestandsmerkmalen einer einzigen Strafnorm (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 198) hinausgeht. Die Verurteilung beruht praktisch auf einer ungeschriebenen dritten Norm (vgl. Endruweit, Die Wahlfeststellung und die Problematik der Überzeugungsbildung, der Identitätsbestimmung, der Urteilssyllogistik sowie der sozialen und personalen Gleichwertigkeit von Straftaten, 1973, S. 270; Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 35, 49; Köhler, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1997, S. 96; Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334, 359; Lobe, GS 104 [1934], S. 161, 166; H. Mayer, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1953, S. 417; Wagner, ZJS 2014, 436, 441), welche die – angeblich – rechtsethisch und psychologisch übereinstimmenden Unrechtselemente mit ihrem Kern in sich vereinigt.
51
(2) Die materiell-rechtliche Einordnung der Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung wird besonders deutlich durch die Voraussetzungen ihrer – begrenzten – Ausdehnung in der Rechtsprechung bestätigt (vgl. Montenbruck , Wahlfeststellung und Werttypus in Strafrecht und Strafprozessrecht, 1976, S. 219 f.; s.a. SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 261 Rn. 103 nach Aufgabe ihrer früheren Meinung).
52
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Kriterium der „rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit“ der infrage kommen- den Straftatbestände als Voraussetzung für die Zulassung einer gesetzesalternativen Aburteilung entwickelt. Es stammt aus der heute überholten Tätertypenlehre und galt zuerst für ein Tatstrafrecht als unpassend (vgl. Kohlrausch/ Lange, RStGB, 37. Aufl., § 2b Anm. II 2 und 3, S. 53 f.). Die Annahme, das Abgrenzungskriterium der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der alternativen Tatbestände sei aus dem Plenarbeschluss des Reichsgerichts abzuleiten, trifft hingegen nicht zu, weil dieser Beschluss das allgemein geltende Gebot eindeutiger Verurteilung betont und als exklusive Ausnahme davon alleine eine alternative Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei zugelassen hatte (vgl. Günther aaO S. 107). Das Richterrecht hat damit zunächst eine kasuistische Ausnahme entwickelt, ohne den Grundsatz in Frage zu stellen.
53
Über die Beschränkung der Ausnahmefälle auf das rechtsethisch und psychologisch Vergleichbare hinaus darf nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht hinweggegangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 – GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 394). Ist nach der Begrenzungsklausel kein Fall gegeben, bei dem eine Ausnahme vom Gebot der eindeutigen Verurteilung in Betracht kommt, kann eine Strafnorm, deren Voraussetzungen nicht vollständig feststellbar sind, eben nicht angewendet werden. Greift dagegen die richterrechtliche Ausnahme ein, weil alternativ zwei rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Tatbestände erfüllt sein sollen, gelangt das Tatgericht zur (gesetzesalternativen) Verurteilung. Das materielle Ausnah- mekriterium bestimmt dann aber im Ergebnis gerade über die „Strafbarkeit“ im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG.
54
Das Abgrenzungskriterium, das für die Entscheidung über eine gesetzesalternative Verurteilung oder die Freisprechung des Angeklagten entscheidet , füllt funktional die Lücke zwischen den alternativ in Frage kommenden Tatbeständen. Es ist materiell-rechtlicher Natur, denn es fordert einen ausschließlich nach sachlich-rechtlichen Kriterien vorzunehmenden Vergleich.
55
(3) Ein Unterschied der Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung gegenüber nicht an Art. 103 Abs. 2 GG zu messenden prozessualen Rechtsinstituten , wie der Verjährung der Strafverfolgung oder dem Erfordernis eines Strafantrags, kommt darin zum Ausdruck, dass hier über den Schuld- und Strafausspruch in Abgrenzung zu einem Freispruch entschieden wird, während jene Institute prozessuale Rechtsfolgen haben (vgl. Haas, HRRS 2016, 190, 191). Die Verjährung der Strafverfolgung lässt das Unrecht und die Schuld des Täters unberührt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 294); sie führt zur Einstellung des Verfahrens. Gleiches gilt, wenn ein bei dem konkreten Delikt erforderlicher Strafantrag fehlt. Die Anwendungsregel einer gesetzesalternativen Verurteilung entscheidet demgegenüber – soweit kein Auffangtatbestand eingreift – zwischen Freispruch und Bestra- fung. Das Richterrecht beherrscht dadurch die Voraussetzungen für den Schuldspruch und es bestimmt die Kriterien für die Zumessung der Strafe auf dieser Grundlage. Dafür gilt Art. 103 Abs. 2 GG.
56
bb) Die richterrechtliche Rechtsfigur beachtet nicht den Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG.
57
(1) Das Strafgesetz soll dem normunterworfenen Bürger verdeutlichen, welche Handlungsweise bei Strafe verboten ist, damit er die Strafbarkeit seines Verhaltens vorhersehen kann. Insoweit kollidiert die gesetzesalternative Verurteilung nicht mit der Verfassung (vgl. auch Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 35, 36). Auch der Senat hat unter diesem Blickwinkel keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzesalternative Verurteilung.
58
(2) Art. 103 Abs. 2 GG enthält aber auch einen strengen Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht; denn danach müssen die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Rechtsfolgen „gesetzlich“ bestimmt sein. Dieser selbständige Zweck der Verfassungsnorm kann durch Richterrecht nicht erfüllt werden.
59
Die Überlegung, aus der Bemerkung der Bundesregierung zum Entwurf des Strafrechtsbereinigungsgesetzes im Jahre 1951, dass die Prüfung von gesetzesalternativen Verurteilungen unter anderem der Rechtsprechung überlassen werden solle, ersatzweise eine demokratische Legitimation im Sinne einer Delegation der Rechtssetzungsbefugnis durch den „Gesetzgeber“ auf die Rechtsprechung abzuleiten, geht fehl, zumal sie sich auch nur auf Konstellatio- nen der „unechten Wahlfeststellung“ beziehenließe, die nach Ansicht des Senats wegen Eindeutigkeit des Schuldspruchs und der gesetzlichen Grundlagen der Strafbemessung unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 2 GG unbedenk- lich sind. Erst recht trifft die Annahme nicht zu, „der Gesetzgeber“habe eine gesetzliche Regelung auch der gesetzesalternativen Verurteilung mit nicht eindeutigem Schuldspruch generell für entbehrlich erachtet und deshalb dem Richterrecht zugestimmt; vielmehr war zurzeit der angeführten Bemerkungen ein bevorstehender Gesetzgebungsakt durchaus erwartet worden (vgl. Nüse, GA 1953, 33, 40 unter Hinweis auf eine Bemerkung des damaligen Staatssekretärs im Bundesjustizministerium Strauß). Ein entsprechender Wille des „Gesetz- gebers“, also des Parlaments, in einem – im Hinblick auf eine Wiedereinführung von § 2b RStGB oder einer funktional vergleichbaren Norm gerade ausgebliebenen – Gesetzgebungsverfahren, ist nicht gebildet worden (vgl. Endruweit aaO S. 252 f.). Schließlich wäre er unzureichend, weil selbst dem parlamentarischen Gesetzgeber eine Delegierung der strafrechtlichen Regelungsaufgabe bei Geltung des strikten Gesetzesvorbehalts gemäß Art. 103 Abs. 2 GG nicht gestattet wäre. § 2b RStGB ist dagegen durch Gesetz aufgehoben worden. Das Aufhebungsgesetz ist von der Rechtsprechung im Rahmen ihrer Gesetzesbindung gemäß Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG zu beachten (vgl. Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334, 366). Dies widerspricht der Möglichkeit, eine entsprechende Regelung, die der Gesetzgeber gerade nicht erneut geschaffen hat, durch Richterrecht einzuführen (vgl. SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 261 Rn. 105) und sich dafür auf einen „Willen des Gesetzgebers“ zu berufen. Der Gesetzgeber der Reichsjustizgesetze hingegen hatte noch die „Wissenschaft“ zur Diskussion von Regelungsmöglichkeiten für eine künftige gesetzliche Rege- lung aufgefordert und nicht der Rechtsprechung einen „Auftrag“ zur Schaffung von Richterrecht erteilt, das Strafbarkeitslücken schließen solle.
60
(3) Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt auch ein Gebot der Bestimmtheit der Strafbarkeit (… gesetzlich „bestimmt“ …). Dieses Bestimmtheitsgebot richtet sich zuvörderst an den Gesetzgeber. Es eröffnet in Grenzfällen für die Rechtsprechung ein Präzisierungsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 198). Dem wird das Richter- recht bereits wegen seiner Annahme nicht gerecht, Art. 103 Abs. 2 GG habe keine Bedeutung für den Schuldspruch, so dass dort eine gesetzesalternative Verurteilung zulässig sei (vgl. Freund/Rostalski, JZ 2015, 164 ff.).
61
α) Der Schuldspruch ist bereits für sich genommen eine „Rechtsfolge, die selbst Sanktionscharakter hat“ (Stuckenberg, ZIS 2014, 461, 463). Der alterna- tive Schuldspruch im Tenor des Strafurteils belastet den Angeklagten mehr als ein eindeutiger Schuldspruch; das räumen auch Befürworter der gesetzesalternativen Verurteilung ein (vgl. Nüse, GA 1953, 33, 42; Otto in Festschrift für Peters, 1974, S. 374, 389). Die Urteilswirkung wird im Fall der gesetzesalternativen Fassung des Schuldspruchs nachteilig verändert (vgl. Günther aaO S. 112). Seine Bedeutung wurde schließlich auch vom Reichsgericht zutreffend hervorgehoben (RGSt 68, 259, 261).
62
Der Schuldspruch hat Eingriffscharakter. Im staatlichen Eingriffsrecht herrscht allgemein das Postulat, dass für einen Eingriff des Staates in Grundrechte des Bürgers eine gesetzliche Ermächtigung vorauszusetzen ist und diese im konkreten Anwendungsfall einschlägig sein muss. Aus demselben Grund ist im strafprozessualen Eingriffsrecht nicht durch eine Kombination verschiedener Ermächtigungsnormen, die jeweils nicht vollständig erfüllt sind, ein neuer Eingriffstatbestand herzuleiten: „Es ist unzulässig, einzelne Elemente von Ein- griffsermächtigungen zu kombinieren, um eine Grundlage für eine neue technisch mögliche Ermittlungsmaßnahme zu schaffen. Dies würde dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in Grundrechte (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie dem Grundsatz der Normenklarheit und Tatbestandsbestimmtheit von strafpro- zessualen Eingriffsnormen widersprechen“ (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Janu- ar 2007 – 3 StB 18/06, BGHSt 51, 211, 218 f. für die „Online-Durchsuchung“). Warum für eine strafrechtliche Verurteilung als besonders gravierender Hoheitsakt mit Eingriffscharakter etwas anderes gelten sollte, erschließt sich nicht.
63
Die Strafnorm, die eine Tat kennzeichnet, gestattet den Strafgerichten als gesetzliche Eingriffsermächtigung ein sozialethisches Unwerturteil (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 286). Konkretisiert wird der hoheitliche Tadel im Einzelfall durch das Urteil des Strafgerichts , das den Angeklagten wegen einer bestimmten Tat schuldig spricht. Bereits dieses Unwerturteil berührt den in der Menschenwürde wurzelnden Wert- und Achtungsanspruch des Verurteilten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1997 – 2 BvR 1371/96, BVerfGE 96, 245, 289). Der Schuldspruch beschwert auch für sich genommen den Verurteilten (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. März 1961 – 2 BvR 27/60, BVerfGE 12, 296, 302), weshalb er selbst dann mit Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen angreifbar ist, wenn dies keine Auswirkungen auf den Strafausspruch haben muss (vgl. zur Schuldspruchänderung als zulässigem Wiederaufnahmeziel wegen eigenständiger Beschwer BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002 – StB 15/02, BGHSt 48, 153, 156). Der Schuldspruch greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. Daher muss nicht erst die Strafe im Rechtsfolgenausspruch des Urteilstenors, sondern bereits der Schuldspruch im Einklang mit dem Strafgesetz bestimmt sein. Art. 103 Abs. 2 GG erfordert einen eindeutigen Schuldspruch (vgl. Freund/Rostalski, JZ 2015, 164 ff.; 2015, 716, 717 f.). Ein gesetzesalternativer Schuldspruch genügt dem nicht.
64
β) Das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG ist ferner deshalb nicht erfüllt, weil im Fall der gesetzesalternativen Verurteilung unklar bleibt, wie das von der Rechtsprechung verwendete Abgrenzungskriterium der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der alternativ angewendeten Tatbestände (zur Rechtsprechungsentwicklung Günther aaO S. 77 ff., zur Kritik ebenda S. 106 ff.) zu prüfen sein soll. Dieses Kriterium ist „grob und ungenau“ (vgl. Satzger in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 1 Rn. 90). „Fassbare Kriterien, die die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit zu konkretisieren vermögen, sucht man bis heute vergebens“ (Günther aaO S. 114). Die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit ist „keineswegs näher bestimmt“ (Endruweit aaO S. 170). Als Merkmal einer Strafnorm des geschriebenen Rechts wäre dieses Vergleichbarkeitskriterium zu unbestimmt.
65
Bei seiner Anwendung können ein abstrakter Rechtsnormvergleich (vgl. LK/Dannecker, StGB, 12. Aufl., Anh. zu § 1 Rn. 136, 154 mwN) oder ein auf die konkrete Fallkonstellation bezogener Vergleich (vgl. Jahn, JuS 2014, 753, 755) oder – nach der Eliminierungsmethode der jüngeren Rechtsprechung – gegebenenfalls ein Vergleich nur der Grundtatbestände unter Ausblendung der in einer Sachverhaltsalternative einseitig vorkommenden Erschwerungsgründe in Frage kommen (abl. dazu Günther aaO S. 120). Für den Vergleich können normative oder kriminologisch-empirische Überlegungen angestellt werden. Welche Vorgehensweise geboten ist, bleibt in der – wechselnden – Rechtsprechung unklar. Insoweit müsste der Gesetzgeber, wenn er eine entsprechende Regelung erlassen dürfte und wollte, den Maßstab klarstellen. Richterrecht, das sich für den Vergleich unter Ausblendung des Handlungsunrechts im Wesentlichen am betroffenen Rechtsgut und dem Erfolgsunrecht orientiert, kann eine solche Regelung nicht mit hinreichender Bestimmtheit leisten. Mit der weiteren Entwicklung einer ausdifferenzierten Systematik zur „Vergleichbarkeit“ würde sich die Rechtsprechung erneut an die Stelle des Gesetzgebers setzen und Abwägungen vornehmen, die nach Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG diesem vorbehalten sind.
66
Die Unterscheidung zwischen richterrechtlich zulässigen gesetzesalternativen Verurteilungen wegen behaupteter rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit der Tatbestände und Freisprüchen wegen Unzulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung trotz richterlicher Überzeugung von der Be- gehung jedenfalls einer der alternativ in Frage kommenden Taten mangels entsprechender Vergleichbarkeit führt zu Rechtsunsicherheit und Rechtsunklarheit sowie zu ungerechten Ergebnissen (vgl. Günther aaO S. 122).
67
Dass Diebstahl und Hehlerei „rechtsethisch und psychologisch vergleichbar“ sind, wird bezweifelt (vgl. Endruweit aaO S. 219 ff.; weitere Nachwei- se bei Günther aaO S. 117). Tatsächlich besteht eine rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit jedenfalls in qualifizierten oder mit einseitigen Erschwerungsgründen einhergehenden Vergleichsfällen nicht. Allenfalls in Fällen einfachen Diebstahls wird von einer anschließenden Hehlerei ausschließlich dasselbe Rechtsgut betroffen (Endruweit aaO S. 162). Die Tathandlung ist bei Diebstahl und Hehlerei aber bereits derart unterschiedlich, dass ein genauer Vergleich zur Feststellung gravierender Unterschiede führt.
68
Wenn etwa in dem vom Senat zu entscheidenden Fall die Angeklagten entweder als Mittäter an gewerbsmäßig begangenen Einbruchsdiebstählen beteiligt waren, durch die großer Sachschaden angerichtet und erhebliche Diebesbeute erzielt wurden, oder sie sich als gewerbsmäßig handelnde Alleintäter der Hehlerei einzelne Beutestücke aus solchen Diebstählen verschafft haben, ist nicht nachzuvollziehen, warum – unter Ausblendung des einseitig vorhandenen Erschwerungsgrundes des Auf- oder Einbruchs (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2008 – 3 StR 53/98, NStZ 2008, 646) – von einer rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit gesprochen werden soll.
69
(4) Dem Gesetz ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, ob und unter welchen Umständen verschiedene Straftatbestände dahin auszulegen seien, dass sie mit anderen Strafnormen rechtsethisch und psychologisch vergleichbar seien. Was derart vergleichbar ist, dass eine eindeutige Verurteilung auch bei Möglichkeit verschiedener Sachverhaltsvarianten in Betracht kommt, hat der Gesetzgeber nur in denjenigen Straftatbeständen geregelt, welche verschiedene Tatbestandsvarianten desselben Delikts vorsehen und dennoch einen einheitlichen Schuldspruch gestatten. Verurteilt der Strafrichter einen Angeklagten auf wahldeutiger Tatsachengrundlage im Schuldspruch eindeutig („unechte Wahlfeststellung“), wendet er im Einklang mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG das Gesetz an (vgl. Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 33, 43 ff.). Er wird insoweit durch den Gesetzgeber zu einem (eindeutigen) Schuldspruch und zur Festsetzung einer bestimmten Strafe ermächtigt. Eine gesetzliche Ermäch- tigung zum gesetzesalternativen Schuldspruch („echte Wahlfeststellung“) und eine positivrechtliche Regelung der dann angemessenen Rechtsfolgenentscheidung fehlen hingegen.
70
cc) Dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG unterliegt auch die Strafandrohung (BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153), die in einem angemessenen Verhältnis zur konkreten Tat stehen muss (zur „Schuldspruchakzessorietät“ der Strafbemessung Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 33, 41). Auch insoweit erweist sich die gesetzesalternative Verurteilung als verfassungswidrig.
71
(1) Der Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht und das zugehörige Bestimmtheitsgebot erfordern konkrete Regelungen dazu, wie der für das Urteil maßgebliche Strafrahmen zu bestimmen und wie die Strafe unter Beachtung des Schuldgrundsatzes zu bemessen sein soll. Dies müsste auch gewährleistet sein, wenn in exklusiver Alternativität zwei Sachverhalte in Betracht kommen, bei denen der Täter in nicht weiter aufklärbarer Weise gegen eines von zwei unterschiedlichen Strafgesetzen verstoßen hat (vgl. den Regelungsvorschlag von Wolter, GA 2013, 271, 282 ff.; s.a. SK/Wolter, StGB, 9. Aufl., Anh. zu § 55 Rn. 23 ff.). An einer gesetzlichen Regelung dieser Frage fehlt es und Richter- recht kann die fehlende Norm nicht ersetzen, auch nicht, wenn es vorschreibt, für die Alternativen seien jeweils fiktive Strafen zu bilden und von diesen sei anschließend die geringste zu verhängen. Auch bei dieser Vorgehensweise verbleiben nämlich Unklarheiten (vgl. Freund/Rostalski, JZ 2015, 164, 168; SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 261 Rn. 104; Wagner, ZJS 2014, 436, 442). Jedoch steht diese Methode bei der Wahlfeststellungsdiskussion auch nicht allein im Raum (vgl. Endruweit aaO S. 87 ff. mwN) und sie wurde vom Landgericht im Ausgangsfall auch nicht angewendet.
72
Vom Standpunkt der Eliminierungsmethode aus, wonach einseitig vorhandene Erschwerungsgründe unbeachtet bleiben, ist die Bildung zweier fiktiver Strafen, um danach die mildere zu verhängen, entweder wegen der Tatbestandsreduktion im überschießenden Teil auf einer Seite des Vergleichspaares obsolet oder sie wird nicht konsequent angewendet. Werden nur einseitig vorhandene Erschwerungsgründe eliminiert, wird der jener Alternative zugrunde liegende Sachverhalt nicht ausgeschöpft und die Strafe nicht unter Berücksichtigung des für sich genommen sicher feststehenden Tatbildes zugemessen. Die Begründung, hierdurch werde der Angeklagte nicht beschwert, reicht nicht aus. Das Handlungsunrecht, das sonst für die Strafzumessung von wesentlicher Bedeutung ist, bleibt nach der Eliminierungsmethode unausgeschöpft oder es wird in einer unklaren Weise mitbewertet. Auch der „Ankereffekt“ (vgl. Englich in Volbert/Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, 2008, S. 486, 489 ff.) der fiktiven Strafbemessung wegen der schwerer wiegenden Tat für die Strafzumessung bei der geringer zu bestrafenden Tat führt zu einer Verzerrung der Strafzumessung (vgl. Endruweit aaO S. 77). Erst recht bleibt die Methode der Strafzumessung unklar, wenn das Tatgericht gerade nicht zwei fiktive Strafen für die Alternativsachverhalte bildet, um danach die niedrigere zu verhängen:
73
Im Ausgangsfall hat das Landgericht die jeweils günstigsten Elemente – günstigerer Strafrahmen, Eliminierung des einseitigen Erschwerungsgrunds nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB, Heranziehung des geringsten Schadens – im Rahmen eines einheitlichen Strafzumessungsvorgangs gewichtet. Es musste dabei aber zwangsläufig offen lassen, welches Tatbild mit Tathandlungen , Tatbeteiligung, Tatmodalitäten dieser einheitlichen Strafbemessung zu Grunde gelegt wurde, weil es kein konkretes Tatbild von den Angeklagten zuzurechnenden strafbaren Handlungen feststellen konnte. Stattdessen hat es nur Strafzumessungsgründe erwähnt, die außerhalb des eigentlichen Tatgeschehens liegen. Die Ausblendung des jeweiligen Tatbildes führt zur Ungenauigkeit und Unklarheit der Strafzumessung.
74
(2) Setzt das Gericht im Einzelfall eine Strafe fest, muss diese in einem angemessenen Verhältnis zu Unrecht und Schuld des Täters im Hinblick auf einen bestimmten Verhaltensnormverstoß stehen (vgl. Frister, StV 2014, 584, 585; SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 261 Rn. 104). Der Gesetzgeber hat durch Festlegung eines Strafrahmens für das konkrete Delikt eine Vorabwägung zu treffen (nulla poena sine lege). Für die Strafzumessungsentscheidung durch die Strafgerichte aufgrund des Gesetzes muss feststehen, welcher konkrete Verhaltensnormverstoß dem Angeklagten vorgeworfen wird und welches Ausmaß seine individuelle Schuld dabei erreicht hat. Dies ist nicht möglich, wenn offen bleibt, welche von alternativ infrage kommenden Taten er begangen hat. Mit der Behauptung, er habe jedenfalls die eine oder andere Tat begangen, setzt sich das Richterrecht darüber hinweg, dass die Begehung der einen und der anderen Tat durch den individuellen Angeklagten jeweils nicht feststeht und die alternative Strafzumessung hiernach auf einer Fiktion beruht.
75
b) Greift das Richterrecht wegen seiner materiell-rechtlichen Bedeutung bereits in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG ein, liegt bei einer gesetzesalternativen Verurteilung ein Verfassungsverstoß vor. Eine Grundrechtsschranke des Art. 103 Abs. 2 GG besteht nicht (vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, 2014, S. 207 ff.). Ein Gesetzesvorbehalt ist einer Schrankenbestimmung nicht zugänglich.
76
Selbst wenn eine Einschränkung theoretisch denkbar wäre, wäre eine immanente Grundrechtsschranke hier auszuschließen; denn der Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG steht in der Wahlfeststellungssituation keine Rechtsposition von gleichem Gewicht gegenüber (vgl. Kröpil, JR 2015, 116, 121). Auf richterrechtliche Abwägungen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt es jedenfalls nicht an (Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 33, 43). Der Verfassungsgeber selbst hat die Abwägung der gegenläufigen rechtsstaatlichen Gesichtspunkte mit Art. 103 Abs. 2 GG zugunsten eines uneingeschränkten Gesetzesvorbehalts für das Strafrecht getroffen (ebenso wie für den Fall der Freiheitsentziehung in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Deshalb ist es nicht zulässig, das Gesetzlichkeitsprinzip in Ausnahmefällen allein mit Hinweis auf Gebote materieller Strafgerechtigkeit durch Richterrecht zu beschränken. Rechtsfortbildung überschreitet die durch die Verfassung gezogenen Grenzen, wenn sie ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286, 306). Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der gesetzesalternativen Verurteilung in bestimmten Fällen ist aber ausschließlich auf eigene kriminalpolitische Überlegungen der Gerichte zur Frage der Strafgerechtigkeit gestützt (vgl. Stuckenberg, ZIS 2014, 461, 464 mwN).
77
Bei einer Verletzung des Gesetzesvorbehalts für das Strafrecht kommt es auf die Gründe dafür, warum der Bundesgesetzgeber von einer Regelung der gesetzesalternativen Verurteilung abgesehen hat, nicht mehr an. Da im Strafrecht gemäß Art. 103 Abs. 2 GG ein strikter Gesetzesvorbehalt gilt, darf der Gesetzgeber seine Aufgabe der Normsetzung nicht zum Nachteil eines Angeklagten auf die Rechtsprechung delegieren. In den Materialien zu den Reichsjustizgesetzen und zum Strafrechtsbereinigungsgesetz gleichsam eine „Aufforderung des Gesetzgebers“ an die Rechtsprechung zu sehen, die Wahl- feststellung – auch in der Form der gesetzesalternativen Verurteilung – im Vorgriff auf eine erwartete Gesetzgebung richterrechtlich zu regeln (Nüse, GA 1953, 33, 39), geht daher fehl. Die Legislative ist verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen; sie darf diese Entscheidung nicht einer anderen staatlichen Gewalt, der Strafjustiz, überlassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Anmerkung der Bundesregierung in den Materialien zum Entwurf des Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes (BT-Drucks. I/3713 S. 19), wie es oben bereits ausgeführt wurde.
78
3. Auch der Schuldgrundsatz aus Art. 1 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG stehen dem Richterrecht zur gesetzesalternativen Verurteilung entgegen.
79
a) Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz, der auch Auswirkungen auf das Verfahren hat. Er gebietet, dass nur derjenige Bürger strafrechtlich verurteilt werden darf, dessen Schuld eindeutig nachgewiesen ist. Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit. Für den Bereich des Strafrechts wird dieses Anliegen im Schuldgrundsatz aufgenommen (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 197 f.; abl. Stuckenberg , GA 2016, 687, 692 ff.). Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen. Der Strafprozess hat das Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf, zu sichern. Zentrales Anliegen ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt. Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden. Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (BVerfGE 133, 168, 199). Die Unschuldsvermutung hat als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ebenfalls Verfassungsrang; sie ist eine den Schuldgrundsatz sichernde Regelung. Sie verlangt den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr vorgehalten werden darf (BVerfGE 133, 168, 202). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips enthält die Unschuldsvermutung keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen der Konkretisierung nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers.
80
b) Die Rechtsprechung ist danach nicht befugt, Verfahrensregeln, die für die Feststellung der Schuld des Angeklagten von zentraler Bedeutung sind, nach eigenen Zweckmäßigkeitsüberlegungen zum Nachteil von Angeklagten abzuändern.
81
aa) Dies geschieht, wenn nicht mehr die sichere Überzeugung des Tatrichters im Sinne von § 261 StPO vom Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen der anzuwendenden Strafnorm für eine Verurteilung gefordert wird (vgl. Endruweit aaO S. 129 ff.). Hatte das Reichsgericht noch den Grundsatz der eindeutigen Feststellung von Tat und Schuld mit der einzigen Ausnahme der Zulassung einer gesetzesalternativen Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei anerkannt, so hat der Bundesgerichtshof die Methode der Abgrenzung anhand des Kriteriums der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der alternativ in Frage kommenden Tatbestände entwickelt und die Ausnahmekonstruktion damit ausgeweitet. Mit ihrer Eliminierungsmethode, wonach der Vergleich auf eine Grundkonstellation zu beschränken ist, wenn ein Erschwerungsgrund , der die Vergleichbarkeit an sich aufhebt, nur auf einer Seite des Vergleichspaars auftaucht, hat sie den Anwendungsbereich der Ausnahmefigur abermals erweitert. Die gesetzesalternative Verurteilung, die ursprünglich auf besonders eng definierte Ausnahmefälle begrenzt sein sollte, wurde so zu einer weitreichenden Entscheidungsregel, welche den Zweifelssatz in ihrem zunehmend vergrößerten Anwendungsbereich ausschaltet. Dadurch wurden ohne gesetzliche Grundlage überkommene Beweisvoraussetzungen für eine grundsätzlich nur eindeutig mögliche strafrechtliche Verurteilung verändert (vgl. Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334, 344 ff.).
82
bb) Die Notwendigkeit der Aufklärung des wahren Sachverhalts und die Feststellung der schuldbegründenden Tatsachen sind Ausfluss des Schuldgrundsatzes (vgl. Alwart, GA 1992, 545, 552, 561). Eine Verurteilung kann nur erfolgen, wenn sich das Gericht die sichere Überzeugung von Tat und Schuld verschafft hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 – 2 BvR 1304/80 und 432/81, BVerfGE 63, 380, 392). Dies wird bei der Gestattung einer gesetzesalternativen Verurteilung nicht ausreichend beachtet.
83
(1) Das Richterrecht modifiziert die Feststellungsvoraussetzungen für eine Verurteilung. Damit geht eine Beschränkung der Unschuldsvermutung einher , die ihrerseits Ausfluss des Schuldgrundsatzes ist (vgl. Haas, HRRS 2016, 190, 194 ff.; Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334, 348 ff.; aA SK/Wolter, StGB Anh. zu § 55 Rn. 19). Ein Angeklagter hat nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum sicheren Nachweis seiner Schuld in einem dem Gesetz entsprechenden Verfahren als unschuldig zu gelten; er darf nicht aufgrund zweifelhafter Tatsachenfeststellungen verurteilt werden. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 6 Abs. 2 EMRK in der Konstellation der gesetzesalternativen Verurteilung ist deshalb nach dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes nicht durch Richterrecht zulässig (Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334, 353 ff., 361 ff.).
84
(2) Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Zweifelssatz ist eine Entscheidungsregel , die zugunsten des Angeklagten wirkt, weshalb sie für sich genommen keiner positivrechtlichen Verankerung bedarf. Eine kasuistische Einschränkung des anerkannten Zweifelssatzes durch Richterrecht erfolgt in den Fällen der gesetzesalternativen Verurteilung aber zulasten des Angeklagten. Auch diese Einschränkung ist nach dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes nicht durch Richterrecht möglich. Die für die Verwirklichung von Grundrechten wesentlichen Entscheidungen sind vielmehr auch im Bereich des Prozessrechts dem Gesetzgeber vorzubehalten (vgl. LR/Kühne/Gössel/Lüderssen/Jahn, StPO, 27. Aufl., Einl. Rn. 92).
85
cc) Schließlich ändert das Richterrecht die sich aus dem Gesetz ergebende Art der Entscheidung dahin ab, dass bei alternativ erhobenen Vorwürfen wegen verschiedener Taten im prozessualen Sinn (§ 264 StPO), von denen nur ein Vorwurf zutreffend sein kann, wie bei den Alternativen von Diebstahl oder Hehlerei, kein Teilfreispruch erfolgt, sondern ausschließlich eine – alternative – Verurteilung. Auch dies ist eine Änderung des sich aus dem Gesetz ergebenden Rechts (§§ 261, 264, 267 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 StPO), die nach Art. 20 Abs. 3 GG dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müsste.

II.


