Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. Juli 2015 - 8 A 13.40037, 8 A 13.40038, 8 A 13.40039, 8 A 13.40040, 8 A 13.40041, 8 A 13.40042, 8 A 13.40044

bei uns veröffentlicht am14.07.2015
nachgehend
Bundesverwaltungsgericht, 4 B 5.16, 06.04.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verhältnis ihrer Anteile am Gesamtstreitwert.

Die Kläger der Verfahren 8 A 13.40039 und 8 A 13.40041 haften für den auf das jeweilige Verfahren entfallenden Kostenanteil als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand der Verwaltungsstreitverfahren ist der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - vom 1. März 2013 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 15. Juni 2015 für die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen.

Der Verkehrsflughafen Memmingen wird auf der Grundlage der bestandskräftigen luftrechtlichen Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 betrieben. In der luftrechtlichen Genehmigung wurde die Konversion des mit Ablauf des 20. Juli 2004 aus der militärischen Trägerschaft entlassenen ehemaligen Nato-Militärflugplatzes Memmingen zur Anlage und zum Betrieb eines zivilen Flugplatzes der Kategorie 4 D nach ICAO-Anhang 4 zugelassen.

Der Flughafen weist in seinem Bestand eine Start- und Landebahn nebst zugehöriger Rollwege auf. Die Start- und Landebahn hat eine Länge von insgesamt 2.981 m und eine Breite von 30 m. Der Flugbetrieb ist derzeit täglich von 06.00 Uhr Ortszeit bis 22.00 Uhr Ortszeit zulässig. In der Zeit zwischen 22.00 Uhr Ortszeit und 23.00 Uhr Ortszeit sind Landungen von Flügen, die planmäßig vor 22.00 Uhr Ortszeit hätten stattfinden sollen, zulässig, sofern unerwartete Umstände mit verzögernder Wirkung eingetreten sind, die zum Zeitpunkt des Abflugs nicht vorhersehbar waren. Diese Landungen bedürfen derzeit der vorherigen Genehmigung des Beklagten.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss soll der Start- und Landebahnbereich innerhalb der vorhandenen betonierten Bahnfläche mit einer Breite von 60 m entsprechend den Maßgaben des in dem ICAO-Anhang 14 bestimmten Codeletter D auf 45 m verbreitert werden. Zuzüglich sollen je 7,50 m befestigte Schultern belassen, aber der Höhe nach angepasst werden. Darüber hinaus soll der Rollweg S vom Vorfeld Passagierluftfahrt mit Weiterführung südlich der Start- und Landebahn in den Südbereich verlegt werden. Auch die Vorfelder und Abstellpositionen erfahren bauliche Änderungen. Für den zu erwartenden Kfz-Stellplatzbedarf werden ein Parkhaus (1.832 Stellplätze) und weitere neue Parkflächen ausgewiesen. Das Terminal sowie das bestehende Verwaltungs- und das Feuerwehrgebäude werden erweitert.

Der Flugbetrieb soll - vorbehaltlich der nachfolgenden Regelungen - täglich von 06.00 Uhr Ortszeit bis 23.00 Uhr Ortszeit zulässig sein. Planmäßige Starts sollen zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr, planmäßige Landungen zwischen 06.00 Uhr Ortszeit und 22.30 Uhr Ortszeit - bei Flügen aus Drehkreuzflughäfen und von Flugzeugen mit Heimatbasis Memmingen bis 23.00 Uhr Ortszeit - zulässig sein. Verspätete Starts, die planmäßig vor 22.00 Uhr Ortszeit hätte stattfinden sollen, werden bis 23.00 Uhr Ortszeit, verspätete Landungen, die planmäßig vor 22.30 Uhr Ortszeit hätten stattfinden sollen, ebenfalls bis 23.00 Uhr zugelassen. In der Zeit zwischen 23.00 Uhr Ortszeit und 23.30 Uhr Ortszeit sollen verspätete Landungen nur nach vorheriger Genehmigung der Beigeladenen zugelassen werden, wenn zudem weitere (einschränkende) Voraussetzungen erfüllt sind. Außer den genannten Flugbewegungen sollen zwischen 22.00 Uhr Ortszeit und 06.00 Uhr Ortszeit Flugbewegungen nur aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen sowie aus Gründen des Katastrophen- oder medizinischen Hilfeleistungseinsatzes oder Flugbewegungen, die das Luftamt in begründeten Ausnahmefällen zugelassen hat, stattfinden dürfen, wenn sie zur Vermeidung erheblicher Störungen im Luftverkehr oder aus sonstigen Gründen im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich sind.

Nach der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Bedarfsprognose wird für das Jahr 2025 am Verkehrsflughafen Memmingen ein Bedarf von ca. 32.346 Flugbewegungen für den Prognose-Nullfall und von 39.990 Flugbewegungen für den engpassfreien Prognosefall 2025 prognostiziert. Bezüglich der Nachtflugregelung in den sogenannten Nachtrandstunden geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass die aktuellen Betriebszeiten nicht ausreichend seien. Dabei wird ein Bedarf nach jährlich ca. 2.000 Flügen bei einer Regelbetriebszeit bis 23.30 Uhr und einer Verspätungsregel bis 24.00 Uhr ermittelt. Dies entspricht 5,4 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht. Von den 2.000 für den Planfall 2025 prognostizierten Nachtflugbewegungen seien 10% (200 Flugbewegungen) verspätungsbedingt. Die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen (Landungen) betrifft nur die erste Nachtrandstunde (22.00 Uhr bis 23.00 Uhr). Die Zulassung dieser Flugbewegungen sei zum Zwecke einer effektiven Umlaufplanung erforderlich. Für die Zeit von 22.30 Uhr bis 23.30 Uhr trete als Rechtfertigungsgrund hinzu, dass Flüge im Fluglinienverkehr aus Drehkreuzen zu erwarten seien und der Verkehrsflughafen Memmingen auch als Heimatbasis für Luftfahrtunternehmen diene.

Die von der Beigeladenen beim Beklagten eingereichten Antragsunterlagen (Antrag vom 7.6.2011) lagen vom 4. Juli bis zum 3. August 2011 öffentlich aus. Am 12. Januar 2011 und 11. Januar 2012 fanden die Erörterungstermine statt.

Die Kläger S. (8 A 13.40039) bewohnen auf dem Grundstück FlNr. ..., Gemarkung M., ein Wohngebäude. Die Kläger M. (8 A 13.40040) und S. (8 A 13.40044), eingetragene Lebenspartner, bewohnen das Anwesen auf den Grundstücken FlNr. ... und ..., jeweils Gemarkung M.; Eigentümer der Grundstücke ist der Kläger M.. Die Kläger F... (8 A 13.40041) bewohnen das Anwesen auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung U., die Klägerin R. (8 A 13.40042) das Anwesen auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung M..

Die Gemeinde W. macht geltend, dass ihre kommunalen Einrichtungen (Kindergarten, Grundschule) unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt seien. Zudem werde in rechtswidriger Weise in die kommunale Planungshoheit eingegriffen, weil der Bereich „R.straße“ in der Nacht-Schutzzone liege, ein Bereich, der in einer Einbeziehungssatzung als Wohnbaufläche ausgewiesen sei. Außerdem sieht die Gemeinde ihr Gemeindeentwicklungskonzept und ihre Vorplanung zur Dorferneuerung gefährdet.

Der Kläger B. ..., eine nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannte Naturschutzvereinigung, macht geltend, dem Vorhaben fehle es an der Planrechtfertigung, der Nachtflugbetrieb führe zu einer unzumutbaren Lärmbelastung bzw. einer Gesundheitsschädigung, die Luftverkehrssicherheit sei durch Absturzgefahr, Wirbelschleppen und Vogelschlagsgefahr in Zweifel zu ziehen. Die naturschutzrechtlich gebotenen Ersatzmaßnahmen seien weitgehend ungeeignet, weil sie bereits jetzt naturschutzfachlich hochwertige Flächen darstellten. Hinsichtlich der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung sei der gewählte Erfassungsrahmen unzureichend. Im Bereich des Klimaschutzes sei zu bemängeln, dass Zusatzbelastungen an Treibhausgasimmissionen durch das Vorhaben nicht ermittelt worden seien. Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung enthalte keine Ermittlung der Auswirkungen durch die Kohlendioxidemissionen, die durch das Vorhaben verursacht würden.

Die privaten Kläger machen ergänzend geltend, ihre Grundrechte (Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG) seien vor allem durch die mit dem zunehmenden Flugverkehr verbundenen gesteigerten Fluglärmbelastungen verletzt. Diese führten zu einer Wertminderung der sich im Eigentum der Kläger befindlichen Grundstücke, zu einer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit und für die Berufstätigen zu einer Beeinträchtigung der ungestörten, konzentrierten Arbeitsatmosphäre. Für die Kinder könnte eine ungestörte Nachtruhe nicht mehr gewährleistet werden.

Die Kläger beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen vom 1. März 2013 aufzuheben,

hilfsweise beantragen sie,

festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 1. März 2013 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf,

weiter beantragen sie hilfsweise,

die Betriebszeitenregelung des Planfeststellungsbeschlusses vom 1. März 2013 in Ziffer A.II.1 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klagen abzuweisen.

Sie halten den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klagen sind sowohl hinsichtlich der Hauptanträge als auch hinsichtlich der Hilfsanträge unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - für die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen vom 1. März 2013 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 15. Juni 2015 weist keine Rechtsfehler auf, die zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen.

I.

Das fachplanungsrechtliche Erfordernis der Planrechtfertigung ist bei dem planfestgestellten Vorhaben gegeben.

1. Die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen steht im Einklang mit den Zielen des Luftverkehrsgesetzes und ist gemessen an den Zielen dieses Gesetzes zum Wohl der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten.

Die Planrechtfertigung ist - als Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in die Rechte Privater verbunden ist - ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung. Das Erfordernis ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllt, wenn für das Vorhaben - gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes, vorliegend des Luftverkehrsgesetzes - ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE, 125, 116 Rn. 182 m. w. N.).

1.1 Das planfestgestellte Vorhaben der Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen entspricht den Zielen des Luftverkehrsgesetzes. Das Luftverkehrsgesetz regelt umfassend und in einem weiten Sinn den Luftverkehr und soll - wie sich aus § 6 Abs. 1 und 4 LuftVG ergibt - die Anlegung, die Änderung und den Betrieb von Flugplätzen ermöglichen. Ein Verkehrsflughafen, hier der Verkehrsflughafen Memmingen, dient dem allgemeinen Verkehr (vgl. § 38 Abs. 2 Nr. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.7.2008, BGBl I S. 1229) und stellt eine vom Zweck des Luftverkehrsgesetzes umfasste Infrastruktureinrichtung des Luftverkehrs dar, die öffentliche Zwecke erfüllt (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 188). Die Erweiterung des Verkehrsflughafens, vorliegend in erster Linie durch die Erweiterung der Start- und Landebahn, bewegt sich mithin im Rahmen der Zielsetzungen des Luftverkehrsgesetzes (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - BVerwGE 128, 358/372). Dies gilt umso mehr, als die Erweiterung des Start- und Landebahnbereichs mit der Verbreiterung der eigentlichen Start- und Landebahn auf 45 m der Gewährleistung der flugbetrieblichen Sicherheit dient (zur Erfüllung von Sicherheitsanforderungen als Ziel des Luftverkehrsgesetzes vgl. insbesondere BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 188; Reidt in Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand: Juni 2013, § 6 Rn. 110).

1.2 Der Bedarf, aufgrund dessen die Erweiterung des Start- und Landebahnbereichs innerhalb der Bahnbreite von 60 m vernünftigerweise geboten ist, ergibt sich hier bereits aus den Vorgaben des Regelwerks ICAO, Anhang 14.

Rechtlich sind die internationalen Bestimmungen in den Regelwerken der ICAO als fachliche Expertenaussagen im Sinn von antizipierten Sachverständigengutachten zu werten (vgl. Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium des Luftrechts 2009, Bd. 2 Luftverkehr, Rn. 141). Der ICAO wurden in Art. 37 des Chicagoer Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt vom 7.12.1944 (Beitrittsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 7.4.1956, BGBl II S. 411) Befugnisse für Vorgaben international einheitlicher Grundlagen und Rahmenbedingungen des Luftverkehrs verliehen. Auf dieser Grundlage hat die ICAO im Anhang 14 (Mindest-)Standards und Rahmenbedingungen für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen geschaffen und mit dem Handbuch ADM um detaillierte Anforderungen für die Planung von Start- und Landebahnen ergänzt. Diese Vorgaben in den Regelwerken der ICAO bilden für die Mitgliedsstaaten des Chicagoer Abkommens einheitliche technische Vorgaben für die Konzeption und Planung von Start- und Landebahnen und stellen die fachliche Grundlage für die Entscheidung über die Dimensionierung nach Maßgabe der Vorschriften des nationalen Luftverkehrsrechts dar. Schließlich hat die Anlage und der Betrieb von Flughäfen nach § 42 Abs. 1 Satz 2 LuftVZO in Übereinstimmung mit den für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften der ICAO, insbesondere des Anhangs 14, zu erfolgen (vgl. auch Wysk in Grabherr/Reidt/Wysk, Einleitung zum Luftverkehrsgesetz, Rn. 157 bis 159).

Der Verkehrsflughaben Memmingen ist in der luftrechtlichen Änderungsgenehmigung aus 2004 für den Betrieb als Verkehrsflughaben Code 4 D zugelassen. Danach hat die Breite der Start- und Landebahn aus Gründen der Sicherheit des Luftverkehrs gemäß 3.1.10 ICAO Anhang 14 45 m zu betragen. Die aus dem früheren militärischen Betrieb stammende gegenwärtige Breite von lediglich 30 m wurde nur vorübergehend auf der Grundlage einer Ausnahmegenehmigung zugelassen. Die Verbreiterung der Start- und Landebahn von 30 m auf 45 m - bei gleichzeitiger Reduzierung beider Schultern von 15 m auf 7,5 m - ist deshalb schon aus Sicherheitsgründen nach den Vorgaben der ICAO geboten und daher auch planerisch gerechtfertigt.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund geht der Einwand der Kläger, die bauliche Erweiterung der Start- und Landebahn sei nicht erforderlich, weil die für den Planfall 2025 prognostizierte Zahl von Passagieren und Flugbewegungen auf der bestehenden Bahn abgewickelt werden könnte, fehl. Denn die Planrechtfertigung ergibt sich, wie oben dargelegt, bereits aus flugbetrieblichen Sicherheitsgründen, die aus den ICAO-Vorgaben resultieren. Der für den Prognose-Nullfall und den Prognose-Planfall (2025) prognostizierte Luftverkehrsbedarf spielt für die Notwendigkeit der baulichen Erweiterung der Start- und Landebahn keine Rolle (PFB C III 2.1., 2.1., 1.2, S. 156).

2. Hinsichtlich der Planrechtfertigung der planfestgestellten Erweiterungsmaßnahmen kommt es deshalb auf die Luftverkehrsprognose von ... ... GmbH vom 20. April 2011 (Luftverkehrsprognose 2020/2025 für den Allgäu-Airport-Memmingen - nachfolgend: LVP I. 2011) nicht entscheidungserheblich an. Auch die Gutachterin stellt aber klar, dass Hauptzweck dieses Gutachtens nicht die Rechtfertigung des Ausbaus des Verkehrsflughafens ist. Vielmehr gehe es in erster Linie darum, zutreffende Inputdaten für die lärmphysikalischen Berechnungen zur Verfügung zu stellen (vgl. z. B. Stellungnahme von I. ... GmbH vom 22.5.2015, S. 20).

Im Übrigen greifen die Einwände der Kläger gegen die LVP I. 2011 auch nicht durch.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt die Verkehrsprognose nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Prognose ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - NVwZ 2012, 1314 Rn. 59 m. w. N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 23.8.2012 - 8 B 16.08 - juris Rn. 76 m. w. N.). Der Senat hat vorliegend im Ergebnis keine Zweifel, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Verkehrsprognose auf einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der maßgebliche Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Die hinsichtlich der Luftverkehrsprognose von klägerischer Seite vorgebrachten Bedenken vermögen unter Beachtung des gerichtlichen Maßstabs der Kontrolle nicht durchzugreifen.

Die Kritik der Kläger, die Luftverkehrsprognosen der Firma I. ... GmbH hätten sich bereits mehrfach bei Ausbauvorhaben anderer Verkehrsflughäfen als fehlerhaft erwiesen, weil das jeweils prognostizierte Passagieraufkommen und die prognostizierten Flugbewegungen in der Realität nicht zugetroffen hätten, geht fehl. Denn der spätere tatsächliche Eintritt oder Nichteintritt einzelner Prognoseannahmen vermag die Konsistenz und wissenschaftliche Qualität einer notwendigerweise mit Unsicherheiten behafteten Prognose nicht rückwirkend infrage zu stellen (vgl. HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T - juris Rn. 337). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung kann - jedenfalls abgesehen von extrem gelagerten Fällen - ausschließlich die Frage sein, ob die der Planungsentscheidung zugrunde liegende Prognose den an sie gestellten Anforderungen genügt, nicht aber, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1978 - 4 C 79/76 - BVerwGE 56, 110/121 f.). Für einen dergestalt extrem gelagerten Fall ist vorliegend nichts ersichtlich.

Hinsichtlich Methodik, Datengrundlage und Prognoseannahmen hat bereits die Firma P. AG in ihrem Gutachten „Luftverkehrsprognosen für den Allgäu-Airport-Memmingen - gutachterliche Qualitätskontrolle“ im Schlussbericht vom 23. November 2011 die Luftverkehrsprognose 2025 von I. hinsichtlich der Gesamtnachfrage im engpassfreien Szenario und der prognostizierten Zahl der Flugbewegungen als fehlerfrei qualitätsgesichert.

Auch die einzelnen Kritikpunkte der Kläger greifen nicht durch.

Hinsichtlich der prognostizierten Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts legt die Luftverkehrsprognose I. 2011 die zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung aktuellen Zahlen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) zugrunde (vgl. Kapitel 4.1 der LVP I. 2011). Insoweit ist weder eine fehlerhafte Datengrundlage noch eine Verkennung wirtschaftlicher Entwicklungen zu erkennen.

Die Marktanteile der Flughäfen in der LVP I. 2011 sind auch nicht - wie die Kläger meinen - deshalb inkonsistent, weil die Summe der Marktanteile aller Flughäfen in einer Region nie - wie in der LVP - größer sein könne als 100%. Die Marktanteile, die in der LVP I. 2011 in Abb. 5-3 auf S. 44 in Farbgrafiken dargestellt sind, enthalten keine Zahlenwerte - wie die Kläger wohl meinen -, sondern nur grobe Bandbreiten (z. B. gelb: von 20 bis zu 25% Marktanteil). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Marktanteile für den Flughafen Memmingen als auch für die Marktanteile des Flughafens Frankfurt/Main, des Flughafens Zürich und des Flughafens München (vgl. im Einzelnen die Erläuterungen in der Stellungnahme von I. ... GmbH vom 22.5.2015, S. 16/17 f.). Schon von daher ist die Kritik der Kläger nicht nachvollziehbar. Aber auch soweit gerügt wird, die Bedeutung des Flughafens München für den Allgäu-Airport-Memmingen werde verkannt, ist insoweit nur von groben Bandbreiten auszugehen.

Die Vermutung der Kläger, Daten von „Low-Aproaches“ (das sind Anflüge und Durchstarten von Flugzeugen ohne Landung, insbesondere zu Test- und Schulungszwecken) würden auch bei der Passagier-Auslastung mitgezählt, widerspricht den Darlegungen der Vorgehensweise der Luftverkehrsprognose in Kapitel 2 der Luftverkehrsprognose I. 2011. Die Flugbewegungszahlen im Linien- und Charterverkehr werden auf die amtlichen Statistiken gestützt (vgl. LVP I. 2011, Tabelle 7-4). Auch andere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass überhöhte Flugbewegungszahlen zugrunde gelegt worden wären, sind nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Luftverkehrspreise wurde eine Sensitivitätsrechnung erstellt (I. ... GmbH, Sensitivitätsrechnung zu den Luftverkehrspreisen im Auftrag der Beigeladenen vom 28.6.2010). Dabei wurden verschiedene Szenarien mit insgesamt sechs Variablen untersucht. Die Luftverkehrspreise wurden im zugrunde gelegten Prognosezeitraum um 25% nach oben und unten variiert, das Wirtschaftswachstum um ca. 8%. Variiert wurden auch die Bevölkerungszahl, die Erschließung des Flughafens, das Luftverkehrsangebot und das Preisniveau der Low-Cost-Gesellschaften im Verhältnis zu anderen Luftverkehrsgesellschaften. Bei Unterstellung einer Halbierung der Preisdifferenz zu den vergleichbaren Flugstrecken benachbarter Flughäfen wurde ein um 21% auf 1,3 Mio. Passagiere vermindertes Verkehrsaufkommen (bezogen auf 2020 im Status-Q-Fall) prognostiziert. Es kann damit keine Rede davon sein, dass - wie die Kläger wohl meinen - Luftverkehrspreise nicht (auch) unter gegenüber den gegebenen Luftverkehrspreisen variierten Umständen berechnet worden wären. Dass sich dabei auch erhebliche Auswirkungen auf die prognostizierte Passagierzahl ergeben können, ergibt sich auch aus der Sensitivitätsrechnung.

Soweit sich die Kläger auf gegenwärtige oder andere nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eingetretene Preisänderungen beziehen, können solche Preisänderungen die Luftverkehrsprognose nicht infrage stellen. Denn Gegenstand der gerichtlichen Prüfung kann - jedenfalls abgesehen von extrem gelagerten Fällen - ausschließlich die Frage sein, ob die der Planungsentscheidung zugrunde liegende Prognose den an sie gestellten Anforderungen genügt, nicht aber, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1978 - 4 C 79/76 - BVerwGE 56, 110/121 f.). Für einen dergestalt extrem gelagerten Fall ist vorliegend nichts ersichtlich.

Auch die Bedeutung des Flughafens München für den Flughafen Memmingen wurde durch Berücksichtigung der Marktanteile nachvollziehbar dargestellt, wie bereits oben dargelegt.

Die Rüge der Klägerseite, es seien in dem Gutachten zur Qualitätssicherung immer nur optimistische Parameter berücksichtigt worden, geht fehl. Aufgabe des Qualitätssicherers ist es nicht - wie die Klägerseite wohl meint -, die Luftverkehrsprognose anhand eigener - gegebenenfalls auch pessimistischer - Parameter zu messen. Vielmehr ist es nur seine Aufgabe zu überprüfen, ob die in der geprüften Prognose gefundenen Ergebnisse fachlich vertretbar sind, sowie auf einem zutreffenden Sachverhalt und einer nachvollziehbaren Methodik beruhen.

Die Auffassung der Klägerseite, innerdeutsche Flugverbindungen vom bzw. zum Verkehrsflughafen Memmingen ließen sich nur durch Zuschüsse oder Beihilfen durchführen, ist nicht geeignet, die Luftverkehrsprognose infrage zu stellen. Die Luftverkehrsprognose, nach der im Prognosezeitraum auch innerdeutsche Flugverbindungen erwartet werden, geht zur Betriebsfinanzierung von einem Anstieg der Entgelte um 1% pro Jahr über der Inflationsrate aus (LVP I. 2011, S. 37). Öffentliche Förderungen werden in der Prognose nicht thematisiert.

Da öffentliche Förderungen von politischen Entscheidungen abhängig sind, lassen sie sich auch nicht ohne Weiteres wissenschaftlich prognostizieren. Im Übrigen gehört die Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebs auch nicht zum Streitgegenstand. Der entsprechende Beweisantrag (zum Thema Luftverkehrsprognose, Ziff. II, 8. Spiegelstrich) war deshalb abzulehnen.

Auch die übrigen, zum Thema Allgemeine Luftverkehrsprognose gestellten Beweisanträge, die die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2015 (Niederschrift S. 10/11) gestellt haben, waren abzulehnen. Die Klägerseite stellt mit ihren jeweiligen Ausführungen - insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung - den wissenschaftlich begründeten Ausführungen des Beklagten und der Beigeladenenseite eine eigene wissenschaftliche Meinung gegenüber. Jedoch wurde für das Gericht dabei nicht ersichtlich, dass die Ausführungen insbesondere des Verkehrsgutachters zu diesen komplexen Fragen wissenschaftlich methodisch nicht vertretbar wären oder methodisch grobe Mängel aufwiesen. Deshalb musste sich dem Senat eine Beweisaufnahme durch Sachverständige jedenfalls nicht aufdrängen (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - NVwZ 2007, 1074 Rn. 71 m. w. N.; B.v. 28.3.2013 - 4 B 15/12 - juris Rn. 19 m. w. N.; vgl. auch BVerfG, B.v. 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - juris Rn. 10 m. w. N.). Außerdem würde eine diesbezügliche Beweiserhebung dem Verfahren möglicherweise nur eine dritte wissenschaftliche Meinung hinzufügen. Die Verwertung bereits im Zuge des Verwaltungsverfahrens erstatteter Gutachten und Äußerungen steht hierbei nach ständiger Rechtsprechung nichts entgegen (vgl. nur BVerwG, B.v. 30.8.1993 - 2 B 106/93 - juris Rn. 2 m. w. N.).

3. Die Planrechtfertigung scheitert auch nicht an der Frage der Finanzierbarkeit.

Für den Bereich des Fernstraßenbaus hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Art der Finanzierung nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist (BVerwG, U.v. 20.5.1999 - 4 A 12/98 - NVwZ 2000, 555/556). Den Mangel der Finanzierbarkeit des Vorhabens darf die Planfeststellungsbehörde hingegen nicht ignorieren. Eine Planung, die aus finanziellen Gründen nicht realisierbar ist, ist rechtswidrig und unzulässig. Ihr fehlt die Planrechtfertigung, weil sie nicht vernünftigerweise geboten ist. Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb bei der Planaufstellung vorausschauend zu beurteilen, ob dem geplanten Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen (BVerwG, U.v. 20.5.1999 - 4 A 12/98 - NVwZ 2000, 555/556; U.v. 24.11.1989 - 4 C 41/88 - BVerwGE 84, 123/128). Dass diese Grundsätze auch für die luftverkehrsrechtliche Fachplanung gelten, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. März 2006 (4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 200) klargestellt.

Die Kläger sind der Meinung, dass die voraussichtlichen Baukosten für alle Erweiterungsmaßnahmen die von der Beigeladenen geschätzten Kosten weit übersteigen würden. Die Beigeladene sei nicht in der Lage, diese Baukosten zu finanzieren, zumal auch der Flughafen bisher nur negative Betriebsergebnisse aufzuweisen habe.

Aus dem Vortrag der Kläger ergeben sich jedoch keine durchgreifenden Gesichtspunkte dafür, dass das Vorhaben nicht realisierbar wäre.

Nach den Angaben der Beigeladenen verfügt sie über die entsprechenden finanziellen Mittel, um den Ausbau der zentralen flugbetrieblichen Einrichtungen durchzuführen. Einzelne bauliche Anlagen sollen darüber hinaus gegebenenfalls im Wege eines Erbbaurechts durch Dritte errichtet und damit auch finanziert werden (Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.5.2015, Punkt 5.1.2, S. 17). Hiermit setzen sich die Kläger nicht substanziiert auseinander.

Hinzu kommt die finanzielle staatliche Unterstützung, die teilweise bereits zugesagt, teilweise in Aussicht gestellt wurde. Zur Finanzierung der Flugplatzinfrastrukturmaßnahmen soll ein Investitionszuschuss des Freistaats Bayern in Höhe von 50% der zuwendungsfähigen Kosten beitragen. Diese geplante Förderung von insgesamt 7,75 Mio. Euro (Fördersatz 50%) ist von der Europäischen Kommission bereits am 5. Juni 2013 genehmigt worden (LT-Drs. 17/3265, S. 2). Darüber hinaus besteht vonseiten des Freistaats Bayern grundsätzlich die Bereitschaft, für den Ausbau der Infrastruktur des Flughafens insgesamt 10 Mio. Euro bereit zu stellen (LT-Drs. 17/3265, S. 2). Dies entspricht der bisherigen Praxis. Der Freistaat Bayern hat dem Flughafen Memmingen bisher schon Investitionskostenzuschüsse in Höhe von ca. 7,5 Mio. Euro für die Konversion des ehemaligen Militärflugplatzes und den Aufbau zum zivilen Verkehrsflughafen gewährt (LT-Drs. 17/3265, S. 1). Im Übrigen wurden die bisherigen Investitionen und der Betrieb des Flughafens von der Beigeladenen finanziert. Nach den - unwidersprochen gebliebenen - Angaben der Beigeladenen hat die Beigeladene bereits ca. 20 Mio. Euro eigene Mittel investiert. Die Gesellschafter haben beschlossen, weitere 5 Mio. Euro Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Betriebsbeihilfen habe die Beigeladene nie in Anspruch genommen. Der Flughafen habe seit dem Jahr 2009 stets einen operativen Gewinn erwirtschaftet. Nur im Jahr 2011 sei insoweit eine Ausnahme zu verzeichnen gewesen. Lediglich bei Hinzurechnung von Zinsen, Abschreibungen und Steuern sei das Betriebsergebnis immer negativ gewesen (Niederschrift vom 27.5.2015, S. 5/6). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das Vorhaben nicht realisierbar wäre. Soweit die Kläger auf Defizite im Betrieb des Flughafens abstellen, weist die Beigeladene darauf hin, dass diese Defizite vonseiten der Gesellschafter ausgeglichen worden seien (vgl. Niederschrift vom 27.5.2015, S. 6).

Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass dem Bau des Vorhabens unüberwindliche finanzielle Schranken entgegenstehen würden, wenn insbesondere berücksichtigt wird, dass die Erstellung und Finanzierung einzelner Anlagen im Wege des Erbbaurechts durch Dritte in Betracht gezogen wird. Die Art der Finanzierung entzieht sich insoweit der Nachprüfung durch die Planfeststellungsbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - juris Rn. 200).

Nach dem oben Gesagten fehlt es auch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Erbringung der Baukosten für die geplanten Anlagen etwa an der Kreditwürdigkeit oder an der Bereitschaft der Gesellschafter, das Vorhaben zu finanzieren, oder an der Unmöglichkeit, Bau und Finanzierung teilweise auf Dritte zu übertragen, scheitern würde. Ob die von den Klägern aufgrund einer „groben Abschätzung“ nach „Erfahrungswerten“ (vgl. Anlage K 18 zur Klagebegründung vom 22.5.2013, S. 28) angenommene Höhe der Baukosten realistisch ist, ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der Baukosten bedurfte es deshalb nicht. Der entsprechende Beweisantrag (Ziffer I, 1. Spiegelstrich, s. Niederschrift vom 2.6.2015, S. 10) war daher abzulehnen. Der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Finanzierbarkeit der zugelassenen Maßnahmen durch die Beigeladene war ebenfalls abzulehnen, weil es sich bei dieser Frage um eine Rechts- und Bewertungsfrage handelt, die eines Sachverständigenbeweises nicht zugänglich ist.

II.

1. Die Zulassung des Nachtflugbetriebs in den Nachtrandstunden ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Der Nachtflugbedarf allein genügt jedoch für die Zulassung von Nachtflugbetrieb nicht. Die Verkehrsinteressen sind nur dann geeignet, sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftverkehrsmarkts betriebliche oder strukturelle Gründe dafür gibt, den Verkehr gerade in den Nacht-randstunden abzuwickeln (BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 400/10 - juris Rn. 35, 36).

Die Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ermächtigt, im Rahmen der Planfeststellung für die Anlegung oder wesentliche Änderung eines Flughafens auch den Flugbetrieb zu regeln. Zentrales Element der Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1991 - 4 C 51/89 - BVerwGE 87, 332/341; U.v. 7.7.1978 - 4 C 79/76 u. a. - BVerwGE 56, 110/116). Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde durch das fachplanerische Abwägungsgebot in Verbindung mit dem in § 29b Abs. 2 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - 1. - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - 2. - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - 3. - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb dieser Grenzen wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet; die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.1975 - 4 C 21/74 - BVerwGE 48, 56/64, dort zum Bundesfernstraßengesetz).

Die sich aus dem Abwägungsgebot in Verbindung mit § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG ergebenden Anforderungen an eine Regelung des nächtlichen Flugbetriebs hat das Bundesverwaltungsgericht wie folgt konkretisiert:

In der sogenannten Nachtkernzeit (00.00 Uhr bis 05.00 Uhr) setzt die Zulassung von Nachtflugbetrieb einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraus. Allein die Absicht, dem Flugverkehr, vor allem dem Linien-, Charter- und Frachtverkehr optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, rechtfertigt es nicht, die Lärmschutzbelange der Anwohner hintan zu stellen. Es müssen vielmehr Umstände gegeben sein, die im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughäfen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet sind.

Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich. Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden. In den Nachtrandstunden und hier besonders in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe dafür, dass ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchzusetzen vermögen. Solche Gründe können sich z. B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften dient, deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abgedeckt werden können (BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125 116, Rn. 287 f.).

Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrandstunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (BVerwG, U.v. 20.4.2005 - 4 C 18/03 - BVerwGE 123, 261/271 f. U.v. 9.7.2009 - 4 C 12/07 - BVerwGE 134, 166 Nr. 17). Die Bedienung der Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein.

Die Planfeststellungsbehörde muss plausibel darlegen, warum der Nachtflugbedarf gerade in der Nacht besteht. Plausible Gründe für die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten können auch dann gegeben sein, wenn es nur um wenige Flugbewegungen geht; die Zahl der Flugbewegungen ist somit ohne erhebliche Bedeutung.

Auch die erste Nachtrandstunde von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr ist schutzwürdig und darf nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden. Ein Lärmschutzkonzept kann es aber rechtfertigen, die Lärmschutzbelange der Anwohner in den Randstunden der Nacht weitgehend hinter den Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen, wenn es eine weitgehende Lärmpause in der Nachtkernzeit vorsieht. Allerdings wäre es auch dann nicht gerechtfertigt, „die Nacht zum Tag zu machen“; die Verhältnismäßigkeit ist daher nur gewahrt, wenn das Konzept eines zum Kern der Nacht hin abschwellenden und danach wieder ansteigenden Flugverkehrs auch in diesem Zeitsegment durchgehalten und der Flugverkehr zur Vermeidung tagähnlicher Belastungsspitzen durch geeignete Vorkehrungen effektiv und konkret begrenzt wird (vgl. BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - juris Rn. 371 f.).

Das Gewicht, das einem nachtrandspezifischen Verkehrsbedarf in behördlichen Abwägungen zukommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Maßgebend sind insbesondere die sich aus den Planungszielen ergebende Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz. Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz bestimmen die Erwartungen, die berechtigterweise an das Verkehrsangebot zu stellen sind, insbesondere an die Zahl und die Diversität der Destinationen, die Frequenz der Verbindung und die Erreichbarkeit des Flughafens in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Diese Erwartungen sind entscheidend dafür, ob das Verkehrsangebot ohne die in Rede stehenden Nachtflugverbindungen noch als „befriedigend“ angesehen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4000/10 - juris Rn. 37). Von Bedeutung kann ferner sein, ob der Bedarf von einem anderen Flughafen nachfragegerecht gedeckt werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2005 - 4 C 18/03 - BVerwGE 123, 261/272).

Auch der Umfang der Nachfrage ist für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs relevant. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung. Mit der Zahl der Flugbewegungen wächst allerdings auch das Gewicht der Lärmschutzbelange. Für die Flughafenanwohner bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug der unterbleibt, eine Entlastung (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4000/10 - juris Rn. 39 m. w. N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für die Zulassung des Nachtflugbetriebs in den Nachtrandstunden vor.

1.1 Nach der „Luftverkehrsprognose 2020/2025 für den Allgäu-Airport Memmingen“ der I.-... GmbH vom 20. April 2011 ist im Prognoseplanfall (2025) mit einer Nachfrage nach Nachtflügen von 5% des Gesamtverkehrs bzw. 5,4% der Flugbewegungen je Durchschnittsnacht zu rechnen. Diese entfielen fast ausschließlich auf den Passagierlinien- und Charterverkehr (Nachtanteil 7,8% an allen Flugbewegungen dieser Verkehrsart) und überwiegend auf ankommende Flüge zwischen 22.00 und 23.00 Uhr. Dies bedeutet einen prognostizierten Bedarf nach jährlich ca. 2.000 Flügen bei einer Regelbetriebszeit bis 23.30 Uhr und einer Verspätungsregel bis 24.00 Uhr (vgl. PFB, S. 270). Dabei sind von den 2.000 für den Planfall 2025 prognostizierten Nachtflugbewegungen 10% (200 Flugbewegungen) verspätungsbedingt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 271, 302). Diese relativ geringe Anzahl von Flugbewegungen zur Nachtzeit steht grundsätzlich der Bejahung eines Nachtflugbedarfs nicht entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4000/09 - juris Rn. 43).

Ein Nachtflugbetrieb in den Nachtrandstunden entspricht auch den Planungszielen des Flughafens Memmingen.

Nach der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Juli 2004 ist der Verkehrsflughafen Memmingen ein regionaler Verkehrsflughafen, der sowohl für die Abwicklung touristischer Verkehre, insbesondere zu den sogenannten Warmwasserzielen, aber auch für die Durchführung von Linienverkehr innerhalb Deutschlands und Europas angelegt worden ist. Die oben dargelegte Nachfrage nach Flugverkehr in den Nachtrandstunden deckt sich mithin mit dem für den Flughafen Memmingen zugelassenen Luftverkehr.

1.2 Im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG fehlt es auch - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an einer besonderen Begründung für die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden.

Der Beklagte hat plausibel dargelegt, dass es besondere sachliche Gründe dafür gibt, dass ein bestimmter Verkehrsbedarf bzw. bestimmte Verkehrssegmente nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden können. Solche Gründe lassen sich hier insbesondere den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung entnehmen.

Für die Luftverkehrsgesellschaften kommt bei der Gestaltung ihres Flugangebots der Umlaufplanung von Luftfahrzeugen eine erhebliche Bedeutung zu. Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Einsatzes der Luftfahrzeuge hängen in erheblichem Maße davon ab, dass die Luftfahrzeuge möglichst viel Zeit in der Luft und nicht am Boden verbringen, also die Anzahl der sogenannten Off-Block-Stunden möglichst hoch ist. Je länger die Betriebsstunden eines Flughafens sind, desto mehr Strecken können grundsätzlich von einem Flugzeug täglich bewältigt werden und desto mehr Umläufe (Hinflüge, Rückflüge und Wendezeiten) können stattfinden (vgl. Luftverkehrsprognose 2012, S. 9). Eine Verbesserung der Effizienz der Luftfahrzeuge dient dabei nicht nur dem wirtschaftlichen Interesse der Luftverkehrsgesellschaften, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer funktions- und nachfragegerechten Einbindung des jeweiligen Verkehrsflughafens in das Luftverkehrsnetz.

In der ergänzenden Stellungnahme 2012 hat I. anhand von insgesamt zehn Modellrechnungen unter anderem fünf typische Kurzstreckenrelationen bzw. typische mittlere Strecken im Low-Cost-Verkehr mit einer Flugzeit von rund 1 Stunde 15 Minuten bis 2 Stunden 15 Minuten sowie drei typische Strecken im Touristikverkehr mit einer Flugzeit von ca. 2 Stunden 45 Minuten bis 4 Stunden 15 Minuten untersucht. Außerdem hat I. auch sogenannte Mehrsektorenflüge mit wechselnden Strecken/Zielen als fiktive Beispiele in die Prüfung der effektiven Umlaufplanung einbezogen. Dabei wurde eine Kombination von Zielen im Low-Cost-Verkehr mit Flugzeiten von ca. 2 Stunden bzw. 2 Stunden 30 Minuten und eine Kombination von Zielen im Touristikverkehr von ca. 2 Stunden 45 Minuten und 4 Stunden 15 Minuten im Wege der Modellrechnungen analysiert.

Hierbei gelangt I. zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Verlängerung der Betriebszeit von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr bei fünf von zehn fiktiven Rotationsbeispielen eine Erhöhung der Umläufe sowie der sogenannten Off-Block-Zeiten und somit erhebliche Verbesserungen bei der Effizienz des Flugzeugeinsatzes ermögliche.

Zwei von fünf Modellrechnungen für typische Kurzstreckenrelationen bzw. für typische mittlere Strecken im Low-Cost-Verkehr führten zu einer weiteren „halben“ Umlaufmöglichkeit der Flugzeuge. Beispielsweise könnten bei typischen Kurzstreckenrelationen mit einer Flugzeit von 1 Stunde 15 Minuten (z. B. für Ziele wie Berlin, Budapest, Düsseldorf, Hamburg oder Pisa) fünf anstelle von 4,5 Umläufen stattfinden. Dies habe zur Folge, dass die sogenannte Off-Block-Zeit sich bei fünf Umläufen von 11 Stunden 15 Minuten auf 12 Stunden 30 Minuten erhöhe.

Eine von drei Modellrechnungen für typische Strecken im Touristikverkehr mit einer Flugzeit von 2 Stunden 45 Minuten (beispielsweise nach Malaga) belege, dass bei einer Verlängerung der Betriebszeiten 2,5 anstatt zwei Umläufe ermöglicht würden. Die sogenannte Off-Block-Zeit würde dann statt 11 Stunden 13 Stunden 45 Minuten betragen.

Auch bei einer Kombination von Zielen im Low-Cost-Verkehr mit einer Flugzeit von 2 Stunden bzw. 2 Stunden 30 Minuten (z. B. Barcelona mit Alicante) könnten drei anstelle von 2,5 Umläufen bei verlängerter Betriebszeit erreicht werden. Dies führe zu einer Erhöhung der sogenannten Off-Block-Zeit von rund 6 Stunden 30 Minuten auf 9 Stunden. Ähnliches ergebe sich bei der Modellrechnung einer Kombination von Zielen im Touristikverkehr mit einer Flugzeit von 2 Stunden 45 Minuten bzw. 4 Stunden 15 Minuten (z. B. Südspanien und Canarische Inseln). Hier ergebe sich eine Erhöhung der sogenannten Off-Block-Zeit von 9 Stunden 45 Minuten auf 14 Stunden.

Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte plausibel eine Verlängerung der Betriebszeit für Landungen zur Ermöglichung einer effektiven Umlaufplanung begrenzt auf 22.30 Uhr anerkannt.

Zum Schutz der Nachtruhe der Bevölkerung ist der Beklagte allerdings hinter dem Antrag der Beigeladenen zurückgeblieben, welche die uneingeschränkte Zulassung planmäßiger Landungen bis 23.00 Uhr begehrt hatte. Zu den hierfür im Rahmen der Abwägung maßgeblichen Gesichtspunkten wird insoweit auf den Planfeststellungsbeschluss (S. 276/277) verwiesen. Für die Zeit von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr hat der Beklagte die Zulässigkeit von Landungen an das Vorliegen weiterer Bedingungen geknüpft. Planmäßige Landungen können in diesem zuletzt genannten Zeitraum nur dann stattfinden, wenn es sich entweder um Flüge im Fluglinienverkehr aus Drehkreuzflughäfen oder um Flüge von Luftfahrzeugen eines Luftfahrtunternehmens, das am Verkehrsflughafen Memmingen seine Heimatbasis hat, handelt (PFB A.II.3.1.3).

Der Einwand der Kläger, Gründe einer effektiven Umlaufplanung seien hier nicht plausibel dargelegt, weil das I.-Gutachten nur auf einer fiktiven Berechnung beruhe und auch kein Bezug zu den am Verkehrsflughafen Memmingen gegenwärtig verkehrenden Luftverkehrsgesellschaften bestehe, greift nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich der Nachtflugbedarf nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2005 - 4 C 18/03 - BVerwGE 123, 261/271 f.; U.v. 9.7.2009 - 4 C 12/07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Eine solche Vorausschau künftiger Entwicklungen ergibt sich hier aus der Luftverkehrsprognose 2011 und der ergänzenden Stellungnahme zum Nachtflugbedarf 2012 von I.. Dabei kommt es auch nicht auf den Nachweis eines standortspezifischen Bedarfs an (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 287 f.). Dass ein Nachtflugbedarf bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, lässt sich nicht nur den genannten Prognosegutachten der Firma I., sondern auch aus der Qualitätssicherung durch die Firma P. AG (Schlussbericht 2014) entnehmen. Der Gutachter der Firma P. AG bestätigte dies auch in der mündlichen Verhandlung schon im Hinblick auf die Gesamtprognose für den Verkehrsflughafen Memmingen, die für das Jahr 2025 auf der Annahme einer Passagierzahl von 2,8 Mio. beruhe. Diese Passagierzahl sei auch der Prognose für den Nachtflugbedarf zugrunde zu legen. Der Wert von 2,8 Mio. Passagieren basiere auf einer qualitätsgesicherten Datengrundlage. Der Gutachter der Firma P. AG hat hierzu ausgeführt, aus der Prognose von 2,8 Mio. Passagieren könne hergeleitet werden, dass ein Flugbetrieb auch in Nachtrandstunden notwendig sei. Insoweit handle es sich um einen Mix aus Nachfrageentwicklungen und entsprechenden Planungen der Flughäfen. Die Prognose sei in dem Maße als sicher zu bezeichnen, wie auch in der Vergangenheit der Luftverkehr gewachsen sei. Deshalb erscheine es als wahrscheinlich, dass erweiterte Betriebszeiten von den Fluggesellschaften auch genutzt würden. Dies entspreche auch den Erfahrungen, die bei anderen Flughäfen gewonnen worden seien.

Soweit die Kläger die Prognose im Hinblick auf die Flugpreisentwicklung infrage stellen, weil am Flughafen Memmingen - anders als in der Prognose zugrunde gelegt - teilweise höhere Flugpreise verlangt würden als an anderen Flughäfen wie in München oder Stuttgart, vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen.

Der Gutachter der Firma I. hat in der mündlichen Verhandlung hierzu überzeugend ausgeführt, dass sich selbst ein Rückgang der prognostizierten Fluggastzahlen aus Gründen von Preissteigerungen um 20% von 2,8 Mio. auf etwa 2,2 Mio. Fluggäste 2025 auf den Nachtflugbedarf nicht auswirken würde. Zwar würden dann etwas weniger Flugbewegungen anfallen, auch in den Nachtrandstunden; diese Flugbewegungen wären aber immer noch als erheblich anzusehen. Daher bestehe auch bei einer solchen Annahme weiterhin ein Bedarf für Flugverkehr in den Nacht-randstunden. Effektive Umlaufplanungen würden nämlich immer benötigt; sie hingen nicht von der Zahl der einzelnen Flugbewegungen ab (s. Niederschrift vom 28.5.2015, S. 6).

1.3 Der Beklagte hat einen Nachtflugbedarf für die Zeit von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr anerkannt für Flüge im Fluglinienverkehr aus Drehkreuzen (1.3.1) sowie für Landungen von Luftfahrzeugen eines Luftfahrtunternehmens mit Heimatbasis am Verkehrsflughafen Memmingen (1.3.2).

1.3.1 Unter Zugrundelegung der gutachterlichen Stellungnahmen von I. erwartet der Beklagte, dass der Verkehrsflughafen Memmingen im Planungsfall an einen oder mehreren Drehkreuzflughäfen angebunden ist. Zur Begründung führt der Beklagte insoweit aus, dass im Hinblick auf das steigende Verkehrsaufkommen sowie den Umstand, dass auch Ferien- und Low-Cost-Luftverkehrsgesellschaften im Begriff seien, Netzstrukturen aufzubauen, ein derartiger Nachtflugbedarf bestehe (PFB, S. 281). Durch die Einrichtung von spätabendlichen Abbringerflügen aus Drehkreuzen ergebe sich auch ein Bündelungseffekt für den Verkehr mit Ost- und Nordeuropa sowie Asien und aus dem Umstand, dass entsprechende Bedürfnisse für Städtereisen vom Allgäu (und Umgebung) nach Berlin bzw. für Urlaubsreisen von Berlin ins Allgäu und für Geschäftsreisen von und nach Berlin kombiniert werden könnten (PFB, S. 281).

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Kläger erschöpfen sich in Argumenten, die sich auf den gegenwärtigen Verkehr am Verkehrsflughafen Memmingen beziehen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Einwands, dass in Memmingen derzeit nur „Punkt zu-Punkt Verkehr“ abgewickelt würde, als auch hinsichtlich des Einwands, dass die früheren Verbindungen des Flughafens Memmingen mit den Flughäfen Berlin und Hamburg aufgegeben worden seien und auch keine konkreten Anzeichen für die Einrichtung eines Drehkreuzes, von dem aus Flugbewegungen nach Memmingen stattfinden würden, ersichtlich seien. Damit machen die Kläger jedoch nur geltend, dass kein standortspezifischer Bedarf bestehe. Hierauf kommt es jedoch nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht an. Mit der Luftverkehrsprognose (s. z. B. S. 53 f.), die entsprechende in Betracht zu ziehende Drehkreuzflughäfen aufführt, setzen sich die Kläger insoweit nicht substanziiert auseinander.

Ob die Verkehrsflughäfen Düsseldorf und Berlin infolge der vorhandenen Umsteigezeiten als Hub-Flughäfen für den Verkehrsflughafen Memmingen ausscheiden (Beweisantrag zum Thema Luftverkehrsprognose, Niederschrift vom 2.6.2015, S. 11), ist im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Hier ist nur von Bedeutung, dass die genannten Flughäfen grundsätzlich als Hub-Flughäfen, die in den Nachtrandstunden - soweit zugelassen - angeflogen werden, in Betracht kommen. Nicht relevant ist dagegen, ob ein solches Angebot später tatsächlich in Anspruch genommen wird. Nach der nachvollziehbaren Prognose von I. ist dies jedoch trotz der Umsteigezeiten zu erwarten. Der Beweisantrag war daher abzulehnen.

1.3.2 Die Zulassung von planmäßigen Landungen bis 23.00 Uhr für Luftfahrzeuge eines Luftfahrtunternehmens mit Heimatbasis am Verkehrsflughafen Memmingen wird durch den Beklagten im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der gegenwärtigen Betriebszeiten das Abstellen von Flugzeugen zwar nicht ausgeschlossen, aber zumindest begrenzt sei. Aufgrund eines Vergleichs mit anderen Verkehrsflughäfen wird aufgezeigt, dass ein Großteil der abgestellten Flugzeuge nach 22.00 Uhr landet und den Betrieb an diesen Flughäfen auch morgens wieder aufnimmt (PFB, S. 289).

Der Einwand der Kläger, der Beklagte lasse für die Annahme einer Heimatbasis insoweit ein bloßes „Wartungsereignis“ genügen, während die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen „Wartungsschwerpunkt“ voraussetze, trifft im Ergebnis nicht zu.

Der Beklagte lässt das bloße Abstellen eines Flugzeugs nicht ausreichen, sondern fordert vielmehr, dass das Flugzeug am Verkehrsflughafen Memmingen stationiert wird (PFB, S. 290). Planmäßige Landungen dürfen zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr nur durchgeführt werden, wenn an dem am Verkehrsflughafen Memmingen abgestellten Luftfahrzeug mindestens Wartungsereignisse durchgeführt werden, die die Kriterien eines Ramp-Checks (R-Check) erfüllen, oder wenn die Besatzung dieses Luftfahrzeugs am Verkehrsflughafen Memmingen ihre Station hat (PFB A.II.3.1.3).

Bei dem sogenannten R-Check handelt es sich nicht nur - wie die Kläger meinen - um eine Sichtkontrolle, die durch den Piloten täglich zu erfolgen habe. Zwar ist in den R-Check auch eine Sichtkontrolle eingeschlossen (PFB, S. 291); diese wird jedoch nicht von der Besatzung, sondern von Dritten durchgeführt. Er umfasst neben der Sichtprüfung von außen und in der Kabine ferner zusätzlich die Überprüfung einiger Funktionen des Flugzeugs. Der Aufwand liegt bei rund vier bis acht Stunden und wird daher normalerweise im Night-stop durchgeführt. Der R-Check kann nicht mehr durch die Besatzung erfolgen, sondern ist durch eigens dafür geschultes Wartungspersonal durchzuführen (PFB, S. 293). Er setzt damit einen finanziellen und infrastrukturellen Aufwand der Luftverkehrsgesellschaft am Standort Memmingen voraus, der ihre Standortbindung stärkt (PFB, S. 294). Von daher kann durchaus von einem Wartungsschwerpunkt gesprochen werden.

1.4 Es wurde damit hinreichend plausibel dargelegt, dass es besondere sachliche Gründe dafür gibt, den genannten Verkehrsbedarf nicht innerhalb der Tagesstunden abzuwickeln. Dabei sieht das Lärmschutzkonzept auch einen zum Kern der Nacht hin abschwellenden Flugverkehr vor. Denn in dem Zeitraum von 23.00 Uhr bis 00.00 Uhr ist kein planmäßiger Luftverkehr mehr zugelassen. Selbst verspätete Flüge wurden nur innerhalb der Zeit von 23.00 Uhr bis 23.30 Uhr zugelassen. Zum Kern der Nacht hin wurde dagegen der von der Beigeladenen beantragte Nachtflugverkehr abgelehnt. Von 23.30 Uhr bis 24.00 Uhr, also zur Nachtkernzeit hin, findet mithin kein Nachtflugverkehr statt, außer in nicht planbaren Notfällen. Zu tagähnlichen Belastungsspitzen kann es auch im Übrigen Zeitsegment der Nachtrandstunden schon im Hinblick auf die relativ geringe Zahl der für diesen Zeitraum prognostizierten Flugbewegungen nicht kommen.

1.5 Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Zulassung verspäteter Flüge aus den von der Planfeststellungsbehörde dargelegten Gründen keinen rechtlichen Bedenken. Auf die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses (S. 298 ff.) wird insoweit Bezug genommen.

2. Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange in der Umgebung des Verkehrsflughafens Memmingen - und damit auch die diesbezüglichen klägerischen Betroffenheiten - im Rahmen seiner fachplanerischen Abwägungsentscheidung umfassend und rechtsfehlerfrei ermittelt und berücksichtigt. Die Planfeststellungsbehörde hat insbesondere das Gewicht der Lärmschutzbelange nicht zu gering eingeschätzt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des im Prognosefall (2025) zu erwartenden Fluglärms als auch hinsichtlich der Gesamtlärmbelastung.

2.1 Zentraler Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange in der fachplanerischen Abwägung für ein Luftverkehrsvorhaben ist die für den Fluglärm anzuwendende fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze. Vor Inkrafttreten des Fluglärmschutzgesetzes (FluglärmG) in der ab dem 7. Juni 2007 geltenden Fassung sowie der zeitgleich vorgenommenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) durch Art. 1 und 2 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) war es mangels gesetzlicher Grundlage Aufgabe der zuständigen Behörde, die fachplanerische Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall anhand der konkreten Begebenheiten zu bestimmen (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 19.1.2007 - 8 BV 05.1963 - juris Rn. 80). Nach der zitierten, vorliegend zugrunde zu legenden Neuregelung bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG demgegenüber nunmehr, dass beim Erlass von Planfeststellungsbeschlüssen zur Anlage neuer oder zur Änderung bestehender Flughäfen sowie Landeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm jeweils die anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten sind. § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i. V. m. § 2 Abs. 2 FluglärmG legt mithin in seinem Anwendungsbereich die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - NVwZ 2012, 1314 Rn. 190 m. w. N.; BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 461 m. w. N.). In diesem Sinn sind die einschlägigen Regelungen des Fluglärmschutzgesetzes abschließend. Für eine einzelfallbezogene Bestimmung von Zumutbarkeitsgrenzen bleibt hiernach kein Raum.

Welche Fluglärmwerte im Rahmen der fachplanerischen Abwägungsentscheidung nach dem Luftverkehrsgesetz anwendbar und von der zuständigen Behörde zu beachten sind, ergibt sich unmittelbar aus den Lärmwerten, die in § 2 Abs. 2 FluglärmG für die sogenannte Tag-Schutzzone 1 bzw. für die Nacht-Schutzzone genannt sind. Den Werten für die sogenannte Tag-Schutzzone 2 (aus denen sich im Rahmen der unmittelbaren Anwendung des Fluglärmschutzgesetzes im Übrigen auch keine Erstattungsansprüche für baulichen Schallschutz oder Ansprüche auf Außenwohnbereichsentschädigung ergeben) kommt für die fachplanerische Abwägung demgegenüber keine Bedeutung zu (vgl. z. B. HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T - juris Rn. 729; BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 462 m. w. N.). Danach ergibt sich vorliegend gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG als fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze ein äquivalenter Dauerschallpegel von 60 dB(A) tagsüber und von 50 dB(A) nachts. Für die Nachtzeit gilt - anders als für die Tagzeit, wo ein Maximalpegel nicht vorgesehen ist - zudem ein Maximalpegel von sechs Mal 53 dB(A). Darüber hinaus hat die Planfeststellungsbehörde auch Lärmbeeinträchtigungen unterhalb dieser Werte in die Abwägung der für und wider das Projekt streitenden Belange einzustellen und zu würdigen. Diesen Anforderungen wird der angegriffene Planfeststellungsbeschluss gerecht.

Die Planfeststellungsbehörde geht - entgegen der Auffassung der Kläger - in ihrer Abwägung der Lärmschutzbelange nicht davon aus, dass ein wesentlicher Lärmzuwachs erst anzunehmen sei, wenn der äquivalente Dauerschallpegel am Tag oder in der Nacht um 2 dB(A) zunehmen würde.

Die Planfeststellungsbehörde hat vielmehr bei der Abwägung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG genannten Werte beachtet. Diese Werte beschreiben den zukünftigen und voraussichtlichen Lärmschutzbereich des Flughafens (Tag-Schutzzone 1, Tag-Schutzzone 2 und Schutzzone für die Nacht, § 2 Abs. 1 und 2 FluglärmG). Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit durch flugbetriebsbedingten Lärm eine Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter eintreten kann; zudem werden die Lärmschutzinteressen der Anwohner, auch soweit es sich um Lärmwerte unterhalb der Werte gemäß § 2 Abs. 2 FluglärmG handelt, in die Abwägung einbezogen (PFB 3.3.4.1, S. 208 ff.).

Dabei geht die Planfeststellungsbehörde für die Einrichtung der Lärmschutzbereiche davon aus, dass die Lärmwerte für wesentlich baulich erweiterte zivile Flugplätze nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG zugrunde zu legen sind, da die baulichen Maßnahmen an vereinzelten Orten in der Umgebung des Flughafens zu einer Erhöhung des äquivalenten Dauerschallpegels an der Grenze der Tag-Schutzzone 1 um mindestens 2 dB(A) führen werde (PFB 3.3.4.2.1, S. 211 ff.). Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der Abwägung der Lärmschutzbelange - zugunsten der Kläger - die gegenüber den Lärmwerten für bestehende zivile Flugplätze (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FluglärmG) weitaus strengeren Lärmwerte zugrunde gelegt werden (z. B. für die Tag-Schutzzone 1: 60 dB(A) nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG gegenüber 65 dB(A) für die Tag-Schutzzone 1 nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FluglärmG). Die Klägerseite verwechselt mithin die Frage der Wesentlichkeit der baulichen Erweiterung eines Flugplatzes (§ 2 Abs. 2 Satz 4 FluglärmG) mit der Frage der Wesentlichkeit einer Lärmzunahme im Rahmen der Abwägung. Soweit im Rahmen der Abwägung auf die Erheblichkeit einer Lärmbelastung abgestellt wird oder abzustellen ist, hat die Planfeststellungsbehörde die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG herangezogen (so ausdrücklich bereits PFB 3.3.4.1, S. 210).

2.2 Die Auffassung der Kläger, ihre Lärmschutzbelange seien nicht mit dem hinreichenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden, weil die Zumutbarkeitsschwelle unter lärmmedizinischen Gesichtspunkten zu hoch angesetzt worden sei, geht fehl.

2.2.1 Das lärmmedizinische Gutachten „Zum Lärmschutzkonzept der Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem des Verkehrsflughafens Düsseldorf“ von PD Dr. Dr. R. vom 9. November 2005, auf das sich die Kläger insoweit stützen, kritisiert die Zugrundelegung eines Maximalpegels von 19 x 99 dB(A) als Richtwert für die (verfassungsrechtliche) Zumutbarkeitsschwelle, ab der eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausgeschlossen sei. Dieser Maximalpegel wurde von der Planfeststellungsbehörde im vorliegenden Fall weder als Richtwert für die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle noch für die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle zugrunde gelegt. Die von PD Dr. Dr. R. in dem genannten Gutachten geübte Kritik, der Richtwert von 19 x 99 dB(A) entbehre einer sachlichen Begründung, ist insoweit mithin ohne Bedeutung.

2.2.2 Die Planfeststellungsbehörde geht von einer verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Wohngebieten bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) tags und von 60 dB(A) nachts aus. Ab diesen Dauerschallpegeln sei auch aus lärmmedizinischer Sicht ein „kritischer Toleranzwert“ erreicht, bei welchen Gesundheitsgefährdungen und/oder -beeinträchtigungen nicht mehr ausgeschlossen werden könnten. Die Planfeststellungsbehörde orientiert sich dabei unter anderem auch an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. U.v. 16.3.2006 - 4 A 1078/04 - juris; U.v. 9.11.2006 - 4 A 2001.06 - juris), der sich der erkennende Senat anschließt. Diese verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle wird von den zu erwartenden Fluglärmauswirkungen des Vorhabens in keiner der betroffenen Ortslagen erreicht. Die ungünstigste vom Fluglärm betroffene Ortslage (Immissionsort Z...) weist einen Dauerschallpegel von knapp unter 65 dB(A) tags und knapp über 55 dB(A) nachts auf (s. Abb. 7, S. 30 des lärmphysikalischen Gutachtens) und liegt damit deutlich unterhalb der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle. Ob darüber hinaus für den Tagschutz auch einem Pegel-Häufigkeitskriterium von 19 x 99 dB(A) als kritischem Toleranzwert Bedeutung beizumessen sei, hat die Planfeststellungsbehörde schlüssiger Weise offen gelassen, weil Pegelwerte in diesem Bereich nicht zu erwarten seien (vgl. im Einzelnen PFB 3.3.4.8.6, S. 245 ff.).

2.2.3 Der Einwand der Kläger, es sei widersprüchlich, für die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle die Lärmwerte des Fluglärmschutzgesetzes nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG i. V. m. § 2 Abs. 2 FluglärmG für allein maßgeblich zu erachten, weil dann die gesetzliche Vorschrift des § 40 Abs. 1 Nr. 10b LuftVZO, wonach ein lärmmedizinisches Gutachten einzuholen ist, überflüssig wäre, greift nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 u. a. - juris Rn. 180 m. w. N.) bestimmen die jeweils anwendbaren Lärmwerte des § 2 Abs. 2 FluglärmG die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle und damit die Auslösewerte, bei deren Überschreiten der Vorhabenträger die Benutzung der benachbarten Grundstücke durch Erstattung der Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Schallschutzes sicher zu stellen sowie Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs zu leisten hat. Soweit die Lärmschutzbelange vom Regelungsanspruch des Fluglärmgesetzes erfasst sind, decken dessen Lärmgrenzwerte alle Schutzziele ab, die in der lärmmedizinischen Literatur diskutiert werden und die von dem im Planfeststellungsverfahren vorgelegten lärmmedizinischen Gutachten aufgegriffen werden. Damit ist die Planfeststellungsbehörde im Interesse einer Verbesserung der Rechtssicherheit und der Verfahrensbeschleunigung in Zukunft grundsätzlich der Verpflichtung enthoben, jedenfalls bei der Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze Erkenntnissen der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung nachzugehen (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4001/10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 167). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Planfeststellungsbehörde gehindert wäre, auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG für atypische, vom Regelungsanspruch des Fluglärmschutzgesetzes nicht erfasste Situationen Schutzanforderungen in ihr Lärmschutzkonzept einzubauen (BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 u. a. - juris Rn. 184). Insoweit können unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall lärmmedizinische Erkenntnisse Bedeutung bei der abwägenden Entscheidung über einzelne Betriebsregelungen oder die Ermittlung atypischer Situationen erlangen (vgl. HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 11 C 227/08 - juris Rn. 609; hierzu auch BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 u. a. - juris Rn. 192). Davon geht auch die Planfeststellungsbehörde im vorliegenden Fall aus. Eine atypische Situation im Sinn dieser Rechtsprechung hat die Planfeststellungsbehörde auf dieser Grundlage indes ohne Rechtsfehler verneint (PFB 3.3.4.2.3, S. 216).

2.2.4 Der sinngemäße Einwand, eine Absenkung der fachplanerischen Zumutbarkeitsgrenze sei im Hinblick auf die jeweilige individuelle Situation betroffener Bewohner, insbesondere bei Kindern, erforderlich, geht jedenfalls im Ergebnis fehl.

Schon § 9 Abs. 2 LuftVG liegt zugrunde, dass Maßnahmen zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. Die nach § 9 Abs. 2 LuftVG gebotene grundstücksbezogene Betrachtungsweise lässt es jedoch nicht zu, die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung von den konkreten Nutzungsverhältnissen eines Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen. Dies schließt die Berücksichtigung besonderer Umstände der Person des Eigentümers oder Nutzers aus (BVerwG, U.v. 29.1.1991 - 4 C 51/89 - BVerwGE 87, 332/386). Besondere Empfindlichkeiten, gesundheitliche Indispositionen oder sonstige persönliche Eigenheiten haben insoweit außer Betracht zu bleiben. Was der Nachbarschaft an Beeinträchtigungen abverlangt werden kann, ist vielmehr anhand eines typisierenden und generalisierenden Maßstabs zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - juris Rn. 325). Von diesem typisierenden und generalisierenden Maßstab geht auch das Fluglärmschutzgesetz (§ 9 i. V. m. § 2 Abs. 2 FluglärmG) aus. Der pauschalierende Ansatz des Fluglärmschutzgesetzes knüpft an das mit Wohnraum bebaute Grundstück an und nicht an die jeweilige individuelle Situation der betroffenen Bewohner. Damit sind die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 FluglärmG auch für Bevölkerungsgruppen maßgeblich, die von der Klägerseite als besonders schutzbedürftig angesehen werden, insbesondere bei Kindern, alten und kranken Menschen und auch bei Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit besonders unter dem Fluglärm leiden. Abweichende Regelungen im Einzelfall, insbesondere bei atypischen Problemlagen, bleiben hiervon unberührt. Solche atypischen Sondersituationen sind hier jedoch nicht ersichtlich.

Auch das im Planfeststellungsverfahren vorgelegte lärmmedizinische Gutachten von Prof. Dr. med. S. vom 18. Mai 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die mit dem Fluglärmschutzgesetz normierten Grenzwerte dem Stand der lärmmedizinischen Forschung entsprechen (s. S. 68 f. des lärmmedizinischen Gutachtens). Insbesondere seien nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand besondere Betrachtungen von Kindern und Jugendlichen in den Wohnbereichen nicht erforderlich (S. 58/59 des lärmmedizinischen Gutachtens). Die hieran von der Klägerseite geübte Kritik überzeugt jedenfalls im Ergebnis nicht. Denn auch der Gutachter Prof. Dr. S. gelangt - wohl entgegen der Auffassung der Kläger - zu dem Ergebnis, dass bei Kindern eine grundsätzliche Schutznotwendigkeit besteht. Ebenso ist nach den Erläuterungen des in der mündlichen Verhandlung von der Beigeladenen zugezogenen Lärmwirkungsforschers Prof. Dr. P. davon auszugehen, dass die erlassenen Lärmschutzgesetze als wirksam zu beurteilen sind. Dies bestätigten auch neuere Studien (Niederschrift vom 2. Juni 2015, S. 8).

2.3 Die Rüge der Gemeinde W., die Lärmbetroffenheit ihrer kommunalen Einrichtungen sei im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden, trifft nicht zu.

2.3.1 Die Lärmbetroffenheit des Seniorenheims kann die Gemeinde W. nicht geltend machen, weil sie - ausweislich des Grundbuchs des Amtsgerichts M. (Bd. 37 Bl. 1326) - nicht Eigentümerin des Seniorenheims am Schulweg ist. Es handelt sich auch um keine gemeindliche Einrichtung.

2.3.2 Hinsichtlich der kommunalen Einrichtungen Schule und Kindergarten ergeben sich nach dem schalltechnischen Gutachten der Firma A... Lärmwerte von 54,1 dB(A) tags im Prognose-Nullfall und 54,9 dB(A) tags im Prognose-Planfall 2025 (Volksschule) bzw. von 54,4 dB(A) tags im Prognose-Nullfall und 55,2 dB(A) tags im Prognose-Planfall 2025 (Kindergarten). Diese Lärmwerte (s. hierzu im Einzelnen Tabelle 2 und Tabelle 11 des schalltechnischen Gutachtens der Firma A..., S. 13 bzw. S. 27) liegen knapp unterhalb bzw. knapp oberhalb der Lärmwerte der Tag-Schutzzone 2 nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG. Die Einordnung der Planfeststellungsbehörde in die Tag-Schutzzone 2 ist deshalb jedenfalls nicht zu beanstanden. Dass Schule und Kindergarten in der Nachtzeit genutzt würden, ist nicht ersichtlich. Auf die Lärmwerte, die für die Nachtzeit prognostiziert wurden, kommt es deshalb insoweit nicht an.

Auch der Einwand der Gemeinde, die Zumutbarkeitsschwellen würden jedenfalls durch die Gesamtlärmbelastung, insbesondere im Hinblick auf die zusätzliche Belastung durch den Straßenverkehr der Autobahn A 96 und den Schienenverkehr, nicht eingehalten, greift hier nicht durch. Denn selbst verfassungsrechtlich bedenkliche Lärmwerte, wie sie die Klägerin für ihre Grundstücke offenbar geltend machen will, bilden nicht stets, sondern nur dann die Grundlage für eine in der Planfeststellung zu berücksichtigenden Schutzpflicht, wenn sie dem planfestgestellten Vorhaben zuzurechnen sind (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 5/07 - juris Rn. 17). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn ausweislich des lärmphysikalischen Gutachtens vom 20. Mai 2011 ergibt sich (vgl. dort die Einzelpunktnachweise auf S. 28), dass Fluglärm, der von dem am Tage bestandskräftig mit Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 zugelassene Flugbetrieb ausgeht im Prognose-Null- und im Prognose-Planfall 2025 an beiden vorgenannten Immissionsorten (Schule und Kindergarten) um lediglich 0,8 dB(A) zunimmt. Damit ist nach der genannten Rechtsprechung eine dem planfestgestellten Ausbau des Verkehrsflughafens zuzurechnende Erhöhung des Gesamtlärms durch Fluglärm zur Tagzeit lärmphysikalisch irrelevant, weil die Pegelerhöhung weniger als 1 dB(A) beträgt (vgl. Reidt/Fellenberg in Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. III, § 3 FluglärmG Rn. 9). Daraus ergibt sich, dass der Ausbau des Verkehrsflughafens Memmingen keinen kausalen Beitrag zu einer erhöhten Gesamtlärmbelastung liefern würde. Ein relevanter Lärmbeitrag, der für die genannten kommunalen Einrichtungen vom Schienenverkehr herrühren könnte, braucht deshalb nicht weiter untersucht zu werden. Insoweit wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 319 ff.) verwiesen.

Der Beweisantrag (Thema Lärm, Ziffer IV. 7. Spiegelstrich) war schon deshalb abzulehnen, weil die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Gesamtlärmbelastung der gesamten Gemeinde im Hinblick auf ihr eingeschränktes Rügerecht bezüglich der Themen gemeindliche Einrichtungen, gemeindliches Eigentum sowie Planungshoheit (§ 38 BauGB) nicht in Betracht kommt.

2.4 Auch die individuellen Lärmschutzbelange der Kläger werden in vollem Umfang gewahrt.

2.4.1 Die tagsüber an klägerischen Grundstücken im Planungsfall 2025 zu erwartenden äquivalenten Dauerschallpegel liegen innerhalb eines breiten Spektrums der Intensität der Lärmbetroffenheit bis zu knapp unter 65 dB(A) tags und knapp über 55 dB(A) nachts (s. Abb. 7, S. 30 des lärmphysikalischen Gutachtens). Dieses Spektrum von Lärmbetroffenheiten hat die Planfeststellungsbehörde bei ihrer fachplanerischen Abwägung ausführlich und angemessen gewürdigt (PFB S. 252 ff. und S. 305 ff.). Hierbei braucht sie naturgemäß nicht auf jeden Einzelfall in jeder Einzelheit gesondert und ausdrücklich einzugehen; der Grundsatz der Konfliktbewältigung wird dadurch jedenfalls nicht verletzt. Soweit sich aus der zu erwartenden Lärmbelastung für einen Teil der im Eigentum der Kläger stehenden Objekte und Einrichtungen Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für Maßnahmen des baulichen Schallschutzes bzw. auf die Gewährung von Außenwohnbereichsentschädigung ergeben, sind diese nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses und des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens. Übernahmeansprüche sind ausgeschlossen, weil die insoweit vorausgesetzten schwerwiegenden Betroffenheiten nicht vorliegen. Soweit die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern als nicht hinreichend gewürdigt angesehen wird, wird auf die obigen Ausführungen unter 2.2.4 verwiesen.

2.4.2 Die Rüge der Kläger, im Wohngebiet Hoppenriedweg würde unter Berücksichtigung des gewerblichen Lärms ein gesundheitsgefährdender Gesamtlärm entstehen, greift nicht durch.

Nach dem schalltechnischen Gutachten von A... vom 2. November 2011 wird insoweit auch unter Berücksichtigung des ungünstigsten Falls, nämlich von 62,5 dB(A) tags und 52,0 dB(A) nachts, kein gesundheitsgefährdender Gesamtlärm eintreten.

Die nicht hinreichend substanziierte gegenteilige Behauptung der Kläger vermag diese fachliche Aussage nicht zu erschüttern. Der entsprechende Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens war deshalb abzulehnen.

2.4.3 Nach dem vorliegenden A...-Gutachten wird die Grenze zur Gesundheitsgefahr (70 dB(A) tags, 60 dB(A) nachts) auch dann nicht überschritten, wenn man den Lärm von der Autobahn A 96 in die Lärmberechnung einbezieht. Der Beweisantrag der Kläger des Verfahrens 8 A 13.40041 (Thema Lärm Ziffer III. 4. Spiegelstrich) war deshalb abzulehnen Die bloße Behauptung, der Gesamtlärm würde die Schwelle zur Gesundheitsgefahr überschreiten, vermag die gutachterlichen Aussagen nicht zu erschüttern.

2.4.4 Auch der Beweisantrag der Klägerin des Verfahrens 8 A 13.40042 (Thema Lärm, Ziffer III. 5. Spiegelstrich) war abzulehnen, weil der vom Gewerbegebiet, einschließlich Diskothek, ausgehende Lärm dem Vorhaben nicht (kausal) zuzurechnen ist. Nach dem lärmphysikalischen Gutachten von A... erreicht der für den Planfall prognostizierte Fluglärm am Grundstück der Klägerin des Verfahrens 8 A 13.40042 nicht einmal die Abwägungsschwelle. Der dem Vorhaben zuzurechnende Fluglärm ist damit nicht geeignet, einen relevanten, kausalen Beitrag zu einer Überschreitung der Grenze zur Gesundheitsgefahr durch den Gesamtlärm zu leisten. Die bloße gegenteilige Behauptung der Klägerin vermag die fachlichen Aussagen nicht zu erschüttern.

Der Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung einzuholen, dass die maximalen Einzelschallpegel durch den Flugverkehr am Verkehrsflughafen Memmingen am südöstlichen Ortsrand von U. über 85 dB(A) liegen, war abzulehnen. Für diese Behauptung fehlt es an jeder entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage. Nach dem Fluglärmschutzgesetz kommt es - jedenfalls für die Lärmwerte am Tag - nicht auf Maximalpegel an, wie bereits oben dargelegt wurde. Dass nachts derartige Maximalpegel zu erwarten seien, wird in dem Beweisantrag nicht einmal behauptet. Insoweit fehlt es auch an jeder Differenzierung zwischen Tag- und Nachtwerten, so dass der Beweisantrag nicht hinreichend konkret ist. Die von den Klägern unter Beweis gestellten Maximalpegel von über 85 dB(A) hätten im Übrigen nur dann entscheidungserhebliche Bedeutung, wenn sie bei einem der Kläger zu gesundheitsgefährdenden und deshalb unzumutbaren Folgen führen könnten. Nach der Rechtsprechung wird aber ein „kritischer Toleranzwert“ zur Vermeidung von Gesundheitsschäden/Krankheiten allenfalls bei Überschreiten eines Maximalpegels von 19 x 99 dB(A) angenommen (vgl. HessVGH, B.v. 14.10.2003 - 2 A 2796/01 - juris Rn. 129, bezogen auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Fluglärmschutzgesetzes). Wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine Gesundheitsgefährdung bei einem Maximalpegel von (1x) über 85 dB(A) anzunehmen wäre, wurden von den Klägern nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Auch aus dem von den Klägern vorgelegten Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Dr. R. (Anlage K 17 zur Klagebegründung) lässt sich hierzu nichts entnehmen. Ein Maximalpegel von 19 x 99 dB(A) ist überdies nach Einschätzung der Planfeststellungsbehörde für das gesamte vom Fluglärm betroffene Gebiet nicht zu erwarten (PFB C III 3.3.4.8.6, S. 247). Außerdem wurde für das einzige in diesem Gebiet entscheidungsrelevante Wohngebiet im Süden von U. von dem Lärmgutachter A... festgestellt, dass dort mit einem Fluglärm von tags 60,8 dB(A) und nachts 53,9 dB(A) zu rechnen ist. Eine Überschreitung gesundheitsgefährdender Werte ist deshalb hier nicht zu erwarten.

2.4.5 Abwägungsfehler sind auch nicht im Hinblick auf etwaige Immobilienwertverluste oder Mieteinbußen, die insbesondere durch Lärmeinwirkungen verursacht würden, ersichtlich. Planbedingte Wertverluste an unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stehenden Privatgrundstücken sind als private Belange im Rahmen der planerischen Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Es bleibt der Planfeststellungsbehörde dabei unbenommen, solche Wertminderungen nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen - wie dies hier aus sachlichen Gründen geschehen ist (vgl. PFB, S. 501 ff.) - im Rahmen der fachplanerischen Abwägung hinter gegenläufigen Interessen zurücktreten zu lassen. Die Grenze der Abwägungsdisproportionalität ist hierbei erst dann erreicht, wenn die Wertverluste so massiv ins Gewicht fallen, dass den Betroffenen ein unzumutbares Opfer abverlangt wird. Das Eigentum darf in seinem Wert nicht so weit gemindert werden, dass die Befugnis, das Eigentumsobjekt nutzbringend zu verwerten, praktisch nur noch als leere Rechtshülse übrig bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 404 m. w. N.). Vermindert sich der Verkehrswert eines Grundstücks um nicht mehr als 20%, kann noch keine Rede davon sein, dass das Grundeigentum praktisch funktionslos wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 406; vgl. auch BVerfG, B.v. 23.2.2010 - 1 BvR 2736/08 - NVwZ 2010, 512 Rn. 49 f.).

Eine derartige Wertminderung durch das Vorhaben ist hier in keinem Fall ersichtlich.

Soweit der Kläger M. eine Verkehrswertermittlung vorgelegt hat (K 16 zur Klagebegründung), ergibt sich hieraus noch kein von dem Vorhaben verursachter Wertverlust. Der in der Wertermittlung angesetzte Abschlag wegen Fluglärms von 40% des Bodenwerts soll offenbar den Grundstückswert zum Zeitpunkt des Wertgutachtens (11.7.2011) wiedergeben; dieser Wertbemessungszeitpunkt liegt lange vor dem Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses.

3. Das planfestgestellte Vorhaben hält die naturschutzrechtlichen Vorschriften ein. Abwägungsfehler liegen nicht vor.

3.1 Hinsichtlich der (hier relevanten) Tierarten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie sind keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt. Dabei ist insoweit zu berücksichtigen, dass hier nur zu prüfen ist, ob Verbotstatbestände im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Ausbau des Flughafens und der Zulassung des Nachtflugbetriebs in den Nachtrandstunden erfüllt werden.

3.1.1 Die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i. V. m. Abs. 5 BNatSchG (Tötungsverbot, Störungsverbot und Schädigungsverbot) werden nach der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) der G. ... 2011) weder hinsichtlich der untersuchten Fledermausarten noch hinsichtlich der betroffenen europäischen Vogelarten erfüllt. Diese naturschutzfachliche Einschätzung ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im Planfeststellungsbeschluss (unter III. 3.6.1.2.3.2, S. 388 ff.) wird insoweit Bezug genommen. Dabei wurden auch die Einwendungen des Klägers B. ... hinsichtlich fachlicher Defizite bei Fledermäusen zutreffend gewürdigt (PFB S. 410 ff.). Dies gilt insbesondere für den Einwand des Klägers B. ... das Jagen durch Fledermäuse im Bereich der Start- und Landebahn sei nicht berücksichtigt worden, obwohl eine derartige Nutzung des Gebiets zum Durchflug in großen Höhen aufgrund der Nachweise in M. und in Bereichen südlich des Plangebiets sehr wahrscheinlich sei (s. hierzu PFB S. 411). Dies wird auch durch die Stellungnahmen der G. im gerichtlichen Verfahren sowie von der unteren Naturschutzbehörde bestätigt. Die G. hat hierzu in ihrer fachlichen Stellungnahme vom 10. Juni 2015, ergänzend zu den Stellungnahmen vom 30. März 2015 und 18. November 2013 und der saP nochmals zusammenfassend festgestellt, dass sich mit den zusätzlichen Flugbewegungen keine signifikante Risikoerhöhung verbinde. Durch die im Einzelfall nicht auszuschließenden Kollisionen werde die Reproduktionsrate der lokalen Populationen der betroffenen Fledermausarten nicht beeinträchtigt, so dass sich der in der saP mit „B“ (gut) bewertete Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Populationen nicht verschlechtere. Sowohl die Größe und das Verbreitungsgebiet der Populationen als auch die Größe und Qualität der Habitate sowie die Populationsgrößen würden in ihrem aktuellen Zustand bestehen bleiben. Demnach sei auch auf Landesebene innerhalb der biogeografischen Region für die Populationen der betroffenen Arten davon auszugehen, dass sie in einem günstigen Erhaltungszustand verblieben bzw. die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert werde. Da keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen zu besorgen sei, seien aus fachlicher Sicht populationsstützende Maßnahmen im vorliegenden Fall entbehrlich (s. Stellungnahme vom 10.6.2015, S. 2/3). Diese fachliche Einschätzung hat der Dipl.-Biologe Dr. M. in der mündlichen Verhandlung nochmals überzeugend begründet (s. Niederschrift vom 28.5.2015, S. 10). Zudem hat auch die höhere Naturschutzbehörde mit Blick auf den besonderen Artenschutz für Fledermäuse die Bewertung des Büros G. für zutreffend erachtet (s. Bl. 346 der Verfahrensakten). Die Einwände des Klägers B. ... hiergegen greifen insoweit schon im Hinblick auf die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde nicht durch.

3.1.2 Darüber hinaus hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern zum 1. März 2013 auf S. 32 nach Gliederungsziffer A.IV.3 mit ergänzendem Beschluss vom 15. Juni 2015 um eine Ziffer 4. ergänzt, wonach für artenschutzrechtliche Verbotstatbestände auf der Grundlage von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 LuftVG, Art. 75 Abs. 1 BayVwVfG i. V. m. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 BNatSchG für acht Fledermausarten vorsorglich eine Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt wird. Auf den Ergänzungsbescheid vom 15. Juni 2015 wird insoweit Bezug genommen; rechtliche Bedenken sind insoweit im Hinblick auf die vorstehenden naturschutzfachlichen Erläuterungen der Fachbehörden und Gutachter nicht ersichtlich.

3.1.3 Soweit der Kläger B. ... auch unter Einbeziehung der Ausnahmeerteilung noch Ermittlungsdefizite zu erkennen glaubt, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen.

Der Einwand, dass in der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung keine Aussage zum Thema Verschlechterung der Erhaltungszustände der betroffenen Arten gemacht worden seien, trifft nicht zu.

In dem Ergänzungsbeschluss vom 15. Juni 2015 (S. 3/4) sind umfangreiche Ausführungen zur etwaigen Beeinträchtigung der Erhaltungszustände der lokalen Populationen der hier betroffenen Fledermausarten im Hinblick auf etwaige Kollisionen mit Flugzeugen enthalten. Es wurde nachvollziehbar dargelegt, dass die Zunahme von Flugbewegungen, insbesondere auch durch die Nachtflüge, zu keiner signifikanten Risikoerhöhung führen und vereinzelte Kollisionen die günstigen Erhaltungszustände nicht verschlechtern. Zudem hat dem die untere Naturschutzbehörde vollinhaltlich zugestimmt (Schreiben vom 12.6.2015). Der Planfeststellungsbehörde steht insoweit überdies eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zur Seite (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14/07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 65 f. m. w. N.). Das gilt auch hinsichtlich der Ausnahmegenehmigung soweit behauptet wird, ihr fehle eine ausreichende (Ermittlungs-)Grundlage.