86
Die gesetzesalternative Verurteilung wegen zweier Taten, die zugleich Katalogtaten einer Geldwäsche sind, ist zudem mit dem Prinzip vom Vorrang des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar, wenn eine mögliche eindeutige Verurteilung wegen Geldwäsche deshalb umgangen wird. Zugleich entfällt eine Anwendungsbedingung der gesetzesalternativen Verurteilung im Fall der Möglichkeit einer Verurteilung wegen Geldwäsche, weil der einzige Grund für die Zulassung der gesetzesalternativen Verurteilung die Annahme der Unbilligkeit einer Freisprechung bei sicher feststehender Schuld des Angeklagten sein soll. Ein „zwingendes Bedürfnis“ für die Zulassung einer Ausnahme vom Grundsatz der eindeutigen Verurteilung zur Vermeidung eines als ungerecht betrachteten Freispruchs (RG aaO, RGSt 68, 257, 262) besteht bei Eingreifen eines gesetzlichen Auffangtatbestands nicht. Ebenso wie bei Gewohnheitsrecht entfällt auch für Richterrecht – soweit vorhanden – die Legitimation, wenn der Gesetzgeber in einem bestimmten Regelungsbereich Normen erlässt.
87
1. Aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Vorrang des Gesetzes folgt zwar kein Verbot, vorhandene Regelungslücken im Gesetz im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen. Die Zulässigkeit der Schließung einer festgestellten Gesetzeslücke findet ihre Rechtfertigung gegebenenfalls darin, dass Gesetze in einem veränderlichen Umfeld sozialer Verhältnisse, politischer Anschauungen und rechtlicher Rahmenbedingungen stehen, das Auswirkungen auf ihr Verständnis haben kann. Umgekehrt kann sich aus derartigen Veränderungen aber auch ergeben, dass einer bisherigen Gesetzesinterpretation oder Rechtsfortbildung die Grundlage entzogen wird. Das gilt in besonderem Maße, wenn bei Grundrechtseingriffen Gesetzesänderungen den ursprünglich zur Begründung herangezogenen Kontext ändern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49, 59 f.). Hat der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen, darf die Rechtsprechung diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen ändern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 – 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, 12). Dieser Vorrang des Gesetzes wird übergangen, wenn die Rechtsprechung eine richterrechtliche Figur im Bereich des Strafrechts und des seiner Umsetzung dienenden Strafverfahrensrechts ohne Rücksicht auf die geänderte Gesetzeslage im Strafgesetzbuch aufrechterhält.
88
2. Die sukzessive Schließung von Strafbarkeitslücken durch den Strafgesetzgeber entzieht der ursprünglich von den Vereinigten Strafsenaten des Reichsgerichts als Notbehelf und Ausnahmekonstruktion zur Vermeidung einer als unerträglich empfundenen Lücke im Strafgesetz richterrechtlich eingeführten Möglichkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen ) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei die Grundlage. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn bei Verneinung einer gesetzesalternativen Verurteilung keine Strafbarkeitslücke entsteht, sondern ein subsidiärer Straftatbestand eingreift. Dies ist etwa in der Konstellation der Fall, in der eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche möglich ist, während eine eindeutige Verurteilung wegen einer von zwei alternativ in Frage kommenden Katalogtaten im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB ausscheidet.
89
a) Der Gesetzgeber wollte zur Schließung von Strafbarkeitslücken eine Postpendenzfeststellung der Geldwäsche auch in Fällen zweifelhafter Vortatbeteiligung des Geldwäschers regeln. Dabei hat er zwar möglicherweise nicht an die Frage der Wahlfeststellung gedacht (vgl. BT-Drucks. 13/8651 S. 10 f.). Der Regelungsinhalt der Norm besteht aber in einer gesetzlichen Ausgestaltung der Entscheidungsmöglichkeiten dahin, dass ein eindeutiger Schuldspruch wegen Geldwäsche ermöglicht und dafür ein passender Strafrahmen zur Verfügung gestellt wird, wenn sich der Täter einen Gegenstand verschafft, der sicher aus einer Katalogtat herrührt. Eine nach dem Richterrecht bei drohendem Freispruch durch eine gesetzesalternative Verurteilung zu schließende Strafbarkeitslücke entsteht somit im Fall der Verurteilung wegen Geldwäsche anstelle einer gesetzesalternativen Verurteilung wegen zweier Katalogtaten gerade nicht.
90
Eine Verurteilung wegen Geldwäsche ist in Fällen der Alternativität von gewerbsmäßig begangenem Diebstahl oder gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB möglich. Ein Sich-Verschaffen des Gegenstands der Geldwäsche setzt nämlich, wenn der Geldwäscher nicht sogar mit dem Vortäter identisch ist, nur voraus, dass er die Verfügungsgewalt über den Gegenstand im Einvernehmen mit dem Vortäter erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – 1 StR 95/09, BGHSt 55, 36, 48 ff.). Auch „Selbstgeldwäsche“ des Vortäters ist strafbar, wobei nur eine Doppelbestrafung wegen der Vortat und wegen der Geldwäschehandlung auszuschließen ist (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB; BT-Drucks. 13/8651 S. 11; 13/6620 S. 7), sofern die Geldwäschehandlung nicht über das Sich-Verschaffen des Gegenstands hinausgeht (§ 261 Abs. 9 Satz 3 StGB nF). Kommen eine Wegnahme des Gegenstands durch einen Angeklagten als gewerbsmäßig handelnder Dieb, ein An-sich-Bringen durch gewerbsmäßige Hehlerei und ein Sich-Verschaffen der Sache von einem gewerbsmäßig handelnden Dieb oder gewerbsmäßigen Hehler in Betracht, ohne dass die Beteiligung an dem Diebstahl oder der gewerbsmäßigen Hehlerei eindeutig festgestellt werden kann, ist der Geldwäschetatbestand im Wege einer Postpendenzfeststellung anzuwenden, wenn seine Voraussetzungen sicher festzustellen sind.
91
Zur Feststellung des Herrührens von Gegenständen aus einer Katalogvortat reicht es nach der Rechtsprechung aus, wenn sich aus den erwiesenen Umständen zumindest in groben Zügen eine Katalogtat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 165; Urteil vom 28. Januar 2003 – 1 StR 393/02, BGHR StGB § 261 Vortat 1; Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 StR 384/15, NStZ 2016, 538 f.). Eine eindeutige Feststellung einer bestimmten Katalogtat ist danach nicht erforderlich. Es muss nur ausgeschlossen werden, dass der Gegenstand vom Angeklagten legal erlangt wurde oder aus einer Nichtkatalogtat herrührt. Täter und Teilnehmer der Vortat müssen dem Geldwäscher nicht bekannt sein, ebenso wenig die Modalitäten der Vortat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 StR 384/15, NStZ 2016, 538 f.).
92
Aus der Möglichkeit aufgrund solcher Tatsachenfeststellungen, die für eine eindeutige Aburteilung wegen Beteiligung an einer Katalogtat nicht ausreichend wären, wegen Geldwäsche zu verurteilen, kann entnommen werden, dass der Geldwäschetatbestand in diesem Bereich nach dem in der Regelung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers eine Schließung von Strafbarkeitslücken bezweckt. Dies hat zur Folge, dass für eine gesetzesalternative Verurteilung wegen verschiedener Katalogtaten aufgrund von Richterrecht kein Raum bleibt.
93
b) Einerseits enthält der Geldwäschetatbestand eine konkurrenzrechtliche Regelung, andererseits wirkt er sich auf die Gestaltung der Entscheidungsmöglichkeiten bei Tatsachenzweifeln aus (vgl. Bernsmann in Festschrift für Amelung, 2009, S. 381 ff.). Der Zweifel daran, dass ein Angeklagter an der Begehung einer bestimmten Katalogtat beteiligt war, die als solche feststeht und Ausgangspunkt für eine nachfolgende oder identische Geldwäschehand- lung ist, wird vom Gesetz aufgefangen, indem es eine eindeutige Verurteilung wegen Geldwäsche ermöglicht.
94
Auch die Bestimmung des § 261 Abs. 5 StGB, wonach hinsichtlich des Herrührens des Gegenstands aus einer Katalogtat nicht nur Vorsatz, sondern auch Leichtfertigkeit als vorsatznahe Schuldform (BGH, Urteil vom 24. Juni 2008 – 5 StR 89/08, NJW 2008, 2516, 2517) unter Strafe gestellt wird, lässt erkennen, dass der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des Straftatbestandes auch Beweisproblemen begegnen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2005 – 1 StR 357/05, BGHSt 50, 347, 356). Diesem gesetzlichen Regelungskonzept darf die Rechtsprechung nicht durch eine abweichende Bestimmung der Reichweite des Zweifelssatzes mit der Folge einer gesetzesalternativen Verurteilung wegen zweier Katalogtaten im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB widersprechen.
95
c) Die Annahme, dass „der Gesetzgeber“ das Richterrecht zur gesetzesalternativen Verurteilung im Jahr 1951 gebilligt und bei späteren Gesetzgebungsakten nicht durch gegenläufige Bemerkungen ausgeschlossen habe, verkennt die Bedeutung der Bemerkungen der Bundesregierung. Der Gesetzgeber der Reichsjustizgesetze hatte die Erörterung der Frage der Zulässigkeit von Wahlfeststellungen der „Wissenschaft“ überlassen, die gegebenenfalls den Bo- den für künftige Gesetzgebung bereiten sollte. An die Rechtsprechung hat er diese Aufgabe damals nicht delegiert. Auch der Bundesgesetzgeber hat nach dem Krieg nicht anders gehandelt.
96
Ein Wille des Gesetzgebers ist nicht dahin gebildet worden, dass gesetzesalternative Verurteilungen demokratisch legitimiert worden seien. Gesetzgeber ist das Parlament. Diesem wurde auch im Jahr 1951 keine Regelung der Möglichkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung vorgeschlagen. Ein parla- mentarisches Gesetzgebungsverfahren wurde insoweit nicht in Gang gesetzt. Die Begründung der mit dem Gesetzgeber nicht identischen Bundesregierung dafür, warum dies nicht geschehen ist, vermag dem Richterrecht für sich genommen keine demokratische Legitimation zu verleihen. Das Schweigen des Gesetzgebers in der Folgezeit kann dann auch nicht dahin gedeutet werden, dass eine Delegitimierung ausgeblieben und das Richterrecht deshalb weiter legitimiert sei. Der „Wille des Gesetzgebers“ ist nur insoweit beachtlich, als er in den in einem parlamentarischen Verfahren geschaffenen Normen zum Ausdruck gekommen ist und durch Gesetzesauslegung, insoweit gegebenenfalls mit Hilfe von Materialien, ermittelt werden kann (vgl. Wischmeyer, JZ 2015, 957 ff.). Bei der Prüfung, ob die Gestattung der gesetzesalternativen Verurteilung mit den Prinzipien vom Vorbehalt und vom Vorrang des Gesetzes vereinbar ist, kann daher nur berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber die Regeln des § 2b RStGB und des § 267b RStPO aufgehoben und später keine funktional vergleichbaren Normen geschaffen hat, ferner, dass er als unliebsam empfundene Lücken innerhalb des fragmentarischen Strafgesetzes durch Schaffung neuer Straftatbestände, wie denjenigen der Geldwäsche (§ 261 StGB), oder durch Ausdehnung bestehender Strafnormen, wie denjenigen der Unterschlagung (§ 246 StGB), partiell geschlossen hat. Hat der Gesetzgeber insoweit aber Regelungen getroffen, kann nicht mehr durch richterrechtliche Konstruktionen dasselbe Ziel auf anderem Wege verfolgt werden.
97
d) § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB führt deshalb nicht dazu, dass eine Verurteilung wegen Geldwäsche hinter einer gesetzesalternativen Verurteilung wegen zweier Katalogtaten zurücktritt. Vielmehr schließt § 261 StGB für seinen Anwendungsbereich die gesetzesalternative Verurteilung wegen zweier Katalogtaten aus.
98
Mit der Neufassung des § 261 Abs. 9 StGB durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai 1998 (BGBl. I S. 845) ist das ursprüngliche Tatbestandsmerkmal der „fremden“ Vortat entfallen. Dadurch sollten Strafbarkeitslücken in Fällen geschlossen werden, in denen eine Ahndung wegen der Vortat aus tatsächlichen Gründen nicht erfolgen kann. Es soll verhindert werden, dass derjenige, der nicht erweislich, aber auch nicht ausschließbar Täter der Vortat war, nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ freizusprechen ist (vgl. NK/Altenhain, StGB, 4. Aufl., § 261 Rn. 20; Herzog/Nestler, Geldwäschegesetz, 2. Aufl., StGB, § 261 Rn. 137). Dadurch wird geregelt, dass bei unklarer Täterschaft hinsichtlich der Katalogtat im Wege einer Postpendenzfeststellung wegen Geldwäsche verurteilt werden kann, wenn deren Voraussetzungen sicher feststellbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2000 – 5 StR 252/00, StV 2000, 680, 681). Eine Beschränkung der Anwendungsmöglichkeiten dieser Regelung auf den Alleintäter der Katalogtat und der Geldwäsche ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen.
99
§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB beinhaltet nicht nur einen persönlichen Strafausschließungsgrund , sondern auch eine Konkurrenzregel, die eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche ausschließt, wenn eine Verurteilung wegen einer Katalogtat möglich ist. Dies setzt jedoch die tatsächliche Strafbarkeit desselben Täters wegen Beteiligung an der Vortat voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 207). Nur zur Vermeidung einer doppelten Bestrafung wegen der Katalogtat und wegen Geldwäsche wurde § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB eingefügt. Eine solche Gefahr der Doppelbestrafung besteht nicht, wenn eine – eindeutige – Verurteilung wegen einer Katalogtat im Hinblick auf Tatsachenzweifel ausscheidet und deshalb eine Postpendenzfeststellung der Geldwäsche ermöglicht wird. Insoweit hat der Geldwäschetatbestand jedenfalls Vorrang vor einer gesetzesalternativen Verurteilung, denn nicht der Gesetzes- text ist – entgegen seinem Wortlaut – nach Maßgabe von richterrechtlichen Strafbarkeitsregeln auszulegen, sondern diese, sofern sie zulässig sind, nach Maßgabe des Gesetzes.
Fischer Krehl Eschelbach
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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2016 - 2 StR 495/12 zitiert 16 §§.

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Ist in

Strafgesetzbuch - StGB | § 259 Hehlerei


(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 260 Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Hehlerei 1. gewerbsmäßig oder2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei verbunden hat,begeht. (2) Der Vers

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2016 - 2 StR 495/12 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2016 - 2 StR 495/12 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2014 - 2 StR 495/12

bei uns veröffentlicht am 28.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 4 9 5 / 1 2 vom 28. Januar 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei hier: Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2010 - 1 StR 95/09

bei uns veröffentlicht am 04.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 95/09 vom 4. Februar 2010 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: nein Veröffentlichung: ja _____________________________ StGB § 261 Abs. 2 Nr. 1 „Sich-Verschaffen“ im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2009 - 1 StR 4/09

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 4/09 vom 18. Februar 2009 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja StGB § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB § 261 Abs. 9 Satz 2 1. Im Rahmen der Strafbarkeit des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB rührt bei der Best

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2003 - 1 StR 393/02

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 393/02 vom 28. Januar 2003 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Januar 2003, an der teilgenommen ha

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2016 - GSSt 1/16

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2016 - 4 StR 384/15

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2014 - 5 ARs 39/14

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2014 - 1 ARs 14/14

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2017 - GSSt 1/17

bei uns veröffentlicht am 08.05.2017

BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StGB §§ 242, 259, 260 Eine gesetzesalternative Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei ist entsprechend den zum Rechtsinstitut der Wahlfes

Referenzen

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Hehlerei

1.
gewerbsmäßig oder
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei verbunden hat,
begeht.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) (weggefallen)

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 9 5 / 1 2
vom
28. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei
hier: Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2014 beschlossen
:
I. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
1. Die richterrechtlich entwickelte Rechtsfigur der ungleichartigen
Wahlfeststellung verstößt gegen Art. 103
Abs. 2 GG.
2. Eine wahldeutige Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen
) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei ist daher
unzulässig.
II. Der Senat fragt bei den übrigen Strafsenaten an, ob sie
der beabsichtigten Entscheidung zustimmen und entgegenstehende
Rechtsprechung aufgeben.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei in neunzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten E. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei in achtzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Gegen die Verurteilung richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachbeschwerde.
2
Bei den Angeklagten wurden im Rahmen von Durchsuchungen jeweils Gegenstände sichergestellt, die nach Überzeugung der Strafkammer entweder von den Angeklagten als Mittäter - möglicherweise neben anderen Tätern - in dem (für die Einzeltaten näher konkretisierten) Tatzeitraum zwischen dem 26. März 2007 und dem 20. Juni 2009 gestohlen worden waren, oder die sie vor Beginn der Durchsuchung am 23. Juni 2009 durch Hehlerei erlangt hatten. Die Strafkammer hat die Angeklagten insoweit wegen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB o d e r gewerbsmäßiger Hehlerei im Sinne der §§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt. Die Voraussetzungen einer sogenannten Postpendenzfeststellung gewerbsmäßiger Hehlerei hat es verneint, weil die Gewahrsamserlangung durch Mittäterschaft bei der Wegnahme der Sachen im Rahmen der Diebstähle nicht ausgeschlossen werden konnte. Weil der Strafrahmen für gewerbsmäßige Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 StGB eine höhere als die in § 243 Abs. 1 StGB angedrohte Mindeststrafe vorsieht , ist die Strafkammer von dem Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgegangen.

II.

3
Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Auch die Ablehnung einer eindeutigen Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei aufgrund einer Postpendenzfeststellung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Deshalb stünde die Verurteilung im Weg der Wahlfeststellung zwischen Diebstahl oder gewerbsmäßiger Hehlerei im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Senat beabsichtigt jedoch, diese Rechtsprechung aufzugeben.
4
Die dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu entnehmende Möglichkeit der Verurteilung eines Angeklagten wegen Diebstahls o d e r ge- werbsmäßiger Hehlerei beruht auf Richterrecht (unten III.). Dies verstößt gegen den aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Grundsatz (unten IV.1.), dass keine Straftat vorliegt (unten IV.2.) und keine Bestrafung erfolgen darf (unten IV.3.), soweit dies nicht auf dem Gesetz beruht.

III.

5
Die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Wahlfeststellung beruht auf Richterrecht, das vom Reichsgericht zuerst für die Alternative von Diebstahl oder Hehlerei entwickelt wurde. Eine gesetzliche Regelung in § 2b RStGB, die eine gesetzesalternative Wahlfeststellung in unbegrenzter Weise vorsah, wurde vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben. Seither fehlt eine Gesetzesbestimmung, die eine gesetzesalternative Wahlfeststellung, unter anderem zwischen (gewerbsmäßigem ) Diebstahl oder gewerbsmäßiger Hehlerei, gestatten könnte.
6
1. Nach der anfänglichen Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde eine alternative Sachverhaltsfeststellung nur dann nicht beanstandet, wenn es sich bei den Alternativen um unterschiedliche Ausführungsarten desselben Delikts handelte (RG, Urteil vom 18. Juni 1920 - II 476/20, RGSt 55, 44). Das im Schuldspruch genannte Delikt musste eindeutig nachgewiesen sein (RG, Urteil vom 29. September 1884 - Rep. 1763/84, RGSt 11, 103, 104). Mit Blick auf den Grundsatz "nullum crimen sine lege" durfte eine Strafe nur ausgesprochen werden , wenn die zugrunde liegende Handlung einen bestimmten Straftatbestand erfüllte (RG, Urteil vom 9. November 1891 - Rep. 2638/91, RGSt 22, 213, 216). Eine Ausnahme hiervon kam nur in Frage, wenn der Straftatbestand selbst verschiedene Umstände als Modalitäten desselben Delikts und dafür auch dieselbe Strafe vorsah (RG, Urteil vom 8. April 1892 - Rep. 822/92, RGSt 23, 47, 48; Urteil vom 1. Februar 1921 - II 899/20, RGSt 55, 228, 229; Urteil vom 19. April 1921 - IV 483/21, RGSt 56, 35 f.; Urteil vom 4. Januar 1923 - II 538/22, RGSt 57, 174 f.).
7
Davon wurde der Fall unterschieden, dass die vom Gericht in Betracht gezogenen Sachverhaltsalternativen unterschiedliche Straftatbestände erfüllten. In diesem Fall war weder eine eindeutige noch eine alternative Verurteilung möglich. Das galt auch dann, wenn alternativ Diebstahl oder Hehlerei in Betracht kamen (RG, Urteil vom 30. April 1919 - III 156/19, RGSt 53, 231, 232).
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2. Von dieser Rechtsprechung rückten die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts durch Beschluss vom 2. Mai 1934 - 1 D 1096/33 (RGSt 68, 257, 259 ff. mit Anm. Oetker GS 106 [1935], 401, 408 ff.) ab, soweit es die Variante von Diebstahl oder Hehlerei betraf. Sie führten aus, der Gesetzgeber habe zwar bewusst davon abgesehen, eine Regelung dieser Frage zu treffen. Die Rechtsprechung sei an den Willen des Gesetzgebers gebunden. Die zu beurteilende Fragestellung führe aus dem Aufgabenkreis der reinen Gesetzesanwendung hinaus. Die Rechtsprechung sei aber dazu berechtigt, zur Ergänzung einer im Verfahrensrecht vorhandenen Gesetzeslücke rechtsschöpferisch tätig zu werden , wobei sie "gleich dem Gesetzgeber arbeiten" müsse (RGSt 68, 257, 259). Die Zulassung einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl oder Hehlerei trage dem allgemeinen Rechtsempfinden Rechnung, weil es der Tat des Hehlers dieselbe sittliche Missbilligung angedeihen lasse, wie derjenigen des Diebes (RGSt 68, 257, 262). Für andere Tatbestandsalternativen wurde eine Wahlfeststellung weiter abgelehnt (RGSt 68, 257, 260 f.).
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3. Durch Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBl. 1935 I, S. 839) wurde eine Regelung über die unbeschränkte Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung als § 2b RStGB eingeführt:
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"Steht fest, dass jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, ist aber eine Tatfeststellung nur wahlweise möglich, so ist der Täter nach dem mildesten Gesetz zu bestrafen."
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Im Tenor des Strafurteils war danach beim Schuldspruch nur das mildeste Gesetz anzuführen (§ 267b Abs. 1 RStPO). Bei der Strafzumessung wurde geprüft, welche Strafe für die alternativ in Frage kommenden Taten jeweils angemessen wäre, worauf die mildeste dieser Strafen verhängt wurde (vgl. RG, Urteil vom 24. September 1935 - 1 D 671/35, RGSt 69, 369, 374).
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§ 2b RStGB wurde durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats für Deutschland Nr. 11 vom 30. Januar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 55) aufgehoben (vgl. dazu Etzel, Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat [1945 - 1948], 1992, S. 83 ff.).
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4. Der Bundesgerichtshof knüpfte ab 1951, wie vor ihm unter anderem schon der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone (OGH BrZ, Urteil vom 20. Juni 1949 – StS 198/49, OGHSt 2, 89, 93), wieder an den Beschluss der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts an. Er führte aus, durch Aufhebung des § 2b RStGB sei die Möglichkeit für Wahlfeststellungen nicht generell unzulässig geworden (BGH, Urteil vom 19. April 1951 - 3 StR 165/51, BGHSt 1, 127, 128; Urteil vom 21. Juni 1951 - 4 StR 26/51, BGHSt 1, 275, 276). Zunächst wurden Wahlfeststellungen, deren Sachverhaltsalternativen dasselbe Strafgesetz erfüllen - sogenannte unechte Wahlfeststellungen - als zulässig angesehen (BGH, Urteil vom 11. August 1955 - 4 StR 289/55), (echte) gesetzesalternative Wahlfeststellungen dagegen aus rechtsstaatlichen Gründen im Allgemeinen nicht. Davon wurden unter Bezugnahme auf den Beschluss des Reichsgerichts wiederum Ausnahmen zugelassen.
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Auch der Große Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen knüpfte an den Beschluss der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts an (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 - GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 392 ff. mit Anm. Dreher MDR 1957, 179 f. und Heinitz JR 1957, 126 ff.). Er betonte, daraus habe sich die Lehre von der Notwendigkeit einer rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der alternativ in Frage kommenden Vorwürfe entwickelt (krit. Zeiler ZStW 72 [1960], 4, 15).
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Die Annahme der Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Wahlfeststellung wegen rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit betraf zunächst erneut nur die Alternative zwischen Diebstahl oder Hehlerei (BGH, Urteil vom 12. September 1951 - 4 StR 533/51, BGHSt 1, 302, 304; Urteil vom 2. Oktober 1951 - 1 StR 353/51, BGHSt 1, 327, 328; Urteil vom 16. April 1953 - 4 StR 377/52, BGHSt 4, 128, 129; Urteil vom 4. Dezember 1958 - 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388; Urteil vom 4. Dezember 1958 - 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388), im Folgenden aber auch weitere Konstellationen, wie etwa die Alternative zwischen Raub oder räuberischer Erpressung (BGH, Urteil vom 12. Januar 1954 - 1 StR 631/53, BGHSt 5, 280, 281), Diebstahl oder Begünstigung (Senat, Urteil vom 21. Oktober 1970 - 2 StR 316/70, BGHSt 23, 360 f.), Betrug oder Hehlerei (BGH, Urteil vom 20. Februar 1974 - 3 StR 1/74, NJW 1974, 804, 805; krit. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 - 4 StR 628/88, NJW 1989, 1867).
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Erweiterungen der richterrechtlichen Zulassung von gesetzesalternativen Verurteilungen haben bei der Möglichkeit mehrerer Sachverhalts- und Tatbestandsvarianten stattgefunden, so bei den Varianten des Diebstahls oder der Unterschlagung oder der Hehlerei (Senat, Urteil vom 26. Juli 1961 - 2 StR 190/61, BGHSt 16, 184, 186 f.), oder bei den Varianten des Diebstahls oder der Hehlerei oder der Beihilfe zum Diebstahl in Tateinheit mit Hehlerei (Senat, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 StR 275/60, BGHSt 15, 63, 64 ff.). Ferner wurde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen, dass Erschwerungsgründe bei einer der Alternativen einer gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht entgegenstehen, wenn die Grundgestaltung rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Tatbestände betrifft (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1957 - 4 StR 73/57, BGHSt 11, 26, 28). In einem solchen Fall muss sich die Verurteilung auf das Vergleichbare beschränken, so etwa bei den Alternativen von schwerem Raub oder Unterschlagung, wobei auf Diebstahl oder Unterschlagung erkannt wird (BGH, Urteil vom 15. Mai 1973 - 4 StR 172/73, BGHSt 25, 182, 183 f. mit Anm. Hruschka NJW 1973, 1804 ff.; anders für Raub oder Hehlerei BGH, Urteil vom 11. November 1966 - 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 153 f.).
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5. Der Bundesgesetzgeber hat darauf hingewiesen, bei der aufgehobenen Regelung des § 2b RStGB habe es sich nicht um typisch nationalsozialistisches Recht gehandelt. Die obersten Gerichte hätten sich wieder der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen. Der Bundesgerichtshof sei zum Teil darüber hinausgegangen. Unter diesen Umständen könne die Frage, wie die Grenzen für die Zulässigkeit von wahlweisen Schuldfeststellungen zu ziehen sind, "der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen" werden (BTDrucks. I/3713 S. 19).

IV.

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1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat insgesamt am Ansatz des Reichsgerichts festgehalten, dessen richterrechtliche Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit von gesetzesalternativen Verurteilungen aber so ausgedehnt, dass von einer grundsätzlichen Anerkennung der Wahlfeststellung gesprochen wird. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Rechtsfigur der echten Wahlfeststellung hat das Regel- und Ausnahmeverhältnis verschoben , jedoch ihren Rechtscharakter als richterrechtliche Ausnahme von den Grundsätzen "nullum crimen sine lege" und "nulla poena sine lege" nicht verändert. Es wurden auch keine neuen Gründe für ihre Legitimation genannt. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht gestellt worden. Auch Richterrecht ist aber an Art. 103 Abs. 2 GG zu messen, soweit es materiellrechtlicher Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1996 - 4 StR 217/96, BGHSt 42, 235, 241). Die Nachprüfung ergibt, dass eine gesetzesalternative Verurteilung, auch in den Fällen der Alternative von Diebstahl oder Hehlerei, mit dem Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht gemäß Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar ist.
19
2. Es handelt sich bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht nur um richterrechtliche Rechtsfortbildung im Bereich des Strafverfahrensrechts, für die Art. 103 Abs. 2 GG nicht gelten würde. Vielmehr wirkt die Rechtsfigur strafbegründend ; sie verletzt daher das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG.
20
a) Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
21
Daraus folgt ein strenger Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht, der die Strafgerichte auf bloße Rechtsanwendung beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1995 - 1 BvR 718/89 u.a., BVerfGE 92, 1, 12) und richterrechtliche Rechtsfortbildung mit strafbegründender Wirkung ausschließt (vgl. Kunig in: von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 103 Rn. 26). Der Gesetzgeber hat durch Festlegung der tatbestandlichen Voraussetzungen zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts verteidigt werden muss. Den Strafgerichten ist es verwehrt, die gesetzgeberischen Entscheidungen in strafausdehnender Weise zu korrigieren (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 43). Dies gilt auch, wenn durch die Gesetzesbindung Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen wie das vom Strafgesetz erfasste Verhalten. Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit folgt ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Ausgeschlossen ist jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer Sanktionsnorm hinausgeht (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1991 - 1 BvR 850/88, BVerfGE 85, 69, 78). Auch dürfen einzelne Tatbestandsmerkmale nicht so ausgelegt werden, dass sie in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen; es besteht ein Verbot der "Entgrenzung" oder "Verschleifung" von Tatbestandsmerkmalen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 127, 170, 198).
22
An diesem Maßstab gemessen ist die gesetzesalternative Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar.
23
b) Art. 103 Abs. 2 GG bezieht sich nur auf die materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Strafandrohung, nicht auf Regeln des Strafverfahrensrechts (vgl. Kudlich in: Kudlich/Montiel/Schuhr [Hrsg.], Gesetzlichkeit und Strafrecht, 2012, S. 233, 239 ff. mwN). Von Befürwortern der gesetzesalternativen Wahlfeststellung wird zu deren Legitimation angenommen, es handele sich um eine prozessuale Gestaltung (vgl. Nüse GA 1953, 33, 38; Wolter GA 2013, 271, 273), weil die alternativ in Frage kommenden Straftatbestände gesetzlich bestimmt seien und die Entscheidung nur von der Anwendung des Zweifelssatzes abhängig sei. Diese Argumentation greift indes zu kurz. Die gesetzesalternative Wahlfeststellung wirkt vielmehr auch im materiellrechtlichen Sinn strafbarkeitsbegründend.
24
aa) Materielles Strafrecht umfasst die Gesamtheit der Rechtsnormen, die bestimmte, für das gesellschaftliche Zusammenleben als schädlich angesehene Handlungen definieren und unter Strafe stellen sowie die Art und Höhe der jeweiligen Strafe bestimmen (BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02, BVerfGE 109, 190, 212). Strafverfahrensrecht betrifft dagegen die verfahrensmäßigen Voraussetzungen der Verfolgung von Straftaten sowie die Art und Weise ihrer Durchführung. Das Strafverfahrensrecht hat im Verurteilungsfall die Findung eines bestimmten Schuldspruchs zum Ziel und entspricht insoweit dem materiellen Strafrecht, das nur scharf voneinander abgegrenzte Straftatbestände kennt (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1966 - 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152). Das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG und der Schuldgrundsatz verlangen, dass der Richter die tatsächlichen Voraussetzungen des Straftatbestands feststellt (vgl. Alwart GA 1992, 545, 561).
25
bb) Die gesetzesalternative Wahlfeststellung ist nicht nur, wie etwa der Zweifelssatz, eine Entscheidungsregel; denn die Rechtsfigur beeinflusst die Entscheidung durch die Vorgabe, dass bei einer exklusiven Sachverhaltsalternativität nicht nur eine bestimmte Verurteilung oder ein Freispruch in Frage kommen, sondern auch eine dritte Entscheidungsvariante. Insoweit steht die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Wahlfeststellung im Spannungsverhältnis zum Zweifelssatz.
26
Wenn die Voraussetzungen der alternativ in Frage kommenden Strafnormen jeweils nicht sämtlich zur Überzeugung des Tatgerichts feststellbar sind, führt die gesetzesalternative Verurteilung, die keinen eindeutigen Schuldspruch anhand des mildesten Gesetzes zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1973 - 4 StR 172/73, BGHSt 25, 182, 186), nicht zur Anwendung einer der in Frage kommenden Strafnormen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1958 - 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 389), sondern zur Aburteilung nur aufgrund eines gemeinsamen Unrechtskerns; denn aus der exklusiven Alternativität von zwei Verdachtsfällen ergibt sich eine die Aburteilung tragende Sachverhaltsgewissheit nur in Bezug auf einen solchen Unrechtskern; sie lassen sich dagegen nicht zu einer einheitlichen Schuldfeststellung verbinden (vgl. Alwart GA 1992, 545, 565). Schließen sich die in Betracht kommenden Tatbestände gegenseitig aus, fehlt in der Wahlfeststellungssituation jeweils der Nachweis eines Tatbestandsmerkmals bei beiden Strafnormen. Die wahldeutige Verurteilung erfolgt nur aufgrund eines "Rumpftatbestands" (vgl. Günther, Verurteilungen im Strafprozess trotz subsumtionsrelevanter Tatsachenzweifel, 1976, S. 262 ff.). Dies läuft auf eine "Entgrenzung" von Tatbeständen oder auf "Verschleifung" zweier Straftatbestände durch alternative Vereinigung der Einzelvoraussetzungen hinaus , die über die Verschleifung von verschiedenen Tatbestandsmerkmalen einer einzigen Strafnorm (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 198) noch weit hinausgeht. Die Verurteilung beruht nämlich praktisch auf einer ungeschriebenen dritten Norm (vgl. Endruweit, Die Wahlfeststellung und die Problematik der Überzeugungsbildung, der Identitätsbestimmung, der Urteilssyllogistik sowie der sozialen und personalen Gleichwertigkeit von Straftaten, 1973, S. 270; Freund in: Festschrift für Wolter , 2013, S. 35, 49; AnwK/Gaede, StGB, § 1 Rn. 51; Köhler, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1997, S. 96; Lobe GS 104 [1934], S. 161, 166; H. Mayer, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1953, S. 417), die - angeblich - übereinstimmende Unrechtselemente der beiden gerade nicht zur Anwendung gelangenden Normen in sich vereinigen soll. Da es an einem gemeinsamen Tatbestandsmerkmal fehlt, wird dies in Gestalt einer - angeblichen - rechtsethischen "Vergleichbarkeit" fiktiv ergänzt (hierzu im Folgenden).
27
Die materiellrechtliche Einordnung der Rechtsfigur der echten Wahlfeststellung wird durch ihre Erweiterung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestätigt. Sie hat das Kriterium der rechtsethischen und psychologi- schen Vergleichbarkeit der in Frage kommenden Straftatbestände als Voraussetzung für die Zulassung einer gesetzesalternativen Aburteilung entwickelt. Dabei handelt es sich zweifelsohne um ein materiell-rechtliches Element (vgl. Montenbruck, Wahlfeststellung und Werttypus in Strafrecht und Strafprozessrecht , 1976, S. 219), anhand dessen über das Vorliegen von Schuld und das Erfordernis von Strafe entschieden wird.
28
Eine rechtsethische Gleichwertigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann gegeben, wenn bei Berücksichtigung aller Umstände, die den Unrechtscharakter der Straftatbestände ausmachen, den möglichen Taten im Rechtsempfinden der Allgemeinheit eine ähnliche sittliche Bewertung zuteil wird; psychologische Gleichwertigkeit liegt nur bei einer einigermaßen gleichgearteten seelischen Beziehung des Täters zu den alternativ in Frage kommenden Verhaltensweisen vor (BGH, Urteil vom 18. September 1984 - 4 StR 483/84, NStZ 1985, 123). Damit füllt das Kriterium die Lücke zwischen den alternativ in Frage kommenden Tatbeständen und erfüllt die Funktion eines Tatbestandsmerkmals der ungeschriebenen dritten Strafnorm.
29
Wäre die gesetzesalternative Wahlfeststellung dagegen nur ein verfahrensrechtliches Institut, so bedürfte es des Abgrenzungskriteriums nicht. Dann wäre jedoch die unbegrenzte Möglichkeit zur gesetzesalternativen Wahlfeststellung eröffnet (dafür etwa Dreher MDR 1957, 179, 180; von Hippel NJW 1963, 1533 ff.; Zeiler ZStW 72 [1960], 4, 20), die durch Aufhebung von § 2b RStGB gerade entfallen ist.
30
Besitzt die Konstruktion der gesetzesalternativen Wahlfeststellung aber einen materiellrechtlichen Regelungsgehalt, so ist ihre Zulässigkeit insgesamt am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen (vgl. NK/Frister, StGB Nach § 2 Rn. 81).
31
c) Das grundrechtsgleiche Recht des Angeklagten aus Art. 103 Abs. 2 GG enthält keine Schranke, die eine richterrechtliche Ausnahme gestatten könnte. Auf Abwägungen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nur eine "Schranken-Schranke" bilden würde, kommt es daher ebenfalls nicht an; denn der Verfassungsgeber selbst hat die Abwägung der gegenläufigen rechtsstaatlichen Gesichtspunkte mit Art. 103 Abs. 2 GG bereits zugunsten eines uneingeschränkten Gesetzesvorbehalts für das Strafrecht getroffen. Daher ist es nicht zulässig, das Gesetzlichkeitsprinzip mit Hinweis auf Gebote materieller Strafgerechtigkeit durch Richterrecht zu beschränken. Die zur Legitimation der gesetzesalternativen Wahlfeststellung angeführten Gründe, die ausschließlich auf einer Abwägung von Gerechtigkeitsüberlegungen und kriminalpolitischen Erwägungen beruhen (vgl. RG, Beschluss vom 2. Mai 1934 - 1 D 1096/33, RGSt 68, 257, 260), halten einer Überprüfung anhand der Verfassungsnorm nicht stand.
32
Der vom Reichsgericht angenommene Missstand im Fall der Nichtfeststellbarkeit von Diebstahl oder Hehlerei als Ursache für den festgestellten Gewahrsam eines Angeklagten an gestohlenen Gegenständen (RG aaO, RGSt 68, 257, 262) ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welche die gesetzesalternative Wahlfeststellung zur "Vermeidung lebensfremder und der Gerechtigkeit widersprechender Ergebnisse" fordert (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1958 - 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388), als tragender Grund für die Rechtsfigur angeführt worden. Soweit sie in der Literatur befürwortet wird, werden ebenfalls nur die Einzelfallgerechtigkeit und kriminalpolitische Bedürfnisse zur Begründung genannt (LK/Dannecker, 12. Aufl., Anh. § 1 Rn. 8; Maurach/Zipf, Strafrecht. Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl., § 10 III Rn. 26; SSW/Satzger, StGB, 2. Aufl., § 1 Rn. 71). Das allgemeine Rechtsempfinden und die bloße Behauptung eines Strafbedürfnisses können aber keine Aufweichung des Gesetzlichkeitsprinzips rechtfertigen.
33
d) Die gesetzesalternative Verurteilung kann sich schließlich nicht auf eine gesetzgeberische Entscheidung außerhalb der alternativ in Frage kommenden Straftatbestände stützen. Daher kann ein bewusstes Offenlassen der Frage durch den Gesetzgeber der Reichsjustizgesetze (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 3, S. 223) und durch den Bundesgesetzgeber (BT-Drucks. I/3713 S. 19) die richterrechtliche Wahlfeststellung nicht legitimieren.
34
Der Gesetzgeber des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes (Strafrechtsbereinigungsgesetz ), hat sich nach einer anfänglichen Regelungsankündigung (Nüse GA 1953, 33, 40) "wohlweislich gehütet", eine dem § 2b RStGB entsprechende Regelung wiedereinzuführen (vgl. Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO, Bd. II, 1957, § 244 Rn. 16). Er hat zwar mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bewusst auch von einer begrenzten Regelung abgesehen (BT-Drucks. I/3713 S. 19). Der Gesetzgeber kann sich indes der Aufgabe, die Voraussetzungen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen, nicht durch Verweis auf mögliches Richterrecht entziehen.
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3. Im Übrigen müssen nach Art. 103 Abs. 2 GG auch die Grundlagen der Strafbemessung eindeutig sein ("nulla poena sine lege"). Dem Gesetz muss nicht nur entnommen werden, wann Strafen einer bestimmten Art zu verhängen sind und welcher Strafrahmen dafür gilt, sondern auch nach welchen Leitgesichtspunkten innerhalb dieses Rahmens die Zumessung der Strafe zu erfolgen hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 164). Zur Herbeiführung einer der Schuld des Täters angemessenen Strafe reicht nicht nur ein quantitativer Strafrahmenvergleich der alternativ in Frage kommenden Normen aus, sondern es muss auch die Qualität der Strafe mit Blick auf eine bestimmte strafbare Handlung und diesbezügliche Schuld bewer- tet werden. Der Strafgrund liegt in der konkret begangenen Tat, die auch deshalb nicht durch gesetzesalternative Verurteilung offen gelassen werden darf.
36
Bleibt für den Strafrichter unklar, welche Unrechtshandlung überhaupt begangen wurde und welche Strafnorm einschlägig ist, so kann seine Strafzumessung aufgrund einer nur per Saldo festgestellten Schuld des Angeklagten nicht im Einklang mit der gesetzlichen Vorwertung erfolgen (vgl. Alwart GA 1992, 545, 562 ff.). Lässt der Strafrichter offen, welcher Straftatbestand anzuwenden ist und greift er nur auf den geringsten Strafrahmen aus den Alternativen zurück, begleiten zwangsläufig Ungenauigkeiten den Strafzumessungsvorgang ; diese sind mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar (vgl. BVerfG aaO, BVerfGE 105, 135, 159 für die Vermögensstrafe). Die Umwertung der Verhaltensnormverletzung in ein Strafquantum gelingt bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht im Einklang mit einem bestimmten Gesetz (vgl. Jakobs GA 1971, 257, 268 f.). Das macht der vorliegende Fall deutlich: Geht es entweder um Einbruchsdiebstähle durch Mittäter mit großem Sachschaden und mit umfangreicher Diebesbeute oder um eine später - auch als andere Tat im prozessualen Sinn - begangene Hehlerei durch Alleintäter in Bezug auf einzelne Beutestücke, so sind die Tatbilder derart verschieden, dass sie bei der Strafbemessung nicht alternativ als Grundlage einer gesetzeskonformen Strafzumessung dienen können. Weder besteht Gleichartigkeit des besonderen Unrechtscharakters der alternativ in Frage kommenden Sachverhalte und Tatbestände (vgl. Zeiler ZStW 72 [1960], 4, 16), noch dieselbe seelische Beziehung des Täters zur Tat (vgl. Dreher MDR 1970, 369; Montenbruck GA 1988, 531, 537; J. Schulz in: Bemmann/Zweihoff [Hrsg.], Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft , 2007, 1, 7).
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4. Die Anfrage des Senats beschränkt sich auf die richterrechtliche Rechtsfigur der gesetzesalternativen Wahlfeststellung. Die oben dargelegten Einwände gelten nicht, wenn unter Beachtung des Art. 103 Abs. 2 GG ein eindeutiger Schuldspruch möglich ist. Fischer Schmitt Eschelbach Ott Zeng

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 A R s 1 4 / 1 4
vom
24. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei
hier: Antwort auf den Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom
28. Januar 2014 – 2 StR 495/12
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2014 gemäß § 132
Abs. 3 GVG beschlossen:
Die gesetzesalternative (ungleichartige) Wahlfeststellung verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG; eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist zulässig.

Gründe:

1
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden: „1. Dierichterrechtlich entwickelte Rechtsfigur der ungleichartigen Wahlfeststellung verstößt gegen Art. 103 Abs. 2 GG. 2. Eine wahldeutige Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei ist daher unzulässig.“
2
Die ständige Rechtsprechung des 1. Strafsenats steht der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats entgegen (vgl. bereits Senat, Urteile vom 2. Oktober 1951 – 1 StR 353/51, BGHSt 1, 327, 328, und vom 12. Januar 1954 – 1StR 631/53, BGHSt 5, 280; zuletzt Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 613/12, NStZ 2014, 42). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest: Bei der gesetzesalternativen (ungleichartigen) Wahlfeststellung handelt es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel, auf die Art. 103 Abs. 2 GG keine Anwendung findet (I.). Selbst wenn dieser Regel ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt, liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor (II.). Dies entspricht im Ergebnis der Ansicht des Gesetzgebers (III.). Das einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen“ Gleichwertigkeit der verschiedenen Straftaten stellt sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz Tatsachenalternativität an einen ausreichend einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen kann (IV.).

I.

3
Bei den Regeln zur gesetzesalternativen (ungleichartigen) Wahlfeststellung handelt es sich um Verfahrensregeln, die nicht Art. 103 Abs. 2 GG unterfallen.
4
1. Eine Verurteilung wegen alternativ verwirklichter Straftatbestände auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vorzunehmen, wenn im Rahmen des angeklagten Geschehens nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten der Sachverhalt nicht in einer solchen Weise aufgeklärt werden kann, dass die Feststellung eines bestimmten Straftatbestandes möglich ist, aber sicher feststeht, dass der Angeklagte einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Tatbeständen verwirklicht hat, und andere Möglichkeiten sicher ausgeschlossen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 613/12, NStZ 2014, 42). Weitere einschränkende Voraussetzung ist, dass die verschiedenen möglichen Straftaten rechtsethisch und psychologisch gleichwertig sind. Rechtsethisch gleichwertig sind die möglichen Taten dann, wenn ihnen im allgemeinen Rechtsempfinden eine gleiche oder doch ähnliche sittliche Bewertung zuteil wird; psychologische Gleichwertigkeit erfordert eine einigermaßen gleichgeartete seelische Beziehung des Täters zu den mehreren in Frage stehenden Verhaltensweisen (vgl. grundlegend BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 15. Oktober 1956 – GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 394; BGH, Urteil vom 11. November 1966 – 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 153). In allen anderen Fällen, in denen ein Sachverhalt nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht eindeutig festgestellt werden kann, ist der Angeklagte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ entweder frei- zusprechen oder – sofern nicht trotz Tatsachenalternativität der Schuldspruch unzweifelhaft ist – zu seinen Gunsten nach dem milderen Gesetz mit eindeutigem Schuldspruch zu verurteilen (hierzu im Einzelnen umfassend Sander, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 261 Rn. 125 ff. mwN). Hierdurch wird insgesamt ausgeschlossen, dass zum Nachteil des Angeklagten ein Schuldumfang zugrunde liegt, durch den der Angeklagte beschwert wird.
5
2. Strukturell handelt es sich bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung damit um eine besondere Entscheidungsregel bei Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts. Diese Entscheidungsregel bestimmt nicht darüber, was strafbar ist, sondern legt lediglich fest, in welcher Weise das Gericht in einer bestimmten prozessualen Situation prozessual zu reagieren hat. Das einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit“ ist hierfür nicht konstitutiv, sondern legt dieser Entscheidungsregel Schranken auf, damit für die Rechtsfolgenentscheidung an einen einheitlichen Unrechts- und Schuldkern angeknüpft werden kann. Die gesetzesalternative Wahlfeststellung gehört deshalb dem Verfahrensrecht an (so bereits ausdrücklich die Grundsatzentscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts, Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33, RGSt 68, 257, 262).
6
3. Weil es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel handelt, die sich auf gesetzlich festgelegte Straftatbestände stützt, wird die gesetzesalternative Wahlfeststellung nicht vom Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG erfasst (vgl. Sander, aaO, § 261 Rn. 145 m. Fn. 1024; Stuckenberg, in: KMRStPO , Loseblatt, 68. EL, § 261 Rn. 106; Wolter, GA 2013, 271, 274 ff.).

II.

7
Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG auch deshalb nicht vor, weil die Strafbarkeit in Fällen gesetzesalternativer Wahlfeststellung durch den Gesetzgeber bestimmt und für den Normunterworfenen vorhersehbar ist.
8
1. Art. 103 Abs. 2 GG dient dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Jeder soll vorhersehen können, welches Verhalten mit einer Sanktion bedroht ist. Zudem soll der Gesetzgeber über die Erfüllung des Tatbestandes entscheiden und diese Entscheidung über die Sanktionierung eines Verhaltens nicht der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt überlassen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 2014 – 2 BvR 299/13, NJW 2014, 1431, 1432). Der Gesetzgeber und nicht der Richter ist zur Entscheidung über die Strafbarkeit berufen. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren. Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt anerkanntermaßen ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist „Analogie“ nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105/09 und 491/09, BVerfGE 126, 170, 194 f. mwN).
9
2. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die gesetzesalternative Wahlfeststellung gerecht.
10
a) Die Strafbarkeit des abgeurteilten Verhaltens ist durch die Strafnormen des Strafgesetzbuchs vorgegeben. Der Angeklagte wird bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht etwa nach einer nicht existierenden, von der Rechtsprechung „erfundenen“ Strafnorm verurteilt, sondern aus einem vom Gesetzgeber ausdrücklich bestimmten Straftatbestand. Die Strafbarkeit des Verhaltens legt dabei allein der Gesetzgeber fest, nicht der Richter. Nur wenn dem Angeklagten ein vom Gesetzgeber ausdrücklich als strafbar angesehenes Verhalten nachgewiesen werden kann, darf er verurteilt werden. Die gesetzesalternative Wahlfeststellung besagt lediglich, dass in Fällen sicherer Strafbarkeit , aber unsicheren Tatsachenverlaufs eine bestimmte Form der Entscheidung zu wählen ist, und zwar einschränkend nur dann, wenn die sicher anzunehmende Strafbarkeit im Kern einen vergleichbaren Schuldvorwurf begründet.
11
b) Für den Normadressaten ist in den Fällen der gesetzesalternativen Wahlfeststellung jederzeit vorhersehbar, welches Verhalten strafbar ist und welches nicht. Eine Ausdehnung der strafbewehrten Verhaltensanforderungen geht mit der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht einher. In dem vom 2. Strafsenat zu entscheidenden Fall konnten die Angeklagten etwa unschwer erkennen, dass sowohl der Diebstahl als auch die Hehlerei strafbar sind, und ihr Verhalten entsprechend einrichten.

III.

12
Diese Auffassung entspricht im Ergebnis der Einschätzung des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Überlegungen zum 3. Strafrechtsänderungsgesetz ausdrücklich die Frage gestellt, ob er die gesetzesalternative Wahlfeststellung gesetzlich regeln soll oder nicht. In den Gesetzesmaterialien , die der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages zugrunde lagen (vgl. Plenarprotokolle vom 30. Oktober 1952, S. 10869, vom 12. Mai 1953, S. 12992 ff., vom 11. Juni 1953, S. 13310 und vom 3. Juli 1953, S. 14072 f.), heißt es dazu (BT-Drucks. I/3713 S. 19): „Mit der Bereinigung des Strafgesetzbuches soll gleichzeitig zum Aus- druck kommen, daß, soweit der Entwurf nicht eingreift, Änderungen des Strafgesetzbuchs durch die Gesetzgebung der nationalsozialistischen Zeit und der Besatzungsmächte, die von den bisherigen Strafrechtsänderungsgesetzen nicht angetastet wurden, vorbehaltlich einer eigentlichen Reform vom Gesetzgeber anerkannt werden. Das bedeutet nicht immer, daß Vorschriften, die durch die Besatzungsmächte aufgehoben wurden, nationalsozialistischen Charakter trugen. Insbesondere enthielt der aufgehobene § 2 b (Wahlweise Verurteilung) kein nationalsozialistisches Gedankengut. Wenn der Entwurf davon absieht, die Vorschrift zu erneuern, so geschieht das aus folgenden Erwägungen: In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist erneut anerkannt worden, daß wahlweise Schuldfeststellungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Die obersten Gerichte haben sich daher im wesentlichen der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen, wie sie vor der Einfügung des § 2 b in der Plenarentscheidung vom 2. Mai 1934 (RGSt 68, 257) ihren Niederschlag gefunden hatte. Zum Teil ist der Bundesgerichtshof bereits darüber hinausgegangen. Unter diesen Umständen wird die Frage, wie die Grenzen für die Zulässigkeit von wahlweisen Schuldfeststellungen zu ziehen sind, auch in Zukunft der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen wer- den können.“
13
Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wahlfeststellung billigt und keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht, also auch keinen möglichen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip. Dass sich an dieser Einschätzung des Gesetzgebers etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich.

IV.

14
Das von der Rechtsprechung entwickelte einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen“ Gleichwertigkeit der verschiedenen Straftaten stellt sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz Tatsachenalternativität an einen ausreichend einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen kann.
15
Schon in der Grundsatzentscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts (Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33, RGSt 68, 257, 260) zur gesetzesalternativen Wahlfeststellung bei Diebstahl und Hehlerei wurde hervorgehoben, dass die „Sicherheit der Urteilsfindung“ und die „Gerechtigkeit der Urteilswirkung“ eine Einschränkung der Wahlfeststellung erforderlich ma- chen. Der Bundesgerichtshof hat in späteren Entscheidungen darauf abgestellt, dass der Täter jeweils entweder dasselbe Rechtsgut oder doch, wie im Verhältnis von Diebstahl oder Unterschlagung zur Hehlerei, in ihrem Wesen ähnliche Rechtsgüter verletzt haben muss und die in Frage stehenden mehreren Verhaltensweisen die gleiche sittliche Missbilligung verdienen müssen, weil die innere Beziehung des Täters zu ihnen im Wesentlichen gleichartig ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1966 – 4 StR 387/66, BGHSt 21, 152, 154).
16
Diese Einschränkungen stellen sicher, dass der Richter für seine Rechtsfolgenentscheidung an einen gleichartigen Unrechts- und Schuldkern anknüpfen kann. Erschwerende Umstände, die nur bei einer der alternativ in Betracht kommenden Verhaltensweisen in Frage kämen, dürfen dem Angeklagten nach dem Zweifelssatz ohnehin nicht zugerechnet werden; es ist jeweils von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen (vgl. Sander, aaO, § 261 Rn. 160 ff.). Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG ist deshalb insoweit nicht zu besorgen.
17
Sofern der 2. Strafsenat im vorliegenden Fall die konkreten Tatbilder als derart verschieden ansieht, dass eine rechtsfehlerfreie Strafzumessung mangels Gleichartigkeit der alternativen Sachverhalte und mangels derselben seelischen Beziehung zur Tat ausscheiden soll (Rn. 36), wird nicht klar, ob insoweit den Grundsätzen des Zweifelssatzes hinreichend Rechnung getragen wurde oder der 2. Strafsenat sogar weitergehend den von der Rechtsprechung definierten Anwendungsbereich der Wahlfeststellung als nicht eröffnet ansieht. Raum Rothfuß Graf Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 ARs39/14
vom
16. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 28. Januar 2014
– 2 StR 495/12 –
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16.Juli 2014 beschlossen:
Auf den Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12 – erklärt der Senat, dass er an seiner Rechtsprechung zur ungleichartigen Wahlfeststellung festhält.

Gründe:

1
Die vom Gesetzgeber bewusst der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassene (vgl. BT-Drucks. I/3713 S. 19) höchstrichterlich entwickelte Rechtsfigur der ungleichartigen (gesetzesalternativen) Wahlfeststellung verstößt nach Ansicht des Senats nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG; er sieht im Anfrageverfahren nach § 132 GVG daher keinen Grund zur Änderung seiner Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 5 StR 377/12).
2
1. Der Grundsatz nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG) wird nicht berührt oder gar verletzt. Durch die ungleichartige Wahlfeststellung werden weder gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen abgeschwächt, noch wird ein neuer Tatbestand konstruiert. Auch auf wahldeutiger Grundlage erfolgt die Verurteilung nur nach den bei der Begehung der Tat bestehenden Straftatbeständen , den in ihnen enthaltenen Merkmalen und Strafandrohungen (vgl. Nüse, GA 1953, 33, 38).
3
2. Die ungleichartige Wahlfeststellung ist eine prozessuale Entscheidungsregel (vgl. KMR/Stuckenberg, 68. EL, § 261 StPO Rn. 106 und 149; Wolter , GA 2013, 271, 273). Sie wurde ursprünglich von den Vereinigten Strafsena- ten des Reichsgerichts für die Verurteilung von Diebstahl oder Hehlerei entwickelt , wobei diese nach zutreffender eigener Einschätzung ausschließlich in das Verfahrensrecht rechtsschöpferisch eingegriffen haben (vgl. RG – Vereinigte Strafsenate – , Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33, RGSt 68, 257, 262).
4
Sie stellt ihrerseits eine Ausnahme von der Entscheidungsregel „in dubio pro reo“ dar (vgl. dazu BVerfG – Kammer, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 2 BvR 496/07, NStZ-RR 2007, 381, 382, und vom 26. August 2008 – 2 BvR 553/08) und gelangt erst dann zur Anwendung, wenn nachdieser kei- ne eindeutige Tatsachengrundlage zustande kommt, insbesondere keine eindeutige Verurteilung nach einem sachlogischen (vgl. LR/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 129; LK/Dannecker, 12. Aufl., Anh. § 1 Rn. 58, 72 f.) oder aber einem normativ-ethischen Stufenverhältnis (vgl. LK/Dannecker, aaO Rn. 60, 91 f.; LR/Sander, aaO, Rn. 133; BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – 5 StR 464/09, BGHSt 55, 148, 150 f.; kritisch: KMR/Stuckenberg, aaO, Rn. 116) der Geschehensabläufe erfolgen kann. Ein Freispruch aufgrund doppelter Anwendung des Zweifelssatzes nach je unterschiedlicher Blickrichtung wäre in Fällen, in denen ein strafloses Verhalten des Angeklagten sicher ausscheidet („tertium non datur“ ), schlechthin unvereinbar mit unverzichtbaren Geboten der Gerechtigkeit, wonach eine am Gleichheitssatz orientierte, dem Rechtsgüterschutz verpflichtete Ausgestaltung eines effektiven Strafverfahrens zu gewährleisten ist.
5
Der Senat gibt bei dieser Gelegenheit zu erwägen, ob in Fällen der Gesetzesalternativität nicht schon allein die Anwendung des Zweifelssatzes eine eindeutige Verurteilung nach dem im Einzelfall mildesten Gesetz (vgl. dazu RGSt 69, 369, 373) – hier Verurteilung wegen Diebstahls, nicht aber wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei – ermöglichen und so eine Belastung des Angeklagten mit einem alternativen Schuldspruch vermeiden würde (so schon Dreher, MDR 1970, 369, 371; vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – 5 StR464/09 aaO S. 152). Hier wäre naheliegend auch die Konkurrenzfrage mit zu bedenken, die sich gerade im Vorlagefall stellen kann.
6
3. Die ungleichartige Wahlfeststellung zieht keine Ungenauigkeiten bei der Strafzumessung nach sich. Dass die Strafe dem mildesten Gesetz zu ent- nehmen ist, führt nicht nur zu einem „quantitativen Strafrahmenvergleich“. Denn welches Gesetz das mildeste ist, wird nicht abstrakt nach der gesetzlichen Strafandrohung entschieden. Anzuwenden ist vielmehr das Gesetz, das nach der Lage des konkreten Falls die mildeste Bestrafung zulässt, wobei zu prüfen ist, auf welche Strafe zu erkennen wäre, wenn die eine oder andere strafbare Handlung eindeutig feststünde (vgl. RGSt 69, 369, 373 f.; 70, 281; BGH, Urteile vom 29. Oktober 1958 – 2 StR 375/58, BGHSt 13, 70, 72, und vom 15. Mai 1973 – 4 StR 172/73, BGHSt 25, 182, 186; LR/Sander, aaO, Rn. 165 mwN; LK/Dannecker, aaO, Rn. 160; SK/Wolter, StGB, 8. Aufl., Anh. zu § 55 Rn. 46). Dazu gehört es auch, die alternativen Tatbilder im Hinblick auf die Person des Angeklagten zu beurteilen (vgl. RGSt 69, 369, 374). Unmögliches oder Unzumutbares wird hierbei vom Tatgericht nicht verlangt.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

24
Dabei kann offen bleiben, ob dieses Ergebnis bereits daraus folgt, dass ein entsprechendes Verfahren vor dem ersten Vorlagebeschluss des 2. Strafsenats durchgeführt worden war. Denn jedenfalls sind die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG gegeben. In den dort geregelten Fällen ist die Durchführung eines Anfrageverfahrens nicht erforderlich; dies gilt selbst dann, wenn gleichzeitig eine Divergenzvorlage in Betracht käme (BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 - GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 365 f.; vom 23. August 2007 - 3 StR 50/07, NJW 2007, 3294, 3298. Im Ergebnis ebenso BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 128; vom 13. Januar 1987 - 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 256, 258 zu § 42 IRG; KK-Hannich, StPO, 7. Aufl., § 132 GVG Rn. 16; aA LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 132 GVG Rn. 39; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 132 GVG Rn. 16; SK-StPO/ Frister, 4. Aufl., § 132 GVG Rn. 27; Radtke/Hohmann/Rappert, StPO, § 132 GVG Rn. 19; Ignor/Bertheau, NJW 2008, 2209, 2211). Die vorgelegte Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung; denn sie betrifft - auch in der durch den Großen Senat für Strafsachen präzisierten Fassung - eine in Strafverfahren häufig gegebene Fallgestaltung. Die Entscheidung über sie ist deshalb richtungsweisend für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle und somit für die Rechtsanwendung von zukunftsweisender Bedeutung. Sie ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da zu vermeiden ist, dass in einer derart praxisrelevanten Verfahrensfrage zukünftig unterschiedliche Entscheidungen ergehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Gründe

A.

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferung. Sie beschäftigt in ihrer Produktionsstätte in Schleswig-Holstein über 1.200 Arbeitnehmer. Mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens schloss sie am 18. Februar 2003 für den Zeitraum vom 19. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Der Kläger wurde als Aushilfe in der Produktion von Bremsbelägen eingesetzt. Insgesamt wurden zu diesem Zeitpunkt von der Beschwerdeführerin 56 befristete Arbeitsverträge mit zuvor arbeitslosen Personen abgeschlossen, um Produktionsspitzen abzudecken. Von diesen 56 neuen Mitarbeitern hatten 13 Arbeitnehmer - unter ihnen der Kläger des Ausgangsverfahrens - das 52. Lebensjahr bereits vollendet. Die zusätzlichen Arbeitnehmer wurden nach den Angaben der Beschwerdeführerin bewusst auf der Grundlage des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) eingestellt, um Rechtssicherheit vor Entfristungsklagen zu erlangen. Solche Entfristungsklagen seien in der Vergangenheit gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden und hätten im Erfolgsfall zu Verwerfungen bei der Personalplanung geführt.

2

Der Kläger machte gegenüber der Beschwerdeführerin kurze Zeit später die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrags geltend. Er berief sich auf die Unvereinbarkeit der Befristung auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl Nr. L 175/43) sowie der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl Nr. L 303/16). Das Arbeitsgericht Lübeck wies seine Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung mit Urteil vom 11. März 2004 ab. Der Kläger könne sich nicht auf eine unmittelbare Wirkung der Richtlinien im Verhältnis unter Privaten berufen. Die Berufung des Klägers wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 22. Juni 2004 zurück. Neben dem Hinweis auf die Nichtanwendbarkeit von Richtlinien in privatrechtlichen Verhältnissen verwies das Landesarbeitsgericht zusätzlich auf die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit und Unbedingtheit der Richtlinien. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Revision an das Bundesarbeitsgericht. Die Revision hatte in der Sache Erfolg.

II.

3

1. § 14 TzBfG lautete in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1966) auszugsweise:

4

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. […]

5

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; […] Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. […]

6

(3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt.

7

(4) […]

8

Der Gesetzgeber erweiterte den personellen Anwendungsbereich des § 14 TzBfG im Dezember 2002 (Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I S. 4607). Für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 wurde die Altersgrenze einer sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit vom vollendeten 58. auf das vollendete 52. Lebensjahr abgesenkt. Zu diesem Zweck wurde ein vierter Satz in § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt:

9

Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt.