Von einem Ermittlungsdefizit kann im Hinblick auf die der saP zugrunde gelegten Ermittlungen, die auch von der höheren Naturschutzbehörde nicht beanstandet wurden, nicht die Rede sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der allgemeine Artenschutz - anders als in Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL - kein formalisiertes Prüfungsverfahren kennt. Der auch europarechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird in diesem Zusammenhang nicht verfehlt, wenn - wie hier - nach den Darlegungen der Naturschutzbehörden, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung, von einem hinreichenden Erkenntnisgewinn der naturschutzfachlichen Untersuchungen auszugehen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 8 A 14/07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 56 f.)

Gemessen an diesen Grundsätzen konnte der Kläger B. ... keine entscheidungsrelevanten Ermittlungsdefizite, insbesondere hinsichtlich der Bestandserfassung der in Betracht kommenden Fledermausarten, aufzeigen. Diese sind im Ergänzungsbeschluss (nochmals) im Einzelnen aufgeführt (S. 2 oben); darauf wird Bezug genommen.

Das Gleiche gilt im Ergebnis für den räumlichen und zeitlichen Ermittlungsrahmen der saP. Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit Defizite vorlägen mit der Folge, dass erhebliche negative Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse, insbesondere in den An- und Abflugschneisen, nicht ausgeschlossen werden könnten. Auch insoweit gilt, dass Untersuchungen quasi „ins Blaue hinein“, wie sie der Kläger B. ... letztlich fordert, nicht veranlasst sind (vgl. auch BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14/07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54; B.v. 13.3.2008 - 9 VR 9/07 - juris Rn. 31; B.v. 18.6.2007 - 9 VR 13/06 juris Rn. 20).

Vor diesem Hintergrund war auch der Beweisantrag zum Thema Naturschutz (Ziffer V 2. Spiegelstrich), ein Sachverständigengutachten zum räumlichen und zeitlichen Ermittlungsraum der saP einzuholen, abzulehnen. Denn die Einholung eines weiteren Gutachtens war insoweit schon im Hinblick auf die nachvollziehbaren und überzeugenden naturschutzfachlichen Stellungnahmen, die von der Beigeladenen vorgelegt wurden, sowie die Darlegungen der Naturschutzbehörden nicht erforderlich, zumal auch insoweit der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zukommt.

Auch hinsichtlich der besonders geschützten Vogelarten sind die Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG nicht erfüllt. Auf die zutreffenden Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (unter 3.6.1.2.3.3, S. 398 ff.) wird insoweit Bezug genommen.

Der Einwand des Klägers B. ..., die Gefährdungen vor allem der Rast- und Zugvögel seien dabei nicht hinreichend berücksichtigt worden, überzeugen im Hinblick auf die fachliche Bewertung des Büros G. nicht. Die G. hat in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 10. Juni 2015 festgestellt, dass weder im Umfeld des Benninger Rieds noch im Bereich der Start- und Landebahn und der unmittelbar angrenzenden An- und Abflugflächen Brut-, Rast- und Zugvögel erheblich gestört oder einem signifikanten erhöhten Kollisionsrisiko ausgesetzt würden. Maßgeblicher Referenzzustand für die Einschätzung sei der Prognose-Nullfall 2025 mit einer bereits deutlichen Intensivierung des Flugbetriebs. Auch in den Stellungnahmen vom 30. März 2013 und vom 18. November 2013 hat die G. bereits nachvollziehbar dargelegt, dass das planfestgestellte Vorhaben keine neuen Eingriffe bewirken würde, weil die inrede stehenden Flächen seit Jahrzehnten durch Flugbetrieb geprägt seien, der besonders bei Brutvögeln, aber auch bei Rastvögeln Gewöhnungseffekte plausibel annehmen lasse. Gerade auf solche Gewöhnungseffekte geht die Klägerseite nicht substanziiert ein. Außerdem hat sie auch nicht nachvollziehbar und substanziiert dargelegt, dass insbesondere Rast- und Zugvögel gerade durch den Nachtflugbetrieb gefährdet würden.

3.2 Entgegen der Auffassung des Klägers B. ... sind auch die Ersatzmaßnahmen E 2 bis E 4, die zur Kompensation von Eingriffen wegen Verlustes der Bodenfunktionen, der Vegetationsstrukturen und der ökologischen Funktion dienen sollen, als Ersatzmaßnahmen gemäß § 15 BNatSchG 2010 geeignet.

Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG 2010 ist eine Beeinträchtigung ersetzt, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass die Behörde zur Kompensation des Eingriffs wegen eines naturschutznäheren Endziels auch Maßnahmen ergreifen darf, die zunächst eine Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustands darstellen. Erweist sich die Maßnahme in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig, stellt sie also insbesondere eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Zustands dar, bedarf der mit der Maßnahme zunächst bewirkte Eingriff keiner weiteren Kompensation durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die an sich erforderliche Kompensation geht in die ökologische Gesamtbilanz regelmäßig ein (BVerwG, B.v. 28.1.2009 - 7 B 45/08 - NVwZ 2009, 521 juris Rn. 20; GB.v. 10.9.1998 - 4 A 35/97 - juris Rn. 33; B.v. 19.9.2014 - 7 B 6/14 - juris Rn. 18).

Bezüglich der hier strittigen Ersatzmaßnahmen E 2 bis E 4 werden im Planfeststellungsbeschluss detailliert die einzelnen dort festgesetzten Verbesserungsmaßnahmen begründet (s. 3.6.3.4.3.2 bis 3.6.3.4.4, S. 426 ff. des PFB). Danach dürfen die Eingriffe erst erfolgen, wenn eine Kompensation nachgewiesen ist. Zusätzliche Kompensationsmaßnahmen durch Ersatzmaßnahmen auf weiteren Grundstücken kommen nicht in Betracht.

Die Maßnahme E 2 sieht für mehrere Grundstücke im Gemeindegebiet U. auf insgesamt 0,71 ha eine Ausdehnung und Optimierung des großflächigen Feuchtwiesenlebensraums „Kerngebiet H.“ vor. Die Maßnahme dient insbesondere als Ersatz für weggefallene Vegetationsstrukturen und Tierlebensräume, vor allem für Gebüsch- und Heckenbrüter. Es handelt sich hierbei um die Extensivierung von Intensivgrünland westlich des Naturschutzgebiets „H.“. Dort soll die Intensivbewirtschaftung eingestellt und Düngung künftig unterbleiben. Die Extensivierung kann durch zweimalige Mahd pro Jahr oder durch extensive Beweidung erfolgen (vgl. I.E. PFB, S. 426 f.).

Der Einwand des Klägers B. ..., eine Aufwertung der Fläche sei nur begrenzt sinnvoll, weil sie schon heute keine Fettwiese mehr sei und zudem eine weitere Bepflanzung (Wildgehölz-Hecke) deren Charakter als offene Wiesenlandschaft mit Wiesenbrütern widerspreche, greift nicht durch. Das Planungsbüro P. ... (im Folgenden: Planungsbüro) hat in seiner naturschutzfachlichen Stellungnahme vom 7. November 2013 schon im Hinblick auf das dortige (erhebliche) Vorkommen des Wiesenfuchsschwanzes plausibel dargelegt, dass es sich bei der Fläche, jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses, um eine Fettwiese gehandelt habe. Ebenso plausibel wurde der Charakter einer offenen Wiesenlandschaft entlang des vorhandenen Waldrands verneint, wie auch beim gerichtlichen Augenschein festgestellt werden konnte (vgl. Fotos zur Niederschrift vom 4. Dezember 2014). Das Planungsbüro weist zudem darauf hin, dass in diesem Bereich weder historisch noch aktuell Vorkommen von Wiesenbrütern nachgewiesen seien.

Mit der Ersatzmaßnahme E 3 werden auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung I., das bislang als Intensivgrünland genutzt wird, Biotope der Auenlandschaft in vier Teilbereichen entwickelt. Während der Großteil der Fläche die Herstellung eines extensiven Auengrünlands auf ca. 1,6 ha vorsieht, wird auf insgesamt ca. 0,2 ha ein Magerwiesenbereich durch Oberbodenabtrag sowie durch Aussaat einer Magerwiesenmischung geschaffen. Außerdem erfolgt die Anlage von wechselfeuchten Bereichen durch Oberbodenabtrag zur Gestaltung flacher Wiesenmulden auf ca. 0,17 ha. Des Weiteren wird eine Kleingewässerkette aus vier Tümpeln und einem Weiher geschaffen (vgl. PFB, S. 427 f.).

Die Bewertung der für die Ersatzmaßnahme E 3 I. vorgesehenen Fläche als extensive Wiese, die die „Entwicklungsziele Magerwiese und extensives Auengrünland“ schon teilweise erreicht hätten, ist nicht nachvollziehbar, weil diese Fläche bis 2011 noch als Intensivgrünland genutzt wurde, wie das Planungsbüro nachvollziehbar dargelegt hat. Die vorgesehenen Maßnahmen, Umgestaltung durch Oberbodenabtrag, Flachmulden und Kleingewässergestaltung können daher auch nicht - wie der Kläger B. ... meint - als bloße „Erhaltungspflege“ eingestuft werden.

Die Ersatzmaßnahmen E 4 (O.) umfasst auf einer Gesamtfläche von 1,685 ha die Schaffung einer temporär wasserführenden Flutmulde und eine Uferabflachung der westlichen Günz (FlNr. ... der Gemarkung O. und entlang des Wiesengrabens). Daneben wird die Grünlandnutzung extensiviert. Auf den Grundstücken FlNr. ... ... und ... der Gemarkung O. werden Flachmulden und Hochstaudensäume angelegt bzw. entwickelt und die Grünlandnutzung extensiviert (vgl. i.E. PFB, S. 428 f.).

Die Kritik des Klägers B. ..., die Ersatzmaßnahmen E 4 seien als Ersatzmaßnahmen weitgehend nicht anzuerkennen, weil sich die Flächen bereits in einem guten ökologischen Zustand und (teilweise) auch in einem FFH-Gebiet befänden, geht nach dem oben Gesagten fehl. Das Planungsbüro hat detailliert und plausibel für alle betroffenen Grundstücke (FlNr. ... ... und ...) das vorhandene Aufwertungspotenzial dargelegt, das durch die o.g. Maßnahmen optimal genutzt werden solle. Durch Düngerverzicht und nur noch zweimalige Mahd sei es möglich, die Fläche FlNr. ... zur binsen- und seggenreichen Nasswiese, langfristig in Richtung Streuwiese, zu entwickeln. Durch Flachmuldengestaltung könne die ursprüngliche auentypische Standortvielfalt wieder renaturiert werden. Ähnliches gelte für die Fläche FlNr. .... Die Fläche FlNr. ... könne durch weitere Extensivierung anspruchsvollere oder gar seltene Feuchtwiesenarten hervorbringen. Insoweit bestätigte auch die untere Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung, dass eine Aufwertung jedenfalls im Bereich der Ränder der Fläche möglich sei (s. Niederschrift vom 28.5.2015, S. 9). Hinsichtlich der FlNr. ... (östlich der Günz) könne u. a. durch die Beseitigung des Uferverbaus und der zusätzlichen Abflachung des Günzufers die natürliche Gewässerdynamik in einer Bachkurve der westlichen Günz gefördert werden.

Die naturschutzfachliche Kompensation erfolgt bei der Ersatzmaßnahme E 5 auf einer Fläche von insgesamt 1,921 ha durch Optimierung, Erweiterung und Verbund von bestehenden Biotopflächen im Bereich des FFH-Gebiets „K. ...“, Teilfläche westlich von O. ... ...), sowie durch Renaturierung und Nährstoffpufferung des Quelllaufs des Boschachbaches (vgl. i.E. PFB, S. 429 f.).

Die Kritik des Klägers B. ..., ein Waldumbau im (Teil-)Bereich Hangwald sei nicht als Ersatzmaßnahme anzuerkennen, geht schon deshalb fehl, weil der dortige Bestand bisher von standortfremden Pappeln und Fichten geprägt wird und der geplante „Umbau“ zu einem standortgerechten Eschenmischwald daher offensichtlich als Verbesserung des Hangwalds anzusehen ist, wie das Planungsbüro nachvollziehbar dargelegt hat. Die Auffassung des Klägers B. ... die Entwicklung eines Laubmischwalds im Bereich des Bacheinschnitts sei im Hinblick auf die Lichtverhältnisse kontraproduktiv für die Entwicklung eines Löffelkrautstandorts, überzeugt nicht, weil - wie das Planungsbüro plausibel dargelegt hat - der „Idealstandort“ für die FFH-Zielart „Bayerisches Löffelkraut“ Quellstandorte und Quellbäche darstellen, die mit einem lockeren Eschenwald überschirmt sind, wie hier vorgesehen. Auch eine Reduzierung des Blütenreichtums, wie ihn der Kläger B. ... für den Bereich der Hangfläche FlNr. ... befürchtet, kommt nach der naturschutzfachlichen Einschätzung des Planungsbüros nicht in Betracht, weil im überwiegenden Bereich des Mittel- und Unterhangs bisher ein durch unregelmäßige Nutzung gekennzeichneter Fettwiesenbestand ohne Blütenreichtum gegeben ist. Diese Flächen könnten zu blütenreichen Magerwiesen entwickelt werden. Dass Teilbereiche (Talboden) bereits als Biotope kartiert sind, hindert deren Aufwertung - wie sie vom Planungsbüro dargestellt wird - nach dem oben Gesagten nicht.

Alle diese Ersatzmaßnahmen wurden u. a. von der unteren Naturschutzbehörde beim gerichtlichen Augenschein am 4. Dezember 2014 erläutert. Die untere Naturschutzbehörde hat auch in ihren Stellungnahmen, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2015, die naturschutzfachliche Geeignetheit der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen als Ersatzmaßnahmen im Sinn des § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG bestätigt.

Der Auffassung des Klägers B. ..., dass im Hinblick auf den naturschutzfachlich hohen Ausgangswert der Ausgleichsflächen der Ausgleichsumfang erhöht werden müsse, so dass noch mehr an Ausgleich durchzuführen sei, besonders mehr Flächen zur Verfügung gestellt werden müssten, ist nicht zu folgen.

Nach dem Leifaden des Staatsministeriums für Umweltfragen „Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft, Eingriffsregelung in der Bauleitplanung, ein Leitfaden“ aus dem Jahr 2003, einer naturschutzfachlichen Arbeitshilfe für die Verwaltung, auf den sich der Kläger B. ... beruft, ergibt sich, dass ein Ausgleich immer mindestens um eine Stufe (1,0) zu erfolgen habe. Gegebenenfalls erforderliche Abschläge können dadurch erzielt werden, dass nur ein Teil der betroffenen Fläche als Ausgleichsfläche anerkannt wird. Bei hochwertigen Flächen (z. B. gesetzlich geschützten Biotopen) darf danach keine Verschlechterung eintreten. Nach den überzeugenden Darlegungen des Vertreters der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2015 (Niederschrift S. 8/9) stellt die Einschätzung, ob danach eine Verschlechterung vorliegt, eine Bewertungsfrage dar. Der genannte Leitfaden sei im vorliegenden Fall eingehalten worden. Dabei gehe er in der Praxis so vor, dass er stets die Aufwertung um eine Stufe fordere. Ein Ausgleich sei gegebenenfalls durch einen Abschlag bei der Fläche zu erzielen. Dies entspreche voll der Vorgehensweise nach dem genannten Leitfaden (S. 14).

Der Beweisantrag des Klägers B. ..., durch Sachverständigengutachten die Geeignetheit der Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen E 2 bis E 5 überprüfen zu lassen (Thema Naturschutz, Beweisantrag Ziffer V 1. Spiegelstrich), war abzulehnen. Denn das Vorbringen des Klägers konnte die plausiblen fachlichen Bewertungen des Planungsbüros und der Naturschutzbehörde (s. insbesondere oben), der insoweit eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zusteht, nicht erschüttern. Danach besteht bei keiner der Flächen, für die im Planfeststellungsbeschluss Kompensationsmaßnahmen angeordnet wurden, weiterer Kompensationsbedarf.

3.3 Auch unter dem Gesichtspunkt des lokalen oder des globalen Klimaschutzes ist entgegen klägerischer Auffassung kein Rechtsverstoß ersichtlich.

Nach den nachvollziehbaren Feststellungen der Planfeststellungsbehörde sind erhebliche nachteilige Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens auf das Lokalklima nicht zu erwarten. Gestützt auf die diesbezüglichen Ausführungen der Umweltverträglichkeitsprüfung (PLANUNG + UMWELT vom 20.5.2011, Anlage 3.4 im Ordner III der Antragsunterlagen, S. 34, 85 ff., 119 f.) und im Landschaftspflegerischen Begleitplan (Anlage III.5 im Ordner 3 der Antragsunterlagen, S. 19/30) ist hier maßgeblicher klimatischer Wirkfaktor die anlagenbedingte Flächenversiegelung. Durch planfestgestellte naturschutzfachliche Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung der Gebäude, Gehölzpflanzungen sowie Entsiegelung von ca. 6,5 ha bisheriger Flugbetriebsfläche können jedoch negative Auswirkungen direkt auf dem Flughafengelände vermieden bzw. ausgeglichen werden. Mit der Neuversiegelung von insgesamt ca. 14,5 ha sowie den Freiflächen vor allem im Osten des Flughafens sind danach keine durch das Vorhaben relevanten Änderungen der lokalklimatischen Verhältnisse verbunden.

Regionale, nationale und internationale Klimaveränderungen infolge der Immissionen des Luftverkehrs, namentlich der Kohlendioxyd-Immissionen, hat die Planfeststellungsbehörde nicht zum Gegenstand ihres Planfeststellungsbeschlusses gemacht. Dies ist in rechtlicher Hinsicht auch nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde weist insofern zutreffend darauf hin, dass der Klimaschutz einen die Umwelt insgesamt betreffenden öffentlichen Belang darstellt, der nicht im Rahmen eines Einzelvorhabens bewältigt werden kann. Die Umsetzung klimapolitischer Erwägungen ist deshalb nach rechtlich zutreffender Auffassung des Beklagten nicht Gegenstand des Prüf- bzw. Abwägungsprogramms in einem - wie vorliegend - vorhabenbezogenen Zulassungsverfahren (vgl. PFB S. 354 f.).

Der allgemeine Klimaschutz ist auch nicht Prüfungsgegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG („Klima“). Mangels hinreichender technischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse über die diesbezüglichen Wirkungszusammenhänge kann eine nachteilige Veränderung des globalen Klimas nicht dem Immissionsbeitrag einer einzelnen Anlage zugerechnet werden (vgl. VGH BW, U.v. 20.7.2011 - 10 S 2102/09 - juris Rn. 57 m. w. N.; bestätigt durch BVerwG, U.v. 24.10.2013 - 7 C 36/11 - juris). Für einen Verstoß dieser Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG gegen europäisches Recht, namentlich gegen Art. 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmen öffentlichen und privaten Projekten (ABl. EG Nr. L 175/40), ist nichts ersichtlich (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 879 ff.).

4. Das durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie durch Art. 11 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) im Rahmen der Gesetze geschützte Recht auf kommunale Selbstverwaltung umfasst die gemeindliche Planungshoheit. Diese vermittelt einer Gemeinde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, eine wehrfähige, in die fachplanerische Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das betreffende Vorhaben nachhaltig eine hinreichend bestimmte (konkrete) Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht (vgl. BVerwG, B.v. 28.2.2013 - 7 VR 13/12 - juris Rn. 23 m. w. N.) oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 637 m. w. N.; BVerwG, U.v. 6.11.2013 - 9 A 9/12 - NuR 2014, 277). Im Rahmen der Abwägung ist grundsätzlich darauf Rücksicht zu nehmen, konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise zu „verbauen“ (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2013 - 4 VR 1/13 - juris Rn. 49 m. w. N.). Selbst ein Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit führt jedoch nicht ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses. Der Belang der Planungshoheit kann vielmehr im Wege der Abwägung mit anderen für das Vorhaben sprechenden Belangen überwunden werden (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 30.5.2012 - 9 A 35/10 - NVwZ 2013, 147 Rn. 36 m. w. N.).

Der Einwand der Gemeinde W., es werde durch den vorhabensbedingten Fluglärm in ihre Planungshoheit eingegriffen, greift danach nicht durch.

4.1 Von einer nachhaltigen Funktionsstörung eines Bebauungsplans ist erst bei Erreichen der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Übernahmeansprüche maßgeblichen Dauerschallpegel von 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht auszugehen. Eine Differenzierung nach Baugebietstypen ist mit Blick auf das Fluglärmschutzgesetz (insbesondere § 5 FluglärmG) hierbei nicht vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - NVwZ 2012, 1314 Rn. 539). Derartige Dauerschallpegel werden in keinem der Bebauungsplangebiete der Gemeinde W. erreicht. Auf die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses (Nr. 3.10.2.1.2, S. 457 ff.) wird insoweit Bezug genommen.

4.2 Im Bereich der Einbeziehungssatzung „R.straße“ werden zwar im Planungsfall 2025 Dauerschallpegel von 57,1 dB(A) am Tag und 50,9 dB(A) in der Nacht prognostiziert; die o.g. Dauerschallpegel, die einen Übernahmeanspruch auslösen könnten, werden jedoch bei Weitem nicht erreicht. Im Übrigen hat die Planfeststellungsbehörde zutreffend darauf hingewiesen, dass in dem Bereich dieser Einbeziehungssatzung eine Wohnbebauung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FluglärmG weiterhin möglich ist.

4.3 Dass in Betracht gezogene künftige Planungsmöglichkeiten, wie sie sich etwa aus dem Dorfentwicklungskonzept und der Vorplanung zur Dorferneuerung der Gemeinde W. ergäben, unnötigerweise „verbaut‘“ würden, ist unter Zugrundelegung der o.g. Grundsätze nicht ersichtlich.

4.4 Soweit die Gemeinde W. Abwägungsfehler wegen Wertverlusten, insbesondere wegen Mietverlusten, an eigenen Grundstücken geltend macht, werden solche etwaigen Verluste nicht vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) umfasst, weil es sich um in der Zukunft liegende Chancen in Bezug auf die Wertentwicklung von Grundstücken handelt (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.2008 - 9 VR 5/07 - juris Rn. 10). Im Übrigen sind hier die unter Ziffer 2.4.5 getroffenen Ausführungen hinsichtlich der von kommunaler Seite geltend gemachten Immobilien-Wertverluste und Mieteinbußen entsprechend heranzuziehen.

5. Der Planfeststellungsbeschluss würdigt auch die Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise.

Die Analyse der Sicherheitslage obliegt vorrangig der Planfeststellungsbehörde. Sie hat eigenverantwortlich zu bestimmen, welcher Sicherheitsstandard angemessen ist, um im Einzelfall Sicherheitsrisiken (möglichst) auszuschließen. Die Sicherheitsanalyse erfordert eine Einschätzung denkbarer Ereignisse und hierauf bezogener Ereigniswahrscheinlichkeiten. Die sachkundige Abschätzung eines luftverkehrlichen Sicherheitssystems umfasst ganz wesentlich auch Fragen der lufttechnischen Entwicklung. Ihre gerichtliche Kontrolle folgt den Grundsätzen, die für die Überprüfung fachplanerischer Prognosen gelten. Die gerichtliche Kontrolle ist demgemäß eingeschränkt. Sie erstreckt sich darauf, ob die Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodengerecht erstellt wurde. Die Prognose ist fehlerhaft, wenn sie auf willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unsicherheiten beruht, ferner wenn sie in sich widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 236 m. w. N.). Derartige Fehler der Abschätzung des luftverkehrlichen Sicherheitssystems sind hier nicht ersichtlich.

5.1 Die Planfeststellungsbehörde hat hinsichtlich des Absturzrisikos im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Flughafen Memmingen hinsichtlich seines konkreten Standorts, insbesondere seiner topografischen Lage und der Beschaffenheit der Flughafenanlage für den genehmigten Flugbetrieb geeignet ist und keine speziellen Absturzrisiken birgt. Auch sei den vom Luftamt ausgewerteten Veröffentlichungen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) kein Fall des Absturzes eines Luftfahrzeugs am Verkehrsflughafen Memmingen und in dessen Umfeld (Nahbereich) seit seiner Inbetriebnahme zu entnehmen (vgl. PFB 3.2.1, S. 183).

Auch aus den von den Klägern aufgelisteten Unfällen und Störungen am Flughafen Memmingen seit dem Jahre 2007 (s. Anlage K 8 zur Klagebegründung vom 22.5.2013) ergibt sich nichts anderes. Die dort aufgeführten Vorfälle - z. B. Notlandungen, Abkommen von der Landebahn, „Beinahe-Unfall“ wegen geplatzten Reifens, Ausweichmanöver, Verlust des Bugfahrwerkes - waren nicht durch den Standort oder die Flughafenanlagen des Verkehrsflughafens Memmingen bedingt oder herbeigeführt worden; auch aus den Ursachenmitteilungen ist dies nicht ersichtlich. Zu einem Absturz eines Luftfahrzeugs kam es ohnehin nicht. Von einem Ermittlungsdefizit kann vor diesem Hintergrund entgegen der Auffassung der Kläger nicht gesprochen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Gefahren für den Flugbetrieb aufgrund der flugklimatorischen Verhältnisse oder der „Windvorkommnisse“ gegenüber den Verhältnissen des bisherigen, im Jahr 2004 genehmigten Flugbetriebs signifikant geändert haben könnten; hierfür haben die Kläger auch keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen. Dies gilt auch für die Frage der Absturzgefahr, insbesondere im Zusammenhang mit Störfall-Betrieben, die in der Liste der „Firmen im Industriegebiet Memmingen Süd mit Gefahrenpotenzial“ aufgeführt sind. Die Beweisanträge zum Thema öffentliche Sicherheit (Ziffer IV.) waren deshalb mangels hinreichender tatsächlicher Grundlage abzulehnen.

5.2 Die Rüge eines Ermittlungsdefizits greift ebenfalls hinsichtlich weiterer Sicherheitsrisiken nicht durch.

5.2.1 Die Planfeststellungsbehörde hat sich umfassend mit der Problematik von Wirbelschleppen auseinandergesetzt und angeordnet, dass die Beigeladene alle in Betracht kommenden Gebäude auf die technische Normkonformität der Dacheindeckungen hin zu untersuchen oder den Berechtigten die Kosten einer solchen Untersuchung zu erstatten hat (PFB IV.7.5).

Dass weitere Schutzvorkehrungen in Betracht zu ziehen wären, wurde weder substanziiert dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich.

5.2.2 Hinsichtlich der Problematik des Vogelschlags stützt sich die Planfeststellungsbehörde auf das Gutachten des D. ... vom Dezember 2010 „Expertise für den Flughafen Memmingen - Verhütung von Vogelschlägen“ sowie auf Ermittlungen der Beigeladenen über Vogelschlag-Vorkommnisse. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene bereits ein aktives Vogelschlagmanagement durch einen Vogelschutzbeauftragten betreibt. Dass über die Auflagen IV.7.4 des Planfeststellungsbeschlusses hinaus weitere Schutzvorkehrungen erforderlich wären, ist nicht ersichtlich.

5.2.3 Auch etwaige Sicherheitsrisiken für Betriebsbereiche der Störfall-Verordnung wurden umfassend geprüft (PFB 3.2.2.2, S. 185 ff.). Ein Ermittlungsdefizit ist insoweit nicht plausibel dargelegt.

Hinsichtlich des (unbehelflichen) Beweisantrags zu Fragen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit Störfall-Betrieben wird auf die obigen Ausführungen zu 5.1 verwiesen.

6. Schließlich ist auch die fachplanerische Gesamtabwägung nicht zu beanstanden. Die privaten und öffentlichen Belange wurden in die Abwägung einbezogen und ausführlich gewürdigt. Auch die Gewichtung der gegenläufigen Interessen ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Insofern waren auch gerichtliche Beweiserhebungen nicht veranlasst.

III.

Die Kläger tragen als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens gemäß ihrer jeweiligen Beteiligung an dem Rechtsstreit (§ 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 2 ZPO). Es entspricht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese Anträge gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Diejenigen Kläger, die ihre Klage gemeinsam (insbesondere als Miteigentümer) erhoben haben, haften als Gesamtschuldner (§ 159 Satz 2 VwGO).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Gesamtstreitwert wird auf 165.000 Euro festgesetzt.

Davon entfallen

- auf das Verfahren 8 A 13.40037 60.000 Euro

- auf das Verfahren 8 A 13.40038 30.000 Euro

- auf die Verfahren 8 A 13.40039, 8 A 13.40040,

8 A 13.40041, 8 A 13. 40042 und 8 A 13.40044

jeweils 15.000 Euro.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Ziff. 34.2 bis 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 14. Juli 2015 - 8 A 13.40037, 8 A 13.40038, 8 A 13.40039, 8 A 13.40040, 8 A 13.40041, 8 A 13.40042, 8 A 13.40044 zitiert 34 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen.

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


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Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

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Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

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(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 15 Verursacherpflichten, Unzulässigkeit von Eingriffen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


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Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 45 Ausnahmen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


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(1) Flugplätze (Flughäfen, Landeplätze und Segelfluggelände) dürfen nur mit Genehmigung angelegt oder betrieben werden. Im Genehmigungsverfahren für Flugplätze, die einer Planfeststellung bedürfen, ist die Umweltverträglichkeit zu prüfen. § 47 Absatz

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(1) § 75 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt nicht für Entscheidungen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur nach § 27d Absatz 1, 1a und 4 und Entscheidungen der Baugenehmigungsbehörden auf Grund des Baurechts.

Luftverkehrsgesetz - LuftVG | § 29b


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Gründe I. 1 Die beiden Beschwerdeführer haben mit Erfolg Verfassun

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Flugplätze (Flughäfen, Landeplätze und Segelfluggelände) dürfen nur mit Genehmigung angelegt oder betrieben werden. Im Genehmigungsverfahren für Flugplätze, die einer Planfeststellung bedürfen, ist die Umweltverträglichkeit zu prüfen. § 47 Absatz 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung bleibt unberührt. Die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden und befristet werden.

(2) Vor Erteilung der Genehmigung ist besonders zu prüfen, ob die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung entspricht und ob die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Städtebaus und der Schutz vor Fluglärm angemessen berücksichtigt sind. §§ 4 und 5 des Raumordnungsgesetzes bleiben unberührt. Ist das in Aussicht genommene Gelände ungeeignet oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet wird, ist die Genehmigung zu versagen. Ergeben sich später solche Tatsachen, so kann die Genehmigung widerrufen werden.

(3) Die Genehmigung eines Flughafens, der dem allgemeinen Verkehr dienen soll, ist außerdem zu versagen, wenn durch die Anlegung und den Betrieb des beantragten Flughafens die öffentlichen Interessen in unangemessener Weise beeinträchtigt werden.

(4) Die Genehmigung ist zu ergänzen oder zu ändern, wenn dies nach dem Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens (§§ 8 bis 10) notwendig ist. Eine Änderung der Genehmigung ist auch erforderlich, wenn die Anlage oder der Betrieb des Flugplatzes wesentlich erweitert oder geändert werden soll.

(5) Für das Genehmigungsverfahren gelten § 73 Absatz 3a, § 75 Absatz 1a sowie § 74 Abs. 4 und 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Bekanntgabe entsprechend. Für die in § 8 Abs. 1 bezeichneten Flugplätze gilt für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens auch § 10 Absatz 4 und 5 entsprechend.

(6) Im Falle des Absatzes 5 Satz 2 hat der Widerspruch eines Dritten gegen die Erteilung der Genehmigung keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung kann nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Genehmigungsbescheides gestellt und begründet werden. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen.

(7) Ist nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so bedarf es keiner förmlichen Erörterung im Sinne des § 18 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung.

(1) Flughäfen sind Flugplätze, die nach Art und Umfang des vorgesehenen Flugbetriebs einer Sicherung durch einen Bauschutzbereich nach § 12 des Luftverkehrsgesetzes bedürfen.

(2) Die Flughäfen werden genehmigt als

1.
Flughäfen des allgemeinen Verkehrs (Verkehrsflughäfen),
2.
Flughäfen für besondere Zwecke (Sonderflughäfen).

(1) Die Genehmigung des Flughafens ist für seine Anlage und seinen Betrieb zu erteilen. Sie hat in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des nationalen Rechts und des Luftverkehrsrechts der Europäischen Gemeinschaft sowie mit den für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, insbesondere des Anhangs 14 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, zu erfolgen. Dabei sind die für Anlage und Betrieb erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes zu beachten, von denen nur mit Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur oder einer von ihm bestimmten Stelle abgewichen werden darf. Die Genehmigung kann mit Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen, insbesondere zur Einschränkung von Lärmauswirkungen auf die Umgebung des Flughafens, für die Einhaltung der in den Sätzen 2 und 3 genannten Vorschriften und für die Gewährleistung des Betriebs gegenüber Luftfahrthindernissen, verbunden und befristet werden.

(2) Die Genehmigungsurkunde muss enthalten

1.
die Bezeichnung des Flughafens,
2.
die Lage des Flughafens,
3.
die geographische Lage und Höhe des Flughafenbezugspunkts,
4.
die Angabe, zu welcher Klasse des Anhangs 14 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt der Flughafen, gegebenenfalls entsprechend seiner ersten Ausbaustufe, gehört,
5.
die Richtung und Länge der Start- und Landebahnen,
6.
die Angaben über den Umfang der ersten Ausbaustufe, falls der Flughafen in mehreren Stufen ausgebaut wird,
7.
die Arten der Luftfahrzeuge, die den Flughafen benutzen dürfen,
8.
bei einem Sonderflughafen den Zweck, dem dieser dienen soll,
9.
eine Auflage zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit Festlegung der Höhe der Versicherungssumme,
10.
die nach Absatz 1 Satz 4 zu erfüllenden Auflagen.

(3) Mit der Genehmigung ist die Festlegung des Ausbauplans zu verbinden.

(4) Die Genehmigungsbehörde veranlasst die Bekanntmachung der Genehmigung in den Nachrichten für Luftfahrer und in den Amtsblättern der Länder, auf die sich der Bauschutzbereich erstreckt. Die Bekanntmachung muss die Angaben nach Absatz 2 enthalten, die Angaben nach Absatz 2 Nr. 10 jedoch nur dann, wenn die Auflagen auch der Einschränkung von Lärmauswirkungen auf die Umgebung des Flughafens dienen.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 7 B 45.10 - juris Rn. 15).

4

Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV (ggf. i.V.m. § 9 Abs. 1 der Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen im Land Nordrhein-Westfalen), soweit nach dieser Vorschrift Sicherheitsabstände (Achtungsabstände) einzuhalten sind, um die Auswirkungen von Dennoch-Störfällen so gering wie möglich zu halten, die Pflicht zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG konkretisiert oder aber die Pflicht des Errichters und Betreibers einer genehmigungspflichtigen Anlage gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG näher bestimmt, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren zu treffen mit der Folge, dass die Pflicht, gemäß § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV (ggf. i.V.m. § 9 Abs. 1 BVOT) einen Sicherheitsabstand zur Auswirkungsbegrenzung von vernünftigerweise ausgeschlossenen Dennoch-Störfällen einzuhalten, nicht nachbarschützend ist und keine bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmepflichten nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zwischen dem Anlagenbetreiber und einem benachbarten Bauherrn begründet,

und

ob bei der Bemessung des erforderlichen Sicherheitsabstandes nach § 9 Abs. 1 BVOT, § 3 Abs. 3 der 12. BlmSchV dann, wenn als Grenze eine Wärmestrahlung gewählt wird, bei der letale Folgen selbst innerhalb eines Wohngebäudes unmittelbar zu erwarten stehen, im Gegenzug bei der Betrachtung des Störfallszenarios eine Windstärke von 10 m/s, d.h. eine Starkwindlage, von dem Störfallbetrieb in Richtung auf das schutzwürdige Vorhaben ungeachtet ihrer konkreten Wahrscheinlichkeit nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen ist.

5

Diese Fragen rechtfertigen - soweit sie überhaupt einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich sind - die Zulassung der Revision nicht, weil es auf sie nicht (mehr) entscheidungserheblich ankommt. Nach der Grundsatzentscheidung des Senats vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 - (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) ist den Anforderungen, die Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG (sog. Seveso-II-Richtlinie) an die Zulassung von Vorhaben in der Nachbarschaft eines Störfallbetriebs stellt, durch eine richtlinienkonforme Auslegung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots Rechnung zu tragen. Die Grundsätze, die der Senat in der vorbezeichneten Entscheidung entwickelt hat, finden - ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte - im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, der eine besondere Ausprägung des nachbarlichen Gebots der Rücksichtnahme darstellt, entsprechende Anwendung. Damit kann sich ein unter die Richtlinie 96/82/EG fallender Betrieb (wie hier - nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - der Betrieb der Beigeladenen) darauf berufen, der von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG geforderte "angemessene Abstand" werde durch ein geplantes Wohnbauvorhaben nicht eingehalten; dieses sei gegenüber dem Betrieb rücksichtslos. Dem entsprechend kommt es nicht mehr darauf an, ob § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV (ggf. i.V.m. § 9 Abs. 1 BVOT) selbst drittschützende Wirkung zukommt bzw. anhand welcher Faktoren der nach § 9 Abs. 1 BVOT bzw. § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV erforderliche Sicherheitsabstand zu bemessen ist.

6

2. Die Entscheidung des Senats vom 20. Dezember 2012 (a.a.O.) nötigt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (siehe zur "überholten" Grundsatzrüge etwa Beschlüsse vom 11. Februar 1986 - BVerwG 8 B 7.85 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 240 = juris Rn. 3, vom 9. April 1999 - BVerwG 9 B 21.99 - juris Rn. 3 und vom 21. Februar 2000 - BVerwG 9 B 57.00 - juris Rn. 6). Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Klägerin deshalb planungsrechtlich unzulässig sei, weil es Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB beeinträchtige und damit zugleich zulasten der Beigeladenen einen Verstoß gegen das in dieser Vorschrift enthaltene Rücksichtnahmegebot begründe (UA S. 24); auf S. 47 des Urteilsabdrucks werden zudem die Kriterien angewendet, die der Europäische Gerichtshof in der Vorabentscheidung vom 15. September 2011 - Rs. C-53/10 - (ABl EU 2011 Nr. C 319 S. 5 = ZfBR 2011, 763) genannt hat. Das entspricht dem Urteil des Senats vom 20. Dezember 2012 (a.a.O.).

7

3. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die geltend gemachten Verfahrensfehler sind entweder schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt oder liegen jedenfalls nicht vor.

8

Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschlüsse vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist dabei vom materiellrechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 <449> = juris Rn. 21, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 und vom 20. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 38.10 - juris Rn. 18).

9

a) Soweit die Klägerin geltend macht, ein Verfahrensfehler liege darin, dass bereits der Beschluss über die Zulassung der Berufung verfahrensfehlerhaft ergangen sei, verkennt sie, dass sie die Zulassung der Revision mit einer solchen Rüge schon deshalb nicht erreichen kann, weil die Zulassung der Berufung als unanfechtbare Vorentscheidung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen ist (vgl. etwa Beschlüsse vom 30. September 2005 - BVerwG 1 B 26.05 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 82 = juris Rn. 6 und vom 14. Dezember 2006 - BVerwG 1 B 272.06 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 33 Rn. 3). Das gleiche gilt, soweit die Beschwerde einen Verfahrensfehler darin sieht, dass das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens (§ 94 VwGO) abgelehnt hat (Beschluss vom 13 September 2005 - BVerwG 7 B 14.05 - juris Rn. 20 f.); diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO ebenfalls unanfechtbar.

10

Der weiter in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die Berufung zu Unrecht als zulässig erachtet, weil die Beigeladene als Berufungsführerin zur Zeit der Zulassung der Berufung zwar Eigentümerin, nicht aber Betreiberin des Gaskavernenspeichers gewesen sei, greift nicht, denn jedenfalls im für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2011 war die Beigeladene (unstreitig auch) Betreiberin, womit unter diesem Gesichtspunkt gegen die Zulässigkeit der Berufung keine Bedenken bestehen.

11

b) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt. Das gilt sowohl hinsichtlich des Vorwurfs, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit bestimmten Ausführungen der Klägerin nicht auseinander gesetzt (1), nicht in das Verfahren eingeführte und zudem in Englisch verfasste Beweismittel im Urteil verwertet (2) als auch in Bezug auf den Vorhalt, es habe Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt (3).

12

(1) Ein Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, liegt vor, wenn das Gericht seiner Verpflichtung, die für die Entscheidung erheblichen Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachkommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u.a. - BVerfGE 87, 363 <392>; BVerwG, Urteile vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 und vom 20. November 1995 - BVerwG 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.; jeweils m.w.N.). Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gerichts, jeglichen Vortrag in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden (Beschluss vom 21. Februar 2000 a.a.O. Rn. 8). Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht ein bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat. Dieser Ausnahmefall liegt indessen nicht vor, wenn das Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt gelassen hat, namentlich wenn er nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich war (vgl. etwa Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - juris Rn. 14, vom 13. Dezember 2010 - BVerwG 7 B 64.10 - juris Rn. 24 und vom 21. Mai 2012 - BVerwG 7 B 70.11 - juris Rn. 12). Zudem verpflichten Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO die Gerichte nicht dazu, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>).

13

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit ihrem Vortrag nicht auseinandergesetzt, die mit ihrem Bauantrag verfolgte Nutzung der ehemaligen Katstelle als Wohnung verlange von der Beigeladenen keine größeren Rücksichtnahmepflichten und keine weiteren Vorkehrungen als die auf dem Grundstück bereits regelmäßig praktizierte Nutzung der Katstelle als Wochenend- und Freizeitwohnung sowie des Grundstückes als Garten, als unbegründet. Ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 3, 34, 48, 49) beleuchtet das Oberverwaltungsgericht die Folgen der Zulassung des klägerischen Vorhabens für die Beigeladene. Dabei stellt es fest, dass die von der Klägerin derzeit ausgeübte Nutzung nicht genehmigt ist, mithin keinen Bestandsschutz genießt, und die Beigeladene bei Zulassung des klägerischen Vorhabens erstmals auf eine legalerweise ausgeübte Wohnnutzung Rücksicht nehmen müsste, was gegebenenfalls zu nachträglichen Betriebseinschränkungen führen könne. Damit erübrigen sich aber weitere Erörterungen im Hinblick auf eine etwaige "Vorbelastung", auf die die Klägerin offensichtlich abstellt. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 3. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 5.09 - (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 209 Rn. 14) an den Europäischen Gerichtshof verweist, sind die vom Senat dort gemachten Ausführungen zur Berücksichtigung einer etwaigen Vorbelastung durch die - auch schon vom Oberverwaltungsgericht berücksichtigte - Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. September 2011 (a.a.O.) sowie das Urteil des Senats vom 20. Dezember 2012 (a.a.O.) sachlich überholt. Danach ist das Kriterium der Vorbelastung im Störfallrecht bei richtlinienkonformer Handhabung unbrauchbar (Urteil vom 20. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 34 a.E.).

14

(2) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen voraus, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. etwa Beschlüsse 31. Juli 1985 - BVerwG 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = juris Rn. 6 m.w.N., vom 19. März 1991 - BVerwG 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 = juris Rn. 7, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = juris Rn. 4, vom 22. April 1999 - BVerwG 9 B 188.99 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 44 = juris Rn. 3 und vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53 = juris Rn. 4). Daran fehlt es hier, soweit die Klägerin rügt, dass sich das Oberverwaltungsgericht das Handbuch zum Programm ALOHA aus dem Internet besorgt, es selbst vom Englischen ins Deutsche - soweit erforderlich - übersetzt und im Urteil verwertet habe, obwohl das Handbuch nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung und schon gar nicht in deutscher Übersetzung gewesen sei. Insofern legt sie schon nicht dar, was sie diesbezüglich bei ausreichender Gehörsgewährung (noch) vorgetragen hätte. Das bedarf jedoch keiner Vertiefung, denn die vom Oberverwaltungsgericht verwendeten Aussagen im englischen Handbuch (es handelt sich um einen Satz) waren für das Gericht jedenfalls nicht entscheidungserheblich, das Urteil beruht mithin nicht hierauf. Denn das Berufungsgericht hat die Berechnungen des Gutachters der Klägerin auf der Grundlage des Programms ALOHA bereits aufgrund der Angaben im TÜV-Gutachten sowie in dem Gutachten des LANUV als falsch bewertet (UA S. 42) und dieses Ergebnis nur noch ergänzend - im Wege einer Hilfsbegründung - durch das Handbuch zu besagtem Programm als bestätigt angesehen (UA S. 42). Diese Hilfsbegründung kann jedoch hinweggedacht werden, ohne dass sich am Ergebnis (Feststellung der fehlerhaften Anwendung des Programms ALOHA durch die Gutachter der Klägerin) etwas ändert.

15

(3) Ein Gehörsverstoß kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Oberverwaltungsgericht die Beweisanträge Nr. 1 und 4 der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2011 abgelehnt hat.

16

Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschlüsse vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 31 und vom 14. Mai 2008 - BVerwG 4 B 46.07 - juris Rn. 28). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings dann verletzt, wenn die Ablehnung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143 f.> und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <311>; BVerwG, Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 S. 16), mithin auf sachfremde Erwägungen gestützt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1988 - 1 BvR 818.88 - BVerfGE 79, 51 <62>). Wie bereits ausgeführt, ist hierfür maßgebend auf den materiellrechtlichen Standpunkt der angegriffenen Entscheidung abzustellen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht erfordert eine entsprechende Rüge den substantiierten Vortrag, dass die Ablehnung des Beweisantrags fehlerhaft erfolgt ist, die Begründung der Ablehnungsentscheidung im Gesetz keine Stütze findet und deshalb das rechtliche Gehör verletzt worden ist (Beschluss vom 13. Dezember 2002 - BVerwG 1 B 95.02 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 67 = juris Rn. 6). Hieran fehlt es vorliegend.

17

(3.1) Der Beweisantrag Nr. 1 der Klägerin zielte auf die Einholung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen für Physik, insbesondere für Strömungsphysik, bezüglich der Innenrauhigkeit des Steigrohres in der Kaverne Victor 2 (Nr. 1.1), der Unwahrscheinlichkeit eines sog. Guillotinebruchs am Kavernenkopf (Nr. 1.2), der fehlenden Berücksichtigung einer starken Kontraktion und eines starken Reibungsverlusts am Übergang von Kaverne zum Rohrschuh in den Berechnungen des TÜV von 2006 und des LANUV von 2011 (Nr. 1.3), der maximalen Höhe des Massestroms am Kavernenkopf (Nr. 1.4) sowie dazu, dass die zum Abriss des Kavernenkopfes notwendige Druckbelastung am Kavernenkopf nicht auftreten könne (Nr. 1.5).

18

Diesen Beweisantrag hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Die Klägerin sieht hierin einen Verfahrensfehler. Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Begründung stelle dies eine vorweggenommene Beweiswürdigung dar und beinhalte die Aussage, das Gericht halte den Sachverhalt bereits für hinreichend geklärt. Mit einer solchen Begründung könne ein Beweisantrag nicht in rechtmäßiger Weise abgelehnt werden.

19

Nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (Urteile vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> und vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 = juris Rn. 10). Die Entscheidung eines Tatsachengerichts über Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten steht dabei gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich in seinem tatrichterlichen Ermessen (z.B. Urteil vom 8. Juni 1979 - BVerwG 4 C 1.79 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 120 = NJW 1980, 900). Die unterlassene Einholung eines Obergutachtens stellt deshalb nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 5), weil die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (stRspr, u.a. Urteil vom 19. Dezember 1968 - BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156> = Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 2; Beschlüsse vom 10. März 1977 - BVerwG 6 B 38.76 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 21 und vom 30. August 1993 - BVerwG 2 B 106.93 - juris Rn. 2). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausweislich der Begründung der Entscheidung über die Ablehnung des Beweisantrags, die es in seinem Urteil (UA S. 43, 45, 46) noch weiter präzisiert hat, rechtsfehlerfrei ausgegangen. Von einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung kann damit keine Rede sein. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr angenommen, dass durch die in das Verfahren eingeführten Gutachten ihm die erforderliche Sachkunde bereits soweit vermittelt wurde, um im Wege der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) den vorliegend maßgeblichen Mindestabstand zwischen dem klägerischen Vorhaben und dem Gaskavernenspeicher der Beigeladenen bestimmen zu können. Das Oberverwaltungsgericht hat sich des Weiteren auf den Seiten 39 bis 46 des Entscheidungsabdrucks ausführlich mit den in das Verfahren - auch von Seiten der Klägerin - eingebrachten bzw. den von ihm eingeholten Gutachten auseinander gesetzt, hat diese umfassend gewürdigt und ist bezüglich des maßgeblichen Sicherheitsabstandes letztlich der durch das LANUV-Gutachten bestätigten Ansicht des TÜV gefolgt, weil es dieses für überzeugend gehalten hat (UA S. 37). Hiermit setzt sich die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise auseinander.

20

(3.2) Schließlich rügt die Klägerin, auch Beweisantrag Nr. 4 sei in der mündlichen Verhandlung unzulässigerweise abgelehnt worden. Danach sollte den Gutachtern der Gegenseite aufgegeben werden, ihre iterative Berechnung des Massestroms einschließlich der zugehörigen Excel-Tabellen vorzulegen, sowie der Klägerin und ihrem Sachverständigen Gelegenheit gegeben werden, dazu Stellung zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, die eingeforderten Vorlagen würden erkennbar keine relevanten Erkenntnisse erbringen. Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht insofern vor, den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt zu haben (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil es seine Entscheidung nur auf ein Gutachten stützen dürfe, das schlüssig und nachvollziehbar sei. Das setze gerade im Streit um wissenschaftliche Fragen voraus, dass die methodischen und rechnerischen Schritte, mit denen ein Sachverständiger zu einer Erkenntnis gelangt sei, nachvollzogen werden könnten. Dem habe der Beweisantrag Nr. 4 gedient. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargetan. Inwieweit Ausgangsdaten und Verarbeitungsschritte einer gutachterlichen Stellungnahme offen gelegt werden müssen, um deren Verwertbarkeit überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO), die sich regelmäßig nicht allgemeingültig beantworten lässt (Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 24 und vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 44). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Eingabegrößen und die Berechnungsgrundlagen im Anhang der Stellungnahme des LANUV aufgeführt sind (UA S. 44). Hinweise, auf durchgreifende, die Aussagekraft der Abschätzung in relevantem Umfang relativierende Fehler bei den Berechnungsgrundlagen, welche Anlass hätten geben können, die angelegten Excel-Tabellen anzufordern, hat das Oberverwaltungsgericht ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 44) nicht gefunden. Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerde darlegen müssen, dass bei der Aufnahme der Grundlagendaten und der Berechnungen Fehler unterlaufen sein könnten (Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4000.09 - juris Rn. 61 a.E. für eine Verkehrsprognose). Daran fehlt es.

21

c) Letztlich liegt auch keine sogenannte aktenwidrige Entscheidung vor.

22

Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben (Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 = juris Rn. 6). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss "zweifelsfrei" sein (z.B. Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338). Diese Voraussetzungen sind durch die Beschwerde nicht dargetan.

23

(1) Die Klägerin rügt, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, weil es davon ausgehe, dass bei Erreichen einer Wärmestrahlung von 12 kW/qm ein Wohngebäude regelmäßig keinen hinreichenden Schutz mehr biete, sondern mit letalen Folgen zu rechnen sei (UA S. 39). Aus den Akten ergebe sich - so die Klägerin - jedoch genau das Gegenteil. Dieser Einwand greift nicht durch. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei der genannten Passage im Urteil vom 15. Dezember 2011 lediglich um eine Ungenauigkeit in der Diktion handelt. Das folgt daraus, dass das Oberverwaltungsgericht im weiteren Verlauf seiner Prüfung davon ausgeht, dass der Wert von 12 kW/qm aufgrund der Unterschreitung des Sicherheitsabstandes von 85 m durch das verfahrensgegenständliche Gebäude (ca. 75 m Entfernung) überschritten wird und es infolgedessen zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme komme. Die Annahme, dass die typischen in Deutschland anzutreffenden Gebäude bei einer Wärmestrahlung von mehr als 12 kW/qm - somit auch das klägerische Gebäude - keinen ausreichenden Schutz vor letalen Folgen mehr bieten, entspricht jedoch der Aktenlage.

24

(2) Die Klägerin rügt des Weiteren, dass das Oberverwaltungsgericht bezüglich des der Ausbreitungsbetrachtung zugrunde zu legenden Massenstroms, d.h. der im Störfall auftretenden Emissionen am Kavernenkopf, hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Parameter (Ideal-/Realgasverhalten, Druck, Strömungsdurchmesser/Ausströmungsquerschnitt, Inburex-Sicherheitsbericht 2002) von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen sei. Insofern legt sie jedoch schon keinen "offensichtlichen" bzw. "zweifelsfreien" Widerspruch entsprechend obigen Grundsätzen dar, sondern ersetzt die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts durch eine eigene. Das gilt umso mehr, als die genannten Parameter, ihre Bestimmung und ihre Bedeutung für den maßgeblichen Sicherheitsabstand zwischen den Beteiligten sowie den Gutachtern im Verfahren heftig umstritten waren. Damit fehlt es bereits an der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Darlegung.

25

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Abwasserbeitrag.

2

Sie ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand, das sich im Eigentum des Bundes befindet. Zu ihrem Geschäftsgegenstand gehört u.a. die Sanierung und Rekultivierung der ehemals für den Braunkohleabbau genutzten Flächen in den neuen Bundesländern und die Wiederherstellung einer Bergbaufolgelandschaft in der Projektträgerschaft der Bundesrepublik Deutschland für eine Folgenutzung durch kommunale und privatwirtschaftliche Eigentümer.

3

Die Klägerin war Eigentümerin folgender Grundstücke:

4

- Gemarkung B., Flur 52, Flurstück 209, mit einer Größe von 9.592 m², am 24. März 2005 eingetragen im Grundbuch von B., Blatt 3110, unter der lfd. Nr. 224 mit der Nutzungsart „stehendes Gewässer, C.“.

5

- Am 4. September 2007 wurde das Flurstück 209 unter der lfd. Nr. 266 neu eingetragen. Als Nutzungsarten wurden „Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche“ mit 6.742 m² und „stehendes Gewässer“ mit 2.850 m² angegeben.

- Am 4. Februar 2009 wurde das Flurstück 209 in die Flurstücke 313 (1.960 m²), 314 (674 m²), 315 (569 m²) und 316 (6.389 m²) mit der Lagebezeichnung „Am D.“ zerlegt und unter der lfd. Nr. 282 neu eingetragen.

- Das Flurstück 313 wurde am 17. Februar 2009 übertragen nach B., Blatt 4720.

- Das Flurstück 314 wurde am 2. Juni 2009 übertragen nach B., Blatt 4733.

- Das Flurstück 316 schied am 1. März 2011 im Flurbereinigungsverfahren aus.

6

- Gemarkung E., Flur 2, Flurstück 1/3, mit einer Größe von 24.785 m², am 18. September 1995 eingetragen in das Grundbuch von E., Blatt 539, unter der lfd. Nr. 6 mit der Nutzungsart „Abbauland, Tagebau“.

7

- Am 3. Dezember 2002 wurde dieses Grundstück zerlegt in das Flurstück 428 (1.392 m²) und das Flurstück 429 (23.393 m²) mit der Nutzungsart „Sonderfläche“ sowie der Lagebezeichnung „An der B 100“ und unter der lfd. Nr. 30 neu eingetragen.

- Am 1. Januar 2003 wurde das Flurstück 428 abgeschrieben und nach E., Blatt 742, übertragen.

- Am 3. Februar 2009 wurden das Flurstück 429 zerlegt in die Flurstücke 541 (1.841 m²), 542 (1.982 m²) 543 (3.452 m²) und 544 (16.118 m²) mit der Lagebezeichnung „Am D.“ und unter der lfd. Nr. 75 neu eingetragen.

- Das Flurstück 541 wurde am 17. Februar 2009 übertragen nach E. Blatt 816.

- Das Flurstück 542 wurde am 2. Juni 2009 übertragen nach E. Blatt 822

- Die Flurstücke 543 und 544 schieden am 1. März 2011 im Flurbereinigungsverfahren aus.

8

- Gemarkung E., Flur 2, Flurstück 250/5, mit einer Größe von 961.718 m², am 18. September 1995 eingetragen in das Grundbuch von E., Blatt 539, unter der lfd. Nr. 12 mit der Nutzungsart „Abbauland, Tagebau“.

9

- Am 16. Februar 1998 wurde das Grundstück zerlegt in die Flurstücke 250/6 (1.312 m²) und 250/7 (960.335 m²) und unter der lfd. Nr. 22 neu eingetragen.

- Am 1. Dezember 1998 wurde das Grundstück geteilt und unter der lfd. Nr. 23 (Flurstück 250/6) und Nr. 24 (Flurstück 250/7) neu eingetragen.

- Am 3. Dezember 2002 wurde das Flurstück 250/7 zerlegt in die Flurstücke 421 (1.699 m²), 422 (236 m²) und 423 (958.400 m²) und unter der lfd. Nr. 25 neu eingetragen.

- Am 3. Dezember 2002 wurde das Flurstück 423 zerlegt in die Flurstücke 426 (667 m²) und 427 (957.733 m³) und mit den Flurstücken 421 und 422 unter der lfd. Nr. 26 neu eingetragen.

- Am 3. Dezember 2002 wurde das Flurstück 427 zerlegt in die Flurstücke 430 (5.887 m²), 431 (1.383 m²), 432 (7.182 m²) und 433 (943.281 m²) und mit den Flurstücken 421, 422 und 426 unter der lfd. Nr. 29 neu eingetragen.

- Die Flurstücke 421 und 422 wurden am 3. Dezember 2002 abgeschrieben und nach E., Blatt 741, übertragen.

- Die Flurstücke 430, 431 und 432 wurden am 10. Januar 2003 abgeschrieben und nach E., Blatt 742, übertragen.

- Das Flurstück 426 wurde am 7. Juli 2003 abgeschrieben und nach E., Blatt 751, übertragen.

- Am 5. April 2005 wurde das Flurstück 433 zerlegt in die Flurstücke 444 (24 m²) und 445 (290 m²) sowie das Flurstück 446 (942.967 m²) und unter der lfd. Nr. 34 neu eingetragen.

- Am 15. Juni 2006 wurde das Flurstück 446 in 26 Flurstücke zerlegt. Hierzu gehörte auch das Flurstück 529 (926.524 m²). Gleichzeitig wurde das aus den Flurstücken 444, 445 und 446 bestehende Grundstück geteilt und unter den lfd. Nr. 42 – 68 neu eingetragen, wobei das Flurstück 529 unter der lfd. Nr. 67 eingetragen wurde. Die Flurstücke 444 und 445 wurden unter der lfd. Nr. 68 eingetragen.

- Am 3. Februar 2009 wurde das Flurstück 529 zerlegt in die Flurstücke 545 (25 m²) und 546 (926.499 m²) und unter der lfd. Nr. Nr. 76 neu eingetragen.

- Das Flurstück 545 wurde am 2. Juni 2009 übertragen nach E., Blatt 822.

- Das Flurstück 546 schied am 1. März 2011 im Flurbereinigungsverfahren aus.

10

Am 18. Dezember 2008 – im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beitragsbescheides – war die Klägerin mithin Eigentümerin des Flurstücks 209 der Flur 52 der Gemarkung B. sowie der Flurstücke 429 und 529 der Flur 2 der Gemarkung E.. Diese Grundstücke sind Bestandteil des ehemaligen Tagebaugeländes C. und liegen zum Teil in einem Gebiet der städtebaulichen Entwicklung, dem Projekt „F. Wasserfront“, das die Stadt B. als Ergänzung zu der von der Klägerin betriebenen Rekultivierung des ehemaligen Tagebaugebietes betreibt. Hierzu stellte die Stadt B. im Jahr 2005 die Bebauungspläne Nr. 1/99a für den Teilbereich „F. Wasserfront/Bereich Uferweg landseitig“ und Nr. 1/99b für den Teilbereich „F. Wasserfront/Bereich Uferweg wasserseitig“ auf. Ein Teil der Grundstücke liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1/99b (Teilbereich wasserseitig) im sog. Quartier Große Mühle, welches als Sondergebiet für Freizeit und Wohnen sowie als Marina-Standort genutzt werden soll. Das Gebiet ist im Bebauungsplan Nr. 1/99b in der Farbe Orange als Sondergebiet SO 14 ausgewiesen. Die Größe der im Sondergebiet SO 14 gelegenen Fläche wurde in der Begründung zu dem Bebauungsplan Nr. 1/99b mit 13.700 m² angegeben. Die genaue Fläche des Gebietes war vermessungstechnisch noch zu ermitteln.

11

Eine 302 m² große Teilfläche des Flurstücks 543 (vormals Flurstück 429) und eine 140 m² große Teilfläche des Flurstücks 546 (vormals Flurstück 529) sind Teil eines Parkplatzes. Für diese Flächen wurde im Bebauungsplan Nr. 1/99b die Festsetzung „Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung – Parkplatz“ getroffen. Sie gehören nicht zum Sondergebiet SO 14. Diese Flächen wurden inzwischen aus den Flurstücken 543 und 546 herausgemessen und sind Bestandteil des Flurstücks 452, dessen Lage auf dem von der Klägerin als Anlage K 3 (GA Bl. 97) vorgelegten Luftbild vom 21. Januar 2011 ersichtlich ist.

12

Am 7. Juni 2000 schloss die Klägerin mit der Stadt B. einen Grundstücksverwertungsvertrag (GA 4 B 417/10 HAL Bl. 53), dessen Zweck u.a. darin bestand, die Finanzierung der Neugestaltung der F. Wasserfront durch einen Finanzierungsbeitrag der Klägerin sicherzustellen. Die diesbezüglichen Einzelheiten wurden unter Abschnitt II des Vertrages geregelt. Am 28. Mai 2003 wurde der Grundstücksverwertungsvertrag geändert (GA 4 B 417/10 HAL Bl. 41). Die Finanzierungsregelungen sollten sich nunmehr auf zwei Maßnahmekomplexe beziehen, und zwar einerseits auf die mit der Ufersicherung und den Ausbau der neuen Uferlinie zusammenhängenden Maßnahmen (Spundwand, Hafen, Uferpromenade, Errichtung grüner Strand, Erstellung Molen Ost usw. nebst Planungen) – Maßnahmekomplex I – und andererseits auf die Erschließung des östlichen Teilgebietes des Bebauungsplangebietes Nr. 1/99a einschließlich erforderlicher Maßnahmen der Tiefenenttrümmerung, Baufeldfreimachung und Bodenstabilisierung sowie der erforderlichen Planungen – Maßnahmekomplex II –. Unter Abschnitt I § 4 (Nebenbestimmungen) Nr. 7 (Zahlungen im Rahmen der Sanierungsumlegung bzw. Erschließungskosten) hieß es, mit dem Finanzierungsbeitrag der Klägerin gemäß Abschnitt II seien sämtliche Erschließungs- und Sanierungsumlegungsbeiträge der Klägerin für im Plangebiet ausgewiesene Sonderbauflächen der Klägerin abgegolten. Der Finanzierungsbeitrag der Klägerin zur Realisierung der Maßnahmekomplexe I und II des Projektes F. Wasserfront sollte gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 GV insgesamt 1.227.100,50 € zuzüglich Umsatzsteuer betragen. Unter Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 GV hieß es:

13

„Soweit es außerhalb der von den Maßnahmekomplexen I und II betroffenen LMBV-Flächen zur Erschließung und damit zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen kommen sollte (nach derzeitigen Sachstand kommt das nur im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 1/99b in Betracht), werden gesondert erhobene Erschließungsbeiträge von diesem Vertrag nicht berührt.“

14

Am 27. August 2003 wurde der Grundstücksverwertungsvertrag nochmals geändert (GA 4 B 417/10 HAL Bl. 38). Nach der Neufassung des Abschnitts I § 4 (Nebenbestimmungen) Nr. 7 Buchst. a Satz 1 GV sollten mit dem Finanzierungsbeitrag der Klägerin sämtliche Erschließungsbeiträge für die Liegenschaften der Klägerin in den Erschließungsgebieten Uferpromenade (Berliner Ufer) und Große Mühle abgegolten sein. Dies gelte nicht für Liegenschaften der Klägerin im Erschließungsbereich Leineufer. Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 GV wurde dahin geändert, dass der Finanzierungsbeitrag der Klägerin zur Realisierung der Maßnahmekomplexe I und II des Projektes F. Wasserfront 1.227.100,51 € zuzüglich Umsatzsteuer betragen sollte. Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 GV wurde weder geändert noch aufgehoben.

15

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2000 (GA Bl. 310) teilte der Abwasserzweckverband „Untere Mulde“, deren Rechtsnachfolger der Beklagte ist, der Stadt B. mit, dass im Zuge der technischen Erschließung u.a. im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1/99b „F. Wasserfront/Bereich Uferweg wasserseitig“ auch Anlage zur Abwasserbeseitigung errichtet würden. Das Vermögen dieser Anlagen solle mit gleichzeitiger Ablösung der Abwasserbeiträge an den Verband übertragen werden. Darüber werde er zum gegebenen Zeitpunkt mit dem Erschließungsträger eine separate Vereinbarung abschließen. Gegenüber den Grundstückseigentümern erfolge dann keine zusätzliche Beitragserhebung mehr.

16

Am 7. November 2006/20. Februar 2007 schlossen der Beklagte und die Beigeladene zu 1 einen Vertrag zur Übertragung von Anlagevermögen – Abwasser – und zur Ablösung der Beitragspflicht für den Bereich des Bebauungsplanes Nr. 1/99a (GA 4 B 417/10 HAL Bl. 136). Hiermit sollten die von der Beigeladenen zu 1 als Erschließungsträger im Rahmen der abwassertechnischen Erschließung des Bebauungsplangebietes F. Wasserfront im Bereich „Große Mühle“ hergestellten Abwasseranlagen auf den Beklagten übertragen werden. Die Herstellungskosten wurden mit 320.391,92 € beziffert. Der Herstellungsbeitrag für die erschlossenen Grundstücke wurde mit 318.281,90 € angegeben. Beide Beträge sollten miteinander verrechnet werden. Die beitragspflichtigen Grundstücke wurden in Anlage 3 aufgeführt. Hierbei sollte es sich um die Bauflächen in den Sondergebieten SO 4 und 5, 7, 9 – 13 und 15 – 18, insgesamt 71.003 m², handeln. Eine Ablösevereinbarung betreffend die Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1/99b, insbesondere im Sondergebiet SO 14, gibt es nach den Angaben des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 30. Mai 2011 im Verfahren 4 B 417/10 HAL nicht.

17

Mit Vertrag vom 11. November 2005 (GA Bl. 223) verkaufte die Klägerin u.a. die hier betroffenen Grundstücke an die Beigeladene zu 2. In diesem Vertrag hieß es unter § 7 (Erschließung), Nr. 7.1, auf dem Kaufgegenstand seien folgende Erschließungsmaßnahmen durchgeführt worden:

18

- Bebauungspläne der Stadt B. „F. Wasserfront“

19

- 1/99a – Bereich Uferweg landseitig

- 1/99b – Bereich Uferweg wasserseitig.

20

Unter Nr. 7.2 wurde vereinbart, dass die Beigeladene zu 2 sämtliche zukünftigen öffentlich-rechtlichen Abgaben und Gebühren für Erschließungsmaßnahmen, insbesondere Erschließungsbeiträge nach dem BauGB oder dem Kommunalabgabenrecht, zu tragen bzw. der Klägerin zu erstatten habe, soweit ein Beitragsbescheid ab dem Stichtag (§ 5 Nr. 5.1) zugestellt werde. Der Beigeladenen zu 2 sei bekannt, dass Bescheide möglicherweise erst Jahre nach Abschluss der Erschließung zugestellt würden. Die Klägerin versichere, dass ihr keine Erschließungsmaßnahmen bekannt und bis zum heutigen Tage keine Beitragsbescheide zugegangen seien.

21

Am 5. November 2004 wurde nach den Angaben des Beklagten in seinem Schreiben vom 2. Mai 2011 (GA Bl. 207) die Schmutzwasserkanalisation vor den hier betroffenen Grundstücken der Klägerin fertig gestellt.

22

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 zog der Beklagte die Klägerin für die Fläche des Sondergebietes SO 14 des Bebauungsplans der Stadt D-Stadt Nr. 1/99b „F. Wasserfront/Bereich Uferweg wasserseitig“ von 13.297 m² als Teilfläche der Flurstücke 429 und 529 der Flur 2 der Gemarkung E. und des Flurstücks 209 der Flur 52 der Gemarkung B. zu einen Abwasserbeitrag von 74.815,57 € heran. Er berücksichtigte hierbei einen Vollgeschossfaktor von 0,55 für drei Vollgeschosse und einen Beitragssatz von 10,23 €/m².

23

Mit Schreiben vom 7. Januar 2009 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid sei zu unbestimmt, da es sich bei den genannten Flurstücken um selbstständige Buchgrundstücke handele, für die jeweils ein eigenständiger Beitrag festzusetzen sei. Ein Änderungsbescheid könne ihr gegenüber nicht mehr erlassen werden, da sie zum Teil nicht mehr Eigentümerin der Grundstücke sei. Die Grundstücke seien mittlerweile geteilt und teilweise an andere Personen verkauft und übereignet worden.

24

Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 bestätigte die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Beklagten eine Größe des SO 14 von 13.297 m².

25

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2008 zurück. Zur Begründung führte er aus, es sei eine Fläche von 13.297 m² veranlagt worden. Hierbei handele es sich um die Fläche des Sondergebietes SO 14 des Bebauungsplanes Nr. 1/99b. Das Sondergebiet SO 14 sei im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht aus Teilen des Flurstücks 209 der Gemarkung B. sowie der Flurstücke 429 und 529 der Gemarkung E. gebildet worden. Die Teilung und Neuvermessung der Flurstücke sei bis zum Ablauf des Jahres 2008 noch nicht erfolgt. Erst im Jahr 2009 seien die drei Flurstücke neu vermessen, geteilt sowie teilweise verkauft und grundbuchmäßig umgeschrieben worden. Der festgesetzte Beitrag verteile sich auf die einzelnen Flurstücke wie folgt:

26

- Flurstück 209 = 18.021,68 €

27

Der auf das ehemalige Flurstück 209 entfallende Beitrag sei durch Multiplikation der beitragspflichtigen Fläche von 3.203 m² mit dem Vollgeschossfaktor von 0,55 und dem Beitragssatz von 10,23 €/m² berechnet worden. Die beitragspflichtige Fläche bestehe aus den Flächen folgender Flurstücke, die aus dem Flurstück 209 hervorgegangen seien:

28

- Flurstück 313: 1.960 m²

- Flurstück 314: 674 m²

- Flurstück 315: 569 m².

29

- Flurstück 429 = 40.932,79 €

30

Der auf das ehemalige Flurstück 429 entfallende Beitrag sei durch Multiplikation der beitragspflichtigen Fläche von 7.275 m² mit dem Vollgeschossfaktor von 0,55 und dem Beitragssatz von 10,23 €/m² berechnet worden. Die beitragspflichtige Fläche bestehe aus den Flächen folgender Flurstücke, die aus dem Flurstück 429 hervorgegangen seien:

31

- Flurstück 541: 1.841 m²

- Flurstück 542: 1.982 m²

- Flurstück 543: 3.452 m².

32

- Flurstück 529 = 15.861,10 €

33

Der auf das ehemalige Flurstück 529 entfallende Beitrag sei durch Multiplikation der beitragspflichtigen Fläche von 2.819 m² mit dem Vollgeschossfaktor von 0,55 und dem Beitragssatz von 10,23 €/m² berechnet worden. Die beitragspflichtige Fläche bestehe aus den Flächen folgender Flurstücke, die aus dem Flurstück 529 hervorgegangen seien:

34

- Flurstück 545: 25 m²

- Flurstück 546: 2.794 m²

35

Die beitragspflichtige Fläche des Flurstücks 546 von 2.794 m² sei die im Sondergebiet SO 14 liegende Teilfläche des insgesamt 926.499 m² großen Grundstücks. Diese sei durch Verminderung der Gesamtfläche des Sondergebietes SO 14 von 13.297 m² um die Flächen der Flurstücke 313, 314, 315, 541, 542, 543 und 545 berechnet worden. Die Klägerin sei beitragspflichtig, da sie im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 18. Dezember 2008 Eigentümerin des Flurstücks 209 der Gemarkung B. sowie der Flurstücke 429 und 529 der Gemarkung E. gewesen sei.

36

Am 25. November 2010 hat die Klägerin beim erkennenden Gericht Klage erhoben.

37

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben, soweit hierin für das Flurstück 429 ein Abwasserbeitrag von mehr als 39.233,58 € und insgesamt ein Abwasserbeitrag von mehr als 73.116,37 € festgesetzt wird. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit daraufhin insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

38

Die Klägerin trägt vor, die Beitragssatzung des Beklagten sei unwirksam. Die Globalberechnung sei fehlerhaft. Die Berechnung der Gesamtbeitragsfläche sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere fehle die zum Sondergebiet SO 14 gehörende Teilfläche des Flurstücks 546, welche die nördliche „CD.“ des Sondergebietes SO 14 darstelle. Darüber hinaus genüge der Bescheid nicht dem Gebot hinreichender Bestimmtheit. Der Bescheid setze eine unabgegrenzten Beitrag für drei Buchgrundstücke fest. Hieran änderten auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid nichts, denn mit dem Widerspruchsbescheid habe der Beklagte ihren Widerspruch lediglich als unbegründet zurückgewiesen. Der Ausgangsbescheid sei in seiner ursprünglichen Fassung bestätigt worden. Die rechtsfehlerhafte Beitragsfestsetzung sei nicht geändert worden. Zudem werde fälschlicherweise das Flurstück 529 herangezogen, das im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht noch gar nicht existiert habe. Dies sei fehlerhaft, weil in dem Bescheid keinerlei Bezug auf das dem Beitrag unterliegende Flurstück 433 genommen werde. Zudem sei die vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vorgenommene Flächenermittlung unzutreffend. Der herangezogene Fläche der Flurstücke 543 und 546 müsse um die Fläche des zwischenzeitlich herausgemessenen Straßengrundstücks 452 reduziert werden. Darüber hinaus stünden dem Bescheid sowohl die zwischen ihr und der Stadt B. als auch die zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Beklagten abgeschlossene Ablösevereinbarung entgegen. Zwar sei auf dem Vorblatt zu diesem mit dem Beklagten Vertrag nur der Teil-Bebauungsplan Nr. 1/99a genannt worden. Im Geltungsbereich dieses Teil-Bebauungsplanes befänden sich jedoch sämtliche relevanten Erschließungsanlagen. Soweit der Beklagte das Sondergebiet SO 14 zu einem Abwasserbeitrag heranziehe, liege dem folglich kein Herstellungsaufwand für die diesem Gebiet dienenden Schächte und Kanäle mehr zugrunde, da der Herstellungsaufwand hierfür durch Übertragung des Anlagevermögens und Ablösung von Beitragspflichten abgelöst sei. In diesem Kontext sei auch der zwischen ihr und der Stadt Bitterfeld abgeschlossene Grundstücksverwertungsvertrag von Bedeutung. Die Beigeladene zu 1 habe im Auftrag der Stadt B. die Erschließung der im Plangebiet gelegenen Grundstücke vorgenommen und mit ihrem Finanzierungsbeitrag die Herstellungskosten für die Abwasseranlagen finanziert.

39

Die Klägerin beantragt,

40

den Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 aufzuheben und
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

41

Der Beklagte beantragt,

42

die Klage abzuweisen.

43

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid.

44

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

45

Die Beigeladene zu 2 trägt vor, die Erhebung von Beiträgen sei auf Grund des zwischen der Klägerin und der Stadt Bitterfeld abgeschlossenen Grundstücksverwertungsvertrages sowie auf Grund des Schreibens des Abwasserzweckverbandes „Untere Mulde“ vom 4. Oktober 2000 unzulässig. Zudem werde die Fläche des Bebauungsplanes der Stadt B. Nr. 1/99b F. Wasserfront/Bereich Uferweg wasserseitig durch die zentrale öffentliche Schmutzwasseranlage gar nicht erschlossen.

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

47

Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

48

Die Kammer kann durch den Einzelrichter entscheiden, denn der Rechtsstreit wurde gemäß § 6 VwGO mit Beschluss vom 29. August 2012 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

49

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 und der Teilrücknahme vom 19. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

I.

50

Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA in Verbindung mit § 119 Abs. 1 AO. Hiernach muss im Interesse der Rechtsklarheit und Eindeutigkeit grundsätzlich für jedes Grundstück eine eigene Beitragsfestsetzung erfolgen (OVG Weimar, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 ZEO 867/99 – KStZ 2002, 177; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn 76a). Das Festsetzen eines Gesamtbeitrags für mehrere Grundstücke macht den Beitragsbescheid grundsätzlich unbestimmt und damit fehlerhaft (OVG LSA, Beschluss vom 22. März 2004 – 2 L 103/03 – juris Rn. 13). Maßgeblich ist das Buchgrundstück, also das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne (OVG LSA, Beschluss vom 11. März 2003 – 1 L 268/02 – juris). Grundstück in diesem Sinne ist der Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt oder auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt unter einer eigenständigen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke gebucht ist, wobei das Grundstück aus mehreren Flurstücken bestehen kann (OVG LSA, Beschluss vom 22. März 2004 – 2 L 103/03 – a.a.O. Rn. 9).

51

1. Nach diesen Grundsätzen erweist sich der streitgegenständliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides – nunmehr – als inhaltlich hinreichend bestimmt. Zwar war er ursprünglich zu unbestimmt und damit fehlerhaft, weil hierin für die (ehemaligen) Flurstücke 429, 529 und 209, bei denen es sich im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides jeweils um eigenständige Buchgrundstücke handelte, ein unabgegrenzter Gesamtbetrag festgesetzt worden war. Der Fehler der mangelnden Bestimmtheit des Ausgangsbescheides vom 18. Dezember 2008 ist jedoch mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 geheilt worden.

52

a) Soweit ein Beitragsbescheid wegen fehlender Bestimmtheit infolge einer nicht auf das einzelne Grundstück bezogenen Beitragsfestsetzung fehlerhaft ist, führt dies grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des Bescheides. Der Beitragsgläubiger hat vielmehr die Möglichkeit, den Mangel durch den Erlass eines Änderungsbescheides zu heilen (OVG LSA, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 4 L 219/10 – juris Rn. 9). Die notwendigen Klarstellungen können dabei auch im Widerspruchsbescheid vorgenommen werden. Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte Gebrauch gemacht. Aus der Begründung des Widerspruchsbescheides geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass Gegenstand der Beitragserhebung das (ehemalige) Flurstück 209 mit einer Teilfläche von 3.203 m², das (ehemalige) Flurstück 429 mit einer Teilfläche von 7.275 m² und das (ehemalige) Flurstück 529 mit einer Teilfläche von 2.819 m² ist. Hierdurch wird die im Beitragsbescheid vom 18. Dezember 2008 noch zu unbestimmte Beitragsfestsetzung hinreichend korrigiert.

53

b) Gegen eine Heilung des Bescheides vom 18. Dezember 2008 durch eine Änderung der Beitragsfestsetzung im Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2010 spricht auch nicht, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht mehr Eigentümerin sämtlicher zu einem Beitrag herangezogener Grundstücksflächen war. Ein Eigentumswechsel zwischen Ursprungs- und Änderungsbescheid hat keine Auswirkungen auf die Beitragspflicht, da die persönliche Beitragspflicht gemäß § 6 Abs. 8 Satz 1 KAG LSA durch Erlass des Heranziehungsbescheides an den Grundstückseigentümer für die gesamte Beitragsschuld festgelegt wird und durch einen Eigentümerwechsel nicht erlischt (OVG Münster, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 15 A 2642/09 – juris Rn. 6).

54

2. Die inhaltliche Bestimmtheit des Bescheides vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 fehlt auch nicht deshalb, weil die Flurstücke 209, 429 und 529 nach Erlass des Bescheides, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheides geteilt wurden und die Beitragsfestsetzung sich nicht auf die aus diesen Grundstücksteilungen hervorgegangenen neuen Buchgrundstücke bezieht.

55

a) Rechtlich ohne Belang ist, dass das (ehemalige) Flurstück 209 im Jahr 2009 in die Flurstücke 313, 314, 315 und 316 zerlegt und anschließend geteilt wurde. Für die Beurteilung, welcher Teil der Erdoberfläche (welches Grundstück) Gegenstand der Beitragserhebung ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht an. Grundstücksteilungen nach diesem Zeitpunkt sind bei der Heranziehung zu einem Beitrag nicht zu berücksichtigen (OVG Münster, Beschluss vom 3. Januar 2002 – 15 B 1642/01 – juris; OVG LSA, Beschluss vom 23. November 2007 – 4 L 273/07 – juris). Hiernach ist das (ehemalige) Flurstück 209 Gegenstand der Beitragspflicht. Nach den Angaben des Beklagten, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass ersichtlich ist, entstand die sachliche Beitragspflicht für die hier maßgeblichen Grundstücke am 5. November 2004. Zu diesem Zeitpunkt war das (ehemalige) Flurstück 209 ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Auszugs aus dem Grundbuch von Bitterfeld, Blatt 3110, noch nicht geteilt.

56

b) Auch die im Jahr 2009 erfolgte Zerlegung des (ehemaligen) Flurstücks 429 in die Flurstücke 541, 542, 543 und 544 und die nachfolgende Teilung stehen der inhaltlichem Bestimmtheit des Bescheides vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 nicht entgegen. Gegenstand der Beitragspflicht ist das (ehemalige) Flurstück 429, denn dieses war ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Auszugs aus dem Grundbuch von Mühlbeck, Blatt 539, im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht am 5. November 2004 noch ungeteilt.

57

c) Aus den gleichen Gründen steht auch die Zerlegung und Teilung des (ehemaligen) Flurstücks 529 in die Flurstücke 545 und 546 im Jahr 2009 der Bestimmtheit des Bescheides vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 nicht entgegen.

58

3. Der Bescheid vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil Gegenstand der Beitragspflicht nicht das (ehemalige) Flurstück 529 mit einer Größe von 926.524 m² ist, welches erst am 15. Juni 2006 mit der Eintragung unter der lfd. Nr. 67 auf Blatt 539 des Grundbuchs von E. als selbständiges Grundstück entstanden ist, sondern das seit dem 7. Juli 2003 als selbständiges Grundstück im Grundbuch von E., Blatt 539, unter der lfd. Nr. 29 eingetragene (ehemalige) Flurstück 433 mit einer Größe von 943.281 m². Das Flurstück 529 entstand durch Zerlegung und Teilung des Flurstücks 433 in die Flurstücke 444, 445 und 446 sowie die nachfolgende Zerlegung und Teilung des Flurstücks 446 u.a. in das Flurstück 529 am 15. Juni 2006 und ist damit eine Teilfläche des vormaligen – im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht noch bestehenden – Flurstücks 433.

59

a) Die Heranziehung einer Teilfläche des Grundstücks, welches Gegenstand der Beitragspflicht ist, begegnet keinen materiell-rechtlichen rechtlichen Bedenken, solange der festgesetzte Beitrag – ggf. zusammen mit anderen Beitragsfestsetzungen für andere Teilflächen – die für das Grundstück entstandene Beitragsschuld insgesamt nicht übersteigt (VG Halle, Beschluss vom 17. Juni 2003 – 4 B 258/02 HAL –). Unter diesem Gesichtspunkt unterliegt die Beitragsfestsetzung für das Flurstück 529 anstatt für das Flurstück 433 keinen Bedenken, denn der festgesetzte Beitrag übersteigt den für das Flurstück 433 entstandenen Beitrag nicht. Es sind auch keine weiteren Beitragsfestsetzungen für das Flurstück 433 ersichtlich, die hinzuzurechnen sind.

60

b) Die Heranziehung des Flurstücks 529 anstelle des Flurstücks 433, für das die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Das hier zu einem Beitrag herangezogene Grundstück Gemarkung E., Flur 2, Flurstück 529, Größe 926.524 m², eingetragen unter der lfd. Nr. 67 im Grundbuch von E., Blatt 539, ist nach Lage und Ausdehnung eindeutig bestimmt. Der in der Rechtsprechung zum Teil als problematisch angesehene Fall der Heranziehung eines Flurstücks, das Teil eines Buchgrundstücks, aber kein selbständiges Grundstück ist (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 12. Juli 2007 – 5 B 566/05LKV 2009, 79; OVG Weimar, Beschluss vom 30. August 2010 – 4 EO 659/08 – juris), liegt hier nicht vor. Das hier herangezogene Flurstück 529 war im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides ein selbständiges Buchgrundstück und eine genau bestimmte Teilfläche des (ehemaligen) Flurstücks 433.

61

c) Das Flurstück 529 war auch nicht nur anteilig zu dem für das Flurstück 433 entstandenen Beitrag heranzuziehen. Zwar ist der einmal entstandene Beitrag in den Fällen, in denen das Buchgrundstück nach Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, aber vor Bekanntgabe des Beitragsbescheides geteilt wird, grundsätzlich den neu gebildeten Teilgrundstücken im Verhältnis ihrer Grundstücksflächen anteilig zuzuordnen (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. April 1994 – 23 CS 93.1507 – juris Rn. 16; VG Schleswig, Urteil vom 30. Mai 2003 – 9 A 55/02 – juris Rn. 20). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die sachliche Beitragspflicht nur für einen Teil des Grundstücks entstanden ist und der abgetrennte Grundstücksteil diesen Teil weder ganz noch teilweise umfasst. Die sachliche Beitragspflicht entsteht nur für eine Teilfläche, wenn das Grundstück nur zu einem Teil im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes und im Übrigen im Außenbereich liegt (vgl. VG Halle, Urteil vom 26. Mai 2009 – 4 A 37/09 – juris Rn. 31 ff.). Umfasst danach ein nach der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht durch Teilung entstandenes (neues) Grundstück vollumfänglich die Teilfläche, für die die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, so ist dieses Grundstück in voller Höhe zu dem entstandenen Beitrag heranzuziehen. So liegt es hier. Die sachliche Beitragspflicht für das Flurstück 433 ist nur für die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Stadt B. Nr. 1/99b „F. Wasserfront Bereich Uferweg-wasserseitig“, insbesondere im Sondergebiet SO 14, liegende Teilfläche entstanden. Diese Fläche wird von dem Flurstück 529 vollumfänglich umfasst. Das Flurstück 529 kann daher in voller Höhe zu dem für das Flurstück 433 entstandenen Beitrag herangezogen werden.

II.

62

Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Beklagte die Flurstücke 209, 429 und 529 jeweils (nur) mit einer Teilfläche herangezogen hat. Dies ist der einschlägigen Regelung des Beitragsmaßstabes gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. b der Satzung des Abwasserzweckverbandes Westliche Mulde über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen zentralen Abwasseranlagen und über die Kostenerstattung für Anschlusskanäle (Beitragssatzung) vom 4. Februar 2002 (im Folgenden: BS 2002) geschuldet. Hiernach gilt als beitragspflichtige Grundstücksfläche bei Grundstücken, die teilweise im Bereich eines Bebauungsplanes oder einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB und im Übrigen im Außenbereich liegen, die Teilfläche im Bereich des Bebauungsplanes oder der Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB. In Anwendung dieser Maßstabsregelung war jeweils nur die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Stadt B. Nr. 1/99b „F. Wasserfront Bereich Uferweg-wasserseitig“, insbesondere im Sondergebiet SO 14, liegende Teilfläche der Flurstücke 209, 429 und 529 als beitragspflichtige Grundstücksfläche heranzuziehen.

III.

63

Der Beitragserhebung steht auch der von der Klägerin mit der Stadt B. abgeschlossene Grundstücksverwertungsvertrag vom 7. Juni 2000 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 28. Mai 2003 sowie der Änderung vom 27. August 2003 nicht entgegen. Der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Herstellungsbeitrag wurde durch diesen Vertrag, insbesondere durch die Regelung unter Abschnitt I § 4 Nr. 7 Satz 1 des Grundstücksverwertungsvertrages, nicht abgelöst. Das folgt bereits daraus, dass die genannte Regelung die hier relevanten Flächen nicht vorbehaltlos betrifft. Mit dem angefochtenen Bescheid wird die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Stadt Bitterfeld Nr. 1/99b „F. Wasserfront Bereich Uferweg-wasserseitig“, insbesondere im Sondergebiet SO 14, liegende Teilfläche der Flurstücke 209, 429 und 529 zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen. Gerade für diese Flächen war in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 des Grundstücksverwertungsvertrages jedoch die Erhebung gesonderter „Erschließungsbeiträge“ vorbehalten. Zudem wurden nach Abschnitt I § 4 Nr. 7 Satz 1 des Grundstücksverwertungsvertrages nur die „Erschließungsbeiträge“ für die Liegenschaften der Klägerin abgelöst. Hierbei handelt es sich um Beiträge für die in § 127 Abs. 2 BauGB genannten Anlagen. Nach § 127 Abs. 4 BauGB wird das Recht zur Erhebung kommunalabgabenrechtlicher Beiträge, insbesondere für die Abwasserbeseitigung, hiervon nicht berührt, solange diese nicht gemäß § 6 Abs. 7 Satz 5 KAG LSA abgelöst werden (OVG LSA, Beschluss vom 15. Juni 2011 – 4 L 62/11 –). Das ist hier nicht der Fall.

64

Der Ablösung der Herstellungsbeiträge gemäß § 6 KAG LSA für die Grundstücke der Klägerin im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Stadt B. Nr. 1/99b „F. Wasserfront Bereich Uferweg-wasserseitig“, insbesondere im Sondergebiet SO 14, steht zudem der aus § 6 Abs. 7 Satz 5 KAG LSA folgende Satzungsvorbehalt entgegen. Vertragliche Vereinbarungen über Kommunalabgaben sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig (OVG LSA, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 L 233/03 – juris). § 6 Abs. 7 Satz 5 KAG LSA ist eine solche gesetzliche Grundlage. Nach dieser Vorschrift kann die Satzung Bestimmungen über die Ablösung des Beitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen. Zwar sind Ablösevereinbarungen danach auch im Hinblick auf Abwasserbeiträge grundsätzlich zulässig. Sie stehen jedoch unter einem Satzungsvorbehalt. Eine Ablösevereinbarung ist nur dann wirksam, wenn sie in der Beitragssatzung vorgesehen ist und den Vorgaben der Satzung entspricht (OVG LSA, Beschlüsse vom 27. Mai 2002 – 1 L 169/02LKV 2003, 189 und vom 17. Februar 2004 – 1 L 356/03LKV 2004, 425; Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 157). Es ist nicht ersichtlich, dass diese Voraussetzungen einer wirksamen Ablösevereinbarung für die betroffenen Grundstücke der Klägerin im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1/99b hier erfüllt sind. Auch kann eine Ablösevereinbarung die Ablösung eines Beitrags nur dann bewirken, wenn sie vom Beitragsgläubiger selbst mit dem – zukünftigen – Beitragsschuldner abgeschlossen wird. Hiernach kann Abschnitt I § 4 Nr. 7 Satz 1 des Grundstücksverwertungsvertrages eine Ablösung des geltend gemachten Herstellungsbeitrags auch deshalb nicht bewirken, weil der Vertrag nicht mit dem Beklagten als Beitragsgläubiger, sondern mit der Stadt B. abgeschlossen wurde. Die Stadt B. war ausweislich der Verbandssatzung des Beklagten vom 21. November 2001 bereits damals Mitglied des Beklagten und damit nicht befugt, eine Ablösevereinbarung im Hinblick auf Abwasserbeiträge abzuschließen (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 3 der Verbandssatzung). Entgegen der Auffassung der Klägerin muss sich der Beklagte die Erklärung der Stadt B. auch nicht zurechnen lassen, da diese Mitglied des Beklagten ist. Zweckverbände und ihre Mitgliedsgemeinden sind jeweils rechtlich selbständige Körperschaften. Ein Zweckverband muss sich daher auch auf eine Beitragsforderung grundsätzlich keine Zahlungen anrechnen lassen, die in Erfüllung eines nicht mit ihm abgeschlossenen Vertrages an eine seiner Mitgliedsgemeinden geleistet werden (OVG LSA, Beschluss vom 15. Juni 2011 – 4 L 62/11 –).

IV.

65

Dem angefochtenen Beitragsbescheid steht auch nicht der zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Beklagten geschlossene Vertrag zur Übertragung von Anlagevermögen – Abwasser und zur Ablösung der Beitragspflicht betreffend die Erschließung des Bebauungsplangebietes „F. Wasserfront“ – Bebauungsplan Nr. 1/99a – im Bereich „Große Mühle“ vom 7. November 2006/20. Februar 2007 (im Folgenden: Ablösevereinbarung) entgegen, denn diese Ablösevereinbarung betrifft die hier zu einem Herstellungsbeitrag herangezogenen Flächen nicht. Dies folgt bereits aus der Überschrift der Ablösevereinbarung, die den „Bebauungsplan Nr. 1/99a“ als Gegenstand nennt. Hier sind demgegenüber die im Bebauungsplan Nr. 1/99b gelegenen Flächen relevant. Dies geht darüber hinaus auch aus Anlage 3 zu der Ablösevereinbarung hervor, in der die beitragspflichtige Grundstücksfläche dargestellt wird, für die der Herstellungsbeitrag abgelöst werden sollte. Hiervon erfasst sind die Bauflächen SO 4, SO 5, SO 7, SO 9 – SO 13 und SO 15 – SO 18. Die Fläche des Sondergebietes SO 14, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1/99b liegt und mit dem angefochtenen Bescheid herangezogen wird, ist hiervon nicht erfasst.

66

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Abwasserzweckverbandes „Untere Mulde“ vom 4. Oktober 2000, denn dieses Schreiben enthält selbst keine Beitragsablösung, sondern kündigt eine solche lediglich an.

67

Die Verrechnung der der Beigeladenen zu 1 entstandenen Herstellungskosten für die unter § 1 Abs. 1 Nr. 1.1 der Ablösevereinbarung genannten Anlagen mit den Herstellungsbeiträgen für die im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1/99a liegende beitragspflichtige Fläche hat auch nicht zur Folge, dass kein beitragsfähiger Aufwand mehr vorliegt, der eine Erhebung von Herstellungsbeiträgen für die Flächen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1/99b rechtfertigen könnte. Der Beitrag bei den leitungsgebundenen Einrichtungen dient nicht (nur) als Ersatz der tatsächlichen Kosten der Verlegung von Kanalisations- und Anschlussleitungen vor den einzelnen Grundstücken bzw. in einem bestimmten Baugebiet (Klausing, in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 1070). Der Herstellungsbeitrag dient vielmehr der Abgeltung sämtlicher Kosten, die der beitragserhebenden Körperschaft für die Schaffung der Gesamtheit der ihrem Abwasserbeseitigungskonzept entsprechenden Anlagen im Verbandsgebiet entstehen (OVG LSA, Beschluss vom 15. Juni 2011 – 4 L 62/11 –).

V.

68

Soweit die Klägerin Einwände gegen die Beitragskalkulation erhebt, weil Flächen fehlerhaft nicht erfasst worden sein sollen – nach Angaben der Klägerin soll eine Fläche von 2.794 m² zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sein – hat dies keinen Erfolg, weil sich dieser mögliche Fehler nicht auf die Wirksamkeit des Beitragssatzes von 10,23 €/m² auswirkt. Ausgehend von den aus der Beitragkalkulation der PRO 2000 GmbH vom 15. November 2010 ersichtlichen umlagefähigen Investitionsaufwendungen von 108.739.395 € und einer Beitragsfläche von 7.717.072 m² (7.714.278 m² + 2.794 m²) ergibt sich noch immer ein höchstzulässiger Beitragssatz von 14,09 €/m², der von dem in der BS 2002 festgesetzten Beitragssatz von 10,23 € deutlich unterschritten wird.

VI.

69

Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides war bis zu der in der mündlichen Verhandlung erklärten Teilrücknahme jedoch rechtswidrig, soweit hierin für das (ehemalige) Flurstück 429 ein Abwasserbeitrag von mehr als 39.233,58 € festgesetzt wird. Dessen beitragspflichtige Fläche beträgt nicht 7.275 m², sondern nur 6.973 m² (7.275 m² - 302 m²). Für eine Teilfläche von 302 m² des Flurstücks 543, das als Teilfläche des ehemaligen Flurstücks 429 im angefochtenen Bescheid vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 mit seiner gesamten Fläche von 3.452 m² zu einem Beitrag herangezogen wurde, setzt der Bebauungsplan der Stadt B. Nr. 1/99b „F. Wasserfront Bereich Uferweg-wasserseitig“ eine Verkehrsfläche“ („Parkplatz“) fest. Hierbei handelt es sich um einen schmalen rechteckigen Streifen an der nordwestlichen Grenze des Sondergebietes SO 14, der inzwischen aus dem Flurstück 543 herausvermessen wurde und aus dem mit einer Teilfläche des Flurstücks 546 das neue Flurstück 452 gebildet wurde. Zwar wird im Anschlussbeitragsrecht zur Erfassung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche grundsätzlich die gesamte von einem Bebauungsplan erfasste Grundstücksfläche als bevorteilt und damit berücksichtigungsfähig angesehen. Durch bestimmte Festlegungen in einem Bebauungsplan kann aber der Gesamtfläche oder auch einer Teilfläche des Grundstücks in einer solchen Weise jede abwasserrechtlich relevante Nutzbarkeit entzogen werden, dass für diese Flächen(teile) keine Beitragspflicht mehr gegeben ist. Das gilt insbesondere für die Grundflächen von anderen Erschließungsanlagen, denen durch eine Festsetzung im Bebauungsplan eine Bebaubarkeit deshalb entzogen ist, weil sie selbst der Erschließung im Sinne der §§ 30 ff. BauGB dienen (OVG LSA, Beschluss vom 9. August 2006 – 4 L 255/06 – juris; Klausing, in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 1029a). Nach diesen Grundsätzen ist hier die als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesene Teilfläche des Flurstücks 543 von 302 m² als nicht abwasserrechtlich relevant in Abzug zu bringen. Hierbei handelt es sich um die oben bereits beschriebene Teilfläche von 302 m² des neuen Flurstücks 452, die aus dem Flurstück 543 herausvermessen wurde. Hierdurch ergibt sich eine beitragspflichtige Grundstücksfläche des Flurstücks 429 von 6.973 m² (7.275 m² abzüglich 302 m²), die mit dem Geschossfaktor von 0,55 und dem Beitragssatz von 10,23 €/m² gemäß § 5 Abs. 1 BS 2002 zu multiplizieren ist, so dass sich ein Beitrag von 39.233,58 € ergibt.

70

Die Teilfläche von 140 m² des neuen Flurstücks 452, die aus dem Flurstück 546 herausgemessen wurde, ist demgegenüber nicht in Abzug zu bringen. Zwar handelt es sich auch bei dieser Teilfläche – ebenso wie bei der aus dem Flurstück 543 herausvermessenen Teilfläche des Flurstücks 452 von 302 m² – um eine nicht beitragspflichtige Fläche. Diese wurde jedoch durch den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht zu einem Beitrag herangezogen. Bei der Bestimmung der zu einem Beitrag heranzuziehenden Teilfläche des Flurstücks 546 von 2.819 m² ging der Beklagte von der Gesamtfläche des beitragspflichtigen Sondergebietes SO 14 von 13.297 m² aus. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die zu Grunde gelegte Größe des Sondergebietes SO 14 von 13.297 m² nicht zutreffend ist, liegen nicht vor. Hiervon wurden die beitragspflichtigen Flächen der Flurstücke 313, 314 und 315 von 3.203 m², der Flurstücke 541, 542 und 543 von 7.275 m² und die Fläche des Flurstücks 545 von 25 m² abgezogen, so dass sich eine beitragspflichtige Teilfläche des Flurstücks 546 von 2.794 m² ergab. Diese Fläche liegt damit vollständig innerhalb des Sondergebietes SO 14 und umfasst nicht die nunmehr zum Flurstück 452 gehörende Teilfläche von 140 m², da diese außerhalb des Sondergebietes SO 14 liegt. Die Methode des Beklagten zur Berechnung der Größe der im Sondergebiet SO 14 liegenden beitragspflichtigen Teilfläche des Flurstücks 546 hat vielmehr dazu geführt, dass die herangezogene Fläche von 2.794 m² um 302 m² zu klein ist, denn die Fläche des Sondergebietes SO 14 hätte zur Berechnung der hierzu gehörenden Teilfläche des Flurstücks 546 im Hinblick auf die Flurstücke 541, 542 und 543 nicht um 7.275 m², sondern nur um 6.973 m² (7.275 m² - 302 m²) vermindert werden dürfen.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 in Verbindung mit § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Klägerin aufzuerlegen, da ihr Obsiegen in Höhe von 1.699,20 € (302 m² x 0,55 x 10,23 €/m²) im Verhältnis zu dem insgesamt festgesetzten Beitrag von 74.815,57 € nur geringfügig war. Insoweit findet der Rechtsgedanke des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO Anwendung. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

72

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 ZPO.


(1) Flughäfen sowie Landeplätze mit beschränktem Bauschutzbereich nach § 17 dürfen nur angelegt, bestehende nur geändert werden, wenn der Plan nach § 10 vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Hierbei sind zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu beachten. Die Prüfung der Umweltverträglichkeit und der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen von Natura 2000-Gebieten muss sich räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Vorhabens erstrecken, in dem entscheidungserhebliche Auswirkungen möglich sind. Hierbei sind in der Umgebung der in Satz 1 bezeichneten Flugplätze alle die Bereiche zu berücksichtigen, in denen An- und Abflugverkehr weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden kann. Lässt sich die Zulassung des Vorhabens nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch An- und Abflugverkehr verschont bleiben, legt die Planfeststellungsbehörde fest, dass An- und Abflugverkehr über diesen Gebieten nicht abgewickelt werden darf. Die Planfeststellungsbehörde kann auch Bedingungen für die Zulässigkeit von Überflügen über bestimmten Gebieten festlegen. Vor einer Festlegung im Planfeststellungsbeschluss ist der Flugsicherungsorganisation und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung Gelegenheit zu geben, zu den Auswirkungen einer solchen Festlegung auf die künftige Verkehrsführung und Abwicklung des Luftverkehrs Stellung zu nehmen. Auf Genehmigungen nach § 6 Absatz 1 und 4 Satz 2 sind die Sätze 3 bis 5 entsprechend anzuwenden. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2) Für die Plangenehmigung gilt § 9 Absatz 1 entsprechend.

(3) (weggefallen)

(4) Betriebliche Regelungen und die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände können Gegenstand der Planfeststellung sein. Änderungen solcherart getroffener betrieblicher Regelungen bedürfen nur einer Regelung entsprechend § 6 Abs. 4 Satz 2.

(5) Für die zivile Nutzung eines aus der militärischen Trägerschaft entlassenen ehemaligen Militärflugplatzes ist eine Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 durch die zuständige Zivilluftfahrtbehörde erforderlich, in der der Träger der zivilen Nutzung anzugeben ist. Die Genehmigungsurkunde muss darüber hinaus die für die entsprechende Flugplatzart vorgeschriebenen Angaben enthalten (§ 42 Abs. 2, § 52 Abs. 2, § 57 Abs. 2 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Eine Planfeststellung oder Plangenehmigung findet nicht statt, jedoch muss das Genehmigungsverfahren den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen, wenn die zivile Nutzung des Flugplatzes mit baulichen Änderungen oder Erweiterungen verbunden ist, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Ein militärischer Bauschutzbereich bleibt bestehen, bis die Genehmigungsbehörde etwas anderes bestimmt. Spätestens mit der Bekanntgabe der Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 gehen alle Rechte und Pflichten von dem militärischen auf den zivilen Träger über.

(6) Die Genehmigung nach § 6 ist nicht Voraussetzung für ein Planfeststellungsverfahren oder ein Plangenehmigungsverfahren.

(7) Absatz 5 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend bei der zivilen Nutzung oder Mitbenutzung eines nicht aus der militärischen Trägerschaft entlassenen Militärflugplatzes.

(8) § 7 gilt für das Planfeststellungsverfahren entsprechend. Vorarbeiten zur Baudurchführung sind darüber hinaus auch vor Eintritt der Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung zu dulden.

(1) Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer sind verpflichtet, beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.

(2) Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eigentümer von Wohngrundstücken in der Nähe des Flughafens Berlin-Schönefeld. Sie wenden sich gegen den vom Beklagten erlassenen Planergänzungsbeschluss "Lärmschutzkonzept BBI" zum Vorhaben "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" vom 20. Oktober 2009.

2

Der angegriffene Planergänzungsbeschluss (PEB) ergänzt den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld (PFB). Durch den Planfeststellungsbeschluss wurde die Grundlage für den Ausbau des Flughafens zum alleinigen internationalen Verkehrsflughafen für die Region Berlin-Brandenburg geschaffen. A II 5.1.1 PFB regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 bis 6:00 Uhr). In dieser Zeit sollten grundsätzlich nur lärmarme Flugzeuge starten und landen dürfen (5.1.1 Nr. 1). Ausbildungs- und Übungsflüge waren grundsätzlich nicht zulässig (5.1.1 Nr. 4). Abgesehen hiervon sollten Starts und Landungen während der gesamten Nacht zulässig sein.

3

Auf ausgewählte Musterklagen von Anwohnern und Gemeinden hat der Senat den Beklagten durch Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04, 1073.04, 1075.04 und 1078.04 (BVerwG 4 A 1075.04 veröffentlicht in BVerwGE 125, 116) - verpflichtet, u.a. über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs in Teil A II 5.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss den ausgesprochenen Verpflichtungen entgegenstand, hat er ihn aufgehoben. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen.

4

Um der Verpflichtung aus den Urteilen vom 16. März 2006 nachzukommen, hat der Beklagte den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 erlassen. Durch diesen Beschluss hat A II 5.1.1 PFB folgende Fassung erhalten:

5.1.1 Flugbetriebliche Regelungen

Ab Inbetriebnahme der planfestgestellten neuen Südbahn unterliegt der Flugbetrieb folgenden Regelungen:

1) In der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Ortszeit dürfen keine Luftfahrzeuge starten oder landen.

2) In der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr Ortszeit dürfen strahlgetriebene Flugzeuge mit einer maximal zulässigen Abflugmasse von mehr als 20 000 kg auf dem Flughafen nur starten oder landen, wenn sie nachweisen, dass ihre gemessenen Lärmzertifizierungswerte in der Summe mindestens 10 EPNdB unter der Summe der für sie geltenden Grenzwerte gemäß Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) liegen. ...

3) Von den unter Nr. 1) und 2) genannten Regelungen sind ausgenommen:

a) Landungen von Luftfahrzeugen, wenn die Benutzung des Flughafens als Not- oder Ausweichflughafen aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen erfolgt,

b) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die sich im Einsatz für den Katastrophenschutz oder für die medizinische Hilfeleistung befinden oder die für Vermessungsflüge von Flugsicherungsunternehmen bzw. in deren Auftrag eingesetzt werden,

c) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbesuchen und für Regierungsflüge sowie Militär- und Polizeiflüge eingesetzt werden.

4) Von den unter Nr. 1) genannten Regelungen sind ausgenommen:

a) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen im Luftpostverkehr werktags in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis Freitag auf Samstag,

b) verspätete Starts von Luftfahrzeugen im Interkontinental-Verkehr zu Zielen außerhalb Europas sowie außerhalb der nichteuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten, deren planmäßige Abflugzeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit,

c) verspätete Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige Ankunftszeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit und verfrühte Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige Ankunft nach 5:30 Uhr Ortszeit liegt, ab 5:00 Uhr Ortszeit,

d) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge bis 24:00 Uhr Ortszeit und ab 5:00 Uhr Ortszeit.

5) In der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr Ortszeit sind auch verspätete Landungen von Flugzeugen mit Lärmzulassung nach Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum ICAO-Abkommen im gewerblichen Verkehr gestattet, wenn deren planmäßige Ankunftszeit vor 22:00 Uhr Ortszeit liegt.

6) An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsflügen sind in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr Ortszeit sowie an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig. Nach vorheriger Zustimmung der örtlichen Luftaufsicht können Ausbildungs- und Übungsflüge an Werktagen bis 23:00 Uhr Ortszeit durchgeführt werden, wenn sie nach luftverkehrsrechtlichen Vorschriften über den Erwerb, die Verlängerung oder Erneuerung einer Erlaubnis oder Berechtigung als Führer eines Luftfahrzeugs zur Nachtzeit erforderlich sind und die Flüge nicht vor 22:00 Uhr Ortszeit beendet werden können. Als Feiertag im oben genannten Sinne gilt jeder Feiertag, der in den Gesetzen über die Sonn- und Feiertage der Länder Berlin oder Brandenburg genannt ist.

7) (Triebwerksprobeläufe) 8) ... (Schubumkehr)

9) Zum Schutz der Nachtruhe sind Starts und Landungen bei Flügen nach Instrumentenflugregeln mit Ausnahme der in A II 5.1.1 Nr. 3) genannten Flüge und der im Abschnitt A II 5.1.1 Nr. 4) a) genannten Luftpostflüge wie folgt geregelt:

a) Starts und Landungen sind zwischen 23:00 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 6:00 Uhr bis zu einer jährlichen Nachtverkehrszahl von 12 852 für die Sommer- und Winterflugplanperiode zulässig.

b) Die Nachtverkehrszahl ist die Summe der Starts und Landungen über alle Zeitscheiben, pro Zeitscheibe jeweils multipliziert mit einem Nachtflugfaktor. Die maßgeblichen Nachtflugfaktoren und Zeitscheiben sind wie folgt definiert: Nachtflugfaktor 1 für 23:00 bis 23:30 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 23:30 bis 24:00 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 5:00 bis 5:30 Uhr Ortszeit und Nachtflugfaktor 1 für 5:30 bis 6:00 Uhr Ortszeit.

c) Für jede Flugplanperiode ist die geplante Nachtverkehrszahl im Voraus zu ermitteln. Die geplante Nachtverkehrszahl darf in der Sommerflugplanperiode maximal 71 % (9 125) der zugelassenen jährlichen Nachtverkehrszahl betragen, in der Winterflugplanperiode 29 % (3 727). Drei Jahre nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden Jahre die Aufteilung der jährlich zugelassenen maximalen Nachtverkehrszahl (12 852) auf die Sommer- und Winterflugplanperiode jeweils aus den Durchschnittswerten der Aufteilung der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen auf die Sommer- und Winterflugplanperiode der sechs zurückliegenden Flugplanperioden.

d) Zur Berücksichtigung von Verspätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge muss die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb geht, mindestens um 36 % unter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl der Flugplanperiode liegen (Minderungsbetrag). Drei Jahre nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden Flugplanperioden der Minderungsbetrag jeweils als Durchschnittswert der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen aller Verspätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge in den letzten drei Jahren.

e) Sofern nach Ablauf der jeweiligen Flugplanperiode festgestellt wird, dass die maximal zulässige Nachtverkehrszahl aufgrund der tatsächlich durchgeführten Starts und Landungen überschritten wurde, muss in der kommenden Flugplanperiode die geplante Nachtverkehrszahl um den Minderungsbetrag und zusätzlich um den Überschreitungsbetrag unter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl liegen.

f) Die geplante Nachtverkehrszahl und die tatsächliche Nachtverkehrszahl der letzten Flugplanperiode einschließlich einer Flugbewegungsstatistik für die maßgeblichen Zeitscheiben sind der Genehmigungsbehörde unverzüglich zu übermitteln, die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb geht. Der Aufbau und Inhalt der Flugbewegungsstatistik sind mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen.

10) ... (Verteilung der Flüge auf die Start- und Landebahnen)

11) Die Genehmigungsbehörde kann in begründeten Einzelfällen Abweichungen von den vorgenannten flugbetrieblichen Regelungen zulassen.

5

Die Kläger, die bereits gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 geklagt hatten, haben im Anhörungsverfahren rechtzeitig Einwendungen erhoben. Am 12. Februar 2010 haben sie die vorliegenden Klagen erhoben. Sie halten den Planergänzungsbeschluss aus mehreren Gründen für rechtswidrig:

6

Gegen den für den Erlass des Planergänzungsbeschlusses zuständigen Beamten bestehe die Besorgnis der Befangenheit. Er habe zwischen April 2005 und September 2008 an Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) teilgenommen und sich mit flughafenfreundlichen Beiträgen beteiligt.

7

Der Planergänzungsbeschluss verstoße gegen die Vorgaben des Urteils vom 16. März 2006 und die darin geäußerte Rechtsauffassung des Gerichts. Das Gutachten der I. GmbH (im Folgenden: I.), auf das sich der Beklagte zum Nachweis des Nachtflugbedarfs stütze, leide an mehreren, im Einzelnen benannten Fehlern. Die Prognose finde in einer nicht überprüfbaren "Black Box" statt. Die Nachtflugregelung lasse sich auch nicht durch die Erwägungen zum Bedarf der einzelnen Verkehrssegmente rechtfertigen. Regionalwirtschaftliche Effekte könnten Nachtflugverkehr nicht rechtfertigen. Eine Eindämmung des Nachtflugverkehrs erst durch eine Kontingentierung stehe mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang. Im Übrigen sei die Nachtverkehrszahl auch in ihrer Ausgestaltung unzureichend.

8

Die der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten zugrunde gelegten parallelen Abflugstrecken seien aus Gründen der Flugsicherheit nicht vertretbar. Die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen erfordere um mindestens 15Grad divergierende Abflugkurse. Der Planergänzungsbeschluss gehe - wie bereits der Planfeststellungsbeschluss - von im Wesentlichen unzutreffenden Betroffenheiten aus; insbesondere bleibe die Betroffenheit zehntausender zusätzlicher Anwohner außer Betracht.

9

Die Gesamtabwägung stehe mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang. Wohngrundstücke in der Nähe des Flughafens seien ohnehin praktisch unverkäuflich; ihr Wert werde bei zusätzlichem Flugverkehr auch in der Nacht noch weiter sinken. Auch die Schadstoffbelastung und die Katastrophengefahr würden weiter erhöht.

10

Die Kläger beantragen,

die im Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 angeordneten flugbetrieblichen Regelungen (Verfügung A I 1) sowie die diese ergänzenden "Nebenentscheidungen" (Verfügung A III, IV) aufzuheben,

hilfsweise

den Beklagten zu verpflichten,

über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebes in Teil A II Ziff. 5.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

und den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

11

Soweit die Klagen ursprünglich auch auf weitergehenden passiven Schallschutz und eine weitergehende Entschädigung für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche gerichtet waren, haben die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

12

Der Beklagte verteidigt den Planergänzungsbeschluss und beantragt,

die Klagen abzuweisen, soweit sie noch aufrechterhalten sind.

13

Im Übrigen hat auch er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

14

Die Beigeladene beantragt,

die Klagen abzuweisen.

15

Für den Fall, dass es hierauf ankommt, stimmt sie den Erledigungserklärungen zu.

Entscheidungsgründe

16

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen sind die Klagen mit dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag zulässig, aber nicht begründet.

17

A. Zulässigkeit

18

Die Kläger begehren eine über A II 5.1.1 PFB i.d.F. des PEB hinausgehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs. Dieses Ziel können sie nicht - wie mit dem Hauptantrag begehrt - durch Aufhebung der getroffenen Betriebsbeschränkungen und der mit diesen Beschränkungen möglicherweise verbundenen konkludenten Zulassung des Nachtflugbetriebs im Übrigen erreichen, sondern nur durch die - hilfsweise beantragte - Verpflichtung des Beklagten zu erneuter Entscheidung über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebs. Zur Abwehr von Lärmimmissionen eines planfestgestellten Vorhabens besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung, der im Wege einer Verpflichtungsklage durchzusetzen ist; eine (teilweise) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn das zum Schutz der Nachbarschaft entwickelte Lärmschutzkonzept des Planungsträgers Defizite aufweist, die so schwer wiegen, dass die Ausgewogenheit der Planung insgesamt infrage gestellt erscheint (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 238 m.w.N.). Das gilt nicht nur, soweit der Lärmschutz durch passiven Schallschutz gewährt wird, sondern auch, soweit Beschränkungen des Flugbetriebs in Rede stehen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290). Ausgehend hiervon kommt im vorliegenden Fall - wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 entschieden hat - nur ein Anspruch auf Planergänzung in Betracht. Aus dem im damaligen Urteil enthaltenen Hinweis, dass der nächtliche Flugbetrieb nicht aufgenommen werden dürfe, solange die gebotene Vervollständigung des Lärmschutzkonzepts ausstehe (a.a.O. Rn. 290), ergibt sich nichts anderes.

19

B. Begründetheit

20

Die Klagen sind nicht begründet. Die flugbetrieblichen Regelungen in A II 5.1.1 PFB i.d.F. des PEB leiden nicht an Fehlern, die zu einem Anspruch der Kläger auf eine erneute Entscheidung führen.

21

I. Verfahren

22

Die von den Klägern geltend gemachten Fehler des Planergänzungsverfahrens liegen nicht vor.

23

Die Kläger rügen, dass der Leiter des für die Planfeststellung von Flugplätzen zuständigen Referats des Beklagten und Unterzeichner des Planergänzungsbeschlusses, Herr Ministerialrat B., befangen gewesen sei. Er habe zwischen April 2005 und September 2008 als Gast an Sitzungen des Fachausschusses Umwelt der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) teilgenommen. Dies sei ihnen erst während des gerichtlichen Verfahrens bekannt geworden. In den Sitzungen habe er sich in "flughafenfreundlicher" Weise geäußert. Vor dem Hintergrund, dass die Autoren der Fluglärmsynopse selbst nach Einschätzung der ADV zwischenzeitlich wissenschaftlich isoliert seien und diese Einschätzung Herrn Ministerialrat B. bekannt gewesen sei, lasse zudem der Umstand an seiner Unvoreingenommenheit zweifeln, dass der Beklagte einen Mitautor der Fluglärmsynopse, Herrn Prof. Dr. Sch., damit beauftragt habe, die Stellungnahmen eines anderen Mitautors, nämlich des für die Beigeladene tätigen Herrn Prof. Dr. Dr. J., zu begutachten.

24

Ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 21 Abs. 1 VwVfG, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 21 Rn. 13; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 21 Rn. 9). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (Beschluss vom 13. September 2007 - BVerwG 4 A 1007.07 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 68 Rn. 14).

25

Gemessen hieran begründet die Tatsache, dass Herr Ministerialrat B. vor und während des Planergänzungsverfahrens an den Sitzungen des Fachausschusses Umwelt der ADV teilgenommen hat, nicht die Besorgnis der Befangenheit. Herr Ministerialrat B. hat durch die Teilnahme an den Sitzungen des ADV-Ausschusses eine dienstliche Aufgabe wahrgenommen. Der Beklagte ist nicht nur Planfeststellungsbehörde für Flughäfen des allgemeinen Verkehrs, für die der Bund einen Bedarf nach § 27d Abs. 1 LuftVG anerkannt hat (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörden auf den Gebieten der Luftfahrt und der Luftsicherheit im Land Brandenburg vom 2. Juli 1994, GVBl Bbg II 1994, 610); er vertritt auch das Land Brandenburg im Bund-Länder-Fachausschuss Luftfahrt. Herr Ministerialrat B. hat an den Sitzungen des ADV-Ausschusses auf Wunsch des Bund-Länder-Fachausschusses Luftfahrt als Gast teilgenommen. Der ADV gehören als ordentliche Mitglieder 21 internationale und 17 regionale deutsche sowie mehrere österreichische und schweizerische Verkehrsflughäfen an. Außerordentliche Mitglieder sind die für Luftfahrt zuständigen Ministerien aller 16 Bundesländer, eine Reihe von Industrie- und Handelskammern sowie einzelne Städte, Gemeinden und Verbände (http://www.adv.aero/verband/mitglieder). Der ADV ist zwar ein Verband, der nicht nur den Sachverstand der Verkehrsflughäfen bündelt, sondern auch deren Interessen vertritt. Erfüllt der Beamte durch die Teilnahme an den Sitzungen der ADV jedoch lediglich eine dienstliche Aufgabe, verhält er sich nicht anders, als jeder andere Beamte an seiner Stelle es auch tun müsste; die Besorgnis individueller Befangenheit ergibt sich aus einem solchen Sachverhalt nicht.

26

Dass der Beklagte demselben Beamten sowohl die erneute Entscheidung über eine Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld als auch die Teilnahme an Sitzungen der ADV zugewiesen hat, verletzt auch nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung. Dieser Grundsatz verlangt, dass die Planfeststellungsbehörde die ihr übertragene Aufgabe in unparteiischer Weise wahrnimmt. Die Unparteilichkeit kann gefährdet werden, wenn Interessenverbände außerhalb zulässiger Beteiligungen auf das Verwaltungsverfahren Einfluss zu nehmen suchen; das schließt Kontaktaufnahmen, Informationen und Kenntnisnahmen nicht aus, sofern daraus nicht im Einzelfall entscheidungsbezogene Aktivitäten betreffend den Verlauf und den Inhalt des Planfeststellungsverfahrens hervorgehen (vgl. Urteile vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <230 f.> und vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - DVBl 2011, 1021 Rn. 23 ff.). Dass die regelmäßige Teilnahme des Leiters des für die Planfeststellung zuständigen Referats des Beklagten an den Sitzungen eines Verbandes, der die Interessen der deutschen Verkehrsflughäfen vertritt, die Besorgnis begründen kann, die Planfeststellungsbehörde halte die Interessen der Flughäfen unabhängig von der im Planfeststellungsverfahren vorzunehmenden Abwägung, für besonders gewichtig, ist, jedenfalls wenn die Planfeststellungsbehörde einen vergleichbaren Kontakt zu Verbänden von Fluglärmbetroffenen nicht unterhält, nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Außerhalb der Befangenheitsvorschriften genügt der "böse Schein" für die Bejahung eines Verfahrensverstoßes jedoch nicht. Dass die ADV den Gestaltungsspielraum des Beklagten durch aktive Einflussnahme sachwidrig eingeengt habe, machen die Kläger selbst nicht geltend. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Das Planergänzungsverfahren für den Flughafen Berlin-Schönefeld war nicht Gegenstand der Sitzungen, an denen Herr Ministerialrat B. teilgenommen hat.

27

Die Äußerungen von Herrn Ministerialrat B. während der Sitzungen des ADV-Ausschusses geben entgegen der Auffassung der Kläger keinen Anlass, an seiner Unbefangenheit zu zweifeln. Gleiches gilt für die Beauftragung von Herrn Prof. Dr. Sch. mit einer Stellungnahme zu den Einwendungen zum Themenkomplex Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung. Dass die Fluglärmsynopse, deren Mitautor Herr Prof. Dr. Sch. ist, wissenschaftlich umstritten ist, begründet keine Zweifel an seiner Sachkunde und seiner Unparteilichkeit. Unabhängig hiervon müssen Befangenheitsgründe unverzüglich geltend gemacht werden. Sowohl Herr Prof. Dr. Sch. als auch Herr Prof. Dr. Dr. J. waren nicht erst im Planergänzungs-, sondern bereits im Planfeststellungsverfahren für ihre jeweiligen Auftraggeber tätig, ohne dass die Kläger, denen die Fluglärmsynopse schon damals bekannt war, dies gerügt hätten.

28

II. Materielle Rechtmäßigkeit

29

In der Sache hat der Beklagte bei seiner erneuten, in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts durch eine klarstellende Erklärung präzisierten Entscheidung über die Einschränkung des nächtlichen Flugbetriebs die im Urteil vom 16. März 2006 dargelegte Rechtsauffassung des Senats beachtet. Auch im Übrigen hat er die Belange der Kläger rechtsfehlerfrei abgewogen.

30

1. Anforderungen an eine Regelung des Nachtflugbetriebs

31

Die Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ermächtigt, im Rahmen der Planfeststellung für die Anlegung oder wesentliche Änderung eines Flughafens auch den Flugbetrieb zu regeln. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit (Urteile vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <341> und vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <116>). Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde durch das fachplanerische Abwägungsgebot in Verbindung mit dem in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Urteile vom 29. Januar 1991 a.a.O. S. 341 und vom 7. Juli 1978 a.a.O. S. 122 f.). Innerhalb dieser Grenzen wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet; die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64> dort zum Bundesfernstraßengesetz).

32

Die sich aus dem Abwägungsgebot in Verbindung mit § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG ergebenden Anforderungen an eine Regelung des nächtlichen Flugbetriebs hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 Rn. 267 ff.) und der nachfolgenden Rechtsprechung (Urteile vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 67 - 74, vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 39, 93 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 51) wie folgt konkretisiert:

33

In der sogenannten Nachtkernzeit (0:00 bis 5:00 Uhr) setzt die Zulassung von Nachtflugbetrieb einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraus. Allein die Absicht, dem Flugverkehr, vor allem dem Linien-, Charter- und Frachtverkehr, optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, rechtfertigt es nicht, die Lärmschutzbelange der Anwohner hintanzustellen. Es müssen vielmehr Umstände gegeben sein, die im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughäfen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet sind. Für den Flughafen Berlin-Schönefeld hat der Senat vorgegeben, dass die Nachtkernzeit grundsätzlich frei von Flugaktivitäten bleiben muss (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290).

34

Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also die Zeit von 22:00 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich. Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden. In den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchsetzen können. Solche Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abdecken kann (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 287 f.).

35

Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrandstunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (Urteile vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <271 f.>, vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 282 und vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Die Bedienung der Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein. Eine Nachfrage nach Verkehren, für die der Flughafen nicht geplant wurde, kann die Zulassung von Nachtflugbetrieb von vornherein nicht rechtfertigen.

36

Die Darlegung einer Nachfrage ist notwendige Voraussetzung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb; sie allein genügt für die Zulassung von Nachtflugbetrieb jedoch nicht. Die Verkehrsinteressen sind nur dann geeignet, sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftverkehrsmarktes betriebliche oder strukturelle Gründe dafür gibt, den Verkehr gerade in den Nachtrandstunden abzuwickeln. Die Planfeststellungsbehörde muss plausibel darlegen, warum der Nachtflugbedarf gerade in der Nacht besteht. Plausible Gründe für die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten können auch dann gegeben sein, wenn es nur um wenige Flugbewegungen geht; die Zahl der Flugbewegungen ist insoweit ohne Bedeutung.

37

Das Gewicht, das einem nachtrandspezifischen Verkehrsbedarf in der behördlichen Abwägung zukommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Maßgebend sind insbesondere die sich aus den Planungszielen ergebende Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz (vgl. Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272). Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz bestimmen die Erwartungen, die berechtigterweise an das Verkehrsangebot zu stellen sind, insbesondere an die Zahl und die Diversität der Destinationen, die Frequenz der Verbindungen und die Erreichbarkeit des Flughafens in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Diese Erwartungen sind entscheidend dafür, ob das Verkehrsangebot ohne die in Rede stehenden Nachtflugverbindungen noch als "befriedigend" (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288) angesehen werden kann. Von Bedeutung kann ferner sein, ob der Bedarf von einem anderen Flughafen nachfragegerecht gedeckt werden könnte (Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272).

38

Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz sind ein zentraler Bezugspunkt für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs; einen von der Abwägung im Einzelfall unabhängigen Vorrang gegenüber den Lärmschutzbelangen der Anwohner verleihen sie dem Nachtflugbedarf nicht. Der Nachtflugbedarf muss im Wege der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis zu den berechtigten Lärmschutzbelangen der Anwohner gebracht werden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288). Nicht nur die Anwohner müssen Beeinträchtigungen hinnehmen; auch bei den Planungszielen können und müssen gegebenenfalls Abstriche gemacht werden.

39

Auch der Umfang der Nachfrage ist für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs relevant. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteile vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368> und vom 20. April 2005 a.a.O. S. 268). Mit der Zahl der Flugbewegungen wächst allerdings auch das Gewicht der Lärmschutzbelange. Für die Flughafenanwohner bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug, der unterbleibt, eine Entlastung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 76).

40

2. Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs

41

Ausgehend hiervon hat der Beklagte einen Bedarf für den im Planergänzungsbeschluss zugelassenen Nachtflugverkehr zu Recht bejaht; er hat auch nicht die Bedeutung und das Gewicht dieses Bedarfs verkannt.

42

2.1 Nachfrage nach Nachtflügen

43

Zum Nachweis der Nachfrage nach Nachtflügen hat sich der Beklagte nicht auf das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten der A. GmbH (im Folgenden: A.) "Der besondere Bedarf an der Durchführung von Nachtflugbewegungen während der Nachtzeiten am Flughafen Berlin Brandenburg International" vom 9. Mai 2007 (Beiakte 1) gestützt, sondern auf das von ihm selbst in Auftrag gegebene I.-Gutachten "Nachtflugbedarf am Flughafen Berlin Brandenburg International" vom Juni 2009 (Beiakte 17 Bl. 1689 ff. - im Folgenden: Nachtflug-Gutachten). Er hat dem A.-Gutachten zwar die Verwertbarkeit attestiert (PEB S. 69 f.), die von A. ermittelte Zahl von Nachtflugbewegungen jedoch tendenziell für zu hoch erachtet (PEB S. 72 Abs. 1). Die insoweit gegen das A.-Gutachten gerichteten Einwände der Kläger sind mithin nicht entscheidungserheblich.

44

2.1.1 Verwertbarkeit der I.-Nachtflugprognose

45

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (Urteile vom 20. April 2005 a.a.O. S. 275, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 50 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 73). Ausgehend hiervon ist die im I.-Gutachten erstellte Nachtflugprognose nicht zu beanstanden.

46

2.1.1.1 Bestandsaufnahme

47

Als Grundlage der Prognose hat I. die Flugbewegungsdaten der Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld für das Jahr 2008 ausgewertet und auf diese Weise die zeitliche Verteilung des Flugverkehrs aufgeschlüsselt nach Verkehrssegmenten ermittelt (Kapitel 3 des Nachtflug-Gutachtens). Einwendungen gegen diese Bestandsaufnahme haben die Kläger nicht erhoben. Sie rügen allerdings, dass der Ausgangsdatensatz maßgeblich von den Nachtflugbewegungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld mit seiner unbeschränkten Nachtbetriebserlaubnis geprägt werde und zwar in einem Ausmaß, das in keinem Verhältnis zur Bedeutung Schönefelds im Berliner Flughafensystem stehe. Warum dies zu einer Überschätzung des Nachtflugbedarfs führen sollte, ist nicht ersichtlich. Das Nachtflug-Gutachten ermittelt gerade zunächst die Nachfrage nach Nachtflügen bei einem unbeschränkten Nachtflugbetrieb (Kapitel 8) und erst anschließend die Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen (Kapitel 9).

48

2.1.1.2 Hochrechnung

49

In einem zweiten Schritt hat I. aus einer anderen Verkehrsprognose Wachstumsraten 2005 : 2020 für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und mit deren Hilfe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung bis 2008 das Nachtflugaufkommen je Verkehrssegment unter status-quo-Bedingungen auf das Jahr 2020 hochgerechnet (Kapitel 7 des Nachtflug-Gutachtens). Grundlage für die Ermittlung der Wachstumsraten war die "Luftverkehrsprognose Deutschland 2020" vom Dezember 2006 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 18. Oktober 2010 - im Folgenden: Masterplan-Prognose), die I. im Auftrag der Initiative "Luftverkehr für Deutschland" für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur erstellt hat. Die genannte Initiative wurde im Jahr 2003 von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der Flughafen München GmbH, der Fraport AG und der Deutsche Lufthansa AG unter der Schirmherrschaft des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegründet (Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur, Dezember 2006, Anlage K 43 zum Schriftsatz der Kläger vom 14. Juli 2010, S. 3). Die Masterplan-Prognose hat für alle deutschen Flughäfen ab 1 Mio. Passagiere (Stand 2005) sowohl das Flugbewegungs- als auch das Passagieraufkommen in 2020 prognostiziert; Basisjahr der Prognose ist das Jahr 2005 (Masterplan-Prognose S. 2). Die Prognosen wurden mit Hilfe eines Gesamtverkehrsmodells errechnet, dessen Ursprünge auf die Bundesverkehrswegeplanung zurückgehen (a.a.O. S. 6). In einem ersten Schritt wird das Gesamtverkehrsaufkommen, darunter das flughafenunabhängige Luftverkehrsaufkommen, in Form einer nach Marktsegmenten differenzierten Quelle-Ziel-Matrix für den Ist-Zustand aus empirischen Grundlagen ermittelt und unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Entwicklung und der Entwicklung des Verkehrsangebotes und der Nutzerkosten aller Verkehrszweige prognostiziert. In einem zweiten Schritt erfolgt die Aufteilung des Luftverkehrsaufkommens auf die Flughäfen durch ein Flughafen-Wahlmodell, das die landseitige Erreichbarkeit und das Luftverkehrsangebot der Flughäfen berücksichtigt (a.a.O. S. 6). Die Quelle-Ziel-Matrix umfasst die Verkehrsströme zwischen allen Quellen (Raumeinheiten, hier Kreisregionen im Inland und 342 Auslandsregionen) und Zielen, ebenfalls in Raumeinheiten (a.a.O. S. 7). Sie ist sachlich gegliedert nach Verkehrsmitteln (Flugzeug, Bahn, motorisierter Individualverkehr, Bus), Reisezwecken (geschäftlich, privat, sonstiger Privatverkehr) sowie nach out- und inbound (a.a.O. S. 9). Sie basiert auf hochgerechneten Fluggastbefragungen, die mit den Relationsstatistiken des Statistischen Bundesamtes und entsprechenden Statistiken des Auslands abgeglichen werden (a.a.O. S. 12).

50

Die Hochrechnung mit den aus dieser Prognose abgeleiteten Wachstumsraten ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens in 2020 auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld. Sie ist keine schlichte Trendprognose. Ob eine solche genügen würde, kann deshalb offen bleiben (vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 107). I. hat nicht die Entwicklung des Nachtflugverkehrs in der Vergangenheit nach Maßgabe eines sich daraus ergebenden Trends fortgeschrieben, sondern aus einer Modellprognose für den Gesamtverkehr Wachstumsraten für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und diese der Entwicklung des Nachtflugverkehrs zugrunde gelegt. Den Flugverkehr unmittelbar durch eine Modellprognose zu ermitteln, wäre auf der Grundlage der vorhandenen Daten nicht möglich gewesen; die zeitliche Lage der Verkehrsströme (Tag/Nacht) ist in den vorhandenen Quelle-Ziel-Matrizes nicht hinterlegt (I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 32).

51

Die der Hochrechnung zugrunde liegende Hypothese, dass sich im Prognosezeitraum zwar das Aufkommen des jeweiligen Verkehrssegments, nicht aber die zeitliche Struktur innerhalb des Segments und damit das Verhältnis von Tag- und Nachtflügen ändert, ist plausibel. Sie wird durch die zu erwartende Veränderung der Verkehrsstruktur am ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld als alleinigem Flughafen für Berlin nicht infrage gestellt. Die Wachstumsraten sind nicht für den Gesamtverkehr, sondern spezifisch für die einzelnen Verkehrssegmente ermittelt worden.

52

Für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld hat die Masterplan-Prognose für das Jahr 2020  33,2 Mio. Passagiere und 367 000 Flugbewegungen prognostiziert (Masterplan-Prognose S. 72, 90). Sie weist die Flugbewegungen nicht segmentspezifisch aus, sondern unterscheidet lediglich zwischen Passagierverkehr, Fracht/Post und Allgemeiner Luftfahrt (a.a.O. S. 90). Den Gesamtbewegungszahlen liegt jedoch eine Erfassung der Flugbewegungen je Flughafen mit folgenden Angaben zugrunde: von Flughafen, nach Flughafen, Verkehrsart (Passage, Fracht, sonstige), Airline (Allianz), Anzahl Passagiere, Anzahl t Fracht, Anzahl Flugbewegungen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16). Mit diesen Zusatzinformationen lassen sich die Flugbewegungen den für das Nachtflug-Gutachten definierten Verkehrssegmenten (vgl. Nachtflug-Gutachten S. 20 f.) zuordnen. Dass I. die Flugbewegungen in der Masterplan-Prognose teilweise nach anderen Gesichtspunkten aggregiert hat - so sind z.B. Hub-Flüge im Sinne der dortigen Tab. 3-8 (Masterplan-Prognose S. 41 ff.) nur Interkontinentalflüge und mit den Hub-Feeder-Flügen des Nachtflug-Gutachtens nicht zu vergleichen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16 f.) -, stellt die Plausibilität dieses Vorgehens nicht infrage.

53

Das dargelegte, der Masterplan-Prognose zugrunde liegende Gesamtverkehrsmodell ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des künftigen Luftverkehrsaufkommens an einem bestimmten Flughafen. Die Kläger behaupten, die in der Masterplan-Prognose dargestellte Methode, nach der angeblich jede einzelne Flugbewegung weltweit (mit Zuweisung zu Fluggesellschaften und Zuweisung zu einem spezifischen Segment) mit Quelle und/oder Ziel in Deutschland ermittelt werden könne, sei derart komplex, dass sie die derzeit technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten der Prognose überstiege; das gelte erst recht, wenn Haus-zu-Haus-Beziehungen abgebildet werden sollten. Zum Beweis dieser Tatsache beantragen sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Antrag war abzulehnen. Dass die Beweisbehauptung nicht zutrifft, kann der Senat auf der Grundlage der Masterplan-Prognose und des Vortrags der Kläger sowie ihrer Sachbeistände selbst beurteilen. Das der Masterplan-Prognose zugrunde liegende Gesamtverkehrsmodell ist nicht darauf gerichtet, einzelne Flugbewegungen oder gar Haus-zu-Haus-Beziehungen abzubilden; es erfasst die Verkehrsströme zwischen den genannten Raumeinheiten. Das entspricht gängiger Praxis bei der Erstellung von Verkehrsprognosen.

54

Auch dem Antrag der Kläger, gegenüber dem Beklagten Einsicht in die der Prognose zugrunde liegenden Unterlagen und die computergestützten Berechnungen zu verlangen, brauchte der Senat nicht zu entsprechen. Die Ermittlung der Wachstumsraten ist auch ohne Offenlegung der genannten Unterlagen keine "Black Box". Inwieweit die Ausgangsdaten und die Verarbeitungsschritte einer Verkehrsprognose dokumentiert werden müssen, um deren Verwertbarkeit überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die sich nicht allgemeingültig beantworten lässt (Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 24 und vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 44). Ob - wie I. geltend macht - die Quelle-Ziel-Matrizes Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, kann offen bleiben; etwaige Dokumentationsdefizite würden dadurch nicht unbeachtlich. Soweit die Daten erforderlich sind, um die Verwertbarkeit des Gutachtens zu beurteilen, ist es im Grundsatz Sache des Auftraggebers, bei Erteilung des Gutachtenauftrags sicherzustellen, dass der Gutachter ihm die erforderlichen Daten übergibt. Hat der Auftraggeber dies unterlassen, kann zwar auch das Gericht die Vorlage der Daten nicht erzwingen; die fehlende Offenlegung geht jedoch zulasten des Auftraggebers, das Gutachten ist nicht verwertbar. Hier brauchte der Beklagte, soweit es um die Wachstumsraten geht, eine über die Vorlage der Masterplan-Prognose und die im gerichtlichen Verfahren nachgelieferten Erläuterungen hinausgehende Dokumentation nicht zu verlangen. Auch wenn er die Nachtflugprognose selbst erstellt hätte, wäre eine weitergehende Dokumentation nicht erforderlich gewesen. Dies folgt zwar entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein daraus, dass die Masterplan-Prognose aus Sicht des Nachtflug-Gutachtens eine externe Quelle ist. Es kommen hier jedoch mehrere Umstände hinzu: Die Masterplan-Prognose wurde weder speziell für den Flughafen Berlin-Schönefeld noch zur Ermittlung des Nachtflugbedarfs erstellt, sondern für eine realistische Bedarfsplanung der deutschen Luftverkehrswirtschaft insgesamt; die Gefahr, dass Wertungen und Ausgangsdaten mit Blick auf ein bestimmtes Prognoseergebnis ausgewählt wurden, besteht mithin nicht. Allenfalls mangelnde Sorgfalt oder Sachkunde des Gutachters hätten zu Fehlern führen können. Dagegen spricht indes, dass die Prognose bereits mehrfach verwendet worden ist und dabei jeweils Anerkennung gefunden hat. Sie wurde zunächst von der Initiative "Luftverkehr für Deutschland" für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur vom Dezember 2006, sodann von der Bundesregierung für ihr Flughafenkonzept 2009 (S. 17 - 19) verwendet. Die der Masterplan-Prognose zugrunde liegenden Daten wurden für die Nachtverkehrsprognose für den Flughafen Leipzig/Halle ausgewertet. Der Senat hat diese Prognose nicht beanstandet; er ist davon ausgegangen, dass die Methodik der Masterplan-Prognose wissenschaftlichen Ansprüchen genügt (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 67 f.). Das Gesamtverkehrsmodell findet im Übrigen auch in der Bundesverkehrswegeplanung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Verwendung. Das BMVBS hat für die Fernstraßenplanung die Verwendung der Daten der Bedarfsplanprognose bzw. der Bundesverkehrswegeplanung sogar vorgegeben (Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 110 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 77). Gegen die der Masterplan-Prognose zugrunde gelegten Annahmen zur Entwicklung der Rahmenbedingungen der Luftverkehrswirtschaft bestehen ebenfalls keine Bedenken; sie sind mit einem projektbegleitenden Arbeitskreis, dem u.a. das BMVBS und Fachministerien der Länder angehörten, abgestimmt worden (Masterplan-Prognose S. 4; I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 5 f., 28). Vor diesem Hintergrund hätte es konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, dass bei der Aufnahme der Grundlagendaten und den Zwischenberechnungen Fehler unterlaufen oder dass unvertretbare Einzelwertungen getroffen worden sein könnten. Solche Anhaltspunkte bestehen nicht; auch die Kläger haben sie nicht aufgezeigt.

55

Die Masterplan-Prognose war bei Erlass des Planergänzungsbeschlusses noch hinreichend aktuell. Die Basisdaten wurden nicht aus der für den Bundesverkehrswegeplan 2003 erstellten Prognose übernommen, sondern auf das Jahr 2005 aktualisiert; lediglich die Methodik der damaligen Prognose blieb im Wesentlichen unverändert. Den vorübergehenden Einbruch der Weltwirtschaft Ende des Jahres 2008 konnte die Masterplan-Prognose nicht berücksichtigen. Die Erwartung, dass der Konjunktureinbruch die Entwicklung des Luftverkehrs nicht nachhaltig beeinflussen würde, war jedoch bezogen auf den Prognosehorizont 2020 nicht unrealistisch. Auch die aktuelle, im Jahr 2006 nicht absehbare Ölpreisentwicklung steht der Verwertbarkeit der Masterplan-Prognose für das Nachtflug-Gutachten nicht entgegen. Als bestimmenden Faktor für die Entwicklung des Luftverkehrs hat die Masterplan-Prognose nicht den Ölpreis selbst, sondern nur u.a. die Luftverkehrspreise eingestellt und bei diesen neben den Ölpreisen eine Reihe von weiteren preistreibenden und preissenkenden Faktoren verglichen (Masterplan-Prognose S. 32 - 35). Die außergewöhnliche Entwicklung eines einzelnen Faktors stellt die Stimmigkeit des Gesamtergebnisses nicht infrage.

56

Die Masterplan-Prognose musste auch keine weitergehenden Betrachtungen zu einer künftigen Verschärfung von Umweltregelungen anstellen. Sie hat bei der Untersuchung der Luftverkehrspreise etwaige Änderungen zum Schutz der Umwelt (Emissionshandel, Lärmabgaben, Kerosinsteuer) in die Betrachtung einbezogen (S. 34 Tab. 3-5). Welche konkreten Regelungsvorhaben darüber hinaus hätten berücksichtigt werden müssen, zeigen die Kläger nicht auf.

57

2.1.1.3 Glättung

58

Um die zeitliche Verteilung der Nachfrage zu ermitteln, die sich auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld bei einem nicht beschränkten Flugbetrieb einstellen würde, hat I. in einem dritten Prognoseschritt die unter status-quo-Bedingungen errechnete Nachfragekurve "geglättet" (Kapitel 8 des Nachtflug-Gutachtens). Sie hat für jeden Zeitpunkt die Flugbewegungen aufsummiert, die bis 30 Minuten vor- und 30 Minuten nachher stattfinden, die Werte gemittelt und angetragen. Einbezogen in dieses Verfahren hat sie nur die Flugbewegungen, die auf die Flughäfen Tegel und Tempelhof entfallen; am Flughafen Berlin-Schönefeld ist der Flugbetrieb bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn ohnehin zeitlich unbeschränkt zulässig.

59

Der Glättung liegt die Annahme zugrunde, dass ein Teil der Flugbewegungen, die sich kurz nach Betriebsbeginn in Berlin-Tegel und kurz vor dem dortigen Betriebsende "stauen", ohne die Betriebsbeschränkungen in die bisherige Betriebspause hinein verlagert würden. Das ist plausibel. Nichts spricht dafür, dass der starke Anstieg der Flugbewegungen nach 6:00 Uhr und der abrupte Abfall nach 23:00 Uhr allein auf die Nachfrage zurückzuführen ist.

60

Die Plausibilität wird durch die Kontrollrechnungen der Kläger des Parallelverfahrens (BVerwG 4 A 4001.10) nicht infrage gestellt. Sie machen geltend, dass das Gutachten Gründe für den im Vergleich zum Gesamtverkehr überproportionalen Anstieg des Nachtflugverkehrs nicht aufzeige. Besonders deutlich werde die unterschiedliche Entwicklung von Gesamt- und Nachtverkehr beim Low-Cost-Verkehr. Die Zahl der Flugbewegungen in diesem Segment solle von 89 157 in 2008 (Nachtflug-Gutachten S. 31 Tab. 3-4) auf 144 434 in 2020 (a.a.O. S. 85 Tab. 8-2), also um 62 % steigen. Die Zahl der Nachtflugbewegungen steige im gleichen Zeitraum von 4 325 auf 7 670, also um 77 %, die Zahl der Flugbewegungen zwischen 23:00 und 6:00 Uhr von 278 auf 1 057, also um 280 %. Da die Hochrechnung von einheitlichen Wachstumsraten für Tag und Nacht ausgeht, ist das überproportionale Wachstum der Nachtflugbewegungen rechnerisch eine Folge der Glättung. Dass der Nachtflugverkehr insgesamt bei einem unterstellten Wegfall der zeitlichen Betriebsbeschränkungen auch real stärker wachsen wird als der Tagflugverkehr, ist - wie dargelegt - plausibel und zwar auch in der für den Low-Cost-Verkehr prognostizierten Größenordnung. Die große prozentuale Steigerung für die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr ist in erster Linie auf die geringe absolute Zahl von Flugbewegungen in diesem Zeitraum unter status-quo-Bedingungen (278 Flugbewegungen - a.a.O. S. 31 Tab. 3-4) zurückzuführen - der Low-Cost-Verkehr wird anders als die touristischen Verkehre überwiegend auf dem Flughafen Tegel abgewickelt - und die im Verhältnis dazu große absolute Zahl von Flugbewegungen insgesamt (144 434 Flugbewegungen) und dementsprechend auch zwischen 22:30 und 23:00 Uhr (2 634 Flugbewegungen - a.a.O. S. 80 Tab. 7-1) sowie nach 6:00 Uhr. Der "Stau-Effekt" ist bei einem aufkommensstarken Verkehrssegment mit hohem Nachtfluganteil stark; das ist nicht unplausibel.

61

Die Glättung führt auch in den Zeitsegmenten von 22:00 bis 22:30 Uhr zu einem Anstieg der Flugbewegungen von 7 872 (Nachtflug-Gutachten S. 81 Tab. 7-2) auf 8 325 (a.a.O. S. 89 Tab. 8-5). Das ist rechnerisch die Folge davon, dass zwischen 21:30 und 22:00 Uhr deutlich mehr Flugbewegungen stattfinden als von 22:00 bis 22:30 Uhr. Die Glättung führt auf der anderen Seite für die Zeit von 22:30 bis 23:00 Uhr zu einer Verringerung der Flugbewegungen von 7 005 auf 6 253. Insoweit ist die Glättung lediglich ein statistisches Verfahren zur verfeinerten Betrachtung der Halbstundensegmente.

62

2.1.1.4 Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen

63

Im letzten Prognoseschritt hat I. ein mögliches Modell für eine Regelung des Nachtflugbetriebs entwickelt (Nachtflug-Gutachten S. 100 Tab. 9-2) und ausgehend hiervon die Zahl der Nachtflugbewegungen in 2020 prognostiziert (a.a.O. S. 102 Tab. 9-4). Das Betriebsmodell entspricht weitgehend den im Planergänzungsbeschluss getroffenen Regelungen, lässt aber von 5:00 bis 5:30 Uhr und von 23:30 bis 24:00 Uhr Flugverkehr weitergehend zu. Bei diesem Betriebsmodell wird sich die Zahl der Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 nach Einschätzung von I. von 76,6 (a.a.O. S. 101 Tab. 9-3) auf 71,1 (a.a.O. S. 102 Tab. 9-4), also um 5,5 Flugbewegungen, verringern.

64

Die Kläger vermissen eine Begründung dafür, wann von einer Verschiebung und wann von einem Entfallen eines Fluges auszugehen sei. Herr Dr. Schu. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass ein Flug, der umlaufbedingt für die Kernzeit der Nacht geplant werde, bei einem Nachtflugverbot in der Regel ersatzlos entfalle. Eine Verschiebung um bis zu 30 Minuten in die Nachtrandzeiten habe man hingegen in der Regel als möglich angesehen; dieser Zeitraum sei eine Setzung. Im Übrigen könnten sich im Zielgebiet ansässige Fluggesellschaften auf nächtliche Betriebsbeschränkungen besser einstellen als Home-Base-Carrier. Da die Durchführung eines Fluges auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, die nicht nur von den Betriebszeiten des Flughafens, sondern einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängt, ist die Prognose, wie sich Beschränkungen des Flugverkehrs auf das Flugangebot auswirken, mit großen Unsicherheiten behaftet. Eine Überprüfung konkreter Umlaufplanungen ist - wie noch darzulegen sein wird - nicht möglich. Welche weiteren Ermittlungen I. zur Ermittlung der Verschiebbarkeit von Flügen hätte anstellen sollen, ist nicht ersichtlich. Dass Flüge, die kurz nach Ende oder kurz vor Wiederbeginn des Betriebs geplant sind, leichter verschoben werden können als Flüge mitten in der Kernzeit, ist plausibel. Ausgehend hiervon hält sich die Annahme, dass Flüge bei einer zeitlichen Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der Regel entfallen, wenn sie um mehr als 30 Minuten verschoben werden müssten, innerhalb des für eine solche Prognose erforderlichen Wertungsrahmens.

65

2.1.2 Ergänzende Prognose des Beklagten

66

Der Beklagte hat die von I. vorgeschlagenen Betriebsregelungen, die in bestimmten Verkehrssegmenten und in bestimmten Jahreszeiten Flugbetrieb von 5:00 bis 24:00 Uhr vorsahen, nicht vollständig übernommen. Er hat den Nachtbetrieb weitergehend beschränkt; Flugbetrieb ist grundsätzlich nur von 5:30 bis 23:30 Uhr zulässig. Ausgehend von dem in Tabelle 9-4 des Nachtflug-Gutachtens (S. 102) ermittelten Bedarf hat er die planmäßigen Flugbewegungen in den halben Stunden vor und nach der Kernzeit auf die nächstliegenden halben Stunden verlagert (vgl. E-Mail des Beklagten an I. vom 24. August 2009, Beiakte 17 Bl. 1880). Das Ergebnis dieser Anpassungen findet sich in der Tabelle auf S. 147 des Planergänzungsbeschlusses.

67

Die Kläger machen geltend, der Beklagte habe Flugbewegungen verschoben, für die I. einen "unabweisbaren" Nachtflugbedarf festgestellt habe; nach der Definition von I. handele es sich dabei um Verkehre, die "ersatzlos entfallen müssten, wenn die entsprechende Flugzeit nicht zur Verfügung steht" (Nachtflug-Gutachten S. 92). Dies belege die absolute Beliebigkeit des Vorgehens. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Die Bezeichnung des in Kapitel 9 des Nachtflug-Gutachtens ermittelten Bedarfs als "unabweisbar" ist allerdings missverständlich. I. weist selbst darauf hin, dass es in der Praxis einen gewissen Spielraum zur Anpassung an die Gegebenheiten des Nachtflugverkehrs gibt (a.a.O. S. 92 f., 96). Im Übrigen muss der Nachtflugbedarf gegen die Lärmschutzbelange abgewogen werden. Die Verschiebung der Flugbewegungen, die der Beklagte wegen der weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs vorgenommen hat, stellt die Einschätzung von I. zur Verlagerbarkeit von Flügen nicht infrage. Die Verschiebungen überschreiten - von Ausnahmen abgesehen - 30 Minuten nicht. Im Übrigen handelt es sich um bloße Randkorrekturen. Die Gesamtzahl der Nachtflugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 hat sich hierdurch lediglich von 71,1 (Nachtflug-Gutachten S. 102 Tab. 9-4) um 0,1 auf 71,2 erhöht.

68

Der Beklagte hat sodann die Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 ausgehend von der in der Masterplan-Prognose ermittelten deutschlandweiten durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 % pro Jahr auf das Jahr 2023 - das ist der Prognosehorizont der dem Antrag auf Planfeststellung zugrunde liegenden Verkehrsprognose - weiter hochgerechnet und zwar auf 77 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht und 103 Flugbewegungen in der typischen Spitzennacht (PEB S. 148).

69

2.1.3 Plausibilität des Gesamtergebnisses

70

Das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose ist plausibel. Die vom Beklagten auf der Grundlage des I.-Gutachtens ermittelten Flugbewegungszahlen entsprechen in ihrer Größenordnung den Flugbewegungszahlen, die bereits im Planfeststellungsverfahren für die Fluglärmberechnungen ermittelt wurden. Die damaligen Lärmberechnungen gingen von 16 734 Flugbewegungen (ohne Hubschrauber; 17 074 incl. Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Prognosejahres 20XX aus (Gutachten M 2 S. 31 Tab. 3-14 und 3-15, Beiakte 235 ). Auf der Grundlage der Verkehrsverteilung der letzten Jahre war festgelegt worden, dass 60 % der gesamten Flugbewegungen eines Jahres auf die sechs verkehrsreichsten Monate entfallen (a.a.O. S. 51). Der Beklagte hat für das Jahr 2023  28 068 Flugbewegungen (ohne Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr prognostiziert (Darstellung der Planfeststellungsbehörde vom 1. September 2009 zur Entwicklung der Nachtflugbewegungen von 2008 bis 2023 im Planergänzungsbeschluss, S. 7 Tab. B.3). Das entspricht 16 840 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten und damit ziemlich genau den im Planfeststellungsverfahren für den Prognosehorizont 20XX ermittelten Flugbewegungen. Bei diesem Vergleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Prognosejahr 20XX 360 000 Flugbewegungen/Jahr erreicht sein sollen (a.a.O. S. 29), I. in seinem Nachtflug-Gutachten (S. 78) aber bereits für das Jahr 2020 von 367 000 Flugbewegungen ausgegangen ist. Der Vergleich bestätigt jedoch, dass das dem Planergänzungsbeschluss zugrunde liegende Prognoseergebnis nicht aus dem Rahmen bisheriger Prognosen fällt. Es bleibt im Übrigen auch unter den Flugbewegungszahlen, die A. im Auftrag der Beigeladenen ermittelt hat (PEB S. 71).

71

Die Plausibilität des Prognoseergebnisses wird durch den im Parallelverfahren (BVerwG 4 A 4001.10) vorgelegten Modellflugplan 2015, der zwischen 5:30 und 6:00 Uhr nur zwei, zwischen 23:00 und 23:30 Uhr nur vier Flugbewegungen vorsieht, nicht infrage gestellt. Der Planergänzungsbeschluss geht für die genannten Zeitsegmente zwar von erheblich mehr, nämlich von 10,0 bzw. 13,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147); ein Vergleich dieser Zahlen ist jedoch nicht aussagekräftig. Der Modellflugplan 2015 wurde für einen anderen Zweck und nach anderen Grundsätzen erstellt als die Nachtflugprognose im Planergänzungsverfahren. A. hat den Modellflugplan im Jahr 2010 für die Beigeladene erstellt, um zu ermitteln, zu welchen Tageszeiten zeitgleiche Abflüge von beiden Bahnen benötigt werden. Flüge, die bei unbeschränktem Verkehr zwischen 23:30 und 5:30 Uhr geplant würden, wurden, weil für die Fragestellung nicht relevant, für den Modellflugplan ersatzlos gestrichen. Bemessungstag ist zudem ein konkreter Flugplantag, nicht ein gemittelter Durchschnittstag. Im Übrigen sind die Unterschiede zwischen beiden Prognosen bei einem Vergleich der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr insgesamt erheblich geringer als in den oben genannten Zeitsegmenten.

72

Die Kläger meinen, der Nachtflugbetrieb entspringe nicht den Wünschen und der Nachfrage der Fluggäste, sondern allenfalls den Wünschen der Fluggesellschaften. Maßgebend für den Nachtflugbedarf ist jedoch nicht die innere Haltung der Fluggäste, sondern ihr tatsächliches Nachfrageverhalten. Dieses wird nicht nur durch die Flugzeiten, sondern durch eine Vielzahl weiterer Faktoren, u.a. durch den Flugpreis, bestimmt. Unabhängig hiervon werden die Ergebnisse des I.-Gutachtens durch die im Parallelverfahren (BVerwG 4 A 4001.10) vorgelegte Emnid-Umfrage nicht infrage gestellt. Auch nach dem Gutachten werden Flüge in 2020 weit überwiegend während des Tages und nur zu etwa 7 % während der Nacht nachgefragt. In dieser Größenordnung haben auch die von Emnid Befragten angegeben, am liebsten während der Nachtstunden abzufliegen (11 %) oder anzukommen (7 %). Anhaltspunkte dafür, dass die Luftverkehrsgesellschaften, um eine Nachfrage nach Nachtflügen hervorzurufen, verlustbringende Flüge durchführen, hat der Beklagte im Übrigen nicht festgestellt (PEB S. 77 Abs. 4). Seine Ermittlungen haben vielmehr ergeben, dass in der Nacht signifikant mehr Passagiere pro Flug befördert werden als am Tag (PEB S. 112 Abs. 2).

73

2.2 Planungsziele

74

Die Verkehre, die der Beklagte in der Nacht zugelassen hat, sind von den Planungszielen für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld umfasst. Die Planungsziele ergeben sich aus dem Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenausbau vom 13. August 2004. Die Planfeststellungsbehörde hat sie im Planergänzungsbeschluss zutreffend zusammengefasst. Der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld dient hiernach dem durch die Landesplanung vorgegebenen Ziel, den künftigen nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen Flughafenstandort zu decken (PEB S. 160 Abs. 5, S. 161 Abs. 3). Durch die Bündelung der Verkehrsströme von den bisherigen Standorten Tegel, Tempelhof und Schönefeld auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld soll ein Flughafen für die Hauptstadt Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg entstehen, dessen Verkehrsbedeutung zwar nicht an die größeren Flughäfen Frankfurt Main und München heranreichen wird, der aber doch eine herausragende, über die bisherigen Berliner Flughäfen hinausgehende Bedeutung erlangt (PEB S. 162 Abs. 3) und damit zu einem insgesamt verbesserten Flugangebot führt. Durch einen Zuwachs der Umsteigeverkehre soll insbesondere der in Berlin bisher nur schwach ausgeprägte (PEB S. 101 Abs. 2) Interkontinentalverkehr stärker entwickelt werden. Nicht zuletzt hierfür wird der Flughafen erstmals mit Start- und Landebahnen von mehr als 3 500 m Länge ausgestattet (PFB S. 335). Darüber hinaus soll der ausgebaute Flughafen spezifische Funktionen Berlins als Hauptstadt und Regierungssitz erfüllen. Unter anderem im Hinblick hierauf hat das Bundesministerium für Verkehr als oberste Luftfahrtbehörde der Bundesrepublik Deutschland das öffentliche Interesse des Bundes am Ausbau des Flughafens bejaht (PFB S. 344 Abs. 6). Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang schließlich das Ziel, durch den Ausbau des Flughafens die regionale Wirtschaftskraft Berlins und Brandenburgs zu stärken und zu erhalten (PEB S. 148 f.; PFB S. 348 f.). Dieses Ziel ist für sich allein betrachtet zwar nicht geeignet, die Zulassung von Nachtflugverkehr zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 52; Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62). Es kann jedoch für die Gewichtung eines Verkehrsbedarfs von Bedeutung sein.

75

Sämtliche Verkehre, die der Beklagte während der Nacht zugelassen hat, sind von den dargelegten verkehrlichen Planungszielen umfasst. Das gilt auch für Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung. Ihre Zulassung dient nicht allein der Stärkung der Region als Standort von Instandhaltungsbetrieben, sondern in erster Linie der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs im Passagier- und Frachtverkehr (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 75).

76

2.3 Nachtfluggründe

77

Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss sachliche Gründe, weshalb die einzelnen Verkehre nicht befriedigend innerhalb der Tagstunden abgewickelt werden können, plausibel dargelegt.

78

2.3.1 Hub-Feeder-Verkehr

79

Die sinnvolle Vernetzung eines Flughafens mit in- und ausländischen Passagierdrehkreuzen ist ein Grund für die Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden; das ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 41 ff.). Der Beklagte hat dargelegt, dass bereits heute die Beschränkung der Betriebszeit in Berlin-Tegel auf 6:00 bis 23:00 Uhr dazu führt, dass die vorhandene Nachfrage nach Hub-Feeder-Flügen nicht ausreichend befriedigt werden kann (PEB S. 85 Abs. 2). Der erste Flug nach Frankfurt Main (Abflug 6:00 Uhr, Ankunft 7:10 Uhr) erreiche die Anschlüsse zu bedeutsamen Metropolen wie Barcelona, Genf, Madrid, Mailand und Rom, zu denen es keine Direktflüge der Lufthansa gebe, nicht mehr. Der letzte Abbringer (Abflug 21:45 Uhr, Ankunft 22:50 Uhr) könne Verbindungen aus Genf, Madrid, Mailand und Rom ebenfalls nicht herstellen (PEB S. 82 Abs. 2, 3). Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass wichtige Zu- und Abbringerflüge zu und von in- und ausländischen Drehkreuzflughäfen nur nachfragegerecht durchgeführt werden können, wenn zumindest die Randstunden bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr für planmäßigen Flugbetrieb zur Verfügung stehen (PEB S. 112 Abs. 5), nicht zu beanstanden.

80

Dass einige Fluggesellschaften zu den genannten Metropolen bereits heute Direktverbindungen unterhalten, stellt die Berechtigung von nächtlichen Hub-Feeder-Flügen anderer Luftverkehrsgesellschaften nicht infrage. Das Luftverkehrsnetz, in das der Flughafen durch Hub-Feeder-Flüge eingebunden werden soll, besteht nicht zwischen den Flughäfen als solchen; es entsteht erst durch die von einer Luftverkehrsgesellschaft und den mit ihr in einer Allianz assoziierten Partnern unterhaltenen Drehkreuze und die von ihnen angebotenen Flugverbindungen. Ob es für eine Luftverkehrsgesellschaft sinnvoll ist, einen Hub-Feeder-Flug anzubieten, hängt nicht von der Sinn- und Dauerhaftigkeit jeder einzelnen Drehkreuzverbindung ab (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 46). Ein Hub-Feeder-Flug verbessert die Einbindung des Flughafens in das Luftverkehrsnetz auch dann, wenn sich die Passagiere auf eine größere Zahl von Anschlussflügen verteilen, jedem einzelnen Anschlussflug für sich betrachtet also nur eine geringe Bedeutung zukommt.

81

Die Kläger legen dar, dass die Fluggesellschaften bislang den Zu- und Abbringerverkehr vom Flughafen Tegel zu den von ihnen unterhaltenen Drehkreuzen zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abwickeln und die Betriebszeit teilweise nicht einmal ausschöpfen. Dass der Hub-Feeder-Verkehr einen weitergehenden Nachtflugbetrieb nicht erfordert, folgt daraus nicht. Auf dem Flughafen Tegel muss der Hub-Feeder-Verkehr bereits wegen des dort geltenden Nachtflugverbots zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt werden. Die Zahl von nächtlichen Hub-Feeder-Flügen wird zwar insbesondere zwischen 23:00 und 23:30 Uhr gering sein - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von 0,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) -; auch diese wenigen Flugverbindungen sind jedoch geeignet, die Einbindung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld in das Luftverkehrsnetz zu verbessern und für die Zukunft zu sichern.

82

Anhaltspunkte dafür, dass die ersten Knoten nach dem Ausbau der Flughäfen Frankfurt Main und München - wie die Kläger meinen - später und die letzten Knoten früher beginnen werden, sind nicht ersichtlich. Nach Einschätzung des Beklagten wird die Erweiterung der Kapazitäten an den beiden Flughäfen vielmehr dazu führen, dass die Anzahl der Flüge steigt, für die eine Anschlussverbindung nach Berlin nicht mehr besteht (PEB S. 83 Abs. 2). Entgegen der Auffassung der Kläger muss auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Fluggesellschaften aufgrund der künftigen Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld auf dessen Nachtbetriebsregelung einstellen und für Anschlussverbindungen sorgen werden. Die Knotenstrukturen an den Drehkreuz-Flughäfen haben sich über einen längeren Zeitraum gebildet. Sie sind in erster Linie abhängig von der geographischen Lage des Flughafens und den Entfernungen zu den Hauptzielgebieten (A.-Gutachten S. 38). In diese Strukturen müssen sich alle anzubindenden Anschlüsse einfügen. Dass die Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld so weit wachsen könnte, dass er seinerseits die Knotenstrukturen prägt, liegt fern.

83

2.3.2 Direktverbindungen der konventionellen Fluggesellschaften

84

Für den Point-to-Point-Verkehr der konventionellen Fluggesellschaften hat der Beklagte dargelegt, dass dieser Verkehr weitgehend im Tagflugbetrieb durchgeführt und sich hieran auf absehbare Zeit nichts ändern wird (PEB S. 89 Abs. 2). Die klassischen Pendlerstrecken würden allerdings bis 23:00 Uhr nachgefragt (PEB S. 89 Abs. 3); ohne nächtliche Betriebsbeschränkungen wäre auch nach 23:00 Uhr und in der Kernzeit eine geringe Nachfrage vorhanden (PEB S. 90 Abs. 2). Die Direktverbindungen der klassischen Fluggesellschaften würden auch als Hub-Feeder-Flüge genutzt; oft entstünden erst durch die Kombination von Point-to-Point-Verkehr mit Hub-Feeder-Verkehr hinreichend starke Verkehrsströme, die die Einrichtung der Verbindung ermöglichten (PEB S. 90 Abs. 4).

85

Auch damit ist ein sachlicher Grund für die Zulassung dieser Verkehre in den Nachtrandstunden dargelegt. Die Kläger bestreiten die Überschneidung mit den Hub-Feeder-Verkehren nicht. Sie machen geltend, es gebe in diesem Segment keinen nennenswerten Nachtflugbedarf. Richtig ist, dass der Beklagte für die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr weniger als eine Flugbewegung im klassischen Point-to-Point-Verkehr prognostiziert hat (PEB S. 90 Abs. 3). Seine Annahme, dass oft erst die Kombination von Direktverbindungen und Hub-Feeder-Verkehr in der Lage sei, die Angebotsqualität "zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern" (PEB S. 90 Abs. 4), bezieht sich jedoch nicht nur auf die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr; sie schließt die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr mit 1,4 Flugbewegungen ein. Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass sich das Flugangebot nachhaltig verbessern kann, wenn es nicht nur die Nachfrage nach 7,3 Hub-Feeder-Flügen, sondern zugleich die Nachfrage nach 2,3 Flugbewegungen im klassischen Point-to-Point-Verkehr bedient, nicht zu beanstanden.

86

2.3.3 Direktverbindungen der Low-Cost-Carrier und der Touristikverkehre / Umlaufplanungen

87

Der Nachtflugbedarf der Low-Cost-Carrier und im Touristikbereich ergibt sich insbesondere aus den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung. Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss dargelegt:

88

Die Low-Cost-Carrier versuchten, die Nachfragebedürfnisse auf Kurz- und Mittelstrecken so miteinander zu kombinieren, dass sie durch nahezu optimale Einsatzdauer mit maximal möglichen Blockstunden günstige Kostenstrukturen erreichten. Es würden bis zu vier Umläufe abgewickelt. Zu diesem Zweck würden die Nachtrandzeiten bis 24:00 Uhr in Anspruch genommen. Die Rotationspläne ließen aufgrund der minimalen Bodenzeiten, aber auch aufgrund von Kapazitätsengpässen an den Quell- und Zielflughäfen kaum Potential für eine Verlagerung der Flüge in den Tag (PEB S. 91 Abs. 4).