10

Mit dieser Änderung, die Bestandteil der Arbeitsmarktreformen war, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die statistisch deutlich erhöhte Arbeitslosigkeit unter älteren Menschen durch niedrigere Barrieren für deren Wiedereintritt in das Berufsleben zu verringern. Die über 50-Jährigen seien nicht nur länger arbeitslos als andere Altersgruppen, sondern sie stellten auch einen deutlich größeren Anteil der Langzeitarbeitslosen. Der Gesetzgeber verwies darauf, dass die geringe Einstellungsbereitschaft der Arbeitgeber im Wesentlichen auf eine "psychologische Einstellungsbarriere" zurückzuführen sei, die ihre Ursache in der unzutreffenden Überzeugung habe, ältere Arbeitnehmer könnten bei einem späteren Personalabbau nicht mehr entlassen werden (BTDrucks 15/25, S. 40). Da die Erfahrung gezeigt habe, dass die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen die Einstellungsbereitschaft anhebe und die befristeten Arbeitsverhältnisse im Durchschnitt etwa zur Hälfte in unbefristete Beschäftigungen einmündeten, sei § 14 Abs. 3 TzBfG entsprechend zu erweitern.

11

Der Gesetzgeber hielt die mit dieser Regelung verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitssuchender mit Blick auf das beschäftigungspolitische Ziel, die Chancen älterer Menschen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern, für gerechtfertigt. Dies entspreche auch einem wichtigen Ziel der europäischen Beschäftigungspolitik (BTDrucks 15/25, S. 40). Deutschland sei mit Beschluss 2001/63/EG des Rates vom 19. Januar 2001 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (ABl Nr. L 22/18) ausdrücklich aufgefordert worden, Hindernisse und negative Faktoren für die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitsloser zu verbessern.

12

2. a) Art. 19 Abs. 1 AEUV (ehemals Art. 13 Abs. 1 EGV) ermächtigt den Rat, im Zuständigkeitsbereich der Union Regelungen unter anderem gegen altersbezogene Diskriminierungen zu erlassen. Ein unmittelbar wirkendes Diskriminierungsverbot enthält die Bestimmung nicht (vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 17; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 13 EGV Rn. 1). Art. 19 Abs. 1 AEUV lautet:

13

Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge kann der Rat im Rahmen der durch die Verträge auf die Union übertragenen Zuständigkeiten gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

14

Demgegenüber enthält Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta - GRCh) ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters, dem unmittelbare Wirkung zukommt. Die Vorschrift lautet in der überarbeiteten Fassung vom 12. Dezember 2007 (ABl Nr. C 303/1; BGBl 2008 II S. 1165):

15

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

16

(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

17

Die Grundrechtecharta war in dem entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht rechtsverbindlich. Sie wurde den Verträgen erst mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007 (Vertrag von Lissabon - ABl Nr. C 306/10; BGBl 2008 II S. 1038) rechtlich gleichgestellt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EUV).

18

b) Mit der Richtlinie 1999/70/EG soll die zwischen europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden getroffene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführt werden (Art. 1 der Richtlinie 1999/70/EG). Der Vereinbarung zufolge, die als Anhang Bestandteil der Richtlinie ist, gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer der Grundsatz der Nichtdiskriminierung; der Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ist zu vermeiden (vgl. im Einzelnen §§ 4, 5 des Anhangs der Richtlinie 1999/70/EG). Das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde vom deutschen Gesetzgeber im Jahr 2000 erlassen, um diese Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.

19

Die Richtlinie 2000/78/EG soll unter anderem Diskriminierungen aufgrund des Alters verhindern. Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legt den Zweck des Rechtsaktes dahingehend fest, dass ein allgemeiner Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, unter anderem wegen des Alters, zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten geschaffen werden soll. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird als Verbot bestimmter unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierungen definiert (Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich insbesondere auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in einem Mitgliedstaat, unabhängig von der Existenz eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (Art. 3 der Richtlinie 2000/78/EG). Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht ferner vor, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt sein kann. Die Vorschrift lautet:

20

Artikel 6 - Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters

21

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

22

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

23

a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

24

b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

25

c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

26

[…]

27

Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie lief am 2. Dezember 2003 ab (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Mitgliedstaaten konnten im Hinblick auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters eine Zusatzfrist von drei Jahren bis zum 2. Dezember 2006 in Anspruch nehmen (Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Europäische Kommission war von der Inanspruchnahme dieser verlängerten Umsetzungsfrist in Kenntnis zu setzen. Ihr war zudem während dieses Zeitraums jährlich Bericht über die ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten, zu erstatten. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Zusatzfrist in Anspruch genommen. Die verlängerte Umsetzungsfrist endete am 2. Dezember 2006.

28

3. a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) stellte in seinem Urteil vom 22. November 2005 in der Rechtssache Mangold (Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981) fest, dass Gemeinschaftsrecht und insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung wie der des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG entgegenstünden. Es obliege dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lasse, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen sei.

29

Zur Begründung führte der Gerichtshof unter anderem aus, dass eine derartige Regelung zwar das legitime Ziel verfolge, ältere Arbeitnehmer wieder in das Berufsleben einzugliedern. Sie gehe aber über das erforderliche und angemessene Maß hinaus, weil sie allein auf das Alterskriterium abstelle und andere Umstände wie die Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und die persönliche Situation des Betroffenen unberücksichtigt lasse.

30

Einem Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG stehe nicht entgegen, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei. Erstens dürfe ein Mitgliedstaat schon während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet seien, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus von der Möglichkeit einer dreijährigen Fristverlängerung nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht. Diese Vorschrift impliziere durch Berichtspflichten an die Kommission, dass ein Mitgliedstaat in diesem Zeitraum schrittweise konkrete Maßnahmen ergreife, um seine Rechtsordnung dem Richtlinienziel anzunähern. Dieser Verpflichtung würde jegliche praktische Wirksamkeit genommen, wenn dem Mitgliedstaat gestattet wäre, während der Umsetzungsfrist Maßnahmen zu erlassen, die mit deren Zielen unvereinbar seien. Zweitens sei das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen. Der Gerichtshof begründete die Existenz dieses neuen Grundsatzes mit dem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG, die ihrerseits auf verschiedene völkerrechtliche Verträge und die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten verwiesen.

31

Die vorliegende nationale Regelung falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, weil § 14 Abs. 3 TzBfG als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG ergangen und im Jahre 2002 um § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ergänzt worden sei.

32

b) Nach Eingang der Verfassungsbeschwerde wurde die Frage, ob das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters einer nationalen Vorschrift entgegensteht, in den Rechtssachen Palacios (Urteil vom 16. Oktober 2007, Rs. C-411/05, Slg. 2007, S. I-8531), Bartsch (Urteil vom 23. September 2008, Rs. C-427/06, Slg. 2008, S. I-7245) und Kücükdeveci (Urteil vom 19. Januar 2010, Rs. C-555/07, NJW 2010, S. 427) erneut vor dem Gerichtshof aufgeworfen. In der Kücükdeveci-Entscheidung bestätigte der Gerichtshof die Mangold-Entscheidung im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der jede Diskriminierung aufgrund des Alters verbiete, und wies zur Begründung auf Art. 21 Abs. 1 GRCh hin.

III.

33

Das Bundesarbeitsgericht stellte mit dem angegriffenen Urteil vom 26. April 2006 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31. März 2004 durch Befristung geendet habe. Es begründete dies unter anderem mit dem Argument, die Beschwerdeführerin könne sich zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG berufen. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vor. Die Vorschrift sei aber mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und dürfe daher von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden. Dies folge aus der Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs.

34

Der Senat sei an den Ausspruch der Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG durch den Gerichtshof gebunden, den dieser mit einem Verstoß gegen das Ziel der Richtlinie 2000/78/EG und mit einem Verstoß gegen das auf allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts beruhende Verbot der Altersdiskriminierung doppelt begründet habe. Die Entscheidung des Gerichtshofs beruhe auf der Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen eines Vorlageverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 Buchstabe a EGV (jetzt Art. 267 Abs. 1 Buchstabe a AEUV) und halte sich im Rahmen der dem Gerichtshof nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG übertragenen Zuständigkeiten.

35

Der vom Gerichtshof festgestellte Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der einer Diskriminierung wegen der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Merkmale entgegenstehe, sei als Unterfall des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit und Nichtdiskriminierung anzusehen, der zu den Gemeinschaftsgrundrechten gehöre. Dieser Grundsatz, auf den sich auch eine Privatperson vor einem nationalen Gericht berufen könne, begrenze den nationalen Gesetzgeber bei der Normsetzung, soweit dessen Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, da es der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diene. Zwar möge es zutreffen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung bisher weder in verbindlich geltenden völkerrechtlichen Verträgen noch in einer nennenswerten Anzahl von Verfassungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich genannt sei. Dennoch sei eine Herleitung aus offen formulierten Tatbeständen und im Wege partieller Rechtsfortbildung nicht ausgeschlossen.

36

Auch soweit der Gerichtshof die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus der Richtlinie 2000/78/EG herleite, habe er seine Kompetenzen nicht überschritten. Die Begründung des Gerichtshofs sei dahingehend zu verstehen, dass ein während der Umsetzungsfrist einer Richtlinie erlassenes nationales Gesetz unanwendbar sei, wenn sein Inhalt im Widerspruch zu dem Richtlinienziel stehe und keine gemeinschaftskonforme Auslegung möglich sei. Rechtsgrundlage für diese Annahme von Vorwirkungen bilde der Grundsatz der Vertragstreue der Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 und Art. 249 Abs. 3 EGV (jetzt Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV und Art. 288 Abs. 3 AEUV).

37

Die Entscheidung sei jedenfalls im Ergebnis unmissverständlich; es bedürfe deshalb keiner erneuten Vorlage an den Gerichtshof zur Unvereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit Gemeinschaftsrecht.

38

Das Bundesarbeitsgericht lehnte es ferner ab, § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vertrauensschutzes auf eine vor dem 22. November 2005 getroffene Befristungsabrede anzuwenden. Zur zeitlichen Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen Primärrecht der Gemeinschaft verstoßenden nationalen Norm sei allein der Gerichtshof zuständig. Eine solche Begrenzung sei in der Mangold-Entscheidung jedoch nicht enthalten. Der Senat sah sich auch nicht verpflichtet, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen, weil die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine derartige zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht vorlägen. Selbst wenn der Senat nach einem Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs befugt wäre, Vertrauensschutz nach nationalem Verfassungsrecht zu gewähren und damit dessen zeitliche Wirkung einzuschränken, bestehe kein Vertrauensschutz zugunsten der Beschwerdeführerin. Denn bis zum Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Kläger habe es keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Zulässigkeit einer allein auf das Lebensalter gestützten sachgrundlosen Befristung gegeben; darüber hinaus sei diese im arbeitsrechtlichen Schrifttum umstritten gewesen.

IV.

39

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 (1.) und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (2.).

40

1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln geltend. Eine Verletzung ergebe sich zunächst daraus, dass das Bundesarbeitsgericht die angegriffene Entscheidung zur Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG maßgeblich auf die Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs gestützt habe. Wenn diese Entscheidung so zu verstehen sei, wie sie das Bundesarbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil verstanden und angewandt habe, liege eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs vor. Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstelle, dass der Gerichtshof sich auf einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts stütze, sei schon zweifelhaft, ob die Benennung und Anwendung eines Verbots der Altersdiskriminierung nicht in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang mit den Ausführungen zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stehe. Darüber hinaus besitze der Gerichtshof keine Kompetenz zur Prüfung einer innerstaatlichen arbeitsrechtlichen Gesetzgebung bezüglich der Rechtsbeziehung zwischen Privaten. Die Verabschiedung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG sei nicht als Durchführung von Gemeinschaftsrecht zu qualifizieren. Ferner betreibe der Gerichtshof durch die Postulierung eines unmittelbar anwendbaren allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung unzulässige Rechtsfortbildung. Außerdem führe die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 2000/78/EG zu einer von den Verträgen nicht gedeckten Vor- und Drittwirkung von Richtlinien.

41

Eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt nach Ansicht der Beschwerdeführerin des Weiteren daraus, dass das Bundesarbeitsgericht keinen hinreichenden verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz gewährt und die Revision zurückgewiesen habe. Auch nach Gemeinschaftsrecht sei dem Bundesarbeitsgericht nicht versagt gewesen, Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, da Fragen des Vertrauensschutzes im Mangold-Verfahren weder aufgeworfen noch entschieden worden seien. Der Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold könne insoweit nicht als absolut und unbedingt geltend verstanden werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht angenommen, habe die Beschwerdeführerin sich darauf verlassen dürfen, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nicht an der noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG gemessen werde.

42

2. Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor, dass sie auch in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei. Das Bundesarbeitsgericht habe seine nach Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt 267 Abs. 3 AEUV) bestehende Vorlagepflicht willkürlich verletzt, weil es den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten habe. Unterstelle man eine Bindung des Bundesarbeitsgerichts an die Mangold-Entscheidung, hätte das Bundesarbeitsgericht dem Gerichtshof die Frage vorlegen müssen, ob auch Vertragsverhältnisse erfasst seien, die vor der Mangold-Entscheidung abgeschlossen wurden, oder ob nicht Grundsätze des gemeinschaftsrechtlichen oder des nationalen Vertrauensschutzes eine zeitliche Einschränkung geböten. Dass der Gerichtshof eine zeitliche Begrenzung seiner Entscheidungswirkungen nur im Ausnahmefall ausspreche, beziehe sich lediglich auf die finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten, nicht aber auf die vorliegende Fallgestaltung. Die fehlende zeitliche Begrenzung in der Mangold-Entscheidung selbst sei darauf zurückzuführen, dass dort keinerlei Veranlassung zu einer zeitlichen Begrenzung bestanden habe.

V.

43

Der Zweite und der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts sowie der Zweite und der Sechste Senat des Bundessozialgerichts haben Stellung genommen.

B.

44

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

45

Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung des Grundgesetzes besteht gegenüber allen Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt, grundsätzlich auch solchen, die die innerstaatliche Geltung von Gemeinschafts- und Unionsrecht begründen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 123, 267 <329>), Gemeinschafts- und Unionsrecht umsetzen (vgl. BVerfGE 113, 273 <292>; 118, 79 <94>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, NJW 2010, S. 833 <835>) oder vollziehen. Ob und inwieweit die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit solcher Maßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht beschränkt ist, ist eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde, soweit wie hier diesbezüglich offene Fragen zu klären sind.

II.

46

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt den Anforderungen der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG. Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin erscheint es insbesondere möglich, dass das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Beschwerdeführerin in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es zum einen auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht, die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland nicht anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 89, 155 <188>; 123, 267 <353 f.>), und weil es zum anderen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz nicht gewährt.

47

Die Beschwerdeführerin legt ausreichend dar, warum der Gerichtshof mit der Entscheidung in der Rechtssache Mangold die Grenzen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts überschritten und das Gemeinschaftsrecht in einer Weise fortgebildet habe, die von den Kompetenzen der Gemeinschaft nicht mehr gedeckt sei. Dabei setzt sie sich mit der bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kompetenzkontrolle, der für kompetenzwidrig gehaltenen Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs und den hierzu ergangenen kritischen Anmerkungen in der Literatur auseinander. Die Beschwerdeführerin war nicht gehalten, antizipierend auf vom Bundesverfassungsgericht erst noch zu präzisierende Einzelheiten der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen auf die Beachtung der Grenzen ihrer Kompetenzen einzugehen.

C.

48

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

I.

49

Die Beschwerdeführerin ist nicht deswegen in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, weil das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht.

50

1. a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen (vgl. allgemein für die Gestaltung von Arbeitsverträgen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. November 2006 - 1 BvR 1909/06 -, NJW 2007, S. 286). Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 72, 155 <170>; 81, 242 <254 ff.>; 89, 214 <231 ff.>; 103, 89 <100 f.>). Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus (vgl. BVerfGE 89, 1 <13>; 117, 163 <181>). Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (vgl. BVerfGE 57, 139 <158>; BVerfGK 4, 356 <363 f.>).

51

Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Gesetze regeln die Ausübung der Vertragsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz, sondern auch um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren. Aus diesem Grund wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien gelegt, sondern traditionell an Voraussetzungen gebunden, die die Arbeitnehmer schützen sollen. Denn für Arbeitnehmer ist die Erwerbsarbeit regelmäßig alleinige Existenzgrundlage. Durch Befristung wird zwar den Flexibilitätsbedürfnissen rentabler Unternehmensführung entsprochen. Für die davon betroffenen Arbeitnehmer bedeutet ein befristetes Arbeitsverhältnis aber nicht nur die Chance auf Erwerbsarbeit, sondern ist auch mit Unsicherheit über den Fortbestand des Erwerbseinkommens verbunden. Der insoweit schützende staatliche Eingriff in die Privatautonomie bei der Ausgestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweisen muss.

52

Die für das Verfassungsbeschwerdeverfahren maßgebliche Vorschrift des einfachen Rechts ist § 14 TzBfG in der vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung. Von dem Grundsatz, dass es zur Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse eines sachlichen Grundes bedarf, konnte nach § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat. Diese Ausnahmeregelung hat indes zum Nachteil der Beschwerdeführerin unangewendet zu bleiben, wenn sie gegen Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) verstößt.

53

b) Das Recht der Europäischen Union kann sich nur wirksam entfalten, wenn es entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht verdrängt. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zwar nicht dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht nichtig wäre. Mitgliedstaatliches Recht kann vielmehr weiter seine Geltung entfalten, wenn und soweit es jenseits des Anwendungsbereichs einschlägigen Unionsrechts einen sachlichen Regelungsbereich behält. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts dagegen ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht grundsätzlich unanwendbar. Der Anwendungsvorrang folgt aus dem Unionsrecht, weil die Union als Rechtsgemeinschaft nicht bestehen könnte, wenn die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, S. 1251 Rn. 12). Der Anwendungsvorrang entspricht auch der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG, wonach Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen werden können (vgl. BVerfGE 31, 145 <174>; 123, 267 <402>). Art. 23 Abs. 1 GG erlaubt mit der Übertragung von Hoheitsrechten - soweit vertraglich vorgesehen und gefordert - zugleich deren unmittelbare Ausübung innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Er enthält somit ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen, dem der unionsrechtliche Anwendungsvorrang entspricht.

54

c) aa) Anders als ein bundesstaatlicher Geltungsvorrang, wie ihn Art. 31 GG für die deutsche Rechtsordnung vorsieht, kann der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht umfassend sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <375>; 123, 267 <398>).

55

Das Unionsrecht bleibt als autonomes Recht von der vertraglichen Übertragung und Ermächtigung abhängig. Die Unionsorgane bleiben für die Erweiterung ihrer Befugnisse auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <187 f., 192, 199>; 123, 267 <349>; vgl. auch BVerfGE 58, 1 <37>; 68, 1 <102>; 77, 170 <231>; 104, 151 <195>; 118, 244 <260>). Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb berechtigt und verpflichtet, Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen oder aufgrund von Kompetenzausübungen im nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 und Art. 20 GG) erfolgen (vgl. BVerfGE 75, 223 <235, 242>; 89, 155 <188>; 113, 273 <296>; 123, 267 <353 f.>), und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen.

56

bb) Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe zu koordinieren, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV).

57

Wenn jeder Mitgliedstaat ohne weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Anwendungsvorrang praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet. Würden aber andererseits die Mitgliedstaaten vollständig auf die Ultra-vires-Kontrolle verzichten, so wäre die Disposition über die vertragliche Grundlage allein auf die Unionsorgane verlagert, und zwar auch dann, wenn deren Rechtsverständnis im praktischen Ergebnis auf eine Vertragsänderung oder Kompetenzausweitung hinausliefe. Dass in den - wie nach den institutionellen und prozeduralen Vorkehrungen des Unionsrechts zu erwarten - seltenen Grenzfällen möglicher Kompetenzüberschreitung seitens der Unionsorgane die verfassungsrechtliche und die unionsrechtliche Perspektive nicht vollständig harmonieren, ist dem Umstand geschuldet, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Herren der Verträge bleiben und die Schwelle zum Bundesstaat nicht überschritten wurde (vgl. BVerfGE 123, 267 <370 f.>). Die nach dieser Konstruktion im Grundsatz unvermeidlichen Spannungslagen sind im Einklang mit der europäischen Integrationsidee kooperativ auszugleichen und durch wechselseitige Rücksichtnahme zu entschärfen.

58

cc) Die Ultra-vires-Kontrolle darf nur europarechtsfreundlich ausgeübt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>).

59

(1) Die Union versteht sich als Rechtsgemeinschaft; sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten (vgl. im Einzelnen Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV). Nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist der Anwendungsvorrang des Unionsrechts anzuerkennen und zu gewährleisten, dass die dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich vorbehaltenen Kontrollbefugnisse nur zurückhaltend und europarechtsfreundlich ausgeübt werden.

60

Das bedeutet für die vorliegend in Rede stehende Ultra-vires-Kontrolle, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des Gerichtshofs grundsätzlich als verbindliche Auslegung des Unionsrechts zu beachten hat. Vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts der europäischen Organe und Einrichtungen ist deshalb dem Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV die Gelegenheit zur Vertragsauslegung sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der fraglichen Rechtsakte zu geben. Solange der Gerichtshof keine Gelegenheit hatte, über die aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu entscheiden, darf das Bundesverfassungsgericht für Deutschland keine Unanwendbarkeit des Unionsrechts feststellen (vgl. BVerfGE 123, 267 <353>).

61

Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht kommt darüber hinaus nur in Betracht, wenn ersichtlich ist, dass Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen außerhalb der übertragenen Kompetenzen ergangen sind (vgl. BVerfGE 123, 267 <353, 400>). Ersichtlich ist ein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur dann, wenn die europäischen Organe und Einrichtungen die Grenzen ihrer Kompetenzen in einer das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung spezifisch verletzenden Art überschritten haben (Art. 23 Abs. 1 GG), der Kompetenzverstoß mit anderen Worten hinreichend qualifiziert ist (vgl. zur Formulierung "hinreichend qualifiziert" als Tatbestandsmerkmal im unionsrechtlichen Haftungsrecht etwa EuGH, Urteil vom 10. Juli 2003, Rs. C-472/00 P, Fresh Marine, Slg. 2003, S. I-7541 Rn. 26 f.). Dies bedeutet, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt (vgl. Kokott, Deutschland im Rahmen der Europäischen Union - zum Vertrag von Maastricht, AöR 1994, S. 207 <220>: "erhebliche Kompetenzüberschreitungen" und <233>: "drastische" Ultra-vires-Akte; Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 238 für eine Evidenzkontrolle; Isensee, Vorrang des Europarechts und deutsche Verfassungsvorbehalte - offener Dissens, in: Festschrift Stern, 1997, S. 1239 <1255>: "im Falle krasser und evidenter Kompetenzüberschreitung"; Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Bd. II, Art. 23 Rn. 32: "schwerwiegend, evident und generell"; Oeter, Rechtsprechungskonkurrenz zwischen nationalen Verfassungsgerichten, Europäischem Gerichtshof und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte, VVDStRL 2007, S. 361 <377>: Rechtsprechung des Gerichtshofs sei verbindlich, "sofern sie sich nicht völlig von den vertraglichen Grundlagen ablöst"; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 40 : "offensichtlich, anhaltend und schwerwiegend").

62

(2) Der Auftrag, bei der Auslegung und Anwendung der Verträge das Recht zu wahren (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV), beschränkt den Gerichtshof nicht darauf, über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen zu wachen. Dem Gerichtshof ist auch die Rechtsfortbildung im Wege methodisch gebundener Rechtsprechung nicht verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Befugnis stets ausdrücklich anerkannt (vgl. BVerfGE 75, 223 <242 f.>; BVerfGE 123, 267 <351 f.>). Ihr stehen insbesondere das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Struktur des unionalen Staatenverbundes nicht entgegen. Vielmehr kann die - in den ihr gesetzten Grenzen wahrgenommene - Rechtsfortbildung gerade auch im supranationalen Verbund zu einer der grundlegenden Verantwortung der Mitgliedstaaten über die Verträge gerecht werdenden Kompetenzabgrenzung zu den Regelungsbefugnissen des Unionsgesetzgebers beitragen.

63

Das Primärrecht sieht an einzelnen Stellen ausdrücklich vor, dass die Unionsorgane auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze handeln sollen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind (Art. 6 Abs. 3 EUV; Art. 340 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV). Zur Aufgabe des Gerichtshofs gehört es insoweit, die Rechtlichkeit der Union im Sinne der gemeinsamen europäischen Verfassungstraditionen zu sichern. Maßstab ist sowohl das geschriebene Primär- und Sekundärrecht als auch die ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze, wie sie aus den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten unter ergänzender Heranziehung der völkerrechtlichen Verträge der Mitgliedstaaten abgeleitet werden (vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 220 EGV Rn. 38 m.w.N. zu den allgemeinen Grundsätzen im Völkerrecht Gaja, General Principles of Law, in: Wolfrum, Max Planck Encyclopedia of Public International Law, http://www.mpepil.com, Rn. 7 ff., 17 ff.). Bereits die unter anderem vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Notwendigkeit, einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutz auszubilden (vgl. BVerfGE 37, 271 <285>), war seit den 1970er Jahren nur rechtsfortbildend über die Methode der wertenden Rechtsvergleichung möglich (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1970, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125 Rn. 4; EuGH, Urteil vom 14. Mai 1974, Rs. 4/73, Nold/Kommission, Slg. 1974, S. 491 Rn. 13).

64

Rechtsfortbildung ist allerdings keine Rechtsetzung mit politischen Gestaltungsfreiräumen, sondern folgt den gesetzlich oder völkervertraglich festgelegten Vorgaben. Sie findet hier Gründe und Grenzen. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird. Rechtsfortbildung überschreitet diese Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte (vertrags-)gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft. Dies ist vor allem dort unzulässig, wo Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus politische Grundentscheidungen trifft oder durch die Rechtsfortbildung strukturelle Verschiebungen im System konstitutioneller Macht- und Einflussverteilung stattfinden.

65

Eine wesentliche Grenze richterlicher Rechtsfortbildung auf Unionsebene ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Es gewinnt seine Bedeutung vor dem Hintergrund der stark föderalisierten und kooperativen Organisationsstruktur der Europäischen Union, die in vielen Bereichen sowohl im Umfang der Kompetenzen als auch in der Organisationsstruktur und den Verfahren zwar staatsanalog, aber nicht bundesstaatlich geprägt ist. Die Mitgliedstaaten haben nur jeweils begrenzte Hoheitsrechte übertragen. Generalermächtigungen und die Kompetenz, sich weitere Kompetenzen zu verschaffen, widersprechen diesem Prinzip und würden die verfassungsrechtliche Integrationsverantwortung der Mitgliedstaaten untergraben (vgl. BVerfGE 123, 267 <352 f.>). Dies gilt nicht nur, wenn sich eigenmächtige Kompetenzerweiterungen auf Sachbereiche erstrecken, die zur verfassungsrechtlichen Identität der Mitgliedstaaten rechnen oder besonders vom demokratisch diskursiven Prozess in den Mitgliedstaaten abhängen (vgl. BVerfGE 123, 267 <357 f.>), allerdings wiegen hier Kompetenzüberschreitungen besonders schwer.

66

(3) Soll das supranationale Integrationsprinzip nicht Schaden nehmen, muss die Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zurückhaltend ausgeübt werden. Da es in jedem Fall einer Ultra-vires-Rüge auch über eine Rechtsauffassung des Gerichtshofs zu befinden hat, sind Aufgabe und Stellung der unabhängigen überstaatlichen Rechtsprechung zu wahren. Dies bedeutet zum einen, dass die unionseigenen Methoden der Rechtsfindung, an die sich der Gerichtshof gebunden sieht und die der "Eigenart" der Verträge und den ihnen eigenen Zielen Rechnung tragen (vgl. EuGH, Gutachten 1/91, EWR-Abkommen, Slg. 1991, S. I-6079 Rn. 51), zu respektieren sind. Zum anderen hat der Gerichtshof Anspruch auf Fehlertoleranz. Daher ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs zu setzen. Hinzunehmen sind auch Interpretationen der vertraglichen Grundlagen, die sich ohne gewichtige Verschiebung im Kompetenzgefüge auf Einzelfälle beschränken und belastende Wirkungen auf Grundrechte entweder nicht entstehen lassen oder einem innerstaatlichen Ausgleich solcher Belastungen nicht entgegenstehen.

67

2. Gemessen an diesen Maßstäben hat das Bundesarbeitsgericht die Tragweite der Vertragsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht verkannt. Das angegriffene Urteil erweist sich als verfassungsgemäß, soweit es die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG angenommen hat.

68

Im Hinblick auf die zugrundegelegte Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Rechtsfortbildung ultra vires, die zur - allein vom Bundesverfassungsgericht feststellbaren (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>) - Unanwendbarkeit der betreffenden Rechtsgrundsätze in Deutschland führen müsste, nicht ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob sich das in der Mangold-Entscheidung gefundene Ergebnis durch anerkannte juristische Auslegungsmethoden noch gewinnen lässt und ob gegebenenfalls bestehende Mängel offenkundig wären. Jedenfalls handelt es sich um keine das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in offensichtlicher und strukturwirksamer Weise verletzende Überschreitung der durch Zustimmungsgesetz auf die Europäische Union übertragenen Hoheitsrechte.

69

a) Der Gerichtshof kam in der Mangold-Entscheidung zu dem Ergebnis, eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht und müsse unangewendet bleiben (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981 Rn. 77 f.). Diese Aussage wurde mit zwei Argumenten begründet, deren Beziehung zueinander unklar bleibt (vgl. Thüsing, Europarechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Bindung des Arbeitgebers?, ZIP 2005, S. 2149 <2150 f.>). Die Regelung stehe sowohl im Widerspruch zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG als auch zu einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der Diskriminierungen aus Gründen des Alters untersage.

70

Während eine Stelle in der englischen und französischen Sprachfassung der Mangold-Entscheidung darauf hindeutet, dass sich der Gerichtshof insbesondere auf das allgemeine Diskriminierungsverbot zu stützen scheint (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 74: "[z]weitens" , "[i]n the second place and above all" , "[e]n second lieu et surtout" ), könnte eine andere Stelle für das Gegenteil sprechen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 78: "insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78"). Dem entspricht die Vermutung, dass die Mangold-Entscheidung, obwohl die Richtlinie 2000/78/EG für Deutschland innerhalb der noch laufenden Umsetzungsfrist noch nicht anwendbar war, die deutsche Befristungsregel am Maßstab dieser Richtlinie prüfte, weil die Richtlinie nur das konkretisiere, was durch den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung ohnehin und unabhängig von der Richtlinie gelte (vgl. Skouris, Methoden der Grundrechtsgewinnung in der EU, in: Merten/Papier, HGRe, Bd. VI/1, 2010, § 157 Rn. 24).

71

b) Ein hinreichend qualifizierter Verstoß des Gerichtshofs gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung lässt sich nicht feststellen. Weder die Öffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/78/EG auf Fälle, die gerade einer beruflichen Eingliederung von älteren Langzeitarbeitslosen dienen sollten (aa), noch die vom Gerichtshof angenommene Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG (bb) noch die Herleitung eines allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung (cc) hat zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen geführt.

72

aa) Der Gerichtshof hielt den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung in der Rechtssache Mangold für anwendbar, weil der Sachverhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG falle (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 51, 64, 75). Diese Weichenstellung war die Voraussetzung dafür, dass eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG überhaupt am Gemeinschaftsrecht - und also auch an dessen allgemeinen Grundsätzen - gemessen werden konnte. Die Beschwerdeführerin hat dagegen vorgetragen, dass die einschlägige Vorschrift des Teilzeit- und Befristungsgesetzes der Beschäftigungspolitik gedient habe, welche weiterhin in der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit liege.

73

Ob eine bestimmte Maßnahme eines Mitgliedstaates in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, bestimmt der Gerichtshof jeweils im Einzelfall nach der inhaltlichen Tragweite der Maßnahme in Bezug auf die Sachmaterie und die beteiligten Personen. Auch eine Richtlinie kann den Anwendungsbereich der Verträge eröffnen und so dazu führen, dass die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts in das mitgliedstaatliche Recht einwirken (vgl. von Danwitz, Rechtswirkungen von Richtlinien in der neueren Rechtsprechung des EuGH, JZ 2007, S. 697 <704>). Ob eine Richtlinie den Anwendungsbereich der Verträge eröffnet, wird nach ihren Zielen bestimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1998, Rs. C-226/97, Lemmens, Slg. 1998, S. I-3711 Rn. 25 und 35 f.). Dagegen kann der nationale Gesetzgeber nicht den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts ausschließen, indem er mit einer Maßnahme auch Ziele - wie etwa die Beschäftigungspolitik (vgl. die beschränkten Handlungskompetenzen nach Art. 145 bis Art. 150 AEUV) - verfolgt, zu deren Regelung die Union nicht befugt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1998, Bickel und Franz, Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. I-7637 Rn. 17; stRspr). Der Gerichtshof rechtfertigt dies mit dem Hinweis, dass die Mitgliedstaaten andernfalls durch unterschiedliche Zielsetzungen die einheitliche Wirkung des Unionsrechts beeinträchtigen könnten.