89

Im Touristikverkehr stehe der Nachfrage derzeit nahezu über 24 Stunden ein adäquates Angebot gegenüber; die Gesamtumlaufzeiten einzelner Flugzeuge betrügen bis zu 21 Stunden; es zeigten sich ausgeprägte Touristikverkehre in der Nachtkernzeit (PEB S. 95 Abs. 4). Die Passagiere strebten die Ausnutzung des ersten und letzten Urlaubstages an und flögen möglichst früh morgens und spät abends (PEB S. 97 Abs. 2). Gründe für Nachtflüge ergäben sich insbesondere aus saisonalen Nachfragespitzen, dem Veranstalterkonzept, den Fluglängen im Mittelstreckenbereich, Zeitverschiebungen, Erfordernissen eines effizienten Fluggeräteeinsatzes und der mangelnden Verfügbarkeit von Slots und Abfertigungsressourcen an den Zielflughäfen (PEB S. 98 Abs. 2). Die Entfernung Berlins zu den wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Westen und Süden liegen, sei größer als von den meisten anderen deutschen Flughäfen; zur Sicherstellung vergleichbarer Streckenangebote müsse der Flughafen Berlin-Schönefeld entsprechend länger geöffnet sein (PEB S. 99 Abs. 1).

90

Damit sind sachliche Gründe für die Nutzung der Nachtrandstunden dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Erfordernisse einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten rechtfertigen (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288 und vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 48 ff.). Umlaufplanungen sind komplexe Entscheidungen, in die das erwartete Passagieraufkommen, die an den Flughäfen verfügbaren Start- und Landezeiten (Slots), die Möglichkeiten des Personaleinsatzes, die Wartungsmöglichkeiten sowie hinsichtlich des eingesetzten Flugzeugtyps beispielsweise Kapazität, Reichweite und Wartungszeiten einfließen (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 52). Sie beruhen maßgebend auf unternehmerischen Entscheidungen der Luftverkehrsgesellschaften. Eine umfassende Prüfung der Verlagerungsmöglichkeiten von Flügen innerhalb der Nacht und von der Nacht in den Tag kann eine Planfeststellungsbehörde nicht vornehmen. Sie kann den Fluggesellschaften lediglich einen Rahmen für ihre Umlaufplanungen setzen. Davon ist der Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 93 Abs. 2, S. 97 Abs. 4).

91

Da der Beklagte sich nicht in der Lage gesehen hat, konkrete Flugpläne und Umlaufplanungen einer umfassenden Detailprüfung zu unterziehen (PEB S. 106 f.), hat er zur Darlegung des Nachtflugbedarfs ergänzend auf die von I. im Nachtflug-Gutachten (Kapitel 4) untersuchten repräsentativen Musterumläufe und die auf dieser Grundlage durchgeführten Modellrechnungen zurückgegriffen. I. hat für verschiedene typische Flugstrecken und Umkehrzeiten ermittelt, wie viele Umläufe in 16 (6:00 bis 22:00 Uhr), 17 (6:00 bis 23:00 Uhr), 18 (5:30 bis 23:30 Uhr) und 19 (5:00 bis 24:00 Uhr) Betriebsstunden möglich wären. Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass die gewählten Betriebszeiten sowohl für Berlin als auch für den Zielflughafen gelten. Betrachtet hat I. sieben Umläufe im Shuttle-Betrieb (Nachtflug-Gutachten S. 46 ff. Tab. 4-1 bis 4-7) und zwei Umläufe mit einer Kombination von zwei Zielen (a.a.O. S. 57 f. Tab. 4-8 und 4-9). Anschließend hat I. in einer Modellrechnung für 17 typische Flugstrecken (Shuttle-Betrieb) die Summe der Umläufe und Blockzeiten im Verhältnis zu den Betriebszeiten ermittelt (a.a.O. S. 60 f. Tab. 4-10 und 4-11). Sowohl ein Teil der Einzelberechnungen als auch die Modellrechnung haben ergeben, dass die Produktivität der Flugzeuge bei einer Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden und von 16 auf 18 Stunden überproportional zunimmt (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 108, 109 Abs. 4). In der Modellrechnung führt eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden (dies entspricht einem Zuwachs von 6,25 %) bei den Blockstunden zu einem Zuwachs von 11,2 %, eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 18 Stunden (Zuwachs: 12,5 %) zu einem Zuwachs der Blockstunden von 19,5 %. Die Blockstunden wachsen also im Vergleich zu den Betriebsstunden überproportional (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 109 Abs. 4).

92

Die Kläger halten die Modellrechnung nicht für aussagekräftig; die Annahme, dass die Strecken im Shuttle-Betrieb beflogen würden und dass die Betriebszeiten für Berlin und den Zielflughafen gleich seien, sei nicht realitätsgerecht. Die Wirklichkeit genau abzubilden, nimmt das Modell jedoch auch nicht für sich in Anspruch. Es soll den Zusammenhang zwischen der Länge der Betriebszeiten der Flughäfen und den Blockstunden der Flugzeuge für unterschiedliche Umlaufzeiten in typisierter Form aufzeigen; Vereinfachungen sind hierfür unumgänglich. Sie sind bei den Rückschlüssen von dem Modell auf die Wirklichkeit zu berücksichtigen. I. hat im Übrigen nicht nur Umläufe im Shuttle-Betrieb, sondern auch zwei Streckenkombinationen untersucht (a.a.O. S. 57 Tab. 4-8: Kombination von Zielen mit zweieinhalb und viereinhalb Stunden Flugzeit; a.a.O. S. 58 Tab. 4-9: Kombination von Zielen mit 70 Minuten und 2 Stunden Flugzeit). Auf die konkreten Flugziele kommt es für die Musterumläufe, soweit die Flugzeiten gleich sind, im Übrigen nicht an. Dass die ausgewählten Flugzeiten, Umkehrzeiten und die sich daraus ergebenden Zeiten für einen Umlauf für den von Berlin ausgehenden Flugbetrieb repräsentativ sind, stellen auch die Kläger nicht in Abrede. Dem Beklagten war auch bewusst, dass das Modell nicht genau der betrieblichen Wirklichkeit entspricht (PEB S. 109 Abs. 1 und 3); er hat die Aussagekraft des Modells nicht überschätzt.

93

Die Kläger meinen, aussagekräftig seien nur Vergleiche innerhalb der Betriebszeiten und der Blockzeiten. Eine Verlängerung der Betriebszeiten führe nur zu einem linearen Zuwachs; bei den Blockstunden sei der Zuwachs sogar unterproportional. Dass die Blockstunden in der Modellrechnung in der ersten zusätzlichen Stunde um 11,2 %, in der zweiten um 19,5 % und in der dritten Stunde um 23,8 % gegenüber den Blockstunden bei 16 Betriebsstunden wachsen, der prozentuale Zuwachs mit jeder weiteren Betriebsstunde also abnimmt (+ 11,2 %, + 8,3 %, + 4,3 %), stellen auch I. (Nachtflug-Gutachten S. 62 Tab. 4-12) und der Beklagte (PEB S. 109 Abs. 4) nicht in Abrede. Dies war ein Grund dafür, nur eine Betriebszeit von 18 und nicht von 19 Stunden zuzulassen. Auch bei diesem Vergleich werden die Blockstunden jedoch in Abhängigkeit von den Betriebszeiten betrachtet. Warum es unzulässig sein soll, den Zuwachs der Blockzeiten mit der linearen Zunahme der Betriebszeiten zu vergleichen, ergibt sich daraus nicht.

94

Die Kläger machen weiter geltend, im Musterumlauf mit einer Kombination von Kurzstreckenzielen mit einer Flugzeit von 1:10 und 2:00 Stunden (Nachtflug-Gutachten S. 58 Tab. 4-9) könnten bereits bei einer Betriebszeit von 17 Stunden nicht nur 3,5, sondern 4 Umläufe geflogen werden, wenn der erste Start von 6:15 auf 6:10 Uhr vorverlegt werde. Das trifft nicht zu. Im Musterumlauf landet das Flugzeug nach zweistündiger Flugzeit um 21:55 Uhr auf dem Zielflughafen. Es könnte um 22:45 Uhr wieder starten, würde Berlin also selbst bei der von den Klägern angenommenen Flugzeit von 1:10 Stunden erst um 23:55 Uhr, richtigerweise aber erst nach 2 Stunden, also um 0:45 Uhr wieder erreichen. Aus dem gleichen Grund wäre ein vierter Umlauf auch dann nicht möglich, wenn die Flugzeit um 5 Minuten kürzer wäre.

95

Die quantitativen Aussagen des Nachtflug-Gutachtens zum Verhältnis von Betriebszeiten zu Blockstunden gelten nur für die gewählten Ausgangsdaten; andere Flug- und Umdrehzeiten würden zu anderen Ergebnissen führen. Da die betrachteten Musterumläufe für den Flugbetrieb in Berlin repräsentativ sind, ist das Modell jedoch geeignet, den Zusammenhang zwischen den Betriebszeiten des Flughafens und den Blockzeiten der Flugzeuge näherungsweise abzuschätzen. Eine weitergehende Bedeutung hat auch der Beklagte dem Modell nicht beigemessen. Er hat lediglich angenommen, dass bei 18 Betriebsstunden ein "deutlich effizienterer" Flugbetrieb möglich sei als bei 16 Stunden (PEB S. 109 Abs. 5); quantifiziert hat er diesen Effizienzgewinn - anders als in den Modellrechnungen - nicht.

96

Der Beklagte ist auf der Grundlage der Analyse der Low-Cost- und der Touristikverkehre sowie der repräsentativen Musterumläufe zu der Einschätzung gelangt, dass für effektive Umlaufplanungen Betriebszeiten von 5:30 bis 23:30 Uhr erforderlich sind; anderenfalls wären nach seiner Einschätzung Umläufe unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen nicht mehr möglich mit der Folge, dass wichtige Flugverbindungen entfielen und die Verkehrsfunktion des Flughafens nicht unerheblich beeinträchtigt würde (PEB S. 98 Abs. 1, S. 111 Abs. 2). Diese Einschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Erforderlich meint in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass die Zulassung von Flugbetrieb für die Erreichung der Planungsziele zwingend erforderlich wäre, sondern lediglich, dass es im Interesse einer unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvollen und vertretbaren Planung vernünftigerweise geboten ist, diesen Zeitraum für Umlaufplanungen zu öffnen. Von einer zwingenden Erforderlichkeit ist auch der Beklagte nicht ausgegangen. Er ist zwar der Auffassung, dass ein völliges Nachtflugverbot der Verkehrsfunktion bzw. dem Widmungszweck des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld widerspräche (PEB S. 165 Abs. 2); dass bereits eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs, insbesondere ein grundsätzliches Nachtflugverbot von 23:00 bis 6:00 Uhr, die Verkehrsfunktion des Flughafens insgesamt infrage stellen würde, hat er hingegen nicht angenommen. Insoweit hat er es lediglich im Hinblick auf die Planungsziele für vernünftigerweise geboten gehalten, den Nachtflugbetrieb nicht weiter als von 23:30 bis 5:30 Uhr grundsätzlich zu beschränken.

97

Der Beklagte hat damit die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Umlaufplanungen nicht verkannt. Er hat diesem Bedarf insbesondere aufgrund der im Zeitraum von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr relativ starken, bereits aktuell vorhandenen Nachfrage nach Nachtflügen ein hohes Gewicht beigemessen (PEB S. 112 Abs. 2). Das ist ausgehend von der Verkehrsfunktion des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erfordernisse einer effektiven Umlaufplanung sind nicht an jedem deutschen Verkehrsflughafen unabhängig von seiner Stellung im Luftverkehrsnetz und seiner geographischen Lage in gleicher Weise geeignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen. An die Erreichbarkeit des einzigen Verkehrsflughafens der Metropolregion Berlin-Brandenburg dürfen auch im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre höhere Anforderungen gestellt werden als an andere Flughäfen mit einem kleineren Passagieraufkommen im Einzugsbereich und geringerer Bedeutung als Zielgebiet. Hinzu kommt, dass die Entfernung zu den für Berlin wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Süden und Westen liegen, größer ist als von den meisten anderen deutschen Flughäfen (PEB S. 99 Abs. 1).

98

Die Kläger wenden ein, dass die Verkehrsfunktion des Flughafens insbesondere im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre durch weitergehende Nachtflugbeschränkungen nicht beeinträchtigt werde. Das Fluggastaufkommen werde nicht erheblich weniger ansteigen. Für das Originäraufkommen von Fluggästen aus der Region Berlin-Brandenburg und für Städtereisen nach Berlin sei der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld praktisch ohne Alternative. Eine Verletzung des Abwägungsgebots ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Dass das Flugangebot tendenziell weniger attraktiv wird, wenn die Betriebszeiten beschränkt werden und sich die Kostenstrukturen der Luftverkehrsgesellschaften verschlechtern, liegt auf der Hand. Die Kläger halten die Folgen eines solchen Attraktivitätsverlustes für weniger gravierend als der Beklagte. Dass dieser mit seiner Bewertung die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Umlaufplanungen verkannt und damit den mit der Planungsermächtigung verbundenen Einschätzungs- und Bewertungsspielraum überschritten hätte, folgt daraus nicht.

99

Dass auf anderen Flugplätzen wie z.B. Berlin-Tegel, Düsseldorf oder Hamburg wegen der dortigen Betriebsbeschränkungen nach 23:00 Uhr und vor 6:00 Uhr Passagierverkehr nicht stattfindet, sich aber gleichwohl ein Low-Cost- und Touristikverkehr entwickelt hat, bedeutet nicht, dass ein weitergehender Nachtflugbedarf auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld nicht besteht. Der Beklagte hat einen solchen Bedarf dargelegt. Er verkennt das Gewicht dieses Bedarfs nicht, wenn er an die Erreichbarkeit des Flughafens Berlin-Schönefeld höhere Anforderungen stellt als an die genannten Flughäfen. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld im Übrigen schon deshalb nicht zu vergleichen, weil er der einzige Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg sein wird. Anders als auf dem Flughafen Berlin-Tegel darf auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn während der gesamten Nacht geflogen werden. Insbesondere die touristischen Verkehre machen von dieser Ausweichmöglichkeit Gebrauch. Von 4 469 Nachtflügen zu touristischen Zielen wurden in 2008  1 181 Flüge auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-Gutachten S. 29 Tab. 3-3).

100

Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Beklagte auch nicht ein öffentliches Interesse an Flügen "zu jedem Preis" bejaht. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass ein Nachtflug in der Regel nur durchgeführt wird, wenn es neben dem Preis auch andere Gründe für eine entsprechende Nachfrage gibt, wie z.B. die Ausnutzung des ersten bzw. letzten Urlaubstages bei Privatreisenden oder die Nutzung ganzer Arbeitstage bei Geschäftsreisenden (PEB S. 114 Abs. 2).

101

Unbegründet ist schließlich der Vorwurf, dass es sich bei den zur Rechtfertigung des Nachtflugbetriebs angeführten Gründen, insbesondere den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung, ausschließlich um private und kommerzielle Belange der Beigeladenen und der Fluggesellschaften handele. Es ist ein Ziel der Landesplanung, den Flughafen Berlin-Schönefeld zur Deckung des nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarfs der Länder Berlin und Brandenburg weiterzuentwickeln (Z 1 Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung - LEP FS - vom 30. Mai 2006, GVBl Bbg II S. 154). Der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg dient der Umsetzung dieses Ziels. Es liegt nicht nur im privaten Interesse der Beigeladenen und der Luftverkehrsgesellschaften, sondern auch im öffentlichen Interesse, den Luftverkehr, für den der Flughafen ausgebaut wird, durch bedarfsgerechte Betriebsregelungen zu ermöglichen. Davon ist der Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 112 Abs. 5, S. 161 f.). Die kommerziellen Interessen der Beigeladenen, der Luftverkehrsgesellschaften und der Touristikunternehmen einerseits und die Interessen der Passagiere andererseits müssen im Übrigen nicht gegenläufig sein. Eine frühe Ankunft am Zielort und eine möglichst späte Abreise können - insbesondere bei Kurzurlauben und Geschäftsreisen - auch im Interesse der Passagiere liegen. Auch die Möglichkeit, die Reise zu einem günstigen Preis anzubieten, liegt sowohl im Interesse der Luftverkehrsgesellschaften und Reiseveranstalter als auch der Passagiere.

102

2.3.4 Interkontinentalverkehr

103

Für den Interkontinentalverkehr hat der Beklagte im Planergänzungsbeschluss dargelegt, dass sich für Flugverbindungen in bestimmte Regionen der Welt aufgrund der Zeitverschiebungen und der Streckenlängen relativ enge Zeitfenster entwickelt hätten (PEB S. 102 Abs. 4, S. 104 Abs. 1). Aufgrund der geographischen Lage Berlins müssten die Abflüge in Richtung Fernost/Asien später erfolgen als von weiter westlich gelegenen Flughäfen (PEB S. 103 Abs. 2). Um die Wirtschaftlichkeit der Langstreckendienste zu sichern, müsse zudem ein Zu- und Abbringernetz von innerdeutschen und Europadiensten das örtliche Aufkommen unterstützen (PEB S. 101 Abs. 4). Die morgendliche Ankunft der Interkontinentalflüge müsse der ersten Abflugwelle zu innerdeutschen und europäischen Zielen, die zwischen 6:00 und 7:00 Uhr liege, vorlaufen; deshalb sei es wichtig, dass Landungen im Interkontinentalverkehr ab 5:30 Uhr möglich seien (PEB S. 102 Abs. 5). Entsprechend müsse der Abflug im Interkontinentalverkehr den letzten zwischen 22:00 und 23:00 Uhr eintreffenden Ankünften nachlaufen, also auch die Zeitscheibe bis 23:30 Uhr nutzen können (PEB S. 103 Abs. 3).

104

Damit ist ein sachlicher Grund für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr plausibel dargelegt. Die Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs sind nach der Rechtsprechung des Senats geeignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288). Die Kläger wenden im Wesentlichen ein, dass der Interkontinentalverkehr auf die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten nicht angewiesen sei; auf dem Flughafen Berlin-Tegel werde er jedenfalls zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt. Der im Planergänzungsbeschluss dargelegte weitergehende Bedarf an nächtlichen Interkontinentalflügen auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld wird dadurch nicht infrage gestellt. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der künftige "Single-Airport" Berlin-Brandenburg - wie bereits dargelegt - auch im Hinblick auf den Interkontinentalverkehr nicht zu vergleichen. In 2008 wurden 402 von insgesamt 978 nächtlichen Interkontinentalflügen nicht in Tegel, sondern auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-Gutachten S. 35 Tab. 3-6). Eine solche Ausweichmöglichkeit wird es nach Inbetriebnahme der neuen Südbahn nicht mehr geben. Im Übrigen geht es nicht nur darum, den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld überhaupt mit interkontinentalen Destinationen zu verbinden, sondern den Reisenden am Zielflughafen attraktive Anschlussverbindungen anbieten zu können. Dies setzt eine Einbindung in die dortigen Drehkreuze voraus (PEB S. 103 f.).

105

Der Beklagte durfte dem Nachtflugbedarf für den Interkontinentalverkehr ein hohes Gewicht beimessen. Gerade im Bereich des Interkontinentalverkehrs soll die Konzentration des gesamten Berliner Flugverkehrs auf einen Standort ein verbessertes Flugangebot ermöglichen. Die Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden kann dieses Ziel befördern.

106

2.3.5 Luftfrachtverkehr

107

Gründe für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr für Frachtflüge ergeben sich aus den Abläufen der Logistik. Der Beklagte hat hierzu im Planergänzungsbeschluss dargelegt:

108

Der üblichen Logistik des Luftfrachtverkehrs auf Nicht-Hub-Flughäfen entsprechend würden die Sendungen abends nach Beendigung der Produktion eingesammelt, zum Flughafen transportiert, dort verladen und "gebündelt" zu einem Hub-Flughafen geflogen, dort nachts zusammen mit den anderen ankommenden Waren auf die Ziele bzw. die entsprechenden Flugzeuge verteilt, die dann in den frühen Morgenstunden, vor Produktionsbeginn, an den Zielflughäfen landen. Für diese Logistikkette sei die Nutzung der Nachtrandzeiten an den Nicht-Hub-Flughäfen von entscheidender Bedeutung (PEB S. 116 Abs. 3).

109

Das ist plausibel. Der Beklagte hat den Bedarf an nächtlichem Luftfrachtverkehr auch nicht überschätzt. Dass der Fracht- im Vergleich zum Passagierverkehr in Berlin nur eine untergeordnete Rolle spielt und spielen wird, hat er erkannt; er weist aber unwidersprochen darauf hin, dass fast zwei Drittel (61,9 %) der Flugbewegungen nachts stattfinden (PEB S. 115 Abs. 4). Dass er der Deckung dieses Bedarfs trotz des geringen Aufkommens eine erhebliche Bedeutung für Berlin als Wirtschaftsraum (PEB S. 119 Abs. 4) beimisst, ist nicht zu beanstanden. Auch ein geringes Frachtaufkommen kann für bestimmte Produktionsabläufe von entscheidender Bedeutung sein. Der nächtliche Frachtverkehr kann auch nicht zu vergleichbaren Bedingungen über den Flughafen Leipzig/Halle abgewickelt werden. Die Transportwege würden sich verlängern; zudem haben die Expressdienstleister TNT, UPS und FedEx - anders als DHL - ihre Verteilzentren nicht in Leipzig/Halle, sondern in Berlin und Umgebung (A.-Stellungnahme vom 23. Januar 2009 S. 26 - 29, Beiakte 16 Bl. 1211 <1235 - 1238>).

110

Dass die Zahl von sechs Luftfrachtbewegungen (PEB S. 119 Tabelle) im Nachtflug-Gutachten von I. keine Stütze findet, trifft nicht zu. I. hat für das gesamte Cargo-Segment (Fracht und Post) 8,1 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 prognostiziert (S. 102 Tab. 9-4). Davon entfallen jeweils drei Flugbewegungen in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis Freitag auf Samstag oder 2,1 Flugbewegungen am Durchschnittstag auf die Post (S. 94), die verbleibenden sechs Flugbewegungen auf die Fracht.

111

2.3.6 Luftpostverkehr

112

Für Nachtpostflüge (A II 5.1.1 Nr. 4 a PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte einen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht zu Recht anerkannt. Postflüge sind auf die Nutzung der Nachtkernzeit angewiesen. Sie sind seit mehreren Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Luftverkehrsgeschehens (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 76). Die Deutsche Post AG hatte zwar mit Schreiben vom 22. Juli 2009 (Beiakte 17 Bl. 1824) mitgeteilt, dass innerdeutsche Nachtluftpostflüge von und nach Berlin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit künftig auch bei saisonal erhöhtem Briefaufkommen nicht mehr erforderlich seien. Der Beklagte ist dieser Einschätzung jedoch zu Recht nicht gefolgt. Hauptgrund für ein Nachtflugpostnetz ist die Einhaltung der Zustellquote im Rahmen der Brieflaufzeit "E + 1" nach § 2 Nr. 3 PUDLV. Die Einschätzung des Beklagten, dass Nachtflüge zur Einhaltung dieser Quote weiter erforderlich sein können, hat sich nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses als richtig erwiesen. Die Deutsche Post AG führt seit dem 30. November 2009 wieder sechs Nachtflüge durch. Sie hat selbst eingeräumt, dass die Brieflaufzeiten im Inland nach Einstellung der Flüge in einzelnen Verkehrsrelationen nicht mehr die gewünschten Qualitätsstandards erreicht haben (Schreiben vom 21. Oktober 2009, Beiakte 18 Bl. 2039). Der Flughafen Leipzig/Halle wäre für diese Flüge keine gleichwertige Alternative. Der Flughafen Berlin-Schönefeld ist aufgrund seiner geographischen Lage deutlich besser geeignet, den Briefverkehr auf der großen Distanz zwischen dem Südwesten und dem Nordosten Deutschlands in kurzer Zeit abzuwickeln.

113

2.3.7 Regierungsflüge

114

Für Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbesuchen und für Regierungsflüge eingesetzt werden (A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB i.d.F. des PEB), hat der Beklagte einen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht zu Recht bejaht.

115

Für Staatsbesuche hat er dargelegt: In Bezug auf Flüge von ausländischen Staatsgästen der Bundesrepublik Deutschland sowie der Begleitdelegationen beschränke sich der Bedarf auf die an- und abreisenden Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Außenminister sowie Leiter internationaler und supranationaler Organisationen (PEB S. 126 Abs. 1). Die Flüge unterlägen bezüglich ihrer Durchführung und Planung diplomatischen und protokollarischen Zwängen (PEB S. 126 Abs. 3).

116

Das ist plausibel. Es ist im Staatenverkehr nicht opportun, Staatsgästen Vorgaben für die Flugzeiten zu machen. Der Bedarf ist durch die Funktion Berlins als Bundeshauptstadt bedingt und damit standortspezifisch.

117

Zu den Regierungsflügen hat der Beklagte dargelegt: Die Beförderung von Personen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich erfolge im Wesentlichen durch die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Bedarf beschränke sich auf die Personen, die gemäß einer von der Bundesregierung beschlossenen Richtlinie anforderungsberechtigt seien (PEB S. 123 Abs. 5). Über ihre Beförderung werde allein in politisch-parlamentarischer Verantwortung entschieden (PEB S. 126 Abs. 3).

118

Auch dieser Bedarf ist durch die Funktion Berlins als Bundeshauptstadt bedingt und damit standortspezifisch. Da anforderungsberechtigt nur die Inhaber hoher Staatsämter sind - für die Mitglieder des Bundestags nur der Präsident des Bundestags und die Fraktionsvorsitzenden -, darf die Prüfung, ob die Durchführung des Fluges in der Nachtkernzeit notwendig ist, dem Anfordernden selbst überlassen werden.

119

2.3.8 Allgemeine Luftfahrt

120

Der nächtliche Taxi- und Werkverkehr hat nach Einschätzung des Beklagten trotz seines geringen Aufkommens - für die Durchschnittsnacht 2020 wird mit 0,9 Flugbewegungen gerechnet (PEB S. 147) - für den Wirtschafts-, Kultur- und Medienstandort Berlin-Brandenburg eine wichtige Bedeutung. Er werde genutzt, um zeitkritische geschäftliche Termine wahrzunehmen, wenn die Luftverkehrsgesellschaften keine geeigneten Verbindungen bereit hielten (PEB S. 129 Abs. 2).

121

Damit ist ein Nachtflugbedarf plausibel dargelegt. Er ergibt sich aus der Erreichbarkeit der Metropolregion Berlin-Brandenburg im Taxi- und Werkverkehr auch während der frühen Morgen- und späten Abendstunden. Der Taxi- und Werkverkehr ergänzt insoweit den Linienverkehr. Dass er nach der Zahl der Flugbewegungen und der Passagiere gegenüber dem Linienverkehr nur eine untergeordnete Rolle spielen wird, steht der Anerkennung des vorhandenen Bedarfs nicht entgegen.

122

2.3.9 Ausbildungs- und Übungsflüge

123

Mit der in A II 5.1.1 Nr. 6 PFB i.d.F. des PEB getroffenen Regelung hält der Beklagte an der bereits im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen inhaltsgleichen Regelung A II 5.1.1 Nr. 4 fest. Die Kläger berufen sich insoweit lediglich auf die Unverwertbarkeit des I.-Gutachtens; dieses liegt der Regelung jedoch nicht zugrunde. Im Übrigen sind ihre Einwände gegen das Gutachten unbegründet (B II 2.1.1). Aus welchen Gründen der dargelegte Bedarf für die ausnahmsweise Zulassung von Ausbildungs- und Übungsflügen bis 23:00 Uhr (PEB S. 129 Abs. 3) zu beanstanden sein sollte, ist nicht ersichtlich.

124

2.3.10 Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung

125

Wartungsflüge dienen der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs und dürfen jedenfalls in dem Umfang zugelassen werden, in dem ihre Verkehre die Nachtzeit in Anspruch nehmen können (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 73, 75). Nach A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB sind Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge über die reguläre Betriebszeit hinaus bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr zulässig. Zur Begründung dieser Regelung hat der Beklagte dargelegt: Wegen der Einbindung der Flugzeuge in die täglichen Umläufe und der hohen Auslastung müssten die Instandhaltungsarbeiten möglichst in den Nachtstunden, insbesondere der Nachtkernzeit, durchgeführt werden. Nächtliche Betriebsbeschränkungen könnten zu erheblichen Ineffizienzen führen, wenn instandgesetzte Flugzeuge am Morgen nicht rechtzeitig dem Flugzeugumlauf zugeführt bzw. die Flugzeuge zur Wartung und Instandsetzung nicht unmittelbar nach Beendigung ihres Einsatzes zum Flughafen Berlin-Schönefeld verbracht werden könnten (PEB S. 133 Abs. 3). Bereitstellungs- oder Positionierungsflüge als Leerflüge seien darüber hinaus notwendig, falls ein Ersatzflugzeug von oder nach Berlin zu überführen sei (PEB S. 133 Abs. 4).

126

Damit ist ein Nachtflugbedarf bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr plausibel dargelegt. Es geht um größere Wartungsarbeiten, wie die A- und C-Checks, die nur an technisch hierfür ausgestatteten Standorten durchgeführt werden können (PEB S. 132 Abs. 2). Da Wartung und Instandsetzung die reguläre Umlaufplanung möglichst nicht beeinträchtigen sollen, besteht ein berechtigtes Interesse an der Möglichkeit, derartige Leerflüge dem regulären Flugbetrieb zeitlich vor- bzw. nachlaufen zu lassen. Gleiches gilt für die Bereitstellung von Ersatzflugzeugen. Ohne Not wird im Übrigen keine Fluggesellschaft Leerflüge durchführen. Der geringe Umfang des Verkehrs - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von 1,3 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) - spricht auch insoweit nicht gegen einen Nachtflugbedarf.

127

2.3.11 Sonderverkehre

128

Den Sonderverkehren rechnet der Beklagte die Verkehre zu, die nach A II 5.1.1 Nr. 3 PFB i.d.F. des PEB auch während der Nachtkernzeit zulässig sind.

129

Zum Nachtflugbedarf für Militärflüge (Nr. 3 c) wird im Planergänzungsbeschluss dargelegt: Militärflüge, wie z.B. der Lufttransport von militärischem Personal und Material, seien zur Wahrnehmung von außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen sowie bündnispolitischen Interessen und Verantwortlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland unbedingt notwendig. Das Bundesministerium der Verteidigung führe hierzu aus, dass ein Flugbetrieb der Luftwaffe in der gesamten Nacht aus militärischen Gründen erforderlich sei (PEB S. 137 Abs. 1).

130

Für die Flugbereitschaft hat das Bundesministerium der Verteidigung dies in seinen Stellungnahmen vom 15. Januar 2008 (Beiakte 6) und vom 20. März 2009 (Beiakte 17 Bl. 1526) plausibel dargelegt. Die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung ist ein Verband der Luftwaffe, der für besondere Aufgaben jederzeit, also auch während der Nachtkernzeit, einsatzbereit sein soll. In erster Linie wird die Flugbereitschaft für die Beförderung von Personen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich (Regierungsflüge), den Lufttransport zur Unterstützung bei Hilfeleistungen der Bundeswehr im In- und Ausland z.B. bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen sowie für den Lufttransport von Kranken und Verwundeten (MEDEVAC) eingesetzt. Zu ihrem Auftrag gehört aber auch der Lufttransport von militärischem Personal und Material. Derartige militärische Flüge entziehen sich einer regelhaften Planung; sie können - je nach den militärischen Notwendigkeiten - zu jeder Tages- und Nachtzeit erforderlich sein (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 79). Der Nachtflugbedarf für Luftfahrzeuge der Flugbereitschaft ist auch standortspezifisch. Ein Teil der Flugzeuge ist bereits in Berlin stationiert. Die Bundeswehr beabsichtigt, die Anteile der Kurz- und Mittelstreckenflotte, die derzeit noch auf dem Flughafen Köln/Bonn stationiert sind, zum Flughafen Berlin-Schönefeld zu verlegen; auch die Langstreckenflugzeuge sollen dort permanent stationiert werden.

131

Ein Bedarf für Nachtflüge sonstiger militärischer Luftfahrzeuge oder ziviler Luftfahrzeuge auf militärische Anforderung, wie sie etwa auf dem Flughafen Leipzig/Halle zum Transport von US-Personal in den Nahen und Mittleren Osten stattfinden, ist hingegen nicht substantiiert dargelegt. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat deshalb in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts erklärt, dass Militärflüge im Sinne des Abschnitts A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB i.d.F. des PEB nur Flüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und von Gastluftfahrzeugen der Regierungen oder militärischer Einrichtungen anderer Staaten sind.

132

Einwände gegen die im Planergänzungsbeschluss dargelegte Erforderlichkeit der Regelung für Notlandungen (Nr. 3 a), für Flüge für den Katastrophenschutz, medizinische Hilfeleistungen und Vermessungen (Nr. 3 b) und für Polizeiflüge (Nr. 3 c) erheben die Kläger nicht; sie berufen sich insoweit lediglich auf ihr Vorbringen zur Verwertbarkeit des I.-Nachtflug-Gutachtens.

133

2.3.12 Verspätungen und Verfrühungen

134

Zur Begründung des Nachtflugbedarfs für verspätete Landungen bis 24:00 Uhr, verfrühte Landungen ab 5:00 Uhr, verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b und c PFB i.d.F. des PEB) sowie verspätete Landungen von nicht lärmarmen Flugzeugen bis 23:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 5 PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte ausgeführt:

135

Unpünktlichkeiten im internationalen Luftverkehr ließen sich auch in Zukunft nicht vollständig vermeiden (PEB S. 143 Abs. 2); es sei aber nicht erkennbar, dass die Fluggesellschaften die Verspätungen oder Verfrühungen gezielt erzeugten bzw. deren Konsequenzen bewusst in Kauf nähmen (PEB S. 143 Abs. 3). Planmäßige Flüge müssten auch bei Verspätungen landen können und zwar möglichst auf dem Zielflughafen; eine Umleitung auf einen anderen Flughafen sei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Geeignete Ausweichflughäfen stünden in näherer Umgebung nicht zur Verfügung (PEB S. 143 Abs. 4). Frühankünfte träten vor allem im Interkontinentalverkehr auf. Ohne Landemöglichkeit müsste das Flugzeug in Warteschleifen in der Luft bleiben - mit allen ökonomischen und ökologischen Folgen (PEB S. 142 Abs. 3).

136

Damit ist ein Bedarf für die Verspätungsregelungen plausibel dargelegt. Da die Personenbeförderung im Luftverkehr Bestandteil des öffentlichen, für jeden Nutzer zugänglichen Verkehrs ist, besteht ein allgemeines Interesse daran, den Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 55); dieses Interesse besteht auch im Luftfrachtverkehr. Das Ausweichen auf andere Flughäfen stört die Abwicklung des Luftverkehrs erheblich; auch die Passagiere werden dadurch in hohem Maße belastet. Das gilt bereits dann, wenn - wie bislang mit dem Flughafen Berlin-Schönefeld für den Flughafen Berlin-Tegel - ein Ausweichflughafen in der Nähe vorhanden ist. Dass der Beklagte die Flexibilität des Berliner Flughafensystems aus anderen Gründen, insbesondere zur Reduzierung der Lärmbetroffenheiten (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 109 ff.), selbst aufgegeben hat, steht der Anerkennung eines Bedarfs nicht entgegen. Dass Verfrühungen - wie die Kläger geltend machen - vermeidbar sind, ist nur teilweise richtig. Eine Verlangsamung des Fluges ist nur innerhalb gewisser Grenzen möglich (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 56; PEB S. 142 Abs. 4). Warteschleifen sind aus den im Planergänzungsbeschluss (S. 142 Abs. 3) dargelegten Gründen keine eindeutig bessere Alternative. Schließlich weisen die Kläger des Parallelverfahrens (BVerwG 4 A 4001.10) auf den ebenfalls stadtnahen Flughafen Düsseldorf hin, der sich auch hinsichtlich der Verspätungsregelungen erhebliche Restriktionen zum Schutz der Anwohner gefallen lassen müsse. Für die Abendstunden hat allerdings auch der Flughafen Düsseldorf eine Verspätungsregelung (Nachtflug-Gutachten S. 67). Lediglich am Morgen werden Landungen erst ab 6:00 Uhr zugelassen - ohne Ausnahme für Verfrühungen. Ein Bedarf für verfrühte Landungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld ist, auch wenn ihre Zahl gering ist, belastbar dargelegt. Dass der Flughafen Düsseldorf ohne eine solche Regelung auskommen muss, obwohl dort ebenfalls Interkontinentalverkehr stattfindet, muss sich der Flughafen Berlin-Schönefeld nicht entgegenhalten lassen.

137

2.4 Regionalwirtschaftliche Aspekte

138

Der Beklagte hat die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichend ermittelt. Er hat die Bedeutung der regionalwirtschaftlichen Belange nicht überschätzt.

139

Der Beklagte ist davon ausgegangen, dass die Realisierung des Ausbauvorhabens positive wirtschaftliche und strukturelle Effekte für die Hauptstadtregion haben werde (PEB S. 155 Abs. 1). Die im Gutachten der Beigeladenen (Arbeitsgemeinschaft IfV Köln / KE-Consult, Regionalwirtschaftliche Effekte einer Betriebsgenehmigung mit Kernruhezeit für den Airport Berlin Brandenburg International BBI vom 20. Juni 2007, Beiakte 1) herausgearbeiteten Ursachenbeziehungen zwischen der Steigerung der Verkehrsnachfrage und -leistung an einem Flughafen in Relation zu Flugbetriebsbeschränkungen in den Nachtzeiten und der von diesem Flughafen ausgehenden direkten Beschäftigungswirkungen seien plausibel, wenn auch die Zahlen möglicherweise nicht exakt belegbar seien (PEB S. 155 Abs. 3). Insgesamt änderten die verfügten Flugbeschränkungen zur Nachtzeit nichts daran, dass das Ausbauvorhaben generell geeignet sei, positive arbeitsmarktpolitische Effekte auszulösen (PEB S. 155 Abs. 4). Der Beklagte habe durch die Öffnung der Nachtrandzeiten bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr die durchaus vorhandenen negativen regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Flugbeschränkungen minimiert. Er halte die verfügten Betriebsregelungen auch unter Würdigung des öffentlichen Interesses an Arbeitsplätzen sowie der Erhaltung und Stärkung der Wirtschaftskraft der Hauptstadtregion für vertretbar (PEB S. 156 Abs. 2).

140

Die Kläger meinen, dass das Gutachten der Beigeladenen die Effekte von Flugbeschränkungen in der Nachtzeit überbewerte; der Beklagte folge dieser Überbewertung. Es werde verkannt, dass ein Großteil des bei uneingeschränktem Flugbetrieb bestehenden Verkehrs nicht wegfallen, sondern sich in den Tag verlagern werde.

141

Die Einwände der Kläger sind unbegründet. Der Beklagte hat sich die quantitativen Einschätzungen insbesondere der Passagierverluste in dem Gutachten der Beigeladenen, die auch I. für überhöht gehalten hat (Bericht vom 3. Dezember 2008 S. 7, Beiakte 16 Bl. 987 <996>), nicht zu eigen gemacht. Er musste die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Nachtflugbeschränkungen auch nicht weiter ermitteln oder quantifizieren, insbesondere auch nicht für eine Beschränkung des Flugbetriebs auf 6:00 bis 23:00 Uhr. Denn er hat den regionalwirtschaftlichen Effekten im Rahmen seiner Abwägung von vornherein nur eine eingeschränkte Bedeutung beigemessen. Er ist zwar davon ausgegangen, dass der Flughafenausbau auch deshalb im öffentlichen Interesse liegt, weil er der Stärkung und Erhaltung der regionalen Wirtschaft dient (PEB S. 148 Abs. 4), und dass sich Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs negativ auf dieses Ziel auswirken (PEB S. 152 Abs. 2). Den Nachtflugbedarf hat er jedoch ausschließlich auf die Nachfrage nach Nachtflügen und die strukturellen und betrieblichen Gründe für deren Durchführung in der Nacht gestützt, nicht auf die regionalwirtschaftlichen Effekte des Nachtflugbetriebs. Auch in der Gesamtabwägung hat er diese Effekte lediglich punktuell im Zusammenhang mit den Bereitstellungs- und Überführungsflügen und deren Bedeutung für die Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 171 Abs. 4) sowie beim Luftfrachtverkehr (PEB S. 169 Abs. 4) in seine Erwägungen einbezogen. Die regionalwirtschaftlichen Gesamtauswirkungen der von ihm verfügten Betriebsbeschränkungen hat er lediglich geprüft, um der Forderung nach einer weitergehenden Zulassung von Nachtflugbetrieb und dem Argument zu begegnen, dass die positiven wirtschaftlichen und strukturellen Effekte des Flughafenausbaus für die Region Berlin-Brandenburg durch die verfügten Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs infrage gestellt würden. Die Frage, ob dies bei einer weitergehenden Beschränkung des Flugbetriebs, etwa auf 6:00 bis 23:00 Uhr, der Fall wäre, brauchte er nicht zu stellen, da er eine solche Regelung im Rahmen der Abwägung schon wegen des dargelegten Nachtflugbedarfs nicht als angemessen angesehen hat.

142

3. Ermittlung und Gewichtung der Lärmschutzbelange

143

Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange der Kläger ausreichend ermittelt. Er hat das Gewicht dieser Belange nicht zu gering eingeschätzt.

144

3.1 Flugroutenprognose

145

Welche Auswirkungen der Betrieb eines Flugplatzes auf die Anwohner und die Umwelt hat, hängt nicht nur von Art und Umfang des Flugbetriebs auf dem Flugplatz, sondern auch von den Flugwegen und der Flughöhe der Flugzeuge im Luftraum ab. Der Flugbetrieb auf dem Flugplatz kann im Planfeststellungsverfahren geregelt werden (§ 8 Abs. 4 LuftVG), die Benutzung des Luftraums in der Umgebung des Flugplatzes nicht (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <377>). Sie wird maßgebend durch sogenannte Flugverfahren bestimmt. Die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte werden vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) auf der Grundlage von Vorarbeiten der DFS durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen. Auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden (vgl. Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152). Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planfeststellungsverfahren ist hiernach systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen. Die Planfeststellungsbehörde muss nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken. Die Flugrouten gehören zu den prognostischen Annahmen, die der Lärmermittlung zugrunde zu legen sind (Beschluss vom 18. August 2005 - BVerwG 4 B 17.05 - juris Rn. 27 § 10 luftvg nr. 13>).

146

3.1.1 Anforderungen an die Flugroutenprognose

147

Die prognostische Flugroutenplanung muss besonderen, sich aus ihrer Funktion ergebenden Anforderungen genügen: Sie muss zum einen die Modalitäten des Flugbetriebs hinreichend genau abbilden; zum anderen muss sie regelmäßig mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein.

148

Für das Planfeststellungsverfahren genügt eine prognostische Grobplanung der An- und Abflugverfahren - eine Detailplanung würde dem vorläufigen Charakter der nur prognostischen Planung nicht gerecht. Auch die prognostische Planung darf jedoch nicht beliebig "grob" sein. Sie muss die Modalitäten des Flugbetriebs soweit abbilden, wie dies für die jeweilige im Planfeststellungsverfahren zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Für die Regelung des Flugbetriebs muss sie nicht so genau sein wie für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete. Letztere sollen es ermöglichen, individuelle, im Wege der Abwägung nicht überwindbare Schutzansprüche durchzusetzen. Über die Regelung des Flugbetriebs ist hingegen auf der Grundlage einer Abwägung zu entscheiden (§ 8 Abs. 1 und 4 LuftVG). Relevant für diese Abwägung ist, wie viele Anwohner ungefähr durch Fluglärm betroffen sein werden und wie schwer die jeweilige Betroffenheit sein wird. Welche Anwohner betroffen sein werden, ist - anders als für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete - nicht erheblich. Der Flugbetrieb wird geregelt für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung. Die Regelung soll grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugverfahren festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde. Unabhängig vom Verlauf der jeweiligen Flugrouten muss bei der Flughafenplanung davon ausgegangen werden, dass nach den örtlichen Gegebenheiten bestimmte Siedlungsgebiete durch Fluglärm betroffen werden können. Vor diesem Hintergrund ist eine Änderung der Flugrouten für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs unter Lärmschutzgesichtspunkten in der Regel nur relevant, wenn wesentlich dichter besiedelte Gebiete auf passiven Schallschutz angewiesen wären als angenommen.

149

Die Prognose der An- und Abflugverfahren muss zudem in aller Regel mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein. Für hoheitliche Planungen gilt der Grundsatz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (Urteile vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19 und vom 1. Juli 1999 - BVerwG 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 <201>). Hierzu ist die Planung nicht in der Lage, wenn sie eine beliebige Flugroutenplanung zugrunde legt; sie muss von realistischen Annahmen ausgehen. Die Prognose ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erst dann fehlerhaft, wenn die Flugroutenplanung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht realisiert werden kann oder wenn bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung definitiv feststeht, dass das BAF andere Flugstrecken festlegen wird. Ob eine Flugroutenplanung realistisch ist, kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig allein nicht beurteilen. Nicht sie, sondern die DFS ist für die Planung, das BAF für die Festlegung der An- und Abflugverfahren zuständig. Ziel der Abstimmung ist die Bestätigung, dass die dem Planfeststellungsantrag zugrunde liegende prognostische Flugroutenplanung realisierbar ist und dass sie den bisherigen Planungen der DFS entspricht, ihre Umsetzung also realistischerweise zu erwarten ist.

150

3.1.2 Prognose der DFS vom November 1997 / März 1998

151

Der Beklagte hat der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planergänzungsverfahren - wie im gesamten Planfeststellungsverfahren - eine von der DFS erstellte Grobplanung der Anflugstrecken vom November 1997 (Beiakte 45 Bl. 29 f.) und der Abflugstrecken vom März 1998 zugrunde gelegt (a.a.O. Bl. 84 f.). Die DFS hatte diese Planungen der bereits vor Eingang des Planfeststellungsantrags beim Beklagten eingerichteten "Arbeitsgruppe An- und Abflugverfahren EDDB" vorgelegt. Die DFS ging bei ihrer Planung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen des Flugplatzes nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der 3. Sitzung der Arbeitsgruppe vom 30. März 1998 wurde sie gebeten zu prüfen, welche Auswirkungen Achsabstand und Schwellenversatz der Pisten auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr haben (a.a.O. Bl. 79 <80>). Mit Schreiben vom 20. August 1998 (a.a.O. Bl. 92 f.) teilte sie mit, dass der vorgesehene Achsabstand (1 900 m) und der Schwellenversatz (1 250 m) keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des IFR-Flugverkehrs hätten. Zugleich wies sie "deutlich" darauf hin, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15Grad erfordere. Ebenso müssten die Abflugkurse um mindestens 30Grad von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung nicht berücksichtigt worden seien, sei bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen. Der Beklagte bat die Vorhabenträgerin, diese Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen (a.a.O. Bl. 95 f.). Die Vorhabenträgerin erwiderte, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures nicht berücksichtigt habe (a.a.O. Bl. 98 f.). Eine exakte Berücksichtigung solcher modifizierter Abflugwege würde die Deklarierung zusätzlicher Abflugstrecken erfordern, was nicht vorgesehen sein könne. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 in der Hauptverwaltung der DFS statt; ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. In einem nicht zu den Verwaltungsvorgängen gelangten Schreiben vom 7. Oktober 1998 wandte sich der Geschäftsführer der Vorhabenträgerin, Herr Dr. H., an das Bundesministerium für Verkehr mit der Bitte um Unterstützung bei der Lösung eines Problems mit der DFS. In einer schriftlichen Stellungnahme zum Datenerfassungssystem habe die DFS festgestellt, dass bei gleichzeitiger unabhängiger Durchführung von IFR-Abflügen eine Divergenz der Abflugkurse von 15Grad erforderlich werde. Das Ministerium werde gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass sie ihre Stellungnahme zum vorliegenden Datenerfassungssystem modifiziere. Die DFS nahm mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 (a.a.O. Bl. 106) unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 erneut Stellung. Sie legte dar, dass die von der Vorhabenträgerin zugrunde gelegte Streckengeometrie grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS entspreche. IFR-Anflüge könnten bei dem geplanten Bahnabstand unabhängig voneinander durchgeführt werden. Sie wies jedoch darauf hin, dass, um parallele Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten zu gewährleisten, generell eine Divergenz der Abflugwege von 15Grad erforderlich wäre. Dies bedeute, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während der Verkehrsspitzen zu Abflugverzögerungen kommen könne. Weiter wies sie darauf hin, dass die Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung seien, sondern jederzeit optimiert werden könnten. Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren werde erst kurz vor Betriebsaufnahme erfolgen.

152

Im Planfeststellungsverfahren nahm die DFS als Trägerin öffentlicher Belange mit Schreiben vom 3. Juli 2000 Stellung (Beiakte 322 Nr. 170). Zur Möglichkeit paralleler IFR-Abflüge wiederholte sie praktisch wortgleich den Inhalt ihres Schreibens vom 26. Oktober 1998. Im Planergänzungsverfahren erhob sie im Anhörungsverfahren keine Einwendungen gegen das Vorhaben (Schreiben vom 18. Januar 2008, Beiakte 6 Stellungnahme 500007). Auf eine schriftliche Anfrage des Beklagten vom 10. Oktober 2008 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 25. Juli 2011) teilte sie unter dem 15. April 2009 mit, eine kurzfristige Festlegung von Flugverfahren würde dem Grundsatz widersprechen, die Verfahren erst nach einer gründlichen Abwägung aller Faktoren einzuführen; sie könne daher noch keine konkreten Angaben zur Flugverfahrensplanung geben (Beiakte 17 Bl. 1576).

153

Auf der Grundlage dieser schriftlichen Stellungnahmen der DFS durfte der Beklagte - unabhängig davon, ob ihm das sogenannte H.-Schreiben bekannt war - nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde. Von einem abhängigen Bahnbetrieb durfte er ebenfalls nicht ausgehen. Die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems, auf dem An- und Abflüge auf beiden Bahnen gleichzeitig durchgeführt werden dürfen, war ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens (PFB S. 336 Abs. 1, S. 409 Abs. 5). Der Senat hat die Entscheidung gegen einen abhängigen und für einen unabhängigen Parallelflugbetrieb in seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 221) nicht beanstandet. Der unabhängige Betrieb paralleler Bahnen unterliegt aber besonderen Anforderungen. Anhang 14 Band I zum Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt empfiehlt für den unabhängigen Betrieb paralleler Bahnen zunächst Mindestabstände zwischen den Bahnen, und zwar für Ankünfte 1 035 m und für Abflüge 760 m (Nr. 3.1.12). Das ICAO-Dokument 4444, auf das Anhang 14 hinweist, verlangt für unabhängige Abflüge von parallelen Bahnen darüber hinaus, dass die Abflugrouten unmittelbar nach dem Abheben um mindestens 15Grad divergieren sollen (Nr. 6.7.2.2 Buchst. b). Dokument 9643 enthält eine entsprechende Regelung (Nr. 3.2 Buchst. b).

154

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es mit den ICAO-Vorschriften vereinbar wäre, wie am Flughafen München auch am Flughafen Berlin-Schönefeld für gleichzeitige Abflüge parallele Abflugstrecken festzulegen, kann offen bleiben. Eine solche Planung war mit der DFS nicht abgestimmt; sie hatte ihre Forderung, bei gleichzeitigen Abflügen eine Divergenz der Abflugrouten von 15Grad einzuhalten, nicht aufgegeben. Ihren Schreiben konnte auch nicht die Absicht entnommen werden, die Divergenz der Abflugwege in jedem Einzelfall mittels Flugverkehrskontrollfreigaben gemäß § 26 Abs. 2 LuftVO zu erreichen. Während der Nacht werden parallele Starts zwar voraussichtlich nicht benötigt; dass die DFS deshalb - wie der Beklagte meint - für die Nacht an den parallelen Abflugstrecken festhalten würde, hatte sie in ihren Schreiben ebenfalls nicht zu erkennen gegeben. Auch tatsächlich hat die Möglichkeit, die Flugverfahren für Tag und Nacht differenziert zu regeln (vgl. Urteil vom 4. Mai 2005 - BVerwG 4 C 6.04 - BVerwGE 123, 322 <325, 328>), in den weiteren Planungen der DFS keine Rolle gespielt.

155

Konsequenzen hieraus hätte der Beklagte bei der Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete ziehen müssen; diese Gebiete hätte er nicht auf der Grundlage paralleler Abflugrouten festlegen dürfen. Das ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mehr relevant. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte sich verpflichtet hat, nach der erstmaligen Festlegung der Routen durch das BAF die bisher festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete insgesamt neu auszuweisen; die Nebenbestimmungen zu den bereits festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebieten bleiben hiervon unberührt.

156

Soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs geht, war hingegen die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Anflugrouten sind von dem Modus des Bahnbetriebs ohnehin nicht berührt; sie können auch bei unabhängigem Bahnbetrieb - wie in der Grobplanung der DFS vom November 1997 vorgesehen - in gerader Verlängerung der beiden Bahnen durchgeführt werden. Bei den Abflugrouten muss für den unabhängigen Bahnbetrieb allerdings davon ausgegangen werden, dass die Flugwege um bis zu 15Grad nach Norden oder nach Süden abknicken. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die parallelen Abflugwege der DFS-Grobplanung; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15Grad nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15Grad nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation "Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI" vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15Grad nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15Grad-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15Grad-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.

157

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass abknickende Abflugwege nicht mehr im selben Korridor wie die Anflugwege verlaufen. Die Zahl der Flüge steigt dadurch nicht; lediglich die Verteilung des Lärms ändert sich. Die Belastung neuer Anwohner durch abknickende Abflugwege führt zugleich zu einer Entlastung der durch gerade Abflüge Betroffenen. Selbst wenn diese wegen der Anflüge auf passiven Schallschutz angewiesen bleiben, besteht diese Belastung für viele nicht mehr bei beiden Betriebsrichtungen und damit an jedem Tag, sondern nur noch bei einer Betriebsrichtung. Gleiches gilt für die Anwohner, die aufgrund der abknickenden Abflugwege neu in das Nachtschutzgebiet einbezogen werden müssen; auch sie benötigen den passiven Schallschutz nur bei einer Betriebsrichtung.

158

Dass um mehr als 15Grad abknickende Abflugstrecken festgelegt werden würden, wenn dies nicht - wie z.B. bei der in der Planung der DFS vom 4. Juli 2011 enthaltenen Route "LUDDI-kurz" (vgl. Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 1. August 2011, Folie 20 f.), die unmittelbar nach Verlassen der Südbahn in Richtung Osten bereits vor Erreichen von Schulzendorf stark nach rechts abbiegt - zu einer Verringerung der Lärmbetroffenheiten führt, musste der Beklagte nicht in Betracht ziehen; insbesondere musste er nicht von einer Verwirklichung der von der DFS nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses präsentierten, um mehr als 15Grad nach Norden abknickenden Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgehen. Die DFS hatte in ihrem Schreiben vom 26. Oktober 1998 bestätigt, dass die auf der Grundlage ihrer Grobplanung erstellte Streckengeometrie grundsätzlich ihren Planungen entspreche; mehr als die Berücksichtigung des Toleranzbereichs hatte sie auch im Schreiben vom 20. August 1998 nicht gefordert. Hiervon war sie weder im Planfeststellungs- noch im Planergänzungsverfahren abgerückt. Ob sie im Jahr 2009 bei der Erarbeitung von Luftraummodellen von der Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausging und den Beklagten hierüber informierte, ist unerheblich. Maßgebend für die Abstimmung der Flugroutenprognose mit der DFS sind die von ihr im Planfeststellungs- und im Planergänzungsverfahren abgegebenen schriftlichen Erklärungen. Diese enthalten keinen Hinweis auf die Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow. Der Beklagte musste nicht auf jeden zwischenzeitlichen Planungsstand der DFS bei der Vorbereitung der verbindlichen An- und Abflugverfahren reagieren.

159

3.2 Lärmberechnung

160

Ausgehend von der dargelegten, für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichenden Flugroutenprognose hat der Beklagte die Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung zutreffend ermittelt. Er hat für die bereits im Planfeststellungsverfahren ausgewählten Immissionsorte sowohl den LAeq Tag und den LAeq Nacht als auch die mittlere tägliche Verteilung der maximalen A-Schallpegel über 55 dB(A) in der Nacht nach der 1. Fluglärmschutzverordnung neu berechnen lassen (Beiakte 17 Bl. 1826 ff., 1832 ff.). Die Berechnungen haben im Wesentlichen die Ergebnisse des Ausgangsverfahrens bestätigt (PEB S. 156 f., S. 160 Abs. 4). Hiernach werden ca. 40 000 Anwohner auf passiven Schallschutz angewiesen sein (PEB S. 166 Abs. 1). Das den neuen Berechnungen zugrunde gelegte Datenerfassungssystem enthält allerdings Eingabefehler. Das hat der Beklagte selbst eingeräumt; die Fehler beruhten auf einer versehentlichen doppelten Eingabe der Rohdaten bei der Berechnung der 3-Sigma-Regelung nach der 1. Fluglärmschutzverordnung, der fehlenden Anlage der A-Matrix-Daten für die virtuelle Bahn sowie einem Übertragungsfehler bei den Hubschrauberstrecken. Sie führten zu einer geringen Vergrößerung des Nachtschutzgebiets im Westen und Osten des Flughafens. Dass diese Eingabefehler geeignet sein könnten, die der Abwägung zugrunde gelegte Größenordnung der Lärmbetroffenheiten infrage zu stellen, machen die Kläger selbst nicht geltend; hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte.

161

3.3 Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung

162

Die neueren Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung brauchte der Beklagte für die Gewichtung der Lärmschutzbelange nicht zu würdigen.

163

Maßgebender Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange ist die sogenannte fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz zu gewähren ist (vgl. Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 251 und vom 21. September 2006 - BVerwG 4 C 4.05 - BVerwGE 126, 340 Rn. 34). Die Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung sind bei der Festlegung dieser Schwelle zu berücksichtigen. Auch Lärmbeeinträchtigungen unterhalb der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sind abwägungsrelevant (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 268). Hat die Planfeststellungsbehörde die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle fehlerfrei bestimmt, genügt es für die Abwägung grundsätzlich, die Lärmschutzbelange ausgehend von dieser Schwelle zu gewichten: Sie sind umso gewichtiger, je näher die Lärmbelastungen an die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle heranreichen, ihr Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleiben. Eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung ist für diese Gewichtung nicht erforderlich.

164

Der Beklagte hat die Schwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz für Schlafräume zu gewähren ist, rechtsfehlerfrei bestimmt. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) mussten mangels normativer Vorgaben die Zulassungsbehörde und im Streitfall die Gerichte entscheiden, welche Lärmpegel den Anwohnern tags und nachts zugemutet werden dürfen; die im Fluglärmschutzgesetz vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282) genannten Lärmwerte waren hierfür nicht aussagekräftig (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 254). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 1. Juni 2007 geändert. Das neu gefasste Fluglärmschutzgesetz - FluglärmG - verfolgt zwar weiterhin nur einen eingeschränkten Zweck. Es soll in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Fluglärm regeln (§ 1 FluglärmG); die Regelung des sogenannten aktiven Schallschutzes insbesondere durch Betriebsbeschränkungen bleibt dem Planfeststellungsverfahren vorbehalten (vgl. BTDrucks 16/508 S. 17; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - NVwZ 2011, 991 Rn. 23). Durch den neu eingefügten § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG hat es nunmehr jedoch auch Bedeutung erhalten für die bei der Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG erforderliche Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG sind hierbei zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass bei der Bewältigung der durch Fluglärm hervorgerufenen Probleme im Rahmen der Abwägung keine anderen als die nach dem Fluglärmschutzgesetz maßgeblichen Werte für die Lärmschutzbereiche zugrunde gelegt werden (BTDrucks 16/508 S. 24). § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG legt die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 Rn. 33; zustimmend: Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand August 2010, § 6 Rn. 126; Kämper, ZLW 2009, 16 <22>; Paetow, NVwZ 2010, 1184 <1190>; a.A. Mechel, ZUR 2007, 561 <566>). Jedenfalls zur Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze müssen lärmmedizinische Gutachten im luftrechtlichen Zulassungsverfahren nicht mehr eingeholt werden (vgl. BTDrucks 16/3813 S. 11 f.).

165

A II 5.1.3 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB gewährt passiven Schallschutz für Schlafräume bei Überschreiten eines LAeq Nacht innen von 35 dB(A) - das entspricht unter Berücksichtigung eines Pegelunterschieds zwischen außen und innen von 15 dB(A) (vgl. Anlage zu § 3 FluglärmG) einem LAeq Nacht außen von 50 dB(A) - und eines LAmax von 6 × 55 dB(A). Diese bereits im Planfeststellungsbeschluss 2004 und damit vor Inkrafttreten des neu gefassten Fluglärmschutzgesetzes festgelegten Werte sind für die Anwohner günstiger als die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG bis zum 31. Dezember 2010 maßgebenden Werte für neue Flughäfen (LAeq Nacht = 53 dB, LAmax = 6 × 57 dB). Ob der Flughafen Berlin-Schönefeld ein neuer Flugplatz oder ein Bestandsflughafen ist, kann deshalb offen bleiben. Lediglich der nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b FluglärmG ab 1. Januar 2011 maßgebende LAmax mit 6 × 53 dB(A) wäre für die Anwohner günstiger als der entsprechende Wert des Planfeststellungsbeschlusses. Diesen Wert musste der Beklagte bei der Abwägung jedoch nicht beachten. Jedenfalls wenn es nicht um die Festlegung des Lärmschutzbereichs, sondern - wie hier - um die Abwägung geht, ist maßgebend der für den Zeitpunkt der Planfeststellung festgelegte Wert.

166

Anhaltspunkte dafür, dass § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG verfassungswidrig sein könnte, weil die festgelegten Werte der Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht genügen, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, dass das Fluglärmschutzgesetz einen LAeq Nacht unter 50 dB(A) und/oder einen LAmax unter 6 × 55 dB(A) hätte festlegen müssen. Bei der Erfüllung von Schutzpflichten kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen; die Verletzung von Schutzpflichten kann nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben (BVerfG, Beschlüsse vom 4. Mai 2011 a.a.O. Rn. 38 und vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 - NVwZ 2009, 1489 Rn. 29). Dass bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 die dort festgelegten Werte zum Schutz der menschlichen Gesundheit ausreichend waren, hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 (a.a.O. Rn. 297 ff.) ausführlich dargelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Einschätzung nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - NVwZ 2008, 780 Rn. 85). Die Kläger machen geltend, dass nach neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung bereits unterhalb dieser Werte und damit erst recht unterhalb der Werte des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG das Risiko, an Bluthochdruck zu erkranken, signifikant ansteige. Zum Beweis hierfür berufen sie sich insbesondere auf die Krankenhaus-Studie von Herrn Prof. Dr. G. ("Im Krankenhaus behandelte Erkrankungen als Folge der Exposition gegenüber nächtlichem Fluglärm - Ergebnisse einer Fall-Kontrolle-Studie im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn", Februar 2009), die Hypertension and Exposure to Noise Near Airports (HYENA)-Studie (Selander u.a., Saliva Cortisol and Exposure to Aircraft Noise in Six European Countries, Environmental Health Perspectives 117 <2009> S. 1713 ff.) sowie die sogenannte Stockholm-Studie (Eriksson, Rosenlund u.a., Aircraft Noise and Incidence of Hypertension, Epidemiology Vol. 18 No. 6, November 2007 S. 716 ff.). Diese Studien sind schon deshalb nicht geeignet, eine Verletzung der Schutzpflicht bei Erlass des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu begründen, weil sie erst nach Erlass des Gesetzes (1. Juni 2007) veröffentlicht wurden. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden ist (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 a.a.O. Rn. 38). Das ist nicht der Fall. Um dies festzustellen, ist eine Gesamtschau der lärmmedizinischen Erkenntnisse erforderlich. Die neuen Studien mögen zwar Anlass geben, die bisherigen Werte im Rahmen der spätestens 2017 anstehenden Überprüfung (vgl. § 2 Abs. 3 FluglärmG) zu hinterfragen; auch der Aussagewert dieser Studien wird jedoch - wie Herr Prof. Dr. Sch. als Sachbeistand des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - in der Fachwissenschaft kontrovers diskutiert. Aus diesem Grund könnte, selbst wenn die Ergebnisse der Studien dem Gesetzgeber bereits bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, auch nicht festgestellt werden, dass er mit den in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG festgelegten Werten den ihm zukommenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten hat.

167

Die Kläger wollen durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Umweltbundesamtes unter Beweis stellen, dass die sogenannte Medikamenten-Studie und die sogenannte Krankenhaus-Studie von Herrn Prof. Dr. G. aus Sicht des Umweltbundesamtes den aktuellen Stand der Lärmmedizin wiedergeben. Diese Behauptung ist nicht entscheidungserheblich. Maßgebend für die Gewichtung der Lärmschutzbelange sind nicht die Studien von Herrn Prof. Dr. G. und die Einschätzung dieser Studien durch das Umweltbundesamt, sondern die in § 2 Abs. 2 FluglärmG festgelegten Werte; sie haben eine Überprüfung des dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Lärmschutzkonzepts auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung entbehrlich gemacht (PEB S. 186 Abs. 2 und 3). Im Übrigen kann der Senat die Studien von Herrn Prof. Dr. G. - ebenso wie die sonstigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung - selbst würdigen.

168

3.4 Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG

169

Der Beklagte hat die Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG beachtet.

170

Das in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltene Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, hat für die Abwägung die Qualität einer Gewichtungsvorgabe (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 269 und vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 53). Es führt zwar nicht zwingend zu einem Nachtflugverbot als dem allein rechtmäßigen Abwägungsergebnis, vor seinem Hintergrund bedarf die Zurückdrängung des Lärmschutzinteresses indes gesteigerter Rechtfertigung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O.). Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist nicht nur während der Nachtkernzeit besonders Rücksicht zu nehmen; § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gilt für die gesamte Nacht, also auch für die Nachtrandstunden. Auch die erste Nachtrandstunde von 22:00 bis 23:00 Uhr ist schutzwürdig; sie darf nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden. Wie bereits dargelegt, besitzt der Lärmschutz in den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit von 22:00 bis 23:00 Uhr allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Ihm ist ein umso höheres Gewicht beizumessen, je näher die zuzulassenden Flugbewegungen zeitlich an den Kernzeitraum von 0:00 bis 5:00 Uhr heranrücken würden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288).

171

Der Beklagte hat dieser Gewichtungsvorgabe Rechnung getragen. Er hat nicht nur die Nachtkernzeit als schutzwürdig angesehen, sondern seine Abwägung für die gesamte Nacht an § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gemessen (PEB S. 156 Abs. 3). Gerade für die Nachtrandstunden hat er den Nachtflugbedarf in Halbstundensegmenten untersucht, um die Belange differenziert abwägen zu können. Er ist hierbei - der Rechtsprechung des Senats folgend (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 279) - davon ausgegangen, dass der Verkehrsbedarf, der als Rechtfertigung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb dient, umso dringlicher sein muss, je gewichtiger die Lärmschutzinteressen sind, die nach den konkreten örtlichen Verhältnissen auf dem Spiel stehen (PEB S. 156 Abs. 3). Im Hinblick auf die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr hat er allerdings dargelegt, dass deutlich mehr als die Hälfte der Nachtflüge auf diese Stunde entfalle, "die als Verlängerung des Tagesflugbetriebes gesehen wird" (PEB S. 166 Abs. 2). Die Geltung des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG auch für diese Stunde hat er damit jedoch nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich erläutert, warum die Verkehrsinteressen in dieser Stunde ein besonders hohes Gewicht haben und er sie - wie im folgenden Satz dargelegt - höher bewertet als das Interesse der Flughafenanwohner an einer ungestörten Nachtruhe.

172

Der Beklagte hat bei der Gewichtung der Lärmschutzbelange auch nicht die konkreten örtlichen Verhältnisse des Standorts Berlin-Schönefeld unberücksichtigt gelassen. Er hat vielmehr die Vielzahl von Lärmbetroffenen der nahen und dicht besiedelten Gebiete in der Umgebung des Flughafens als in hohem Maße schutzbedürftig angesehen (PEB S. 165 Abs. 4). Dass weniger Menschen durch Fluglärm beeinträchtigt worden wären, wenn der Flughafen am Standort Sperenberg gebaut worden wäre, war insoweit nicht abwägungsrelevant. Über die Wahl des Standorts war im Planergänzungsverfahren nicht erneut zu entscheiden. Maßgebend für die Betriebsregelungen am Standort Berlin-Schönefeld waren allein die dortigen, durch die relativ dichte Besiedlung des Metropolenrandbereichs bedingten Lärmbetroffenheiten.

173

3.5 Grundstückswerte

174

Die Wertentwicklung der Grundstücke in der Umgebung des Flughafens hat der Beklagte im Planergänzungsverfahren nicht als abwägungsrelevant angesehen (PEB S. 47 Abs. 2 und 3, S. 252 vorletzter Spiegelstrich). Er war auch nicht verpflichtet, die Auswirkungen der Betriebsbeschränkungen auf die Immobilienpreise zu ermitteln und in die Abwägung einzustellen.

175

Der Senat hat Ansprüche der Kläger auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und auf Entschädigung wegen der durch den Flughafenausbau verursachten Wertverluste ihrer Grundstücke rechtskräftig verneint (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 400 - 407); insoweit ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden. Jedenfalls bis zu den Urteilen des Senats vom 16. März 2006 musste der Grundstücksmarkt davon ausgehen, dass auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld auch nach dessen Ausbau Nachtflugbetrieb zeitlich unbeschränkt möglich sein würde. Zu einem weitergehenden Wertverfall der Wohngrundstücke konnten die im Planergänzungsbeschluss angeordneten Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs mithin nicht führen. Durch die Beschränkung des Flugbetriebs zu einer Erholung der Grundstückswerte beizutragen, war nicht der Zweck des Planergänzungsverfahrens. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die bereits eingetretenen Folgen der insoweit rechtmäßigen Planung zu beseitigen.

176

Selbst wenn etwaige positive Auswirkungen einer Beschränkung des Nachtflugbetriebs auf die Preisentwicklung der Wohnimmobilien grundsätzlich abwägungsrelevant gewesen sein sollten, bestanden hier keine Anhaltspunkte dafür, dass eine weitergehende Beschränkung des Flugbetriebs zu einer mehr als geringfügigen Erholung der Grundstückswerte führen und sich dies durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachweisen lassen würde. Im Planfeststellungsverfahren hatte es sich als sehr schwierig erwiesen, den Einfluss von Fluglärm auf die Bodenpreisbildung zu quantifizieren (PFB S. 979 ff.). Eine statistisch gesicherte Korrelation zwischen Fluglärmbelastungen und Bodenwertniveau konnte nicht ermittelt werden (PFB S. 983 Abs. 2). Auf der Grundlage dieser Erfahrungen musste der Beklagte nicht versuchen, für die untersuchten Halbstundensegmente der Nachtrandzeiten einen Zusammenhang zwischen der Beschränkung des Flugbetriebs und der Entwicklung der Bodenpreise ermitteln zu lassen. Er durfte vielmehr davon ausgehen, dass die Wertverluste der Wohnimmobilien im Wesentlichen auf die Entscheidung für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zurückzuführen sind und eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs hieran nichts Wesentliches hätte ändern können.

177

Soweit die Kläger geltend machen, durch den im Planergänzungsbeschluss zugelassenen Flugbetrieb werde die Schadstoffbelastung der Anwohner und die Katastrophengefahr im Falle eines Flugzeugabsturzes erhöht, gilt nichts anderes. Auch diese Folgen des Flugbetriebs werden gegenüber dem insoweit bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschluss durch die im Planergänzungsbeschluss angeordnete Beschränkung des Flugbetriebs nicht ausgeweitet.

178

3.6 Nachtverkehrszahl

179

Der Beklagte hat schließlich die Bedeutung der Nachtverkehrszahl (A II 5.1.1 Nr. 9 PFB i.d.F. des PEB) für den Schutz der Anwohner nicht überschätzt.

180

Um einen Anreiz zu schaffen, abends möglichst früh und morgens möglichst spät zu fliegen und die tatsächlich disponiblen Flugbewegungen weniger in den kernzeitnahen Zeitscheiben durchzuführen (PEB S. 157 Abs. 4), hat der Beklagte die Flugbewegungen zwischen 23:00 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 6:00 Uhr kontingentiert. Die während der Nachtkernzeit zugelassenen Verkehre bleiben hiervon unberührt. Die Nachtverkehrszahl wurde auf der Grundlage der für das Jahr 2023 prognostizierten Flugbewegungen festgelegt (PEB S. 158). Eine begrenzende Wirkung entfaltet sie dementsprechend erst, wenn das tatsächliche Verkehrsaufkommen das für 2023 prognostizierte Verkehrsaufkommen übersteigt. Flugbewegungen zwischen 23:30 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 5:30 Uhr sind mit dem Faktor 2 zu gewichten (A II 5.1.1 Nr. 9 b PFB i.d.F. des PEB). Betroffen hiervon sind zwar hauptsächlich Verspätungen und Verfrühungen, also nicht planbare Flugbewegungen; auch insoweit entfaltet die Regelung jedoch eine steuernde Wirkung. Je weiter der geplante An- oder Abflugtermin vom Ende bzw. Beginn der regulären Betriebszeit entfernt bleibt, desto seltener wird es zu verspäteten oder verfrühten Flügen zwischen 23:30 und 24:00 Uhr bzw. 5:00 und 5:30 Uhr kommen. Zudem muss die geplante Nachtverkehrszahl hinter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl zurückbleiben (Nr. 9 d). Wird das Kontingent dennoch überschritten, muss dies in der folgenden Flugplanperiode bei der Planung der Nachtverkehrszahl ausgeglichen werden (Nr. 9 e). Zeitlich wird das Jahreskontingent lediglich zwischen Sommer- und Winterflugplanperiode aufgeteilt (PEB S. 158 Abs. 1). Eine darüber hinausgehende Steuerung etwa nach Wochentagen oder eine Glättung von Verkehrsspitzen ist nicht vorgesehen.

181

Der Beklagte hat den Wirkungsmechanismus der Nachtverkehrszahl zutreffend beschrieben (PEB S. 157 - 160). Ein zentrales Instrument zum Schutz der Nachtruhe könnte die Nachtverkehrszahl in dieser Ausgestaltung nicht sein; eine solche Bedeutung hat der Beklagte ihr auch nicht beigemessen. Er hat ihr im Verhältnis zu den verfügten zeitlichen Beschränkungen des Nachtflugbetriebs lediglich eine "zusätzliche, steuernde und sichernde Funktion" zugewiesen (PEB S. 157 Abs. 2).

182

4. Ausgleich der gegenläufigen Belange

183

Der Ausgleich, den der Beklagte zwischen den Verkehrsinteressen und den Lärmschutzbelangen der Kläger vorgenommen hat, hält sich im Rahmen des der Exekutive zustehenden Gestaltungsspielraums. Der Verzicht auf eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs steht zur objektiven Gewichtigkeit ihrer Belange nicht außer Verhältnis.

184

4.1 Nachtkernzeit

185

In seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290) hat der Senat den Gestaltungsspielraum des Beklagten dahingehend eingeschränkt, dass zumindest die besonders lärmsensiblen Stunden zwischen 0:00 und 5:00 Uhr von Flugaktivitäten grundsätzlich frei bleiben müssen. Der Beklagte hat diese Vorgabe im Planergänzungsbeschluss fehlerfrei umgesetzt. Nach A II 5.1.1 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB dürfen in der Zeit von 23:30 bis 5:30 Uhr, also auch während der Nachtkernzeit, keine Luftfahrzeuge starten und landen. Die Ausnahmen, die der Beklagte für Notlandungen, Flüge für den Katastrophenschutz, medizinische Hilfeleistungen, Vermessungen, Staatsbesuche, für Regierungsflüge, Militärflüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und den Luftpostverkehr zugelassen hat (A II 5.1.1 Nr. 3 und 4 a PFB i.d.F. des PEB), sind durch einen standortspezifischen Nachtflugbedarf gerechtfertigt. Insoweit durfte der Beklagte die Lärmschutzbelange der Anwohner zurückstellen. Das grundsätzliche Start- und Landeverbot wird trotz dieser Ausnahmen zu einer deutlich spürbaren Lärmpause in der Kernzeit der Nacht führen. Der Beklagte hat für die Durchschnittsnacht 2020  2,7 Flugbewegungen zwischen 0:00 und 5:00 Uhr prognostiziert (PEB S. 147). Um diese Lärmpause zu erreichen, sind die öffentlichen und privaten Verkehrsinteressen zurückgestellt worden. Die Ermittlungen des Beklagten haben ergeben, dass auch in der Nachtkernzeit insbesondere im Interkontinentalverkehr (PEB S. 101 Abs. 3, S. 104 Abs. 4) und in den touristischen Verkehren (PEB S. 96 Abs. 2, S. 100 Abs. 2) eine nicht unerhebliche Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen besteht.

186

4.2 Nachtrandzeiten

187

Für die Nachtrandzeiten hat der Senat den Gestaltungsspielraum des Beklagten in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht in gleicher Weise als eingeengt angesehen wie für die Nachtkernzeit. Das Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen (§ 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG), gilt zwar - wie dargelegt - für die gesamte Nacht; die Nachtruhe hat in den Nachtrandstunden allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Bei der Prüfung, ob die Regelung des Flugbetriebs dem besonderen Gewicht der Nachtruhe hinreichend Rechnung trägt, dürfen die Nachtrandstunden nicht isoliert betrachtet werden. Entscheidend ist, ob das Lärmschutzkonzept bei einer Betrachtung der Gesamtnacht ausreichend Rücksicht auf die Nachtruhe der Bevölkerung nimmt.

188

4.2.1 Kernzeitnahe Zeitsegmente (23:30 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 5:30 Uhr)

189

Der Beklagte hat das grundsätzliche Verbot von Starts und Landungen nicht auf die Nachtkernzeit beschränkt, sondern es auch auf die angrenzenden Zeitscheiben von 23:30 bis 24:00 Uhr und von 5:00 bis 5:30 Uhr erstreckt. Insoweit hat er in Ansehung der standortspezifischen Situation mit einer ausgeprägten Lärmbelastung für Flughafenanwohner und sonstige Lärmbetroffene dem Schutz der Nachtruhe gegenüber den Verkehrsinteressen den Vorrang eingeräumt (PEB S. 168 Abs. 2). Die in diesen Zeitsegmenten zugelassenen Ausnahmen mindern die Wirkungen des Start- und Landeverbots jedenfalls nicht erheblich. Die Regelung führt dazu, dass der Flugverkehr in der letzten halben Stunde vor der Kernzeit deutlich abnimmt und nach ihrem Ende nur langsam wieder ansteigt. Der Beklagte hat für die Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr in der Durchschnittsnacht 2020  4,1 Flugbewegungen prognostiziert; in der halben Stunde zuvor sind es noch 13,6 Flugbewegungen. Für die Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr erwartet er 0,6 Flugbewegungen im Vergleich zu 10,0 Flugbewegungen zwischen 5:30 und 6:00 Uhr (PEB S. 163 f.). Ausgehend hiervon sind die Ausnahmen durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

190

Das gilt zunächst für verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b PFB i.d.F. des PEB; vgl. hierzu 2.3.12). Er ist davon ausgegangen, dass für den Interkontinentalverkehr selbst von 23:30 bis 24:00 Uhr ein nennenswerter Nachtflugbedarf bestehen wird, der aufgrund des Verbots planmäßigen Flugbetriebs nicht wird gedeckt werden können (PEB S. 141 f.). Vor diesem Hintergrund hat er jedenfalls die Ermöglichung verspäteter Starts im Interesse einer weitgehend ungestörten Abwicklung des Luftverkehrs als gerechtfertigt angesehen (PEB S. 168 Abs. 1). Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Von der Ausnahme werden nur sehr wenige Flugbewegungen profitieren. Die Möglichkeit, diese Starts bis 24:00 Uhr durchzuführen, kann es den Luftverkehrsgesellschaften deutlich erleichtern, Berlin verlässlich in das interkontinentale Luftverkehrsnetz einzubinden. Direkte Interkontinentalverbindungen haben für die Verkehrsfunktion des Flughafens ein erhebliches Gewicht.

191

Die Zulassung verspäteter Landungen bis 24:00 Uhr und verfrühter Landungen ab 5:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 c PFB i.d.F. des PEB; vgl. 2.3.12) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem Interesse, den Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln und insbesondere die Umleitung verspäteter Flugzeuge auf andere Flughäfen zu vermeiden, hat der Beklagte zu Recht ein hohes Gewicht beigemessen (PEB S. 172 Abs. 2). Die Möglichkeit, verfrüht zu landen, ist vor allem für den Interkontinentalverkehr von Bedeutung (PEB S. 142 Abs. 3, S. 168 Abs. 1). Auch den Lärmschutzbelangen der Anwohner kommt in den kernzeitnahen Segmenten zwar ein hohes Gewicht zu. Die prognostizierte Zahl von Verspätungen und Verfrühungen bleibt mit 3,0 bzw. 0,2 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 (PEB S. 147) jedoch in einem vertretbaren Rahmen. Diese Flugbewegungen werden zudem auf die Nachtverkehrszahl angerechnet und dort mit dem Faktor 2 gewichtet. Diese Regelung wird bei Erreichen des Prognoseverkehrs einen Anreiz setzen, bereits die Flugplanung so zu gestalten, dass Verspätungen und Verfrühungen vermieden werden.

192

Ausschlaggebend für die Zulassung von Bereitstellungs- und Überführungsflügen bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB; vgl. 2.3.10) war das Interesse, Beeinträchtigungen der regulären Umlaufplanung durch die überwiegend nachts erfolgende Wartung und Instandhaltung möglichst zu vermeiden. Berücksichtigt hat der Beklagte außerdem die arbeitsmarktpolitischen Effekte einer solchen Regelung insbesondere für die am Standort Berlin-Schönefeld mit einer hohen Investitionsintensität bereits angesiedelten Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 132 Abs. 3, S. 171 Abs. 4). Da es nur um sehr wenige Flugbewegungen geht - prognostiziert sind für die Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr 0,2, für die Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr 0,3 Flugbewegungen (Durchschnittsnacht 2020 - PEB S. 147) - und Leerflüge zudem weniger laut sind, ist es vertretbar, die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit zurückzustellen.

193

4.2.2 Zeitsegmente von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr

194

Für die Zeit von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr hat der Beklagte Flugverkehr grundsätzlich zugelassen. Beschränkt wird der Flugverkehr lediglich durch das Start- und Landeverbot für besonders laute Flugzeuge (A II 5.1.1 Nr. 2 PFB i.d.F. des PEB) - bis 23:00 Uhr sind verspätete Landungen auch dieser Flugzeuge zulässig (a.a.O. Nr. 5) - und durch die Nachtverkehrszahl (a.a.O. Nr. 9); der Verkehr von 22:00 bis 23:00 Uhr wird von der Nachtverkehrszahl allerdings nicht erfasst.

195

Durch diese Regelung werden die Anwohner des Flughafens erheblichen Belastungen ausgesetzt. Der Beklagte rechnet für die Durchschnittsnacht 2020 mit 40,2 Flugbewegungen zwischen 22:00 und 23:00 Uhr, 13,6 Flugbewegungen zwischen 23:00 und 23:30 Uhr und 10,0 Flugbewegungen zwischen 5:30 und 6:00 Uhr bei 71,2 Flugbewegungen in der Gesamtnacht (PEB S. 147). In Spitzennächten wird die Zahl der Flugbewegungen noch deutlich darüber liegen. Die Zahl der Anwohner, die auf passiven Schallschutz angewiesen sind, wird sich in einer Größenordnung von etwa 40 000 Menschen bewegen. Das entspricht einer mittelgroßen Stadt oder fast einer halben Großstadt (100 000 Einwohner).