74

Im konkreten Fall begründete der Gerichtshof die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts und damit des allgemeinen Verbots der Altersdiskriminierung damit, dass mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ursprünglich die Richtlinie 1999/70/EG habe umgesetzt werden sollen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 75). Dagegen kann eingewendet werden, dass nur der ursprüngliche Erlass des Teilzeit- und Befristungsgesetzes im Jahr 2000 der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diente, nicht aber das Änderungsgesetz, mit dem Satz 4 in den bestehenden § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt wurde (vgl. zum fehlenden Verweis auf das Gemeinschaftsrecht BTDrucks 15/25, S. 40). Entscheidende Erwägung, die aus der Binnenlogik des Unionsrechts heraus nicht vollständig zurückgewiesen werden kann, ist jedoch die sachliche Reichweite der Richtlinie 1999/70/EG, insbesondere deren Verschlechterungsverbot (§ 8 Abs. 3 der Richtlinie 1999/70/EG). Sie ist das maßgebende Argument, nicht die jeweilige Zielsetzung des nationalen Gesetzgebers.

75

bb) Eine im Hinblick auf das Ersichtlichkeitskriterium gravierende, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzende Rechtsfortbildung durch die Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs ist auch nicht wegen der vom Gerichtshof angenommenen Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG gegeben.

76

Der Gerichtshof ging davon aus, dass einem Verstoß einer nationalen Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegenstehe, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 70 ff.). Der während der Umsetzungsfrist bestehende Handlungs- und Konkretisierungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland wurde dadurch jedoch nicht so verkürzt, dass eine strukturwirksame Kompetenzverschiebung angenommen werden müsste. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer in Kraft getretenen Richtlinie keine Vorschriften zu erlassen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, Rs. C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, S. I-7411 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 8. Mai 2003, Rs. C-14/02, ATRAL, Slg. 2003, S. I-4431 Rn. 58).

77

Die Mangold-Entscheidung lässt sich in die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur innerstaatlichen Wirkung von Richtlinien einordnen. Obwohl der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, dass eine Richtlinie "nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist" (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.; EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004, verb. Rs. C-397-403/01, Pfeiffer, Slg. 2004, S. I-8835 Rn. 108), hat der Gerichtshof anerkannt, dass richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Normen in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unangewendet bleiben müssen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 30. April 1996, Rs. C-194/94, CIA Security, Slg. 1996, S. I-2201; EuGH, Urteil vom 26. September 2000, Rs. C-443/98, Unilever, Slg. 2000, S. I-7535 Rn. 49 ff.). Mit der in der Mangold-Entscheidung angenommenen Vorwirkung von Richtlinien schafft der Gerichtshof eine weitere Fallgruppe für die sogenannte "negative" Wirkung von Richtlinien. Diese dient wie die Rechtsprechung zur "negativen" Wirkung von Richtlinien insgesamt lediglich der Effektuierung bestehender Rechtspflichten der Mitgliedstaaten, schafft aber keine neuen, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzenden Pflichten der Mitgliedstaaten.

78

cc) Es kann dahinstehen, ob sich ein allgemeiner Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten ableiten ließe, obwohl nur zwei der zum Zeitpunkt der Mangold-Entscheidung 15 Verfassungen der Mitgliedstaaten ein besonderes Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters zu entnehmen war (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom 15. Februar 2007, Rs. C-411/05, Palacios, Slg. 2007, S. I-8531 Rn. 88; Hölscheidt, in: Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl. 2006, Art. 21 Rn. 15) und auch die völkerrechtlichen Verträge, auf die sich der Gerichtshof mit seinem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG bezogen hatte, kein spezielles Diskriminierungsverbot enthielten. Denn zu einem ersichtlichen Verstoß im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung würde auch eine unterstellte, rechtsmethodisch nicht mehr vertretbare Rechtsfortbildung des Gerichtshofs erst dann, wenn sie auch praktisch kompetenzbegründend wirkte. Mit dem in der Ableitung aus den gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen umstrittenen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung wurde aber weder ein neuer Kompetenzbereich für die Union zulasten der Mitgliedstaaten begründet noch eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung ausgedehnt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ohne den Erlass eines - hier als vorwirkend angesehenen - Sekundärrechtsaktes nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten von Bürgern durch Rechtsfortbildung begründet würden, die sich sowohl als Grundrechtseingriffe als auch als Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten erweisen würden. Allgemeine Grundsätze dürfen, auch wenn sie den Grundrechtsschutz auf Unionsebene gewährleisten, nicht den Ge-staltungsbereich des Unionsrechts über die eingeräumten Zuständigkeiten der Union hinaus ausdehnen oder gar neue Aufgaben und Zuständigkeiten begründen (vgl. Art. 51 Abs. 2 GRCh).

79

Hier liegt der Fall jedoch anders, weil die an der auf Art. 13 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 19 Abs. 1 AEUV) gestützten Rechtsetzung beteiligten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters im Rat - und nicht Richter im Zuge der Rechtsfortbildung - den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragsrechtliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet haben (vgl. insoweit oben aa).

II.

80

Die Beschwerdeführerin ist auch nicht dadurch in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, dass das angegriffene Urteil keinen Vertrauensschutz gewährt hat.

81

1. a) Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 45, 142 <167>; 72, 175 <196>; 88, 384 <403>; 105, 48 <57>).

82

Das Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes kann nicht nur durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 99, 341 <359 f.>), sondern auch durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtanwendbarkeit durch den Gerichtshof berührt werden. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in ein unionsrechtswidriges Gesetz bestimmt sich insbesondere danach, inwieweit vorhersehbar war, dass der Gerichtshof eine derartige Regelung als unionsrechtswidrig einordnet. Es ist ferner von Belang, dass eine Disposition im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen, das Vertrauen mit anderen Worten betätigt wurde (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>).

83

b) Die Möglichkeiten mitgliedstaatlicher Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz sind unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt. Entscheidungen des Gerichtshofs im Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV wirken grundsätzlich ex tunc. Die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof ist deshalb von den mitgliedstaatlichen Gerichten auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der Vorabentscheidung begründet wurden. Der Gerichtshof schränkt nur ausnahmsweise in Anbetracht der erheblichen Schwierigkeiten, die seine Entscheidung bei in gutem Glauben begründeten Rechtsverhältnissen für die Vergangenheit hervorrufen kann, die Rückwirkungen seiner Entscheidung ein (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, Rs. C-61/79, Denkavit, Slg. 1980, S. 1205 Rn. 16 f.; stRspr).

84

Vertrauensschutz kann von den mitgliedstaatlichen Gerichten demnach nicht dadurch gewährt werden, dass sie die Wirkung einer Vorabentscheidung zeitlich beschränken, indem sie die nationale Regelung, deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht festgestellt wurde, für die Zeit vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden. Eine solche primärwirksame Wirkung des Vertrauensschutzes lässt der Gerichtshof regelmäßig nicht zu, da er im Hinblick auf die einheitliche Geltung des Unionsrechts davon ausgeht, dass nur er selbst die Wirkung der in seinen Entscheidungen vorgenommenen Auslegung zeitlich beschränken könne (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, a.a.O., Rn. 18; stRspr). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs finden sich hingegen keine Anhaltspunkte dafür, dass es den mitgliedstaatlichen Gerichten verwehrt wäre, sekundären Vertrauensschutz durch Ersatz des Vertrauensschadens zu gewähren.

85

c) Es ist danach möglich, zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. Auch das unionsrechtliche Haftungsrecht weist dem Mitgliedstaat die Verantwortung für ein unionsrechtswidriges Gesetz zu und entlastet insoweit den Bürger. Es kann offen bleiben, ob ein entsprechender Anspruch bereits im bestehenden Staatshaftungssystem angelegt ist.

86

2. Das Bundesarbeitsgericht hat die Tragweite eines nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu gewährenden Vertrauensschutzes nicht verkannt. Wegen des gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs durfte sich das Bundesarbeitsgericht außer Stande sehen, Vertrauensschutz dadurch zu gewähren, dass es die zugunsten der Beschwerdeführerin ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein ohne Verstoß gegen den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang möglicher Anspruch auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik Deutschland für Vermögenseinbußen, die die Beschwerdeführerin durch die Entfristung des Arbeitsverhältnisses erlitten hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht.

III.

87

Das angegriffene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

88

1. Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt allerdings nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>).

89

Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Rede steht. Das Bundesverfassungsgericht ist unionsrechtlich nicht verpflichtet, die Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht voll zu kontrollieren und an der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 267 Abs. 3 AEUV auszurichten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 2419/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 658 <660>; anders BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>). Art. 267 Abs. 3 AEUV fordert kein zusätzliches Rechtsmittel zur Überprüfung der Einhaltung der Vorlagepflicht (vgl. Kokott/Henze/Sobotta, Die Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und die Folgen ihrer Verletzung, JZ 2006, S. 633 <635>). Ein letztinstanzliches Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist definitionsgemäß die letzte Instanz, vor der der Einzelne Rechte geltend machen kann, die ihm aufgrund des Unionsrechts zustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003, Rs. C-224/01, Köbler, Slg. 2003, S. I-10239 Rn. 34). So behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht, das nur über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums wacht, wird seinerseits nicht zum "obersten Vorlagenkontrollgericht" (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 <1457>).

90

Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>). Zu verneinen ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat.

91

2. Das angegriffene Urteil verletzt nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, denn das Bundesarbeitsgericht hat durch die Entscheidung, das Verfahren nicht an den Gerichtshof vorzulegen, die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen.

92

Das Bundesarbeitsgericht hätte insbesondere nicht wegen Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vorabentscheidung herbeiführen müssen. Unter der Annahme, dass der Gerichtshof die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG in der Mangold-Entscheidung mit der gebotenen Eindeutigkeit festgestellt habe und die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht erfüllt seien, sah das Bundesarbeitsgericht sich nicht als verpflichtet an, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen. Dies stellt ein vertretbares Ergebnis dar. Die Gegenauffassung der Beschwerdeführerin, dass der Gerichtshof die Frage des rückwirkenden Vertrauensschutzes in der Rechtssache Mangold offen gelassen habe und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur zeitlichen Begrenzung von Entscheidungswirkungen sich nicht auf die vorliegende Fallgestaltung beziehe, ist der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht eindeutig vorzuziehen. Das Bundesarbeitsgericht durfte vielmehr davon ausgehen, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nach der Mangold-Entscheidung unangewendet bleiben musste.

IV.

93

Diese Entscheidung ist hinsichtlich der Begründung mit 6:2 Stimmen und im Ergebnis mit 7:1 Stimmen ergangen.

Abw. Meinung

94

Entgegen der Ansicht der Senatsmehrheit ist die Verfassungsbeschwerde begründet. Das angefochtene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, weil das Bundesarbeitsgericht § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund unangewendet gelassen und sich so der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) entzogen hat. Auf das Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Gerichtshof) in der Rechtssache Mangold konnte sich das Bundesarbeitsgericht von Verfassungs wegen nicht berufen.

95

Die Senatsmehrheit überspannt die Anforderungen an die Feststellung eines Ultra-vires-Handelns der Gemeinschafts- oder Unionsorgane durch das Bundesverfassungsgericht und weicht insofern ohne überzeugende Gründe von dem Senatsurteil zum Vertrag von Lissabon ab (I.). Zu Unrecht verneint sie eine Kompetenzüberschreitung seitens des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold (II.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat diese Kompetenzüberschreitung und die hieraus resultierenden Handlungsoptionen verkannt (III.).

I.

96

1. Mit dem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 ist in Erinnerung zu rufen, dass das Handeln von Organen der Europäischen Union nur so lange demokratisch legitimiert ist, wie es sich im Rahmen der Kompetenzen hält, die die Mitgliedstaaten der Union übertragen haben. Die Einhaltung von Zuständigkeitsgrenzen ist nicht allein eine Frage des Austarierens der Machtbefugnisse von Verfassungs- und Gemeinschaftsorganen. Im demokratischen Regierungssystem folgt der Geltungsanspruch einer Norm nicht aus einer einseitigen Machtunterworfenheit des Bürgers, sondern aus ihrer Rückführung auf den Bürger selbst. Demokratische Legitimation erfordert deshalb eine tatsächliche, durchgehende Anknüpfung an das Staatsvolk. Sie darf nicht nur - und sei es im Wege des Ausschlusses einer Überprüfbarkeit - konstruiert sein. Ihre Notwendigkeit endet nicht an der Grenze des nationalen Zustimmungsgesetzes und dem Verbot der Blankettermächtigung, sondern setzt sich innerhalb der Staatengemeinschaft fort. Tätigkeiten, die von den übertragenen Aufgaben nicht umfasst werden, sind dadurch nicht mitlegitimiert (vgl. BVerfGE 93, 37 <68>). In diesem Sinne vermitteln und begrenzen die der Union von den Mitgliedstaaten verliehenen Kompetenzen den (sachlichen) Legitimationszusammenhang, in dem jedes Hoheitsgewalt ausübende Organ stehen muss (vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 6. Aufl. 2009, S. 307), und dessen Wahrung auch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung als Ausdruck der staatsverfassungsrechtlichen Grundlage aller Unionsgewalt zum Ziel hat.

97

Denn die Ermächtigung, hoheitliche Gewalt supranational auszuüben, rührt von den Mitgliedstaaten als den Herren der Verträge her (BVerfGE 123, 267 <349>); für die europäische Unionsgewalt gibt es kein Legitimationssubjekt, das sich unabgeleitet von der Hoheitsgewalt der Staaten auf gleichsam höherer Ebene verfassen könnte. Der Lissabon-Vertrag hat in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV das Prinzip begrenzter und kontrollierter Einzelermächtigung bestätigt. Zuständigkeitsausübungsregeln wie Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4, Art. 4 Abs. 2 EUV gewährleisten zudem, dass übertragene Kompetenzen in einer die mitgliedstaat-lichen Zuständigkeiten schonenden Weise wahrgenommen werden. Darüber hinaus enthält der Vertrag - bei verfassungsgemäßer Interpretation - keinerlei Vorschriften, die den Unionsorganen die Kompetenz-Kompetenz verschaffen würde (vgl. BVerfGE 123, 267 <392 f.>; zustimmend v. Bogdandy, NJW 2010, S. 1, 4). Dafür wäre auch die Verknüpfung von demokratischer Legitimation mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt, die die Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervorhebt, nicht hinreichend ausgeprägt. Der Anwendungsvorrang, der durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelt wurde, bleibt ein völkervertraglich übertragenes und damit abgeleitetes Institut (BVerfGE 123, 267 <400>). Er ändert gerade nichts an der Pflicht zur Einhaltung der Kompetenzordnung. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt nur so weit, wie die Bundesrepublik dem zugestimmt hat oder zustimmen durfte (BVerfGE 123, 267 <402>). Insbesondere auch die dem Gerichtshof übertragene Kompetenz zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ist nicht schrankenlos. Die ihr durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen unterliegen letztlich der Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 75, 223 <235>; 123, 267 <344>).

98

Verfassung und völkerrechtlicher Vertrag begründen Kompetenzen, um damit im Umfang der jeweiligen Zuschreibung rechtmäßige, das heißt rechtsstaatlich und demokratisch legitimierte Hoheitsgewalt zu begründen. Dies stand dem Senat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 vor Augen und hat seine Linienführung bestimmt. Durch die Zuschreibung von Kompetenzen werden unterschiedliche supranationale und nationale Funktionen einander zugeordnet. Sie wollen damit eine sachgemäße Kooperation, sichtbare Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger und gegenseitige Kontrolle sichern und im Ergebnis so den Missbrauch hoheitlicher Gewalt verhindern. Ein Übermaß an Verflechtungen und Überlagerungen höhlt die Substanz demokratischer Verantwortlichkeit aus und verletzt das aus demokratischer Rechtsstaatlichkeit fließende Gebot, dass Organe - nationale oder supranationale - für ihre Entscheidungen Verantwortung zu tragen haben.

99

2. Im Falle von Grenzdurchbrechungen - die diese Verantwortlichkeiten verwischen - hat das Bundesverfassungsgericht die Pflicht zur Ultra-vires-Kontrolle (BVerfGE 123, 267 <353 f.>). Beim derzeitigen Entwicklungsstand des Unionsrechts kommen allein die nationalen Höchstgerichte, insbesondere die Verfassungsgerichte, als Instanzen für die Ausübung einer Kompetenzkontrolle gegenüber den Unionsorganen in Frage, nachdem auf der europäischen Ebene der Gerichtshof den Schlussstein des Systems bildet und diese Position tendenziell gemeinschaftsfreundlich genutzt hat (vgl. Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <494>). Die exekutiven und judikativen Instanzen der Europäischen Union haben weithin die Möglichkeit, das Unionsrecht in der von ihnen für richtig gehaltenen Interpretation durchzusetzen, ohne dass die politischen Instanzen über effektive Mechanismen zur Gegensteuerung für den Fall verfügen würden, dass sie die Folgen der Interpretation für schädlich erachten. Die Möglichkeit, eingetretenen Kompetenzaushöhlungen legislativ oder durch Vertragsrevisionen zu begegnen, ist angesichts der hierfür bestehenden hohen Hürden in einer Union mit 27 Mitgliedstaaten von geringer praktischer Wirksamkeit (vgl. Grimm, a.a.O. <493 f.>; Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 <248 ff.>).

100

3. Bei der Ausübung dieser Prüfungskompetenz ist der Grundsatz der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes als Korrelat des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu beachten und fruchtbar zu machen (BVerfGE 123, 267<354>). Das hier auftretende Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip der Wahrung demokratischer Legitimation und der Funktionsfähigkeit der Union (vgl. Folz, Demokratie und Integration, 1999, S. 395) löst die Mehrheit einseitig zu Gunsten der Funktionsfähigkeit auf.

101

a) In der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon hat der Senat ein ausgewogenes Modell entwickelt, das die Kontrolle in materieller Hinsicht auf ersichtliche Grenzdurchbrechungen gegenüber den Mitgliedstaaten beschränkt und sie in formeller Hinsicht unter den Vorrang des Rechtsschutzes auf Unionsebene stellt (BVerfGE 123, 267 <353>). Erfasst ist damit jede ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt (vgl. Everling, EuR 2010, S. 91 <103, Fn. 62>). Kompetenzverletzungen peripherer Natur, die einen offensichtlichen und eindeutigen Charakter vermissen lassen und die Substanz demokratischer Verantwortlichkeit nicht in Frage stellen, bleiben außer Betracht; das gleiche gilt selbstverständlich für Kompetenzüberschreitungen, die nur von unionsinterner Bedeutung sind und sich auf die Freiräume der Mitgliedstaaten nicht auswirken. "Ersichtliche", also klare und eindeutige Verletzungen, sind zunächst einer Beurteilung durch den Gerichtshof zugänglich zu machen, wobei die Möglichkeit besteht, bestehende Bedenken in kompetenzieller Hinsicht zu artikulieren. Am vorliegenden Fall zeigt sich geradezu exemplarisch, wie der Vorrang des Rechtsschutzes auf Unionsebene zu realisieren gewesen wäre und welches konstruktive Potential dessen Ausschöpfung gehabt hätte (unten III.). Auf diesem Wege lässt sich hinreichend sicherstellen, dass eine Aktivierung der Reservekompetenz (BVerfGE 123, 267 <401>) des Bundesverfassungsgerichts zur Feststellung der Nichtanwendbarkeit von Unionsrecht wegen Kompetenzüberschreitung auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt (vgl. Wahl, Der Staat 48 <2009>, S. 587 <594>).

102

b) Die Senatsmehrheit geht über das Erfordernis einer ersichtlichen - also klaren und offensichtlichen - Kompetenzüberschreitung hinaus und verlässt den der Lissabon-Entscheidung zu Grunde liegenden Konsens, indem sie nun einen "hinreichend qualifizierten" Kompetenzverstoß fordert, der nicht nur offensichtlich ist, sondern zudem zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und supranationaler Organisation führt. Damit schießt die Senatsmehrheit über das Ziel einer europarechtsfreundlichen Ausgestaltung der Ultra-vires-Kontrolle hinaus. Sie verkennt die in der Lissabon-Entscheidung hervorgehobene wesentliche Voraussetzung einer zwingenden demokratischen Legitimation bei Ausübung aller hoheitlichen Gewalt, die bei jeder Kompetenzverletzung durchbrochen ist; wird die Ausübung hoheitlicher Gewalt ohne hinreichende demokratische Legitimation zugelassen, so widerspricht dies der Kernaussage des Senatsurteils vom 30. Juni 2009.

103

Mit der Forderung nach einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge (C. I. 2. b) verkennt die Senatsmehrheit zudem, dass spezifische Gefahren für die Wahrung der Kompetenzen und damit der demokratischen Legitimation im Fall der Europäischen Union weniger von schwerwiegenden - und als solchen erkennbaren - Kompetenzanmaßungen im Einzelfall als von schleichenden Entwicklungen ausgehen, in deren Verlauf kleinere, für sich betrachtet möglicherweise geringfügige Kompetenzüberschreitungen kumulativ bedeutende Folgen haben. Die wohl in allen föderalen Systemen naheliegende Gefahr einer "politischen Selbstverstärkung" (vgl. BVerfGE 123, 267 <351 f.>) der höheren Ebene besteht im Fall der Europäischen Union in besonderer Weise, da die Kompetenzverteilung hier - anders als in Bundesstaaten - nicht gegenstandsbezogen, sondern final erfolgt. Das Ziel, die Herstellung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes, wirkt entgrenzend (Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <493>). Ob sich im Rahmen solcher Entwicklungen - die sich anhand der im Fall Mangold kulminierenden steten Erweiterung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wirkung von Richtlinienbestimmungen (unten II. 1. b) illustrieren lassen - jemals ein Einzelfall einer Kompetenzüberschreitung ausmachen lässt, der die von der Senatsmehrheit geforderte Schwere aufweist und daher den Gegenmechanismus der Ultra-vires-Kontrolle auslöst, erscheint sehr fraglich - zumal die Eignung eines Einzelakts, strukturelle Verschiebungen im Kompetenzgefüge herbeizuführen, sich vielfach erst im Nachhinein wirklich wird beurteilen lassen (vgl. Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 <264>).

104

c) Im Ergebnis wird die Senatsmehrheit so ihrer Verantwortung für den rechtsstaatlich-demokratischen Sinngehalt von Kompetenzvorschriften nicht gerecht. Sie verfolgt damit eine schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennbare problematische Tendenz weiter, das demokratisch begründete nationale Letztentscheidungsrecht über die Anwendung von Hoheitsgewalt im eigenen Territorium und die damit einhergehende Verantwortung auch für die Einhaltung der an die Union verliehenen Kompetenzen nur noch auf dem Papier zu behaupten und vor deren praktisch wirksamer Vollziehung zurückzuschrecken: Hatte das Bundesverfassungsgericht zunächst offen gelassen, ob Gemeinschaftsrecht am Grundgesetz gemessen werden könne (BVerfGE 22, 293 <298 f.>), so hatte es die Frage sodann in der Solange I-Entscheidung im Hinblick auf eine Grundrechtskontrolle bejaht (BVerfGE 37, 271 <280 ff.>), um eben diese Prüfungskompetenz zwölf Jahre später (zur Zwischenzeit siehe BVerfGE 52, 187 <202 f.>) im Hinblick auf die gewachsene Grundrechtsjudikatur des Gerichtshofs zu suspendieren (Solange II, BVerfGE 73, 339 <387>). Sodann entwickelte das Gericht erst in Umrissen, später deutlicher die Vorstellung einer Nachprüfung der Einhaltung der Kompetenzgrenzen (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <188>). Anstatt allerdings dieses Mittel zu einem effektiven Kontrollinstrument zu machen, kehrte das Gericht praktisch wieder zum status quo der Solange II-Entscheidung zurück (vgl. etwa den Bananenmarkt-Beschluss BVerfGE 102, 147 <163>; zur Entwicklung vgl. Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <478 f.>).

II.

105

Der Gerichtshof hat mit seinem Urteil in der Rechtssache Mangold die ihm verliehenen Kompetenzen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ersichtlich überschritten und ultra vires gehandelt. Die von der Mehrheit offen gelassene Frage, ob der Gerichtshof mit seinem Urteil den Bereich der vertretbaren Auslegung - einschließlich der Rechtsfortbildung - verlassen hat, ist offensichtlich zu bejahen (1.); die Entscheidung des Gerichtshofs hat sich auch zu Lasten der dem Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland nach dem Vertrag verbleibenden Handlungsspielräume ausgewirkt (2.).

106

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gerichtshof im Fall Mangold zu Recht den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts für eröffnet gehalten und zu Recht einen inhaltlichen Widerspruch zwischen § 14 TzBfG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG festgestellt hat. Jedenfalls die Erwägungen, mit denen der Gerichtshof sich über den fehlenden Ablauf der Umsetzungsfrist hinweggesetzt hat, stellen sich nicht mehr als noch vertretbare Auslegung und Fortbildung des Unionsrechts dar, sondern als ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt.

107

a) Auszugehen ist von einem schlichten Befund, für dessen Wahrnehmung man sich freilich nicht den Blick verstellen darf, indem man die am Gedanken des effet utile orientierte Rechtsprechungstradition des Gerichtshofs von vornherein als gegeben voraussetzt: Der Gerichtshof hat das deutsche Recht an Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gemessen, obwohl diese Richtlinie zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bundesrepublik Deutschland nicht verbindlich war; nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers waren die demokratisch legitimierten Organe der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt den Bindungen der Richtlinie noch nicht unterworfen. Ferner hat der Gerichtshof der noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie trotz der in Art. 249 Abs. 2, 3 des EG-Vertrages in der Gestalt des Vertrages von Nizza (Art. 288 Abs. 2, 3 AEUV) niedergelegten Differenzierung eine (negative) unmittelbare innerstaatliche Wirkung beigemessen, die zur Unanwendbarkeit entgegenstehenden nationalen Rechts führte. Letzteres hat sich schließlich - wie auch dem Gerichtshof klar sein musste - zu Lasten von Grundrechtsträgern ausgewirkt, welche auf die Wirksamkeit des nationalen Arbeitsrechts vertrauten.

108

b) Die für dieses Ergebnis vorgebrachten Begründungsansätze des Gerichtshofs vermögen ersichtlich nicht zu überzeugen; sie führen zu dem Schluss, dass der Gerichtshof ein von ihm im Sinne einer möglichst weitgehenden Geltung des Gemeinschaftsrechts gewolltes Ergebnis ohne Rücksicht auf den entgegenstehenden Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers durchgesetzt und so die Grenzen methodisch vertretbarer Rechtsfortbildung verlassen hat. Zudem verdeutlichen sie, wie unterschiedliche, durchweg unionsfreundliche, aber für sich genommen längst akzeptierte Argumentationsmuster des Gerichtshofs in ihrer Kombination die Gefahr einer schrittweisen, schwer aufzuhaltenden Erosion mitgliedstaatlicher Kompetenzen und demokratischer Legitimation mit sich bringen.

109

aa) Soweit der Gerichtshof das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bezeichnet und sich hierauf bezogen hat, lässt sich dies weder anhand der Urteilsgründe noch auch unabhängig davon nachvollziehen. Die Herleitung eines spezifischen Diskriminierungsverbots wegen des Alters aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten oder aus internationalen Verträgen ist nicht vertretbar. Das ist im juristischen Schrifttum und nicht zuletzt von Generalanwalt Mazák bereits hinreichend dargelegt und bislang nicht ernstlich bezweifelt worden; auch die Senatsmehrheit kommt - obwohl sie die Frage formell offenlässt - letztlich nicht umhin, dies zu bemerken (siehe dazu unter C. I. 2. b) cc) mit den dort genannten Nachweisen; vgl. ferner Gerken/Rieble/Roth/Stein/Streinz, "Mangold" als ausbrechender Rechtsakt, 2009, S. 19 ff.; Körner, NZA 2005, S. 1395 <1397>; Krebber, Comparative Labor Law & Policy Journal 2006, S. 377 <390 f.>; Preis, NZA 2006, S. 401 <402>; Riesenhuber, ERCL 2007, S. 62 <66 f.>; Wieland, NJW 2009, S. 1841 <1843>). Vor diesem Hintergrund geht es auch nicht an, das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kurzerhand zum Anwendungsfall des allgemeinen unionsrechtlichen Gleichheitssatzes (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 - Rs. C-117/76 -, Slg. 1977, S. 1753 Rn. 7 ff.) zu erklären, wie es der Gerichtshof mit seiner Bezugnahme auf die erste Begründungserwägung der Richtlinie 2000/78/EG in der Rechtssache Mangold (Rn. 74) andeutungsweise und in einer Folgeentscheidung ausdrücklich (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - Rs. C-555/07 -, juris, Rn. 50) unternimmt; denn die entscheidende Wertung, dass das Alter ein problematisches, weiter rechtfertigungsbedürftiges Differenzierungskriterium darstellen könnte, ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Zudem ist sie - wie dargelegt - den gemeinsamen Verfassungstraditionen fremd und gerade im Kontext des Arbeitsmarkts angesichts der großen Probleme, die für ältere arbeitslose Menschen bei der Suche nach einer festen Anstellung bestehen, alles andere als selbstverständlich. Schließlich verliert der Gerichtshof kein Wort über den durch die Doppelung der Rechtsgrundlagen in Art. 12 und 13 EGV (heute: Art. 18 und 19 AEUV) deutlich zum Ausdruck gekommenen Willen der Mitgliedstaaten, Differenzierungen wegen anderer Merkmale als der Staatsangehörigkeit nur nach (!) sekundärrechtlicher Konkretisierung zu beschränken.

110

bb) Auch der Gedanke einer "Vorwirkung" der Richtlinie (siehe dazu unter C. I. 2. b) bb) kann das Auslegungsergebnis des Urteils in der Rechtssache Mangold weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit dem vermeintlichen ungeschriebenen Diskriminierungsverbot wegen des Alters tragen. Denn das vom Gerichtshof erwünschte Ergebnis ergibt sich insofern erst aus einer Kumulation verschiedener, mitgliedstaatliche Freiräume beschneidender dogmatischer Ansätze, die unter Gesichtspunkten einer transparenten demokratischen Kompetenzverteilung im Ergebnis nicht mehr hinzunehmen ist.

111

Die Anerkennung der unmittelbaren Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen seitens des Gerichtshofs war bereits ein eindeutig über den Wortlaut des Vertrags hinausweisender Schritt der Rechtsfortbildung (Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, S. 184; vgl. auch Alter, Establishing the Supremacy of European Law, 2001, insbesondere S. 16 ff.), den das Bundesverfassungsgericht allerdings - anders als manches andere Gericht (vgl. BFHE 143, 383; Conseil d'Etat, Entscheidung vom 22. Dezember 1978, EuR 1979, S. 292) - mitgegangen ist (BVerfGE 75, 223). Insofern hat sich das Bundesverfassungsgericht vom Gedanken der Europarechtsfreundlichkeit leiten lassen. Es hat gewürdigt, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs sich auf gewichtige sachliche Argumente - namentlich den Gedanken einer effektiven Sanktionierung von Mitgliedstaaten nach fruchtlosem Ablauf der Umsetzungsfrist - stützen konnte und die unmittelbare Wirkung an nicht ohne Weiteres erfüllte Voraussetzungen knüpfte, die eine vertragswidrige Gleichstellung von Richtlinie und Verordnung verhinderte (BVerfGE 75, 223 <237, 241 f., 244>). Diese Zurückhaltung lässt der Gerichtshof in der Rechtssache Mangold vermissen. Er hat das Prinzip, dass die unmittelbare Anwendung von Richtlinienbestimmungen den Ablauf der Umsetzungsfrist voraussetzt (vgl. dazu nur Biervert, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV Rn. 28), aufgegeben; zudem hat er in der Sache eine unmittelbare Auswirkung der Richtlinie auf das Verhältnis zwischen Privaten zugelassen (vgl. dagegen noch zurückhaltend EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - Rs. C-91/92 -, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.). Auf den Gedanken der Sanktionierung von (säumigen) Mitgliedstaaten lassen sich diese weitreichenden Schritte nicht mehr stützen. Der Gerichtshof erklärt sie mit dem pauschalen Hinweis auf den Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer Richtlinie keine Vorschriften mehr erlassen dürfen, die das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage stellen können, nur höchst unzureichend. Wenn die Senatsmehrheit hier von einer bloßen "Effektuierung bestehender Rechtspflichten" spricht, die "keine neuen, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzenden Pflichten der Mitgliedstaaten" schaffe, wird die Problematik verschleiert: Auch eine "Effektuierung" bestehender Pflichten kann schließlich nur bedeuten, dass rechtliche Bindungen über das Maß des Vereinbarten hinaus verstärkt werden.