196

Diesen erheblichen Lärmbetroffenheiten stehen gewichtige Verkehrsinteressen gegenüber. Das mit dem Ausbau des Flughafens verbundene Ziel, den nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg sowie des angrenzenden Einzugsbereichs zu decken, ist nicht nur von regionaler, sondern von nationaler und internationaler Bedeutung. Berlin ist die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und eine europäische Metropole. Der Flughafen Berlin-Schönefeld wird künftig der einzige Verkehrsflughafen der Metropolregion sein. Der Einbindung dieses Flughafens in das weltweite Luftverkehrsnetz auch in den späten Abend- und den frühen Morgenstunden kommt im Hinblick auf seine herausragende Verkehrsbedeutung ein hohes Gewicht zu. Die Kläger meinen, die Planungsziele könnten jedenfalls auch dann erreicht werden, wenn der Flugverkehr - wie bislang auf dem Flughafen Tegel - auf die Zeit von 6:00 bis 23:00 Uhr beschränkt werde. Dass auch eine solche Beschränkung des Flugbetriebs das Ergebnis der Abwägung hätte sein können, bedeutet indessen nicht, dass die vom Beklagten festgelegten Betriebszeiten den Abwägungsspielraum überschreiten. In den Nachtrandstunden bedarf es für die Zulassung von Nachtflugbetrieb keiner "Erforderlichkeit" im Sinne eines etwa unabweisbaren Flugbedarfs; je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368>). Unabhängig hiervon wird für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld eine über die Verkehrsfunktion des Flughafens Tegel hinausgehende Verkehrsbedeutung erwartet (PEB S. 162 Abs. 3). Zudem entfällt die am Flughafen Tegel noch bestehende Möglichkeit, mit Nachtflügen auf einen anderen Flughafen, nämlich den bisherigen Flughafen Berlin-Schönefeld, auszuweichen. Die Flughäfen Tegel und Schönefeld sind schließlich im Hinblick auf ihre Umgebung nicht vergleichbar. Tegel ist ein innerstädtischer Flughafen. Seine Umgebung ist erheblich dichter besiedelt als die Umgebung des zwar stadtnah, aber außerhalb des Stadtgebiets gelegenen Flughafens Berlin-Schönefeld.

197

Ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Lärmschutz- und den Verkehrsbelangen soll nach dem Konzept des Beklagten dadurch hergestellt werden, dass der Flugverkehr zwischen 22:00 und 24:00 Uhr abnimmt - ab 23:30 Uhr sogar deutlich -, in der Nachtkernzeit eine weitgehende Lärmpause eintritt und der Verkehr nach 5:00 Uhr bis zum Beginn des Tages erst langsam wieder anschwillt. Ausgehend von diesem Konzept ist es für den Flughafen Berlin-Schönefeld vertretbar, im Hinblick auf den weitgehenden Schutz der Nachtruhe zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Flugverkehr bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr grundsätzlich zuzulassen, die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit also weitgehend hinter den dargelegten Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen. Auch zwischen 22:00 und 23:30 Uhr und 5:30 und 6:00 Uhr darf die Nacht jedoch nicht zum Tage werden. Die Verhältnismäßigkeit bleibt nur gewahrt, wenn das Konzept eines Ab- und Anschwellens des Flugverkehrs auch in diesen Zeitsegmenten weiter durchgeführt wird. Für die Zeit von 23:00 bis 24:00 Uhr und von 5:00 bis 6:00 Uhr hat der Beklagte den Verkehr mengenmäßig durch die Nachtverkehrszahl begrenzt. Sie entfaltet ihre Schutzwirkungen zwar erst, wenn die Flugbewegungen das für 2023 prognostizierte Aufkommen erreichen; jedenfalls ein die Prognose überschreitendes Verkehrsaufkommen wird jedoch unterbunden. Eine vergleichbare Regelung hat der Beklagte für die erste Stunde der Nacht nicht getroffen. Die Nachtverkehrsprognose hat aber bereits aufgrund der nachlassenden Nachfrage einen abnehmenden Trend der Flugbewegungen vom Ende des Tages zur Nachtkernzeit hin ergeben (vgl. Nachtflug-Gutachten S. 87 Abb. 8-2). Sollte sich die erste Nachtstunde entgegen dieser Prognose zu einer Stunde entwickeln, in der die Fluglärmbelastung der Anwohner in der Regel größer ist als in den Abendstunden, wäre dies eine mit dem Abwägungsgebot und § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht vereinbare Entwicklung. Schutzlos wären die Kläger auch in diesem Fall nicht. Der Beklagte hat sich in A II 5.1.9 PFB i.d.F. des PEB die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten. Der Vorbehalt entfaltet drittschützende Wirkung. Er kann - wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 356) dargelegt hat - auch für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelungen über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden. Vor diesem Hintergrund war es vertretbar, im Planergänzungsbeschluss von einer weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der ersten Nachtstunde abzusehen.

198

C. Kosten

199

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 161 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 und 2 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Hier entsprach es billigem Ermessen, bezüglich der erledigten Anträge auf weitergehenden passiven Schallschutz und weitergehende Außenwohnbereichsentschädigung, für die der Senat zusammen die Hälfte der jeweiligen Einzelstreitwerte angesetzt hat, die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten zu 1/2 den Klägern und zu je 1/4 dem Beklagten und der Beigeladenen aufzuerlegen. Der Antrag hätte, soweit er auf eine Herabsetzung der jeweiligen Lärmwerte gerichtet war, voraussichtlich keinen Erfolg, soweit er gegen die Grenzziehung der Schutz- und Entschädigungsgebiete auf der Grundlage der DFS-Flugroutenprognose vom November 1997 / März 1998 gerichtet war, hingegen Erfolg gehabt.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen sind Gemeinden im Umland des Flughafens Berlin-Schönefeld. Sie wenden sich gegen den vom Beklagten erlassenen Planergänzungsbeschluss "Lärmschutzkonzept BBI" zum Vorhaben "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" vom 20. Oktober 2009.

2

Der angegriffene Planergänzungsbeschluss (PEB) ergänzt den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld (PFB). Durch den Planfeststellungsbeschluss wurde die Grundlage für den Ausbau des Flughafens zum alleinigen internationalen Verkehrsflughafen für die Region Berlin-Brandenburg geschaffen. A II 5.1.1 PFB regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 bis 6:00 Uhr). In dieser Zeit sollten grundsätzlich nur lärmarme Flugzeuge starten und landen dürfen (5.1.1 Nr. 1). Ausbildungs- und Übungsflüge waren grundsätzlich nicht zulässig (5.1.1 Nr. 4). Abgesehen hiervon sollten Starts und Landungen während der gesamten Nacht zulässig sein.

3

Auf Klage der Klägerinnen und weitere ausgewählte Musterklagen von Anwohnern hat der Senat den Beklagten durch Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04, 1073.04, 1075.04 und 1078.04 (BVerwG 4 A 1075.04 veröffentlicht in BVerwGE 125, 116) - verpflichtet, u.a. über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs in Teil A II 5.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss den ausgesprochenen Verpflichtungen entgegenstand, hat er ihn aufgehoben. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen.

4

Um der Verpflichtung aus den Urteilen vom 16. März 2006 nachzukommen, hat der Beklagte den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 erlassen. Durch diesen Beschluss hat A II 5.1.1 PFB folgende Fassung erhalten:

5.1.1 Flugbetriebliche Regelungen

Ab Inbetriebnahme der planfestgestellten neuen Südbahn unterliegt der Flugbetrieb folgenden Regelungen:

1) In der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Ortszeit dürfen keine Luftfahrzeuge starten oder landen.

2) In der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr Ortszeit dürfen strahlgetriebene Flugzeuge mit einer maximal zulässigen Abflugmasse von mehr als 20 000 kg auf dem Flughafen nur starten oder landen, wenn sie nachweisen, dass ihre gemessenen Lärmzertifizierungswerte in der Summe mindestens 10 EPNdB unter der Summe der für sie geltenden Grenzwerte gemäß Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) liegen. ...

3) Von den unter Nr. 1) und 2) genannten Regelungen sind ausgenommen:

a) Landungen von Luftfahrzeugen, wenn die Benutzung des Flughafens als Not- oder Ausweichflughafen aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen erfolgt,

b) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die sich im Einsatz für den Katastrophenschutz oder für die medizinische Hilfeleistung befinden oder die für Vermessungsflüge von Flugsicherungsunternehmen bzw. in deren Auftrag eingesetzt werden,

c) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbesuchen und für Regierungsflüge sowie Militär- und Polizeiflüge eingesetzt werden.

4) Von den unter Nr. 1) genannten Regelungen sind ausgenommen:

a) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen im Luftpostverkehr werktags in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis Freitag auf Samstag,

b) verspätete Starts von Luftfahrzeugen im Interkontinental-Verkehr zu Zielen außerhalb Europas sowie außerhalb der nichteuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten, deren planmäßige Abflugzeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit,

c) verspätete Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige Ankunftszeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit und verfrühte Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige Ankunft nach 5:30 Uhr Ortszeit liegt, ab 5:00 Uhr Ortszeit,

d) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge bis 24:00 Uhr Ortszeit und ab 5:00 Uhr Ortszeit.

5) In der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr Ortszeit sind auch verspätete Landungen von Flugzeugen mit Lärmzulassung nach Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum ICAO-Abkommen im gewerblichen Verkehr gestattet, wenn deren planmäßige Ankunftszeit vor 22:00 Uhr Ortszeit liegt.

6) An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsflügen sind in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr Ortszeit sowie an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig. Nach vorheriger Zustimmung der örtlichen Luftaufsicht können Ausbildungs- und Übungsflüge an Werktagen bis 23:00 Uhr Ortszeit durchgeführt werden, wenn sie nach luftverkehrsrechtlichen Vorschriften über den Erwerb, die Verlängerung oder Erneuerung einer Erlaubnis oder Berechtigung als Führer eines Luftfahrzeugs zur Nachtzeit erforderlich sind und die Flüge nicht vor 22:00 Uhr Ortszeit beendet werden können. Als Feiertag im oben genannten Sinne gilt jeder Feiertag, der in den Gesetzen über die Sonn- und Feiertage der Länder Berlin oder Brandenburg genannt ist.

7) (Triebwerksprobeläufe)

8) ... (Schubumkehr)

9) Zum Schutz der Nachtruhe sind Starts und Landungen bei Flügen nach Instrumentenflugregeln mit Ausnahme der in A II 5.1.1 Nr. 3) genannten Flüge und der im Abschnitt A II 5.1.1 Nr. 4) a) genannten Luftpostflüge wie folgt geregelt:

a) Starts und Landungen sind zwischen 23:00 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 6:00 Uhr bis zu einer jährlichen Nachtverkehrszahl von 12 852 für die Sommer- und Winterflugplanperiode zulässig.

b) Die Nachtverkehrszahl ist die Summe der Starts und Landungen über alle Zeitscheiben, pro Zeitscheibe jeweils multipliziert mit einem Nachtflugfaktor. Die maßgeblichen Nachtflugfaktoren und Zeitscheiben sind wie folgt definiert: Nachtflugfaktor 1 für 23:00 bis 23:30 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 23:30 bis 24:00 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 5:00 bis 5:30 Uhr Ortszeit und Nachtflugfaktor 1 für 5:30 bis 6:00 Uhr Ortszeit.

c) Für jede Flugplanperiode ist die geplante Nachtverkehrszahl im Voraus zu ermitteln. Die geplante Nachtverkehrszahl darf in der Sommerflugplanperiode maximal 71 % (9 125) der zugelassenen jährlichen Nachtverkehrszahl betragen, in der Winterflugplanperiode 29 % (3 727). Drei Jahre nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden Jahre die Aufteilung der jährlich zugelassenen maximalen Nachtverkehrszahl (12 852) auf die Sommer- und Winterflugplanperiode jeweils aus den Durchschnittswerten der Aufteilung der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen auf die Sommer- und Winterflugplanperiode der sechs zurückliegenden Flugplanperioden.

d) Zur Berücksichtigung von Verspätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge muss die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb geht, mindestens um 36 % unter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl der Flugplanperiode liegen (Minderungsbetrag). Drei Jahre nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden Flugplanperioden der Minderungsbetrag jeweils als Durchschnittswert der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen aller Verspätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge in den letzten drei Jahren.

e) Sofern nach Ablauf der jeweiligen Flugplanperiode festgestellt wird, dass die maximal zulässige Nachtverkehrszahl aufgrund der tatsächlich durchgeführten Starts und Landungen überschritten wurde, muss in der kommenden Flugplanperiode die geplante Nachtverkehrszahl um den Minderungsbetrag und zusätzlich um den Überschreitungsbetrag unter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl liegen.

f) Die geplante Nachtverkehrszahl und die tatsächliche Nachtverkehrszahl der letzten Flugplanperiode einschließlich einer Flugbewegungsstatistik für die maßgeblichen Zeitscheiben sind der Genehmigungsbehörde unverzüglich zu übermitteln, die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb geht. Der Aufbau und Inhalt der Flugbewegungsstatistik sind mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen.

10) ... (Verteilung der Flüge auf die Start- und Landebahnen)

11) Die Genehmigungsbehörde kann in begründeten Einzelfällen Ab-weichungen von den vorgenannten flugbetrieblichen Regelungen zulassen.

5

Die Klägerinnen haben im Anhörungsverfahren rechtzeitig Einwendungen erhoben. Am 19. November 2009 haben sie die vorliegenden Klagen erhoben. Sie halten den Planergänzungsbeschluss aus mehreren Gründen für rechtswidrig:

6

Gegen den für den Erlass des Planergänzungsbeschlusses zuständigen Beamten bestehe die Besorgnis der Befangenheit. Er habe zwischen April 2005 und September 2008 an Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) teilgenommen und sich mit flughafenfreundlichen Beiträgen beteiligt.

7

Der Planergänzungsbeschluss verstoße gegen die Vorgaben des Urteils vom 16. März 2006 und die darin geäußerte Rechtsauffassung des Gerichts. Das Gutachten der I. GmbH (im Folgenden: I.), auf das sich der Beklagte zum Nachweis des Nachtflugbedarfs stütze, leide an mehreren, im Einzelnen benannten Fehlern. Die Prognose finde in einer nicht überprüfbaren "Black Box" statt. Die Nachtflugregelung lasse sich auch nicht durch die Erwägungen zum Bedarf der einzelnen Verkehrssegmente rechtfertigen. Regionalwirtschaftliche Effekte könnten Nachtflugverkehr nicht rechtfertigen. Eine Eindämmung des Nachtflugverkehrs erst durch eine Kontingentierung stehe mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang. Im Übrigen sei die Nachtverkehrszahl auch in ihrer Ausgestaltung unzureichend.

8

Die der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten zugrunde gelegten parallelen Abflugstrecken seien aus Gründen der Flugsicherheit nicht vertretbar. Die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen erfordere um mindestens 15Grad divergierende Abflugkurse. Der Planergänzungsbeschluss gehe - wie bereits der Planfeststellungsbeschluss - von im Wesentlichen unzutreffenden Betroffenheiten aus; insbesondere bleibe die Betroffenheit zehntausender zusätzlicher Anwohner außer Betracht.

9

Die Gesamtabwägung stehe mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang. Aufgrund der Verlärmung werde es den Kommunen nicht mehr möglich sein, Lärmaktionspläne aufzustellen, die den Vorgaben der Umgebungslärm-Richtlinie entsprechen.

10

Die Klägerinnen beantragen,

die im Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 angeordneten flugbetrieblichen Regelungen (Verfügung A I 1) sowie die diese ergänzenden "Nebenentscheidungen" (Verfügung A III, IV) aufzuheben,

hilfsweise

den Beklagten zu verpflichten,

über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebes in Teil A II Ziff. 5.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

und den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

11

Soweit die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 ursprünglich auch auf weitergehenden passiven Schallschutz und eine weitergehende Entschädigung für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche gerichtet waren, haben sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

12

Der Beklagte verteidigt den Planergänzungsbeschluss und beantragt,

die Klagen abzuweisen, soweit sie noch aufrechterhalten sind.

13

Im Übrigen hat auch er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

14

Die Beigeladene beantragt,

die Klagen abzuweisen.

15

Für den Fall, dass es hierauf ankommt, stimmt sie den Erledigungserklärungen zu.

Entscheidungsgründe

16

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen sind die Klagen mit dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag zulässig, aber nicht begründet.

17

A. Zulässigkeit

18

I. Sachdienlicher Antrag

19

Die Klägerinnen begehren eine über A II 5.1.1 PFB i.d.F. des PEB hinausgehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs. Dieses Ziel können sie nicht - wie mit dem Hauptantrag begehrt - durch Aufhebung der getroffenen Betriebsbeschränkungen und der mit diesen Beschränkungen möglicherweise verbundenen konkludenten Zulassung des Nachtflugbetriebs im Übrigen erreichen, sondern nur durch die - hilfsweise beantragte - Verpflichtung des Beklagten zu erneuter Entscheidung über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebs. Zur Abwehr von Lärmimmissionen eines planfestgestellten Vorhabens besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung, der im Wege einer Verpflichtungsklage durchzusetzen ist; eine (teilweise) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn das zum Schutz der Nachbarschaft entwickelte Lärmschutzkonzept des Planungsträgers Defizite aufweist, die so schwer wiegen, dass die Ausgewogenheit der Planung insgesamt infrage gestellt erscheint (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 238 m.w.N.). Das gilt nicht nur, soweit der Lärmschutz durch passiven Schallschutz gewährt wird, sondern auch, soweit Beschränkungen des Flugbetriebs in Rede stehen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290). Ausgehend hiervon kommt im vorliegenden Fall - wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 entschieden hat - nur ein Anspruch auf Planergänzung in Betracht. Aus dem im damaligen Urteil enthaltenen Hinweis, dass der nächtliche Flugbetrieb nicht aufgenommen werden dürfe, solange die gebotene Vervollständigung des Lärmschutzkonzepts ausstehe (a.a.O. Rn. 290), ergibt sich nichts anderes.

20

II. Klagebefugnis

21

Mit dem Verpflichtungsantrag sind die Klagen auch im Übrigen zulässig. Alle Klägerinnen haben gemäß § 42 Abs. 2 VwGO geltend gemacht, durch das Unterlassen weitergehender Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs in ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt zu sein; die Klägerinnen zu 1 bis 3 können sich darüber hinaus auch auf Eigentum an Wohngrundstücken berufen.

22

1. Planungshoheit

23

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich eine Gemeinde gegen ein Vorhaben der Fachplanung nicht nur wehren, wenn durch dieses eine hinreichend konkretisierte und verfestigte eigene Planung der Gemeinde nachhaltig gestört wird, sondern auch, wenn das Vorhaben der Fachplanung wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzieht (Urteile vom 16. Dezember 1988 - BVerwG 4 C 40.86 - BVerwGE 81, 95 <106> und vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <100>; Beschlüsse vom 2. August 2006 - BVerwG 9 B 9.06 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 63 Rn. 6 und vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 75.06 - juris Rn. 6). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1001.04 - NVwZ 2006, 1055 Rn. 241) festgestellt hat, würde ein im Wesentlichen unbeschränkter Nachtbetrieb das Gemeindegebiet der Klägerinnen oder Teile hiervon weiträumig und flächendeckend erheblichen nächtlichen Lärmbelastungen ("Lärmteppich") aussetzen; er bliebe nicht ohne Auswirkungen auf die bestehenden bauplanungsrechtlichen Nutzungsstrukturen und die gewachsene Gliederung der Baugebiete. Die zeitliche Beschränkung des Nachtflugbetriebs durch den Planergänzungsbeschluss ändert hieran jedenfalls nichts Wesentliches. Die Konturen des Nachtschutzgebiets haben sich durch die weitergehenden zeitlichen Beschränkungen des Nachtflugbetriebs nur unerheblich geändert; das Nachtschutzgebiet des Planfeststellungsbeschlusses in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses ist insgesamt nicht kleiner als das Nachtschutzgebiet des Planfeststellungsbeschlusses 2004 (vgl. Schreiben der Beigeladenen vom 30. Juli 2009 S. 3, Beiakte 17 Bl. 1826 <1828>). Die Beeinträchtigungen der Planungshoheit resultieren nicht in erster Linie aus der Dauer des Nachtflugbetriebs, sondern aus der Menge und Intensität des auf das Gemeindegebiet einwirkenden Fluglärms.

24

2. Eigentum an Wohngrundstücken

25

Die Klägerinnen zu 1 bis 3 können darüber hinaus kraft ihres Eigentums an den in der Klagebegründung bezeichneten Wohngrundstücken geltend machen, durch den Verzicht auf weitergehende Betriebsbeschränkungen in eigenen Rechten verletzt zu sein. Eine Gemeinde kann als Fehler der Abwägung rügen, ihre Interessen als Eigentümerin von Grundstücken seien nicht oder nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden; insofern hat sie die gleiche Rechtsstellung wie andere - private - Eigentümer (Urteile vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391> und vom 16. März 2006 a.a.O.). Die Klägerin zu 4 ist zwar ebenfalls Eigentümerin verschiedener Wohngrundstücke, sie ist mit diesem Vorbringen jedoch gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ausgeschlossen. Auf diese Grundstücke bezogene Einwendungen hat sie weder im Planfeststellungs-, noch im Planergänzungsverfahren erhoben, obwohl jeweils gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 LuftVG auf den Einwendungsausschluss hingewiesen wurde. Sie kann auch nicht eine Beeinträchtigung ihrer in der Klagebegründung aufgeführten kommunalen Einrichtungen geltend machen. Die Einrichtungen Nr. 1 bis 17 werden ausschließlich und ganz überwiegend während der Tagstunden genutzt. Das Seniorenheim "Wilhelm Busch" (Nr. 18) dürfte zwar täglich 24 Stunden in Betrieb sein; dass sie diese Einrichtung betreibt, hat die Klägerin zu 4 in ihren Einwendungen jedoch ebenfalls nicht geltend gemacht.

26

B. Begründetheit

27

Die Klagen sind nicht begründet. Die flugbetrieblichen Regelungen in A II 5.1.1 PFB i.d.F. des PEB leiden nicht an Fehlern, die zu einem Anspruch der Klägerinnen auf eine erneute Entscheidung führen.

28

I. Verfahren

29

Die von den Klägerinnen geltend gemachten Fehler des Planergänzungsverfahrens liegen nicht vor.

30

Die Klägerinnen rügen, dass der Leiter des für die Planfeststellung von Flugplätzen zuständigen Referats des Beklagten und Unterzeichner des Planergänzungsbeschlusses, Herr Ministerialrat B., befangen gewesen sei. Er habe zwischen April 2005 und September 2008 als Gast an Sitzungen des Fachausschusses Umwelt der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) teilgenommen. Dies sei ihnen erst während des gerichtlichen Verfahrens bekannt geworden. In den Sitzungen habe er sich in flughafenfreundlicher Weise geäußert. Vor dem Hintergrund, dass die Autoren der Fluglärmsynopse selbst nach Einschätzung der ADV zwischenzeitlich wissenschaftlich isoliert seien und diese Einschätzung Herrn Ministerialrat B. bekannt gewesen sei, lasse zudem der Umstand an seiner Unvoreingenommenheit zweifeln, dass der Beklagte einen Mitautor der Fluglärmsynopse, Herrn Prof. Dr. Sch., damit beauftragt habe, die Stellungnahmen eines anderen Mitautors, nämlich des für die Beigeladene tätigen Herrn Prof. Dr. Dr. J., zu begutachten.

31

Ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 21 Abs. 1 VwVfG, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 21 Rn. 13; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 21 Rn. 9). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (Beschluss vom 13. September 2007 - BVerwG 4 A 1007.07 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 68 Rn. 14).

32

Gemessen hieran begründet die Tatsache, dass Herr Ministerialrat B. vor und während des Planergänzungsverfahrens an den Sitzungen des Fachausschusses Umwelt der ADV teilgenommen hat, nicht die Besorgnis der Befangenheit. Herr Ministerialrat B. hat durch die Teilnahme an den Sitzungen des ADV-Ausschusses eine dienstliche Aufgabe wahrgenommen. Der Beklagte ist nicht nur Planfeststellungsbehörde für Flughäfen des allgemeinen Verkehrs, für die der Bund einen Bedarf nach § 27d Abs. 1 LuftVG anerkannt hat (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörden auf den Gebieten der Luftfahrt und der Luftsicherheit im Land Brandenburg vom 2. Juli 1994, GVBl Bbg II 1994, 610); er vertritt auch das Land Brandenburg im Bund-Länder-Fachausschuss Luftfahrt. Herr Ministerialrat B. hat an den Sitzungen des ADV-Ausschusses auf Wunsch des Bund-Länder-Fachausschusses Luftfahrt als Gast teilgenommen. Der ADV gehören als ordentliche Mitglieder 21 internationale und 17 regionale deutsche sowie mehrere österreichische und schweizerische Verkehrsflughäfen an. Außerordentliche Mitglieder sind die für Luftfahrt zuständigen Ministerien aller 16 Bundesländer, eine Reihe von Industrie- und Handelskammern sowie einzelne Städte, Gemeinden und Verbände (http://www.adv.aero/verband/mitglieder). Der ADV ist zwar ein Verband, der nicht nur den Sachverstand der Verkehrsflughäfen bündelt, sondern auch deren Interessen vertritt. Erfüllt der Beamte durch die Teilnahme an den Sitzungen der ADV jedoch lediglich eine dienstliche Aufgabe, verhält er sich nicht anders, als jeder andere Beamte an seiner Stelle es auch tun müsste; die Besorgnis individueller Befangenheit ergibt sich aus einem solchen Sachverhalt nicht.

33

Dass der Beklagte demselben Beamten sowohl die erneute Entscheidung über eine Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld als auch die Teilnahme an Sitzungen der ADV zugewiesen hat, verletzt auch nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung. Dieser Grundsatz verlangt, dass die Planfeststellungsbehörde die ihr übertragene Aufgabe in unparteiischer Weise wahrnimmt. Die Unparteilichkeit kann gefährdet werden, wenn Interessenverbände außerhalb zulässiger Beteiligungen auf das Verwaltungsverfahren Einfluss zu nehmen suchen; das schließt Kontaktaufnahmen, Informationen und Kenntnisnahmen nicht aus, sofern daraus nicht im Einzelfall entscheidungsbezogene Aktivitäten betreffend den Verlauf und den Inhalt des Planfeststellungsverfahrens hervorgehen (vgl. Urteile vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <230 f.> und vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - DVBl 2011, 1021 Rn. 23 ff.). Dass die regelmäßige Teilnahme des Leiters des für die Planfeststellung zuständigen Referats des Beklagten an den Sitzungen eines Verbandes, der die Interessen der deutschen Verkehrsflughäfen vertritt, die Besorgnis begründen kann, die Planfeststellungsbehörde halte die Interessen der Flughäfen unabhängig von der im Planfeststellungsverfahren vorzunehmenden Abwägung für besonders gewichtig, ist, jedenfalls wenn die Planfeststellungsbehörde einen vergleichbaren Kontakt zu Verbänden von Fluglärmbetroffenen nicht unterhält, nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Außerhalb der Befangenheitsvorschriften genügt der "böse Schein" für die Bejahung eines Verfahrensverstoßes jedoch nicht. Dass die ADV den Gestaltungsspielraum des Beklagten durch aktive Einflussnahme sachwidrig eingeengt habe, machen die Klägerinnen selbst nicht geltend. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Das Planergänzungsverfahren für den Flughafen Berlin-Schönefeld war nicht Gegenstand der Sitzungen, an denen Herr Ministerialrat B. teilgenommen hat.

34

Die Äußerungen von Herrn Ministerialrat B. während der Sitzungen des ADV-Ausschusses geben entgegen der Auffassung der Klägerinnen keinen Anlass, an seiner Unbefangenheit zu zweifeln. Gleiches gilt für die Beauftragung von Herrn Prof. Dr. Sch. mit einer Stellungnahme zu den Einwendungen zum Themenkomplex Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung. Dass die Fluglärmsynopse, deren Mitautor Herr Prof. Dr. Sch. ist, wissenschaftlich umstritten ist, begründet keine Zweifel an seiner Sachkunde und seiner Unparteilichkeit. Unabhängig hiervon müssen Befangenheitsgründe unverzüglich geltend gemacht werden. Sowohl Herr Prof. Dr. Sch. als auch Herr Prof. Dr. Dr. J. waren nicht erst im Planergänzungs-, sondern bereits im Planfeststellungsverfahren für ihre jeweiligen Auftraggeber tätig, ohne dass die Klägerinnen, denen die Fluglärmsynopse schon damals bekannt war, dies gerügt hätten.

35

II. Materielle Rechtmäßigkeit

36

In der Sache hat der Beklagte bei seiner erneuten, in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts durch eine klarstellende Erklärung präzisierten Entscheidung über die Einschränkung des nächtlichen Flugbetriebs die im Urteil vom 16. März 2006 dargelegte Rechtsauffassung des Senats beachtet. Auch im Übrigen hat er die Planungshoheit der Klägerinnen und die Belange der Klägerinnen zu 1 bis 3 als Eigentümerinnen von Wohngrundstücken rechtsfehlerfrei abgewogen.

37

1. Anforderungen an eine Regelung des Nachtflugbetriebs

38

Die Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ermächtigt, im Rahmen der Planfeststellung für die Anlegung oder wesentliche Änderung eines Flughafens auch den Flugbetrieb zu regeln. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit (Urteile vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <341> und vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <116>). Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde durch das fachplanerische Abwägungsgebot i.V.m. dem in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Urteile vom 29. Januar 1991 a.a.O. S. 341 und vom 7. Juli 1978 a.a.O. S. 122 f.). Innerhalb dieser Grenzen wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet; die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64>, dort zum Bundesfernstraßengesetz).

39

Die sich aus dem Abwägungsgebot i.V.m. § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG ergebenden Anforderungen an eine Regelung des nächtlichen Flugbetriebs hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 Rn. 267 ff.) und der nachfolgenden Rechtsprechung (Urteile vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 67 - 74, vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 39, 93 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 51) wie folgt konkretisiert:

40

In der sogenannten Nachtkernzeit (0:00 bis 5:00 Uhr) setzt die Zulassung von Nachtflugbetrieb einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraus. Allein die Absicht, dem Flugverkehr, vor allem dem Linien-, Charter- und Frachtverkehr, optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, rechtfertigt es nicht, die Lärmschutzbelange der Anwohner hintanzustellen. Es müssen vielmehr Umstände gegeben sein, die im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughäfen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet sind. Für den Flughafen Berlin-Schönefeld hat der Senat vorgegeben, dass die Nachtkernzeit grundsätzlich frei von Flugaktivitäten bleiben muss (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290).

41

Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also die Zeit von 22:00 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich. Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden. In den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchsetzen können. Solche Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abdecken kann (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 287 f.).

42

Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrandstunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (Urteile vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <271 f.>, vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 282 und vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Die Bedienung der Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein. Eine Nachfrage nach Verkehren, für die der Flughafen nicht geplant wurde, kann die Zulassung von Nachtflugbetrieb von vornherein nicht rechtfertigen.

43

Die Darlegung einer Nachfrage ist notwendige Voraussetzung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb; sie allein genügt für die Zulassung von Nachtflugbetrieb jedoch nicht. Die Verkehrsinteressen sind nur dann geeignet, sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner und die Planungshoheit der Gemeinden durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftverkehrsmarktes betriebliche oder strukturelle Gründe dafür gibt, den Verkehr gerade in den Nachtrandstunden abzuwickeln. Die Planfeststellungsbehörde muss plausibel darlegen, warum der Nachtflugbedarf gerade in der Nacht besteht. Plausible Gründe für die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten können auch dann gegeben sein, wenn es nur um wenige Flugbewegungen geht; die Zahl der Flugbewegungen ist insoweit ohne Bedeutung.

44

Das Gewicht, das einem nachtrandspezifischen Verkehrsbedarf in der behördlichen Abwägung zukommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Maßgebend sind insbesondere die sich aus den Planungszielen ergebende Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz (vgl. Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272). Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz bestimmen die Erwartungen, die berechtigterweise an das Verkehrsangebot zu stellen sind, insbesondere an die Zahl und die Diversität der Destinationen, die Frequenz der Verbindungen und die Erreichbarkeit des Flughafens in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Diese Erwartungen sind entscheidend dafür, ob das Verkehrsangebot ohne die in Rede stehenden Nachtflugverbindungen noch als "befriedigend" (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288) angesehen werden kann. Von Bedeutung kann ferner sein, ob der Bedarf von einem anderen Flughafen nachfragegerecht gedeckt werden könnte (Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272).

45

Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz sind ein zentraler Bezugspunkt für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs; einen von der Abwägung im Einzelfall unabhängigen Vorrang gegenüber den Lärmschutzbelangen der Anwohner verleihen sie dem Nachtflugbedarf nicht. Der Nachtflugbedarf muss im Wege der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis zu den berechtigten Lärmschutzbelangen der Anwohner gebracht werden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288). Nicht nur die Anwohner müssen Beeinträchtigungen hinnehmen; auch bei den Planungszielen können und müssen gegebenenfalls Abstriche gemacht werden.

46

Auch der Umfang der Nachfrage ist für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs relevant. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368> und vom 20. April 2005 a.a.O. S. 268). Mit der Zahl der Flugbewegungen wächst allerdings auch das Gewicht der Lärmschutzbelange. Für die Flughafenanwohner bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug, der unterbleibt, eine Entlastung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 76).

47

2. Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs

48

Ausgehend hiervon hat der Beklagte einen Bedarf für den im Planergänzungsbeschluss zugelassenen Nachtflugverkehr zu Recht bejaht; er hat auch nicht die Bedeutung und das Gewicht dieses Bedarfs verkannt.

49

2.1 Nachfrage nach Nachtflügen

50

Zum Nachweis der Nachfrage nach Nachtflügen hat sich der Beklagte nicht auf das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten der A. GmbH (im Folgenden: A.) "Der besondere Bedarf an der Durchführung von Nachtflugbewegungen während der Nachtzeiten am Flughafen Berlin Brandenburg International" vom 9. Mai 2007 (Beiakte 1) gestützt, sondern auf das von ihm selbst in Auftrag gegebene I.-Gutachten "Nachtflugbedarf am Flughafen Berlin Brandenburg International" vom Juni 2009 (Beiakte 17 Bl. 1689 ff. - im Folgenden: Nachtflug-Gutachten). Er hat dem A.-Gutachten zwar die Verwertbarkeit attestiert (PEB S. 69 f.), die von A. ermittelte Zahl von Nachtflugbewegungen jedoch tendenziell für zu hoch erachtet (PEB S. 72 Abs. 1). Die insoweit gegen das A.-Gutachten gerichteten Einwände der Klägerinnen sind mithin nicht entscheidungserheblich.

51

2.1.1 Verwertbarkeit der I.-Nachtflugprognose

52

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (Urteile vom 20. April 2005 a.a.O. S. 275, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 50 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 73). Ausgehend hiervon ist die im I.-Gutachten erstellte Nachtflugprognose nicht zu beanstanden.

53

2.1.1.1 Bestandsaufnahme

54

Als Grundlage der Prognose hat I. die Flugbewegungsdaten der Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld für das Jahr 2008 ausgewertet und auf diese Weise die zeitliche Verteilung des Flugverkehrs aufgeschlüsselt nach Verkehrssegmenten ermittelt (Kapitel 3 des Nachtflug-Gutachtens). Einwendungen gegen diese Bestandsaufnahme haben die Klägerinnen nicht erhoben. Sie rügen allerdings, dass der Ausgangsdatensatz maßgeblich von den Nachtflugbewegungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld mit seiner unbeschränkten Nachtbetriebserlaubnis geprägt werde und zwar in einem Ausmaß, das in keinem Verhältnis zur Bedeutung Schönefelds im Berliner Flughafensystem stehe. Warum dies zu einer Überschätzung des Nachtflugbedarfs führen sollte, ist nicht ersichtlich. Das Nachtflug-Gutachten ermittelt gerade zunächst die Nachfrage nach Nachtflügen bei einem unbeschränkten Nachtflugbetrieb (Kapitel 8) und erst anschließend die Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen (Kapitel 9).

55

2.1.1.2 Hochrechnung

56

In einem zweiten Schritt hat I. aus einer anderen Verkehrsprognose Wachstumsraten 2005 : 2020 für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und mit deren Hilfe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung bis 2008 das Nachtflugaufkommen je Verkehrssegment unter status-quo-Bedingungen auf das Jahr 2020 hochgerechnet (Kapitel 7 des Nachtflug-Gutachtens). Grundlage für die Ermittlung der Wachstumsraten war die "Luftverkehrsprognose Deutschland 2020" vom Dezember 2006 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 18. Oktober 2010 - im Folgenden: Masterplan-Prognose), die I. im Auftrag der Initiative "Luftverkehr für Deutschland" für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur erstellt hat. Die genannte Initiative wurde im Jahr 2003 von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der Flughafen München GmbH, der Fraport AG und der Deutsche Lufthansa AG unter der Schirmherrschaft des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegründet (Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur, Dezember 2006, Anlage K 43 zum Schriftsatz der Klägerinnen vom 14. Juli 2010, S. 3). Die Masterplan-Prognose hat für alle deutschen Flughäfen ab 1 Mio. Passagiere (Stand 2005) sowohl das Flugbewegungs- als auch das Passagieraufkommen in 2020 prognostiziert; Basisjahr der Prognose ist das Jahr 2005 (Masterplan-Prognose S. 2). Die Prognosen wurden mit Hilfe eines Gesamtverkehrsmodells errechnet, dessen Ursprünge auf die Bundesverkehrswegeplanung zurückgehen (a.a.O. S. 6). In einem ersten Schritt wird das Gesamtverkehrsaufkommen, darunter das flughafenunabhängige Luftverkehrsaufkommen, in Form einer nach Marktsegmenten differenzierten Quelle-Ziel-Matrix für den Ist-Zustand aus empirischen Grundlagen ermittelt und unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Entwicklung und der Entwicklung des Verkehrsangebotes und der Nutzerkosten aller Verkehrszweige prognostiziert. In einem zweiten Schritt erfolgt die Aufteilung des Luftverkehrsaufkommens auf die Flughäfen durch ein Flughafen-Wahlmodell, das die landseitige Erreichbarkeit und das Luftverkehrsangebot der Flughäfen berücksichtigt (a.a.O. S. 6). Die Quelle-Ziel-Matrix umfasst die Verkehrsströme zwischen allen Quellen (Raumeinheiten, hier Kreisregionen im Inland und 342 Auslandsregionen) und Zielen, ebenfalls in Raumeinheiten (a.a.O. S. 7). Sie ist sachlich gegliedert nach Verkehrsmitteln (Flugzeug, Bahn, motorisierter Individualverkehr, Bus), Reisezwecken (geschäftlich, privat, sonstiger Privatverkehr) sowie nach out- und inbound (a.a.O. S. 9). Sie basiert auf hochgerechneten Fluggastbefragungen, die mit den Relationsstatistiken des Statistischen Bundesamtes und entsprechenden Statistiken des Auslands abgeglichen werden (a.a.O. S. 12).

57

Die Hochrechnung mit den aus dieser Prognose abgeleiteten Wachstumsraten ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens in 2020 auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld. Sie ist keine schlichte Trendprognose. Ob eine solche genügen würde, kann deshalb offen bleiben (vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 107). I. hat nicht die Entwicklung des Nachtflugverkehrs in der Vergangenheit nach Maßgabe eines sich daraus ergebenden Trends fortgeschrieben, sondern aus einer Modellprognose für den Gesamtverkehr Wachstumsraten für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und diese der Entwicklung des Nachtflugverkehrs zugrunde gelegt. Den Flugverkehr unmittelbar durch eine Modellprognose zu ermitteln, wäre auf der Grundlage der vorhandenen Daten nicht möglich gewesen; die zeitliche Lage der Verkehrsströme (Tag/Nacht) ist in den vorhandenen Quelle-Ziel-Matrizes nicht hinterlegt (I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 32).

58

Die der Hochrechnung zugrunde liegende Hypothese, dass sich im Prognosezeitraum zwar das Aufkommen des jeweiligen Verkehrssegments, nicht aber die zeitliche Struktur innerhalb des Segments und damit das Verhältnis von Tag- und Nachtflügen ändert, ist plausibel. Sie wird durch die zu erwartende Veränderung der Verkehrsstruktur am ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld als alleinigem Flughafen für Berlin nicht infrage gestellt. Die Wachstumsraten sind nicht für den Gesamtverkehr, sondern spezifisch für die einzelnen Verkehrssegmente ermittelt worden.

59

Für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld hat die Masterplan-Prognose für das Jahr 2020  33,2 Mio. Passagiere und 367 000 Flugbewegungen prognostiziert (Masterplan-Prognose S. 72, 90). Sie weist die Flugbewegungen nicht segmentspezifisch aus, sondern unterscheidet lediglich zwischen Passagierverkehr, Fracht/Post und Allgemeiner Luftfahrt (a.a.O. S. 90). Den Gesamtbewegungszahlen liegt jedoch eine Erfassung der Flugbewegungen je Flughafen mit folgenden Angaben zugrunde: von Flughafen, nach Flughafen, Verkehrsart (Passage, Fracht, sonstige), Airline (Allianz), Anzahl Passagiere, Anzahl t Fracht, Anzahl Flugbewegungen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16). Mit diesen Zusatzinformationen lassen sich die Flugbewegungen den für das Nachtflug-Gutachten definierten Verkehrssegmenten (vgl. Nachtflug-Gutachten S. 20 f.) zuordnen. Dass I. die Flugbewegungen in der Masterplan-Prognose teilweise nach anderen Gesichtspunkten aggregiert hat - so sind z.B. Hub-Flüge im Sinne der dortigen Tab. 3-8 (Masterplan-Prognose S. 41 ff.) nur Interkontinentalflüge und mit den Hub-Feeder-Flügen des Nachtflug-Gutachtens nicht zu vergleichen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16 f.) -, stellt die Plausibilität dieses Vorgehens nicht infrage.

60

Das dargelegte, der Masterplan-Prognose zugrunde liegende Gesamtverkehrsmodell ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des künftigen Luftverkehrsaufkommens an einem bestimmten Flughafen. Die Klägerinnen behaupten, die in der Masterplan-Prognose dargestellte Methode, nach der angeblich jede einzelne Flugbewegung weltweit (mit Zuweisung zu Fluggesellschaften und Zuweisung zu einem spezifischen Segment) mit Quelle und/oder Ziel in Deutschland ermittelt werden könne, sei derart komplex, dass sie die derzeit technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten der Prognose überstiegen; das gelte erst recht, wenn Haus-zu-Haus-Beziehungen abgebildet werden sollten. Zum Beweis dieser Tatsache beantragen sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Antrag war abzulehnen. Dass die Beweisbehauptung nicht zutrifft, kann der Senat auf der Grundlage der Masterplan-Prognose und des Vortrags der Klägerinnen sowie ihrer Sachbeistände selbst beurteilen. Das der Masterplan-Prognose zugrunde liegende Gesamtverkehrsmodell ist nicht darauf gerichtet, einzelne Flugbewegungen oder gar Haus-zu-Haus-Beziehungen abzubilden; es erfasst die Verkehrsströme zwischen den genannten Raumeinheiten. Das entspricht gängiger Praxis bei der Erstellung von Verkehrsprognosen.

61

Auch dem Antrag der Klägerinnen, gegenüber dem Beklagten Einsicht in die der Prognose zugrunde liegenden Unterlagen und die computergestützten Berechnungen zu verlangen, brauchte der Senat nicht zu entsprechen. Die Ermittlung der Wachstumsraten ist auch ohne Offenlegung der genannten Unterlagen keine "Black Box". Inwieweit die Ausgangsdaten und die Verarbeitungsschritte einer Verkehrsprognose dokumentiert werden müssen, um deren Verwertbarkeit überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die sich nicht allgemeingültig beantworten lässt (Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 24 und vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 44). Ob - wie I. geltend macht - die Quelle-Ziel-Matrizes Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, kann offen bleiben; etwaige Dokumentationsdefizite würden dadurch nicht unbeachtlich. Soweit die Daten erforderlich sind, um die Verwertbarkeit des Gutachtens zu beurteilen, ist es im Grundsatz Sache des Auftraggebers, bei Erteilung des Gutachtenauftrags sicherzustellen, dass der Gutachter ihm die erforderlichen Daten übergibt. Hat der Auftraggeber dies unterlassen, kann zwar auch das Gericht die Vorlage der Daten nicht erzwingen; die fehlende Offenlegung geht jedoch zulasten des Auftraggebers, das Gutachten ist nicht verwertbar. Hier brauchte der Beklagte, soweit es um die Wachstumsraten geht, eine über die Vorlage der Masterplan-Prognose und die im gerichtlichen Verfahren nachgelieferten Erläuterungen hinausgehende Dokumentation nicht zu verlangen. Auch wenn er die Nachtflugprognose selbst erstellt hätte, wäre eine weitergehende Dokumentation nicht erforderlich gewesen. Dies folgt zwar entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein daraus, dass die Masterplan-Prognose aus Sicht des Nachtflug-Gutachtens eine externe Quelle ist. Es kommen hier jedoch mehrere Umstände hinzu: Die Masterplan-Prognose wurde weder speziell für den Flughafen Berlin-Schönefeld noch zur Ermittlung des Nachtflugbedarfs erstellt, sondern für eine realistische Bedarfsplanung der deutschen Luftverkehrswirtschaft insgesamt; die Gefahr, dass Wertungen und Ausgangsdaten mit Blick auf ein bestimmtes Prognoseergebnis ausgewählt wurden, besteht mithin nicht. Allenfalls mangelnde Sorgfalt oder Sachkunde des Gutachters hätten zu Fehlern führen können. Dagegen spricht indes, dass die Prognose bereits mehrfach verwendet worden ist und dabei jeweils Anerkennung gefunden hat. Sie wurde zunächst von der Initiative "Luftverkehr für Deutschland" für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur vom Dezember 2006, sodann von der Bundesregierung für ihr Flughafenkonzept 2009 (S. 17 - 19) verwendet. Die der Masterplan-Prognose zugrunde liegenden Daten wurden für die Nachtverkehrsprognose für den Flughafen Leipzig/Halle ausgewertet. Der Senat hat diese Prognose nicht beanstandet; er ist davon ausgegangen, dass die Methodik der Masterplan-Prognose wissenschaftlichen Ansprüchen genügt (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 67 f.). Das Gesamtverkehrsmodell findet im Übrigen auch in der Bundesverkehrswegeplanung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Verwendung. Das BMVBS hat für die Fernstraßenplanung die Verwendung der Daten der Bedarfsplanprognose bzw. der Bundesverkehrswegeplanung sogar vorgegeben (Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 110 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 77). Gegen die der Masterplan-Prognose zugrunde gelegten Annahmen zur Entwicklung der Rahmenbedingungen der Luftverkehrswirtschaft bestehen ebenfalls keine Bedenken; sie sind mit einem projektbegleitenden Arbeitskreis, dem u.a. das BMVBS und Fachministerien der Länder angehörten, abgestimmt worden (Masterplan-Prognose S. 4; I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 5 f., 28). Vor diesem Hintergrund hätte es konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, dass bei der Aufnahme der Grundlagendaten und den Zwischenberechnungen Fehler unterlaufen oder dass unvertretbare Einzelwertungen getroffen worden sein könnten. Solche Anhaltspunkte bestehen nicht; auch die Klägerinnen haben sie nicht aufgezeigt.

62

Die Masterplan-Prognose war bei Erlass des Planergänzungsbeschlusses noch hinreichend aktuell. Die Basisdaten wurden nicht aus der für den Bundesverkehrswegeplan 2003 erstellten Prognose übernommen, sondern auf das Jahr 2005 aktualisiert; lediglich die Methodik der damaligen Prognose blieb im Wesentlichen unverändert. Den vorübergehenden Einbruch der Weltwirtschaft Ende des Jahres 2008 konnte die Masterplan-Prognose nicht berücksichtigen. Die Erwartung, dass der Konjunktureinbruch die Entwicklung des Luftverkehrs nicht nachhaltig beeinflussen würde, war jedoch bezogen auf den Prognosehorizont 2020 nicht unrealistisch. Auch die aktuelle, im Jahr 2006 nicht absehbare Ölpreisentwicklung steht der Verwertbarkeit der Masterplan-Prognose für das Nachtflug-Gutachten nicht entgegen. Als bestimmenden Faktor für die Entwicklung des Luftverkehrs hat die Masterplan-Prognose nicht den Ölpreis selbst, sondern nur u.a. die Luftverkehrspreise eingestellt und bei diesen neben den Ölpreisen eine Reihe von weiteren preistreibenden und preissenkenden Faktoren verglichen (Masterplan-Prognose S. 32 - 35). Die außergewöhnliche Entwicklung eines einzelnen Faktors stellt die Stimmigkeit des Gesamtergebnisses nicht infrage.

63

2.1.1.3 Glättung

64

Um die zeitliche Verteilung der Nachfrage zu ermitteln, die sich auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld bei einem nicht beschränkten Flugbetrieb einstellen würde, hat I. in einem dritten Prognoseschritt die unter status-quo-Bedingungen errechnete Nachfragekurve "geglättet" (Kapitel 8 des Nachtflug-Gutachtens). Sie hat für jeden Zeitpunkt die Flugbewegungen aufsummiert, die bis 30 Minuten vor- und 30 Minuten nachher stattfinden, die Werte gemittelt und angetragen. Einbezogen in dieses Verfahren hat sie nur die Flugbewegungen, die auf die Flughäfen Tegel und Tempelhof entfallen; am Flughafen Berlin-Schönefeld ist der Flugbetrieb bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn ohnehin zeitlich unbeschränkt zulässig.

65

Der Glättung liegt die Annahme zugrunde, dass ein Teil der Flugbewegungen, die sich kurz nach Betriebsbeginn in Berlin-Tegel und kurz vor dem dortigen Betriebsende "stauen", ohne die Betriebsbeschränkungen in die bisherige Betriebspause hinein verlagert würden. Das ist plausibel. Nichts spricht dafür, dass der starke Anstieg der Flugbewegungen nach 6:00 Uhr und der abrupte Abfall nach 23:00 Uhr allein auf die Nachfrage zurückzuführen ist.

66

Die Plausibilität wird durch die Kontrollrechnungen der Kläger des Parallelverfahrens (BVerwG 4 A 4001.10) nicht infrage gestellt. Sie machen geltend, dass das Gutachten Gründe für den im Vergleich zum Gesamtverkehr überproportionalen Anstieg des Nachtflugverkehrs nicht aufzeige. Besonders deutlich werde die unterschiedliche Entwicklung von Gesamt- und Nachtverkehr beim Low-Cost-Verkehr. Die Zahl der Flugbewegungen in diesem Segment solle von 89 157 in 2008 (Nachtflug-Gutachten S. 31 Tab. 3-4) auf 144 434 in 2020 (a.a.O. S. 85 Tab. 8-2), also um 62 % steigen. Die Zahl der Nachtflugbewegungen steige im gleichen Zeitraum von 4 325 auf 7 670, also um 77 %, die Zahl der Flugbewegungen zwischen 23:00 und 6:00 Uhr von 278 auf 1 057, also um 280 %. Da die Hochrechnung von einheitlichen Wachstumsraten für Tag und Nacht ausgeht, ist das überproportionale Wachstum der Nachtflugbewegungen rechnerisch eine Folge der Glättung. Dass der Nachtflugverkehr insgesamt bei einem unterstellten Wegfall der zeitlichen Betriebsbeschränkungen auch real stärker wachsen wird als der Tagflugverkehr, ist - wie dargelegt - plausibel und zwar auch in der für den Low-Cost-Verkehr prognostizierten Größenordnung. Die große prozentuale Steigerung für die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr ist in erster Linie auf die geringe absolute Zahl von Flugbewegungen in diesem Zeitraum unter status-quo-Bedingungen (278 Flugbewegungen - a.a.O. S. 31 Tab. 3-4) zurückzuführen - der Low-Cost-Verkehr wird anders als die touristischen Verkehre überwiegend auf dem Flughafen Tegel abgewickelt - und die im Verhältnis dazu große absolute Zahl von Flugbewegungen insgesamt (144 434 Flugbewegungen) und dementsprechend auch zwischen 22:30 und 23:00 Uhr (2 634 Flugbewegungen - a.a.O. S. 80 Tab. 7-1) sowie nach 6:00 Uhr. Der "Stau-Effekt" ist bei einem aufkommensstarken Verkehrssegment mit hohem Nachtfluganteil stark; das ist nicht unplausibel.

67

Die Glättung führt auch in den Zeitsegmenten von 22:00 bis 22:30 Uhr zu einem Anstieg der Flugbewegungen von 7 872 (Nachtflug-Gutachten S. 81 Tab. 7-2) auf 8 325 (a.a.O. S. 89 Tab. 8-5). Das ist rechnerisch die Folge davon, dass zwischen 21:30 und 22:00 Uhr deutlich mehr Flugbewegungen stattfinden als von 22:00 bis 22:30 Uhr. Die Glättung führt auf der anderen Seite für die Zeit von 22:30 bis 23:00 Uhr zu einer Verringerung der Flugbewegungen von 7 005 auf 6 253. Insoweit ist die Glättung lediglich ein statistisches Verfahren zur verfeinerten Betrachtung der Halbstundensegmente.

68

2.1.1.4 Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen

69

Im letzten Prognoseschritt hat I. ein mögliches Modell für eine Regelung des Nachtflugbetriebs entwickelt (Nachtflug-Gutachten S. 100 Tab. 9-2) und ausgehend hiervon die Zahl der Nachtflugbewegungen in 2020 prognostiziert (a.a.O. S. 102 Tab. 9-4). Das Betriebsmodell entspricht weitgehend den im Planergänzungsbeschluss getroffenen Regelungen, lässt aber von 5:00 bis 5:30 Uhr und von 23:30 bis 24:00 Uhr Flugverkehr weitergehend zu. Bei diesem Betriebsmodell wird sich die Zahl der Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 nach Einschätzung von I. von 76,6 (a.a.O. S. 101 Tab. 9-3) auf 71,1 (a.a.O. S. 102 Tab. 9-4), also um 5,5 Flugbewegungen, verringern.

70

Die Klägerinnen vermissen eine Begründung dafür, wann von einer Verschiebung und wann von einem Entfallen eines Fluges auszugehen sei. Herr Dr. Schu. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass ein Flug, der umlaufbedingt für die Kernzeit der Nacht geplant werde, bei einem Nachtflugverbot in der Regel ersatzlos entfalle. Eine Verschiebung um bis zu 30 Minuten in die Nachtrandzeiten habe man hingegen in der Regel als möglich angesehen; dieser Zeitraum sei eine Setzung. Im Übrigen könnten sich im Zielgebiet ansässige Fluggesellschaften auf nächtliche Betriebsbeschränkungen besser einstellen als Home-Base-Carrier. Da die Durchführung eines Fluges auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, die nicht nur von den Betriebszeiten des Flughafens, sondern einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängt, ist die Prognose, wie sich Beschränkungen des Flugverkehrs auf das Flugangebot auswirken, mit großen Unsicherheiten behaftet. Eine Überprüfung konkreter Umlaufplanungen ist - wie noch darzulegen sein wird - nicht möglich. Welche weiteren Ermittlungen I. zur Ermittlung der Verschiebbarkeit von Flügen hätte anstellen sollen, ist nicht ersichtlich. Dass Flüge, die kurz nach Ende oder kurz vor Wiederbeginn des Betriebs geplant sind, leichter verschoben werden können als Flüge mitten in der Kernzeit, ist plausibel. Ausgehend hiervon hält sich die Annahme, dass Flüge bei einer zeitlichen Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der Regel entfallen, wenn sie um mehr als 30 Minuten verschoben werden müssten, innerhalb des für eine solche Prognose erforderlichen Wertungsrahmens.

71

2.1.2 Ergänzende Prognose des Beklagten

72

Der Beklagte hat die von I. vorgeschlagenen Betriebsregelungen, die in bestimmten Verkehrssegmenten und in bestimmten Jahreszeiten Flugbetrieb von 5:00 bis 24:00 Uhr vorsahen, nicht vollständig übernommen. Er hat den Nachtbetrieb weitergehend beschränkt; Flugbetrieb ist grundsätzlich nur von 5:30 bis 23:30 Uhr zulässig. Ausgehend von dem in Tabelle 9-4 des Nachtflug-Gutachtens (S. 102) ermittelten Bedarf hat er die planmäßigen Flugbewegungen in den halben Stunden vor und nach der Kernzeit auf die nächstliegenden halben Stunden verlagert (vgl. E-Mail des Beklagten an I. vom 24. August 2009, Beiakte 17 Bl. 1880). Das Ergebnis dieser Anpassungen findet sich in der Tabelle auf S. 147 des Planergänzungsbeschlusses.

73

Die Klägerinnen machen geltend, der Beklagte habe Flugbewegungen verschoben, für die I. einen "unabweisbaren" Nachtflugbedarf festgestellt habe; nach der Definition von I. handele es sich dabei um Verkehre, die "ersatzlos entfallen müssten, wenn die entsprechende Flugzeit nicht zur Verfügung steht" (Nachtflug-Gutachten S. 92). Dies belege die absolute Beliebigkeit des Vorgehens. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Die Bezeichnung des in Kapitel 9 des Nachtflug-Gutachtens ermittelten Bedarfs als "unabweisbar" ist allerdings missverständlich. I. weist selbst darauf hin, dass es in der Praxis einen gewissen Spielraum zur Anpassung an die Gegebenheiten des Nachtflugverkehrs gibt (a.a.O. S. 92 f., 96). Im Übrigen muss der Nachtflugbedarf gegen die Lärmschutzbelange abgewogen werden. Die Verschiebung der Flugbewegungen, die der Beklagte wegen der weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs vorgenommen hat, stellt die Einschätzung von I. zur Verlagerbarkeit von Flügen nicht infrage. Die Verschiebungen überschreiten - von Ausnahmen abgesehen - 30 Minuten nicht. Im Übrigen handelt es sich um bloße Randkorrekturen. Die Gesamtzahl der Nachtflugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 hat sich hierdurch lediglich von 71,1 (Nachtflug-Gutachten S. 102 Tab. 9-4) um 0,1 auf 71,2 erhöht.

74

Der Beklagte hat sodann die Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 ausgehend von der in der Masterplan-Prognose ermittelten deutschlandweiten durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 % pro Jahr auf das Jahr 2023 - das ist der Prognosehorizont der dem Antrag auf Planfeststellung zugrunde liegenden Verkehrsprognose - weiter hochgerechnet und zwar auf 77 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht und 103 Flugbewegungen in der typischen Spitzennacht (PEB S. 148).

75

2.1.3 Plausibilität des Gesamtergebnisses

76

Das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose ist plausibel. Die vom Beklagten auf der Grundlage des I.-Gutachtens ermittelten Flugbewegungszahlen entsprechen in ihrer Größenordnung den Flugbewegungszahlen, die bereits im Planfeststellungsverfahren für die Fluglärmberechnungen ermittelt wurden. Die damaligen Lärmberechnungen gingen von 16 734 Flugbewegungen (ohne Hubschrauber; 17 074 incl. Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Prognosejahres 20XX aus (Gutachten M 2 S. 31 Tab. 3-14 und 3-15, Beiakte 235 ). Auf der Grundlage der Verkehrsverteilung der letzten Jahre war festgelegt worden, dass 60 % der gesamten Flugbewegungen eines Jahres auf die sechs verkehrsreichsten Monate entfallen (a.a.O. S. 51). Der Beklagte hat für das Jahr 2023  28 068 Flugbewegungen (ohne Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr prognostiziert (Darstellung der Planfeststellungsbehörde vom 1. September 2009 zur Entwicklung der Nachtflugbewegungen von 2008 bis 2023 im Planergänzungsbeschluss, S. 7 Tab. B.3). Das entspricht 16 840 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten und damit ziemlich genau den im Planfeststellungsverfahren für den Prognosehorizont 20XX ermittelten Flugbewegungen. Bei diesem Vergleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Prognosejahr 20XX 360 000 Flugbewegungen/Jahr erreicht sein sollen (a.a.O. S. 29), I. in seinem Nachtflug-Gutachten (S. 78) aber bereits für das Jahr 2020 von 367 000 Flugbewegungen ausgegangen ist. Der Vergleich bestätigt jedoch, dass das dem Planergänzungsbeschluss zugrunde liegende Prognoseergebnis nicht aus dem Rahmen bisheriger Prognosen fällt. Es bleibt im Übrigen auch unter den Flugbewegungszahlen, die A. im Auftrag der Beigeladenen ermittelt hat (PEB S. 71).

77

Die Plausibilität des Prognoseergebnisses wird durch den im Parallelverfahren (BVerwG 4 A 4001.10) vorgelegten Modellflugplan 2015, der zwischen 5:30 und 6:00 Uhr nur zwei, zwischen 23:00 und 23:30 Uhr nur vier Flugbewegungen vorsieht, nicht infrage gestellt. Der Planergänzungsbeschluss geht für die genannten Zeitsegmente zwar von erheblich mehr, nämlich von 10,0 bzw. 13,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147); ein Vergleich dieser Zahlen ist jedoch nicht aussagekräftig. Der Modellflugplan 2015 wurde für einen anderen Zweck und nach anderen Grundsätzen erstellt als die Nachtflugprognose im Planergänzungsverfahren. A. hat den Modellflugplan im Jahr 2010 für die Beigeladene erstellt, um zu ermitteln, zu welchen Tageszeiten zeitgleiche Abflüge von beiden Bahnen benötigt werden. Flüge, die bei unbeschränktem Verkehr zwischen 23:30 und 5:30 Uhr geplant würden, wurden, weil für die Fragestellung nicht relevant, für den Modellflugplan ersatzlos gestrichen. Bemessungstag ist zudem ein konkreter Flugplantag, nicht ein gemittelter Durchschnittstag. Im Übrigen sind die Unterschiede zwischen beiden Prognosen bei einem Vergleich der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr insgesamt erheblich geringer als in den oben genannten Zeitsegmenten.

78

Die Klägerinnen meinen, der Nachtflugbetrieb entspringe nicht den Wünschen und der Nachfrage der Fluggäste, sondern allenfalls den Wünschen der Fluggesellschaften. Maßgebend für den Nachtflugbedarf ist jedoch nicht die innere Haltung der Fluggäste, sondern ihr tatsächliches Nachfrageverhalten. Dieses ist uneinheitlich und wird nicht nur durch die Flugzeiten, sondern durch eine Vielzahl weiterer Faktoren, u.a. durch den Flugpreis, bestimmt. Unabhängig hiervon werden die Ergebnisse des I.-Gutachtens durch die im Parallelverfahren (BVerwG 4 A 4001.10) vorgelegte Emnid-Umfrage nicht infrage gestellt. Auch nach dem Gutachten werden Flüge in 2020 weit überwiegend während des Tages und nur zu etwa 7 % während der Nacht nachgefragt. In dieser Größenordnung haben auch die von Emnid Befragten angegeben, am liebsten während der Nachtstunden abzufliegen (11 %) oder anzukommen (7 %). Anhaltspunkte dafür, dass die Luftverkehrsgesellschaften, um eine Nachfrage nach Nachtflügen hervorzurufen, verlustbringende Flüge durchführen, hat der Beklagte im Übrigen nicht festgestellt (PEB S. 77 Abs. 4). Seine Ermittlungen haben vielmehr ergeben, dass in der Nacht signifikant mehr Passagiere pro Flug befördert werden als am Tag (PEB S. 112 Abs. 2).

79

2.2 Planungsziele

80

Die Verkehre, die der Beklagte in der Nacht zugelassen hat, sind von den Planungszielen für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld umfasst. Die Planungsziele ergeben sich aus dem Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenausbau vom 13. August 2004. Die Planfeststellungsbehörde hat sie im Planergänzungsbeschluss zutreffend zusammengefasst. Der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld dient hiernach dem durch die Landesplanung vorgegebenen Ziel, den künftigen nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen Flughafenstandort zu decken (PEB S. 160 Abs. 5, S. 161 Abs. 3). Durch die Bündelung der Verkehrsströme von den bisherigen Standorten Tegel, Tempelhof und Schönefeld auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld soll ein Flughafen für die Hauptstadt Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg entstehen, dessen Verkehrsbedeutung zwar nicht an die größeren Flughäfen Frankfurt Main und München heranreichen wird, der aber doch eine herausragende, über die bisherigen Berliner Flughäfen hinausgehende Bedeutung erlangt (PEB S. 162 Abs. 3) und damit zu einem insgesamt verbesserten Flugangebot führt. Durch einen Zuwachs der Umsteigeverkehre soll insbesondere der in Berlin bisher nur schwach ausgeprägte (PEB S. 101 Abs. 2) Interkontinentalverkehr stärker entwickelt werden. Nicht zuletzt hierfür wird der Flughafen erstmals mit Start- und Landebahnen von mehr als 3 500 m Länge ausgestattet (PFB S. 335). Darüber hinaus soll der ausgebaute Flughafen spezifische Funktionen Berlins als Hauptstadt und Regierungssitz erfüllen. Unter anderem im Hinblick hierauf hat das Bundesministerium für Verkehr als oberste Luftfahrtbehörde der Bundesrepublik Deutschland das öffentliche Interesse des Bundes am Ausbau des Flughafens bejaht (PFB S. 344 Abs. 6). Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang schließlich das Ziel, durch den Ausbau des Flughafens die regionale Wirtschaftskraft Berlins und Brandenburgs zu stärken und zu erhalten (PEB S. 148 f.; PFB S. 348 f.). Dieses Ziel ist für sich allein betrachtet zwar nicht geeignet, die Zulassung von Nachtflugverkehr zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 52; Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62). Es kann jedoch für die Gewichtung eines Verkehrsbedarfs von Bedeutung sein.

81

Sämtliche Verkehre, die der Beklagte während der Nacht zugelassen hat, sind von den dargelegten verkehrlichen Planungszielen umfasst. Das gilt auch für Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung. Ihre Zulassung dient nicht allein der Stärkung der Region als Standort von Instandhaltungsbetrieben, sondern in erster Linie der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs im Passagier- und Frachtverkehr (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 75).

82

2.3 Nachtfluggründe

83

Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss sachliche Gründe, weshalb die einzelnen Verkehre nicht befriedigend innerhalb der Tagstunden abgewickelt werden können, plausibel dargelegt.

84

2.3.1 Hub-Feeder-Verkehr

85

Die sinnvolle Vernetzung eines Flughafens mit in- und ausländischen Passagierdrehkreuzen ist ein Grund für die Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden; das ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 41 ff.). Der Beklagte hat dargelegt, dass bereits heute die Beschränkung der Betriebszeit in Berlin-Tegel auf 6:00 bis 23:00 Uhr dazu führt, dass die vorhandene Nachfrage nach Hub-Feeder-Flügen nicht ausreichend befriedigt werden kann (PEB S. 85 Abs. 2). Der erste Flug nach Frankfurt Main (Abflug 6:00 Uhr, Ankunft 7:10 Uhr) erreiche die Anschlüsse zu bedeutsamen Metropolen wie Barcelona, Genf, Madrid, Mailand und Rom, zu denen es keine Direktflüge der Lufthansa gebe, nicht mehr. Der letzte Abbringer (Abflug 21:45 Uhr, Ankunft 22:50 Uhr) könne Verbindungen aus Genf, Madrid, Mailand und Rom ebenfalls nicht herstellen (PEB S. 82 Abs. 2, 3). Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass wichtige Zu- und Abbringerflüge zu und von in- und ausländischen Drehkreuzflughäfen nur nachfragegerecht durchgeführt werden können, wenn zumindest die Randstunden bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr für planmäßigen Flugbetrieb zur Verfügung stehen (PEB S. 112 Abs. 5), nicht zu beanstanden.

86

Dass einige Fluggesellschaften zu den genannten Metropolen bereits heute Direktverbindungen unterhalten, stellt die Berechtigung von nächtlichen Hub-Feeder-Flügen anderer Luftverkehrsgesellschaften nicht infrage. Das Luftverkehrsnetz, in das der Flughafen durch Hub-Feeder-Flüge eingebunden werden soll, besteht nicht zwischen den Flughäfen als solchen; es entsteht erst durch die von einer Luftverkehrsgesellschaft und den mit ihr in einer Allianz assoziierten Partnern unterhaltenen Drehkreuze und die von ihnen angebotenen Flugverbindungen. Ob es für eine Luftverkehrsgesellschaft sinnvoll ist, einen Hub-Feeder-Flug anzubieten, hängt nicht von der Sinn- und Dauerhaftigkeit jeder einzelnen Drehkreuzverbindung ab (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 46). Ein Hub-Feeder-Flug verbessert die Einbindung des Flughafens in das Luftverkehrsnetz auch dann, wenn sich die Passagiere auf eine größere Zahl von Anschlussflügen verteilen, jedem einzelnen Anschlussflug für sich betrachtet also nur eine geringe Bedeutung zukommt.

87

Die Klägerinnen legen dar, dass die Fluggesellschaften bislang den Zu- und Abbringerverkehr vom Flughafen Tegel zu den von ihnen unterhaltenen Drehkreuzen zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abwickeln und die Betriebszeit teilweise nicht einmal ausschöpfen. Dass der Hub-Feeder-Verkehr einen weitergehenden Nachtflugbetrieb nicht erfordert, folgt daraus nicht. Auf dem Flughafen Tegel muss der Hub-Feeder-Verkehr bereits wegen des dort geltenden Nachtflugverbots zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt werden. Die Zahl von nächtlichen Hub-Feeder-Flügen wird zwar insbesondere zwischen 23:00 und 23:30 Uhr gering sein - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von 0,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) -; auch diese wenigen Flugverbindungen sind jedoch geeignet, die Einbindung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld in das Luftverkehrsnetz zu verbessern und für die Zukunft zu sichern.

88

Anhaltspunkte dafür, dass die ersten Knoten nach dem Ausbau der Flughäfen Frankfurt Main und München - wie die Klägerinnen meinen - später und die letzten Knoten früher beginnen werden, sind nicht ersichtlich. Nach Einschätzung des Beklagten wird die Erweiterung der Kapazitäten an den beiden Flughäfen vielmehr dazu führen, dass die Anzahl der Flüge steigt, für die eine Anschlussverbindung nach Berlin nicht mehr besteht (PEB S. 83 Abs. 2). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen muss auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Fluggesellschaften aufgrund der künftigen Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld auf dessen Nachtbetriebsregelung einstellen und für Anschlussverbindungen sorgen werden. Die Knotenstrukturen an den Drehkreuz-Flughäfen haben sich über einen längeren Zeitraum gebildet. Sie sind in erster Linie abhängig von der geographischen Lage des Flughafens und den Entfernungen zu den Hauptzielgebieten (A.-Gutachten S. 38). In diese Strukturen müssen sich alle anzubindenden Anschlüsse einfügen. Dass die Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld so weit wachsen könnte, dass er seinerseits die Knotenstrukturen prägt, liegt fern.

89

2.3.2 Direktverbindungen der konventionellen Fluggesellschaften

90

Für den Point-to-Point-Verkehr der konventionellen Fluggesellschaften hat der Beklagte dargelegt, dass dieser Verkehr weitgehend im Tagflugbetrieb durchgeführt und sich hieran auf absehbare Zeit nichts ändern wird (PEB S. 89 Abs. 2). Die klassischen Pendlerstrecken würden allerdings bis 23:00 Uhr nachgefragt (PEB S. 89 Abs. 3); ohne nächtliche Betriebsbeschränkungen wäre auch nach 23:00 Uhr und in der Kernzeit eine geringe Nachfrage vorhanden (PEB S. 90 Abs. 2). Die Direktverbindungen der klassischen Fluggesellschaften würden auch als Hub-Feeder-Flüge genutzt; oft entstünden erst durch die Kombination von Point-to-Point-Verkehr mit Hub-Feeder-Verkehr hinreichend starke Verkehrsströme, die die Einrichtung der Verbindung ermöglichten (PEB S. 90 Abs. 4).

91

Auch damit ist ein sachlicher Grund für die Zulassung dieser Verkehre in den Nachtrandstunden dargelegt. Die Klägerinnen bestreiten die Überschneidung mit den Hub-Feeder-Verkehren nicht. Sie machen geltend, es gebe in diesem Segment keinen nennenswerten Nachtflugbedarf. Richtig ist, dass der Beklagte für die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr weniger als eine Flugbewegung im klassischen Point-to-Point-Verkehr prognostiziert hat (PEB S. 90 Abs. 3). Seine Annahme, dass oft erst die Kombination von Direktverbindungen und Hub-Feeder-Verkehr in der Lage sei, die Angebotsqualität "zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern" (PEB S. 90 Abs. 4), bezieht sich jedoch nicht nur auf die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr; sie schließt die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr mit 1,4 Flugbewegungen ein. Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass sich das Flugangebot nachhaltig verbessern kann, wenn es nicht nur die Nachfrage nach 7,3 Hub-Feeder-Flügen, sondern zugleich die Nachfrage nach 2,3 Flugbewegungen im klassischen Point-to-Point-Verkehr bedient, nicht zu beanstanden.

92

2.3.3 Direktverbindungen der Low-Cost-Carrier und der Touristikverkehre / Umlaufplanungen

93

Der Nachtflugbedarf der Low-Cost-Carrier und im Touristikbereich ergibt sich insbesondere aus den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung. Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss dargelegt:

94

Die Low-Cost-Carrier versuchten, die Nachfragebedürfnisse auf Kurz- und Mittelstrecken so miteinander zu kombinieren, dass sie durch nahezu optimale Einsatzdauer mit maximal möglichen Blockstunden günstige Kostenstrukturen erreichten. Es würden bis zu vier Umläufe abgewickelt. Zu diesem Zweck würden die Nachtrandzeiten bis 24:00 Uhr in Anspruch genommen. Die Rotationspläne ließen aufgrund der minimalen Bodenzeiten, aber auch aufgrund von Kapazitätsengpässen an den Quell- und Zielflughäfen kaum Potential für eine Verlagerung der Flüge in den Tag (PEB S. 91 Abs. 4).

95

Im Touristikverkehr stehe der Nachfrage derzeit nahezu über 24 Stunden ein adäquates Angebot gegenüber; die Gesamtumlaufzeiten einzelner Flugzeuge betrügen bis zu 21 Stunden; es zeigten sich ausgeprägte Touristikverkehre in der Nachtkernzeit (PEB S. 95 Abs. 4). Die Passagiere strebten die Ausnutzung des ersten und letzten Urlaubstages an und flögen möglichst früh morgens und spät abends (PEB S. 97 Abs. 2). Gründe für Nachtflüge ergäben sich insbesondere aus saisonalen Nachfragespitzen, dem Veranstalterkonzept, den Fluglängen im Mittelstreckenbereich, Zeitverschiebungen, Erfordernissen eines effizienten Fluggeräteeinsatzes und der mangelnden Verfügbarkeit von Slots und Abfertigungsressourcen an den Zielflughäfen (PEB S. 98 Abs. 2). Die Entfernung Berlins zu den wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Westen und Süden liegen, sei größer als von den meisten anderen deutschen Flughäfen; zur Sicherstellung vergleichbarer Streckenangebote müsse der Flughafen Berlin-Schönefeld entsprechend länger geöffnet sein (PEB S. 99 Abs. 1).

96

Damit sind sachliche Gründe für die Nutzung der Nachtrandstunden dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Erfordernisse einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten rechtfertigen (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288 und vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 48 ff.). Umlaufplanungen sind komplexe Entscheidungen, in die das erwartete Passagieraufkommen, die an den Flughäfen verfügbaren Start- und Landezeiten (Slots), die Möglichkeiten des Personaleinsatzes, die Wartungsmöglichkeiten sowie hinsichtlich des eingesetzten Flugzeugtyps beispielsweise Kapazität, Reichweite und Wartungszeiten einfließen (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 52). Sie beruhen maßgebend auf unternehmerischen Entscheidungen der Luftverkehrsgesellschaften. Eine umfassende Prüfung der Verlagerungsmöglichkeiten von Flügen innerhalb der Nacht und von der Nacht in den Tag kann eine Planfeststellungsbehörde nicht vornehmen. Sie kann den Fluggesellschaften lediglich einen Rahmen für ihre Umlaufplanungen setzen. Davon ist der Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 93 Abs. 2, S. 97 Abs. 4).

97

Da der Beklagte sich nicht in der Lage gesehen hat, konkrete Flugpläne und Umlaufplanungen einer umfassenden Detailprüfung zu unterziehen (PEB S. 106 f.), hat er zur Darlegung des Nachtflugbedarfs ergänzend auf die von I. im Nachtflug-Gutachten (Kapitel 4) untersuchten repräsentativen Musterumläufe und die auf dieser Grundlage durchgeführten Modellrechnungen zurückgegriffen. I. hat für verschiedene typische Flugstrecken und Umkehrzeiten ermittelt, wie viele Umläufe in 16 (6:00 bis 22:00 Uhr), 17 (6:00 bis 23:00 Uhr), 18 (5:30 bis 23:30 Uhr) und 19 (5:00 bis 24:00 Uhr) Betriebsstunden möglich wären. Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass die gewählten Betriebszeiten sowohl für Berlin als auch für den Zielflughafen gelten. Betrachtet hat I. sieben Umläufe im Shuttle-Betrieb (Nachtflug-Gutachten S. 46 ff. Tab. 4-1 bis 4-7) und zwei Umläufe mit einer Kombination von zwei Zielen (a.a.O. S. 57 f. Tab. 4-8 und 4-9). Anschließend hat I. in einer Modellrechnung für 17 typische Flugstrecken (Shuttle-Betrieb) die Summe der Umläufe und Blockzeiten im Verhältnis zu den Betriebszeiten ermittelt (a.a.O. S. 60 f. Tab. 4-10 und 4-11). Sowohl ein Teil der Einzelberechnungen als auch die Modellrechnung haben ergeben, dass die Produktivität der Flugzeuge bei einer Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden und von 16 auf 18 Stunden überproportional zunimmt (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 108, 109 Abs. 4). In der Modellrechnung führt eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden (dies entspricht einem Zuwachs von 6,25 %) bei den Blockstunden zu einem Zuwachs von 11,2 %, eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 18 Stunden (Zuwachs: 12,5 %) zu einem Zuwachs der Blockstunden von 19,5 %. Die Blockstunden wachsen also im Vergleich zu den Betriebsstunden überproportional (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 109 Abs. 4).

98

Die Klägerinnen halten die Modellrechnung nicht für aussagekräftig; die Annahme, dass die Strecken im Shuttle-Betrieb beflogen würden und dass die Betriebszeiten für Berlin und den Zielflughafen gleich seien, sei nicht realitätsgerecht. Die Wirklichkeit genau abzubilden, nimmt das Modell jedoch auch nicht für sich in Anspruch. Es soll den Zusammenhang zwischen der Länge der Betriebszeiten der Flughäfen und den Blockstunden der Flugzeuge für unterschiedliche Umlaufzeiten in typisierter Form aufzeigen; Vereinfachungen sind hierfür unumgänglich. Sie sind bei den Rückschlüssen von dem Modell auf die Wirklichkeit zu berücksichtigen. I. hat im Übrigen nicht nur Umläufe im Shuttle-Betrieb, sondern auch zwei Streckenkombinationen untersucht (a.a.O. S. 57 Tab. 4-8: Kombination von Zielen mit zweieinhalb und viereinhalb Stunden Flugzeit; a.a.O. S. 58 Tab. 4-9: Kombination von Zielen mit 70 Minuten und 2 Stunden Flugzeit). Auf die konkreten Flugziele kommt es für die Musterumläufe, soweit die Flugzeiten gleich sind, im Übrigen nicht an. Dass die ausgewählten Flugzeiten, Umkehrzeiten und die sich daraus ergebenden Zeiten für einen Umlauf für den von Berlin ausgehenden Flugbetrieb repräsentativ sind, stellen auch die Klägerinnen nicht in Abrede. Dem Beklagten war auch bewusst, dass das Modell nicht genau der betrieblichen Wirklichkeit entspricht (PEB S. 109 Abs. 1 und 3); er hat die Aussagekraft des Modells nicht überschätzt.

99

Die Klägerinnen meinen, aussagekräftig seien nur Vergleiche innerhalb der Betriebszeiten und der Blockzeiten. Eine Verlängerung der Betriebszeiten führe nur zu einem linearen Zuwachs; bei den Blockstunden sei der Zuwachs sogar unterproportional. Dass die Blockstunden in der Modellrechnung in der ersten zusätzlichen Stunde um 11,2 %, in der zweiten um 19,5 % und in der dritten Stunde um 23,8 % gegenüber den Blockstunden bei 16 Betriebsstunden wachsen, der prozentuale Zuwachs mit jeder weiteren Betriebsstunde also abnimmt (+ 11,2 %, + 8,3 %, + 4,3 %), stellen auch I. (Nachtflug-Gutachten S. 62 Tab. 4-12) und der Beklagte (PEB S. 109 Abs. 4) nicht in Abrede. Dies war ein Grund dafür, nur eine Betriebszeit von 18 und nicht von 19 Stunden zuzulassen. Auch bei diesem Vergleich werden die Blockstunden jedoch in Abhängigkeit von den Betriebszeiten betrachtet. Warum es unzulässig sein soll, den Zuwachs der Blockzeiten mit der linearen Zunahme der Betriebszeiten zu vergleichen, ergibt sich daraus nicht.

100

Die Klägerinnen machen weiter geltend, im Musterumlauf mit einer Kombination von Kurzstreckenzielen mit einer Flugzeit von 1:10 und 2:00 Stunden (Nachtflug-Gutachten S. 58 Tab. 4-9) könnten bereits bei einer Betriebszeit von 17 Stunden nicht nur 3,5, sondern 4 Umläufe geflogen werden, wenn der erste Start von 6:15 auf 6:10 Uhr vorverlegt werde. Das trifft nicht zu. Im Musterumlauf landet das Flugzeug nach zweistündiger Flugzeit um 21:55 Uhr auf dem Zielflughafen. Es könnte um 22:45 Uhr wieder starten, würde Berlin also selbst bei der von den Klägerinnen angenommenen Flugzeit von 1:10 Stunden erst um 23:55 Uhr, richtigerweise aber erst nach 2 Stunden, also um 0:45 Uhr wieder erreichen. Aus dem gleichen Grund wäre ein vierter Umlauf auch dann nicht möglich, wenn die Flugzeit um 5 Minuten kürzer wäre.

101

Die quantitativen Aussagen des Nachtflug-Gutachtens zum Verhältnis von Betriebszeiten zu Blockstunden gelten nur für die gewählten Ausgangsdaten; andere Flug- und Umdrehzeiten würden zu anderen Ergebnissen führen. Da die betrachteten Musterumläufe für den Flugbetrieb in Berlin repräsentativ sind, ist das Modell jedoch geeignet, den Zusammenhang zwischen den Betriebszeiten des Flughafens und den Blockzeiten der Flugzeuge näherungsweise abzuschätzen. Eine weitergehende Bedeutung hat auch der Beklagte dem Modell nicht beigemessen. Er hat lediglich angenommen, dass bei 18 Betriebsstunden ein "deutlich effizienterer" Flugbetrieb möglich sei als bei 16 Stunden (PEB S. 109 Abs. 5); quantifiziert hat er diesen Effizienzgewinn - anders als in den Modellrechnungen - nicht.

102

Der Beklagte ist auf der Grundlage der Analyse der Low-Cost- und der Touristikverkehre sowie der repräsentativen Musterumläufe zu der Einschätzung gelangt, dass für effektive Umlaufplanungen Betriebszeiten von 5:30 bis 23:30 Uhr erforderlich sind; anderenfalls wären nach seiner Einschätzung Umläufe unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen nicht mehr möglich mit der Folge, dass wichtige Flugverbindungen entfielen und die Verkehrsfunktion des Flughafens nicht unerheblich beeinträchtigt würde (PEB S. 98 Abs. 1, S. 111 Abs. 2). Diese Einschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Erforderlich meint in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass die Zulassung von Flugbetrieb für die Erreichung der Planungsziele zwingend erforderlich wäre, sondern lediglich, dass es im Interesse einer unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvollen und vertretbaren Planung vernünftigerweise geboten ist, diesen Zeitraum für Umlaufplanungen zu öffnen. Von einer zwingenden Erforderlichkeit ist auch der Beklagte nicht ausgegangen. Er ist zwar der Auffassung, dass ein völliges Nachtflugverbot der Verkehrsfunktion bzw. dem Widmungszweck des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld widerspräche (PEB S. 165 Abs. 2); dass bereits eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs, insbesondere ein grundsätzliches Nachtflugverbot von 23:00 bis 6:00 Uhr, die Verkehrsfunktion des Flughafens insgesamt infrage stellen würde, hat er hingegen nicht angenommen. Insoweit hat er es lediglich im Hinblick auf die Planungsziele für vernünftigerweise geboten gehalten, den Nachtflugbetrieb nicht weiter als von 23:30 Uhr bis 5:30 Uhr grundsätzlich zu beschränken.

103

Der Beklagte hat damit die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Umlaufplanungen nicht verkannt. Er hat diesem Bedarf insbesondere aufgrund der im Zeitraum von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr relativ starken, bereits aktuell vorhandenen Nachfrage nach Nachtflügen ein hohes Gewicht beigemessen (PEB S. 112 Abs. 2). Das ist ausgehend von der Verkehrsfunktion des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erfordernisse einer effektiven Umlaufplanung sind nicht an jedem deutschen Verkehrsflughafen unabhängig von seiner Stellung im Luftverkehrsnetz und seiner geographischen Lage in gleicher Weise geeignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen. An die Erreichbarkeit des einzigen Verkehrsflughafens der Metropolregion Berlin-Brandenburg dürfen auch im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre höhere Anforderungen gestellt werden als an andere Flughäfen mit einem kleineren Passagieraufkommen im Einzugsbereich und geringerer Bedeutung als Zielgebiet. Hinzu kommt, dass die Entfernung zu den für Berlin wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Süden und Westen liegen, größer ist als von den meisten anderen deutschen Flughäfen (PEB S. 99 Abs. 1).