112

2. Das durch den Gerichtshof in der Rechtssache Mangold entwickelte Verständnis des Gemeinschaftsrechts betrifft die für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle entscheidende Abgrenzung der Kompetenzen von Gemeinschaft (Union) und Mitgliedstaaten. Es nimmt den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume auf dem Feld der Beschäftigungspolitik, das in weitem Umfang den Mitgliedstaaten vorbehalten ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe i, Art. 125 ff. EGV; Art. 2 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2, Art. 145 ff. AEUV). Damit sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle erfüllt, auch wenn man die Bedeutung der vorliegenden Kompetenzüberschreitung angesichts des abzusehenden Ablaufs der Umsetzungsfrist für die Richtlinie nicht überbewerten muss. Wenn die Senatsmehrheit aber eine "praktische kompetenzbegründende Wirkung" mit der Erwägung verneinen möchte, dass die zur Rechtsetzung befugten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters dort den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht "und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet" haben, unterstellt sie ohne weitere Anhaltspunkte, dass die Rechtsauffassung des Gerichtshofs vom gesetzgeberischen Willen gedeckt war. Wenn es noch eines gegenteiligen Indizes bedurft hätte, zeigt doch die Verabschiedung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG sehr deutlich, dass insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ihre Handlungsspielräume keinesfalls in der Weise eingeschränkt wissen wollte, wie sie sich aus dem Urteil in der Rechtssache Mangold ergibt. Im Gegenteil: Der deutsche Vertreter im Rat hatte ersichtlich eine die Freiräume der Bundesrepublik Deutschland einschränkende gerichtliche Rechtsinterpretation nicht im Blick und musste diese auch nicht erkennen können.

113

Schließlich macht auch die Tatsache, dass die Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs für die heute geltende Rechtslage keine Folgen mehr haben dürfte, nachdem ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechte-Charta enthalten ist, den Verstoß nicht ungeschehen - vor allem nicht mit Blick auf den vorliegenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechts zu entscheiden hatte (vgl. BAG, Urteil vom 27. November 2003 - 2 AZR 177/03 -, juris, Rn. 16; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 170 EGBGB Rn. 3).

III.

114

Unter diesen Umständen war es dem Bundesarbeitsgericht verwehrt, sich auf das Urteil in der Rechtssache Mangold zu berufen, den klaren Normanwendungsbefehl des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG unangewendet zu lassen und der Entfristungsklage stattzugeben. Da es dem Gericht umgekehrt nach Art. 234 EGV von Gemeinschaftsrechts wegen - und über Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch von Verfassungs wegen - nicht freistand, unter offener Abweichung von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheiden, hätte der 7. Senat alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erwägen oder erörtern müssen, die sich abzeichnende Spannungslage aufzulösen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht - wie die Senatsmehrheit - die Kompetenzüberschreitung durch den Gerichtshof verkannt hat, zu Unrecht unterblieben.

115

Vorrangig wäre insofern die Inanspruchnahme von Rechtsschutz auf Unionsebene in Betracht gekommen, wie es auch im - freilich erst nach der hier angegriffenen Entscheidung ergangenen - Lissabon-Urteil ausgeführt ist. Das Bundesarbeitsgericht wäre ohne Weiteres in der Lage gewesen, den Gerichtshof im Wege des Verfahrens nach Art. 234 EGV erneut und unter Darlegung der bestehenden Bedenken mit der Frage zu befassen, ob das Gemeinschaftsrecht die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verlangte. Das Gemeinschaftsrecht stand einer solchen erneuten, erweitert begründeten Vorlage nicht entgegen (vgl. EuGH, Beschluss vom 5. März 1986 - Rs. C-69/85 -, Slg. 1986, S. 947 Rn. 15). In diesem Rahmen hätte auch die Möglichkeit bestanden, explizit die Frage nach einer möglichen zeitlichen Beschränkung der Urteilswirkungen zu stellen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 8. April 1976 - Rs. C-43/75, Slg. 1976, S. 455; Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 234 Rn. 67). Schon das Vorlageverfahren hätte mannigfache Möglichkeiten eröffnet, den sich abzeichnenden Konflikt zwischen verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen in kooperativer Weise und in einem frühen Stadium aufzulösen oder doch zu entschärfen.

116

Für den Fall einer vollumfänglichen Bestätigung der Mangold-Entscheidung hätte das Bundesarbeitsarbeitsgericht des Weiteren prüfen können und müssen, ob und inwieweit europarechtskonforme Entscheidungsmöglichkeiten bestanden, die den in § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen jedenfalls im Ergebnis respektiert hätten, etwa indem der vorliegende Rechtsstreit unter Nichtanwendung der genannten Vorschriften nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entschieden worden wäre. Nur wenn auch solche Wege nicht gangbar gewesen wären, hätte das Bundesarbeitsgericht den Weg der Normenkontrolle entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG zur förmlichen Feststellung der Kompetenzüberschreitung durch das Bundesverfassungsgericht gehen können und müssen. Dies zeigt im Übrigen, dass die Ultra-vires-Kontrolle über weite Strecken in europarechtsfreundlicher, kooperativer Weise ausgeübt werden kann; der eigentliche Akt der Feststellung von Kompetenzüberschreitung und Unanwendbarkeit durch das Bundesverfassungsgericht bleibt folglich in jedem Fall ultima ratio.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 95/09
vom
4. Februar 2010
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: nein
Veröffentlichung: ja
_____________________________
„Sich-Verschaffen“ im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB fordert kein kollusives
Zusammenwirken von Geldwäscher und Vortäter. Dieses Tatbestandsmerkmal
verlangt nur, dass der Geldwäscher die Verfügungsgewalt über den inkriminierten
Gegenstand im Einvernehmen mit dem Vortäter erlangt.
Einvernehmen setzt nicht voraus, dass das Einverständnis des Vortäters frei
von Willensmängeln ist. Deshalb ist es ohne Bedeutung, wenn der Vortäter infolge
von Täuschung oder Nötigung in die Übertragung der Verfügungsgewalt
„einwilligt“.
BGH, Urt. vom 4. Februar 2010 - 1 StR
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1. und 2.: Anstiftung zur Untreue u.a.
zu 3.: Untreue
zu 4. und 5.: Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlungen
vom 19. Januar 2010 und 4. Februar 2010, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 19. Januar 2010 -
und Rechtsanwalt
- in Untervollmacht in der Verhandlung vom 4. Februar 2010 -
als Verteidiger des Angeklagten Ga. ,
- in der Verhandlung vom 19. Januar 2010 -,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 19. Januar 2010 -
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 19. Januar 2010 -
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten E. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. S. ,
Justizangestellte
- in der Verhandlung vom 19. Januar 2010 -
und Justizangestellte
- in der Verhandlung vom 4. Februar 2010 -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 28. Juli 2008
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Verurteilung der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. wegen tateinheitlich begangener Geldwäsche im Fall B.III. der Urteilsgründe entfällt;
b) aufgehoben aa) im Schuldspruch mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite, soweit die Angeklagten E. S. und R. S. im Tatkomplex B.I. der Urteilsgründe wegen Betruges in sechs Fällen verurteilt wurden ; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten; bb) im Ausspruch der in den Fällen B.I. und B.III. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie im Ausspruch der Gesamtstrafen, soweit es die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. betrifft. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechts- mittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die Revision des Angeklagten K. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte K. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten E. S. und R. S. wegen Betruges in sechs Fällen (Tatkomplex B.I. der Urteilsgründe ) und Anstiftung zur Untreue in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Geldwäsche (Fälle B.II. und III. der Urteilsgründe) zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren (Angeklagter E. S. ) und von fünf Jahren und einem Monat (Angeklagter R. S. ) verurteilt. Die Angeklagten Ga. und G. wurden wegen Anstiftung zur Untreue in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Geldwäsche (Fälle B.II. und III. der Urteilsgründe) jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Angeklagte K. wurde wegen Untreue (Fall B.III. der Urteilsgründe) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Wegen einer von ihm festgestellten rechts- staatswidrigen Verfahrensverzögerung hat das Landgericht ausgesprochen, dass von den verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafen vier Monate (Angeklagter K. ), fünf Monate (Angeklagter E. S. ), sechs Monate (Angeklagte Ga. und G. ) beziehungsweise sieben Monate (Angeklagter R. S. ) als vollstreckt gelten.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. beanstanden zudem das Verfahren. Die Verfahrensrügen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. greifen aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 7. April 2009 ausgeführten Gründen nicht durch. Die Sachrügen führen diese Angeklagten betreffend zur Aufhebung des Urteils in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang. Der Revision des Angeklagten K. bleibt der Erfolg versagt.

A.


3
Der Senat entnimmt dem Urteil folgende Feststellungen und Wertungen:
4
I. Tatkomplex B.I. der Urteilsgründe:
5
1. Die Angeklagten E. S. und R. S. waren mit dem anderweitig Verurteilten M. eng verbunden. Ihnen war bekannt , dass M. die Kapitalanlagefirma A. GmbH mit Sitz in Mü. erworben hatte, bei der Anleger in erheblichem Umfang Geld zur Anlage in Future Trading-Geschäften einzahlten. Außerdem wussten sie, dass M. einen aufwändigen und luxuriösen Lebensstil pflegte. Demgegenüber war ihre eigene finanzielle Situation prekär, da die von ihnen betriebenen Firmen zahlungsunfähig waren beziehungsweise Liquiditätsschwierigkeiten hatten.
6
2. Im Herbst 2003 vereinbarten die Angeklagten E. S. und R. S. mit M. , diesem Briefgrundschulden - die freilich nicht werthaltig waren - zu beschaffen, um damit einzelnen Anlegern, die ansonsten zu einer Kapitalanlage bei der A. GmbH nicht bereit waren, eine Absicherung ihrer Einlage vorzutäuschen und sie so zu einer Investition bei der A. GmbH zu bringen. Das war, so M. als Zeuge, gerade der Kern der gemeinsam mit den Angeklagten S. entwickelten „Geschäftsidee“. Die Angeklagten E. S. und R. S. sollten dafür - ohne Wissen der Anleger, die jeweils darauf vertrauten, dass ihre gesamte Einlage vertragsgemäß ausschließlich für Trading-Geschäfte verwendet würde - über die zwischengeschaltete SW GmbH die Hälfte der auf diese Weise vereinnahmten Kundengelder als nicht näher ausgestaltetes Darlehen erhalten. Dabei wurde weder eine Vereinbarung über eine Rückzahlung getroffen, noch wurden solche Gelder letztlich überhaupt zurückgezahlt. Die Angeklagten E. S. und R. S. wollten sich auf diese Weise eine fortlaufende Einnahmequelle in nicht unerheblichem Umfang verschaffen.
7
3. Absprachegemäß schloss M. zwischen November 2003 und Juni 2004 selbst oder über von ihm eingeschaltete Vermittler für die A. GmbH auch in den hier abgeurteilten sechs Fällen mit Anlegern Zeichnungsvereinbarungen , in denen sich diese jeweils zur Zahlung einer Kapitalanlage zwischen 50.000 und 97.750 Euro verpflichteten. Die A. GmbH wurde ihrerseits verpflichtet, diese Gelder auf einem Sonderkonto zu verwahren und ausschließlich in Future Trading-Geschäften anzulegen. Den Anlegern wurde außerdem zugesichert, dass die A. GmbH das eingezahlte Geld auch dann zurückzahlen werde, wenn kein Gewinn erzielt würde. Als Sicherheit für diesen Rückzahlungsanspruch sollte die Briefgrundschuld dienen. Zur Übertragung der jeweiligen Grundschuld, die der Angeklagte E. S. auf eigene Grundstücke beziehungsweise auf Grundstücke diverser Firmen hatte eintragen lassen, wurden den Anlegern ein Grundschuldbrief sowie eine entsprechende Abtretungserklärung ausgehändigt. Tatsächlich waren die gestellten Grundschulden jedoch nicht werthaltig.
8
4. Im Vertrauen darauf schlossen die so getäuschten sechs Anleger die Zeichnungsvereinbarungen und überwiesen Geldbeträge in Höhe von insgesamt rund 350.000 Euro an die A. GmbH. Diese Gelder leitete M. , wie mit den Angeklagten E. S. und R. S. vereinbart, zu jeweils 50 % über die zwischengeschaltete SW GmbH an die Angeklagten E. S. und R. S. weiter. Aber auch die andere Hälfte der Kundengelder wurde nicht in Trading-Geschäften angelegt, sondern im Wesentlichen von M. - wie von diesem von Anfang an beabsichtigt - zur Finanzierung seines privaten Lebensunterhalts verwendet. Hätten die Anleger um die fehlende Werthaltigkeit der Grundschulden und um den Umstand gewusst, dass jedenfalls die Hälfte ihrer Anlage nicht in TradingGeschäfte investiert, sondern an die Angeklagten E. S. und R. S. weitergegeben werden wird, so hätten sie die Zeichnungsvereinbarung nicht geschlossen und die Gelder nicht überwiesen.
9
Die Anleger erhielten in der Folgezeit - wie von M. von Anfang an beabsichtigt - weder ihre Kapitaleinlage zurück, noch konnten sie aus den abgetretenen , nicht werthaltigen Grundschulden - bis auf einen geringfügigen Betrag von 1.500 Euro - eine Befriedigung erlangen.
10
5. Das Landgericht hat offen gelassen, ob den Angeklagten E. S. und R. S. die fehlende Werthaltigkeit der Grundschulden bekannt war, weil sich hierzu - nach Ansicht des Landgerichts - keine ausreichenden Feststellungen treffen ließen. Es vermochte sich lediglich davon zu überzeugen, dass der Angeklagte E. S. bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte voraussehen können, dass die Grundschulden einzelner Belastungsobjekte nicht werthaltig waren. Weiter war es für das Landgericht ohne Bedeutung, inwieweit und ab wann die Angeklagten E. S. und R. S. wussten oder damit rechneten, dass die A. GmbH in Wahrheit keine Trading-Geschäfte vornahm und dass M. die A. GmbH nur als Mittel zur Begehung eines gewerbsmäßigen Anlagebetruges nutzte.
11
II. Fall B.II. der Urteilsgründe:
12
1. Im Sommer 2004 hatten die Angeklagten E. S. und R. S. Kenntnis davon, dass Müller seinen luxuriösen Lebensstil jedenfalls im Wesentlichen fortlaufend durch die vertragswidrige Verwendung der Kapitaleinlagen der Anleger der A. GmbH finanzierte.
13
Anfang der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2004 beschlossen die Angeklagten R. S. und E. S. zusammen mit den Angeklagten Ga. (Notar im Ruhestand) und G. (von Beruf Rechtsanwalt), Gelder der A. GmbH an sich zu bringen und diese unter sich aufzuteilen. Sie rechneten damit - die Angeklagten Ga. und G. jedenfalls zum Zeitpunkt der am 3. September 2004 getroffenen Vereinbarung -, dass M. diese Gelder, die abredewidrig nicht auf Sonderkonten verwahrt waren, in betrügerischer Absicht eingeworben hatte, um fortlaufend erhebliche Einnahmen zu erzielen. Der Plan sah vor, M. aufgrund seiner Stellung als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A. GmbH zur Zahlung zu zwingen. In Ausführung dieses Plans gingen die Angeklagten wie folgt vor:
14
2. Ersichtlich deshalb, um ein Druckmittel gegen M. in die Hand zu bekommen, verschafften sich die Angeklagten eine gegen M. persönlich gerichtete Forderung, von der die Angeklagten S. Kenntnis hatten. Zu diesem Zweck kaufte der Angeklagte G. als verdeckter Treuhänder für die Firma T. - deren Gesellschafter waren die Angeklagten S. - mit Vertrag vom 10. August 2004 von Ki. dessen rechtskräftig titulierte Forderung gegen M. , die sich - einschließlich Zinsen - auf 1,46 Millionen Euro belief. Ki. hatte vergeblich versucht, die im Jahre 2000 titulierte Forderung zu vollstrecken. Der Kaufpreis für die Forderung betrug 160.000 Euro. Dieser sollte nur beglichen werden, wenn die Vollstreckung tatsächlich erfolgreich war. Die Forderung von Ki. stand zudem in keinem Zusammenhang mit der betrügerischen Einwerbung von Anlegergeldern. Sie beruhte auf einer Inanspruchnahme des Bruders von Ki. aus einer etwa zwanzig Jahre zurückliegenden Bürgschaft zugunsten von M. .
15
Auf der Grundlage dieser - gegen M. persönlich gerichteten - Forderung sollte ein Arrest, allerdings nicht gegen M. , sondern gegen die A. GmbH erwirkt werden, um deren Vermögenswerte zu pfänden. Auf diese Art sollte M. dazu gezwungen werden, Zahlungen an die Angeklagten zu leisten. Dabei rechneten die Angeklagten damit, dass M. die Forderung allenfalls zu einem geringen Teil aus eigenen Mitteln begleichen würde - zumal er sich in der Vergangenheit mehrmals bei Vollstreckungsversuchen als vermögenslos dargestellt hatte. Sie gingen vielmehr davon aus, dass er hierzu - zumindest zu einem wesentlichen Teil - unter Verletzung der vertraglichen Vermögensbetreuungspflichten gegenüber den Kunden der A. GmbH auf Gelder der Gesellschaft oder auch auf andere ihm ursprünglich von Kunden zur Geldanlage übergebene Gelder zugreifen würde. Über diese Gelder konnte er als Geschäftsführer der A. GmbH (im Außenverhältnis) verfügen.
16
Um M. zu bestärken, auf die gestellten Forderungen einzugehen, trieben die Angeklagten S. ein „doppeltes Spiel“. Sie gaben M. , der sich ihnen anvertraut hatte, gegenüber vor, ihm durch die Stellung einer Grundschuld und die Übernahme einer Bürgschaft helfen zu wollen („Hallo Freindl! … Wir stehen hinter Dir und helfen, was wir können.“).
17
3. Auf Grundlage dieses von Ki. erworbenen Titels beantragte der Angeklagte G. - dem gemeinsamen Tatplan entsprechend - am 17. August 2004 unter dem Namen Ki. s beim Landgericht München I den Erlass eines Arrestes gegen die A. GmbH. Dabei trug er vor, M. verstecke sein privates Vermögen im Vermögen der A. GmbH, um es dem zivilrechtlichen Zugriff seiner persönlichen Gläubiger zu entziehen. Deshalb hafte die Gesellschaft im Wege der „umgekehrten Durchgriffshaftung“ auch für die Verbindlichkeiten ihres Alleingesellschafters M. . Zur Glaubhaftmachung legte er eine entsprechende eidesstattliche Versicherung des Angeklagten K. vor (diesen Angeklagten betreffend wurde das Verfahren insofern gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt). Aufgrund dieses Vortrags erließ das Landgericht München I noch am selben Tag den beantragten Arrest gegen die A. GmbH. Anschließend erwirkte der Angeklagte G. am 19. August 2004 den Erlass von Pfändungsbeschlüssen bezüglich der Konten der A. GmbH - unter anderem bei der Sparkasse N. - und stellte diese den Drittschuldnern zu.

18
Die Pfändung der Konten der A. GmbH, auf denen sich die Kundengelder befanden, brachte für M. - was den Angeklagten E. S. , R. S. , Ga. und G. bewusst war - „wirtschaftlich vernichtende Probleme“ mit sich. M. musste deshalb insbesondere befürchten, dass seine Betrugstaten zum Nachteil der Kunden der A. GmbH aufgedeckt und für die Zukunft unterbunden zu werden drohten. Das hätte „für ihn den Zusammenbruch seiner Geschäftstätigkeit und Existenz“ bedeutet.
19
4. Nach der Kontenpfändung trat der Angeklagte G. - wiederum im Namen Ki. s - absprachegemäß an M. heran und drängte diesen zum Abschluss eines Vergleichs. Dabei kündigte er weiterhin andauernde Vollstreckungsmaßnahmen gegen die A. GmbH an und stellte gleichzeitig die Einleitung strafrechtlicher Schritte in Aussicht. Er wies M. insbesondere auf „die Problematik seiner Kontoführung“ hin, weil dieser entgegen den Zeichnungsvereinbarungen keine Treuhandkonten geführt habe und stattdessen über diese Konten „der gesamte Aufwand der A. mitsamt (seinem) kostspieligen Lebenswandel abgewickelt“ werde.
20
Gleichzeitig spiegelte der Angeklagte E. S. gegenüber M. , bewusst wahrheitswidrig und unter Verdeckung seiner wahren Absichten vor, ihn bei der Erledigung dieser Angelegenheit durch Übernahme einer Bürgschaft und Stellung einer Grundschuld über 500.000 Euro unterstützen zu wollen, um ihn, so getäuscht, zum Abschluss einer Vereinbarung mit dem Angeklagten G. zu bewegen.
21
5. So „gezwungen“, schloss M. am 3. September 2004 als Ergebnis der Verhandlungen mit dem Angeklagten G. eine Vereinbarung, in der er unter anderem die geltend gemachte Forderung anerkannte und sich verpflichtete , darauf sofort einen Betrag in Höhe von 575.000 Euro zu zahlen. Außerdem verpflichtete M. die A. GmbH, für seine - private - Verbindlichkeit als Gesamtschuldnerin zu haften.
22
Plangemäß verbürgte sich der Angeklagte E. S. in dieser Vereinbarung gegenüber dem Angeklagten G. selbstschuldnerisch unwiderruflich für M. s Verbindlichkeit über einen Betrag von 500.000 Euro. Dies tat er jedoch ausschließlich deswegen, damit der Verurteilte M. diese Vereinbarung auch abschloss.
23
Im Gegenzug verpflichtete sich der Angeklagte G. , unter anderem nach Zahlung des Betrages von 575.000 Euro und Abtretung der Grundschuld über 500.000 Euro durch den Angeklagten E. S. , unverzüglich die Konten der A. GmbH bis auf einen Restbetrag von 500.000 Euro freizugeben. Weiter verpflichtete er sich, in dieser Sache keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr gegen M. vorzunehmen und die bisher eingeleiteten Maßnahmen zurückzunehmen.
24
Die Verpflichtung zur Abtretung der Grundschuld durch den Angeklagten E. S. als Voraussetzung der Einstellung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens des Angeklagten G. diente dabei dazu, einen „garantierten Vertragsbruch“ M. s herbeiführen zu können, um erforderlichenfalls zusätzlichen Druck auf M. ausüben zu können, damit dieser Gelder der A. GmbH auskehrt.
25
6. Zur Erfüllung dieser Vereinbarung ließ M. am 3. und 6. September 2004 über das Anderkonto seines Rechtsanwalts H. insgesamt 575.000 Euro an den Angeklagten G. überweisen. Einen Teilbetrag von 450.000 Euro hatte er seinem Konto bei der Kantonalbank Sc. entnommen, auf das er in der Vergangenheit sowohl nicht bemakelte Provisionen in Höhe von 200.000 Euro als auch Anlagegelder der Kunden der A. GmbH überwiesen hatte. Die übrigen 125.000 Euro entnahm er einem Konto der F. , auf das er ausschließlich Kundengelder der A. GmbH eingezahlt hatte. Die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. teilten den erhaltenen Geldbetrag, wie von vorneherein vereinbart, unter sich auf.
26
7. Nach Auffassung der Kammer verstieß M. damit gegen die besondere Zweckbindung der Kundengelder, die er für die A. GmbH vereinbart hatte. Weiterhin entstand den Anlegern nach Ansicht des Landgerichts dadurch auch ein Schaden in Höhe von 375.000 Euro, weil durch die Zahlung eine „weitere, selbständige und wesentliche Vertiefung des Schadens eingetreten“ sei, „indem die Anlegergelder für eine Erfüllung der besonderen Verpflichtungen aus den Zeichnungsvereinbarungen endgültig nicht mehr zur Verfügung gestanden“ hätten.
27
III. Fall B.III. der Urteilsgründe:
28
1. Zeitgleich mit der Beantragung des Arrestes gegen die A. GmbH erwirkte der Angeklagte G. in Umsetzung des gemeinsamen Tatplans am 19. August 2004 beim Amtsgericht Fürstenfeldbruck die Pfändung der Geschäftsanteile M. s an der A. GmbH. Mit Beschluss vom 17. September 2004 ordnete das Amtsgericht Fürstenfeldbruck antragsgemäß den freihändigen Verkauf der Gesellschaftsanteile an.
29
2. Dem Angeklagten K. war bereits aufgrund seiner Mitwirkung an der Beantragung des Arrestes beim Landgericht München I sowie aus mehreren Besprechungen mit den Mitangeklagten bekannt, dass nunmehr im Wege der Vollstreckung der „Forderung Ki. “ auf die A. GmbH selbst zugegriffen werden sollte. Er war bereit, neuer Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A. GmbH zu werden, sofern er an den Erlösen des gemeinsamen Tätigwerdens finanziell beteiligt würde und die Aussicht bestünde , kurzfristig zu einem erheblichen Geldbetrag zu kommen. Hierzu kaufte er auf Vorschlag des Angeklagten Ga. für 60.000 Euro aus der „Forderung Ki. “ einen Teilbetrag von 200.000 Euro und ließ sich diesen von der T. abtreten.
30
3. Im Einvernehmen aller Angeklagter erwarb der Angeklagte K. zur Umsetzung dieses Plans zudem am 21. September 2004 für 10.000 Euro, die ihm die Angeklagten E. S. und R. S. zur Verfügung gestellt hatten, im Wege des freihändigen Verkaufs die Anteile M. s an der A. GmbH. Obwohl die erforderliche notarielle Beurkundung des Anteilserwerbs nicht erfolgte, gerierte sich der Angeklagte K. sogleich als neuer Inhaber der Gesellschaft. Er beschloss bereits am 22. September 2004 die Abberufung M. s als Geschäftsführer und bestellte sich selbst zum neuen Geschäftsführer. Mit Übernahme der faktischen Geschäftsführung traf den Angeklagten K. die der Gesellschaft aus den Zeichnungsvereinbarungen obliegende vertragliche Verpflichtung, die Gelder der Anleger nur zweckentsprechend zur Anlage in Trading-Geschäften zu verwenden.
31
Schon am 21. September 2004 hatte der Angeklagte K. - als faktischer Geschäftsführer der A. GmbH handelnd - mit dem Angeklagten G. eine (Nachtrags)Vereinbarung mit dem Inhalt geschlossen, dass die Vereinbarung vom 3. September 2004 anerkannt werde und dass der Angeklagte G. den ihm aus dem Titel Ki. zustehenden Betrag nebst Zinsen unverzüglich erhalte. Darüber hinaus traf der Angeklagte K. in Absprache mit den übrigen Angeklagten unter dem 23. September 2004 mit dem Angeklagten G. eine weitere Vereinbarung. In dieser wurde festgestellt, dass M. seine Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 3. September 2004 nicht eingehalten habe, so dass deshalb alle Zahlungsverpflichtungen daraus sofort fällig seien. Weiter wurde ausgeführt, dass der Angeklagte G. die gepfändeten Gelder freigegeben habe und dass die A. GmbH den fälligen Betrag an den Angeklagten G. zahlen werde, der ihn nach Abzug der ihm zustehenden Kosten und Gebühren auf ein neu zu eröffnendes Konto der A. GmbH zu überweisen habe.
32
4. Am 22. September 2004 begaben sich die Angeklagten K. und Ga. sodann gemeinsam zur Sparkasse N. . Dort gab sich der Angeklagte Ga. als Rechtsanwalt G. aus. Der Angeklagte K. ließ sich als neuer Geschäftsführer der A. GmbH die Bewegungen der Konten der Gesellschaft in der Zeit vor dem 22. September 2004 zeigen. Darin fand er bestätigt, dass sich die Konten - was ihm die Mitangeklagten bereits erklärt hatten - aus Anlegergeldern speisten, und dass M. sich durch Entnahmen an diesen Geldern bedient und damit der vertraglich vereinbarten Zweckbindung offenkundig zuwidergehandelt hatte. Anschließend erkannte der Angeklagte K. die Kontenpfändung an und überwies zu deren Erledigung - wie mit den übrigen Angeklagten zuvor vereinbart - von dem (ersten) Konto der A. GmbH bei der Sparkasse N. 681.580,53 Euro auf das Konto des Angeklagten G. bei der Hy. zur weiteren Verwendung.
33
5. Der Angeklagte G. leitete nach Einbehalt von 40.000 Euro den Rest des erhaltenen Geldes auf ein vom Angeklagten K. neu gegründetes Konto der A. GmbH bei der Hy. Mü. weiter. Der Angeklagte K. überwies außerdem weitere 166.000 Euro von einem (zweiten) Konto der A. GmbH bei der Sparkasse N. auf das neu eröffnete Konto, bevor er am 28. und 30. September 2004 absprachegemäß 640.000 Euro und 166.000 Euro von diesem Konto in bar abhob. Dieses Geld wurde unter den Angeklagten Ga. , K. , E. S. und R. S. aufgeteilt. Der Angeklagte K. beglich mit einem Teil davon den Kaufpreis für den von ihm erworbenen Anteil der „Forderung Ki. “.
34
6. Nach Ansicht des Landgerichts verstieß der Angeklagte K. mit der Zahlung vom ersten Konto bei der Sparkasse N. - wie allen Angeklagten bewusst war - gegen die von ihm als faktischem Geschäftsführer wahrzunehmenden besonderen Verpflichtungen der A. GmbH gegenüber ihren Anlegern, denen dadurch ein Schaden in Höhe von 681.580,53 Euro entstand.
35
Durch die weitere Zahlung vom zweiten Konto bei der Sparkasse N. habe der Angeklagte K. damit - wie allen Angeklagten bewusst war - wiederum gegen die von ihm als Geschäftsführer wahrzunehmenden besonderen Pflichten der A. GmbH gegenüber ihren Anlegern verstoßen, so dass diesen insgesamt ein Schaden in Höhe von 847.580 Euro entstanden sei.

B.



36
Die Verfahrensrügen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. greifen aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 7. April 2009 ausgeführten Gründen nicht durch.

C.


37
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrügen der Angeklagten hat zu folgendem Ergebnis geführt:
38
Fall B.I. der Urteilsgründe:
39
Die Verurteilungen der Angeklagten E. S. und R. S. wegen Betruges in sechs Fällen haben keinen Bestand, weil der Schädigungsvorsatz nicht tragfähig begründet ist.
40
Fall B.II. der Urteilsgründe:
41
Die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. sind zu Recht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Anstiftung zur Untreue (des M. ) verurteilt worden. Die Untreue liegt allerdings - anders als das Landgericht annimmt - nicht in M. s Überweisung von den bemakelten 375.000 Euro an den Angeklagten G. . Untreue liegt aber deshalb vor, weil M. in der Vereinbarung vom 3. September 2004 die A. GmbH dazu verpflichtete, für seine privaten Verbindlichkeiten einzustehen. Auch die Strafaussprüche sind - im Ergebnis - rechtsfehlerfrei.
42
Fall B.III. der Urteilsgründe:
43
Die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. haben sich nur wegen Anstiftung zur Untreue (des Angeklagten K. ) strafbar gemacht; eine tateinheitlich begangene Geldwäsche liegt hier hingegen nicht vor. Das führt zur Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der Strafaussprüche gegen diese Angeklagten. Der Angeklagte K. wurde zu Recht wegen Untreue verurteilt.
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I. Betrug (Fall B.I.)
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Die Verurteilungen der Angeklagten E. S. und R. S. wegen Betruges in sechs Fällen im Tatkomplex B.I. der Urteilsgründe haben keinen Bestand. Nach den Urteilsfeststellungen ist der Schädigungsvorsatz nicht ausreichend festgestellt, obwohl dieser - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat - durchaus nahe liegt.
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1. Das Landgericht hat zur Berechnung des Vermögensschadens einen Vermögensvergleich (vgl. dazu nur BGHSt 53, 199) vorgenommen und in diesen auch die Sicherheiten (vgl. dazu nur BGH StraFo 2009, 342) - hier die von den Angeklagten gestellten Grundschulden - einbezogen. Der Rückzahlungsanspruch der Anleger war von vorneherein im Wert erheblich vermindert; denn 50 % der Anlagegelder waren bereits pflichtwidrig, nämlich als „Darlehen“ - ohne konkrete Rückzahlungsvereinbarung -, an die Angeklagten E. S. und R. S. weitergegeben worden. Deshalb kam es hier auf die Werthaltigkeit der Grundschulden entscheidend an. Weil auch deren Wertlosigkeit rechtsfehlerfrei festgestellt ist, lag objektiv ein durch Täuschung bewirkter - mit der Hingabe der Anlagegelder unmittelbar eingetretener - Vermögensschaden der Anleger der A. GmbH vor.
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2. Das Landgericht hat indes offen gelassen, ob den Angeklagten der Vermögensschaden - wegen fehlender Werthaltigkeit der Grundschulden - bekannt war. Hierzu habe es „keine ausreichenden Feststellungen treffen“ können. Damit fehlt es an der für die Verurteilung wegen Betruges notwendigen Feststellung des Schädigungsvorsatzes. Denn dessen Wissenselement setzt in Fällen der vorliegenden Art - Kompensation durch Sicherheiten - voraus, dass der Täter im Zeitpunkt der Vermögensverfügung die Minderwertigkeit des Anspruchs der Anleger wegen wertloser Sicherheiten gekannt oder wenigstens für möglich gehalten hat (vgl. BGH StraFo 2009, 342 f.; NStZ-RR 2001, 328, 330 m.w.N.).
48
3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilungen der Angeklagten E. S. und R. S. wegen Betruges. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - durch Täuschung bewirkte Vermögensverfügungen der Anleger und aufgrund wertloser Sicherheiten eingetretener Vermögensschaden - können indes bestehen bleiben, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind.
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II. Geldwäsche (Fall B.II.)
50
Indem die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. M. dazu zwangen, auch von ihm betrügerisch eingeworbene Anlegergelder in Höhe von 375.000 Euro an sie auszuzahlen, haben sie sich wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Nach dieser Bestimmung begeht Geldwäsche, wer „sich“ einen in § 261 Abs. 1 StGB bezeichneten Gegenstand „verschafft“. Vortat war hier ein gewerbsmäßig begangener Betrug des M. (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a StGB).
51
„Sich-Verschaffen“ im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB fordert kein kollusives Zusammenwirken von Geldwäscher und Vortäter. Dieses Tatbestandsmerkmal verlangt nur, dass der Geldwäscher die Verfügungsgewalt über den inkriminierten Gegenstand im Einvernehmen mit dem Vortäter erlangt.
52
Einvernehmen setzt nicht voraus, dass das Einverständnis des Vortäters frei von Willensmängeln ist. Deshalb ist es ohne Bedeutung, wenn der Vortäter infolge von Täuschung oder Nötigung in die Übertragung der Verfügungsgewalt „einwilligt“.
53
1. Aus dem Wortlaut des Tatbestandsmerkmals „sich … verschafft“ lässt sich allerdings das Erfordernis eines Einvernehmens - und damit auch das Einverständnis des Vortäters - noch nicht ableiten. Der Wortlaut spricht eher gegen eine solche Einschränkung, weil diese Tatvariante nur die Handlung des Geldwäschers („s i c h v e r s c h a f f t“) umschreibt.
54
Dementsprechend ist das Sich-Verschaffen in anderen Strafvorschriften, wie beispielsweise in § 96, § 146 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 152a Abs. 1 Nr. 2 StGB auch weiter zu verstehen und schließt dort sogar ein Handeln gegen oder ohne den Willen des früheren Inhabers der Verfügungsgewalt ein. Das zeigt namentlich die Auslegung der beiden Tatbestandsvarianten „erwirbt oder sich sonst verschafft“ in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG. Dazu hat der BGH (BGHSt 42, 123, 128) ausgeführt:
55
„In § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sind der unerlaubte Erwerb und das Sichverschaffen in der Weise einander gegenübergestellt, dass u.a. mit Strafe bedroht ist, wer Betäubungsmittel unerlaubt erwirbt oder sich ‚in sonstiger Weise‘ verschafft. Daraus folgt, dass nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes der unerlaubte Betäubungsmittelerwerb im Sinne der rechtsgeschäftlichen Erlangung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel durch einverständliches Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer lediglich einen Unterfall des grundsätzlich weiterreichenden, sämtliche Fälle der Besitzerlangung umfassenden Sichverschaffens darstellt.“
56
Der unterschiedliche Bedeutungsinhalt dieses Tatbestandsmerkmals in anderen Straftatbeständen zeigt, dass das „Sich-Verschaffen“ tatbestandsspezifisch - anhand des jeweiligen Normzwecks - auszulegen ist (vgl. auch BGHSt 42, 196, 197 zur Hehlerei).
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2. Normzweck des § 261 Abs. 2 StGB ist es, den Vortäter gegenüber der Umwelt zu isolieren, indem der aus einer der in § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Straftaten herrührende Gegenstand „praktisch verkehrsunfähig“ gemacht wird (BGH NStZ-RR 2010, 53, 54). Der Isolierungstatbestand des § 261 Abs. 2 StGB ist damit auf die Vortat bezogen und schützt zugleich deren Rechtsgüter (BTDrucks. 12/989 S. 27; 12/3533 S. 13).
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a) Deshalb verlangen Rechtsprechung und auch ein Teil der Literatur, dass der Geldwäscher die Verfügungsgewalt über den inkriminierten Gegenstand auf abgeleitetem Wege, sprich im Einvernehmen mit dem Vortäter erlangt hat (BVerfG NJW 2004, 1305, 1306; BGH NStZ-RR 2010, 53, 54; Hoyer in SK-StGB 120. Lfg. § 261 Rdn. 15; Ruß in LK 11. Aufl. § 261 Rdn. 14; Neuheuser in MüKo-StGB § 261 Rdn. 66; BeckOK-StGB/Ruhmannseder § 261 Rdn. 31; Schröder/Textor in Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GwG - Kommentar zum Geldwäschegesetz, 5. Aufl. § 261 StGB Rdn. 42; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, 2. Aufl. S. 140; Körner, Geldwäsche, Teil 1 Rdn. 33; aA Altenhain in NK-StGB, 2. Aufl. § 261 Rdn. 114; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 261 Rdn. 8, 9; Otto, Grundkurs Strafrecht - BT, 7. Aufl. § 96 Rdn. 34; Spiske, Pecunia olet? S. 133; Mitsch, Strafrecht - BT 2, § 5 Rdn. 33; Kindhäuser, Strafrecht - BT II, 4. Aufl. § 48 Rdn. 12). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
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Erlangt der Täter die Verfügungsgewalt über den inkriminierten Gegenstand ohne das Einverständnis des Vortäters, also ohne oder gegen dessen Willen, so fehlt es am inneren Zusammenhang zwischen dem Isolierungszweck des § 261 Abs. 2 StGB und der Ächtung des Tatobjekts (BGH NStZ-RR 2010, 53, 54: gewaltsame Wegnahme durch Raub ist kein Sich-Verschaffen).
60
b) Einvernehmen setzt freilich nicht voraus, dass das Einverständnis des Vortäters frei von Willensmängeln ist. Deshalb ist es ohne Bedeutung, wenn der Vortäter infolge von Täuschung oder Nötigung in die Übertragung der Verfügungsgewalt „einwilligt“. Diese Auslegung belegt insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
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Der Straftatbestand der Geldwäsche, § 261 StGB, wurde durch Artikel 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität vom 15. Juli 1992 (BGBl I 1302) in das StGB eingefügt. Mit dessen Absatz 2 erfüllte der Gesetzgeber die Verpflichtung aus Artikel 3 Abs. 1 Unterabs. c (i) des (Wiener) Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotrophen Stoffen vom 20. Dezember 1998.

62
aa) Das Wiener Übereinkommen verpflichtete die Vertragsparteien in dem genannten Artikel u.a., den „Erwerb“ (im englischen Originaltext „acquisition“ ) von Vermögensgegenständen als Straftat zu umschreiben, wenn der Betreffende bei Erhalt weiß, dass diese Vermögensgegenstände aus bestimmten Katalogtaten stammen. Artikel 3 Abs. 6 des Übereinkommens enthält zudem , auch für die Rechtsanwender eine Vorgabe, die gegen eine - vom Wortlaut nicht gebotene - zu restriktive Auslegung der Strafbestimmung spricht:
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„Die Vertragsparteien sind bestrebt sicherzustellen, dass eine nach ihrem innerstaatlichen Recht bestehende Ermessensfreiheit hinsichtlich der Strafverfolgung von Personen wegen in Übereinstimmung mit diesem Artikel umschriebener Straftaten so ausgeübt wird, dass die Maßnahmen der Strafrechtspflege in Bezug auf diese Straftaten größtmögliche Wirkung erlangen, wobei der Notwendigkeit der Abschreckung … gebührend Rechnung zu tragen ist.“
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bb) Auch die Geldwäscherichtlinien (1. Richtlinie 91/308/EWG vom 10. Juni 1991; 2. Richtlinie 2001/97/EG vom 4. Dezember 2001; 3. Richtlinie 2005/60/EG vom 26. Oktober 2005) verpflichten (auch hinsichtlich weiterer Katalogtaten als Vortat) dazu, u.a. den „Erwerb“ von Gegenständen als Geldwäsche zu bestrafen, wenn dem Betreffenden bei der Übergabe dieser Vermögensstände bekannt war, dass diese Gegenstände aus einer kriminellen Tätigkeit oder aus einer Teilnahme an einer solchen Tätigkeit stammen. Die Mitgliedstaaten können zur Verhinderung der Geldwäsche auch strengere Vorschriften erlassen (Art. 5 der 3. Geldwäscherichtlinie) und auch weitere Straftaten benennen (Art. 1 E der 1. Geldwäscherichtlinie idF der 2. Geldwäscherichtlinie

).



65
cc) Der Gesetzgeber, der danach auch die Möglichkeit gehabt hätte, (nur) den „Erwerb“ unter Strafe zu stellen, hat sich für die - weitergehende (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) - Tathandlung des „Sich-Verschaffens“ entschieden. Schon das spricht dafür, dass er damit Tathandlungen, die über die engere Variante „Erwerb“ hinausgehen, unter Strafe stellen wollte. Er wollte die Tathandlung des „Sich-Verschaffens“ dem Hehlereitatbestand des § 259 StGB entnehmen, „so dass die dazu in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze anwendbar sind“ (BTDrucks. 12/989 S. 27 und 12/3533 S. 13).
66
Nach der zu diesem Zeitpunkt in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Meinung - auf die der Gesetzgeber Bezug nahm - war es für das Sich-Verschaffen noch ohne Bedeutung, ob im Rahmen des § 259 Abs. 1 StGB der Vortäter durch Täuschung oder Nötigung zur Übertragung der Herrschaftsgewalt veranlasst wurde (RGSt 35, 278, 281 [zum identischen Merkmal des „Ansichbringens“]; Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl. § 259 Rdn. 16; Lackner, StGB 19. Aufl. § 259 Rdn. 10; Stree in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 259 Rdn. 42; Ruß in LK 10. Aufl. § 259 Rdn. 17 jew. m.w.N.; aA Rudolphi JA 1981, 1, 5; Otto Jura 1988, 606, 607; Seelmann JuS 1988, 39, 40; aA möglicherweise BGH wistra 1984, 22, 23, jedoch ohne nähere Begründung). Der Senat entnimmt deshalb den Materialien, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift von diesem weiten Begriffsverständnis des Sich-Verschaffens ausging.
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dd) Dieselbe Auslegung des Merkmals „Sich-Verschaffen“ in § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB rechtfertigt sich auch aus dem geschützten Rechtsgut dieser Vorschrift. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Strafvorschrift gegen Geldwäsche dazu beitragen, die rechtlichen Möglichkeiten zur Abschöpfung illegal erlangter Gewinne zu verbessern (BTDrucks. 12/3533 S. 10/11). Sie soll den staatlichen Zugriff auf inkriminierte Vermögenswerte gewährleisten und deren Einschleusen in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf verhindern (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 26; BGHSt 53, 205, 209; 50, 347, 354 m.w.N.). Geschützt werden soll die Aufgabe der staatlichen Rechtspflege, die Wirkungen von Straftaten zu beseitigen (BTDrucks. 12/3533 S. 11; BGHSt 53, 205, 209). Insbesondere § 261 Abs. 2 StGB soll - als Auffangtatbestand - auch dazu beitragen , den Vortäter in finanzieller Hinsicht gegenüber der Umwelt zu isolieren und den inkriminierten Gegenstand praktisch verkehrsunfähig zu machen (BTDrucks. 12/3533 S. 11; 12/989 S. 27).
68
ee) Dieses vom Gesetzgeber verfolgte Ziel kann nur dann - wie vom Wiener Übereinkommen verlangt - effektiv erreicht werden, wenn die Vorschrift des § 261 StGB möglichst alle wirtschaftlichen Transaktionen im Zusammenhang mit den Katalogtaten weitgehend erfasst und daraus resultierende wirtschaftliche Vorteile abgeschöpft werden und zwar unabhängig davon, ob der Vortäter die Verfügungsgewalt über den inkriminierten Gegenstand aufgrund einer Willensbeeinflussung durch Täuschung oder Druck übertragen hat.
69
3. Der vorgenommenen Auslegung des Tatbestandsmerkmals „SichVerschaffen“ in § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB steht nicht entgegen, dass das SichVerschaffen bei der Hehlerei von Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur zwischenzeitlich enger ausgelegt wird.
70
Mit Urteil vom 25. Juli 1996 - nach Einführung des Geldwäschetatbestandes im Jahr 1992 - hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGHSt 42, 196, 198) entschieden, dass es an dem für das „Sich-Verschaffen“ in § 259 Abs. 1 StGB erforderlichen einverständlichen Zusammenwirken auch dann fehlt, wenn der Täter den Vortäter durch Drohungen zur Übertragung der Verfügungsmacht veranlasst (ebenso Fischer, StGB 57. Aufl. § 259 Rdn. 13; Hoyer in SK-StGB 120. Lfg. § 259 Rdn. 31; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 259 Rdn. 10; Lauer in MüKo-StGB § 259 Rdn. 61; BeckOK-StGB/Ruhmannseder § 259 Rdn. 17.2; aA weiterhin Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 259 Rdn. 42).
71
Hierbei handelt es sich freilich um eine - allein - für die Hehlerei tatbestandstypische engere Auslegung. Diese hat der 4. Strafsenat des BGH maßgeblich mit Blick auf die dort genannten anderen Tatvarianten, insbesondere das „Ankaufen“ und die Absatzhilfe vorgenommen. Danach liege das Wesen der Hehlerei in dem Hilfeleisten des Täters nach der Tat (Zusammenwirken von Vortäter und Hehler). Solche, auf ein Zusammenwirken von Vortäter und Geldwäsche abstellende und damit mit der Hehlerei vergleichbare Tatvarianten enthält der Straftatbestand der Geldwäsche in § 261 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB indes nicht. Deshalb kann sich die neuere restriktive Auslegung des „Sich-Verschaffens“ in § 259 StGB nicht in gleicher Weise auf § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auswirken.
72
4. Im vorliegenden Fall hat M. - wenn auch nicht aus freien Stücken - so doch gleichwohl im Einvernehmen mit den Angeklagten und damit auch „gewollt“ die betrügerisch eingeworbenen Anlagegelder ausbezahlt. Die „Vereinbarung“ vom 3. September 2004 war das Ergebnis seiner „Verhandlungen“ mit dem Angeklagten G. . Die Bezahlung bewirkte M. , indem er am selben Tag und auch drei Tage später Überweisungen ausstellte. Schon nach diesem äußeren Erscheinungsbild haben sich die Angeklagten die Gelder nicht auf eine Art und Weise verschafft, die auch nur im Grenzbereich zu einem Raub liegt.

73
Deshalb steht die Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH vom 29. Oktober 2009 (NStZ-RR 2010, 53) der hier vorgenommenen Auslegung des „Einvernehmens“ nicht entgegen. Dort hatte der Täter den inkriminierten Gegenstand dem Vortäter nämlich gewaltsam, also ohne dessen Mitwirkung und gegen dessen Willen weggenommen. Raub ist - wie der 4. Strafsenat zu Recht ausführt - kein einvernehmliches Sich-Verschaffen im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB mehr.
74
Der Senat kann offen lassen, ob sich die Angeklagten zugleich auch tateinheitlich wegen Betruges, Nötigung oder Erpressung (vgl. BGHSt 5, 254, 258; 42, 196) strafbar gemacht haben; insofern sind sie jedenfalls nicht beschwert.
75
5. Im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, ob - was grundsätzlich durchaus bedenkenswert erscheint - eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche ausscheidet , wenn ein Rechtsanwalt im Auftrag eines Gläubigers eine (nicht bemakelte ) Forderung beitreibt und dabei auch in Kauf nimmt, auf anderweitig i.S.d. § 261 Abs. 1 StGB inkriminiertes Vermögen des Schuldners zuzugreifen.
76
a) Für eine derartige restriktive Auslegung könnte insbesondere sprechen , dass nach der Ergänzung der 1. Geldwäscherichtlinie durch die 2. Geldwäscherichtlinie (Artikel 2a Nr. 5 und Artikel 6) selbstständige Angehörige von Rechtsberufen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in einem Gerichtsverfahren privilegiert sind (vgl. auch EuGH, Urt. vom 26. Juni 2007 - C-305/05 = NJW 2007, 2387).
77
Die Privilegierung gilt insbesondere für die berufliche Verschwiegenheitspflicht. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 17 der 2. Geldwäscherichtlinie ist es „nicht angebracht“ Rechtsanwälte, die einen Klienten in einem gesetzlich normierten Verfahren vertreten, im Hinblick auf diese Tätigkeiten zur Meldung des Verdachts der Geldwäsche zu verpflichten. Folglich unterliege „die Rechtsberatung weiterhin der beruflichen Geheimhaltungspflicht, es sei denn, der Rechtsberater ist an Geldwäschevorgängen beteiligt, die Rechtsberatung wird zum Zwecke der Geldwäsche erteilt oder der Rechtsanwalt weiß, dass der Klient die Rechtsberatung für Zwecke der Geldwäsche in Anspruch nimmt.“
78
Jedenfalls bei den in der Erwägung genannten Fallgruppen, in denen die Privilegierung bei der beruflichen Geheimhaltungspflicht entfällt, scheidet nach Ansicht des Senats auch eine Privilegierung durch eine restriktive Auslegung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus (vgl. auch die Ausführungen des EuGH aaO zum fairen Verfahren unter Rdn. 86). Solch eine Fallgruppe liegt hier vor: Kauf und Beitreibung der titulierten Forderung Ki. s erfolgten allein deshalb, um auch die i.S.d. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a StGB betrügerisch eingeworbenen Anlagegelder zu erlangen, mithin zum Zwecke der Geldwäsche. Zudem wusste auch der Angeklagte G. , dass seine anwaltliche Tätigkeit für Zwecke der Geldwäsche in Anspruch genommen wurde.
79
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Erwerb und die Geltendmachung der titulierten Forderung Ki. s gegen M. ausschließlich Mittel zum Zweck, um Zugriff auf die ertrogenen Anlagegelder zu erlangen. Diese Feststellungen hat das Landgericht tragfähig begründet:
80
Der Plan, die Forderung Ki. s zu kaufen, beruhte darauf, dass die mit M. langjährig befreundeten Angeklagten E. und R. S.
um die persönliche und finanzielle Situation M. s wussten. Sie hatten deswegen auch Kenntnis von dieser Forderung. Dieses Wissen nutzten sie aus. Gemeinsam mit den Angeklagten Ga. und G. übten sie mittels dieser Forderung Druck auf M. aus und zwangen ihn so zur Herausgabe der inkriminierten Gelder.
81
Dass Kauf und Beitreibung der Forderung nur Mittel zu diesem Zweck waren, konnte das Landgericht auch daraus folgern, dass diese weit unter Wert und ohne jegliches Risiko erworben wurde, da der Kaufpreis nur im Falle einer erfolgreichen Forderungsdurchsetzung fällig wurde. Das Landgericht hat dabei auch bedacht, dass der wahre Zweck zusätzlich verschleiert wurde, indem der Angeklagte G. die Forderung als verdeckter Treuhänder der von den Angeklagten E. und R. S. beherrschten T. kaufte. Die Angeklagten E. und R. S. traten deshalb nach außen bewusst nicht selbst in Erscheinung, um M. über ihr tatsächliches Vorhaben zu täuschen. Mit dem Vortrag, M. verstecke sein privates Vermögen in der A. GmbH, verschafften sie sich einen Arrestbeschluss gegen die Gesellschaft. Dabei rechneten sie jedenfalls im Zeitpunkt der Vereinbarung mit M. vom 3. September 2004 damit, dass das Vermögen der A. GmbH nahezu ausschließlich aus betrügerisch erlangten Anlegergeldern bestand und dass M. die Forderung zumindest zu einem wesentlichen Teil nicht mit eigenen, sondern mit solchen Geldern der A. GmbH befriedigen wird.
82
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag, M. verstecke sein privates Vermögen in der A. GmbH, der zum Erlass des Arrestes gegen die Gesellschaft führte, (jedenfalls objektiv) unzutreffend war. Denn die Vorgehensweise der Angeklagten war und sollte - so die Würdigung des Landgerichts - eben nicht der übliche und strafrechtlich unbedenkliche Vorgang sein, bei dem eine titulierte Forderung durch gerichtliche Maßnahmen beigetrieben wird. Das trägt die Feststellung, dass Zweck und Plan des Vorgehens bei Forderungskauf und -beitreibung vielmehr insbesondere waren, auf von M. betrügerisch eingeworbene Anlegergelder zugreifen zu können, sich diese einzuverleiben und sodann unter sich aufzuteilen.
83
6. Der Strafbarkeit wegen Geldwäsche steht die Regelung des § 261 Abs. 6 StGB nicht deshalb entgegen, weil M. die bemakelten Gelder über das (zwischengeschaltete) Anderkonto seines Rechtsanwalts H. an die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. transferiert hat.
84
a) Nach § 261 Abs. 6 StGB macht sich der Erwerber eines geldwäschetauglichen Gegenstandes nicht nach § 261 Abs. 2 StGB strafbar, wenn zuvor ein Dritter diesen Gegenstand tatsächlich erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat begangen zu haben. Diese Vorschrift schränkt den Tatbestand des § 261 Abs. 2 StGB ein, um zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs die Entstehung unangemessen langer Ketten von Anschlusstaten zu verhindern (BTDrucks. 12/989 S. 28). Sie soll dem gutgläubigen Erwerber eines inkriminierten Gegenstandes ermöglichen, diesen unbeeinträchtigt von § 261 Abs. 2 StGB weiterveräußern zu können (vgl. BTDrucks. 12/3533 S. 14 f.; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 261 Rdn. 14; Neuheuser in MüKo-StGB § 261 Rdn. 68; BeckOK-StGB/Ruhmannseder § 261 Rdn. 35 jew. m.w.N.).
85
b) Dementsprechend erfasst § 261 Abs. 6 StGB den vorliegenden Fall des Transfers inkriminierter Gelder über das Anderkonto eines gutgläubigen Rechtsanwalts an einen bösgläubigen Dritten (hier an die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. ) nicht. Zwar wurde dem nach den Urteilsfeststellungen gutgläubigen Rechtsanwalt H. straflos das vom Vortäter M. an ihn überwiesene bemakelte Geld auf dem Anderkonto bei seiner Bank gutgeschrieben. Aber M. behielt dadurch weiterhin die Verfügungsmacht über das Geld als Vermögensgegenstand i.S.d. § 261 Abs. 1 StGB. Diese beruhte auf der vertraglichen Vereinbarung mit Rechtsanwalt H. , die allein die Weiterleitung dieses Geldbetrages an den Dritten beinhaltete. Durch die weisungsgemäße Weiterleitung des Geldbetrages an die Dritten - hier die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. -, war es tatsächlich M. und nicht H. , der demgemäß direkt über diese bemakelte Forderung auf dem Anderkonto verfügte. Deshalb trat zugunsten der Dritten ein strafloser Vorerwerb durch den gutgläubigen Rechtsanwalt H. i.S.v. § 261 Abs. 6 StGB nicht ein. Daher haben sich die bösgläubigen Geldempfänger, die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. , wegen Geldwäsche strafbar gemacht.
86
Dieses Ergebnis ist sachgerecht, weil nur so - entsprechend den gesetzgeberischen Zielvorstellungen (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 26) - verhindert wird, Anderkonten als „legale Geldwaschanlagen“ missbrauchen zu können (in diesem Sinne für Fälle der Einzahlung bemakelter Gelder auf Bankkonten: Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 261 Rdn. 14; Fischer, StGB 57. Aufl. § 261 Rdn. 29; Neuheuser in MüKo-StGB § 261 Rdn. 69; BeckOKStGB /Ruhmannseder § 261 Rdn. 37.1 jew. m.w.N.; aA insofern Hamm NJW 2000, 636, 638).
87
7. Schließlich stehen auch die Konkurrenzregel und der persönliche Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB (vgl. dazu BGHSt 53, 205, 207) der Strafbarkeit wegen Geldwäsche nicht entgegen. In Ergänzung der zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 7. April 2009 sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:
88
a) Soweit die Angeklagten E. S. und R. S. im Tatkomplex B.I. der Urteilsgründe gemeinsam mit M. gewerbsmäßig sechs Betrugstaten begangen haben, ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen nicht, dass M. , der eine Vielzahl von Betrugstaten „zum Nachteil hunderter Kunden“ verübt hat, im Fall B.II. der Urteilsgründe mit aus diesen sechs Taten stammenden Anlegergeldern die von den Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. an ihn gerichtete Forderung in Höhe von 575.000 Euro beglichen hat. Eine entsprechende Aufklärungsrüge ist insofern nicht erhoben.
89
b) Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils finanzierte M. vielmehr mit der - nach Weiterleitung des 50 %-igen Taterlöses an die Angeklagten E. S. und R. S. - ihm verbliebenen Hälfte der gemeinsam betrügerisch erlangten Kundengelder „im wesentlichen nur seinen privaten Lebensbedarf … in Form einer außerordentlich luxuriösen Lebensführung.“ Aufgrund dessen gibt es - auch in Anbetracht des im Vergleich zu den von M. im Übrigen erzielten Taterlösen verhältnismäßig geringen Betrages - keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Gelder aus den von den Angeklagten E. S. und R. S. mitbegangenen sechs Betrugstaten auf M. s Konto bei der Kantonalbank Sc. oder auf dem Konto der F. befunden haben.
90
III. Anstiftung zur Untreue (Fall B.II.)
91
Die Verurteilungen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. wegen Anstiftung zur Untreue des M. halten im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
92
a) Unzutreffend ist freilich die rechtliche Bewertung des Landgerichts, M. habe - zum Nachteil der Anleger - einen Vermögensschaden dadurch herbeigeführt, dass er an den Angeklagten G. Überweisungen von Konten tätigte, deren Inhaber nicht die A. GmbH war.
93
Ein Vermögensnachteil in Form der Schadensvertiefung ist durch diese Zahlungen nicht eingetreten. Zwar stammten die Gelder nach den Urteilsfeststellungen - jedenfalls in Höhe eines Betrages von 375.000 Euro - ursprünglich aus zweckgebundenen Kundengeldern, die M. im Wege des gewerbsmäßig begangenen Betruges erlangt hatte. Diese Gelder hatte M. aber bereits zuvor ohne Mitwirkung der Angeklagten den Konten der A. GmbH entnommen und auf ein privates Konto in der Schweiz sowie auf das Konto einer anderen, von ihm persönlich beherrschten Gesellschaft eingezahlt.
94
Bereits durch diese pflichtwidrige Entnahme der Gelder zur eigenen Verwendung M. s hatten die Anleger der A. GmbH einen Vermögensverlust erlitten. Ein den Nachteil kompensierender deliktischer oder vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen einen zahlungswilligen und mit ausreichenden liquiden Mitteln versehenen Täter - oder gegen eine seiner Gesellschaften - lag ersichtlich nicht vor (vgl. dazu BGH NStZ 2008, 457). Da der Schaden demnach mit der zweckwidrigen Verfügung bereits eingetreten war, entstand durch die von den Angeklagten veranlasste Zahlung zur Begleichung privater Verbindlichkeiten keine (weitere) Schadensvertiefung zum Nachteil der Anleger. Gleiches gilt auch für eine Untreue zum Nachteil der A. GmbH.
95
b) Mangels Pflichtwidrigkeit liegt auch keine Untreue - zum Nachteil der A. GmbH - durch die in der Vereinbarung vom 3. September 2004 begründete gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschaft für die privaten Verbindlichkeiten M. s vor.
96
Vermögensnachteilige Dispositionen des geschäftsführenden Alleingesellschafters einer GmbH, die offen erfolgen, sind grundsätzlich nicht pflichtwidrig , solange damit keine Beeinträchtigung des Stammkapitals (zu den Auswirkungen der Änderung von § 30 GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen - MoMiG - vgl. OLG Stuttgart, Beschl. vom 14. April 2009 - 1 Ws 32/09) oder keine konkrete wirtschaftliche Existenzgefährdung der Gesellschaft einhergeht (BGHSt 35, 335, 336 f.; 49, 147, 157 f.; BGH wistra 2006, 265; Fischer, StGB 57. Aufl. § 266 Rdn. 96 m.w.N.).
97
Derartiges ist durch die bisherigen Feststellungen, die keinerlei Auskunft zum Stammkapital oder zur Vermögenssituation der A. GmbH geben, nicht belegt (zu den Anforderungen der Feststellung einer konkreten Existenzgefährdung vgl. BGH NStZ-RR 2007, 79, 80). Das Landgericht hat sich mit diesem Aspekt der Untreuestrafbarkeit nicht auseinandergesetzt. Dass durch die Vereinbarung die Existenz der A. GmbH konkret gefährdet oder ihr Stammkapital angegriffen wurde, versteht sich vorliegend auch nicht von selbst (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2007, 79, 80; 2005, 86). Denn nach den Urteilsfeststellungen konnten noch im Jahr 2007 im Rahmen eines Verteilungsverfahrens gegen die A. GmbH ein Betrag von über 795.000 Euro von Konten der Gesellschaft sowie eine weitere Million Euro von Konten der A. GmbH und einer weiteren von M. geführten Firma hinterlegt werden.
98
c) Dennoch haben die Schuldsprüche wegen tateinheitlich begangener Anstiftung zur Untreue - zum Nachteil der Anleger - auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen Bestand.
99
Danach beging M. durch die Begründung der gesamtschuldnerischen Haftung der A. GmbH für seine privaten Verbindlichkeiten in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro eine Untreue, und zwar zum Nachteil der Anleger. Er verletzte dadurch die ihm als Geschäftsführer obliegende Vermögensbetreuungspflicht der A. GmbH gegenüber ihren Anlegern und führte bei diesen einen Vermögensschaden in Form der Schadensvertiefung herbei, weil ihre bereits gefährdeten Rückzahlungsansprüche gegen die Gesellschaft dadurch faktisch wertlos wurden.
100
Der von den Angeklagten erwirkte Arrest und die darauf beruhende Pfändung der Bankkonten hatten die Rückzahlungsansprüche der Anleger zwar bereits gefährdet; endgültig verloren waren diese dadurch indes noch nicht. Denn weder der Arrest noch die Pfändung bewirkten eine Haftung der A. GmbH für M. s persönliche Schulden. Sie schafften vor allem auch keine Rechtsposition, die schon zur Befriedigung der Arrestforderung und damit dann auch zu einem Vermögensverlust der Anleger geführt hätte. Sowohl der Arrest als auch die darauf beruhende Pfändung dienen ausschließlich einer lediglich vorläufigen Sicherung der Zwangsvollstreckung (vgl. BGHZ 121, 98, 101).
101
Der tatsächliche Schaden der Anleger ist vielmehr erst durch das Schuldanerkenntnis M. s in der Vereinbarung vom 3. September 2004 eingetreten. Denn dadurch wurde die A. GmbH, deren Vermögen im Wesentlichen nur aus den betrügerisch vereinnahmten Kundengeldern bestand, zur gesamtschuldnerischen Haftung für persönliche Verbindlichkeiten M. s verpflichtet. Jetzt war die Rechtsstellung der Anleger der A. GmbH nahezu aussichtslos, denn nach Abgabe des Schuldanerkenntnisses war ein gerichtlicher Rechtsschutz gegen den Arrest und die Pfändung der Bankkonten der A. GmbH nicht mehr durchsetzbar. Das Anerkenntnis führte faktisch zum Verlust der auf den Konten befindlichen Anlegergelder. Das hat - bei wirtschaftlicher Betrachtung - die Rückzahlungsansprüche der Anleger vollends wertlos gemacht und deshalb einen Vermögensschaden herbeigeführt.
102
Dieser rechtlichen Bewertung steht § 265 StPO nicht entgegen. Bereits die Anklageschrift stellt im Rahmen des Untreuevorwurfs auch - wie der Senat - auf eine Pflichtverletzung M. s durch die Begründung der gesamtschuldnerischen Haftung der GmbH für seine persönlichen Verbindlichkeiten ab. Darüber hinaus kann der Senat ausschließen, dass sich die betroffenen Angeklagten anders als geschehen hätten verteidigen können.
103
IV. Geldwäsche und Anstiftung zur Untreue (Fall B.III.)
104
1. Die Verurteilungen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. wegen tateinheitlich begangener Geldwäsche im Fall B.III. der Urteilsgründe haben keinen Bestand. Hier haben sich diese Angeklagten die Gelder nicht im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verschafft, da es an dem dafür erforderlichen tatsächlichen Einverständnis des Vortäters M. fehlt.