104

Die Klägerinnen wenden ein, dass die Verkehrsfunktion des Flughafens insbesondere im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre durch weitergehende Nachtflugbeschränkungen nicht beeinträchtigt werde. Das Fluggastaufkommen werde nicht erheblich weniger ansteigen. Für das Originäraufkommen von Fluggästen aus der Region Berlin-Brandenburg und für Städtereisen nach Berlin sei der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld praktisch ohne Alternative. Eine Verletzung des Abwägungsgebots ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Dass das Flugangebot tendenziell weniger attraktiv wird, wenn die Betriebszeiten beschränkt werden und sich die Kostenstrukturen der Luftverkehrsgesellschaften verschlechtern, liegt auf der Hand. Die Klägerinnen halten die Folgen eines solchen Attraktivitätsverlustes für weniger gravierend als der Beklagte. Dass dieser mit seiner Bewertung die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Umlaufplanungen verkannt und damit den mit der Planungsermächtigung verbundenen Einschätzungs- und Bewertungsspielraum überschritten hätte, folgt daraus nicht.

105

Dass auf anderen Flugplätzen wie z.B. Berlin-Tegel, Düsseldorf oder Hamburg wegen der dortigen Betriebsbeschränkungen nach 23:00 Uhr und vor 6:00 Uhr Passagierverkehr nicht stattfindet, sich aber gleichwohl ein Low-Cost- und Touristikverkehr entwickelt hat, bedeutet nicht, dass ein weitergehender Nachtflugbedarf auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld nicht besteht. Der Beklagte hat einen solchen Bedarf dargelegt. Er verkennt das Gewicht dieses Bedarfs nicht, wenn er an die Erreichbarkeit des Flughafens Berlin-Schönefeld höhere Anforderungen stellt als an die genannten Flughäfen. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld im Übrigen schon deshalb nicht zu vergleichen, weil er der einzige Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg sein wird. Anders als auf dem Flughafen Berlin-Tegel darf auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn während der gesamten Nacht geflogen werden. Insbesondere die touristischen Verkehre machen von dieser Ausweichmöglichkeit Gebrauch. Von 4 469 Nachtflügen zu touristischen Zielen wurden in 2008  1 181 Flüge auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-Gutachten S. 29 Tab. 3-3).

106

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen hat der Beklagte auch nicht ein öffentliches Interesse an Flügen "zu jedem Preis" bejaht. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass ein Nachtflug in der Regel nur durchgeführt wird, wenn es neben dem Preis auch andere Gründe für eine entsprechende Nachfrage gibt, wie z.B. die Ausnutzung des ersten bzw. letzten Urlaubstages bei Privatreisenden oder die Nutzung ganzer Arbeitstage bei Geschäftsreisenden (PEB S. 114 Abs. 2).

107

Unbegründet ist schließlich der Vorwurf, dass es sich bei den zur Rechtfertigung des Nachtflugbetriebs angeführten Gründen, insbesondere den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung, ausschließlich um private und kommerzielle Belange der Beigeladenen und der Fluggesellschaften handele. Es ist ein Ziel der Landesplanung, den Flughafen Berlin-Schönefeld zur Deckung des nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarfs der Länder Berlin und Brandenburg weiterzuentwickeln (Z 1 Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung - LEP FS - vom 30. Mai 2006, GVBl Bbg II S. 154). Der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg dient der Umsetzung dieses Ziels. Es liegt nicht nur im privaten Interesse der Beigeladenen und der Luftverkehrsgesellschaften, sondern auch im öffentlichen Interesse, den Luftverkehr, für den der Flughafen ausgebaut wird, durch bedarfsgerechte Betriebsregelungen zu ermöglichen. Davon ist der Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 112 Abs. 5, S. 161 f.). Die kommerziellen Interessen der Beigeladenen, der Luftverkehrsgesellschaften und der Touristikunternehmen einerseits und die Interessen der Passagiere andererseits müssen im Übrigen nicht gegenläufig sein. Eine frühe Ankunft am Zielort und eine möglichst späte Abreise können - insbesondere bei Kurzurlauben und Geschäftsreisen - auch im Interesse der Passagiere liegen. Auch die Möglichkeit, die Reise zu einem günstigen Preis anzubieten, liegt sowohl im Interesse der Luftverkehrsgesellschaften und Reiseveranstalter als auch der Passagiere.

108

2.3.4 Interkontinentalverkehr

109

Für den Interkontinentalverkehr hat der Beklagte im Planergänzungsbeschluss dargelegt, dass sich für Flugverbindungen in bestimmte Regionen der Welt aufgrund der Zeitverschiebungen und der Streckenlängen relativ enge Zeitfenster entwickelt hätten (PEB S. 102 Abs. 4, S. 104 Abs. 1). Aufgrund der geographischen Lage Berlins müssten die Abflüge in Richtung Fernost/Asien später erfolgen als von weiter westlich gelegenen Flughäfen (PEB S. 103 Abs. 2). Um die Wirtschaftlichkeit der Langstreckendienste zu sichern, müsse zudem ein Zu- und Abbringernetz von innerdeutschen und Europadiensten das örtliche Aufkommen unterstützen (PEB S. 101 Abs. 4). Die morgendliche Ankunft der Interkontinentalflüge müsse der ersten Abflugwelle zu innerdeutschen und europäischen Zielen, die zwischen 6:00 und 7:00 Uhr liege, vorlaufen; deshalb sei es wichtig, dass Landungen im Interkontinentalverkehr ab 5:30 Uhr möglich seien (PEB S. 102 Abs. 5). Entsprechend müsse der Abflug im Interkontinentalverkehr den letzten zwischen 22:00 und 23:00 Uhr eintreffenden Ankünften nachlaufen, also auch die Zeitscheibe bis 23:30 Uhr nutzen können (PEB S. 103 Abs. 3).

110

Damit ist ein sachlicher Grund für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr plausibel dargelegt. Die Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs sind nach der Rechtsprechung des Senats geeignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288). Die Klägerinnen wenden im Wesentlichen ein, dass der Interkontinentalverkehr auf die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten nicht angewiesen sei; auf dem Flughafen Berlin-Tegel werde er jedenfalls zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt. Der im Planergänzungsbeschluss dargelegte weitergehende Bedarf an nächtlichen Interkontinentalflügen auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld wird dadurch nicht infrage gestellt. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der künftige "Single-Airport" Berlin-Brandenburg - wie bereits dargelegt - auch im Hinblick auf den Interkontinentalverkehr nicht zu vergleichen. In 2008 wurden 402 von insgesamt 978 nächtlichen Interkontinentalflügen nicht in Tegel, sondern auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-Gutachten S. 35 Tab. 3-6). Eine solche Ausweichmöglichkeit wird es nach Inbetriebnahme der neuen Südbahn nicht mehr geben. Im Übrigen geht es nicht nur darum, den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld überhaupt mit interkontinentalen Destinationen zu verbinden, sondern den Reisenden am Zielflughafen attraktive Anschlussverbindungen anbieten zu können. Dies setzt eine Einbindung in die dortigen Drehkreuze voraus (PEB S. 103 f.).

111

Der Beklagte durfte dem Nachtflugbedarf für den Interkontinentalverkehr ein hohes Gewicht beimessen. Gerade im Bereich des Interkontinentalverkehrs soll die Konzentration des gesamten Berliner Flugverkehrs auf einen Standort ein verbessertes Flugangebot ermöglichen. Die Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden kann dieses Ziel befördern.

112

2.3.5 Luftfrachtverkehr

113

Gründe für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr für Frachtflüge ergeben sich aus den Abläufen der Logistik. Der Beklagte hat hierzu im Planergänzungsbeschluss dargelegt:

114

Der üblichen Logistik des Luftfrachtverkehrs auf Nicht-Hub-Flughäfen entsprechend würden die Sendungen abends nach Beendigung der Produktion eingesammelt, zum Flughafen transportiert, dort verladen und "gebündelt" zu einem Hub-Flughafen geflogen, dort nachts zusammen mit den anderen ankommenden Waren auf die Ziele bzw. die entsprechenden Flugzeuge verteilt, die dann in den frühen Morgenstunden, vor Produktionsbeginn, an den Zielflughäfen landen. Für diese Logistikkette sei die Nutzung der Nachtrandzeiten an den Nicht-Hub-Flughäfen von entscheidender Bedeutung (PEB S. 116 Abs. 3).

115

Das ist plausibel. Der Beklagte hat den Bedarf an nächtlichem Luftfrachtverkehr auch nicht überschätzt. Dass der Fracht- im Vergleich zum Passagierverkehr in Berlin nur eine untergeordnete Rolle spielt und spielen wird, hat er erkannt; er weist aber unwidersprochen darauf hin, dass fast zwei Drittel (61,9 %) der Flugbewegungen nachts stattfinden (PEB S. 115 Abs. 4). Dass er der Deckung dieses Bedarfs trotz des geringen Aufkommens eine erhebliche Bedeutung für Berlin als Wirtschaftsraum (PEB S. 119 Abs. 4) beimisst, ist nicht zu beanstanden. Auch ein geringes Frachtaufkommen kann für bestimmte Produktionsabläufe von entscheidender Bedeutung sein. Der nächtliche Frachtverkehr kann auch nicht zu vergleichbaren Bedingungen über den Flughafen Leipzig/Halle abgewickelt werden. Die Transportwege würden sich verlängern; zudem haben die Expressdienstleister TNT, UPS und FedEx - anders als DHL - ihre Verteilzentren nicht in Leipzig/Halle, sondern in Berlin und Umgebung (A.-Stellungnahme vom 23. Januar 2009 S. 26 - 29, Beiakte 16 Bl. 1211 <1235 - 1238>).

116

Dass die Zahl von sechs Luftfrachtbewegungen (PEB S. 119 Tabelle) im Nachtflug-Gutachten von I. keine Stütze findet, trifft nicht zu. I. hat für das gesamte Cargo-Segment (Fracht und Post) 8,1 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 prognostiziert (S. 102 Tab. 9-4). Davon entfallen jeweils drei Flugbewegungen in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis Freitag auf Samstag oder 2,1 Flugbewegungen am Durchschnittstag auf die Post (S. 94), die verbleibenden sechs Flugbewegungen auf die Fracht.

117

2.3.6 Luftpostverkehr

118

Für Nachtpostflüge (A II 5.1.1 Nr. 4 a PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte einen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht zu Recht anerkannt. Postflüge sind auf die Nutzung der Nachtkernzeit angewiesen. Sie sind seit mehreren Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Luftverkehrsgeschehens (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 76). Die Deutsche Post AG hatte zwar mit Schreiben vom 22. Juli 2009 (Beiakte 17 Bl. 1824) mitgeteilt, dass innerdeutsche Nachtluftpostflüge von und nach Berlin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit künftig auch bei saisonal erhöhtem Briefaufkommen nicht mehr erforderlich seien. Der Beklagte ist dieser Einschätzung jedoch zu Recht nicht gefolgt. Hauptgrund für ein Nachtflugpostnetz ist die Einhaltung der Zustellquote im Rahmen der Brieflaufzeit "E + 1" nach § 2 Nr. 3 PUDLV. Die Einschätzung des Beklagten, dass Nachtflüge zur Einhaltung dieser Quote weiter erforderlich sein können, hat sich nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses als richtig erwiesen. Die Deutsche Post AG führt seit dem 30. November 2009 wieder sechs Nachtflüge durch. Sie hat selbst eingeräumt, dass die Brieflaufzeiten im Inland nach Einstellung der Flüge in einzelnen Verkehrsrelationen nicht mehr die gewünschten Qualitätsstandards erreicht haben (Schreiben vom 21. Oktober 2009, Beiakte 18 Bl. 2039). Der Flughafen Leipzig/Halle wäre für diese Flüge keine gleichwertige Alternative. Der Flughafen Berlin-Schönefeld ist aufgrund seiner geographischen Lage deutlich besser geeignet, den Briefverkehr auf der großen Distanz zwischen dem Südwesten und dem Nordosten Deutschlands in kurzer Zeit abzuwickeln.

119

2.3.7 Regierungsflüge

120

Für Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbesuchen und für Regierungsflüge eingesetzt werden (A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB i.d.F. des PEB), hat der Beklagte einen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht zu Recht bejaht.

121

Für Staatsbesuche hat er dargelegt: In Bezug auf Flüge von ausländischen Staatsgästen der Bundesrepublik Deutschland sowie der Begleitdelegationen beschränke sich der Bedarf auf die an- und abreisenden Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Außenminister sowie Leiter internationaler und supranationaler Organisationen (PEB S. 126 Abs. 1). Die Flüge unterlägen bezüglich ihrer Durchführung und Planung diplomatischen und protokollarischen Zwängen (PEB S. 126 Abs. 3).

122

Das ist plausibel. Es ist im Staatenverkehr nicht opportun, Staatsgästen Vorgaben für die Flugzeiten zu machen. Der Bedarf ist durch die Funktion Berlins als Bundeshauptstadt bedingt und damit standortspezifisch.

123

Zu den Regierungsflügen hat der Beklagte dargelegt: Die Beförderung von Personen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich erfolge im Wesentlichen durch die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Bedarf beschränke sich auf die Personen, die gemäß einer von der Bundesregierung beschlossenen Richtlinie anforderungsberechtigt seien (PEB S. 123 Abs. 5). Über ihre Beförderung werde allein in politisch-parlamentarischer Verantwortung entschieden (PEB S. 126 Abs. 3).

124

Auch dieser Bedarf ist durch die Funktion Berlins als Bundeshauptstadt bedingt und damit standortspezifisch. Da anforderungsberechtigt nur die Inhaber hoher Staatsämter sind - für die Mitglieder des Bundestags nur der Präsident des Bundestags und die Fraktionsvorsitzenden -, darf die Prüfung, ob die Durchführung des Fluges in der Nachtkernzeit notwendig ist, dem Anfordernden selbst überlassen werden.

125

2.3.8 Allgemeine Luftfahrt

126

Der nächtliche Taxi- und Werkverkehr hat nach Einschätzung des Beklagten trotz seines geringen Aufkommens - für die Durchschnittsnacht 2020 wird mit 0,9 Flugbewegungen gerechnet (PEB S. 147) - für den Wirtschafts-, Kultur- und Medienstandort Berlin-Brandenburg eine wichtige Bedeutung. Er werde genutzt, um zeitkritische geschäftliche Termine wahrzunehmen, wenn die Luftverkehrsgesellschaften keine geeigneten Verbindungen bereit hielten (PEB S. 129 Abs. 2).

127

Damit ist ein Nachtflugbedarf plausibel dargelegt. Er ergibt sich aus der Erreichbarkeit der Metropolregion Berlin-Brandenburg im Taxi- und Werkverkehr auch während der frühen Morgen- und späten Abendstunden. Der Taxi- und Werkverkehr ergänzt insoweit den Linienverkehr. Dass er nach der Zahl der Flugbewegungen und der Passagiere gegenüber dem Linienverkehr nur eine untergeordnete Rolle spielen wird, steht der Anerkennung des vorhandenen Bedarfs nicht entgegen.

128

2.3.9 Ausbildungs- und Übungsflüge

129

Mit der in A II 5.1.1 Nr. 6 PFB i.d.F. des PEB getroffenen Regelung hält der Beklagte an der bereits im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen inhaltsgleichen Regelung A II 5.1.1 Nr. 4 fest. Die Klägerinnen berufen sich insoweit lediglich auf die Unverwertbarkeit des I.-Gutachtens; dieses liegt der Regelung jedoch nicht zugrunde. Im Übrigen sind ihre Einwände gegen das Gutachten unbegründet (B II 2.1.1). Aus welchen Gründen der dargelegte Bedarf für die ausnahmsweise Zulassung von Ausbildungs- und Übungsflügen bis 23:00 Uhr (PEB S. 129 Abs. 3) zu beanstanden sein sollte, ist nicht ersichtlich.

130

2.3.10 Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung

131

Wartungsflüge dienen der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs und dürfen jedenfalls in dem Umfang zugelassen werden, in dem ihre Verkehre die Nachtzeit in Anspruch nehmen können (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 73, 75). Nach A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB sind Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge über die reguläre Betriebszeit hinaus bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr zulässig. Zur Begründung dieser Regelung hat der Beklagte dargelegt: Wegen der Einbindung der Flugzeuge in die täglichen Umläufe und der hohen Auslastung müssten die Instandhaltungsarbeiten möglichst in den Nachtstunden, insbesondere der Nachtkernzeit, durchgeführt werden. Nächtliche Betriebsbeschränkungen könnten zu erheblichen Ineffizienzen führen, wenn instandgesetzte Flugzeuge am Morgen nicht rechtzeitig dem Flugzeugumlauf zugeführt bzw. die Flugzeuge zur Wartung und Instandsetzung nicht unmittelbar nach Beendigung ihres Einsatzes zum Flughafen Berlin-Schönefeld verbracht werden könnten (PEB S. 133 Abs. 3). Bereitstellungs- oder Positionierungsflüge als Leerflüge seien darüber hinaus notwendig, falls ein Ersatzflugzeug von oder nach Berlin zu überführen sei (PEB S. 133 Abs. 4).

132

Damit ist ein Nachtflugbedarf bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr plausibel dargelegt. Es geht um größere Wartungsarbeiten, wie die A- und C-Checks, die nur an technisch hierfür ausgestatteten Standorten durchgeführt werden können (PEB S. 132 Abs. 2). Da Wartung und Instandsetzung die reguläre Umlaufplanung möglichst nicht beeinträchtigen sollen, besteht ein berechtigtes Interesse an der Möglichkeit, derartige Leerflüge dem regulären Flugbetrieb zeitlich vor- bzw. nachlaufen zu lassen. Gleiches gilt für die Bereitstellung von Ersatzflugzeugen. Ohne Not wird im Übrigen keine Fluggesellschaft Leerflüge durchführen. Der geringe Umfang des Verkehrs - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von 1,3 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) - spricht auch insoweit nicht gegen einen Nachtflugbedarf.

133

2.3.11 Sonderverkehre

134

Den Sonderverkehren rechnet der Beklagte die Verkehre zu, die nach A II 5.1.1 Nr. 3 PFB i.d.F. des PEB auch während der Nachtkernzeit zulässig sind.

135

Zum Nachtflugbedarf für Militärflüge (Nr. 3 c) wird im Planergänzungsbeschluss dargelegt: Militärflüge, wie z.B. der Lufttransport von militärischem Personal und Material, seien zur Wahrnehmung von außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen sowie bündnispolitischen Interessen und Verantwortlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland unbedingt notwendig. Das Bundesministerium der Verteidigung führe hierzu aus, dass ein Flugbetrieb der Luftwaffe in der gesamten Nacht aus militärischen Gründen erforderlich sei (PEB S. 137 Abs. 1).

136

Für die Flugbereitschaft hat das Bundesministerium der Verteidigung dies in seinen Stellungnahmen vom 15. Januar 2008 (Beiakte 6) und vom 20. März 2009 (Beiakte 17 Bl. 1526) plausibel dargelegt. Die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung ist ein Verband der Luftwaffe, der für besondere Aufgaben jederzeit, also auch während der Nachtkernzeit, einsatzbereit sein soll. In erster Linie wird die Flugbereitschaft für die Beförderung von Personen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich (Regierungsflüge), den Lufttransport zur Unterstützung bei Hilfeleistungen der Bundeswehr im In- und Ausland z.B. bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen sowie für den Lufttransport von Kranken und Verwundeten (MEDEVAC) eingesetzt. Zu ihrem Auftrag gehört aber auch der Lufttransport von militärischem Personal und Material. Derartige militärische Flüge entziehen sich einer regelhaften Planung; sie können - je nach den militärischen Notwendigkeiten - zu jeder Tages- und Nachtzeit erforderlich sein (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 79). Der Nachtflugbedarf für Luftfahrzeuge der Flugbereitschaft ist auch standortspezifisch. Ein Teil der Flugzeuge ist bereits in Berlin stationiert. Die Bundeswehr beabsichtigt, die Anteile der Kurz- und Mittelstreckenflotte, die derzeit noch auf dem Flughafen Köln/Bonn stationiert sind, zum Flughafen Berlin-Schönefeld zu verlegen; auch die Langstreckenflugzeuge sollen dort permanent stationiert werden.

137

Ein Bedarf für Nachtflüge sonstiger militärischer Luftfahrzeuge oder ziviler Luftfahrzeuge auf militärische Anforderung, wie sie etwa auf dem Flughafen Leipzig/Halle zum Transport von US-Personal in den Nahen und Mittleren Osten stattfinden, ist hingegen nicht substantiiert dargelegt. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat deshalb in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts erklärt, dass Militärflüge im Sinne des Abschnitts A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB i.d.F. des PEB nur Flüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und von Gastluftfahrzeugen der Regierungen oder militärischer Einrichtungen anderer Staaten sind.

138

Einwände gegen die im Planergänzungsbeschluss dargelegte Erforderlichkeit der Regelung für Notlandungen (Nr. 3 a), für Flüge für den Katastrophenschutz, medizinische Hilfeleistungen und Vermessungen (Nr. 3 b) und für Polizeiflüge (Nr. 3 c) erheben die Klägerinnen nicht; sie berufen sich insoweit lediglich auf ihr Vorbringen zur Verwertbarkeit des I.-Nachtflug-Gutachtens.

139

2.3.12 Verspätungen und Verfrühungen

140

Zur Begründung des Nachtflugbedarfs für verspätete Landungen bis 24:00 Uhr, verfrühte Landungen ab 5:00 Uhr, verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b und c PFB i.d.F. des PEB) sowie verspätete Landungen von nicht lärmarmen Flugzeugen bis 23:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 5 PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte ausgeführt:

141

Unpünktlichkeiten im internationalen Luftverkehr ließen sich auch in Zukunft nicht vollständig vermeiden (PEB S. 143 Abs. 2); es sei aber nicht erkennbar, dass die Fluggesellschaften die Verspätungen oder Verfrühungen gezielt erzeugten bzw. deren Konsequenzen bewusst in Kauf nähmen (PEB S. 143 Abs. 3). Planmäßige Flüge müssten auch bei Verspätungen landen können und zwar möglichst auf dem Zielflughafen; eine Umleitung auf einen anderen Flughafen sei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Geeignete Ausweichflughäfen stünden in näherer Umgebung nicht zur Verfügung (PEB S. 143 Abs. 4). Frühankünfte träten vor allem im Interkontinentalverkehr auf. Ohne Landemöglichkeit müsste das Flugzeug in Warteschleifen in der Luft bleiben - mit allen ökonomischen und ökologischen Folgen (PEB S. 142 Abs. 3).

142

Damit ist ein Bedarf für die Verspätungsregelungen plausibel dargelegt. Da die Personenbeförderung im Luftverkehr Bestandteil des öffentlichen, für jeden Nutzer zugänglichen Verkehrs ist, besteht ein allgemeines Interesse daran, den Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 55); dieses Interesse besteht auch im Luftfrachtverkehr. Das Ausweichen auf andere Flughäfen stört die Abwicklung des Luftverkehrs erheblich; auch die Passagiere werden dadurch in hohem Maße belastet. Das gilt bereits dann, wenn - wie bislang mit dem Flughafen Berlin-Schönefeld für den Flughafen Berlin-Tegel - ein Ausweichflughafen in der Nähe vorhanden ist. Dass der Beklagte die Flexibilität des Berliner Flughafensystems aus anderen Gründen, insbesondere zur Reduzierung der Lärmbetroffenheiten (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 109 ff.), selbst aufgegeben hat, steht der Anerkennung eines Bedarfs nicht entgegen. Dass Verfrühungen - wie die Klägerinnen geltend machen - vermeidbar sind, ist nur teilweise richtig. Eine Verlangsamung des Fluges ist nur innerhalb gewisser Grenzen möglich (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 56; PEB S. 142 Abs. 4). Warteschleifen sind aus den im Planergänzungsbeschluss (S. 142 Abs. 3) dargelegten Gründen keine eindeutig bessere Alternative. Schließlich weisen die Kläger des Parallelverfahrens (BVerwG 4 A 4001.10) auf den ebenfalls stadtnahen Flughafen Düsseldorf hin, der sich auch hinsichtlich der Verspätungsregelungen erhebliche Restriktionen zum Schutz der Anwohner gefallen lassen müsse. Für die Abendstunden hat allerdings auch der Flughafen Düsseldorf eine Verspätungsregelung (Nachtflug-Gutachten S. 67). Lediglich am Morgen werden Landungen erst ab 6:00 Uhr zugelassen - ohne Ausnahme für Verfrühungen. Ein Bedarf für verfrühte Landungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld ist, auch wenn ihre Zahl gering ist, belastbar dargelegt. Dass der Flughafen Düsseldorf ohne eine solche Regelung auskommen muss, obwohl dort ebenfalls Interkontinentalverkehr stattfindet, muss sich der Flughafen Berlin-Schönefeld nicht entgegenhalten lassen.

143

2.4 Regionalwirtschaftliche Aspekte

144

Der Beklagte hat die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichend ermittelt. Er hat die Bedeutung der regionalwirtschaftlichen Belange nicht überschätzt.

145

Der Beklagte ist davon ausgegangen, dass die Realisierung des Ausbauvorhabens positive wirtschaftliche und strukturelle Effekte für die Hauptstadtregion haben werde (PEB S. 155 Abs. 1). Die im Gutachten der Beigeladenen (Arbeitsgemeinschaft IfV Köln / KE-Consult, Regionalwirtschaftliche Effekte einer Betriebsgenehmigung mit Kernruhezeit für den Airport Berlin Brandenburg International BBI vom 20. Juni 2007, Beiakte 1) herausgearbeiteten Ursachenbeziehungen zwischen der Steigerung der Verkehrsnachfrage und -leistung an einem Flughafen in Relation zu Flugbetriebsbeschränkungen in den Nachtzeiten und der von diesem Flughafen ausgehenden direkten Beschäftigungswirkungen seien plausibel, wenn auch die Zahlen möglicherweise nicht exakt belegbar seien (PEB S. 155 Abs. 3). Insgesamt änderten die verfügten Flugbeschränkungen zur Nachtzeit nichts daran, dass das Ausbauvorhaben generell geeignet sei, positive arbeitsmarktpolitische Effekte auszulösen (PEB S. 155 Abs. 4). Der Beklagte habe durch die Öffnung der Nachtrandzeiten bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr die durchaus vorhandenen negativen regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Flugbeschränkungen minimiert. Er halte die verfügten Betriebsregelungen auch unter Würdigung des öffentlichen Interesses an Arbeitsplätzen sowie der Erhaltung und Stärkung der Wirtschaftskraft der Hauptstadtregion für vertretbar (PEB S. 156 Abs. 2).

146

Die Klägerinnen meinen, dass das Gutachten der Beigeladenen die Effekte von Flugbeschränkungen in der Nachtzeit überbewerte; der Beklagte folge dieser Überbewertung. Es werde verkannt, dass ein Großteil des bei uneingeschränktem Flugbetrieb bestehenden Verkehrs nicht wegfallen, sondern sich in den Tag verlagern werde.

147

Die Einwände der Klägerinnen sind unbegründet. Der Beklagte hat sich die quantitativen Einschätzungen insbesondere der Passagierverluste in dem Gutachten der Beigeladenen, die auch I. für überhöht gehalten hat (Bericht vom 3. Dezember 2008 S. 7, Beiakte 16 Bl. 987 <996>), nicht zu eigen gemacht. Er musste die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Nachtflugbeschränkungen auch nicht weiter ermitteln oder quantifizieren, insbesondere auch nicht für eine Beschränkung des Flugbetriebs auf 6:00 bis 23:00 Uhr. Denn er hat den regionalwirtschaftlichen Effekten im Rahmen seiner Abwägung von vornherein nur eine eingeschränkte Bedeutung beigemessen. Er ist zwar davon ausgegangen, dass der Flughafenausbau auch deshalb im öffentlichen Interesse liegt, weil er der Stärkung und Erhaltung der regionalen Wirtschaft dient (PEB S. 148 Abs. 4), und dass sich Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs negativ auf dieses Ziel auswirken (PEB S. 152 Abs. 2). Den Nachtflugbedarf hat er jedoch ausschließlich auf die Nachfrage nach Nachtflügen und die strukturellen und betrieblichen Gründe für deren Durchführung in der Nacht gestützt, nicht auf die regionalwirtschaftlichen Effekte des Nachtflugbetriebs. Auch in der Gesamtabwägung hat er diese Effekte lediglich punktuell im Zusammenhang mit den Bereitstellungs- und Überführungsflügen und deren Bedeutung für die Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 171 Abs. 4) sowie beim Luftfrachtverkehr (PEB S. 169 Abs. 4) in seine Erwägungen einbezogen. Die regionalwirtschaftlichen Gesamtauswirkungen der von ihm verfügten Betriebsbeschränkungen hat er lediglich geprüft, um der Forderung nach einer weitergehenden Zulassung von Nachtflugbetrieb und dem Argument zu begegnen, dass die positiven wirtschaftlichen und strukturellen Effekte des Flughafenausbaus für die Region Berlin-Brandenburg durch die verfügten Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs infrage gestellt würden. Die Frage, ob dies bei einer weitergehenden Beschränkung des Flugbetriebs, etwa auf 6:00 bis 23:00 Uhr, der Fall wäre, brauchte er nicht zu stellen, da er eine solche Regelung im Rahmen der Abwägung schon wegen des dargelegten Nachtflugbedarfs nicht als angemessen angesehen hat.

148

3. Ermittlung und Gewichtung der Lärmschutzbelange

149

Der Beklagte hat die Lärmbetroffenheit der Gemeindegebiete der Klägerinnen und ihrer Wohngrundstücke ausreichend ermittelt. Er hat das Gewicht dieser Belange nicht zu gering eingeschätzt.

150

3.1 Flugroutenprognose

151

Welche Auswirkungen der Betrieb eines Flugplatzes auf die Anwohner und die Umwelt hat, hängt nicht nur von Art und Umfang des Flugbetriebs auf dem Flugplatz, sondern auch von den Flugwegen und der Flughöhe der Flugzeuge im Luftraum ab. Der Flugbetrieb auf dem Flugplatz kann im Planfeststellungsverfahren geregelt werden (§ 8 Abs. 4 LuftVG), die Benutzung des Luftraums in der Umgebung des Flugplatzes nicht (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <377>). Sie wird maßgebend durch sogenannte Flugverfahren bestimmt. Die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte werden vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) auf der Grundlage von Vorarbeiten der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen. Auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden (vgl. Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152). Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planfeststellungsverfahren ist hiernach systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen. Die Planfeststellungsbehörde muss nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken. Die Flugrouten gehören zu den prognostischen Annahmen, die der Lärmermittlung zugrunde zu legen sind (Beschluss vom 18. August 2005 - BVerwG 4 B 17.05 - juris Rn. 27 § 10 luftvg nr. 13>).

152

3.1.1 Anforderungen an die Flugroutenprognose

153

Die prognostische Flugroutenplanung muss besonderen, sich aus ihrer Funktion ergebenden Anforderungen genügen: Sie muss zum einen die Modalitäten des Flugbetriebs hinreichend genau abbilden; zum anderen muss sie regelmäßig mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein.

154

Für das Planfeststellungsverfahren genügt eine prognostische Grobplanung der An- und Abflugverfahren - eine Detailplanung würde dem vorläufigen Charakter der nur prognostischen Planung nicht gerecht. Auch die prognostische Planung darf jedoch nicht beliebig "grob" sein. Sie muss die Modalitäten des Flugbetriebs soweit abbilden, wie dies für die jeweilige im Planfeststellungsverfahren zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Für die Regelung des Flugbetriebs muss sie nicht so genau sein wie für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete. Letztere sollen es ermöglichen, individuelle, im Wege der Abwägung nicht überwindbare Schutzansprüche durchzusetzen. Über die Regelung des Flugbetriebs ist hingegen auf der Grundlage einer Abwägung zu entscheiden (§ 8 Abs. 1 und 4 LuftVG). Relevant für diese Abwägung ist, wie viele Anwohner ungefähr durch Fluglärm betroffen sein werden und wie schwer die jeweilige Betroffenheit sein wird. Welche Anwohner betroffen sein werden, ist - anders als für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete - nicht erheblich. Der Flugbetrieb wird geregelt für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung. Die Regelung soll grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugverfahren festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde. Unabhängig vom Verlauf der jeweiligen Flugrouten muss bei der Flughafenplanung davon ausgegangen werden, dass nach den örtlichen Gegebenheiten bestimmte Siedlungsgebiete durch Fluglärm betroffen werden können. Vor diesem Hintergrund ist eine Änderung der Flugrouten für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs unter Lärmschutzgesichtspunkten in der Regel nur relevant, wenn wesentlich dichter besiedelte Gebiete auf passiven Schallschutz angewiesen wären als angenommen.

155

Die Prognose der An- und Abflugverfahren muss zudem in aller Regel mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein. Für hoheitliche Planungen gilt der Grundsatz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (Urteile vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19 und vom 1. Juli 1999 - BVerwG 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 <201>). Hierzu ist die Planung nicht in der Lage, wenn sie eine beliebige Flugroutenplanung zugrunde legt; sie muss von realistischen Annahmen ausgehen. Die Prognose ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erst dann fehlerhaft, wenn die Flugroutenplanung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht realisiert werden kann oder wenn bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung definitiv feststeht, dass das BAF andere Flugstrecken festlegen wird. Ob eine Flugroutenplanung realistisch ist, kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig allein nicht beurteilen. Nicht sie, sondern die DFS ist für die Planung, das BAF für die Festlegung der An- und Abflugverfahren zuständig. Ziel der Abstimmung ist die Bestätigung, dass die dem Planfeststellungsantrag zugrunde liegende prognostische Flugroutenplanung realisierbar ist und dass sie den bisherigen Planungen der DFS entspricht, ihre Umsetzung also realistischerweise zu erwarten ist.

156

3.1.2 Prognose der DFS vom November 1997 / März 1998

157

Der Beklagte hat der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planergänzungsverfahren - wie im gesamten Planfeststellungsverfahren - eine von der DFS erstellte Grobplanung der Anflugstrecken vom November 1997 (Beiakte 45 Bl. 29 f.) und der Abflugstrecken vom März 1998 zugrunde gelegt (a.a.O. Bl. 84 f.). Die DFS hatte diese Planungen der bereits vor Eingang des Planfeststellungsantrags beim Beklagten eingerichteten "Arbeitsgruppe An- und Abflugverfahren EDDB" vorgelegt. Die DFS ging bei ihrer Planung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen des Flugplatzes nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der 3. Sitzung der Arbeitsgruppe vom 30. März 1998 wurde sie gebeten zu prüfen, welche Auswirkungen Achsabstand und Schwellenversatz der Pisten auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr haben (a.a.O. Bl. 79 <80>). Mit Schreiben vom 20. August 1998 (a.a.O. Bl. 92 f.) teilte sie mit, dass der vorgesehene Achsabstand (1 900 m) und der Schwellenversatz (1 250 m) keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des IFR-Flugverkehrs hätten. Zugleich wies sie "deutlich" darauf hin, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15Grad erfordere. Ebenso müssten die Abflugkurse um mindestens 30Grad von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung nicht berücksichtigt worden seien, sei bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen. Der Beklagte bat die Vorhabenträgerin, diese Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen (a.a.O. Bl. 95 f.). Die Vorhabenträgerin erwiderte, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures nicht berücksichtigt habe (a.a.O. Bl. 98 f.). Eine exakte Berücksichtigung solcher modifizierter Abflugwege würde die Deklarierung zusätzlicher Abflugstrecken erfordern, was nicht vorgesehen sein könne. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 in der Hauptverwaltung der DFS statt; ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. In einem nicht zu den Verwaltungsvorgängen gelangten Schreiben vom 7. Oktober 1998 wandte sich der Geschäftsführer der Vorhabenträgerin, Herr Dr. H., an das Bundesministerium für Verkehr mit der Bitte um Unterstützung bei der Lösung eines Problems mit der DFS. In einer schriftlichen Stellungnahme zum Datenerfassungssystem habe die DFS festgestellt, dass bei gleichzeitiger unabhängiger Durchführung von IFR-Abflügen eine Divergenz der Abflugkurse von 15Grad erforderlich werde. Das Ministerium werde gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass sie ihre Stellungnahme zum vorliegenden Datenerfassungssystem modifiziere. Die DFS nahm mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 (a.a.O. Bl. 106) unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 erneut Stellung. Sie legte dar, dass die von der Vorhabenträgerin zugrunde gelegte Streckengeometrie grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS entspreche. IFR-Anflüge könnten bei dem geplanten Bahnabstand unabhängig voneinander durchgeführt werden. Sie wies jedoch darauf hin, dass, um parallele Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten zu gewährleisten, generell eine Divergenz der Abflugwege von 15Grad erforderlich wäre. Dies bedeute, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während der Verkehrsspitzen zu Abflugverzögerungen kommen könne. Weiter wies sie darauf hin, dass die Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung seien, sondern jederzeit optimiert werden könnten. Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren werde erst kurz vor Betriebsaufnahme erfolgen.

158

Im Planfeststellungsverfahren nahm die DFS als Trägerin öffentlicher Belange mit Schreiben vom 3. Juli 2000 Stellung (Beiakte 322 Nr. 170). Zur Möglichkeit paralleler IFR-Abflüge wiederholte sie praktisch wortgleich den Inhalt ihres Schreibens vom 26. Oktober 1998. Im Planergänzungsverfahren erhob sie im Anhörungsverfahren keine Einwendungen gegen das Vorhaben (Schreiben vom 18. Januar 2008, Beiakte 6 Stellungnahme 500007). Auf eine schriftliche Anfrage des Beklagten vom 10. Oktober 2008 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 25. Juli 2011) teilte sie unter dem 15. April 2009 mit, eine kurzfristige Festlegung von Flugverfahren würde dem Grundsatz widersprechen, die Verfahren erst nach einer gründlichen Abwägung aller Faktoren einzuführen; sie könne daher noch keine konkreten Angaben zur Flugverfahrensplanung geben (Beiakte 17 Bl. 1576).

159

Auf der Grundlage dieser schriftlichen Stellungnahmen der DFS durfte der Beklagte - unabhängig davon, ob ihm das sogenannte H.-Schreiben bekannt war - nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde. Von einem abhängigen Bahnbetrieb durfte er ebenfalls nicht ausgehen. Die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems, auf dem An- und Abflüge auf beiden Bahnen gleichzeitig durchgeführt werden dürfen, war ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens (PFB S. 336 Abs. 1, S. 409 Abs. 5). Der Senat hat die Entscheidung gegen einen abhängigen und für einen unabhängigen Parallelflugbetrieb in seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 221) nicht beanstandet. Der unabhängige Betrieb paralleler Bahnen unterliegt aber besonderen Anforderungen. Anhang 14 Band I zum Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt empfiehlt für den unabhängigen Betrieb paralleler Bahnen zunächst Mindestabstände zwischen den Bahnen, und zwar für Ankünfte 1 035 m und für Abflüge 760 m (Nr. 3.1.12). Das ICAO-Dokument 4444, auf das Anhang 14 hinweist, verlangt für unabhängige Abflüge von parallelen Bahnen darüber hinaus, dass die Abflugrouten unmittelbar nach dem Abheben um mindestens 15Grad divergieren sollen (Nr. 6.7.2.2 Buchst. b). Dokument 9643 enthält eine entsprechende Regelung (Nr. 3.2 Buchst. b).

160

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es mit den ICAO-Vorschriften vereinbar wäre, wie am Flughafen München auch am Flughafen Berlin-Schönefeld für gleichzeitige Abflüge parallele Abflugstrecken festzulegen, kann offen bleiben. Eine solche Planung war mit der DFS nicht abgestimmt; sie hatte ihre Forderung, bei gleichzeitigen Abflügen eine Divergenz der Abflugrouten von 15Grad einzuhalten, nicht aufgegeben. Ihren Schreiben konnte auch nicht die Absicht entnommen werden, die Divergenz der Abflugwege in jedem Einzelfall mittels Flugverkehrskontrollfreigaben gemäß § 26 Abs. 2 LuftVO zu erreichen. Während der Nacht werden parallele Starts zwar voraussichtlich nicht benötigt; dass die DFS deshalb - wie der Beklagte meint - für die Nacht an den parallelen Abflugstrecken festhalten würde, hatte sie in ihren Schreiben ebenfalls nicht zu erkennen gegeben. Auch tatsächlich hat die Möglichkeit, die Flugverfahren für Tag und Nacht differenziert zu regeln (vgl. Urteil vom 4. Mai 2005 - BVerwG 4 C 6.04 - BVerwGE 123, 322 <325, 328>), in den weiteren Planungen der DFS keine Rolle gespielt.

161

Konsequenzen hieraus hätte der Beklagte bei der Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete ziehen müssen; diese Gebiete hätte er nicht auf der Grundlage paralleler Abflugrouten festlegen dürfen. Das ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mehr relevant. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte sich verpflichtet hat, nach der erstmaligen Festlegung der Routen durch das BAF die bisher festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete insgesamt neu auszuweisen; die Nebenbestimmungen zu den bereits festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebieten bleiben hiervon unberührt.

162

Soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs geht, war hingegen die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Anflugrouten sind von dem Modus des Bahnbetriebs ohnehin nicht berührt; sie können auch bei unabhängigem Bahnbetrieb - wie in der Grobplanung der DFS vom November 1997 vorgesehen - in gerader Verlängerung der beiden Bahnen durchgeführt werden. Bei den Abflugrouten muss für den unabhängigen Bahnbetrieb allerdings davon ausgegangen werden, dass die Flugwege um bis zu 15Grad nach Norden oder nach Süden abknicken. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die parallelen Abflugwege der DFS-Grobplanung; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15Grad nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15Grad nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation "Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI" vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15Grad nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15Grad-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15Grad-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.

163

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass abknickende Abflugwege nicht mehr im selben Korridor wie die Anflugwege verlaufen. Die Zahl der Flüge steigt dadurch nicht; lediglich die Verteilung des Lärms ändert sich. Die Belastung neuer Anwohner durch abknickende Abflugwege führt zugleich zu einer Entlastung der durch gerade Abflüge Betroffenen. Selbst wenn diese wegen der Anflüge auf passiven Schallschutz angewiesen bleiben, besteht diese Belastung für viele nicht mehr bei beiden Betriebsrichtungen und damit an jedem Tag, sondern nur noch bei einer Betriebsrichtung. Gleiches gilt für die Anwohner, die aufgrund der abknickenden Abflugwege neu in das Nachtschutzgebiet einbezogen werden müssen; auch sie benötigen den passiven Schallschutz nur bei einer Betriebsrichtung.

164

Dass um mehr als 15Grad abknickende Abflugstrecken festgelegt werden würden, wenn dies nicht - wie z.B. bei der in der Planung der DFS vom 4. Juli 2011 enthaltenen Route "LUDDI-kurz" (vgl. Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 1. August 2011, Folie 20 f.), die unmittelbar nach Verlassen der Südbahn in Richtung Osten bereits vor Erreichen von Schulzendorf stark nach rechts abbiegt - zu einer Verringerung der Lärmbetroffenheiten führt, musste der Beklagte nicht in Betracht ziehen; insbesondere musste er nicht von einer Verwirklichung der von der DFS nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses präsentierten, um mehr als 15Grad nach Norden abknickenden Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgehen. Die DFS hatte in ihrem Schreiben vom 26. Oktober 1998 bestätigt, dass die auf der Grundlage ihrer Grobplanung erstellte Streckengeometrie grundsätzlich ihren Planungen entspreche; mehr als die Berücksichtigung des Toleranzbereichs hatte sie auch im Schreiben vom 20. August 1998 nicht gefordert. Hiervon war sie weder im Planfeststellungs- noch im Planergänzungsverfahren abgerückt. Ob sie im Jahr 2009 bei der Erarbeitung von Luftraummodellen von der Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausging und den Beklagten hierüber informierte, ist unerheblich. Maßgebend für die Abstimmung der Flugroutenprognose mit der DFS sind die von ihr im Planfeststellungs- und im Planergänzungsverfahren abgegebenen schriftlichen Erklärungen. Diese enthalten keinen Hinweis auf die Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow. Der Beklagte musste nicht auf jeden zwischenzeitlichen Planungsstand der DFS bei der Vorbereitung der verbindlichen An- und Abflugverfahren reagieren.

165

3.2 Lärmberechnung

166

Ausgehend von der dargelegten, für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichenden Flugroutenprognose hat der Beklagte die Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung zutreffend ermittelt. Er hat für die bereits im Planfeststellungsverfahren ausgewählten Immissionsorte sowohl den LAeq Tag und den LAeq Nacht als auch die mittlere tägliche Verteilung der maximalen A-Schallpegel über 55 dB(A) in der Nacht nach der 1. Fluglärmschutzverordnung neu berechnen lassen (Beiakte 17 Bl. 1826 ff., 1832 ff.). Die Berechnungen haben im Wesentlichen die Ergebnisse des Ausgangsverfahrens bestätigt (PEB S. 156 f., S. 160 Abs. 4). Hiernach werden ca. 40 000 Anwohner auf passiven Schallschutz angewiesen sein (PEB S. 166 Abs. 1). Das den neuen Berechnungen zugrunde gelegte Datenerfassungssystem enthält allerdings Eingabefehler. Das hat der Beklagte selbst eingeräumt; die Fehler beruhten auf einer versehentlichen doppelten Eingabe der Rohdaten bei der Berechnung der 3-Sigma-Regelung nach der 1. Fluglärmschutzverordnung, der fehlenden Anlage der A-Matrix-Daten für die virtuelle Bahn sowie einem Übertragungsfehler bei den Hubschrauberstrecken. Sie führten zu einer geringen Vergrößerung des Nachtschutzgebiets im Westen und Osten des Flughafens. Dass diese Eingabefehler geeignet sein könnten, die der Abwägung zugrunde gelegte Größenordnung der Lärmbetroffenheiten infrage zu stellen, machen die Klägerinnen selbst nicht geltend; hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte.

167

3.3 Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung

168

Die neueren Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung brauchte der Beklagte für die Gewichtung der Lärmschutzbelange nicht zu würdigen.

169

Maßgebender Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange ist die sogenannte fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz zu gewähren ist (vgl. Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 251 und vom 21. September 2006 - BVerwG 4 C 4.05 - BVerwGE 126, 340 Rn. 34). Die Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung sind bei der Festlegung dieser Schwelle zu berücksichtigen. Auch Lärmbeeinträchtigungen unterhalb der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sind abwägungsrelevant (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 268). Hat die Planfeststellungsbehörde die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle fehlerfrei bestimmt, genügt es für die Abwägung grundsätzlich, die Lärmschutzbelange ausgehend von dieser Schwelle zu gewichten: Sie sind umso gewichtiger, je näher die Lärmbelastungen an die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle heranreichen, ihr Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleiben. Eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung ist für diese Gewichtung nicht erforderlich.

170

Der Beklagte hat die Schwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz für Schlafräume zu gewähren ist, rechtsfehlerfrei bestimmt. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) mussten mangels normativer Vorgaben die Zulassungsbehörde und im Streitfall die Gerichte entscheiden, welche Lärmpegel den Anwohnern tags und nachts zugemutet werden dürfen; die im Fluglärmschutzgesetz vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282) genannten Lärmwerte waren hierfür nicht aussagekräftig (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 254). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 1. Juni 2007 geändert. Das neu gefasste Fluglärmschutzgesetz - FluglärmG - verfolgt zwar weiterhin nur einen eingeschränkten Zweck. Es soll in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Fluglärm regeln (§ 1 FluglärmG); die Regelung des sogenannten aktiven Schallschutzes insbesondere durch Betriebsbeschränkungen bleibt dem Planfeststellungsverfahren vorbehalten (vgl. BTDrucks 16/508 S. 17; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - NVwZ 2011, 991 Rn. 23). Durch den neu eingefügten § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG hat es nunmehr jedoch auch Bedeutung erhalten für die bei der Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG erforderliche Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG sind hierbei zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass bei der Bewältigung der durch Fluglärm hervorgerufenen Probleme im Rahmen der Abwägung keine anderen als die nach dem Fluglärmschutzgesetz maßgeblichen Werte für die Lärmschutzbereiche zugrunde gelegt werden (BTDrucks 16/508 S. 24). § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG legt die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 Rn. 33; zustimmend: Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand August 2010, § 6 Rn. 126; Kämper, ZLW 2009, 16 <22>; Paetow, NVwZ 2010, 1184 <1190>; a.A. Mechel, ZUR 2007, 561 <566>). Jedenfalls zur Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze müssen lärmmedizinische Gutachten im luftrechtlichen Zulassungsverfahren nicht mehr eingeholt werden (vgl. BTDrucks 16/3813 S. 11 f.).

171

A II 5.1.3 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB gewährt passiven Schallschutz für Schlafräume bei Überschreiten eines LAeq Nacht innen von 35 dB(A) - das entspricht unter Berücksichtigung eines Pegelunterschieds zwischen außen und innen von 15 dB(A) (vgl. Anlage zu § 3 FluglärmG) einem LAeq Nacht außen von 50 dB(A) - und eines LAmax von 6 × 55 dB(A). Diese bereits im Planfeststellungsbeschluss 2004 und damit vor Inkrafttreten des neu gefassten Fluglärmschutzgesetzes festgelegten Werte sind für die Anwohner günstiger als die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG bis zum 31. Dezember 2010 maßgebenden Werte für neue Flughäfen (LAeq Nacht = 53 dB, LAmax = 6 × 57 dB). Ob der Flughafen Berlin-Schönefeld ein neuer Flugplatz oder ein Bestandsflughafen ist, kann deshalb offen bleiben. Lediglich der nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b FluglärmG ab 1. Januar 2011 maßgebende LAmax mit 6 × 53 dB(A) wäre für die Anwohner günstiger als der entsprechende Wert des Planfeststellungsbeschlusses. Diesen Wert musste der Beklagte bei der Abwägung jedoch nicht beachten. Jedenfalls wenn es nicht um die Festlegung des Lärmschutzbereichs, sondern - wie hier - um die Abwägung geht, ist maßgebend der für den Zeitpunkt der Planfeststellung festgelegte Wert.

172

Anhaltspunkte dafür, dass § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG verfassungswidrig sein könnte, weil die festgelegten Werte der Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht genügen, haben die Klägerinnen nicht substantiiert dargelegt. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, dass das Fluglärmschutzgesetz einen LAeq Nacht unter 50 dB(A) und/oder einen LAmax unter 6 × 55 dB(A) hätte festlegen müssen. Bei der Erfüllung von Schutzpflichten kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen; die Verletzung von Schutzpflichten kann nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben (BVerfG, Beschlüsse vom 4. Mai 2011 a.a.O. Rn. 38 und vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 - NVwZ 2009, 1489 Rn. 29). Dass bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 die dort festgelegten Werte zum Schutz der menschlichen Gesundheit ausreichend waren, hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 (a.a.O. Rn. 297 ff.) ausführlich dargelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Einschätzung nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - NVwZ 2008, 780 Rn. 85). Die Klägerinnen machen geltend, dass nach neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung bereits unterhalb dieser Werte und damit erst recht unterhalb der Werte des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG das Risiko, an Bluthochdruck zu erkranken, signifikant ansteige. Zum Beweis hierfür berufen sie sich insbesondere auf die Krankenhaus-Studie von Herrn Prof. Dr. G. ("Im Krankenhaus behandelte Erkrankungen als Folge der Exposition gegenüber nächtlichem Fluglärm - Ergebnisse einer Fall-Kontrolle-Studie im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn", Februar 2009), die Hypertension and Exposure to Noise Near Airports (HYENA)-Studie (Selander u.a., Saliva Cortisol and Exposure to Aircraft Noise in Six European Countries, Environmental Health Perspectives 117 <2009> S. 1713 ff.) sowie die sogenannte Stockholm-Studie (Eriksson, Rosenlund u.a., Aircraft Noise and Incidence of Hypertension, Epidemiology Vol. 18 No. 6, November 2007 S. 716 ff.). Diese Studien sind schon deshalb nicht geeignet, eine Verletzung der Schutzpflicht bei Erlass des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu begründen, weil sie erst nach Erlass des Gesetzes (1. Juni 2007) veröffentlicht wurden. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden ist (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 a.a.O. Rn. 38). Das ist nicht der Fall. Um dies festzustellen, ist eine Gesamtschau der lärmmedizinischen Erkenntnisse erforderlich. Die neuen Studien mögen zwar Anlass geben, die bisherigen Werte im Rahmen der spätestens 2017 anstehenden Überprüfung (vgl. § 2 Abs. 3 FluglärmG) zu hinterfragen; auch der Aussagewert dieser Studien wird jedoch - wie Herr Prof. Dr. Sch. als Sachbeistand des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - in der Fachwissenschaft kontrovers diskutiert. Aus diesem Grund könnte, selbst wenn die Ergebnisse der Studien dem Gesetzgeber bereits bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, auch nicht festgestellt werden, dass er mit den in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG festgelegten Werten den ihm zukommenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten hat.

173

Die Klägerinnen wollen durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Umweltbundesamtes unter Beweis stellen, dass die sogenannte Medikamenten-Studie und die sogenannte Krankenhaus-Studie von Herrn Prof. Dr. G. aus Sicht des Umweltbundesamtes den aktuellen Stand der Lärmmedizin wiedergeben. Diese Behauptung ist nicht entscheidungserheblich. Maßgebend für die Gewichtung der Lärmschutzbelange sind nicht die Studien von Herrn Prof. Dr. G. und die Einschätzung dieser Studien durch das Umweltbundesamt, sondern die in § 2 Abs. 2 FluglärmG festgelegten Werte; sie haben eine Überprüfung des dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Lärmschutzkonzepts auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung entbehrlich gemacht (PEB S. 186 Abs. 2 und 3). Im Übrigen kann der Senat die Studien von Herrn Prof. Dr. G. - ebenso wie die sonstigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung - selbst würdigen.

174

3.4 Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG

175

Der Beklagte hat die Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG beachtet.

176

Das in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltene Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, hat für die Abwägung die Qualität einer Gewichtungsvorgabe (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 269 und vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 53). Es führt zwar nicht zwingend zu einem Nachtflugverbot als dem allein rechtmäßigen Abwägungsergebnis, vor seinem Hintergrund bedarf die Zurückdrängung des Lärmschutzinteresses indes gesteigerter Rechtfertigung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O.). Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist nicht nur während der Nachtkernzeit besonders Rücksicht zu nehmen; § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gilt für die gesamte Nacht, also auch für die Nachtrandstunden. Auch die erste Nachtrandstunde von 22:00 bis 23:00 Uhr ist schutzwürdig; sie darf nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden. Wie bereits dargelegt, besitzt der Lärmschutz in den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit von 22:00 bis 23:00 Uhr allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Ihm ist ein umso höheres Gewicht beizumessen, je näher die zuzulassenden Flugbewegungen zeitlich an den Kernzeitraum von 0:00 bis 5:00 Uhr heranrücken würden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288).

177

Der Beklagte hat dieser Gewichtungsvorgabe Rechnung getragen. Er hat nicht nur die Nachtkernzeit als schutzwürdig angesehen, sondern seine Abwägung für die gesamte Nacht an § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gemessen (PEB S. 156 Abs. 3). Gerade für die Nachtrandstunden hat er den Nachtflugbedarf in Halbstundensegmenten untersucht, um die Belange differenziert abwägen zu können. Er ist hierbei - der Rechtsprechung des Senats folgend (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 279) - davon ausgegangen, dass der Verkehrsbedarf, der als Rechtfertigung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb dient, umso dringlicher sein muss, je gewichtiger die Lärmschutzinteressen sind, die nach den konkreten örtlichen Verhältnissen auf dem Spiel stehen (PEB S. 156 Abs. 3). Im Hinblick auf die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr hat er allerdings dargelegt, dass deutlich mehr als die Hälfte der Nachtflüge auf diese Stunde entfalle, "die als Verlängerung des Tagesflugbetriebes gesehen wird" (PEB S. 166 Abs. 2). Die Geltung des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG auch für diese Stunde hat er damit jedoch nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich erläutert, warum die Verkehrsinteressen in dieser Stunde ein besonders hohes Gewicht haben und er sie - wie im folgenden Satz dargelegt - höher bewertet als das Interesse der Flughafenanwohner an einer ungestörten Nachtruhe.

178

Der Beklagte hat bei der Gewichtung der Lärmschutzbelange auch nicht die konkreten örtlichen Verhältnisse des Standorts Berlin-Schönefeld unberücksichtigt gelassen. Er hat vielmehr die Vielzahl von Lärmbetroffenen der nahen und dicht besiedelten Gebiete in der Umgebung des Flughafens als in hohem Maße schutzbedürftig angesehen (PEB S. 165 Abs. 4). Dass weniger Menschen durch Fluglärm beeinträchtigt worden wären, wenn der Flughafen am Standort Sperenberg gebaut worden wäre, war insoweit nicht abwägungsrelevant. Über die Wahl des Standorts war im Planergänzungsverfahren nicht erneut zu entscheiden. Maßgebend für die Betriebsregelungen am Standort Berlin-Schönefeld waren allein die dortigen, durch die relativ dichte Besiedlung des Metropolenrandbereichs bedingten Lärmbetroffenheiten.

179

3.5 Lärmaktionsplanung

180

Der im Planergänzungsbeschluss zugelassene Flugbetrieb macht es den Klägerinnen nicht unmöglich, Lärmaktionspläne aufzustellen, die den Vorgaben der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 25. Juni 2002 (ABl Nr. L 189 S. 12) entsprechen. Die Richtlinie schreibt zwar die Verwendung bestimmter Lärmindizes (Art. 5), die Bewertungsmethoden (Art. 6) sowie Schwellenwerte für die Lärmkartierung (Art. 10 i.V.m. Nr. 2.5 und 2.6 des Anhangs VI) vor; die Festlegung der einzuhaltenden Grenzwerte bleibt aber den Mitgliedstaaten vorbehalten (8. Erwägungsgrund, Art. 5 Abs. 4). Gemäß § 14 FluglärmG sind bei der Lärmaktionsplanung nach § 47d BImSchG für Flugplätze die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Das ist hier schon deshalb möglich, weil die in A II 5.1.3 Nr. 2 PFB i.d.F. des PEB festgelegten Pegelwerte für die Abgrenzung des Nachtschutzgebiets - wie bereits dargelegt (B II 3.3) - für die Anwohner günstiger sind als die nach § 2 Abs. 2 FluglärmG maßgebenden Werte.

181

3.6 Nachtverkehrszahl

182

Der Beklagte hat schließlich die Bedeutung der Nachtverkehrszahl (A II 5.1.1 Nr. 9 PFB i.d.F. des PEB) für den Schutz der Anwohner nicht überschätzt.

183

Um einen Anreiz zu schaffen, abends möglichst früh und morgens möglichst spät zu fliegen und die tatsächlich disponiblen Flugbewegungen weniger in den kernzeitnahen Zeitscheiben durchzuführen (PEB S. 157 Abs. 4), hat der Beklagte die Flugbewegungen zwischen 23:00 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 6:00 Uhr kontingentiert. Die während der Nachtkernzeit zugelassenen Verkehre bleiben hiervon unberührt. Die Nachtverkehrszahl wurde auf der Grundlage der für das Jahr 2023 prognostizierten Flugbewegungen festgelegt (PEB S. 158). Eine begrenzende Wirkung entfaltet sie dementsprechend erst, wenn das tatsächliche Verkehrsaufkommen das für 2023 prognostizierte Verkehrsaufkommen übersteigt. Flugbewegungen zwischen 23:30 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 5:30 Uhr sind mit dem Faktor 2 zu gewichten (A II 5.1.1 Nr. 9 b PFB i.d.F. des PEB). Betroffen hiervon sind zwar hauptsächlich Verspätungen und Verfrühungen, also nicht planbare Flugbewegungen; auch insoweit entfaltet die Regelung jedoch eine steuernde Wirkung. Je weiter der geplante An- oder Abflugtermin vom Ende bzw. Beginn der regulären Betriebszeit entfernt bleibt, desto seltener wird es zu verspäteten oder verfrühten Flügen zwischen 23:30 und 24:00 Uhr bzw. 5:00 und 5:30 Uhr kommen. Zudem muss die geplante Nachtverkehrszahl hinter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl zurückbleiben (Nr. 9 d). Wird das Kontingent dennoch überschritten, muss dies in der folgenden Flugplanperiode bei der Planung der Nachtverkehrszahl ausgeglichen werden (Nr. 9 e). Zeitlich wird das Jahreskontingent lediglich zwischen Sommer- und Winterflugplanperiode aufgeteilt (PEB S. 157 Abs. 1). Eine darüber hinausgehende Steuerung etwa nach Wochentagen oder eine Glättung von Verkehrsspitzen ist nicht vorgesehen.

184

Der Beklagte hat den Wirkungsmechanismus der Nachtverkehrszahl zutreffend beschrieben (PEB S. 157 - 160). Ein zentrales Instrument zum Schutz der Nachtruhe könnte die Nachtverkehrszahl in dieser Ausgestaltung nicht sein; eine solche Bedeutung hat der Beklagte ihr auch nicht beigemessen. Er hat ihr im Verhältnis zu den verfügten zeitlichen Beschränkungen des Nachtflugbetriebs lediglich eine "zusätzliche, steuernde und sichernde Funktion" zugewiesen (PEB S. 157 Abs. 2).

185

4. Ausgleich der gegenläufigen Belange

186

Der Ausgleich, den der Beklagte zwischen den Verkehrsinteressen einerseits und der Planungshoheit sowie den auf ihr Eigentum an Wohngrundstücken gegründeten Lärmschutzbelangen der Klägerinnen andererseits vorgenommen hat, hält sich im Rahmen des der Exekutive zustehenden Gestaltungsspielraums. Der Verzicht auf eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs steht zur objektiven Gewichtigkeit ihrer Belange nicht außer Verhältnis.

187

4.1 Nachtkernzeit

188

In seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290) hat der Senat den Gestaltungsspielraum des Beklagten dahingehend eingeschränkt, dass zumindest die besonders lärmsensiblen Stunden zwischen 0:00 und 5:00 Uhr von Flugaktivitäten grundsätzlich frei bleiben müssen. Der Beklagte hat diese Vorgabe im Planergänzungsbeschluss fehlerfrei umgesetzt. Nach A II 5.1.1 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB dürfen in der Zeit von 23:30 bis 5:30 Uhr, also auch während der Nachtkernzeit, keine Luftfahrzeuge starten und landen. Die Ausnahmen, die der Beklagte für Notlandungen, Flüge für den Katastrophenschutz, medizinische Hilfeleistungen, Vermessungen, Staatsbesuche, für Regierungsflüge, Militärflüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und den Luftpostverkehr zugelassen hat (A II 5.1.1 Nr. 3 und 4 a PFB i.d.F. des PEB), sind durch einen standortspezifischen Nachtflugbedarf gerechtfertigt. Insoweit durfte der Beklagte die Lärmschutzbelange der Anwohner zurückstellen. Das grundsätzliche Start- und Landeverbot wird trotz dieser Ausnahmen zu einer deutlich spürbaren Lärmpause in der Kernzeit der Nacht führen. Der Beklagte hat für die Durchschnittsnacht 2020  2,7 Flugbewegungen zwischen 0:00 und 5:00 Uhr prognostiziert (PEB S. 147). Um diese Lärmpause zu erreichen, sind die öffentlichen und privaten Verkehrsinteressen zurückgestellt worden. Die Ermittlungen des Beklagten haben ergeben, dass auch in der Nachtkernzeit insbesondere im Interkontinentalverkehr (PEB S. 101 Abs. 3, S. 104 Abs. 4) und in den touristischen Verkehren (PEB S. 96 Abs. 2, S. 100 Abs. 2) eine nicht unerhebliche Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen besteht.

189

4.2 Nachtrandzeiten

190

Für die Nachtrandzeiten hat der Senat den Gestaltungsspielraum des Beklagten in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht in gleicher Weise als eingeengt angesehen wie für die Nachtkernzeit. Das Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen (§ 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG), gilt zwar - wie dargelegt - für die gesamte Nacht; die Nachtruhe hat in den Nachtrandstunden allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Bei der Prüfung, ob die Regelung des Flugbetriebs dem besonderen Gewicht der Nachtruhe hinreichend Rechnung trägt, dürfen die Nachtrandstunden nicht isoliert betrachtet werden. Entscheidend ist, ob das Lärmschutzkonzept bei einer Betrachtung der Gesamtnacht ausreichend Rücksicht auf die Nachtruhe der Bevölkerung nimmt.

191

4.2.1 Kernzeitnahe Zeitsegmente (23:30 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 5:30 Uhr)

192

Der Beklagte hat das grundsätzliche Verbot von Starts und Landungen nicht auf die Nachtkernzeit beschränkt, sondern es auch auf die angrenzenden Zeitscheiben von 23:30 bis 24:00 Uhr und von 5:00 bis 5:30 Uhr erstreckt. Insoweit hat er in Ansehung der standortspezifischen Situation mit einer ausgeprägten Lärmbelastung für Flughafenanwohner und sonstige Lärmbetroffene dem Schutz der Nachtruhe gegenüber den Verkehrsinteressen den Vorrang eingeräumt (PEB S. 168 Abs. 2). Die in diesen Zeitsegmenten zugelassenen Ausnahmen mindern die Wirkungen des Start- und Landeverbots jedenfalls nicht erheblich. Die Regelung führt dazu, dass der Flugverkehr in der letzten halben Stunde vor der Kernzeit deutlich abnimmt und nach ihrem Ende nur langsam wieder ansteigt. Der Beklagte hat für die Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr in der Durchschnittsnacht 2020  4,1 Flugbewegungen prognostiziert; in der halben Stunde zuvor sind es noch 13,6 Flugbewegungen. Für die Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr erwartet er 0,6 Flugbewegungen im Vergleich zu 10,0 Flugbewegungen zwischen 5:30 und 6:00 Uhr (PEB S. 163 f.). Ausgehend hiervon sind die Ausnahmen durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

193

Das gilt zunächst für verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b PFB i.d.F. des PEB; vgl. hierzu 2.3.12). Er ist davon ausgegangen, dass für den Interkontinentalverkehr selbst von 23:30 bis 24:00 Uhr ein nennenswerter Nachtflugbedarf bestehen wird, der aufgrund des Verbots planmäßigen Flugbetriebs nicht wird gedeckt werden können (PEB S. 141 f.). Vor diesem Hintergrund hat er jedenfalls die Ermöglichung verspäteter Starts im Interesse einer weitgehend ungestörten Abwicklung des Luftverkehrs als gerechtfertigt angesehen (PEB S. 168 Abs. 1). Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Von der Ausnahme werden nur sehr wenige Flugbewegungen profitieren. Die Möglichkeit, diese Starts bis 24:00 Uhr durchzuführen, kann es den Luftverkehrsgesellschaften deutlich erleichtern, Berlin verlässlich in das interkontinentale Luftverkehrsnetz einzubinden. Direkte Interkontinentalverbindungen haben für die Verkehrsfunktion des Flughafens ein erhebliches Gewicht.

194

Die Zulassung verspäteter Landungen bis 24:00 Uhr und verfrühter Landungen ab 5:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 c PFB i.d.F. des PEB; vgl. 2.3.12) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem Interesse, den Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln und insbesondere die Umleitung verspäteter Flugzeuge auf andere Flughäfen zu vermeiden, hat der Beklagte zu Recht ein hohes Gewicht beigemessen (PEB S. 172 Abs. 2). Die Möglichkeit, verfrüht zu landen, ist vor allem für den Interkontinentalverkehr von Bedeutung (PEB S. 142 Abs. 3, S. 168 Abs. 1). Auch den Lärmschutzbelangen der Anwohner kommt in den kernzeitnahen Segmenten zwar ein hohes Gewicht zu. Die prognostizierte Zahl von Verspätungen und Verfrühungen bleibt mit 3,0 bzw. 0,2 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 (PEB S. 147) jedoch in einem vertretbaren Rahmen. Diese Flugbewegungen werden zudem auf die Nachtverkehrszahl angerechnet und dort mit dem Faktor 2 gewichtet. Diese Regelung wird bei Erreichen des Prognoseverkehrs einen Anreiz setzen, bereits die Flugplanung so zu gestalten, dass Verspätungen und Verfrühungen vermieden werden.

195

Ausschlaggebend für die Zulassung von Bereitstellungs- und Überführungsflügen bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB; vgl. 2.3.10) war das Interesse, Beeinträchtigungen der regulären Umlaufplanung durch die überwiegend nachts erfolgende Wartung und Instandhaltung möglichst zu vermeiden. Berücksichtigt hat der Beklagte außerdem die arbeitsmarktpolitischen Effekte einer solchen Regelung insbesondere für die am Standort Berlin-Schönefeld mit einer hohen Investitionsintensität bereits angesiedelten Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 132 Abs. 3, S. 171 Abs. 4). Da es nur um sehr wenige Flugbewegungen geht - prognostiziert sind für die Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr 0,2, für die Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr 0,3 Flugbewegungen (Durchschnittsnacht 2020 - PEB S. 147) - und Leerflüge zudem weniger laut sind, ist es vertretbar, die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit zurückzustellen.

196

4.2.2 Zeitsegmente von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr

197

Für die Zeit von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr hat der Beklagte Flugverkehr grundsätzlich zugelassen. Beschränkt wird der Flugverkehr lediglich durch das Start- und Landeverbot für besonders laute Flugzeuge (A II 5.1.1 Nr. 2 PFB i.d.F. des PEB) - bis 23:00 Uhr sind verspätete Landungen auch dieser Flugzeuge zulässig (a.a.O. Nr. 5) - und durch die Nachtverkehrszahl (a.a.O. Nr. 9); der Verkehr von 22:00 bis 23:00 Uhr wird von der Nachtverkehrszahl allerdings nicht erfasst.

198

Durch diese Regelung werden die Anwohner des Flughafens erheblichen Belastungen ausgesetzt. Der Beklagte rechnet für die Durchschnittsnacht 2020 mit 40,2 Flugbewegungen zwischen 22:00 und 23:00 Uhr, 13,6 Flugbewegungen zwischen 23:00 und 23:30 Uhr und 10,0 Flugbewegungen zwischen 5:30 und 6:00 Uhr bei 71,2 Flugbewegungen in der Gesamtnacht (PEB S. 147). In Spitzennächten wird die Zahl der Flugbewegungen noch deutlich darüber liegen. Die Zahl der Anwohner, die auf passiven Schallschutz angewiesen sind, wird sich in einer Größenordnung von etwa 40 000 Menschen bewegen. Das entspricht einer mittelgroßen Stadt oder fast einer halben Großstadt (100 000 Einwohner).

199

Diesen erheblichen Lärmbetroffenheiten stehen gewichtige Verkehrsinteressen gegenüber. Das mit dem Ausbau des Flughafens verbundene Ziel, den nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg sowie des angrenzenden Einzugsbereichs zu decken, ist nicht nur von regionaler, sondern von nationaler und internationaler Bedeutung. Berlin ist die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und eine europäische Metropole. Der Flughafen Berlin-Schönefeld wird künftig der einzige Verkehrsflughafen der Metropolregion sein. Der Einbindung dieses Flughafens in das weltweite Luftverkehrsnetz auch in den späten Abend- und den frühen Morgenstunden kommt im Hinblick auf seine herausragende Verkehrsbedeutung ein hohes Gewicht zu. Die Klägerinnen meinen, die Planungsziele könnten jedenfalls auch dann erreicht werden, wenn der Flugverkehr - wie bislang auf dem Flughafen Tegel - auf die Zeit von 6:00 bis 23:00 Uhr beschränkt werde. Dass auch eine solche Beschränkung des Flugbetriebs das Ergebnis der Abwägung hätte sein können, bedeutet indessen nicht, dass die vom Beklagten festgelegten Betriebszeiten den Abwägungsspielraum überschreiten. In den Nachtrandstunden bedarf es für die Zulassung von Nachtflugbetrieb keiner "Erforderlichkeit" im Sinne eines etwa unabweisbaren Flugbedarfs; je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368>). Unabhängig hiervon wird für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld eine über die Verkehrsfunktion des Flughafens Tegel hinausgehende Verkehrsbedeutung erwartet (PEB S. 162 Abs. 3). Zudem entfällt die am Flughafen Tegel noch bestehende Möglichkeit, mit Nachtflügen auf einen anderen Flughafen, nämlich den bisherigen Flughafen Berlin-Schönefeld, auszuweichen. Die Flughäfen Tegel und Schönefeld sind schließlich im Hinblick auf ihre Umgebung nicht vergleichbar. Tegel ist ein innerstädtischer Flughafen. Seine Umgebung ist erheblich dichter besiedelt als die Umgebung des zwar stadtnah, aber außerhalb des Stadtgebiets gelegenen Flughafens Berlin-Schönefeld.

200

Ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Lärmschutz- und den Verkehrsbelangen soll nach dem Konzept des Beklagten dadurch hergestellt werden, dass der Flugverkehr zwischen 22:00 und 24:00 Uhr abnimmt - ab 23:30 Uhr sogar deutlich -, in der Nachtkernzeit eine weitgehende Lärmpause eintritt und der Verkehr nach 5:00 Uhr bis zum Beginn des Tages erst langsam wieder anschwillt. Ausgehend von diesem Konzept ist es für den Flughafen Berlin-Schönefeld vertretbar, im Hinblick auf den weitgehenden Schutz der Nachtruhe zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Flugverkehr bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr grundsätzlich zuzulassen, die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit also weitgehend hinter den dargelegten Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen. Auch zwischen 22:00 und 23:30 Uhr und 5:30 und 6:00 Uhr darf die Nacht jedoch nicht zum Tage werden. Die Verhältnismäßigkeit bleibt nur gewahrt, wenn das Konzept eines Ab- und Anschwellens des Flugverkehrs auch in diesen Zeitsegmenten weiter durchgeführt wird. Für die Zeit von 23:00 bis 24:00 Uhr und von 5:00 bis 6:00 Uhr hat der Beklagte den Verkehr mengenmäßig durch die Nachtverkehrszahl begrenzt. Sie entfaltet ihre Schutzwirkungen zwar erst, wenn die Flugbewegungen das für 2023 prognostizierte Aufkommen erreichen; jedenfalls ein die Prognose überschreitendes Verkehrsaufkommen wird jedoch unterbunden. Eine vergleichbare Regelung hat der Beklagte für die erste Stunde der Nacht nicht getroffen. Die Nachtverkehrsprognose hat aber bereits aufgrund der nachlassenden Nachfrage einen abnehmenden Trend der Flugbewegungen vom Ende des Tages zur Nachtkernzeit hin ergeben (vgl. Nachtflug-Gutachten S. 87 Abb. 8-2). Sollte sich die erste Nachtstunde entgegen dieser Prognose zu einer Stunde entwickeln, in der die Fluglärmbelastung der Anwohner in der Regel größer ist als in den Abendstunden, wäre dies eine mit dem Abwägungsgebot und § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht vereinbare Entwicklung. Schutzlos wären die Klägerinnen auch in diesem Fall nicht. Der Beklagte hat sich in A II 5.1.9 PFB i.d.F. des PEB die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten. Der Vorbehalt entfaltet drittschützende Wirkung. Er kann - wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 356) dargelegt hat - auch für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelungen über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden. Vor diesem Hintergrund war es vertretbar, im Planergänzungsbeschluss von einer weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der ersten Nachtstunde abzusehen.

201

C. Kosten

202

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 161 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Hier entsprach es billigem Ermessen, bezüglich der erledigten Anträge der Klägerinnen zu 1 und 2 auf weitergehenden passiven Schallschutz und weitergehende Außenwohnbereichsentschädigung, für die der Senat zusammen die Hälfte der jeweiligen Einzelstreitwerte angesetzt hat, die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten zu 1/2 den Klägerinnen und zu je 1/4 dem Beklagten und der Beigeladenen aufzuerlegen. Der Antrag hätte, soweit er auf eine Herabsetzung der jeweiligen Lärmwerte gerichtet war, voraussichtlich keinen Erfolg, soweit er gegen die Grenzziehung der Schutz- und Entschädigungsgebiete auf der Grundlage der DFS-Flugroutenprognose vom November 1997/März 1998 gerichtet war, hingegen Erfolg gehabt.

(1) Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer sind verpflichtet, beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.

(2) Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.

(1) Flughäfen sowie Landeplätze mit beschränktem Bauschutzbereich nach § 17 dürfen nur angelegt, bestehende nur geändert werden, wenn der Plan nach § 10 vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Hierbei sind zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu beachten. Die Prüfung der Umweltverträglichkeit und der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen von Natura 2000-Gebieten muss sich räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Vorhabens erstrecken, in dem entscheidungserhebliche Auswirkungen möglich sind. Hierbei sind in der Umgebung der in Satz 1 bezeichneten Flugplätze alle die Bereiche zu berücksichtigen, in denen An- und Abflugverkehr weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden kann. Lässt sich die Zulassung des Vorhabens nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch An- und Abflugverkehr verschont bleiben, legt die Planfeststellungsbehörde fest, dass An- und Abflugverkehr über diesen Gebieten nicht abgewickelt werden darf. Die Planfeststellungsbehörde kann auch Bedingungen für die Zulässigkeit von Überflügen über bestimmten Gebieten festlegen. Vor einer Festlegung im Planfeststellungsbeschluss ist der Flugsicherungsorganisation und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung Gelegenheit zu geben, zu den Auswirkungen einer solchen Festlegung auf die künftige Verkehrsführung und Abwicklung des Luftverkehrs Stellung zu nehmen. Auf Genehmigungen nach § 6 Absatz 1 und 4 Satz 2 sind die Sätze 3 bis 5 entsprechend anzuwenden. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2) Für die Plangenehmigung gilt § 9 Absatz 1 entsprechend.

(3) (weggefallen)

(4) Betriebliche Regelungen und die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände können Gegenstand der Planfeststellung sein. Änderungen solcherart getroffener betrieblicher Regelungen bedürfen nur einer Regelung entsprechend § 6 Abs. 4 Satz 2.

(5) Für die zivile Nutzung eines aus der militärischen Trägerschaft entlassenen ehemaligen Militärflugplatzes ist eine Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 durch die zuständige Zivilluftfahrtbehörde erforderlich, in der der Träger der zivilen Nutzung anzugeben ist. Die Genehmigungsurkunde muss darüber hinaus die für die entsprechende Flugplatzart vorgeschriebenen Angaben enthalten (§ 42 Abs. 2, § 52 Abs. 2, § 57 Abs. 2 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Eine Planfeststellung oder Plangenehmigung findet nicht statt, jedoch muss das Genehmigungsverfahren den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen, wenn die zivile Nutzung des Flugplatzes mit baulichen Änderungen oder Erweiterungen verbunden ist, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Ein militärischer Bauschutzbereich bleibt bestehen, bis die Genehmigungsbehörde etwas anderes bestimmt. Spätestens mit der Bekanntgabe der Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 gehen alle Rechte und Pflichten von dem militärischen auf den zivilen Träger über.

(6) Die Genehmigung nach § 6 ist nicht Voraussetzung für ein Planfeststellungsverfahren oder ein Plangenehmigungsverfahren.

(7) Absatz 5 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend bei der zivilen Nutzung oder Mitbenutzung eines nicht aus der militärischen Trägerschaft entlassenen Militärflugplatzes.

(8) § 7 gilt für das Planfeststellungsverfahren entsprechend. Vorarbeiten zur Baudurchführung sind darüber hinaus auch vor Eintritt der Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung zu dulden.

(1) Der Antrag auf Erteilung der Genehmigung muss enthalten

1.
den Namen, Wohnsitz oder Sitz des Antragstellers, eine Erklärung über schwebende Strafverfahren und darüber, dass ein Führungszeugnis nach § 30 des Bundeszentralregistergesetzes zur Vorlage bei der Genehmigungsbehörde beantragt worden ist, bei juristischen Personen und Gesellschaften des Handelsrechts außerdem den Namen und Wohnsitz der vertretungsberechtigten Personen sowie auf Verlangen eine Bescheinigung des Registergerichts, dass die Eintragung in das Vereins-, Handels- oder Genossenschaftsregister nur noch von der Erteilung der Genehmigung abhängt,
2.
die Angabe der Staatsangehörigkeit, sofern der Antragsteller eine natürliche Person ist,
3.
den Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers,
4.
die Angaben über die bestehenden örtlichen und baulichen Verhältnisse des Geländes, bei Wasserflughäfen auch über den Verkehr von Wasserfahrzeugen,
5.
eine Beschreibung der geplanten Anlagen und Betriebseinrichtungen sowie der beabsichtigten Flug- und Flughafenbetriebsabwicklung, einschließlich eines Gutachtens zur Luftraumkapazität,
6.
a)
einen Übersichtsplan im Maßstab 1:25 000 mit Höhenschichtlinien, aus dem ersichtlich sind die Grenzen des Flughafens, die Anfluggrundlinien, die Einzelheiten des Ausbauplans, der Bauschutzbereich gegebenenfalls mit einem Vorschlag für Höhenfestlegungen nach den §§ 13 und 15 des Luftverkehrsgesetzes, die Rollbahnen, die Vorfeldflächen, die Bebauungszone mit Bauhöhen und die Luftfahrthindernisse im Bauschutzbereich, bei Wasserflughäfen außerdem die Wassertiefen, die Stromrichtung und -geschwindigkeit, die Fahrrinnen und die Anker- und Anlegestellen für Wasserfahrzeuge,
b)
einen Lageplan des Gebietes bis mindestens zwei Kilometer von den Enden der Start- und Landeflächen und bis mindestens 1,5 Kilometer beiderseits der Anfluggrundlinien im Maßstab 1:5 000 oder 1:2 500 mit den unter Buchstabe a bezeichneten Eintragungen,
7.
a)
je einen Längsschnitt durch die Mittellinie der Start- und Landeflächen mit den Sicherheitsflächen und Anflugsektoren im Längenmaßstab 1:25 000 und im Höhenmaßstab 1:2 500; die höchsten Erhebungen in den genannten Flächen und Sektoren sowie die tiefsten Vertiefungen in den genannten Flächen zu beiden Seiten der Schnittlinie sind deutlich unterscheidbar auf die Längsschnitte zu projizieren,
b)
je einen Längsschnitt durch die unter Buchstabe a bezeichneten Mittellinien bis mindestens zwei Kilometer von den Enden der Start- und Landeflächen im Längenmaßstab 1:5 000 und im Höhenmaßstab 1:500 oder im Längenmaßstab 1:2 500 und im Höhenmaßstab 1:250 mit den unter Buchstabe a zweiter Halbsatz bezeichneten Eintragungen,
c)
Querschnitte durch die Start- und Landeflächen und die Sicherheitsflächen im Maßstab 1:2 500,
8.
bei Flughäfen, die in mehreren Stufen ausgebaut werden, in den nach den Nummern 5 bis 7 beizubringenden Unterlagen eine besonders herausgehobene Darstellung der ersten Ausbaustufe,
9.
ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes über die flugklimatologischen Verhältnisse und über die Möglichkeiten einer Flugwetterberatung,
10.
das Gutachten eines technischen Sachverständigen über das Ausmaß des Fluglärms, der in der Umgebung des Flughafens zu erwarten ist,
11.
bei Sonderflughäfen die Angabe des Zwecks, dem dieser dienen soll.

(2) Die Genehmigungsbehörde kann in Einzelfällen die Vorlage eines Sachverständigengutachtens über die durch den Fluglärm hervorgerufenen Auswirkungen auf die Bevölkerung verlangen, wenn nur so eine sachgerechte Beurteilung der Auswirkungen möglich ist. Die Genehmigungsbehörde kann darüber hinaus noch weitere Unterlagen, insbesondere Sachverständigengutachten, fordern. Sie bestimmt im Übrigen, in wie vielen Ausfertigungen der Antrag und die Unterlagen einzureichen sind.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen den vom Beklagten erlassenen Planergänzungsbeschluss "Lärmschutzkonzept BBI" zum Vorhaben "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" vom 20. Oktober 2009. Sie sind überwiegend Eigentümer von zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken in der Umgebung des Flughafens Berlin-Schönefeld; teilweise sind sie auch Erbbauberechtigte.