105
M. wirkte hierbei in keiner Weise mit. Vielmehr griffen die Angeklagten durch die Pfändung der Gesellschaftsanteile M. s im Wege der Zwangsvollstreckung, dessen Abberufung als Geschäftsführer der A. GmbH und der nachfolgenden absprachegemäßen Einsetzung des Angeklagten K. als Geschäftsführer gegen M. s Willen auf die inkriminierten Vermögenswerte zu. Die Verurteilungen der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. wegen tateinheitlich begangener Geldwäsche im Fall B.III. mussten daher in Wegfall kommen. Der Senat hat den Schuldspruch insofern abgeändert.
106
2. Die Überprüfung der Verurteilungen des Angeklagten K. wegen Untreue und der Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. wegen tateinheitlich begangener Anstiftung zur Untreue des K. hat weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt. Sie sind aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 7. April 2009 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen nicht zu beanstanden.
107
V. Strafaussprüche
108
1. Die Aufhebung und Berichtigung der Schuldsprüche in den Fällen B.I. und III. der Urteilsgründe zieht, die Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. betreffend, die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafaussprüche sowie der diese Angeklagten betreffenden Gesamtstrafenaussprüche nach sich.
109
2. Indes haben die im Fall B.II. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen Bestand.
110
a) Das Landgericht hat insofern die Strafen ausdrücklich dem Strafrahmen des § 261 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB entnommen. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass der Umstand, dass das Landgericht eine im Rahmen des § 266 StGB relevante Strafrahmenverschiebung der Anstifter nach § 28 Abs. 1 StGB (siehe dazu unten) rechtsfehlerhaft nicht bedacht hat, die davon betroffenen Angeklagten beschwert.
111
b) Entgegen der Ansicht der Revision des Angeklagten G. unterliegt dessen Strafausspruch auch nicht deshalb der Aufhebung, weil bei ihm das umfassende Vorhalte- und Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG vorliegt. Denn die 15-jährige Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG für die Verurteilungen vom 14. Juli 1993 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Beihilfe zur Untreue in drei Fällen und vom 1. Juni 1990 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen Anstiftung zur Untreue war im Zeitpunkt der gegenständlichen Verurteilung am 28. Juli 2008 bereits abgelaufen. Das führte zum Vorhalte - und Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG.
112
Darauf beruht der Strafausspruch aber nicht. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung diese Vorstrafe ausschließlich bei der Aufzählung der zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte in seine Überlegungen eingestellt. Zu seinen Lasten hat das Landgericht diese Vorverurteilung gerade nicht gewertet (vgl. BGH, Urt. vom 19. Februar 1992 - 2 StR 454/91; BeckOK-StPO/Bücherl § 51 BZRG Rdn. 46).
113
c) Dass das Landgericht den Angeklagten Ga. trotz der Verurteilung vom 12. Mai 2003, rechtskräftig seit 4. Juni 2003, wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, rechtsfehlerhaft als „zur Tatzeit nicht vorbestraft“ erachtet hat, beschwert ihn nicht.
114
VI. Hinweise
115
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
116
1. Im Fall B.III. der Urteilsgründe wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung wegen Anstiftung zur Untreue zu prüfen, ob - bei Beachtung des Verschlechterungsverbots - der Strafrahmen des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB zur Anwendung kommt. Angesichts der Schadenshöhe liegt die Annahme eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes (vgl. dazu Fischer, StGB 57. Aufl. § 263 Rdn. 214 ff.) nahe.
117
Gleichzeitig wird jedoch auch die Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen sein. Die Vermögensbetreuungspflicht gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal im Sinne dieser Vorschrift (BGH wistra 2009, 105; BGHR StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 1), das bei den Angeklagten Ga. , G. , E. S. und R. S. fehlte.
118
2. In der Urteilsformel ist der Anrechnungsmaßstab für die von den Angeklagten R. S. und E. S. in Österreich erlittene Auslieferungshaft anzugeben, § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09; Beschl. vom 6. April 2006 - 3 StR 93/06 jew. m.w.N.). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 393/02
vom
28. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Januar
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landge- richts Mosbach vom 25. April 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte hinsichtlich der Fälle II. 2. B der Urteilsgründe wegen versuchter Geldwäsche in zwei Fällen verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch hinsichtlich der Fälle II. 1. a bis d der Urteilsgründe dahin abgeändert, daß die Angeklagte der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei in vier Fällen schuldig ist;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit aa) die Angeklagte hinsichtlich der Fälle II. 2. B der Urteilsgründe wegen versuchter Geldwäsche in zwei Fällen verurteilt worden ist; bb) das Landgericht in diesen Fällen von einer Verfallsanordnung abgesehen hat;
c) im gesamten verbleibenden Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Ver- handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in vier Fällen, Bestechung in zehn Fällen und wegen versuchter Geldwäsche in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Beide Rechtmittel haben teilweise Erfolg.

I.


Die Revision der Angeklagten:
Die Verurteilung wegen versuchter Geldwäsche in zwei Fällen hat keinen Bestand.
1. Nach den dazu getroffenen Feststellungen erhielt die Angeklagte von H. zwei Schecks in Nennbeträgen von DM 20.300 und DM 24.706,84, die sie auf dem Sparkonto ihres minderjährigen Sohnes gutschreiben ließ. Anschließend zahlte sie die Geldbeträge nach Abzug einer
Provision in bar an H. aus. Dabei ging sie davon aus, daß die Schecks aus „betrügerischen“ oder „illegalen“ Geschäften stammten.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen versuchter Geldwäsche nicht. Auch wenn die Angeklagte eine legale Herkunft der Schecks ausschloß , ist die Feststellung konkreter Umstände erforderlich, aus denen sich in groben Zügen bei rechtlich richtiger Bewertung durch die Angeklagte eine Katalogtat des Geldwäschetatbestandes als Vortat ergibt (vgl. BGHSt 43, 158, 165; BGH StV 2000, 67). Daran fehlt es hier.
2. Die Sache unterliegt insoweit insgesamt der Aufhebung, da der Senat nicht ausschließen kann, daß ergänzende Feststellungen zur Vorstellung der Angeklagten von der Vortat, namentlich durch Vernehmung des H. als Zeugen, noch möglich sind.
3. Im übrigen hat die Revision der Angeklagten keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil aufgedeckt.
4. Die Aufhebung des Schuldspruchs bezüglich der Geldwäschedelikte erfaßt die insoweit verhängten Einzelstrafen und zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Die übrigen Einzelstrafen können auf die Revision der Angeklagten bestehen bleiben.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Soweit die Angeklagte wegen versuchter Geldwäsche verurteilt worden ist, wirkt die Revision der Staatsanwaltschaft auch zu ihren Gunsten (§ 301 StPO). In der Revisionsrechtfertigungsschrift der Staatsanwaltschaft finden sich insoweit zwar ausschließlich Ausführungen zur Nichtanordnung des Verfalls , was darauf hindeutet, daß die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel auf die unterbliebene Verfallsanordnung beschränken wollte. Eine solche Beschränkung des Rechtsmittels ist grundsätzlich möglich (vgl. BGH NStZ 1999, 560; NStZ-RR 1997, 270), wäre hier aber unwirksam, weil auf der Grundlage der unzureichenden Feststellungen zur Haupttat der Verfall nicht angeordnet werden durfte (vgl. BGHR StPO § 344 Abs.1 Beschränkung 12). Im übrigen liegt ein Antrag, der die Beschränkung klargestellt hätte, seitens der Beschwerdeführerin nicht vor.
2. a) Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß hinsichtlich der Fälle II. 1. a bis d der Urteilsgründe eine Verurteilung der Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei nach § 260a Abs.1 StGB hätte erfolgen müssen.
Nach den Feststellungen kannte ihr damaliger Lebensgefährte und frühere Mitangeklagte M. einen potentiellen Abnehmer für Hehlerware in Jugoslawien namens Z. . Mit diesem vereinbarten die Angeklagte und M. im November 2000 in der Zukunft wiederholt im einzelnen noch nicht feststehende Lieferungen „heißer“, also gestohlener oder sonst unrechtmäßig er-
langter Ware von Deutschland nach Jugoslawien zu organisieren und dort über Z. abzusetzen. Dabei planten alle Beteiligten, sich durch wiederholte Begehung solcher Taten eine Einnahmequelle von einigem Gewicht und einiger Dauer zu erschließen. In Ausführung dieses Tatplanes kam es zu den vier unter II. 1. a bis c der Urteilsgründe näher aufgeführten Lieferungen von Mobiltelefonen und Computeranlagen nebst Zubehör an Z. . Die Lieferung eines Internet-Routers (II. 1. d) scheiterte, weil M. auf dem Weg nach Jugoslawien bei einer Grenzkontrolle aufgegriffen und das Gerät sichergestellt wurde.
Aufgrund dieser Feststellungen zu der zwischen allen Beteiligten im November 2000 getroffenen Vereinbarung bildeten die Angeklagte, M. und Z. eine Bande. Auf die Mitwirkung mehrerer Bandenmitglieder am Tatort kommt es nicht an (vgl. BGHR StGB § 260a Bande 1; BGH NStZ 1995, 85). Die Beteiligten einschließlich des Z. verfolgten auch ein gemeinsames Bandeninteresse. Eine Trennung zwischen einem aus jeweils zwei Mitgliedern bestehenden „Bezugssystem“ einerseits und einem aus M. und Z. gebildeten „Absatzsystem“ lag schon nach dem im November 2000 von allen drei Beteiligten gefaßten Tatplan mit im einzelnen abgesprochener Aufgabenteilung nicht vor. Hinzu kommt, daß Z. die Geldmittel zum Ankauf des Hehlgutes zur Verfügung stellte und damit auch in das „Bezugssystem“ eingebunden war.

b) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da die Taten als gewerbsmäßige Bandenhehlerei angeklagt waren.
3. Hinsichtlich der Verurteilung wegen Bestechung in zehn Fällen (II. 2. A. a bis f der Urteilsgründe) macht die Staatsanwaltschaft zutreffend die fehler-
hafte Erörterung des Vorliegens besonders schwerer Fälle der Bestechung nach § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB geltend. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen lebte die Angeklagte bei ihrem Vater, der eine Fahrschule betrieb, in der sie als kaufmännische Angestellte mitarbeitete. Um Einfluß auf den Verlauf der schriftlichen Fahrprüfungen zu gewinnen, bedachte die Angeklagte die Mitarbeiter der TÜV-Außenstelle B. - dort vornehmlich den Fahrprüfer P. - mit Geschenken. Außerdem lud sie P. und dessen Freundin viermal zum Essen ein, wobei sie jeweils die Rechnung beglich. Wie von der Angeklagten beabsichtigt, entstand infolge der im einzelnen von der Kammer näher festgestellten Zuwendungen zu dem Fahrprüfer P. ein persönliches Verhältnis, aufgrund dessen es dieser der Angeklagten gestattete, jugoslawischen Fahrschülern während der schriftlichen Prüfung Hilfestellung zu leisten. Durch diese Vorgehensweise bestanden selbst „aussichtslose Fälle“ die Fahrprüfung. Da sich dies in interessierten Kreisen herumsprach, erreichte die Angeklagte ihr Ziel, den Zulauf von jugoslawischen Fahrschülern zu erhöhen und so den Umsatz der Fahrschule zu verbessern.
Dieser Sachverhalt erfüllt ohne weiteres die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns im Sinne von § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Hierfür genügt, daß die Tat mittelbar als Einahmequelle dient (BGHR StGB § 335 Abs. 2 Nr.3 Gewerbsmäßig 1). Das war hier der Fall, nachdem die Angeklagte selbst wirtschaftlich von der Fahrschule ihres Vaters abhing. Hinzu kommt, daß sie auch unmittelbar persönlich von den Bestechungshandlungen profitierte, weil sie für die durch den Fahrprüfer pflichtwirdrig gestattete „Betreuung“ der Prüflinge von diesen eine „Gebühr“ in Höhe von jeweils DM 600 verlangte und auch erhielt.
Die Kammer hat die Annahme besonders schwerer Fälle nach § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB verneint. Sie hat im Zusammenhang damit ausgeführt, das Tätigwerden der Angeklagten zur Sicherung ihrer eigenen und der Existenz ihres Vaters weise „in die Richtung“ gewerbsmäßiger Begehungsweise. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht ausschließen, daß die Kammer die Voraussetzungen für das Vorliegen des Regelbeispiels nach § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB verkannt hat und bei Beachtung der oben genannten Grundsätze zu einer anderen Beurteilung des Schuldumfanges gelangt wäre.
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft zieht die Aufhebung der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nach sich. Die zum Schuldspruch bezüglich der Hehlerei- und Bestechungsdelikte rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben.
5. Die nunmehr berufene Strafkammer wird im Falle einer erneuten Verurteilung wegen versuchter Geldwäsche zu prüfen haben, ob ein Verfall der von der Angeklagten einbehaltenen Provisionen in Betracht kommt.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 384/15
vom
21. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Geldwäsche
ECLI:DE:BGH:2016:210116B4STR384.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Januar 2016 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. Februar 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Geldwäsche in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die gegen diese Verurteilung gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und mindestens sieben weitere, namentlich bekannte Beteiligte Teil einer international agierenden Tätergruppe, die zwischen Herbst 2011 und Ende Oktober 2013 unter der Legende eines Kraftfahrzeug- und Baumaschinenhandels Erlöse aus illegalem Handel mit Betäubungsmitteln in ganz erheblichem Umfang in bar aus Spanien und den Niederlanden nach Deutschland brachte und sie von dort aus an Dritte in Spanien, Italien, Griechenland und den Irak weiterleitete. In sieben Fällen transportierte der Angeklagte selbst hohe, zur Weiterleitung bestimmte Geldbeträge überwiegend aus den Niederlanden nach Deutschland, in drei weiteren Fällen war er in anderer Weise in die Organisation und die Durchführung derartiger Transporte eingebunden. Dass die Gelder nicht für den Handel mit Baumaschinen bestimmt waren, sondern aus illegalen Betäubungsmittelgeschäften herrührten, hielt er bei jeder einzelnen Tat ernsthaft für möglich.

II.


3
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 27. August 2015 Bezug und bemerkt ergänzend:
4
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlich begangener, vorsätzlicher Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2b StGB) hält rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Die Strafkammer hat hinreichend konkrete Feststellungen zu den Vortaten der Geldwäsche getroffen (jeweils unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln , § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG).
6
Dazu reicht es aus, wenn sich aus den festgestellten Umständen in groben Zügen bei rechtlich richtiger Bewertung eine Katalogtat des Geldwäschetatbestandes als Vortat ergibt (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 165; vom 28. Januar 2003 – 1 StR 393/02, BGHR StGB § 261 Vortat 1). Zwar muss die Tat keinem bestimmten Katalogtatbestand zugeordnet werden. Es muss aber nicht nur ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden können, dass das Geld legal erlangt wurde, sondern auch, dass es aus einer Nichtkatalogtat stammt, die keine taugliche Vortat der Geldwäsche darstellt (BGH, Beschluss vom 10. November 1999 – 5 StR 476/99, wistra 2000, 67). Täter und Teilnehmer der Vortat müssen hingegen nicht bekannt sein, ebenso wenig Tatort oder Tatmodalität.
7
Gemessen daran erweisen sich die Feststellungen der Strafkammer zur Herkunft des Geldes aus den umfangreichen Rauschgiftgeschäften, die von den drei Rauschgiftgruppierungen in Spanien und den Niederlanden getätigt wurden und zu denen die Gruppe um den früheren Mitangeklagten A. engen und regelmäßigen Kontakt hatte, als hinreichend tragfähig. Die insoweit aus den äußeren Umständen der Geldtransporte (umfangreiche Maßnahmen zur Konspiration und Verschleierung, Höhe der Bargeldsummen, Stückelung dieser Summen in kleine Scheine, Transport in Plastiktüten und Sporttaschen usw.) gezogenen Schlüsse sind möglich und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen. Eine Herkunft aus legalen Geschäften hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
8
b) Dass der Angeklagte die Herkunft der Gelder aus illegalen Betäubungsmittelgeschäften im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest ernsthaft für möglich hielt, ist, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend darge- legt hat, entgegen der Auffassung der Revision in den Urteilsgründen ebenfalls hinreichend belegt.
9
2. Die Verurteilung des Angeklagten als Täter begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
Der Gesetzgeber hat in § 261 StGB – ebenso wie bei der Absatzhilfe im Sinne des § 259 StGB – auch solche Handlungen als täterschaftlich eingeordnet , bei denen es sich nach allgemeinen strafrechtlichen Regeln um Beihilfe handeln würde (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 – 1 StR 356/98, NStZ 1999, 83, 84). Wer aber in einem solchen Fall selbst in vollem Umfang tatbestandsmäßig handelt, ist Täter (§ 25 Abs. 1, 1. Alt. StGB), mag er, wie im vorliegenden Fall, auch ganz oder überwiegend im Interesse eines anderen handeln (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998, aaO; Urteil vom 24. Juni 1992 – 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 317).
11
3. Ob der Angeklagte, entsprechend der Auffassung der Strafkammer, die Tathandlungen des Verschleierns sowie der Vereitelung der Ermittlung der Herkunft und des Auffindens der Gelder im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllt hat, kann dahinstehen. Jedenfalls hat er die Tatmodalität der Gefährdung der Ermittlung der Herkunft und des Auffindens verwirklicht. Dazu reicht jede Aktivität aus, die den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf den Gegenstand zu verhindern trachtet, namentlich auch der Transport von Bargeld (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 – 1 StR 356/98, NStZ 1999, 83, 84; Nestler in: Herzog, GwG, 2. Aufl., § 261 StGB Rn. 87 f.). Ob die erforderliche konkrete Gefährdung des Auffindens (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998, aaO) voraussetzt, dass bereits Ermittlungen aufgenommen wurden und daher eine Entziehung des Gegenstandes droht, kann hier dahinstehen, weil diese Voraussetzungen vorlie- gen. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer führten die niederländischen Strafverfolgungsbehörden umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen gegen die betreffenden Rauschgiftgruppierungen durch und stellten – u.a. unmittelbar vor Beginn des verfahrensgegenständlichen Tatzeitraums – große Mengen Heroin und Bargeld bei Mitgliedern dieser Gruppierungen sicher.
12
4. Ebenfalls dahinstehen kann, ob der Transport des Bargeldes durch den Angeklagten eine Beteiligung an der Vortat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln darstellt. Denn eine solche Beteiligung steht der Strafbarkeit des Angeklagten wegen Geldwäsche nicht entgegen (BGH, Urteil vom 26. August 2005 – 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 229 f.). Auch der persönliche Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB (BGH, Urteil vom 26. August 2005 aaO) greift nicht ein, weil dieser voraussetzt, dass die Beteiligung an der Vortat sicher feststeht und der Täter deshalb verurteilt wurde oder verurteilt wird. Daran fehlt es hier.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 4/09
vom
18. Februar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Im Rahmen der Strafbarkeit des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB rührt bei der Bestechung
nach § 334 StGB als Vortat auch das Bestechungsgeld, das der
Bestechende zahlt, aus der Tat her.
2. Bei der Beurteilung, ob der Täter der Geldwäsche sich zugleich wegen der
Vortat strafbar i.S.d. § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB gemacht hat, ist allein auf
das deutsche Recht abzustellen.
BGH, Beschl. vom 18. Februar 2009 - 1 StR 4/09 - LG Stuttgart
in der Strafsache
gegen
wegen Geldwäsche
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2009 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 30. April 2008 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Geldwäsche in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zu Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es die Einziehung eines Betrages von 398.628,13 Euro zuzüglich auflaufender Zinsen angeordnet. Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Die Verurteilung wegen Geldwäsche in zwei tatmehrheitlichen Fällen begegnet keinen Bedenken.
3
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts wirkte die Angeklagte von 1999 bis 2002 an der Zahlung von Bestechungsgeldern in Höhe von rund 1,15 Millionen Euro an ihren Bruder, einen Amtsträger im georgischen Transportmi- nisterium, mit. Dabei leisteten die in Deutschland ansässigen Firmen B. und F. an den Bruder der Angeklagten Zuwendungen, aufgrund derer dieser pflichtwidrig auf die Vergabe von georgischen CEMT-Genehmigungen Einfluss nahm, die die beiden Unternehmen im internationalen Straßentransport nutzten und dadurch Wettbewerbsvorteile erzielten. Die Angeklagte stellte in Kenntnis des Verwendungszwecks ihre deutschen Bankkonten zur Verfügung, nahm die dorthin überwiesenen Bestechungsgelder für ihren Bruder in Empfang und verfügte nach dessen Weisungen darüber, indem sie Überweisungen auf diverse andere Konten tätigte oder Beträge in bar abhob und weiterleitete. Dies tat die Angeklagte in erster Linie, um ihren Bruder zu unterstützen.
4
II. Damit hat sich die Angeklagte der Geldwäsche in zwei Fällen schuldig gemacht, § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2a, Abs. 2 Nr. 2, § 53 StGB.
5
1. Das Landgericht hat zu Recht die Bestechung des georgischen Amtsträgers nach § 334 Abs. 1, § 335 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 StGB i.V.m. Art. 2 § 1 und § 4 IntBestG als Vortat im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB gewertet.
6
a) Zwar stellt - wie die Revision zutreffend ausführt - der vom Bruder der Angeklagten nach georgischem Recht erfüllte Straftatbestand der Annahme von Bestechungsgeldern („Accepting Bribes“ - Art. 338 of Criminal Code of Georgia [in der englischen Übersetzung]) selbst eine Vortat gemäß § 261 Abs. 1 StGB dar. Denn nach § 261 Abs. 8 StGB stehen den in § 261 Abs. 1 und Abs. 2 StGB bezeichneten Gegenständen solche gleich, die aus einer im Ausland begangenen Tat der in Absatz 1 der Vorschrift bezeichneten Art herrühren, wenn die Tat - wie vorliegend - auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. An die aus dieser Vortat zweifelsohne herrührenden Gegenstände (die Bestechungsgelder) knüpfen die Tathandlungen der Geldwäsche an. Auch hat sich die Angeklagte durch die von ihr verwirklichten Tathandlungen nach georgischem Recht der „Komplizen- schaft“ („Accomplice“ - Art. 24 Nr. 3, Art. 25 of Criminal Code of Georgia [in der englischen Übersetzung]) zur Annahme von Bestechungsgeldern („Accepting Bribes“ - Art. 338 of Criminal Code of Georgia [in der englischen Übersetzung]) strafbar gemacht.
7
b) Dennoch war das Landgericht durch die in § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB enthaltene Konkurrenzregel nicht gehindert, die Bestechung des georgischen Amtsträgers nach § 334 Abs. 1, § 335 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 StGB i.V.m. Art. 2 § 1 und § 4 IntBestG als Vortat im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB zu werten.
8
§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB beinhaltet zum einen einen persönlichen Strafausschließungsgrund und zum anderen eine Konkurrenzregel, die eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche immer dann ausschließt, wenn der Geldwäscher bereits an der Vortat beteiligt ist, also täterschaftlich gehandelt oder an ihr teilgenommen hat. Demnach geht auch die Beihilfe zur Vortat der Anschlusstat vor, wenn Beihilfe- und Geldwäschehandlung identisch sind (vgl. BGH NJW 2000, 3725). Dies setzt jedoch tatsächlich eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an der Vortat voraus und beurteilt sich anhand einer konkreten Betrachtungsweise nach deutschem Recht. Denn Ziel der Regelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB ist die Vermeidung von Doppelbestrafungen in den Fällen, in denen der Vortäter Geldwäschehandlungen vornimmt (BTDrucks. 13/8651 S. 11; 13/6620 S. 7; BGH NJW 2000, 3725; Neuheuser in MüKo-StGB § 261 Rdn. 41). Das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG ist jedoch auf die Verurteilungen durch denselben Staat beschränkt und gilt daher - soweit keine bioder multilateralen Übereinkommen bestehen - bei ausländischen Verurteilungen nicht (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 51 Rdn. 16 m.w.N.).
9
Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks ist deshalb bei der Beurteilung , ob der Täter der Geldwäsche sich zugleich wegen der Vortat strafbar i.S.d. § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB gemacht hat, allein auf das deutsche Recht abzustellen. Da das Tätigwerden der Angeklagten nach deutschem Recht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Geldwäsche strafbar ist, kommt die Konkurrenzregel des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht zum Tragen. Auf die nach georgischem Recht gegebene Strafbarkeit der Angeklagten wegen „Komplizenschaft“ („Accomplice“ - Art. 24 Nr. 3, Art. 25 of Criminal Code of Georgia [in der englischen Übersetzung]) - zur Annahme von Bestechungsgeldern („Accepting Bribes“ - Art. 338 of Criminal Code of Georgia [in der englischen Übersetzung]) durch ihren Bruder kommt es hierbei nicht an.
10
2. Aus demselben Grund kommt der Angeklagten auch der persönliche Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht zu Gute.
11
3. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Revision, wonach bei der Bestechung als Vortat die Bestechungsgelder als Tatmittel nicht aus der Vortat „herrühren“ (allgemein zu der Ansicht, nach der die instrumenta sceleris nicht unter die Vorschrift des § 261 StGB fallen - vgl. etwa Neuheuser in MüKo-StGB § 261 Rdn. 44; Ruhmannseder in BeckOK-StGB § 261 Rdn. 16 jeweils m.w.N.) und somit nicht von § 261 StGB erfasst werden. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Gelder, die die Bestechenden an den ausländischen Amtsträger gezahlt haben, auch beim Straftatbestand der Bestechung (und nicht nur bei der Bestechlichkeit) aus dieser Tat herrühren und somit der Geldwäsche gemäß § 261 StGB unterfallen. Denn ein Gegen-stand ist dann als bemakelt i.S.d. § 261 Abs. 1 StGB anzusehen, wenn er sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Sinne eines Kausalzusammenhangs auf die Vortat zurückführen lässt (vgl. Neuheuser in MüKo-StGB § 261 Rdn. 43; Stree in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 261 Rdn. 8; Ruhmannseder in BeckOK-StGB § 261 Rdn. 15).
12
a) Der Gesetzgeber hat weder im Wortlaut der Vorschrift des § 261 StGB noch in den Gesetzesmaterialien klare Konturen für Inhalt und Grenzen des Tatbestandsmerkmals „herrühren“ geschaffen (zum Meinungsstand über die Auslegung dieses Begriffs vgl. Voß, Die Tatobjekte der Geldwäsche 2006 S. 30 ff.). Vielmehr hat er die Ausfüllung dieses Merkmals der Rechtsprechungspraxis überlassen (vgl. Barton NStZ 1993, 159, 160). Allerdings zeigt schon der verwendete Begriff, dass der Anspruchsgegenstand nicht notwendig unmittelbar aus der Vortat stammen muss (vgl. Hoyer in SK-StGB 116. Lfg. § 261 Rdn. 1, 10). Nach seinem allgemeinen Wortsinn bedeutet der Begriff „Herrühren“ lediglich „stammt von etwas her, leitet sich von etwas her, hat seine Ursache in etwas“ (vgl. Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch 3. Bd. 1981 S. 512). Gleiches ergibt sich aus dem englischen Originaltext des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (BGBl II 1993, 1137 ff.), mit dem sich die Bundesregierung verpflichtet hatte, Geldwäsche unter Strafe zu stellen. Hier lautet die maßgebliche Formulierung „is derived from“ (vgl. BGBl II 1993, 1136, 1138, 1140, 1142), was ebenfalls bedeutet „sich von etwas ableiten /herleiten“.
13
Demnach genügt es grundsätzlich, wenn zwischen dem Gegenstand und der Vortat ein Kausalzusammenhang besteht, wenn also der Gegenstand seine Ursache in der rechtswidrigen Tat hat (vgl. auch BTDrucks. 12/3533 S. 12). Indes ist es nicht zwingend, dass der Täter den Gegenstand aus der für ihn strafbaren Handlung erlangt. Im Falle der Bestechung nach § 334 StGB ist vielmehr der bezahlte Bestechungslohn ein inkriminierter Gegenstand, der der Geldwäsche unterfällt.
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b) Dieses Begriffsverständnis steht auch im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, den staatlichen Zugriff auf illegale Vermögenswerte zu gewährleisten und deren Einschleusen in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zu verhindern (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 26; BGHSt 50, 347, 354 m.w.N.). Geschützt werden soll die Aufgabe der staatlichen Rechtspflege, die Wirkungen von Straftaten zu beseitigen (BTDrucks. 12/3533 S. 11). Das Bedürfnis nach Bestrafung der Geldwäsche ist auch international im Grundsatz allgemein anerkannt und durch die staatsvertragliche Verpflichtung der Bundesrepublik zur Einführung eines diesbezüglichen Straftatbestandes vom deutschen Gesetzgeber vorausgesetzt worden (BGHSt 50, 347, 354). Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel kann aber nur dann effektiv erreicht werden, wenn die Vorschrift des § 261 StGB wirtschaftliche Transaktionen im Zusammenhang mit den Katalogtaten weitgehend erfasst und daraus resultierende wirtschaftliche Vorteile abgeschöpft werden. In den Fällen der Bestechung (und nicht nur der Bestechlichkeit ) - insbesondere eines ausländischen Amtsträgers - ist daher der gezahlte Bestechungslohn in den Bereich des § 261 StGB einbezogen.
15
c) Diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Herrühren“ verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Da das Tatbestandsmerkmal schon im Hinblick auf die Funktion der Norm als Auffangtatbestand (vgl. BGHSt 50, 347, 353 m.w.N.) eine weite Auslegung zulässt, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, unter dem Herrühren eines Gegenstandes aus der Vortat zu verstehen, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zwischen dem Gegenstand und der Vortat ein Kausalzusammenhang bestehen, der Gegenstand seine Ursache also in der rechtswidrigen Tat haben, sich aus dieser ableiten lassen muss.
Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.