2

Der angegriffene Planergänzungsbeschluss (PEB) ergänzt den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld (PFB). Durch den Planfeststellungsbeschluss wurde die Grundlage für den Ausbau des Flughafens zum alleinigen internationalen Verkehrsflughafen für die Region Berlin-Brandenburg geschaffen. A II 5.1.1 PFB regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 bis 6:00 Uhr). In dieser Zeit sollten grundsätzlich nur lärmarme Flugzeuge starten und landen dürfen (5.1.1 Nr. 1). Ausbildungs- und Übungsflüge waren grundsätzlich nicht zulässig (5.1.1 Nr. 4). Abgesehen hiervon sollten Starts und Landungen während der gesamten Nacht zulässig sein.

3

Auf ausgewählte Musterklagen von Anwohnern und Gemeinden hat der Senat den Beklagten durch Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04, 1073.04, 1075.04 und 1078.04 (BVerwG 4 A 1075.04 veröffentlicht in BVerwGE 125, 116) - verpflichtet, u.a. über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs in Teil A II 5.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss den ausgesprochenen Verpflichtungen entgegenstand, hat er ihn aufgehoben. Im Übrigen hat er die Musterklagen abgewiesen.

4

Um der Verpflichtung aus den Urteilen vom 16. März 2006 nachzukommen, hat der Beklagte den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 erlassen. Durch diesen Beschluss hat A II 5.1.1 PFB folgende Fassung erhalten:

5.1.1 Flugbetriebliche Regelungen

Ab Inbetriebnahme der planfestgestellten neuen Südbahn unterliegt der Flugbetrieb folgenden Regelungen:

1) In der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Ortszeit dürfen keine Luftfahrzeuge starten oder landen.

2) In der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr Ortszeit dürfen strahlgetriebene Flugzeuge mit einer maximal zulässigen Abflugmasse von mehr als 20 000 kg auf dem Flughafen nur starten oder landen, wenn sie nachweisen, dass ihre gemessenen Lärmzertifizierungswerte in der Summe mindestens 10 EPNdB unter der Summe der für sie geltenden Grenzwerte gemäß Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) liegen. ...

3) Von den unter Nr. 1) und 2) genannten Regelungen sind ausgenommen:

a) Landungen von Luftfahrzeugen, wenn die Benutzung des Flughafens als Not- oder Ausweichflughafen aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen erfolgt,

b) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die sich im Einsatz für den Katastrophenschutz oder für die medizinische Hilfeleistung befinden oder die für Vermessungsflüge von Flugsicherungsunternehmen bzw. in deren Auftrag eingesetzt werden,

c) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbesuchen und für Regierungsflüge sowie Militär- und Polizeiflüge eingesetzt werden.

4) Von den unter Nr. 1) genannten Regelungen sind ausgenommen:

a) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen im Luftpostverkehr werktags in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis Freitag auf Samstag,

b) verspätete Starts von Luftfahrzeugen im Interkontinental-Verkehr zu Zielen außerhalb Europas sowie außerhalb der nichteuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten, deren planmäßige Abflugzeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit,

c) verspätete Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige Ankunftszeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit und verfrühte Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige Ankunft nach 5:30 Uhr Ortszeit liegt, ab 5:00 Uhr Ortszeit,

d) Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge bis 24:00 Uhr Ortszeit und ab 5:00 Uhr Ortszeit.

5) In der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr Ortszeit sind auch verspätete Landungen von Flugzeugen mit Lärmzulassung nach Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum ICAO-Abkommen im gewerblichen Verkehr gestattet, wenn deren planmäßige Ankunftszeit vor 22:00 Uhr Ortszeit liegt.

6) An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsflügen sind in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr Ortszeit sowie an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig. Nach vorheriger Zustimmung der örtlichen Luftaufsicht können Ausbildungs- und Übungsflüge an Werktagen bis 23:00 Uhr Ortszeit durchgeführt werden, wenn sie nach luftverkehrsrechtlichen Vorschriften über den Erwerb, die Verlängerung oder Erneuerung einer Erlaubnis oder Berechtigung als Führer eines Luftfahrzeugs zur Nachtzeit erforderlich sind und die Flüge nicht vor 22:00 Uhr Ortszeit beendet werden können. Als Feiertag im oben genannten Sinne gilt jeder Feiertag, der in den Gesetzen über die Sonn- und Feiertage der Länder Berlin oder Brandenburg genannt ist.

7) (Triebwerksprobeläufe)

8) ... (Schubumkehr)

9) Zum Schutz der Nachtruhe sind Starts und Landungen bei Flügen nach Instrumentenflugregeln mit Ausnahme der in A II 5.1.1 Nr. 3) genannten Flüge und der im Abschnitt A II 5.1.1 Nr. 4) a) genannten Luftpostflüge wie folgt geregelt:

a) Starts und Landungen sind zwischen 23:00 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 6:00 Uhr bis zu einer jährlichen Nachtverkehrszahl von 12 852 für die Sommer- und Winterflugplanperiode zulässig.

b) Die Nachtverkehrszahl ist die Summe der Starts und Landungen über alle Zeitscheiben, pro Zeitscheibe jeweils multipliziert mit einem Nachtflugfaktor. Die maßgeblichen Nachtflugfaktoren und Zeitscheiben sind wie folgt definiert: Nachtflugfaktor 1 für 23:00 bis 23:30 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 23:30 bis 24:00 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 5:00 bis 5:30 Uhr Ortszeit und Nachtflugfaktor 1 für 5:30 bis 6:00 Uhr Ortszeit.

c) Für jede Flugplanperiode ist die geplante Nachtverkehrszahl im Voraus zu ermitteln. Die geplante Nachtverkehrszahl darf in der Sommerflugplanperiode maximal 71 % (9 125) der zugelassenen jährlichen Nachtverkehrszahl betragen, in der Winterflugplanperiode 29 % (3 727). Drei Jahre nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden Jahre die Aufteilung der jährlich zugelassenen maximalen Nachtverkehrszahl (12 852) auf die Sommer- und Winterflugplanperiode jeweils aus den Durchschnittswerten der Aufteilung der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen auf die Sommer- und Winterflugplanperiode der sechs zurückliegenden Flugplanperioden.

d) Zur Berücksichtigung von Verspätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge muss die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb geht, mindestens um 36 % unter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl der Flugplanperiode liegen (Minderungsbetrag). Drei Jahre nach Inbetriebnahme der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden Flugplanperioden der Minderungsbetrag jeweils als Durchschnittswert der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen aller Verspätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge in den letzten drei Jahren.

e) Sofern nach Ablauf der jeweiligen Flugplanperiode festgestellt wird, dass die maximal zulässige Nachtverkehrszahl aufgrund der tatsächlich durchgeführten Starts und Landungen überschritten wurde, muss in der kommenden Flugplanperiode die geplante Nachtverkehrszahl um den Minderungsbetrag und zusätzlich um den Überschreitungsbetrag unter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl liegen.

f) Die geplante Nachtverkehrszahl und die tatsächliche Nachtverkehrszahl der letzten Flugplanperiode einschließlich einer Flugbewegungsstatistik für die maßgeblichen Zeitscheiben sind der Genehmigungsbehörde unverzüglich zu übermitteln, die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb geht. Der Aufbau und Inhalt der Flugbewegungsstatistik sind mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen.

10) ... (Verteilung der Flüge auf die Start- und Landebahnen)

11) Die Genehmigungsbehörde kann in begründeten Einzelfällen Abweichungen von den vorgenannten flugbetrieblichen Regelungen zulassen.

5

Die Kläger, die bereits gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 geklagt hatten, haben - mit Ausnahme der Kläger zu 8 und 9 - im Anhörungsverfahren rechtzeitig Einwendungen erhoben. Am 16. Februar 2010 haben sie die vorliegenden Klagen erhoben. Sie halten den Planergänzungsbeschluss aus mehreren Gründen für rechtswidrig:

6

In formeller Hinsicht sei zu beanstanden, dass sich die DB Netz AG und die DB Station und Service AG, die gemeinsam mit der Beigeladenen am 17. Februar 2000 einen einheitlichen Planfeststellungsantrag gestellt hätten, am Planergänzungsverfahren nicht beteiligt hätten. Zudem hätten die zahlreichen Gutachten, die erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens vorgelegt worden seien, eine ergänzende Anhörung erforderlich gemacht. Der für den Erlass des Planergänzungsbeschlusses zuständige Beamte sei befangen gewesen.

7

Den Nachtflugbedarf stütze der Beklagte im Kern auf das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten der A. GmbH (im Folgenden: A.) vom 9. Mai 2007 und den in seinem eigenen Auftrag erstellten Abschlussbericht der I. GmbH (im Folgenden: I.) vom Juni 2009. Beide Gutachten litten an Fehlern, die ihre Verwertbarkeit ausschlössen. Die von I. vorgenommene Hochrechnung sei keine den fachlichen Standards genügende Prognosetechnik für eine Verkehrsprognose; das Rechenmodell sei eine "Black Box".

8

Plausible Gründe für den Nachtflugbetrieb seien im Planergänzungsbeschluss nicht dargelegt. Selbst wenn man derartige Gründe bejahe, seien sie nicht - jedenfalls nicht für die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr - geeignet, die gegenläufigen Lärmschutzbelange der Anwohner zu überwinden. Es gehe ausschließlich um die kommerziellen Belange der Beigeladenen und der Fluggesellschaften. Für die luftverkehrliche "Erschließung" der Region sei - wie der Flughafen Tegel bestätige - ein Flugbetrieb zwischen 23:00 und 6:00 Uhr nicht erforderlich. Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zu den regionalwirtschaftlichen Effekten überzeichne die Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen während der Nacht.

9

Die der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten zugrunde gelegten parallelen Abflugstrecken seien aus Gründen der Flugsicherheit nicht vertretbar. Die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen erfordere um mindestens 15Grad divergierende Abflugkurse. Der Planergänzungsbeschluss gehe - wie bereits der Planfeststellungsbeschluss - von im Wesentlichen unzutreffenden Betroffenheiten aus; insbesondere bleibe die Betroffenheit zehntausender zusätzlicher Anwohner außer Betracht.

10

Die Abwägung weise ein erhebliches Ungleichgewicht zu Lasten der Belange der Lärmbetroffenen auf. Die Kontingentierungsregel sei nicht geeignet, dieses Defizit auszugleichen. Der Beklagte habe die Gewichtungsvorgaben des Grundsatzes G 9 des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung vom 30. Mai 2006 (LEP FS) und des § 19 Abs. 11 Satz 1 des Gemeinsamen Landesentwicklungsprogramms der Länder Berlin und Brandenburg vom 1. November 2003 (LEPro) nicht berücksichtigt bzw. sie nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Die Gewichtung der Lärmschutzbelange im Planergänzungsbeschluss sei auch nicht konsistent mit der Gewichtung, die bei der Standortauswahl vorgenommen worden sei. Die Gesundheitsgefährdungen durch nächtlichen Fluglärm habe der Beklagte zu gering gewichtet. Neuere Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung habe er nicht berücksichtigt, sondern sei einem fehlerhaften Gutachten von Herrn Prof. Dr. Sch. gefolgt.

11

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II Ziff. 5.1.1 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 6 und Abs. 9 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

hilfsweise

den Beklagten zu verpflichten,

über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebes in der Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr Ortszeit in Teil A II Ziff. 5.1.1 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 6 und Abs. 9 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

und hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, soweit er diesen Verpflichtungen entgegensteht.

12

Soweit die Klagen ursprünglich auch auf weitergehenden passiven Schallschutz gerichtet waren, haben sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

13

Der Beklagte verteidigt den Planergänzungsbeschluss und beantragt,

die Klagen abzuweisen, soweit sie noch aufrechterhalten sind.

14

Im Übrigen hat auch er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

15

Die Beigeladene beantragt,

die Klagen abzuweisen.

16

Für den Fall, dass es hierauf ankommt, stimmt sie den Erledigungserklärungen zu.

Entscheidungsgründe

17

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen sind die Klagen mit Ausnahme der Klagen der Kläger zu 8 und 9 zulässig, aber nicht begründet.

18

A. Zulässigkeit

19

Die Kläger zu 8 und 9 sind nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie können nicht geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses in eigenen Rechten verletzt zu sein. Sie sind gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG mit allen Einwendungen gegen den Plan ausgeschlossen. Wird ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, haben sich die Einwendungen auf die Fragen zu beziehen, die sich im Ergänzungsverfahren stellen und geregelt werden sollen (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 37). Die Kläger zu 8 und 9 haben im Planergänzungsverfahren, wie sie selbst einräumen, Einwendungen nicht erhoben, obwohl in der Bekanntmachung der Auslegung und der Einwendungsfrist auf die Rechtsfolge der Präklusion hingewiesen wurde (Amtsblatt für Berlin 2007 S. 2713 ).

20

Die Kläger zu 8 und 9 meinen, sie hätten aufgrund der ausgelegten Unterlagen ihre Betroffenheit nicht hinreichend erkennen können. Unterlagen zu den Auswirkungen des Fluglärms und zu grundstücks- bzw. ortsteilbezogenen Dauerschallpegeln und Maximalpegelhäufigkeiten hätten nicht ausgelegen. Dem ist nicht zu folgen. Ausgelegen haben u.a. die "Ermittlung der Fluglärmbelastung auf Grundlage aktueller Prognosen zum Nachtflugverkehr" der Beigeladenen vom 18. Juni 2007 und eine Karte im Maßstab 1 : 50 000 des Nachtschutzgebiets nach der aktuellen, ebenfalls ausgelegten Bedarfsprognose der A. sowie des Nachtschutzgebiets des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 (Beiakte 1). Auf der Basis dieser Unterlagen war es den Einwendern möglich, ihre Lärmbetroffenheit zu erkennen; die Kenntnis der genauen, für ihr Grundstück prognostizierten Lärmbelastung war hierfür nicht erforderlich.

21

B. Begründetheit

22

Die Klagen sind nicht begründet. Die flugbetrieblichen Regelungen in A II 5.1.1 Nr. 1, 4, 6 und 9 PFB i.d.F. des PEB leiden nicht an Fehlern, die zu einem Anspruch der Kläger auf eine erneute Entscheidung führen.

23

I. Verfahren

24

Die von den Klägern geltend gemachten Fehler des Planergänzungsverfahrens liegen nicht vor.

25

1. Nichtbeteiligung der Bahngesellschaften

26

Die Kläger halten den Planergänzungsbeschluss für rechtswidrig, weil sich von den drei Trägern des Vorhabens - Beigeladene, DB Netz AG und DB Station und Service AG - nur die Beigeladene am Planergänzungsverfahren beteiligt habe. Sie meinen, der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses müsse von dem gemeinsamen Willen der ursprünglichen Antragsteller getragen sein; vorliegend lasse sich in keiner Weise erkennen, dass die Bahngesellschaften ein Planergänzungsverfahren durchführen wollten.

27

Der Einwand ist unbegründet. Soweit das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 durch die Musterurteile aufgehoben hatte, war im Planergänzungsverfahren über den von den Trägern des Vorhabens gestellten ursprünglichen Antrag erneut zu entscheiden; ein neuer Antrag der Vorhabenträger war nicht erforderlich. Dass die Bahngesellschaften ihren ursprünglichen Antrag nicht hätten aufrecht erhalten wollen, kann aus ihrer Nichtbeteiligung am Planergänzungsverfahren nicht geschlossen werden. Sie haben den Antrag auf Planfeststellung gemeinsam mit der Beigeladenen gestellt, weil auf dem Flughafengelände auch der Tiefbahnhof errichtet und betrieben werden soll. Die vom Senat in den Urteilen vom 16. März 2006 festgestellten Mängel des Lärmschutzkonzepts haben mit diesem Teil des Vorhabens nichts zu tun. Unabhängig hiervon würde eine fehlende Beteiligung der Bahngesellschaften am Planergänzungsverfahren, selbst wenn sie erforderlich gewesen wäre, die Kläger nicht i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO in ihren Rechten verletzen. Ein etwaiges Antragserfordernis bestünde ausschließlich im öffentlichen Interesse und im Interesse des jeweiligen Antragstellers, nicht im Interesse der Flughafenanwohner.

28

2. Antragsunterlagen

29

Die Kläger meinen weiter, dass die nach Abschluss des Anhörungsverfahrens vorgelegten Unterlagen, insbesondere das vom Beklagten eingeholte I.-Gutachten zum Nachtflugbedarf sowie die lärmmedizinische Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Sch. ein ergänzendes Anhörungsverfahren erfordert hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genüge es zwar, wenn die ausgelegten Unterlagen gegenüber den Anwohnern eine hinreichende Anstoßwirkung erfüllten; es dürfe den Behörden aber nicht erlaubt werden, das Schwergewicht der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen in den Verfahrensabschnitt nach Durchführung des Anhörungsverfahrens zu verlegen mit der Folge, dass die Gutachten erstmalig im gerichtlichen Verfahren erörtert würden.

30

Ein ergänzendes Anhörungsverfahren war entgegen der Auffassung der Kläger nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen nicht alle Unterlagen, die möglicherweise zur umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, ausgelegt werden, sondern nur solche, die - aus der Sicht der potenziell Betroffenen - erforderlich sind, um das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen. Ob Gutachten dazugehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. Das gilt auch für nachträglich eingeholte Gutachten; Anlass, sie auszulegen, besteht nur, wenn die Behörde erkennt oder erkennen muss, dass ohne diese Unterlagen Betroffenheiten nicht oder nicht vollständig geltend gemacht werden können (Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 30, vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344> und vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <224 ff.>). Dass die nachträglich vorgelegten Unterlagen, insbesondere das I.-Gutachten und die lärmmedizinische Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Sch., zum Erreichen der Anstoßwirkung hätten ausgelegt werden müssen, machen die Kläger selbst nicht geltend. Eine hiervon unabhängige Verpflichtung, alle Unterlagen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, bereits im Anhörungsverfahren auszulegen, besteht - wie dargelegt - nicht.

31

3. Befangenheit

32

Als Verfahrensfehler machen die Kläger schließlich geltend, dass der Leiter des für die Planfeststellung von Flugplätzen zuständigen Referats des Beklagten und Unterzeichner des Planergänzungsbeschlusses, Herr Ministerialrat B., befangen gewesen sei.

33

Ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 21 Abs. 1 VwVfG, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 21 Rn. 13; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 21 Rn. 9). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (Beschluss vom 13. September 2007 - BVerwG 4 A 1007.07 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 68 Rn. 14).

34

3.1 Vertraulichkeitszusage gegenüber den Fluggesellschaften

35

Als Befangenheitsgrund machen die Kläger zunächst geltend, der Beklagte habe dem Wunsch der Fluggesellschaften nach Vertraulichkeit ihrer im Planergänzungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen Rechnung getragen und einen Informationsanspruch der Kläger insoweit verneint. Auch im Rahmen der Akteneinsicht im gerichtlichen Verfahren, die in den Räumen des Beklagten habe gewährt werden sollen, habe er die entsprechenden Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt. Eine Entscheidung des Senats darüber, welche Unterlagen den Klägern zur Verfügung gestellt werden müssten, habe er offenbar nicht abwarten wollen. Durch dieses eigenmächtige, von Herrn Ministerialrat B. zu verantwortende Verhalten sei in erheblicher Weise in die prozessualen Rechte der Kläger eingegriffen worden.

36

Die Entscheidungen des Beklagten über den Antrag der Kläger auf Einsicht in die Unterlagen der Luftverkehrsgesellschaften vom 26. Oktober 2009 (Beiakte 18 Bl. 2051) und über den Umfang der bereitgestellten Akten im Rahmen der Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO können eine Befangenheit von Herrn Ministerialrat B. von vornherein nicht begründen. Der Beklagte hat diese Entscheidungen erst nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 getroffen. Die Besorgnis der Befangenheit könnte sich allenfalls aus der von Herrn Ministerialrat B. zu verantwortenden Vertraulichkeitszusage ergeben, die der Beklagte den Luftverkehrsgesellschaften gegeben hat, als er sie um ergänzende Darlegungen zum Nachtflugbedarf bat. In dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 (Beiakte 16 Bl. 968 <972>) heißt es:

"Abschließend ist festzuhalten, dass soweit es sich bei den erfolgten Angaben um interne Betriebsplanungen handelt, die nach Ihrer Einschätzung für die Luftverkehrsgesellschaft wettbewerbsrelevant und damit sensibel sind, diese als solche gekennzeichnet werden können. Diese Angaben werden dann im weiteren Verlauf des Verfahrens vom MIR entsprechend vertraulich behandelt."

37

Sollte der Beklagte damit zugesichert haben, Anträge auf Akteneinsicht bereits deshalb abzulehnen, weil die Luftverkehrsgesellschaften Angaben als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet haben, hätte er Rechte der Kläger verkürzt; die Planfeststellungsbehörde muss selbst prüfen, ob die Angaben der Fluggesellschaften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten und ob dieser Schutz ausnahmsweise zurücktreten muss, weil das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt (§ 1 UIG Bbg i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG). Ein hinreichendes Indiz für eine Voreingenommenheit gegenüber den Klägern wäre diese fehlerhafte Rechtsauffassung allerdings nicht. Die Zusage zielte auf den Schutz der Luftverkehrsgesellschaften vor ihren Wettbewerbern, nicht auf eine Benachteiligung der Kläger. Unabhängig hiervon zeigt das weitere Vorgehen des Beklagten nach Eingang des Akteneinsichtsgesuchs der Kläger, dass er den Luftverkehrsgesellschaften lediglich zusichern wollte, Dritten keine Akteneinsicht zu gewähren, ohne die betroffene Fluggesellschaft hierzu - wie in § 1 UIG Bbg i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 UIG vorgesehen - anzuhören. Eine Zusicherung dieses Inhalts ist nicht geeignet, die Besorgnis der Unparteilichkeit zu begründen.

38

3.2 Aktenführung

39

Als weiteren Befangenheitsgrund machen die Kläger geltend, der Beklagte habe auf Verfügung von Herrn Ministerialrat B. mehrere tausend Seiten Aktenvorgänge in Sonderakten, den "Vertragsakten", geführt. Dadurch sei bewusst versucht worden, die prozessualen Möglichkeiten der Kläger einzuschränken. Außerdem sei bewusst und gezielt die Fertigung von Besprechungsvermerken unterlassen worden.

40

Durch die Ausgliederung der "Vertragsakten", die nicht nur geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, wie etwa die Abrechnungen mit den Sachverständigen und Verfahrensbevollmächtigten, sondern auch sonstigen verfahrensbezogenen Schriftverkehr mit dem jeweiligen Vertragspartner enthalten, hat der Beklagte zwar gegen seine aus § 99 Abs. 1 VwGO folgende Pflicht verstoßen, dem Gericht vollständige Verwaltungsakten vorzulegen. Verfahrensfehler rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit jedoch nur, wenn aus ihnen bei objektiver Betrachtung auf eine unsachliche Einstellung des Amtsträgers gegenüber einem Beteiligten geschlossen werden kann (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 54 Rn. 11). Das wäre der Fall, wenn die Führung der "Vertragsakten" darauf gerichtet gewesen wäre, die Kläger in der Wahrnehmung ihrer über die Akteneinsicht hinausgehenden Rechte zu behindern. Hierfür ist nichts ersichtlich. Der Beklagte hat die "Vertragsakten" nach dem Erörterungstermin vom 21. Juli 2010 auf Aufforderung des Gerichts vorgelegt. Dass die Kläger bestimmte Einwendungen gegen den Planergänzungsbeschluss nicht erheben konnten, weil ihnen die Einsicht in die "Vertragsakten" zunächst vorenthalten worden war, haben sie selbst nicht geltend gemacht.

41

Eine Behörde muss nicht über jede Besprechung einen Vermerk zu den Akten nehmen; lediglich wesentliche Vorgänge müssen in den Akten dokumentiert werden (Kopp/Ramsauer a.a.O. § 29 Rn. 14 ff.; Bonk/Kallerhoff, in: a.a.O. § 29 Rn. 32). Dass ihnen durch den Verzicht auf die Fertigung von Besprechungsvermerken wesentliche Informationen vorenthalten worden sein könnten, zeigen die Kläger nicht auf. Jedenfalls die Ergebnisse der Besprechungen sind in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert. So hat z.B. I. - wie in einer Besprechung vom 17. Oktober 2008 mit dem Beklagten vereinbart - mit E-Mail vom 16. Dezember 2008 eine Beurteilung vom 10. Dezember 2008 des A.-Gutachtens zum Nachtflugbedarf, eine Beurteilung vom 3. Dezember 2008 zu dem Gutachten zu den regionalwirtschaftlichen Effekten und eine Beurteilung der Argumente und Gegenargumente (CADEC) vorgelegt. Diese Vorgänge befinden sich in den Verwaltungsvorgängen (Beiakte 16 Bl. 986 ff.). Als Ergebnis der Besprechung beauftragte der Beklagte I. außerdem, ein eigenes Gutachten zum Nachtflugbedarf zu erstellen (Beiakte 27 Bl. 545). Auch dieses Gutachten ist bei den Akten (Beiakte 17 Bl. 1689 - 1798).

42

II. Materielle Rechtmäßigkeit

43

In der Sache hat der Beklagte bei seiner erneuten, in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts durch eine klarstellende Erklärung präzisierten Entscheidung über die Einschränkung des nächtlichen Flugbetriebs die im Urteil vom 16. März 2006 dargelegte Rechtsauffassung des Senats beachtet. Auch im Übrigen hat er die Belange der Kläger rechtsfehlerfrei abgewogen.

44

1. Anforderungen an eine Regelung des Nachtflugbetriebs

45

Die Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ermächtigt, im Rahmen der Planfeststellung für die Anlegung oder wesentliche Änderung eines Flughafens auch den Flugbetrieb zu regeln. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit (Urteile vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <341> und vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <116>). Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde durch das fachplanerische Abwägungsgebot i.V.m. dem in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Urteile vom 29. Januar 1991 a.a.O. S. 341 und vom 7. Juli 1978 a.a.O. S. 122 f.). Innerhalb dieser Grenzen wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet; die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64>, dort zum Bundesfernstraßengesetz).

46

Die sich aus dem Abwägungsgebot i.V.m. § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG ergebenden Anforderungen an eine Regelung des nächtlichen Flugbetriebs hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 Rn. 267 ff.) und der nachfolgenden Rechtsprechung (Urteile vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 67 - 74, vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 39, 93 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 51) wie folgt konkretisiert:

47

In der sogenannten Nachtkernzeit (0:00 bis 5:00 Uhr) setzt die Zulassung von Nachtflugbetrieb einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraus. Allein die Absicht, dem Flugverkehr, vor allem dem Linien-, Charter- und Frachtverkehr, optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, rechtfertigt es nicht, die Lärmschutzbelange der Anwohner hintanzustellen. Es müssen vielmehr Umstände gegeben sein, die im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughäfen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet sind. Für den Flughafen Berlin-Schönefeld hat der Senat vorgegeben, dass die Nachtkernzeit grundsätzlich frei von Flugaktivitäten bleiben muss (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 290).

48

Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also die Zeit von 22:00 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich. Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden. In den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchsetzen können. Solche Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abdecken kann (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 287 f.).

49

Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrandstunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (Urteile vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <271 f.>, vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 282 und vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Die Bedienung der Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein. Eine Nachfrage nach Verkehren, für die der Flughafen nicht geplant wurde, kann die Zulassung von Nachtflugbetrieb von vornherein nicht rechtfertigen.

50

Die Darlegung einer Nachfrage ist notwendige Voraussetzung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb; sie allein genügt für die Zulassung von Nachtflugbetrieb jedoch nicht. Die Verkehrsinteressen sind nur dann geeignet, sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftverkehrsmarktes betriebliche oder strukturelle Gründe dafür gibt, den Verkehr gerade in den Nachtrandstunden abzuwickeln. Die Planfeststellungsbehörde muss plausibel darlegen, warum der Nachtflugbedarf gerade in der Nacht besteht. Plausible Gründe für die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten können auch dann gegeben sein, wenn es nur um wenige Flugbewegungen geht; die Zahl der Flugbewegungen ist insoweit ohne Bedeutung.

51

Das Gewicht, das einem nachtrandspezifischen Verkehrsbedarf in der behördlichen Abwägung zukommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Maßgebend sind insbesondere die sich aus den Planungszielen ergebende Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz (vgl. Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272). Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz bestimmen die Erwartungen, die berechtigterweise an das Verkehrsangebot zu stellen sind, insbesondere an die Zahl und die Diversität der Destinationen, die Frequenz der Verbindungen und die Erreichbarkeit des Flughafens in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Diese Erwartungen sind entscheidend dafür, ob das Verkehrsangebot ohne die in Rede stehenden Nachtflugverbindungen noch als "befriedigend" (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288) angesehen werden kann. Von Bedeutung kann ferner sein, ob der Bedarf von einem anderen Flughafen nachfragegerecht gedeckt werden könnte (Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272).

52

Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz sind ein zentraler Bezugspunkt für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs; einen von der Abwägung im Einzelfall unabhängigen Vorrang gegenüber den Lärmschutzbelangen der Anwohner verleihen sie dem Nachtflugbedarf nicht. Der Nachtflugbedarf muss im Wege der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis zu den berechtigten Lärmschutzbelangen der Anwohner gebracht werden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288). Nicht nur die Anwohner müssen Beeinträchtigungen hinnehmen; auch bei den Planungszielen können und müssen gegebenenfalls Abstriche gemacht werden.

53

Auch der Umfang der Nachfrage ist für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs relevant. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368> und vom 20. April 2005 a.a.O. S. 268). Mit der Zahl der Flugbewegungen wächst allerdings auch das Gewicht der Lärmschutzbelange. Für die Flughafenanwohner bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug, der unterbleibt, eine Entlastung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 76).

54

2. Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs

55

Ausgehend hiervon hat der Beklagte einen Bedarf für den im Planergänzungsbeschluss zugelassenen Nachtflugverkehr zu Recht bejaht; er hat auch nicht die Bedeutung und das Gewicht dieses Bedarfs verkannt.

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2.1 Nachfrage nach Nachtflügen

57

Zum Nachweis der Nachfrage nach Nachtflügen hat sich der Beklagte nicht auf das von der Beigeladenen vorgelegte A.-Gutachten "Der besondere Bedarf an der Durchführung von Nachtflugbewegungen während der Nachtzeiten am Flughafen Berlin Brandenburg International" vom 9. Mai 2007 (Beiakte 1) gestützt, sondern auf das von ihm selbst in Auftrag gegebene I.-Gutachten "Nachtflugbedarf am Flughafen Berlin Brandenburg International" vom Juni 2009 (Beiakte 17 Bl. 1689 ff. - im Folgenden: Nachtflug-Gutachten). Er hat dem A.-Gutachten zwar die Verwertbarkeit attestiert (PEB S. 69 f.), die von A. ermittelte Zahl von Nachtflugbewegungen jedoch tendenziell für zu hoch erachtet (PEB S. 72 Abs. 1). Die insoweit gegen das A.-Gutachten gerichteten Einwände der Kläger sind mithin nicht entscheidungserheblich.

58

2.1.1 Verwertbarkeit der I.-Nachtflugprognose

59

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (Urteile vom 20. April 2005 a.a.O. S. 275, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 50 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 73). Ausgehend hiervon ist die im I.-Gutachten erstellte Nachtflugprognose nicht zu beanstanden.

60

2.1.1.1 Bestandsaufnahme

61

Als Grundlage der Prognose hat I. die Flugbewegungsdaten der Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld für das Jahr 2008 ausgewertet und auf diese Weise die zeitliche Verteilung des Flugverkehrs aufgeschlüsselt nach Verkehrssegmenten ermittelt (Kapitel 3 des Nachtflug-Gutachtens). Einwendungen gegen diese Bestandsaufnahme haben die Kläger nicht erhoben. Sie rügen allerdings, dass der Ausgangsdatensatz maßgeblich von den Nachtflugbewegungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld mit seiner unbeschränkten Nachtbetriebserlaubnis geprägt werde und zwar in einem Ausmaß, das in keinem Verhältnis zur Bedeutung Schönefelds im Berliner Flughafensystem stehe. Warum dies zu einer Überschätzung des Nachtflugbedarfs führen sollte, ist nicht ersichtlich. Das Nachtflug-Gutachten ermittelt gerade zunächst die Nachfrage nach Nachtflügen bei einem unbeschränkten Nachtflugbetrieb (Kapitel 8) und erst anschließend die Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen (Kapitel 9).

62

2.1.1.2 Hochrechnung

63

In einem zweiten Schritt hat I. aus einer anderen Verkehrsprognose Wachstumsraten 2005 : 2020 für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und mit deren Hilfe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung bis 2008 das Nachtflugaufkommen je Verkehrssegment unter status-quo-Bedingungen auf das Jahr 2020 hochgerechnet (Kapitel 7 des Nachtflug-Gutachtens). Grundlage für die Ermittlung der Wachstumsraten war die "Luftverkehrsprognose Deutschland 2020" vom Dezember 2006 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 18. Oktober 2010 - im Folgenden: Masterplan-Prognose), die I. im Auftrag der Initiative "Luftverkehr für Deutschland" für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur erstellt hat. Die genannte Initiative wurde im Jahr 2003 von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der Flughafen München GmbH, der Fraport AG und der Deutsche Lufthansa AG unter der Schirmherrschaft des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegründet (Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur, Dezember 2006, http://www.initiative-luftverkehr.de/fileadmin/Downloads/ILfD-Master plan.pdf, S. 3). Die Masterplan-Prognose hat für alle deutschen Flughäfen ab 1 Mio. Passagiere (Stand 2005) sowohl das Flugbewegungs- als auch das Passagieraufkommen in 2020 prognostiziert; Basisjahr der Prognose ist das Jahr 2005 (Masterplan-Prognose S. 2). Die Prognosen wurden mit Hilfe eines Gesamtverkehrsmodells errechnet, dessen Ursprünge auf die Bundesverkehrswegeplanung zurückgehen (a.a.O. S. 6). In einem ersten Schritt wird das Gesamtverkehrsaufkommen, darunter das flughafenunabhängige Luftverkehrsaufkommen, in Form einer nach Marktsegmenten differenzierten Quelle-Ziel-Matrix für den Ist-Zustand aus empirischen Grundlagen ermittelt und unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Entwicklung und der Entwicklung des Verkehrsangebotes und der Nutzerkosten aller Verkehrszweige prognostiziert. In einem zweiten Schritt erfolgt die Aufteilung des Luftverkehrsaufkommens auf die Flughäfen durch ein Flughafen-Wahlmodell, das die landseitige Erreichbarkeit und das Luftverkehrsangebot der Flughäfen berücksichtigt (a.a.O. S. 6). Die Quelle-Ziel-Matrix umfasst die Verkehrsströme zwischen allen Quellen (Raumeinheiten, hier Kreisregionen im Inland und 342 Auslandsregionen) und Zielen, ebenfalls in Raumeinheiten (a.a.O. S. 7). Sie ist sachlich gegliedert nach Verkehrsmitteln (Flugzeug, Bahn, motorisierter Individualverkehr, Bus), Reisezwecken (geschäftlich, privat, sonstiger Privatverkehr) sowie nach out- und inbound (a.a.O. S. 9). Sie basiert auf hochgerechneten Fluggastbefragungen, die mit den Relationsstatistiken des Statistischen Bundesamtes und entsprechenden Statistiken des Auslands abgeglichen werden (a.a.O. S. 12).

64

Die Hochrechnung mit den aus dieser Prognose abgeleiteten Wachstumsraten ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens in 2020 auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld. Sie ist keine schlichte Trendprognose. Ob eine solche genügen würde, kann deshalb offen bleiben (vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 107). I. hat nicht die Entwicklung des Nachtflugverkehrs in der Vergangenheit nach Maßgabe eines sich daraus ergebenden Trends fortgeschrieben, sondern aus einer Modellprognose für den Gesamtverkehr Wachstumsraten für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und diese der Entwicklung des Nachtflugverkehrs zugrunde gelegt. Den Flugverkehr unmittelbar durch eine Modellprognose zu ermitteln, wäre auf der Grundlage der vorhandenen Daten nicht möglich gewesen; die zeitliche Lage der Verkehrsströme (Tag/Nacht) ist in den vorhandenen Quelle-Ziel-Matrizes nicht hinterlegt (I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 32).

65

Die der Hochrechnung zugrunde liegende Hypothese, dass sich im Prognosezeitraum zwar das Aufkommen des jeweiligen Verkehrssegments, nicht aber die zeitliche Struktur innerhalb des Segments und damit das Verhältnis von Tag- und Nachtflügen ändert, ist plausibel. Sie wird durch die zu erwartende Veränderung der Verkehrsstruktur am ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld als alleinigem Flughafen für Berlin nicht infrage gestellt. Die Wachstumsraten sind nicht für den Gesamtverkehr, sondern spezifisch für die einzelnen Verkehrssegmente ermittelt worden.

66

Für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld hat die Masterplan-Prognose für das Jahr 2020  33,2 Mio. Passagiere und 367 000 Flugbewegungen prognostiziert (Masterplan-Prognose S. 72, 90). Sie weist die Flugbewegungen nicht segmentspezifisch aus, sondern unterscheidet lediglich zwischen Passagierverkehr, Fracht/Post und Allgemeiner Luftfahrt (a.a.O. S. 90). Den Gesamtbewegungszahlen liegt jedoch eine Erfassung der Flugbewegungen je Flughafen mit folgenden Angaben zugrunde: von Flughafen, nach Flughafen, Verkehrsart (Passage, Fracht, sonstige), Airline (Allianz), Anzahl Passagiere, Anzahl t Fracht, Anzahl Flugbewegungen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16). Mit diesen Zusatzinformationen lassen sich die Flugbewegungen den für das Nachtflug-Gutachten definierten Verkehrssegmenten (vgl. Nachtflug-Gutachten S. 20 f.) zuordnen. Dass I. die Flugbewegungen in der Masterplan-Prognose teilweise nach anderen Gesichtspunkten aggregiert hat - so sind z.B. Hub-Flüge im Sinne der dortigen Tab. 3-8 (Masterplan-Prognose S. 41 ff.) nur Interkontinentalflüge und mit den Hub-Feeder-Flügen des Nachtflug-Gutachtens nicht zu vergleichen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16 f.) -, stellt die Plausibilität dieses Vorgehens nicht infrage.

67

Das dargelegte, der Masterplan-Prognose zugrunde liegende Gesamtverkehrsmodell ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des künftigen Luftverkehrsaufkommens an einem bestimmten Flughafen. Das kann der Senat auf der Grundlage der Masterplan-Prognose, des Nachtflug-Gutachtens, der ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen von I. und der Erläuterungen von Herrn Dr. Schu. in der mündlichen Verhandlung feststellen. Dem Antrag der Kläger, dem Beklagten aufzugeben, sämtliche Informationen wie Verkehrsströme, Fluggastbefragungen, Reiseanalysen, Mobilitätsdaten oder OAG-Weltflugplan, welche der durch die I.-Prognose in Bezug genommenen Masterplan-Prognose zugrunde liegen, beizubringen und den Klägern nach Vorlage dieser Unterlagen entsprechende Akteneinsicht zu gewähren, brauchte er nicht zu entsprechen. Die Ermittlung der Wachstumsraten ist auch ohne Offenlegung der genannten Unterlagen keine "Black Box". Inwieweit die Ausgangsdaten und die Verarbeitungsschritte einer Verkehrsprognose dokumentiert werden müssen, um deren Verwertbarkeit überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die sich nicht allgemeingültig beantworten lässt (Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 24 und vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 44). Ob - wie I. geltend macht - die Quelle-Ziel-Matrizes Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, kann offen bleiben; etwaige Dokumentationsdefizite würden dadurch nicht unbeachtlich. Soweit die Daten erforderlich sind, um die Verwertbarkeit des Gutachtens zu beurteilen, ist es im Grundsatz Sache des Auftraggebers, bei Erteilung des Gutachtenauftrags sicherzustellen, dass der Gutachter ihm die erforderlichen Daten übergibt. Hat der Auftraggeber dies unterlassen, kann zwar auch das Gericht die Vorlage der Daten nicht erzwingen; die fehlende Offenlegung geht jedoch zulasten des Auftraggebers, das Gutachten ist nicht verwertbar. Hier brauchte der Beklagte, soweit es um die Wachstumsraten geht, eine über die Vorlage der Masterplan-Prognose und die im gerichtlichen Verfahren nachgelieferten Erläuterungen hinausgehende Dokumentation nicht zu verlangen. Auch wenn er die Nachtflugprognose selbst erstellt hätte, wäre eine weitergehende Dokumentation nicht erforderlich gewesen. Dies folgt zwar entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein daraus, dass die Masterplan-Prognose aus Sicht des Nachtflug-Gutachtens eine externe Quelle ist. Es kommen hier jedoch mehrere Umstände hinzu: Die Masterplan-Prognose wurde weder speziell für den Flughafen Berlin-Schönefeld noch zur Ermittlung des Nachtflugbedarfs erstellt, sondern für eine realistische Bedarfsplanung der deutschen Luftverkehrswirtschaft insgesamt; die Gefahr, dass Wertungen und Ausgangsdaten mit Blick auf ein bestimmtes Prognoseergebnis ausgewählt wurden, besteht mithin nicht. Allenfalls mangelnde Sorgfalt oder Sachkunde des Gutachters hätten zu Fehlern führen können. Dagegen spricht indes, dass die Prognose bereits mehrfach verwendet worden ist und dabei jeweils Anerkennung gefunden hat. Sie wurde zunächst von der Initiative "Luftverkehr für Deutschland" für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur vom Dezember 2006, sodann von der Bundesregierung für ihr Flughafenkonzept 2009 (S. 17 - 19) verwendet. Die der Masterplan-Prognose zugrunde liegenden Daten wurden für die Nachtverkehrsprognose für den Flughafen Leipzig/Halle ausgewertet. Der Senat hat diese Prognose nicht beanstandet; er ist davon ausgegangen, dass die Methodik der Masterplan-Prognose wissenschaftlichen Ansprüchen genügt (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 67 f.). Das Gesamtverkehrsmodell findet im Übrigen auch in der Bundesverkehrswegeplanung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Verwendung. Das BMVBS hat für die Fernstraßenplanung die Verwendung der Daten der Bedarfsplanprognose bzw. der Bundesverkehrswegeplanung sogar vorgegeben (Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 110 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 77). Gegen die der Masterplan-Prognose zugrunde gelegten Annahmen zur Entwicklung der Rahmenbedingungen der Luftverkehrswirtschaft bestehen ebenfalls keine Bedenken; sie sind mit einem projektbegleitenden Arbeitskreis, dem u.a. das BMVBS und Fachministerien der Länder angehörten, abgestimmt worden (Masterplan-Prognose S. 4; I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 5 f., 28). Vor diesem Hintergrund hätte es konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, dass bei der Aufnahme der Grundlagendaten und den Zwischenberechnungen Fehler unterlaufen oder dass unvertretbare Einzelwertungen getroffen worden sein könnten. Solche Anhaltspunkte bestehen nicht; auch die Kläger haben sie nicht aufgezeigt.

68

Die Masterplan-Prognose war bei Erlass des Planergänzungsbeschlusses noch hinreichend aktuell. Die Basisdaten wurden nicht - wie von den Klägern geltend gemacht - aus der für den Bundesverkehrswegeplan 2003 erstellten Prognose übernommen, sondern auf das Jahr 2005 aktualisiert; lediglich die Methodik der damaligen Prognose blieb im Wesentlichen unverändert. Den vorübergehenden Einbruch der Weltwirtschaft Ende des Jahres 2008 konnte die Masterplan-Prognose nicht berücksichtigen. Die Erwartung, dass der Konjunktureinbruch die Entwicklung des Luftverkehrs nicht nachhaltig beeinflussen würde, war jedoch bezogen auf den Prognosehorizont 2020 nicht unrealistisch. Auch die aktuelle, im Jahr 2006 nicht absehbare Ölpreisentwicklung steht der Verwertbarkeit der Masterplan-Prognose für das Nachtflug-Gutachten nicht entgegen. Als bestimmenden Faktor für die Entwicklung des Luftverkehrs hat die Masterplan-Prognose nicht den Ölpreis selbst, sondern nur u.a. die Luftverkehrspreise eingestellt und bei diesen neben den Ölpreisen eine Reihe von weiteren preistreibenden und preissenkenden Faktoren verglichen (Masterplan-Prognose S. 32 - 35). Die außergewöhnliche Entwicklung eines einzelnen Faktors stellt die Stimmigkeit des Gesamtergebnisses nicht infrage.

69

2.1.1.3 Glättung

70

Um die zeitliche Verteilung der Nachfrage zu ermitteln, die sich auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld bei einem nicht beschränkten Flugbetrieb einstellen würde, hat I. in einem dritten Prognoseschritt die unter status-quo-Bedingungen errechnete Nachfragekurve "geglättet" (Kapitel 8 des Nachtflug-Gutachtens). Sie hat für jeden Zeitpunkt die Flugbewegungen aufsummiert, die bis 30 Minuten vor- und 30 Minuten nachher stattfinden, die Werte gemittelt und angetragen. Einbezogen in dieses Verfahren hat sie nur die Flugbewegungen, die auf die Flughäfen Tegel und Tempelhof entfallen; am Flughafen Berlin-Schönefeld ist der Flugbetrieb bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn ohnehin zeitlich unbeschränkt zulässig.

71

Der Glättung liegt die Annahme zugrunde, dass ein Teil der Flugbewegungen, die sich kurz nach Betriebsbeginn in Berlin-Tegel und kurz vor dem dortigen Betriebsende "stauen", ohne die Betriebsbeschränkungen in die bisherige Betriebspause hinein verlagert würden. Das ist plausibel. Nichts spricht dafür, dass der starke Anstieg der Flugbewegungen nach 6:00 Uhr und der abrupte Abfall nach 23:00 Uhr allein auf die Nachfrage zurückzuführen ist.

72

Die Plausibilität wird durch die Kontrollrechnungen der Kläger nicht infrage gestellt. Sie machen geltend, dass das Gutachten Gründe für den im Vergleich zum Gesamtverkehr überproportionalen Anstieg des Nachtflugverkehrs nicht aufzeige. Besonders deutlich werde die unterschiedliche Entwicklung von Gesamt- und Nachtverkehr beim Low-Cost-Verkehr. Die Zahl der Flugbewegungen in diesem Segment solle von 89 157 in 2008 (Nachtflug-Gutachten S. 31 Tab. 3-4) auf 144 434 in 2020 (a.a.O. S. 85 Tab. 8-2), also um 62 % steigen. Die Zahl der Nachtflugbewegungen steige im gleichen Zeitraum von 4 325 auf 7 670, also um 77 %, die Zahl der Flugbewegungen zwischen 23:00 und 6:00 Uhr von 278 auf 1 057, also um 280 %. Da die Hochrechnung von einheitlichen Wachstumsraten für Tag und Nacht ausgeht, ist das überproportionale Wachstum der Nachtflugbewegungen rechnerisch eine Folge der Glättung. Dass der Nachtflugverkehr insgesamt bei einem unterstellten Wegfall der zeitlichen Betriebsbeschränkungen auch real stärker wachsen wird als der Tagflugverkehr, ist - wie dargelegt - plausibel und zwar auch in der für den Low-Cost-Verkehr prognostizierten Größenordnung. Die große prozentuale Steigerung für die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr ist in erster Linie auf die geringe absolute Zahl von Flugbewegungen in diesem Zeitraum unter status-quo-Bedingungen (278 Flugbewegungen - a.a.O. S. 31 Tab. 3-4) zurückzuführen - der Low-Cost-Verkehr wird anders als die touristischen Verkehre überwiegend auf dem Flughafen Tegel abgewickelt - und die im Verhältnis dazu große absolute Zahl von Flugbewegungen insgesamt (144 434 Flugbewegungen) und dementsprechend auch zwischen 22:30 und 23:00 Uhr (2 634 Flugbewegungen - a.a.O. S. 80 Tab. 7-1) sowie nach 6:00 Uhr. Der "Stau-Effekt" ist bei einem aufkommensstarken Verkehrssegment mit hohem Nachtfluganteil stark; das ist nicht unplausibel.

73

Die Glättung führt auch in den Zeitsegmenten von 22:00 bis 22:30 Uhr zu einem Anstieg der Flugbewegungen von 7 872 (Nachtflug-Gutachten S. 81 Tab. 7-2) auf 8 325 (a.a.O. S. 89 Tab. 8-5). Das ist rechnerisch die Folge davon, dass zwischen 21:30 und 22:00 Uhr deutlich mehr Flugbewegungen stattfinden als von 22:00 bis 22:30 Uhr. Die Glättung führt auf der anderen Seite für die Zeit von 22:30 bis 23:00 Uhr zu einer Verringerung der Flugbewegungen von 7 005 auf 6 253. Insoweit ist die Glättung lediglich ein statistisches Verfahren zur verfeinerten Betrachtung der Halbstundensegmente.

74

2.1.1.4 Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen

75

Im letzten Prognoseschritt hat I. ein mögliches Modell für eine Regelung des Nachtflugbetriebs entwickelt (Nachtflug-Gutachten S. 100 Tab. 9-2) und ausgehend hiervon die Zahl der Nachtflugbewegungen in 2020 prognostiziert (a.a.O. S. 102 Tab. 9-4). Das Betriebsmodell entspricht weitgehend den im Planergänzungsbeschluss getroffenen Regelungen, lässt aber von 5:00 bis 5:30 Uhr und von 23:30 bis 24:00 Uhr Flugverkehr weitergehend zu. Bei diesem Betriebsmodell wird sich die Zahl der Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 nach Einschätzung von I. von 76,6 (a.a.O. S. 101 Tab. 9-3) auf 71,1 (a.a.O. S. 102 Tab. 9-4), also um 5,5 Flugbewegungen, verringern.

76

Die Kläger vermissen eine Begründung dafür, wann von einer Verschiebung und wann von einem Entfallen eines Fluges auszugehen sei. Herr Dr. Schu. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass ein Flug, der umlaufbedingt für die Kernzeit der Nacht geplant werde, bei einem Nachtflugverbot in der Regel ersatzlos entfalle. Eine Verschiebung um bis zu 30 Minuten in die Nachtrandzeiten habe man hingegen in der Regel als möglich angesehen; dieser Zeitraum sei eine Setzung. Im Übrigen könnten sich im Zielgebiet ansässige Fluggesellschaften auf nächtliche Betriebsbeschränkungen besser einstellen als Home-Base-Carrier. Da die Durchführung eines Fluges auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, die nicht nur von den Betriebszeiten des Flughafens, sondern einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängt, ist die Prognose, wie sich Beschränkungen des Flugverkehrs auf das Flugangebot auswirken, mit großen Unsicherheiten behaftet. Eine Überprüfung konkreter Umlaufplanungen ist - wie noch darzulegen sein wird - nicht möglich. Welche weiteren Ermittlungen I. zur Ermittlung der Verschiebbarkeit von Flügen hätte anstellen sollen, ist nicht ersichtlich. Dass Flüge, die kurz nach Ende oder kurz vor Wiederbeginn des Betriebs geplant sind, leichter verschoben werden können als Flüge mitten in der Kernzeit, ist plausibel. Ausgehend hiervon hält sich die Annahme, dass Flüge bei einer zeitlichen Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der Regel entfallen, wenn sie um mehr als 30 Minuten verschoben werden müssten, innerhalb des für eine solche Prognose erforderlichen Wertungsrahmens.

77

2.1.2 Ergänzende Prognose des Beklagten

78

Der Beklagte hat die von I. vorgeschlagenen Betriebsregelungen, die in bestimmten Verkehrssegmenten und in bestimmten Jahreszeiten Flugbetrieb von 5:00 bis 24:00 Uhr vorsahen, nicht vollständig übernommen. Er hat den Nachtbetrieb weitergehend beschränkt; Flugbetrieb ist grundsätzlich nur von 5:30 bis 23:30 Uhr zulässig. Ausgehend von dem in Tabelle 9-4 des Nachtflug-Gutachtens (S. 102) ermittelten Bedarf hat er die planmäßigen Flugbewegungen in den halben Stunden vor und nach der Kernzeit auf die nächstliegenden halben Stunden verlagert (vgl. E-Mail des Beklagten an I. vom 24. August 2009, Beiakte 17 Bl. 1880). Das Ergebnis dieser Anpassungen findet sich in der Tabelle auf S. 147 des Planergänzungsbeschlusses.

79

Der Beklagte hat sodann die Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 ausgehend von der in der Masterplan-Prognose ermittelten deutschlandweiten durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 % pro Jahr auf das Jahr 2023 - das ist der Prognosehorizont der dem Antrag auf Planfeststellung zugrunde liegenden Verkehrsprognose - weiter hochgerechnet und zwar auf 77 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht und 103 Flugbewegungen in der typischen Spitzennacht (PEB S. 148).

80

2.1.3 Plausibilität des Gesamtergebnisses

81

Das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose ist plausibel. Die vom Beklagten auf der Grundlage des I.-Gutachtens ermittelten Flugbewegungszahlen entsprechen in ihrer Größenordnung den Flugbewegungszahlen, die bereits im Planfeststellungsverfahren für die Fluglärmberechnungen ermittelt wurden. Die damaligen Lärmberechnungen gingen von 16 734 Flugbewegungen (ohne Hubschrauber; 17 074 incl. Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Prognosejahres 20XX aus (Gutachten M 2 S. 31 Tab. 3-14 und 3-15, Beiakte 235 ). Auf der Grundlage der Verkehrsverteilung der letzten Jahre war festgelegt worden, dass 60 % der gesamten Flugbewegungen eines Jahres auf die sechs verkehrsreichsten Monate entfallen (a.a.O. S. 51). Der Beklagte hat für das Jahr 2023  28 068 Flugbewegungen (ohne Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr prognostiziert (Darstellung der Planfeststellungsbehörde vom 1. September 2009 zur Entwicklung der Nachtflugbewegungen von 2008 bis 2023 im Planergänzungsbeschluss, S. 7 Tab. B.3). Das entspricht 16 840 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten und damit ziemlich genau den im Planfeststellungsverfahren für den Prognosehorizont 20XX ermittelten Flugbewegungen. Bei diesem Vergleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Prognosejahr 20XX 360 000 Flugbewegungen/Jahr erreicht sein sollen (a.a.O. S. 29), I. in seinem Nachtflug-Gutachten (S. 78) aber bereits für das Jahr 2020 von 367 000 Flugbewegungen ausgegangen ist. Der Vergleich bestätigt jedoch, dass das dem Planergänzungsbeschluss zugrunde liegende Prognoseergebnis nicht aus dem Rahmen bisheriger Prognosen fällt. Es bleibt im Übrigen auch unter den Flugbewegungszahlen, die A. im Auftrag der Beigeladenen ermittelt hat (PEB S. 71).

82

Die Plausibilität des Prognoseergebnisses wird durch den von den Klägern vorgelegten Modellflugplan 2015 (Anlage K 66 zum Schriftsatz vom 31. August 2011), der zwischen 5:30 und 6:00 Uhr nur zwei, zwischen 23:00 und 23:30 Uhr nur vier Flugbewegungen vorsieht, nicht infrage gestellt. Der Planergänzungsbeschluss geht für die genannten Zeitsegmente zwar von erheblich mehr, nämlich von 10,0 bzw. 13,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147); ein Vergleich dieser Zahlen ist jedoch nicht aussagekräftig. Der Modellflugplan 2015 wurde für einen anderen Zweck und nach anderen Grundsätzen erstellt als die Nachtflugprognose im Planergänzungsverfahren. A. hat den Modellflugplan im Jahr 2010 für die Beigeladene erstellt, um zu ermitteln, zu welchen Tageszeiten zeitgleiche Abflüge von beiden Bahnen benötigt werden. Flüge, die bei unbeschränktem Verkehr zwischen 23:30 und 5:30 Uhr geplant würden, wurden, weil für die Fragestellung nicht relevant, für den Modellflugplan ersatzlos gestrichen. Bemessungstag ist zudem ein konkreter Flugplantag, nicht ein gemittelter Durchschnittstag. Im Übrigen sind die Unterschiede zwischen beiden Prognosen bei einem Vergleich der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr insgesamt erheblich geringer als in den von den Klägern betrachteten Zeitsegmenten.

83

Die Kläger machen geltend, der Nachtflugbetrieb entspringe nicht den Wünschen und der Nachfrage der Fluggäste, sondern allenfalls den Wünschen der Fluggesellschaften. Zum Beweis der Tatsache, dass die durch die Fluggäste begründete Nachfrage nach Luftverkehrsdienstleistungen gerade nicht auf Nachtflüge gerichtet sei und dass seitens der Fluggäste als maßgebliche Nachfrager eine (Flug-)Reisezeit während der Nacht weit überwiegend abgelehnt werde, haben sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt (Beweisantrag Nr. 3). Die unter Beweis gestellte Tatsache ist nicht entscheidungserheblich. Maßgebend für den Nachtflugbedarf ist nicht die innere Haltung der Fluggäste, sondern ihr tatsächliches Nachfrageverhalten. Dieses ist uneinheitlich und wird nicht nur durch die Flugzeiten, sondern durch eine Vielzahl weiterer Faktoren, u.a. durch den Flugpreis, bestimmt. Zum tatsächlichen Nachfrageverhalten liegt mit dem Nachtflug-Gutachten von I. ein verwertbares Gutachten vor. Unabhängig hiervon werden die Ergebnisse dieses Gutachtens durch die von den Klägern vorgelegte Emnid-Umfrage (Anlage K 67 zum Schriftsatz vom 31. August 2011) nicht infrage gestellt. Auch nach dem Gutachten werden Flüge in 2020 weit überwiegend während des Tages und nur zu etwa 7 % während der Nacht nachgefragt. In dieser Größenordnung haben auch die von Emnid Befragten angegeben, am liebsten während der Nachtstunden abzufliegen (11 %) oder anzukommen (7 %). Anhaltspunkte dafür, dass die Luftverkehrsgesellschaften, um eine Nachfrage nach Nachtflügen hervorzurufen, verlustbringende Flüge durchführen, hat der Beklagte im Übrigen nicht festgestellt (PEB S. 77 Abs. 4). Seine Ermittlungen haben vielmehr ergeben, dass in der Nacht signifikant mehr Passagiere pro Flug befördert werden als am Tag (PEB S. 112 Abs. 2).

84

2.2 Planungsziele

85

Die Verkehre, die der Beklagte in der Nacht zugelassen hat, sind von den Planungszielen für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld umfasst. Die Planungsziele ergeben sich aus dem Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenausbau vom 13. August 2004. Die Planfeststellungsbehörde hat sie im Planergänzungsbeschluss zutreffend zusammengefasst. Der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld dient hiernach dem durch die Landesplanung vorgegebenen Ziel, den künftigen nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen Flughafenstandort zu decken (PEB S. 160 Abs. 5, S. 161 Abs. 3). Durch die Bündelung der Verkehrsströme von den bisherigen Standorten Tegel, Tempelhof und Schönefeld auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld soll ein Flughafen für die Hauptstadt Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg entstehen, dessen Verkehrsbedeutung zwar nicht an die größeren Flughäfen Frankfurt Main und München heranreichen wird, der aber doch eine herausragende, über die bisherigen Berliner Flughäfen hinausgehende Bedeutung erlangt (PEB S. 162 Abs. 3) und damit zu einem insgesamt verbesserten Flugangebot führt. Durch einen Zuwachs der Umsteigeverkehre soll insbesondere der in Berlin bisher nur schwach ausgeprägte (PEB S. 101 Abs. 2) Interkontinentalverkehr stärker entwickelt werden. Nicht zuletzt hierfür wird der Flughafen erstmals mit Start- und Landebahnen von mehr als 3 500 m Länge ausgestattet (PFB S. 335). Darüber hinaus soll der ausgebaute Flughafen spezifische Funktionen Berlins als Hauptstadt und Regierungssitz erfüllen. Unter anderem im Hinblick hierauf hat das Bundesministerium für Verkehr als oberste Luftfahrtbehörde der Bundesrepublik Deutschland das öffentliche Interesse des Bundes am Ausbau des Flughafens bejaht (PFB S. 344 Abs. 6). Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang schließlich das Ziel, durch den Ausbau des Flughafens die regionale Wirtschaftskraft Berlins und Brandenburgs zu stärken und zu erhalten (PEB S. 148 f.; PFB S. 348 f.). Dieses Ziel ist für sich allein betrachtet zwar nicht geeignet, die Zulassung von Nachtflugverkehr zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 52; Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62). Es kann jedoch für die Gewichtung eines Verkehrsbedarfs von Bedeutung sein.

Sämtliche Verkehre, die der Beklagte während der Nacht zugelassen hat, sind von den dargelegten verkehrlichen Planungszielen umfasst. Das gilt auch für Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung. Ihre Zulassung dient nicht allein der Stärkung der Region als Standort von Instandhaltungsbetrieben, sondern in erster Linie der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs im Passagier- und Frachtverkehr (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 -
BVerwG 4 A 3001.07
- Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 75).2.3 Nachtfluggründe
88

Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss sachliche Gründe, weshalb die einzelnen Verkehre nicht befriedigend innerhalb der Tagstunden abgewickelt werden können, plausibel dargelegt.

89

2.3.1 Hub-Feeder-Verkehr

90

Die sinnvolle Vernetzung eines Flughafens mit in- und ausländischen Passagierdrehkreuzen ist ein Grund für die Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden; das ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 41 ff.). Der Beklagte hat dargelegt, dass bereits heute die Beschränkung der Betriebszeit in Berlin-Tegel auf 6:00 bis 23:00 Uhr dazu führt, dass die vorhandene Nachfrage nach Hub-Feeder-Flügen nicht ausreichend befriedigt werden kann (PEB S. 85 Abs. 2). Der erste Flug nach Frankfurt Main (Abflug 6:00 Uhr, Ankunft 7:10 Uhr) erreiche die Anschlüsse zu bedeutsamen Metropolen wie Barcelona, Genf, Madrid, Mailand und Rom, zu denen es keine Direktflüge der Lufthansa gebe, nicht mehr. Der letzte Abbringer (Abflug 21:45 Uhr, Ankunft 22:50 Uhr) könne Verbindungen aus Genf, Madrid, Mailand und Rom ebenfalls nicht herstellen (PEB S. 82 Abs. 2, 3). Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass wichtige Zu- und Abbringerflüge zu und von in- und ausländischen Drehkreuzflughäfen nur nachfragegerecht durchgeführt werden können, wenn zumindest die Randstunden bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr für planmäßigen Flugbetrieb zur Verfügung stehen (PEB S. 112 Abs. 5), nicht zu beanstanden.

91

Die Kläger wenden ein, dass die genannten Metropolen bereits heute von Berlin aus überwiegend direkt angeflogen würden. Direktverbindungen einer Luftverkehrsgesellschaft stellen die Berechtigung von nächtlichen Hub-Feeder-Flügen einer anderen Luftverkehrsgesellschaft jedoch nicht infrage. Das Luftverkehrsnetz, in das der Flughafen durch Hub-Feeder-Flüge eingebunden werden soll, besteht nicht zwischen den Flughäfen als solchen; es entsteht erst durch die von einer Luftverkehrsgesellschaft und den mit ihr in einer Allianz assoziierten Partnern unterhaltenen Drehkreuze und die von ihnen angebotenen Flugverbindungen. Ob es für eine Luftverkehrsgesellschaft sinnvoll ist, einen Hub-Feeder-Flug anzubieten, hängt nicht von der Sinn- und Dauerhaftigkeit jeder einzelnen Drehkreuzverbindung ab (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 46). Ein Hub-Feeder-Flug verbessert die Einbindung des Flughafens in das Luftverkehrsnetz auch dann, wenn sich die Passagiere auf eine größere Zahl von Anschlussflügen verteilen, jedem einzelnen Anschlussflug für sich betrachtet also nur eine geringe Bedeutung zukommt.

92

Die Kläger legen weiter dar, dass die Fluggesellschaften bislang den Zu- und Abbringerverkehr vom Flughafen Tegel zu den von ihnen unterhaltenen Drehkreuzen zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abwickeln und die Betriebszeit teilweise nicht einmal ausschöpfen. Dass der Hub-Feeder-Verkehr einen weitergehenden Nachtflugbetrieb nicht erfordert, folgt daraus nicht. Auf dem Flughafen Tegel muss der Hub-Feeder-Verkehr bereits wegen des dort geltenden Nachtflugverbots zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt werden. Die Zahl von nächtlichen Hub-Feeder-Flügen wird zwar insbesondere zwischen 23:00 und 23:30 Uhr gering sein - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von 0,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) -; auch diese wenigen Flugverbindungen sind jedoch geeignet, die Einbindung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld in das Luftverkehrsnetz zu verbessern und für die Zukunft zu sichern.

93

Anhaltspunkte dafür, dass die ersten Knoten nach dem Ausbau der Flughäfen Frankfurt Main und München - wie die Kläger meinen - später und die letzten Knoten früher beginnen werden, sind nicht ersichtlich. Nach Einschätzung des Beklagten wird die Erweiterung der Kapazitäten an den beiden Flughäfen vielmehr dazu führen, dass die Anzahl der Flüge steigt, für die eine Anschlussverbindung nach Berlin nicht mehr besteht (PEB S. 83 Abs. 2). Entgegen der Auffassung der Kläger muss auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Fluggesellschaften aufgrund der künftigen Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld auf dessen Nachtbetriebsregelung einstellen und für Anschlussverbindungen sorgen werden. Die Knotenstrukturen an den Drehkreuz-Flughäfen haben sich über einen längeren Zeitraum gebildet. Sie sind in erster Linie abhängig von der geographischen Lage des Flughafens und den Entfernungen zu den Hauptzielgebieten (A.-Gutachten S. 38). In diese Strukturen müssen sich alle anzubindenden Anschlüsse einfügen. Dass die Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld so weit wachsen könnte, dass er seinerseits die Knotenstrukturen prägt, liegt fern.

94

2.3.2 Direktverbindungen der konventionellen Fluggesellschaften

95

Für den Point-to-Point-Verkehr der konventionellen Fluggesellschaften hat der Beklagte dargelegt, dass dieser Verkehr weitgehend im Tagflugbetrieb durchgeführt und sich hieran auf absehbare Zeit nichts ändern wird (PEB S. 89 Abs. 2). Die klassischen Pendlerstrecken würden allerdings bis 23:00 Uhr nachgefragt (PEB S. 89 Abs. 3); ohne nächtliche Betriebsbeschränkungen wäre auch nach 23:00 Uhr und in der Kernzeit eine geringe Nachfrage vorhanden (PEB S. 90 Abs. 2). Die Direktverbindungen der klassischen Fluggesellschaften würden auch als Hub-Feeder-Flüge genutzt; oft entstünden erst durch die Kombination von Point-to-Point-Verkehr mit Hub-Feeder-Verkehr hinreichend starke Verkehrsströme, die die Einrichtung der Verbindung ermöglichten (PEB S. 90 Abs. 4).

96

Auch damit ist ein sachlicher Grund für die Zulassung dieser Verkehre in den Nachtrandstunden dargelegt. Die Kläger bestreiten die Überschneidung mit den Hub-Feeder-Verkehren nicht. Sie machen geltend, der Beklagte habe für die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr weniger als eine Flugbewegung im klassischen Point-to-Point-Verkehr prognostiziert (PEB S. 90 Abs. 3); inwiefern diese eine Flugbewegung in der Lage sein sollte, die Angebotsqualität "zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern" (PEB S. 90 Abs. 4), sei nicht erkennbar. Die zitierte Aussage bezieht sich nicht nur auf die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr; sie schließt die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr mit 1,4 Flugbewegungen ein. Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass sich das Angebot an Direktverbindungen nachhaltig verbessern kann, wenn es nicht nur die Nachfrage nach 7,3 Hub-Feeder-Flügen, sondern zugleich die Nachfrage nach 2,3 Flugbewegungen im klassischen Point-to-Point-Verkehr bedient, nicht zu beanstanden.

97

2.3.3 Direktverbindungen der Low-Cost-Carrier und der Touristikverkehre / Umlaufplanungen

98

Der Nachtflugbedarf der Low-Cost-Carrier und im Touristikbereich ergibt sich insbesondere aus den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung. Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss dargelegt:

99

Die Low-Cost-Carrier versuchten, die Nachfragebedürfnisse auf Kurz- und Mittelstrecken so miteinander zu kombinieren, dass sie durch nahezu optimale Einsatzdauer mit maximal möglichen Blockstunden günstige Kostenstrukturen erreichten. Es würden bis zu vier Umläufe abgewickelt. Zu diesem Zweck würden die Nachtrandzeiten bis 24:00 Uhr in Anspruch genommen. Die Rotationspläne ließen aufgrund der minimalen Bodenzeiten, aber auch aufgrund von Kapazitätsengpässen an den Quell- und Zielflughäfen kaum Potential für eine Verlagerung der Flüge in den Tag (PEB S. 91 Abs. 4).

100

Im Touristikverkehr stehe der Nachfrage derzeit nahezu über 24 Stunden ein adäquates Angebot gegenüber; die Gesamtumlaufzeiten einzelner Flugzeuge betrügen bis zu 21 Stunden; es zeigten sich ausgeprägte Touristikverkehre in der Nachtkernzeit (PEB S. 95 Abs. 4). Die Passagiere strebten die Ausnutzung des ersten und letzten Urlaubstages an und flögen möglichst früh morgens und spät abends (PEB S. 97 Abs. 2). Gründe für Nachtflüge ergäben sich insbesondere aus saisonalen Nachfragespitzen, dem Veranstalterkonzept, den Fluglängen im Mittelstreckenbereich, Zeitverschiebungen, Erfordernissen eines effizienten Fluggeräteeinsatzes und der mangelnden Verfügbarkeit von Slots und Abfertigungsressourcen an den Zielflughäfen (PEB S. 98 Abs. 2). Die Entfernung Berlins zu den wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Westen und Süden liegen, sei größer als von den meisten anderen deutschen Flughäfen; zur Sicherstellung vergleichbarer Streckenangebote müsse der Flughafen Berlin-Schönefeld entsprechend länger geöffnet sein (PEB S. 99 Abs. 1).

101

Damit sind sachliche Gründe für die Nutzung der Nachtrandstunden dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Erfordernisse einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten rechtfertigen (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288 und vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 48 ff.). Umlaufplanungen sind komplexe Entscheidungen, in die das erwartete Passagieraufkommen, die an den Flughäfen verfügbaren Start- und Landezeiten (Slots), die Möglichkeiten des Personaleinsatzes, die Wartungsmöglichkeiten sowie hinsichtlich des eingesetzten Flugzeugtyps beispielsweise Kapazität, Reichweite und Wartungszeiten einfließen (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 52). Sie beruhen maßgebend auf unternehmerischen Entscheidungen der Luftverkehrsgesellschaften. Eine umfassende Prüfung der Verlagerungsmöglichkeiten von Flügen innerhalb der Nacht und von der Nacht in den Tag kann eine Planfeststellungsbehörde nicht vornehmen. Sie kann den Fluggesellschaften lediglich einen Rahmen für ihre Umlaufplanungen setzen. Davon ist der Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 93 Abs. 2, S. 97 Abs. 4).

102

Da der Beklagte sich nicht in der Lage gesehen hat, konkrete Flugpläne und Umlaufplanungen einer umfassenden Detailprüfung zu unterziehen (PEB S. 106 f.), hat er zur Darlegung des Nachtflugbedarfs ergänzend auf die von I. im Nachtflug-Gutachten (Kapitel 4) untersuchten repräsentativen Musterumläufe und die auf dieser Grundlage durchgeführten Modellrechnungen zurückgegriffen. I. hat für verschiedene typische Flugstrecken und Umkehrzeiten ermittelt, wie viele Umläufe in 16 (6:00 bis 22:00 Uhr), 17 (6:00 bis 23:00 Uhr), 18 (5:30 bis 23:30 Uhr) und 19 (5:00 bis 24:00 Uhr) Betriebsstunden möglich wären. Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass die gewählten Betriebszeiten sowohl für Berlin als auch für den Zielflughafen gelten. Betrachtet hat I. sieben Umläufe im Shuttle-Betrieb (Nachtflug-Gutachten S. 46 ff. Tab. 4-1 bis 4-7) und zwei Umläufe mit einer Kombination von zwei Zielen (a.a.O. S. 57 f. Tab. 4-8 und 4-9). Anschließend hat I. in einer Modellrechnung für 17 typische Flugstrecken (Shuttle-Betrieb) die Summe der Umläufe und Blockzeiten im Verhältnis zu den Betriebszeiten ermittelt (a.a.O. S. 60 f. Tab. 4-10 und 4-11). Sowohl ein Teil der Einzelberechnungen als auch die Modellrechnung haben ergeben, dass die Produktivität der Flugzeuge bei einer Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden und von 16 auf 18 Stunden überproportional zunimmt (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 108, 109 Abs. 4). In der Modellrechnung führt eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden (dies entspricht einem Zuwachs von 6,25 %) bei den Blockstunden zu einem Zuwachs von 11,2 %, eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 18 Stunden (Zuwachs: 12,5 %) zu einem Zuwachs der Blockstunden von 19,5 %. Die Blockstunden wachsen also im Vergleich zu den Betriebsstunden überproportional (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 109 Abs. 4).

103

Die Kläger halten die Modellrechnung nicht für aussagekräftig; die Annahme, dass die Strecken im Shuttle-Betrieb beflogen würden und dass die Betriebszeiten für Berlin und den Zielflughafen gleich seien, sei nicht realitätsgerecht. Die Wirklichkeit genau abzubilden, nimmt das Modell jedoch auch nicht für sich in Anspruch. Es soll den Zusammenhang zwischen der Länge der Betriebszeiten der Flughäfen und den Blockstunden der Flugzeuge für unterschiedliche Umlaufzeiten in typisierter Form aufzeigen; Vereinfachungen sind hierfür unumgänglich. Sie sind bei den Rückschlüssen von dem Modell auf die Wirklichkeit zu berücksichtigen. I. hat im Übrigen nicht nur Umläufe im Shuttle-Betrieb, sondern auch zwei Streckenkombinationen untersucht (a.a.O. S. 57 Tab. 4-8: Kombination von Zielen mit zweieinhalb und viereinhalb Stunden Flugzeit; a.a.O. S. 58 Tab. 4-9: Kombination von Zielen mit 70 Minuten und 2 Stunden Flugzeit). Auf die konkreten Flugziele kommt es für die Musterumläufe, soweit die Flugzeiten gleich sind, im Übrigen nicht an. Dass die ausgewählten Flugzeiten, Umkehrzeiten und die sich daraus ergebenden Zeiten für einen Umlauf für den von Berlin ausgehenden Flugbetrieb repräsentativ sind, stellen auch die Kläger nicht in Abrede. Dem Beklagten war auch bewusst, dass das Modell nicht genau der betrieblichen Wirklichkeit entspricht (PEB S. 109 Abs. 1 und 3); er hat die Aussagekraft des Modells nicht überschätzt.

104

Die Kläger rügen, I. habe in der Tab. 4-6 (Flugzeit 3 1/2 Stunden) einen halben Umlauf zu wenig berücksichtigt; eine Rückkehr der Flugzeuge vom Zielort sei nicht erst in 18, sondern bereits in 17 Betriebsstunden möglich. Dieser Einwand dürfte berechtigt sein; die Nichtberücksichtigung des halben Umlaufs in einem von insgesamt neun Musterumläufen ist auf das Abwägungsergebnis aber nicht von Einfluss gewesen (§ 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG). Der Fehler ist in die Modellrechnung nicht eingegangen. Betrachtet werden dort Flugzeiten ab Berlin von 3 Stunden 20 Minuten (200 Minuten). Insoweit geht auch die Modellrechnung davon aus, dass sowohl in 17 als auch in 18 Betriebsstunden zwei volle Umläufe möglich sind (Nachtflug-Gutachten S. 60 f. Tab. 4-10 und 4-11).

105

Die quantitativen Aussagen des Nachtflug-Gutachtens zum Verhältnis von Betriebszeiten zu Blockstunden gelten nur für die gewählten Ausgangsdaten; andere Flug- und Umdrehzeiten würden zu anderen Ergebnissen führen. Da die betrachteten Musterumläufe für den Flugbetrieb in Berlin repräsentativ sind, ist das Modell jedoch geeignet, den Zusammenhang zwischen den Betriebszeiten des Flughafens und den Blockzeiten der Flugzeuge näherungsweise abzuschätzen. Eine weitergehende Bedeutung hat auch der Beklagte dem Modell nicht beigemessen. Er hat lediglich angenommen, dass bei 18 Betriebsstunden ein "deutlich effizienterer" Flugbetrieb möglich sei als bei 16 Stunden (PEB S. 109 Abs. 5); quantifiziert hat er diesen Effizienzgewinn - anders als in den Modellrechnungen - nicht.

106

Der Beklagte ist auf der Grundlage der Analyse der Low-Cost- und der Touristikverkehre sowie der repräsentativen Musterumläufe zu der Einschätzung gelangt, dass für effektive Umlaufplanungen Betriebszeiten von 5:30 bis 23:30 Uhr erforderlich sind; anderenfalls wären nach seiner Einschätzung Umläufe unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen nicht mehr möglich mit der Folge, dass wichtige Flugverbindungen entfielen und die Verkehrsfunktion des Flughafens nicht unerheblich beeinträchtigt würde (PEB S. 98 Abs. 1, S. 111 Abs. 2). Diese Einschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Erforderlich meint in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass die Zulassung von Flugbetrieb für die Erreichung der Planungsziele zwingend erforderlich wäre, sondern lediglich, dass es im Interesse einer unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvollen und vertretbaren Planung vernünftigerweise geboten ist, diesen Zeitraum für Umlaufplanungen zu öffnen. Von einer zwingenden Erforderlichkeit ist auch der Beklagte nicht ausgegangen. Er ist zwar der Auffassung, dass ein völliges Nachtflugverbot der Verkehrsfunktion bzw. dem Widmungszweck des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld widerspräche (PEB S. 165 Abs. 2); dass bereits eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs, insbesondere ein grundsätzliches Nachtflugverbot von 23:00 bis 6:00 Uhr, die Verkehrsfunktion des Flughafens insgesamt infrage stellen würde, hat er hingegen nicht angenommen. Insoweit hat er es lediglich im Hinblick auf die Planungsziele für vernünftigerweise geboten gehalten, den Nachtflugbetrieb nicht weiter als von 23:30 bis 5:30 Uhr grundsätzlich zu beschränken.

107

Der Beklagte hat damit die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Umlaufplanungen nicht verkannt. Er hat diesem Bedarf insbesondere aufgrund der im Zeitraum von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr relativ starken, bereits aktuell vorhandenen Nachfrage nach Nachtflügen ein hohes Gewicht beigemessen (PEB S. 112 Abs. 2). Das ist ausgehend von der Verkehrsfunktion des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erfordernisse einer effektiven Umlaufplanung sind nicht an jedem deutschen Verkehrsflughafen unabhängig von seiner Stellung im Luftverkehrsnetz und seiner geographischen Lage in gleicher Weise geeignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen. An die Erreichbarkeit des einzigen Verkehrsflughafens der Metropolregion Berlin-Brandenburg dürfen auch im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre höhere Anforderungen gestellt werden als an andere Flughäfen mit einem kleineren Passagieraufkommen im Einzugsbereich und geringerer Bedeutung als Zielgebiet. Hinzu kommt, dass die Entfernung zu den für Berlin wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Süden und Westen liegen, größer ist als von den meisten anderen deutschen Flughäfen (PEB S. 99 Abs. 1).

108

Die Kläger wenden ein, dass die Verkehrsfunktion des Flughafens insbesondere im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre durch weitergehende Nachtflugbeschränkungen nicht beeinträchtigt werde. Das Fluggastaufkommen werde nicht erheblich weniger ansteigen. Für das Originäraufkommen von Fluggästen aus der Region Berlin-Brandenburg und für Städtereisen nach Berlin sei der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld praktisch ohne Alternative. Eine Verletzung des Abwägungsgebots ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Dass das Flugangebot tendenziell weniger attraktiv wird, wenn die Betriebszeiten beschränkt werden und sich die Kostenstrukturen der Luftverkehrsgesellschaften verschlechtern, liegt auf der Hand. Die Kläger halten die Folgen eines solchen Attraktivitätsverlustes für weniger gravierend als der Beklagte. Dass dieser mit seiner Bewertung die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Umlaufplanungen verkannt und damit den mit der Planungsermächtigung verbundenen Einschätzungs- und Bewertungsspielraum überschritten hätte, folgt daraus nicht.

109

Gleiches gilt, soweit die Kläger unter Berufung auf die Flughäfen Tegel, Düsseldorf und Hamburg geltend machen, dass Low-Cost- und touristische Verkehre auch erfolgreich zwischen 6:00 und 22:00 Uhr (Starts in Düsseldorf) bzw. 23:00 Uhr (Landungen in Düsseldorf, Starts und Landungen in Tegel und Hamburg) abgewickelt werden könnten. Dass auf den genannten Flugplätzen wegen der dortigen Betriebsbeschränkungen nach 23:00 Uhr und vor 6:00 Uhr Passagierverkehr nicht stattfindet, sich aber gleichwohl ein Low-Cost- und Touristikverkehr entwickelt hat, bedeutet nicht, dass ein weitergehender Nachtflugbedarf auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld nicht besteht. Der Beklagte hat einen solchen Bedarf dargelegt. Er verkennt das Gewicht dieses Bedarfs nicht, wenn er an die Erreichbarkeit des Flughafens Berlin-Schönefeld höhere Anforderungen stellt als an die von den Klägern herangezogenen Flughäfen. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld im Übrigen schon deshalb nicht zu vergleichen, weil er der einzige Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg sein wird. Anders als auf dem Flughafen Berlin-Tegel darf auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn während der gesamten Nacht geflogen werden. Insbesondere die touristischen Verkehre machen von dieser Ausweichmöglichkeit Gebrauch. Von 4 469 Nachtflügen zu touristischen Zielen wurden in 2008 1 181 Flüge auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-Gutachten S. 29 Tab. 3-3).

110

Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Beklagte auch nicht ein öffentliches Interesse an Flügen "zu jedem Preis" bejaht. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass ein Nachtflug in der Regel nur durchgeführt wird, wenn es neben dem Preis auch andere Gründe für eine entsprechende Nachfrage gibt, wie z.B. die Ausnutzung des ersten bzw. letzten Urlaubstages bei Privatreisenden oder die Nutzung ganzer Arbeitstage bei Geschäftsreisenden (PEB S. 114 Abs. 2).

111

Unbegründet ist schließlich der Vorwurf, dass es sich bei den zur Rechtfertigung des Nachtflugbetriebs angeführten Gründen, insbesondere den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung, ausschließlich um private und kommerzielle Belange der Beigeladenen und der Fluggesellschaften handele. Es ist ein Ziel der Landesplanung, den Flughafen Berlin-Schönefeld zur Deckung des nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarfs der Länder Berlin und Brandenburg weiterzuentwickeln (Z 1 LEP FS vom 30. Mai 2006, GVBl Bbg II S. 154). Der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg dient der Umsetzung dieses Ziels. Es liegt nicht nur im privaten Interesse der Beigeladenen und der Luftverkehrsgesellschaften, sondern auch im öffentlichen Interesse, den Luftverkehr, für den der Flughafen ausgebaut wird, durch bedarfsgerechte Betriebsregelungen zu ermöglichen. Davon ist der Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 112 Abs. 5, S. 161 f.). Die kommerziellen Interessen der Beigeladenen, der Luftverkehrsgesellschaften und der Touristikunternehmen einerseits und die Interessen der Passagiere andererseits müssen im Übrigen nicht gegenläufig sein. Eine frühe Ankunft am Zielort und eine möglichst späte Abreise können - insbesondere bei Kurzurlauben und Geschäftsreisen - auch im Interesse der Passagiere liegen. Auch die Möglichkeit, die Reise zu einem günstigen Preis anzubieten, liegt sowohl im Interesse der Luftverkehrsgesellschaften und Reiseveranstalter als auch der Passagiere.

112

2.3.4 Interkontinentalverkehr

113

Für den Interkontinentalverkehr hat der Beklagte im Planergänzungsbeschluss dargelegt, dass sich für Flugverbindungen in bestimmte Regionen der Welt aufgrund der Zeitverschiebungen und der Streckenlängen relativ enge Zeitfenster entwickelt hätten (PEB S. 102 Abs. 4, S. 104 Abs. 1). Aufgrund der geographischen Lage Berlins müssten die Abflüge in Richtung Fernost/Asien später erfolgen als von weiter westlich gelegenen Flughäfen (PEB S. 103 Abs. 2). Um die Wirtschaftlichkeit der Langstreckendienste zu sichern, müsse zudem ein Zu- und Abbringernetz von innerdeutschen und Europadiensten das örtliche Aufkommen unterstützen (PEB S. 101 Abs. 4). Die morgendliche Ankunft der Interkontinentalflüge müsse der ersten Abflugwelle zu innerdeutschen und europäischen Zielen, die zwischen 6:00 und 7:00 Uhr liege, vorlaufen; deshalb sei es wichtig, dass Landungen im Interkontinentalverkehr ab 5:30 Uhr möglich seien (PEB S. 102 Abs. 5). Entsprechend müsse der Abflug im Interkontinentalverkehr den letzten zwischen 22:00 und 23:00 Uhr eintreffenden Ankünften nachlaufen, also auch die Zeitscheibe bis 23:30 Uhr nutzen können (PEB S. 103 Abs. 3).

114

Damit ist ein sachlicher Grund für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr plausibel dargelegt. Die Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs sind nach der Rechtsprechung des Senats geeignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288). Die Kläger wenden im Wesentlichen ein, dass der Interkontinentalverkehr auf die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten nicht angewiesen sei; auf den Flughäfen Düsseldorf und Berlin-Tegel werde er jedenfalls zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt. Der im Planergänzungsbeschluss dargelegte weitergehende Bedarf an nächtlichen Interkontinentalflügen auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld wird dadurch nicht infrage gestellt. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der künftige "Single-Airport" Berlin-Brandenburg - wie bereits dargelegt - auch im Hinblick auf den Interkontinentalverkehr nicht zu vergleichen. In 2008 wurden 402 von insgesamt 978 nächtlichen Interkontinentalflügen nicht in Tegel, sondern auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-Gutachten S. 35 Tab. 3-6). Eine solche Ausweichmöglichkeit wird es nach Inbetriebnahme der neuen Südbahn nicht mehr geben. Im Übrigen geht es nicht nur darum, den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld überhaupt mit interkontinentalen Destinationen zu verbinden, sondern den Reisenden am Zielflughafen attraktive Anschlussverbindungen anbieten zu können. Dies setzt eine Einbindung in die dortigen Drehkreuze voraus (PEB S. 103 f.).

115

Der Beklagte durfte dem Nachtflugbedarf für den Interkontinentalverkehr ein hohes Gewicht beimessen. Gerade im Bereich des Interkontinentalverkehrs soll die Konzentration des gesamten Berliner Flugverkehrs auf einen Standort ein verbessertes Flugangebot ermöglichen. Die Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden kann dieses Ziel befördern.

116

2.3.5 Luftfrachtverkehr

117

Gründe für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr für Frachtflüge ergeben sich aus den Abläufen der Logistik. Der Beklagte hat hierzu im Planergänzungsbeschluss dargelegt:

118

Der üblichen Logistik des Luftfrachtverkehrs auf Nicht-Hub-Flughäfen entsprechend würden die Sendungen abends nach Beendigung der Produktion eingesammelt, zum Flughafen transportiert, dort verladen und "gebündelt" zu einem Hub-Flughafen geflogen, dort nachts zusammen mit den anderen ankommenden Waren auf die Ziele bzw. die entsprechenden Flugzeuge verteilt, die dann in den frühen Morgenstunden, vor Produktionsbeginn, an den Zielflughäfen landen. Für diese Logistikkette sei die Nutzung der Nachtrandzeiten an den Nicht-Hub-Flughäfen von entscheidender Bedeutung (PEB S. 116 Abs. 3).

119

Das ist plausibel. Der Beklagte hat den Bedarf an nächtlichem Luftfrachtverkehr entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht überschätzt. Dass der Fracht- im Vergleich zum Passagierverkehr in Berlin nur eine untergeordnete Rolle spielt und spielen wird, hat er erkannt; er weist aber unwidersprochen darauf hin, dass fast zwei Drittel (61,9 %) der Flugbewegungen nachts stattfinden (PEB S. 115 Abs. 4). Dass er der Deckung dieses Bedarfs trotz des geringen Aufkommens eine erhebliche Bedeutung für Berlin als Wirtschaftsraum (PEB S. 119 Abs. 4) beimisst, ist nicht zu beanstanden. Auch ein geringes Frachtaufkommen kann für bestimmte Produktionsabläufe von entscheidender Bedeutung sein. Der nächtliche Frachtverkehr kann auch nicht - wie die Kläger weiter meinen - zu vergleichbaren Bedingungen über den Flughafen Leipzig/Halle abgewickelt werden. Die Transportwege würden sich verlängern; zudem haben die Expressdienstleister TNT, UPS und FedEx - anders als DHL - ihre Verteilzentren nicht in Leipzig/Halle, sondern in Berlin und Umgebung (A.-Stellungnahme vom 23. Januar 2009 S. 26 - 29, Beiakte 16 Bl. 1211 <1235 - 1238>).

120

2.3.6 Luftpostverkehr

121

Für Nachtpostflüge (A II 5.1.1 Nr. 4 a PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte einen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht zu Recht anerkannt. Postflüge sind auf die Nutzung der Nachtkernzeit angewiesen. Sie sind seit mehreren Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Luftverkehrsgeschehens (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 76). Die Deutsche Post AG hatte zwar mit Schreiben vom 22. Juli 2009 (Beiakte 17 Bl. 1824) mitgeteilt, dass innerdeutsche Nachtluftpostflüge von und nach Berlin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit künftig auch bei saisonal erhöhtem Briefaufkommen nicht mehr erforderlich seien. Der Beklagte ist dieser Einschätzung jedoch zu Recht nicht gefolgt. Hauptgrund für ein Nachtflugpostnetz ist die Einhaltung der Zustellquote im Rahmen der Brieflaufzeit "E + 1" nach § 2 Nr. 3 PUDLV. Die Einschätzung des Beklagten, dass Nachtflüge zur Einhaltung dieser Quote weiter erforderlich sein können, hat sich nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses als richtig erwiesen. Die Deutsche Post AG führt seit dem 30. November 2009 wieder sechs Nachtflüge durch. Sie hat selbst eingeräumt, dass die Brieflaufzeiten im Inland nach Einstellung der Flüge in einzelnen Verkehrsrelationen nicht mehr die gewünschten Qualitätsstandards erreicht haben (Schreiben vom 21. Oktober 2009, Beiakte 18 Bl. 2039). Der Flughafen Leipzig/Halle wäre für diese Flüge keine gleichwertige Alternative. Der Flughafen Berlin-Schönefeld ist aufgrund seiner geographischen Lage deutlich besser geeignet, den Briefverkehr auf der großen Distanz zwischen dem Südwesten und dem Nordosten Deutschlands in kurzer Zeit abzuwickeln.

122

2.3.7 Allgemeine Luftfahrt

123

Der nächtliche Taxi- und Werkverkehr hat nach Einschätzung des Beklagten trotz seines geringen Aufkommens - für die Durchschnittsnacht 2020 wird mit 0,9 Flugbewegungen gerechnet (PEB S. 147) - für den Wirtschafts-, Kultur- und Medienstandort Berlin-Brandenburg eine wichtige Bedeutung. Er werde genutzt, um zeitkritische geschäftliche Termine wahrzunehmen, wenn die Luftverkehrsgesellschaften keine geeigneten Verbindungen bereit hielten (PEB S. 129 Abs. 2).

124

Damit ist ein Nachtflugbedarf plausibel dargelegt. Er ergibt sich aus der Erreichbarkeit der Metropolregion Berlin-Brandenburg im Taxi- und Werkverkehr auch während der frühen Morgen- und späten Abendstunden. Der Taxi- und Werkverkehr ergänzt insoweit den Linienverkehr. Dass er nach der Zahl der Flugbewegungen und der Passagiere gegenüber dem Linienverkehr nur eine untergeordnete Rolle spielen wird, steht der Anerkennung des vorhandenen Bedarfs nicht entgegen.

125

2.3.8 Ausbildungs- und Übungsflüge

126

Mit der in A II 5.1.1 Nr. 6 PFB i.d.F. des PEB getroffenen Regelung hält der Beklagte an der bereits im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen inhaltsgleichen Regelung A II 5.1.1 Nr. 4 fest. Die Kläger verteidigen insoweit zwar die Zulässigkeit ihrer Klage; aus welchen Gründen die Regelung rechtswidrig sein sollte, legen sie jedoch nicht dar. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.

127

2.3.9 Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung

128

Wartungsflüge dienen der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs und dürfen jedenfalls in dem Umfang zugelassen werden, in dem ihre Verkehre die Nachtzeit in Anspruch nehmen können (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 73, 75). Nach A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB sind Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge über die reguläre Betriebszeit hinaus bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr zulässig. Zur Begründung dieser Regelung hat der Beklagte dargelegt: Wegen der Einbindung der Flugzeuge in die täglichen Umläufe und der hohen Auslastung müssten die Instandhaltungsarbeiten möglichst in den Nachtstunden, insbesondere der Nachtkernzeit, durchgeführt werden. Nächtliche Betriebsbeschränkungen könnten zu erheblichen Ineffizienzen führen, wenn instandgesetzte Flugzeuge am Morgen nicht rechtzeitig dem Flugzeugumlauf zugeführt bzw. die Flugzeuge zur Wartung und Instandsetzung nicht unmittelbar nach Beendigung ihres Einsatzes zum Flughafen Berlin-Schönefeld verbracht werden könnten (PEB S. 133 Abs. 3). Bereitstellungs- oder Positionierungsflüge als Leerflüge seien darüber hinaus notwendig, falls ein Ersatzflugzeug von oder nach Berlin zu überführen sei (PEB S. 133 Abs. 4).

129

Damit ist ein Nachtflugbedarf bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr plausibel dargelegt. Es geht um größere Wartungsarbeiten, wie die A- und C-Checks, die nur an technisch hierfür ausgestatteten Standorten durchgeführt werden können (PEB S. 132 Abs. 2). Da Wartung und Instandsetzung die reguläre Umlaufplanung möglichst nicht beeinträchtigen sollen, besteht ein berechtigtes Interesse an der Möglichkeit, derartige Leerflüge dem regulären Flugbetrieb zeitlich vor- bzw. nachlaufen zu lassen. Gleiches gilt für die Bereitstellung von Ersatzflugzeugen.

130

Die Kläger machen auch hier geltend, dass der geringe Umfang des Verkehrs - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von 1,3 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) - gegen einen Nachtflugbedarf spreche. Das ist - wie bereits dargelegt - nicht der Fall. Sie meinen weiter, es bleibe unklar, welche Flugzeuge über Nacht nach Berlin zur Wartung verbracht werden müssten. Leerflüge sind erforderlich für Flugzeuge, die außerhalb ihrer regulären Umlaufplanung nur zur Wartung nach Berlin kommen; von welchen Flughäfen sie anfliegen, ist nicht relevant. Die Kläger meinen schließlich, bei Flugzeugen, die als Ersatz für ein defektes Flugzeug beschafft werden müssten, sei es eben so, dass es zu Verspätungen komme; in besonderen Fällen werde man sich mit Ausnahmegenehmigungen behelfen können. Die Vermeidung von Verspätungen liegt jedoch auch im öffentlichen Interesse (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 55). Wenn die Notwendigkeit, ein Ersatzflugzeug zu beschaffen, Bereitstellungsflüge während der Nachtrandzeiten generell rechtfertigt, besteht kein Grund für eine Einzelfallprüfung. Ohne Not wird im Übrigen keine Fluggesellschaft Leerflüge durchführen.

131

2.3.10 Sonderverkehre

132

Die Zulassung von Sonderverkehren greifen die Kläger, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts erklärt hat, dass Militärflüge im Sinne des Abschnitts A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB i.d.F. des PEB nur Flüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und von Gastluftfahrzeugen der Regierungen oder militärischer Einrichtungen anderer Staaten sind, nicht mehr an.

133

2.3.11 Verspätungen und Verfrühungen

134

Zur Begründung des Nachtflugbedarfs für verspätete Landungen bis 24:00 Uhr, verfrühte Landungen ab 5:00 Uhr, verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b und c PFB i.d.F. des PEB) sowie verspätete Landungen von nicht lärmarmen Flugzeugen bis 23:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 5 PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte ausgeführt:

135

Unpünktlichkeiten im internationalen Luftverkehr ließen sich auch in Zukunft nicht vollständig vermeiden (PEB S. 143 Abs. 2); es sei aber nicht erkennbar, dass die Fluggesellschaften die Verspätungen oder Verfrühungen gezielt erzeugten bzw. deren Konsequenzen bewusst in Kauf nähmen (PEB S. 143 Abs. 3). Planmäßige Flüge müssten auch bei Verspätungen landen können und zwar möglichst auf dem Zielflughafen; eine Umleitung auf einen anderen Flughafen sei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Geeignete Ausweichflughäfen stünden in näherer Umgebung nicht zur Verfügung (PEB S. 143 Abs. 4). Frühankünfte träten vor allem im Interkontinentalverkehr auf. Ohne Landemöglichkeit müsste das Flugzeug in Warteschleifen in der Luft bleiben - mit allen ökonomischen und ökologischen Folgen (PEB S. 142 Abs. 3).

136

Damit ist ein Bedarf für die Verspätungsregelungen plausibel dargelegt. Da die Personenbeförderung im Luftverkehr Bestandteil des öffentlichen, für jeden Nutzer zugänglichen Verkehrs ist, besteht ein allgemeines Interesse daran, den Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 55); dieses Interesse besteht auch im Luftfrachtverkehr. Das Ausweichen auf andere Flughäfen stört die Abwicklung des Luftverkehrs erheblich; auch die Passagiere werden dadurch in hohem Maße belastet. Das gilt bereits dann, wenn - wie bislang mit dem Flughafen Berlin-Schönefeld für den Flughafen Berlin-Tegel - ein Ausweichflughafen in der Nähe vorhanden ist. Dass der Beklagte die Flexibilität des Berliner Flughafensystems aus anderen Gründen, insbesondere zur Reduzierung der Lärmbetroffenheiten (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 109 ff.), selbst aufgegeben hat, steht der Anerkennung eines Bedarfs nicht entgegen. Dass Verfrühungen - wie die Kläger weiter geltend machen - vermeidbar sind, ist nur teilweise richtig. Eine Verlangsamung des Fluges ist nur innerhalb gewisser Grenzen möglich (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 56; PEB S. 142 Abs. 4). Warteschleifen sind aus den im Planergänzungsbeschluss (S. 142 Abs. 3) dargelegten Gründen keine eindeutig bessere Alternative. Schließlich weisen die Kläger auf den ebenfalls stadtnahen Flughafen Düsseldorf hin, der sich auch hinsichtlich der Verspätungsregelungen erhebliche Restriktionen zum Schutz der Anwohner gefallen lassen müsse. Für die Abendstunden hat allerdings auch der Flughafen Düsseldorf eine Verspätungsregelung (Nachtflug-Gutachten S. 67). Lediglich am Morgen werden Landungen erst ab 6:00 Uhr zugelassen - ohne Ausnahme für Verfrühungen. Ein Bedarf für verfrühte Landungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld ist, auch wenn ihre Zahl gering ist, belastbar dargelegt. Dass der Flughafen Düsseldorf ohne eine solche Regelung auskommen muss, obwohl dort ebenfalls Interkontinentalverkehr stattfindet, muss sich der Flughafen Berlin-Schönefeld nicht entgegenhalten lassen.

137

2.4 Verlagerbarkeit von Flugbewegungen

138

Die Kläger haben zum Beweis der Tatsache, dass es ungeachtet der dargelegten Nachtfluggründe möglich sei, die von I. im Rahmen der Bedarfsprognose für die Zeitscheiben 22:00 bis 22:30 Uhr, 23:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr prognostizierten/hochgerechneten Flüge - hilfsweise bezogen auf die jeweiligen Verkehrssegmente - auf die - bezogen auf die drei Zeitscheiben zwischen 22:00 und 23:30 Uhr - jeweils vorgelagerte halbstündige Zeitscheibe bzw. hinsichtlich der Zeitscheibe zwischen 5:30 und 6:00 Uhr auf die nachgelagerte Zeitscheibe zu verlagern, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt (Beweisantrag Nr. 2). Zur Begründung haben sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht um die Betrachtung einzelner prognostischer Flugbewegungen gehe, sondern darum, ob die in den verschiedenen Zeitscheiben prognostizierten Flüge in den jeweiligen Verkehrssegmenten befriedigend in den vorgelagerten bzw. in den nachgelagerten Zeitscheiben abgewickelt werden können. Ob und inwieweit ein Verkehrsbedarf befriedigend innerhalb der Tag- und der angrenzenden Nachtrandstunden abgewickelt werden kann, ist keine dem Beweis zugängliche Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage. Wie bereits dargelegt, ist maßgebend, welche Gründe geeignet sind, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen, und wie diese Gründe insbesondere im Hinblick auf die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz zu gewichten sind.

139

2.5 Regionalwirtschaftliche Aspekte

140

Der Beklagte hat die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichend ermittelt. Er hat die Bedeutung der regionalwirtschaftlichen Belange nicht überschätzt.

141

Der Beklagte ist davon ausgegangen, dass die Realisierung des Ausbauvorhabens positive wirtschaftliche und strukturelle Effekte für die Hauptstadtregion haben werde (PEB S. 155 Abs. 1). Die im Gutachten der Beigeladenen (Arbeitsgemeinschaft IfV Köln / KE-Consult, Regionalwirtschaftliche Effekte einer Betriebsgenehmigung mit Kernruhezeit für den Airport Berlin Brandenburg International BBI vom 20. Juni 2007, Beiakte 1) herausgearbeiteten Ursachenbeziehungen zwischen der Steigerung der Verkehrsnachfrage und -leistung an einem Flughafen in Relation zu Flugbetriebsbeschränkungen in den Nachtzeiten und der von diesem Flughafen ausgehenden direkten Beschäftigungswirkungen seien plausibel, wenn auch die Zahlen möglicherweise nicht exakt belegbar seien (PEB S. 155 Abs. 3). Insgesamt änderten die verfügten Flugbeschränkungen zur Nachtzeit nichts daran, dass das Ausbauvorhaben generell geeignet sei, positive arbeitsmarktpolitische Effekte auszulösen (PEB S. 155 Abs. 4). Der Beklagte habe durch die Öffnung der Nachtrandzeiten bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr die durchaus vorhandenen negativen regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Flugbeschränkungen minimiert. Er halte die verfügten Betriebsregelungen auch unter Würdigung des öffentlichen Interesses an Arbeitsplätzen sowie der Erhaltung und Stärkung der Wirtschaftskraft der Hauptstadtregion für vertretbar (PEB S. 156 Abs. 2).

142

Die Kläger meinen, dass das Gutachten der Beigeladenen die Effekte von Flugbeschränkungen in der Nachtzeit überbewerte; der Beklagte folge dieser Überbewertung. Es werde verkannt, dass ein Großteil des bei uneingeschränktem Flugbetrieb bestehenden Verkehrs nicht wegfallen, sondern sich in den Tag verlagern werde.

143

Die Einwände der Kläger sind unbegründet. Der Beklagte hat sich die quantitativen Einschätzungen insbesondere der Passagierverluste in dem Gutachten der Beigeladenen, die auch I. für überhöht gehalten hat (Bericht vom 3. Dezember 2008 S. 7, Beiakte 16 Bl. 987 <996>), nicht zu eigen gemacht. Er musste die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Nachtflugbeschränkungen auch nicht weiter ermitteln oder quantifizieren, insbesondere auch nicht - wie von den Klägern gefordert - für eine Beschränkung des Flugbetriebs auf 6:00 bis 23:00 Uhr. Denn er hat den regionalwirtschaftlichen Effekten im Rahmen seiner Abwägung von vornherein nur eine eingeschränkte Bedeutung beigemessen. Er ist zwar davon ausgegangen, dass der Flughafenausbau auch deshalb im öffentlichen Interesse liegt, weil er der Stärkung und Erhaltung der regionalen Wirtschaft dient (PEB S. 148 Abs. 4), und dass sich Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs negativ auf dieses Ziel auswirken (PEB S. 152 Abs. 2). Den Nachtflugbedarf hat er jedoch ausschließlich auf die Nachfrage nach Nachtflügen und die strukturellen und betrieblichen Gründe für deren Durchführung in der Nacht gestützt, nicht auf die regionalwirtschaftlichen Effekte des Nachtflugbetriebs. Auch in der Gesamtabwägung hat er diese Effekte lediglich punktuell im Zusammenhang mit den Bereitstellungs- und Überführungsflügen und deren Bedeutung für die Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 171 Abs. 4) sowie beim Luftfrachtverkehr (PEB S. 169 Abs. 4) in seine Erwägungen einbezogen. Die regionalwirtschaftlichen Gesamtauswirkungen der von ihm verfügten Betriebsbeschränkungen hat er lediglich geprüft, um der Forderung nach einer weitergehenden Zulassung von Nachtflugbetrieb und dem Argument zu begegnen, dass die positiven wirtschaftlichen und strukturellen Effekte des Flughafenausbaus für die Region Berlin-Brandenburg durch die verfügten Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs infrage gestellt würden. Die Frage, ob dies bei einer weitergehenden Beschränkung des Flugbetriebs, etwa auf 6:00 bis 23:00 Uhr, der Fall wäre, brauchte er nicht zu stellen, da er eine solche Regelung im Rahmen der Abwägung schon wegen des dargelegten Nachtflugbedarfs nicht als angemessen angesehen hat.

144

3. Ermittlung und Gewichtung der Lärmschutzbelange

145

Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange der Kläger ausreichend ermittelt. Er hat das Gewicht dieser Belange nicht zu gering eingeschätzt.

146

3.1 Flugroutenprognose

147

Welche Auswirkungen der Betrieb eines Flugplatzes auf die Anwohner und die Umwelt hat, hängt nicht nur von Art und Umfang des Flugbetriebs auf dem Flugplatz, sondern auch von den Flugwegen und der Flughöhe der Flugzeuge im Luftraum ab. Der Flugbetrieb auf dem Flugplatz kann im Planfeststellungsverfahren geregelt werden (§ 8 Abs. 4 LuftVG), die Benutzung des Luftraums in der Umgebung des Flugplatzes nicht (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <377>). Sie wird maßgebend durch sogenannte Flugverfahren bestimmt. Die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte werden vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) auf der Grundlage von Vorarbeiten der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen. Auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden (vgl. Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152). Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planfeststellungsverfahren ist hiernach systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen. Die Planfeststellungsbehörde muss nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken. Die Flugrouten gehören zu den prognostischen Annahmen, die der Lärmermittlung zugrunde zu legen sind (Beschluss vom 18. August 2005 - BVerwG 4 B 17.05 - juris Rn. 27 § 10 luftvg nr. 13>).

148

3.1.1 Anforderungen an die Flugroutenprognose

149

Die prognostische Flugroutenplanung muss besonderen, sich aus ihrer Funktion ergebenden Anforderungen genügen: Sie muss zum einen die Modalitäten des Flugbetriebs hinreichend genau abbilden; zum anderen muss sie regelmäßig mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein.

150

Für das Planfeststellungsverfahren genügt eine prognostische Grobplanung der An- und Abflugverfahren - eine Detailplanung würde dem vorläufigen Charakter der nur prognostischen Planung nicht gerecht. Auch die prognostische Planung darf jedoch nicht beliebig "grob" sein. Sie muss die Modalitäten des Flugbetriebs soweit abbilden, wie dies für die jeweilige im Planfeststellungsverfahren zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Für die Regelung des Flugbetriebs muss sie nicht so genau sein wie für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete. Letztere sollen es ermöglichen, individuelle, im Wege der Abwägung nicht überwindbare Schutzansprüche durchzusetzen. Über die Regelung des Flugbetriebs ist hingegen auf der Grundlage einer Abwägung zu entscheiden (§ 8 Abs. 1 und 4 LuftVG). Relevant für diese Abwägung ist, wie viele Anwohner ungefähr durch Fluglärm betroffen sein werden und wie schwer die jeweilige Betroffenheit sein wird. Welche Anwohner betroffen sein werden, ist - anders als für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete - nicht erheblich. Der Flugbetrieb wird geregelt für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung. Die Regelung soll grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugverfahren festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde. Unabhängig vom Verlauf der jeweiligen Flugrouten muss bei der Flughafenplanung davon ausgegangen werden, dass nach den örtlichen Gegebenheiten bestimmte Siedlungsgebiete durch Fluglärm betroffen werden können. Vor diesem Hintergrund ist eine Änderung der Flugrouten für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs unter Lärmschutzgesichtspunkten in der Regel nur relevant, wenn wesentlich dichter besiedelte Gebiete auf passiven Schallschutz angewiesen wären als angenommen.

151

Die Prognose der An- und Abflugverfahren muss zudem in aller Regel mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein. Für hoheitliche Planungen gilt der Grundsatz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (Urteile vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19 und vom 1. Juli 1999 - BVerwG 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 <201>). Hierzu ist die Planung nicht in der Lage, wenn sie eine beliebige Flugroutenplanung zugrunde legt; sie muss von realistischen Annahmen ausgehen. Die Prognose ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erst dann fehlerhaft, wenn die Flugroutenplanung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht realisiert werden kann oder wenn bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung definitiv feststeht, dass das BAF andere Flugstrecken festlegen wird. Ob eine Flugroutenplanung realistisch ist, kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig allein nicht beurteilen. Nicht sie, sondern die DFS ist für die Planung, das BAF für die Festlegung der An- und Abflugverfahren zuständig. Ziel der Abstimmung ist die Bestätigung, dass die dem Planfeststellungsantrag zugrunde liegende prognostische Flugroutenplanung realisierbar ist und dass sie den bisherigen Planungen der DFS entspricht, ihre Umsetzung also realistischerweise zu erwarten ist.

152

3.1.2 Prognose der DFS vom November 1997 / März 1998

153

Der Beklagte hat der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planergänzungsverfahren - wie im gesamten Planfeststellungsverfahren - eine von der DFS erstellte Grobplanung der Anflugstrecken vom November 1997 (Beiakte 45 Bl. 29 f.) und der Abflugstrecken vom März 1998 zugrunde gelegt (a.a.O. Bl. 84 f.). Die DFS hatte diese Planungen der bereits vor Eingang des Planfeststellungsantrags beim Beklagten eingerichteten "Arbeitsgruppe An- und Abflugverfahren EDDB" vorgelegt. Die DFS ging bei ihrer Planung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen des Flugplatzes nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der 3. Sitzung der Arbeitsgruppe vom 30. März 1998 wurde sie gebeten zu prüfen, welche Auswirkungen Achsabstand und Schwellenversatz der Pisten auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr haben (a.a.O. Bl. 79 <80>). Mit Schreiben vom 20. August 1998 (a.a.O. Bl. 92 f.) teilte sie mit, dass der vorgesehene Achsabstand (1 900 m) und der Schwellenversatz (1 250 m) keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des IFR-Flugverkehrs hätten. Zugleich wies sie "deutlich" darauf hin, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15Grad erfordere. Ebenso müssten die Abflugkurse um mindestens 30Grad von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung nicht berücksichtigt worden seien, sei bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen. Der Beklagte bat die Vorhabenträgerin, diese Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen (a.a.O. Bl. 95 f.). Die Vorhabenträgerin erwiderte, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures nicht berücksichtigt habe (a.a.O. Bl. 98 f.). Eine exakte Berücksichtigung solcher modifizierter Abflugwege würde die Deklarierung zusätzlicher Abflugstrecken erfordern, was nicht vorgesehen sein könne. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 in der Hauptverwaltung der DFS statt; ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. In einem nicht zu den Verwaltungsvorgängen gelangten Schreiben vom 7. Oktober 1998 wandte sich der Geschäftsführer der Vorhabenträgerin, Herr Dr. H., an das Bundesministerium für Verkehr mit der Bitte um Unterstützung bei der Lösung eines Problems mit der DFS. In einer schriftlichen Stellungnahme zum Datenerfassungssystem habe die DFS festgestellt, dass bei gleichzeitiger unabhängiger Durchführung von IFR-Abflügen eine Divergenz der Abflugkurse von 15Grad erforderlich werde. Das Ministerium werde gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass sie ihre Stellungnahme zum vorliegenden Datenerfassungssystem modifiziere. Die DFS nahm mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 (a.a.O. Bl. 106) unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 erneut Stellung. Sie legte dar, dass die von der Vorhabenträgerin zugrunde gelegte Streckengeometrie grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS entspreche. IFR-Anflüge könnten bei dem geplanten Bahnabstand unabhängig voneinander durchgeführt werden. Sie wies jedoch darauf hin, dass, um parallele Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten zu gewährleisten, generell eine Divergenz der Abflugwege von 15Grad erforderlich wäre. Dies bedeute, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während der Verkehrsspitzen zu Abflugverzögerungen kommen könne. Weiter wies sie darauf hin, dass die Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung seien, sondern jederzeit optimiert werden könnten. Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren werde erst kurz vor Betriebsaufnahme erfolgen.

154

Im Planfeststellungsverfahren nahm die DFS als Trägerin öffentlicher Belange mit Schreiben vom 3. Juli 2000 Stellung (Beiakte 322 Nr. 170). Zur Möglichkeit paralleler IFR-Abflüge wiederholte sie praktisch wortgleich den Inhalt ihres Schreibens vom 26. Oktober 1998. Im Planergänzungsverfahren erhob sie im Anhörungsverfahren keine Einwendungen gegen das Vorhaben (Schreiben vom 18. Januar 2008, Beiakte 6 Stellungnahme 500007). Auf eine schriftliche Anfrage des Beklagten vom 10. Oktober 2008 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 25. Juli 2011) teilte sie unter dem 15. April 2009 mit, eine kurzfristige Festlegung von Flugverfahren würde dem Grundsatz widersprechen, die Verfahren erst nach einer gründlichen Abwägung aller Faktoren einzuführen; sie könne daher noch keine konkreten Angaben zur Flugverfahrensplanung geben (Beiakte 17 Bl. 1576).

155

Auf der Grundlage dieser schriftlichen Stellungnahmen der DFS durfte der Beklagte - unabhängig davon, ob ihm das sogenannte H.-Schreiben bekannt war - nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde. Von einem abhängigen Bahnbetrieb durfte er ebenfalls nicht ausgehen. Die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems, auf dem An- und Abflüge auf beiden Bahnen gleichzeitig durchgeführt werden dürfen, war ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens (PFB S. 336 Abs. 1, S. 409 Abs. 5). Der Senat hat die Entscheidung gegen einen abhängigen und für einen unabhängigen Parallelflugbetrieb in seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 221) nicht beanstandet. Der unabhängige Betrieb paralleler Bahnen unterliegt aber besonderen Anforderungen. Anhang 14 Band I zum Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt empfiehlt für den unabhängigen Betrieb paralleler Bahnen zunächst Mindestabstände zwischen den Bahnen, und zwar für Ankünfte 1 035 m und für Abflüge 760 m (Nr. 3.1.12). Das ICAO-Dokument 4444, auf das Anhang 14 hinweist, verlangt für unabhängige Abflüge von parallelen Bahnen darüber hinaus, dass die Abflugrouten unmittelbar nach dem Abheben um mindestens 15Grad divergieren sollen (Nr. 6.7.2.2 Buchst. b). Dokument 9643 enthält eine entsprechende Regelung (Nr. 3.2 Buchst. b).

156

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es mit den ICAO-Vorschriften vereinbar wäre, wie am Flughafen München auch am Flughafen Berlin-Schönefeld für gleichzeitige Abflüge parallele Abflugstrecken festzulegen, kann offen bleiben. Eine solche Planung war mit der DFS nicht abgestimmt; sie hatte ihre Forderung, bei gleichzeitigen Abflügen eine Divergenz der Abflugrouten von 15Grad einzuhalten, nicht aufgegeben. Ihren Schreiben konnte auch nicht die Absicht entnommen werden, die Divergenz der Abflugwege in jedem Einzelfall mittels Flugverkehrskontrollfreigaben gemäß § 26 Abs. 2 LuftVO zu erreichen. Während der Nacht werden parallele Starts zwar voraussichtlich nicht benötigt; dass die DFS deshalb - wie der Beklagte meint - für die Nacht an den parallelen Abflugstrecken festhalten würde, hatte sie in ihren Schreiben ebenfalls nicht zu erkennen gegeben. Auch tatsächlich hat die Möglichkeit, die Flugverfahren für Tag und Nacht differenziert zu regeln (vgl. Urteil vom 4. Mai 2005 - BVerwG 4 C 6.04 - BVerwGE 123, 322 <325, 328>), in den weiteren Planungen der DFS keine Rolle gespielt.

157

Ausgehend hiervon sind die im Beweisantrag Nr. 4 unter Ziffer 3 enthaltenen Beweisbehauptungen, dass seitens der DFS für die Nachtzeit statt festgelegter Abflugverfahren eine individuelle Regelung der Abflugverfahren durch den jeweiligen Fluglotsen - wie gegenüber der Formulierung des Beweisantrags sinngemäß zu ergänzen ist - nicht geplant gewesen sei, dass die Planungen der DFS vorgesehen hätten, auch in der Nacht Abflugverfahren festzulegen, bei denen die jeweiligen Routen um mindestens 15Grad voneinander divergieren, und dass eine Einzelfallabwicklung der Starts in der Nacht durch Fluglotsen zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen und auch fachlich nicht geeignet sei, nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die im Beweisantrag Nr. 1 enthaltene erste Tatsachenbehauptung, dass Herr Ministerialrat B. mit den als Zeugen benannten Herren S., K. und Ba. im Rahmen der Besprechung vom 29. September 1998 übereingekommen sei, dass die ursprüngliche Grobplanung der An- und Abflugverfahren wegen des seitens der Beigeladenen geforderten unabhängigen Parallelbetriebs nicht mehr tragfähig und vollständig dahingehend zu überarbeiten sei, dass Abflugverfahren mit um 15Grad divergierenden Abflugrouten dargestellt werden sollten, ebenso wie für die zweite Tatsachenbehauptung, dass Herr Ministerialrat B. nach dem Schreiben von Herrn Dr. H. vom 7. Oktober 1998 bei der DFS entweder den Zeugen S. oder den Zeugen K. angerufen und diesem mitgeteilt habe, dass eine Überarbeitung der Grobplanung entgegen den Absprachen vom 29. September 1998 nicht mehr erfolgen, sondern die DFS an den ursprünglich geplanten parallelen An- und Abflugverfahren festhalten sollte. Wie bereits dargelegt, musste der Beklagte unabhängig von diesen Beweisbehauptungen bereits aufgrund der schriftlichen Stellungnahmen der DFS davon ausgehen, dass diese nicht an den parallelen Abflugwegen festhalten, sondern divergierende Abflugwege planen würde.

158

Konsequenzen hieraus hätte der Beklagte bei der Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete ziehen müssen; diese Gebiete hätte er nicht auf der Grundlage paralleler Abflugrouten festlegen dürfen. Das ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mehr relevant. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte sich verpflichtet hat, nach der erstmaligen Festlegung der Routen durch das BAF die bisher festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete insgesamt neu auszuweisen; die Nebenbestimmungen zu den bereits festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebieten bleiben hiervon unberührt.

159

Soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs geht, war hingegen die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Anflugrouten sind von dem Modus des Bahnbetriebs ohnehin nicht berührt; sie können auch bei unabhängigem Bahnbetrieb - wie in der Grobplanung der DFS vom November 1997 vorgesehen - in gerader Verlängerung der beiden Bahnen durchgeführt werden. Bei den Abflugrouten muss für den unabhängigen Bahnbetrieb allerdings davon ausgegangen werden, dass die Flugwege um bis zu 15Grad nach Norden oder nach Süden abknicken. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die parallelen Abflugwege der DFS-Grobplanung; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15Grad nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15Grad nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation "Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI" vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15Grad nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15Grad-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15Grad-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.

160

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass abknickende Abflugwege nicht mehr im selben Korridor wie die Anflugwege verlaufen. Die Zahl der Flüge steigt dadurch nicht; lediglich die Verteilung des Lärms ändert sich. Die Belastung neuer Anwohner durch abknickende Abflugwege führt zugleich zu einer Entlastung der durch gerade Abflüge Betroffenen. Selbst wenn diese wegen der Anflüge auf passiven Schallschutz angewiesen bleiben, besteht diese Belastung für viele nicht mehr bei beiden Betriebsrichtungen und damit an jedem Tag, sondern nur noch bei einer Betriebsrichtung. Gleiches gilt für die Anwohner, die aufgrund der abknickenden Abflugwege neu in das Nachtschutzgebiet einbezogen werden müssen; auch sie benötigen den passiven Schallschutz nur bei einer Betriebsrichtung.

161

Dass um mehr als 15Grad abknickende Abflugstrecken festgelegt werden würden, wenn dies nicht - wie z.B. bei der in der Planung der DFS vom 4. Juli 2011 enthaltenen Route "LUDDI-kurz" (vgl. Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 1. August 2011, Folie 20 f.), die unmittelbar nach Verlassen der Südbahn in Richtung Osten bereits vor Erreichen von Schulzendorf stark nach rechts abbiegt - zu einer Verringerung der Lärmbetroffenheiten führt, musste der Beklagte nicht in Betracht ziehen; insbesondere musste er nicht von einer Verwirklichung der von der DFS nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses präsentierten, um mehr als 15Grad nach Norden abknickenden Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow (vgl. Anlage K 62 zum Klägerschriftsatz vom 21. Dezember 2010) ausgehen. Die DFS hatte in ihrem Schreiben vom 26. Oktober 1998 bestätigt, dass die auf der Grundlage ihrer Grobplanung erstellte Streckengeometrie grundsätzlich ihren Planungen entspreche; mehr als die Berücksichtigung des Toleranzbereichs hatte sie auch im Schreiben vom 20. August 1998 nicht gefordert. Hiervon war sie weder im Planfeststellungs- noch im Planergänzungsverfahren abgerückt. Ob sie - wie die Kläger mit der ersten Tatsachenbehauptung ihres Beweisantrags Nr. 4 unter Beweis stellen - im Jahr 2009 bei der Erarbeitung von Luftraummodellen und hierbei durchgeführten NIROS-Berechnungen, Realzeit- und Schnellzeitsimulationen von der Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausging und den Beklagten hierüber vor dem 20. Oktober 2009, jedenfalls aber vor öffentlicher Bekanntgabe des Planergänzungsbeschlusses im Januar 2010 informierte, ist nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die zweite Beweisbehauptung, Mitarbeiter der Beigeladenen hätten in einem von der DFS eingerichteten "Kernteam" an der Erarbeitung der Luftraummodelle mitgearbeitet und damit Kenntnis von den Modellen, der Schnellzeitsimulation der NIROS-Berechnung und der ersten Realzeitsimulation gehabt. Maßgebend für die Abstimmung der Flugroutenprognose mit der DFS sind die von ihr im Planfeststellungs- und im Planergänzungsverfahren abgegebenen schriftlichen Erklärungen. Diese enthalten keinen Hinweis auf die Route über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow. Der Beklagte musste nicht auf jeden zwischenzeitlichen Planungsstand der DFS bei der Vorbereitung der verbindlichen An- und Abflugverfahren reagieren.

162

3.2 Lärmberechnung

163

Ausgehend von der dargelegten, für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichenden Flugroutenprognose hat der Beklagte die Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung zutreffend ermittelt. Er hat für die bereits im Planfeststellungsverfahren ausgewählten Immissionsorte sowohl den LAeq Tag und den LAeq Nacht als auch die mittlere tägliche Verteilung der maximalen A-Schallpegel über 55 dB(A) in der Nacht nach der 1. Fluglärmschutzverordnung neu berechnen lassen (Beiakte 17 Bl. 1826 ff., 1832 ff.). Die Berechnungen haben im Wesentlichen die Ergebnisse des Ausgangsverfahrens bestätigt (PEB S. 156 f., S. 160 Abs. 4). Hiernach werden ca. 40 000 Anwohner auf passiven Schallschutz angewiesen sein (PEB S. 166 Abs. 1). Das den neuen Berechnungen zugrunde gelegte Datenerfassungssystem enthält allerdings Eingabefehler. Das hat der Beklagte selbst eingeräumt; die Fehler beruhten auf einer versehentlichen doppelten Eingabe der Rohdaten bei der Berechnung der 3-Sigma-Regelung nach der 1. Fluglärmschutzverordnung, der fehlenden Anlage der A-Matrix-Daten für die virtuelle Bahn sowie einem Übertragungsfehler bei den Hubschrauberstrecken. Sie führten zu einer geringen Vergrößerung des Nachtschutzgebiets im Westen und Osten des Flughafens. Dass diese Eingabefehler geeignet sein könnten, die der Abwägung zugrunde gelegte Größenordnung der Lärmbetroffenheiten infrage zu stellen, machen die Kläger selbst nicht geltend; hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte.

164

3.3 Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung

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Die neueren Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung brauchte der Beklagte für die Gewichtung der Lärmschutzbelange nicht zu würdigen.

166

Maßgebender Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange ist die sogenannte fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz zu gewähren ist (vgl. Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 251 und vom 21. September 2006 - BVerwG 4 C 4.05 - BVerwGE 126, 340 Rn. 34). Die Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung sind bei der Festlegung dieser Schwelle zu berücksichtigen. Auch Lärmbeeinträchtigungen unterhalb der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sind abwägungsrelevant (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 268). Hat die Planfeststellungsbehörde die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle fehlerfrei bestimmt, genügt es für die Abwägung grundsätzlich, die Lärmschutzbelange ausgehend von dieser Schwelle zu gewichten: Sie sind umso gewichtiger, je näher die Lärmbelastungen an die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle heranreichen, ihr Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleiben. Eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung ist für diese Gewichtung nicht erforderlich.

167

Der Beklagte hat die Schwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz für Schlafräume zu gewähren ist, rechtsfehlerfrei bestimmt. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) mussten mangels normativer Vorgaben die Zulassungsbehörde und im Streitfall die Gerichte entscheiden, welche Lärmpegel den Anwohnern tags und nachts zugemutet werden dürfen; die im Fluglärmschutzgesetz vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282) genannten Lärmwerte waren hierfür nicht aussagekräftig (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 254). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 1. Juni 2007 geändert. Das neu gefasste Fluglärmschutzgesetz - FluglärmG - verfolgt zwar weiterhin nur einen eingeschränkten Zweck. Es soll in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Fluglärm regeln (§ 1 FluglärmG); die Regelung des sogenannten aktiven Schallschutzes insbesondere durch Betriebsbeschränkungen bleibt dem Planfeststellungsverfahren vorbehalten (vgl. BTDrucks 16/508 S. 17; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - NVwZ 2011, 991 Rn. 23). Durch den neu eingefügten § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG hat es nunmehr jedoch auch Bedeutung erhalten für die bei der Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG erforderliche Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG sind hierbei zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass bei der Bewältigung der durch Fluglärm hervorgerufenen Probleme im Rahmen der Abwägung keine anderen als die nach dem Fluglärmschutzgesetz maßgeblichen Werte für die Lärmschutzbereiche zugrunde gelegt werden (BTDrucks 16/508 S. 24). § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG legt die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 Rn. 33; zustimmend: Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand August 2010, § 6 Rn. 126; Kämper, ZLW 2009, 16 <22>; Paetow, NVwZ 2010, 1184 <1190>; a.A. Mechel, ZUR 2007, 561 <566>). Jedenfalls zur Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze müssen lärmmedizinische Gutachten im luftrechtlichen Zulassungsverfahren nicht mehr eingeholt werden (vgl. BTDrucks 16/3813 S. 11 f.).

168

A II 5.1.3 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB gewährt passiven Schallschutz für Schlafräume bei Überschreiten eines LAeq Nacht innen von 35 dB(A) - das entspricht unter Berücksichtigung eines Pegelunterschieds zwischen außen und innen von 15 dB(A) (vgl. Anlage zu § 3 FluglärmG) einem LAeq Nacht außen von 50 dB(A) - und eines LAmax von 6 × 55 dB(A). Diese bereits im Planfeststellungsbeschluss 2004 und damit vor Inkrafttreten des neu gefassten Fluglärmschutzgesetzes festgelegten Werte sind für die Anwohner günstiger als die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG bis zum 31. Dezember 2010 maßgebenden Werte für neue Flughäfen (LAeq Nacht = 53 dB, LAmax = 6 × 57 dB). Ob der Flughafen Berlin-Schönefeld ein neuer Flugplatz oder ein Bestandsflughafen ist, kann deshalb offen bleiben. Lediglich der nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b FluglärmG ab 1. Januar 2011 maßgebende LAmax mit 6 × 53 dB(A) wäre für die Anwohner günstiger als der entsprechende Wert des Planfeststellungsbeschlusses. Diesen Wert musste der Beklagte bei der Abwägung jedoch nicht beachten. Jedenfalls wenn es nicht um die Festlegung des Lärmschutzbereichs, sondern - wie hier - um die Abwägung geht, ist maßgebend der für den Zeitpunkt der Planfeststellung festgelegte Wert.

169

Anhaltspunkte dafür, dass § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG verfassungswidrig sein könnte, weil die festgelegten Werte der Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht genügen, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, dass das Fluglärmschutzgesetz einen LAeq Nacht unter 50 dB(A) und/oder einen LAmax unter 6 × 55 dB(A) hätte festlegen müssen. Bei der Erfüllung von Schutzpflichten kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen; die Verletzung von Schutzpflichten kann nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben (BVerfG, Beschlüsse vom 4. Mai 2011 a.a.O. Rn. 38 und vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 - NVwZ 2009, 1489 Rn. 29). Dass bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 die dort festgelegten Werte zum Schutz der menschlichen Gesundheit ausreichend waren, hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 (a.a.O. Rn. 297 ff.) ausführlich dargelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Einschätzung nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - NVwZ 2008, 780 Rn. 85). Die Kläger machen geltend, dass nach neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung bereits unterhalb dieser Werte und damit erst recht unterhalb der Werte des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG das Risiko, an Bluthochdruck zu erkranken, signifikant ansteige. Zum Beweis hierfür berufen sie sich insbesondere auf die Krankenhaus-Studie von Herrn Prof. Dr. G. ("Im Krankenhaus behandelte Erkrankungen als Folge der Exposition gegenüber nächtlichem Fluglärm - Ergebnisse einer Fall-Kontrolle-Studie im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn", Februar 2009), die Hypertension and Exposure to Noise Near Airports (HYENA) -Studie (Selander u.a., Saliva Cortisol and Exposure to Aircraft Noise in Six European Countries, Environmental Health Perspectives 117 <2009> S. 1713 ff.) sowie die sogenannte Stockholm-Studie (Eriksson, Rosenlund u.a., Aircraft Noise and Incidence of Hypertension, Epidemiology Vol. 18 No. 6, November 2007 S. 716 ff.). Diese Studien sind schon deshalb nicht geeignet, eine Verletzung der Schutzpflicht bei Erlass des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu begründen, weil sie erst nach Erlass des Gesetzes (1. Juni 2007) veröffentlicht wurden. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden ist (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 a.a.O. Rn. 38). Das ist nicht der Fall. Um dies festzustellen, ist eine Gesamtschau der lärmmedizinischen Erkenntnisse erforderlich. Die neuen Studien mögen zwar Anlass geben, die bisherigen Werte im Rahmen der spätestens 2017 anstehenden Überprüfung (vgl. § 2 Abs. 3 FluglärmG) zu hinterfragen; auch der Aussagewert dieser Studien wird jedoch - wie Herr Prof. Dr. Sch. als Sachbeistand des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - in der Fachwissenschaft kontrovers diskutiert. Aus diesem Grund könnte, selbst wenn die Ergebnisse der Studien dem Gesetzgeber bereits bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, auch nicht festgestellt werden, dass er mit den in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG festgelegten Werten den ihm zukommenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten hat.

170

Mit ihrem Beweisantrag Nr. 5 behaupten die Kläger, die zum Schutz der Bevölkerung im Umfeld von Verkehrsflughäfen erforderlichen Grenzwerte könnten nur auf Grundlage epidemiologisch-medizinischer Gutachten/Studien ermittelt werden; das vorgelegte Gutachten von Herrn Prof. Dr. Sch. genüge diesen Anforderungen nicht. Zum Beweis hierfür beantragen sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Beweisbehauptung ist nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hat die lärmmedizinischen Stellungnahmen von Herrn Prof. Dr. Sch. nur vorsorglich eingeholt. Die im Fluglärmschutzgesetz festgelegten Werte haben eine Überprüfung seines Lärmschutzkonzepts auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung entbehrlich gemacht (PEB S. 186 Abs. 2 und 3). Die Frage, ob das Fluglärmschutzgesetz in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a strengere Werte hätte festlegen müssen, kann der Senat auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel beurteilen; ein weiteres Sachverständigengutachten ist hierfür nicht erforderlich.

171

3.4 Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG

172

Der Beklagte hat die Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG beachtet.

173

Das in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltene Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, hat für die Abwägung die Qualität einer Gewichtungsvorgabe (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 269 und vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 53). Es führt zwar nicht zwingend zu einem Nachtflugverbot als dem allein rechtmäßigen Abwägungsergebnis, vor seinem Hintergrund bedarf die Zurückdrängung des Lärmschutzinteresses indes gesteigerter Rechtfertigung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O.). Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist nicht nur während der Nachtkernzeit besonders Rücksicht zu nehmen; § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gilt für die gesamte Nacht, also auch für die Nachtrandstunden. Auch die erste Nachtrandstunde von 22:00 bis 23:00 Uhr ist schutzwürdig; sie darf nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden. Wie bereits dargelegt, besitzt der Lärmschutz in den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit von 22:00 bis 23:00 Uhr allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Ihm ist ein umso höheres Gewicht beizumessen, je näher die zuzulassenden Flugbewegungen zeitlich an den Kernzeitraum von 0:00 bis 5:00 Uhr heranrücken würden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288).

174

Der Beklagte hat dieser Gewichtungsvorgabe Rechnung getragen. Er hat nicht nur die Nachtkernzeit als schutzwürdig angesehen, sondern seine Abwägung für die gesamte Nacht an § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG gemessen (PEB S. 156 Abs. 3). Gerade für die Nachtrandstunden hat er den Nachtflugbedarf in Halbstundensegmenten untersucht, um die Belange differenziert abwägen zu können. Er ist hierbei - der Rechtsprechung des Senats folgend (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 279) - davon ausgegangen, dass der Verkehrsbedarf, der als Rechtfertigung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb dient, umso dringlicher sein muss, je gewichtiger die Lärmschutzinteressen sind, die nach den konkreten örtlichen Verhältnissen auf dem Spiel stehen (PEB S. 156 Abs. 3). Im Hinblick auf die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr hat er allerdings dargelegt, dass deutlich mehr als die Hälfte der Nachtflüge auf diese Stunde entfalle, "die als Verlängerung des Tagesflugbetriebes gesehen wird" (PEB S. 166 Abs. 2). Die Geltung des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG auch für diese Stunde hat er damit jedoch nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich erläutert, warum die Verkehrsinteressen in dieser Stunde ein besonders hohes Gewicht haben und er sie - wie im folgenden Satz dargelegt - höher bewertet als das Interesse der Flughafenanwohner an einer ungestörten Nachtruhe.

175

Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Beklagte bei der Gewichtung der Lärmschutzbelange auch nicht die konkreten örtlichen Verhältnisse des Standorts Berlin-Schönefeld unberücksichtigt gelassen. Er hat vielmehr die Vielzahl von Lärmbetroffenen der nahen und dicht besiedelten Gebiete in der Umgebung des Flughafens als in hohem Maße schutzbedürftig angesehen (PEB S. 165 Abs. 4). Dass weniger Menschen durch Fluglärm beeinträchtigt worden wären, wenn der Flughafen am Standort Sperenberg gebaut worden wäre, war insoweit nicht abwägungsrelevant. Über die Wahl des Standorts war im Planergänzungsverfahren nicht erneut zu entscheiden. Maßgebend für die Betriebsregelungen am Standort Berlin-Schönefeld waren allein die dortigen, durch die relativ dichte Besiedlung des Metropolenrandbereichs bedingten Lärmbetroffenheiten.

176

3.5 Landesplanung

177

Den Grundsatz G 9 des LEP FS hat der Beklagte nicht übersehen (PEB S. 156 Abs. 3). Der Grundsatz enthält jedoch keine strengeren Anforderungen an die Zurückstellung der Lärmschutzbelange in der Abwägung als § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG. Er lautet:

Bei der Entwicklung des Flughafens Berlin-Schönefeld sind alle rechtlichen Anforderungen, Lärmbeeinträchtigungen durch den Betrieb des Flughafens zu vermeiden und unvermeidbare Lärmbeeinträchtigungen auf ein Mindestmaß zu beschränken, im Rahmen der geltenden Vorschriften auszuschöpfen.

178

In der Begründung wird hierzu ausgeführt, dass abwägungserhebliche Lärmbeeinträchtigungen nur bei Überwiegen anderer Belange, insbesondere des Verkehrsbedarfs und des Widmungszwecks des Flughafens hingenommen werden sollen. Dass der nächtliche Flugbetrieb bis zur Grenze des rechtlich Zulässigen beschränkt, wenn möglich also ein vollständiges Nachtflugverbot verhängt werden soll, lässt sich dem Grundsatz entgegen der Auffassung der Kläger nicht entnehmen.

179

Auf § 19 Abs. 11 des Gemeinsamen Landesentwicklungsprogramms der Länder Berlin und Brandenburg in der Fassung des Änderungsstaatsvertrags vom 5. Mai 2003 (GVBl Bbg I S. 202) - LEPro - brauchte der Beklagte bei der Gewichtung der Lärmschutzbelange nicht einzugehen. Die Vorschrift trifft die landesplanerische Grundentscheidung, dass der im Gesamtraum Berlin-Brandenburg zu erwartende Luftverkehrsbedarf innerhalb des bestehenden Flughafensystems, also nicht an einem neuen Standort, und möglichst konzentriert auf einen Flughafen ("Single-Airport") gedeckt werden soll. Dies soll "unter Verringerung der Lärmbetroffenheit" geschehen. Vorgaben für die Regelung des Flugbetriebs auf den einzelnen Flughäfen enthält § 19 Abs. 11 LEPro nicht.

180

Die Gewichtung der Lärmschutzbelange im Planergänzungsbeschluss widerspricht auch nicht der Gewichtung, die bei der Standortauswahl vorgenommen wurde. Im Planfeststellungsbeschluss wurde der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld mit Blick auf die Ersetzungsfunktion als Maßnahme des Immissionsschutzes gerechtfertigt (PFB S. 333; vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 187 ff.). Die Ersetzung der Flughäfen Tegel und Tempelhof sollte dazu führen, dass die Zahl der innerhalb einer 67- bzw. einer 62 dB(A)-Kontur lebenden Anwohner erheblich sinkt (PFB S. 333 Abs. 3; vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 109). Das Erreichen dieses Ziels wird durch die im Planergänzungsbeschluss getroffene Regelung des Flugbetriebs nicht infrage gestellt.

181

3.6 Nachtverkehrszahl

182

Der Beklagte hat schließlich die Bedeutung der Nachtverkehrszahl (A II 5.1.1 Nr. 9 PFB i.d.F. des PEB) für den Schutz der Anwohner nicht überschätzt.

183

Um einen Anreiz zu schaffen, abends möglichst früh und morgens möglichst spät zu fliegen und die tatsächlich disponiblen Flugbewegungen weniger in den kernzeitnahen Zeitscheiben durchzuführen (PEB S. 157 Abs. 4), hat der Beklagte die Flugbewegungen zwischen 23:00 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 6:00 Uhr kontingentiert. Die während der Nachtkernzeit zugelassenen Verkehre bleiben hiervon unberührt. Die Nachtverkehrszahl wurde auf der Grundlage der für das Jahr 2023 prognostizierten Flugbewegungen festgelegt (PEB S. 158). Eine begrenzende Wirkung entfaltet sie dementsprechend erst, wenn das tatsächliche Verkehrsaufkommen das für 2023 prognostizierte Verkehrsaufkommen übersteigt. Flugbewegungen zwischen 23:30 und 24:00 Uhr sowie 5:00 und 5:30 Uhr sind mit dem Faktor 2 zu gewichten (A II 5.1.1 Nr. 9 b PFB i.d.F. des PEB). Betroffen hiervon sind zwar hauptsächlich Verspätungen und Verfrühungen, also nicht planbare Flugbewegungen; auch insoweit entfaltet die Regelung jedoch eine steuernde Wirkung. Je weiter der geplante An- oder Abflugtermin vom Ende bzw. Beginn der regulären Betriebszeit entfernt bleibt, desto seltener wird es zu verspäteten oder verfrühten Flügen zwischen 23:30 und 24:00 Uhr bzw. 5:00 und 5:30 Uhr kommen. Zudem muss die geplante Nachtverkehrszahl hinter der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl zurückbleiben (Nr. 9 d). Wird das Kontingent dennoch überschritten, muss dies in der folgenden Flugplanperiode bei der Planung der Nachtverkehrszahl ausgeglichen werden (Nr. 9 e). Zeitlich wird das Jahreskontingent lediglich zwischen Sommer- und Winterflugplanperiode aufgeteilt (PEB S. 157 Abs. 1). Eine darüber hinausgehende Steuerung etwa nach Wochentagen oder eine Glättung von Verkehrsspitzen ist nicht vorgesehen.

184

Der Beklagte hat den Wirkungsmechanismus der Nachtverkehrszahl zutreffend beschrieben (PEB S. 157 - 160). Ein zentrales Instrument zum Schutz der Nachtruhe könnte die Nachtverkehrszahl in dieser Ausgestaltung nicht sein; eine solche Bedeutung hat der Beklagte ihr auch nicht beigemessen. Er hat ihr im Verhältnis zu den verfügten zeitlichen Beschränkungen des Nachtflugbetriebs lediglich eine "zusätzliche, steuernde und sichernde Funktion" zugewiesen (PEB S. 157 Abs. 2).

185

4. Ausgleich der gegenläufigen Belange

186

Der Ausgleich, den der Beklagte zwischen den Verkehrsinteressen und den Lärmschutzbelangen der Kläger vorgenommen hat, hält sich im Rahmen des der Exekutive zustehenden Gestaltungsspielraums. Der Verzicht auf eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs steht zur objektiven Gewichtigkeit ihrer Belange nicht außer Verhältnis.

187

4.1 Nachtkernzeit

188

In seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 290) hat der Senat den Gestaltungsspielraum des Beklagten dahingehend eingeschränkt, dass zumindest die besonders lärmsensiblen Stunden zwischen 0:00 und 5:00 Uhr von Flugaktivitäten grundsätzlich frei bleiben müssen. Der Beklagte hat diese Vorgabe im Planergänzungsbeschluss fehlerfrei umgesetzt. Nach A II 5.1.1 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB dürfen in der Zeit von 23:30 bis 5:30 Uhr, also auch während der Nachtkernzeit, keine Luftfahrzeuge starten und landen. Die Ausnahmen, die der Beklagte für Notlandungen, Flüge für den Katastrophenschutz, medizinische Hilfeleistungen, Vermessungen, Staatsbesuche, für Regierungsflüge, Militärflüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und den Luftpostverkehr zugelassen hat (A II 5.1.1 Nr. 3 und 4 a PFB i.d.F. des PEB), sind durch einen standortspezifischen Nachtflugbedarf gerechtfertigt. Insoweit durfte der Beklagte die Lärmschutzbelange der Anwohner zurückstellen. Das grundsätzliche Start- und Landeverbot wird trotz dieser Ausnahmen zu einer deutlich spürbaren Lärmpause in der Kernzeit der Nacht führen. Der Beklagte hat für die Durchschnittsnacht 2020  2,7 Flugbewegungen zwischen 0:00 und 5:00 Uhr prognostiziert (PEB S. 147). Um diese Lärmpause zu erreichen, sind die öffentlichen und privaten Verkehrsinteressen zurückgestellt worden. Die Ermittlungen des Beklagten haben ergeben, dass auch in der Nachtkernzeit insbesondere im Interkontinentalverkehr (PEB S. 101 Abs. 3, S. 104 Abs. 4) und in den touristischen Verkehren (PEB S. 96 Abs. 2, S. 100 Abs. 2) eine nicht unerhebliche Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen besteht.

189

4.2 Nachtrandzeiten

190

Für die Nachtrandzeiten hat der Senat den Gestaltungsspielraum des Beklagten in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht in gleicher Weise als eingeengt angesehen wie für die Nachtkernzeit. Das Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen (§ 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG), gilt zwar - wie dargelegt - für die gesamte Nacht; die Nachtruhe hat in den Nachtrandstunden allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Bei der Prüfung, ob die Regelung des Flugbetriebs dem besonderen Gewicht der Nachtruhe hinreichend Rechnung trägt, dürfen die Nachtrandstunden nicht isoliert betrachtet werden. Entscheidend ist, ob das Lärmschutzkonzept bei einer Betrachtung der Gesamtnacht ausreichend Rücksicht auf die Nachtruhe der Bevölkerung nimmt.

191

4.2.1 Kernzeitnahe Zeitsegmente (23:30 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 5:30 Uhr)

192

Der Beklagte hat das grundsätzliche Verbot von Starts und Landungen nicht auf die Nachtkernzeit beschränkt, sondern es auch auf die angrenzenden Zeitscheiben von 23:30 bis 24:00 Uhr und von 5:00 bis 5:30 Uhr erstreckt. Insoweit hat er in Ansehung der standortspezifischen Situation mit einer ausgeprägten Lärmbelastung für Flughafenanwohner und sonstige Lärmbetroffene dem Schutz der Nachtruhe gegenüber den Verkehrsinteressen den Vorrang eingeräumt (PEB S. 168 Abs. 2). Die in diesen Zeitsegmenten zugelassenen Ausnahmen mindern die Wirkungen des Start- und Landeverbots jedenfalls nicht erheblich. Die Regelung führt dazu, dass der Flugverkehr in der letzten halben Stunde vor der Kernzeit deutlich abnimmt und nach ihrem Ende nur langsam wieder ansteigt. Der Beklagte hat für die Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr in der Durchschnittsnacht 2020  4,1 Flugbewegungen prognostiziert; in der halben Stunde zuvor sind es noch 13,6 Flugbewegungen. Für die Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr erwartet er 0,6 Flugbewegungen im Vergleich zu 10,0 Flugbewegungen zwischen 5:30 und 6:00 Uhr (PEB S. 163 f.). Ausgehend hiervon sind die Ausnahmen durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

193

Das gilt zunächst für verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b PFB i.d.F. des PEB; vgl. hierzu 2.3.11). Er ist davon ausgegangen, dass für den Interkontinentalverkehr selbst von 23:30 bis 24:00 Uhr ein nennenswerter Nachtflugbedarf bestehen wird, der aufgrund des Verbots planmäßigen Flugbetriebs nicht wird gedeckt werden können (PEB S. 141 f.). Vor diesem Hintergrund hat er jedenfalls die Ermöglichung verspäteter Starts im Interesse einer weitgehend ungestörten Abwicklung des Luftverkehrs als gerechtfertigt angesehen (PEB S. 168 Abs. 1). Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Von der Ausnahme werden nur sehr wenige Flugbewegungen profitieren. Die Möglichkeit, diese Starts bis 24:00 Uhr durchzuführen, kann es den Luftverkehrsgesellschaften deutlich erleichtern, Berlin verlässlich in das interkontinentale Luftverkehrsnetz einzubinden. Direkte Interkontinentalverbindungen haben für die Verkehrsfunktion des Flughafens ein erhebliches Gewicht.

194

Die Zulassung verspäteter Landungen bis 24:00 Uhr und verfrühter Landungen ab 5:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 c PFB i.d.F. des PEB; vgl. 2.3.11) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem Interesse, den Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln und insbesondere die Umleitung verspäteter Flugzeuge auf andere Flughäfen zu vermeiden, hat der Beklagte zu Recht ein hohes Gewicht beigemessen (PEB S. 172 Abs. 2). Die Möglichkeit, verfrüht zu landen, ist vor allem für den Interkontinentalverkehr von Bedeutung (PEB S. 142 Abs. 3, S. 168 Abs. 1). Auch den Lärmschutzbelangen der Anwohner kommt in den kernzeitnahen Segmenten zwar ein hohes Gewicht zu. Die prognostizierte Zahl von Verspätungen und Verfrühungen bleibt mit 3,0 bzw. 0,2 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 (PEB S. 147) jedoch in einem vertretbaren Rahmen. Diese Flugbewegungen werden zudem auf die Nachtverkehrszahl angerechnet und dort mit dem Faktor 2 gewichtet. Diese Regelung wird bei Erreichen des Prognoseverkehrs einen Anreiz setzen, bereits die Flugplanung so zu gestalten, dass Verspätungen und Verfrühungen vermieden werden.

195

Ausschlaggebend für die Zulassung von Bereitstellungs- und Überführungsflügen bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB; vgl. 2.3.9) war das Interesse, Beeinträchtigungen der regulären Umlaufplanung durch die überwiegend nachts erfolgende Wartung und Instandhaltung möglichst zu vermeiden. Berücksichtigt hat der Beklagte außerdem die arbeitsmarktpolitischen Effekte einer solchen Regelung insbesondere für die am Standort Berlin-Schönefeld mit einer hohen Investitionsintensität bereits angesiedelten Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 132 Abs. 3, S. 171 Abs. 4). Da es nur um sehr wenige Flugbewegungen geht - prognostiziert sind für die Zeit von 23:30 bis 24:00 Uhr 0,2, für die Zeit von 5:00 bis 5:30 Uhr 0,3 Flugbewegungen (Durchschnittsnacht 2020 - PEB S. 147) - und Leerflüge zudem weniger laut sind, ist es vertretbar, die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit zurückzustellen.

196

4.2.2 Zeitsegmente von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr

197

Für die Zeit von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr hat der Beklagte Flugverkehr grundsätzlich zugelassen. Beschränkt wird der Flugverkehr lediglich durch das Start- und Landeverbot für besonders laute Flugzeuge (A II 5.1.1 Nr. 2 PFB i.d.F. des PEB) - bis 23:00 Uhr sind verspätete Landungen auch dieser Flugzeuge zulässig (a.a.O. Nr. 5) - und durch die Nachtverkehrszahl (a.a.O. Nr. 9); der Verkehr von 22:00 bis 23:00 Uhr wird von der Nachtverkehrszahl allerdings nicht erfasst.

198

Durch diese Regelung werden die Anwohner des Flughafens erheblichen Belastungen ausgesetzt. Der Beklagte rechnet für die Durchschnittsnacht 2020 mit 40,2 Flugbewegungen zwischen 22:00 und 23:00 Uhr, 13,6 Flugbewegungen zwischen 23:00 und 23:30 Uhr und 10,0 Flugbewegungen zwischen 5:30 und 6:00 Uhr bei 71,2 Flugbewegungen in der Gesamtnacht (PEB S. 147). In Spitzennächten wird die Zahl der Flugbewegungen noch deutlich darüber liegen. Die Zahl der Anwohner, die auf passiven Schallschutz angewiesen sind, wird sich in einer Größenordnung von etwa 40 000 Menschen bewegen. Das entspricht einer mittelgroßen Stadt oder fast einer halben Großstadt (100 000 Einwohner).

199

Diesen erheblichen Lärmbetroffenheiten stehen gewichtige Verkehrsinteressen gegenüber. Das mit dem Ausbau des Flughafens verbundene Ziel, den nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg sowie des angrenzenden Einzugsbereichs zu decken, ist nicht nur von regionaler, sondern von nationaler und internationaler Bedeutung. Berlin ist die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und eine europäische Metropole. Der Flughafen Berlin-Schönefeld wird künftig der einzige Verkehrsflughafen der Metropolregion sein. Der Einbindung dieses Flughafens in das weltweite Luftverkehrsnetz auch in den späten Abend- und den frühen Morgenstunden kommt im Hinblick auf seine herausragende Verkehrsbedeutung ein hohes Gewicht zu. Die Kläger meinen, die Planungsziele könnten jedenfalls auch dann erreicht werden, wenn der Flugverkehr - wie bislang auf dem Flughafen Tegel - auf die Zeit von 6:00 bis 23:00 Uhr beschränkt werde. Dass auch eine solche Beschränkung des Flugbetriebs das Ergebnis der Abwägung hätte sein können, bedeutet indessen nicht, dass die vom Beklagten festgelegten Betriebszeiten den Abwägungsspielraum überschreiten. In den Nachtrandstunden bedarf es für die Zulassung von Nachtflugbetrieb keiner "Erforderlichkeit" im Sinne eines etwa unabweisbaren Flugbedarfs; je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368>). Unabhängig hiervon wird für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld eine über die Verkehrsfunktion des Flughafens Tegel hinausgehende Verkehrsbedeutung erwartet (PEB S. 162 Abs. 3). Zudem entfällt die am Flughafen Tegel noch bestehende Möglichkeit, mit Nachtflügen auf einen anderen Flughafen, nämlich den bisherigen Flughafen Berlin-Schönefeld, auszuweichen. Die Flughäfen Tegel und Schönefeld sind schließlich im Hinblick auf ihre Umgebung nicht vergleichbar. Tegel ist ein innerstädtischer Flughafen. Seine Umgebung ist erheblich dichter besiedelt als die Umgebung des zwar stadtnah, aber außerhalb des Stadtgebiets gelegenen Flughafens Berlin-Schönefeld.

200

Ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Lärmschutz- und den Verkehrsbelangen soll nach dem Konzept des Beklagten dadurch hergestellt werden, dass der Flugverkehr zwischen 22:00 und 24:00 Uhr abnimmt - ab 23:30 Uhr sogar deutlich -, in der Nachtkernzeit eine weitgehende Lärmpause eintritt und der Verkehr nach 5:00 Uhr bis zum Beginn des Tages erst langsam wieder anschwillt. Ausgehend von diesem Konzept ist es für den Flughafen Berlin-Schönefeld vertretbar, im Hinblick auf den weitgehenden Schutz der Nachtruhe zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Flugverkehr bis 23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr grundsätzlich zuzulassen, die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit also weitgehend hinter den dargelegten Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen. Auch zwischen 22:00 und 23:30 Uhr und 5:30 und 6:00 Uhr darf die Nacht jedoch nicht zum Tage werden. Die Verhältnismäßigkeit bleibt nur gewahrt, wenn das Konzept eines Ab- und Anschwellens des Flugverkehrs auch in diesen Zeitsegmenten weiter durchgeführt wird. Für die Zeit von 23:00 bis 24:00 Uhr und von 5:00 bis 6:00 Uhr hat der Beklagte den Verkehr mengenmäßig durch die Nachtverkehrszahl begrenzt. Sie entfaltet ihre Schutzwirkungen zwar erst, wenn die Flugbewegungen das für 2023 prognostizierte Aufkommen erreichen; jedenfalls ein die Prognose überschreitendes Verkehrsaufkommen wird jedoch unterbunden. Eine vergleichbare Regelung hat der Beklagte für die erste Stunde der Nacht nicht getroffen. Die Nachtverkehrsprognose hat aber bereits aufgrund der nachlassenden Nachfrage einen abnehmenden Trend der Flugbewegungen vom Ende des Tages zur Nachtkernzeit hin ergeben (vgl. Nachtflug-Gutachten S. 87 Abb. 8-2). Sollte sich die erste Nachtstunde entgegen dieser Prognose zu einer Stunde entwickeln, in der die Fluglärmbelastung der Anwohner in der Regel größer ist als in den Abendstunden, wäre dies eine mit dem Abwägungsgebot und § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht vereinbare Entwicklung. Schutzlos wären die Kläger auch in diesem Fall nicht. Der Beklagte hat sich in A II 5.1.9 PFB i.d.F. des PEB die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten. Der Vorbehalt entfaltet drittschützende Wirkung. Er kann - wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 356) dargelegt hat - auch für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelungen über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden. Vor diesem Hintergrund war es vertretbar, im Planergänzungsbeschluss von einer weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der ersten Nachtstunde abzusehen.

201

C. Kosten

202

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 161 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 und 2 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Hier entsprach es billigem Ermessen, bezüglich des erledigten Antrags auf weitergehenden passiven Schallschutz, für den der Senat jeweils 2/5 des Einzelstreitwerts (10 000 €) angesetzt hat, die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten zu 1/2 den Klägern und zu je 1/4 dem Beklagten und der Beigeladenen aufzuerlegen. Der Antrag hätte, soweit er auf eine Herabsetzung der Lärmwerte gerichtet war, voraussichtlich keinen Erfolg, soweit er gegen die Grenzziehung des Nachtschutzgebiets auf der Grundlage der DFS-Flugroutenprognose vom November 1997 / März 1998 gerichtet war, hingegen Erfolg gehabt. Nur der Antrag der Kläger zu 8 und 9 wäre insgesamt erfolglos geblieben, da ihre Klage bereits unzulässig war.

(1) § 75 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt nicht für Entscheidungen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur nach § 27d Absatz 1, 1a und 4 und Entscheidungen der Baugenehmigungsbehörden auf Grund des Baurechts.

(2) Wird der Plan nicht innerhalb von fünf Jahren nach Rechtskraft durchgeführt, so können die vom Plan betroffenen Grundstückseigentümer verlangen, dass der Unternehmer ihre Grundstücke und Rechte insoweit erwirbt, als nach § 28 die Enteignung zulässig ist. Kommt keine Einigung zustande, so können sie die Durchführung des Enteignungsverfahrens bei der Enteignungsbehörde beantragen. Im Übrigen gilt § 28.

(3) Wird mit der Durchführung des Plans nicht innerhalb von zehn Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen, so tritt er außer Kraft, es sei denn, er wird vorher auf Antrag des Trägers des Vorhabens von der Planfeststellungsbehörde um höchstens fünf Jahre verlängert.

Auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sowie auf die auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für die Errichtung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen geltenden Verfahren sind die §§ 29 bis 37 nicht anzuwenden, wenn die Gemeinde beteiligt wird; städtebauliche Belange sind zu berücksichtigen. Eine Bindung nach § 7 bleibt unberührt. § 37 Absatz 3 ist anzuwenden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

I.

1

Die beiden Beschwerdeführer haben mit Erfolg Verfassungsbeschwerde gegen die Höhe der Entschädigung erhoben, die ihnen für die Übernahme ihres Grundstücks, das in einem für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld festgelegten Entschädigungsgebiet liegt, zugestanden wurde. Mit Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Februar 2010 hob das Bundesverfassungsgericht den letztinstanzlichen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wegen Verletzung des Eigentumsrechts der Beschwerdeführer auf (NVwZ 2010, S. 512) und verwies die Sache zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesrepublik Deutschland wurde verpflichtet, die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer zu tragen. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wurde auf 145.000 € festgesetzt.

2

Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer beantragte im Kostenfestsetzungsverfahren auf Grundlage eines Gegenstandswerts von 145.000 € die Kosten für das anwaltliche Tätigwerden vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstatten. Neben der - nicht in Streit stehenden - Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale wurde die Festsetzung einer Erhöhungsgebühr mit einem Satz von 0,3 in Höhe von 475,50 € beantragt. Die Erhöhungsgebühr sei nach dem Gebührentatbestand der Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (nachfolgend: VV-RVG) zu berücksichtigen, da in dieser Sache mehrere Auftraggeber vorhanden gewesen seien und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe gewesen sei. Letzteres sei der Fall, wenn mehrere Parteien ein einheitliches Recht in gemeinschaftlicher Trägerschaft geltend machten. So seien im Streitfall die beiden Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in ihrer Eigentümerstellung an ein und derselben Sache verletzt worden. Das betroffene Grundstück stehe in gemeinschaftlicher Trägerschaft der Beschwerdeführer.

3

Die Rechtspflegerin wies in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2010 den Antrag auf Festsetzung einer Erhöhungsgebühr zurück. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde bestimme die subjektive Beschwer der jeweiligen Beschwerdeführer den Gegenstand des Verfahrens. Es komme insoweit bei mehreren Beschwerdeführern nur eine Erhöhung des Gegenstandswerts, jedoch keine Festsetzung einer Erhöhungsgebühr in Betracht.

4

Gegen die teilweise Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags haben die Beschwerdeführer fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und auf ihre bisherige Begründung verwiesen. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

5

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

6

Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin erhobene sofortige Beschwerde ist nach § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft. In Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen auf § 34a BVerfGG. Diese Regelung schließt es jedoch nicht aus, ergänzend Grundsätze des sonstigen Prozessrechts heranzuziehen, soweit dem nicht Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens entgegen stehen (vgl. BVerfGE 46, 321 <323>; 50, 254 <255>; 81, 387 <389>, 89, 313 <314>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2008 - 2 BvR 274/03, 2 BvR 937/03 -, NJW 2008, S. 3207). Im Regelfall spricht nichts dagegen, die Grundsätze des § 91 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BVerfGE 50, 254 <255>; 89, 313 <314>); eine schematische Anwendung der Regelungen der ZPO kommt indes nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 46, 321 <323>).

7

Eine - nach § 22 BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht zulässige - Vertretung durch einen Rechtsanwalt lässt dann eine Erhöhungsgebühr entstehen, wenn ein Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Beschwerdeführer tätig wird und wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist (Nr. 1008 VV-RVG).

8

Eine solche Identität des Gegenstands ist indes nicht gegeben, wenn Verfassungsbeschwerden mehrerer Auftraggeber sich gegen denselben Akt der öffentlichen Gewalt wenden. Der Gegenstand des Verfahrens wird durch die jeweilige subjektive verfassungsrechtliche Beschwer jedes einzelnen Beschwerdeführers bestimmt. Der über das subjektive Interesse jedes Beschwerdeführers hinausgehenden objektiven Bedeutung des Verfahrens wird in solchen Verfahren gegebenenfalls durch eine Erhöhung des Gegenstandswerts im Rahmen der Festsetzung nach § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 96, 251 <257 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2000 - 1 BvR 1864/94 -, NJW-RR 2001, S. 139; Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 34a Rn. 79 ). So liegt es im Streitfall. Die beiden Beschwerdeführer haben mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihres jeweiligen Eigentumsrechts an dem gemeinsamen Grundstück gerügt und damit unterschiedliche Verfahrensgegenstände begründet.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Flughäfen sowie Landeplätze mit beschränktem Bauschutzbereich nach § 17 dürfen nur angelegt, bestehende nur geändert werden, wenn der Plan nach § 10 vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Hierbei sind zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu beachten. Die Prüfung der Umweltverträglichkeit und der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen von Natura 2000-Gebieten muss sich räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Vorhabens erstrecken, in dem entscheidungserhebliche Auswirkungen möglich sind. Hierbei sind in der Umgebung der in Satz 1 bezeichneten Flugplätze alle die Bereiche zu berücksichtigen, in denen An- und Abflugverkehr weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden kann. Lässt sich die Zulassung des Vorhabens nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch An- und Abflugverkehr verschont bleiben, legt die Planfeststellungsbehörde fest, dass An- und Abflugverkehr über diesen Gebieten nicht abgewickelt werden darf. Die Planfeststellungsbehörde kann auch Bedingungen für die Zulässigkeit von Überflügen über bestimmten Gebieten festlegen. Vor einer Festlegung im Planfeststellungsbeschluss ist der Flugsicherungsorganisation und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung Gelegenheit zu geben, zu den Auswirkungen einer solchen Festlegung auf die künftige Verkehrsführung und Abwicklung des Luftverkehrs Stellung zu nehmen. Auf Genehmigungen nach § 6 Absatz 1 und 4 Satz 2 sind die Sätze 3 bis 5 entsprechend anzuwenden. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2) Für die Plangenehmigung gilt § 9 Absatz 1 entsprechend.

(3) (weggefallen)

(4) Betriebliche Regelungen und die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände können Gegenstand der Planfeststellung sein. Änderungen solcherart getroffener betrieblicher Regelungen bedürfen nur einer Regelung entsprechend § 6 Abs. 4 Satz 2.

(5) Für die zivile Nutzung eines aus der militärischen Trägerschaft entlassenen ehemaligen Militärflugplatzes ist eine Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 durch die zuständige Zivilluftfahrtbehörde erforderlich, in der der Träger der zivilen Nutzung anzugeben ist. Die Genehmigungsurkunde muss darüber hinaus die für die entsprechende Flugplatzart vorgeschriebenen Angaben enthalten (§ 42 Abs. 2, § 52 Abs. 2, § 57 Abs. 2 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Eine Planfeststellung oder Plangenehmigung findet nicht statt, jedoch muss das Genehmigungsverfahren den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen, wenn die zivile Nutzung des Flugplatzes mit baulichen Änderungen oder Erweiterungen verbunden ist, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Ein militärischer Bauschutzbereich bleibt bestehen, bis die Genehmigungsbehörde etwas anderes bestimmt. Spätestens mit der Bekanntgabe der Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 gehen alle Rechte und Pflichten von dem militärischen auf den zivilen Träger über.

(6) Die Genehmigung nach § 6 ist nicht Voraussetzung für ein Planfeststellungsverfahren oder ein Plangenehmigungsverfahren.

(7) Absatz 5 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend bei der zivilen Nutzung oder Mitbenutzung eines nicht aus der militärischen Trägerschaft entlassenen Militärflugplatzes.

(8) § 7 gilt für das Planfeststellungsverfahren entsprechend. Vorarbeiten zur Baudurchführung sind darüber hinaus auch vor Eintritt der Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung zu dulden.

(1) § 75 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt nicht für Entscheidungen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur nach § 27d Absatz 1, 1a und 4 und Entscheidungen der Baugenehmigungsbehörden auf Grund des Baurechts.

(2) Wird der Plan nicht innerhalb von fünf Jahren nach Rechtskraft durchgeführt, so können die vom Plan betroffenen Grundstückseigentümer verlangen, dass der Unternehmer ihre Grundstücke und Rechte insoweit erwirbt, als nach § 28 die Enteignung zulässig ist. Kommt keine Einigung zustande, so können sie die Durchführung des Enteignungsverfahrens bei der Enteignungsbehörde beantragen. Im Übrigen gilt § 28.

(3) Wird mit der Durchführung des Plans nicht innerhalb von zehn Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen, so tritt er außer Kraft, es sei denn, er wird vorher auf Antrag des Trägers des Vorhabens von der Planfeststellungsbehörde um höchstens fünf Jahre verlängert.

(1) Von den Besitzverboten sind, soweit sich aus einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nichts anderes ergibt, ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten, die rechtmäßig
a)
in der Gemeinschaft gezüchtet und nicht herrenlos geworden sind, durch künstliche Vermehrung gewonnen oder aus der Natur entnommen worden sind,
b)
aus Drittstaaten in die Gemeinschaft gelangt sind,
2.
Tiere und Pflanzen der Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 4 aufgeführt und vor ihrer Aufnahme in die Rechtsverordnung rechtmäßig in der Gemeinschaft erworben worden sind.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt nicht für Tiere und Pflanzen der Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b, die nach dem 3. April 2002 ohne eine Ausnahme oder Befreiung nach § 43 Absatz 8 Satz 2 oder § 62 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung oder nach dem 1. März 2010 ohne eine Ausnahme nach Absatz 8 aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland gelangt sind. Abweichend von Satz 2 dürfen tote Vögel von europäischen Vogelarten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, soweit diese nach § 2 Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbracht werden.

(2) Soweit nach Absatz 1 Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten keinen Besitzverboten unterliegen, sind sie auch von den Vermarktungsverboten ausgenommen. Dies gilt vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 5 nicht für aus der Natur entnommene

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten und
2.
Tiere europäischer Vogelarten.

(3) Von den Vermarktungsverboten sind auch ausgenommen

1.
Tiere und Pflanzen der streng geschützten Arten, die vor ihrer Unterschutzstellung als vom Aussterben bedrohte oder streng geschützte Arten rechtmäßig erworben worden sind,
2.
Tiere europäischer Vogelarten, die vor dem 6. April 1981 rechtmäßig erworben worden oder in Anhang III Teil A der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführt sind,
3.
Tiere und Pflanzen der Arten, die den Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG unterliegen und die in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Richtlinien zu den in § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 genannten Handlungen freigegeben worden sind.

(4) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es vorbehaltlich jagd- und fischereirechtlicher Vorschriften zulässig, tot aufgefundene Tiere und Pflanzen aus der Natur zu entnehmen und an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben oder, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören, für Zwecke der Forschung oder Lehre oder zur Präparation für diese Zwecke zu verwenden.

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

(6) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten zulassen, soweit dies für die Verwertung beschlagnahmter oder eingezogener Tiere und Pflanzen erforderlich ist und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem nicht entgegenstehen. Ist für die Beschlagnahme oder Einziehung eine Bundesbehörde zuständig, kann diese Behörde Ausnahmen von den Besitz- und Vermarktungsverboten im Sinne von Satz 1 zulassen.

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1.
zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2.
zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3.
für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4.
im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5.
aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

(8) Das Bundesamt für Naturschutz kann im Fall des Verbringens aus dem Ausland von den Verboten des § 44 unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 2 und 3 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen, um unter kontrollierten Bedingungen und in beschränktem Ausmaß eine vernünftige Nutzung von Tieren und Pflanzen bestimmter Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b sowie für gezüchtete und künstlich vermehrte Tiere oder Pflanzen dieser Arten zu ermöglichen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. Soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist dies zu begründen.

(2) Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete im Sinne des § 20 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Absatz 5, von Maßnahmen nach § 34 Absatz 5 und § 44 Absatz 5 Satz 3 dieses Gesetzes sowie von Maßnahmen in Maßnahmenprogrammen im Sinne des § 82 des Wasserhaushaltsgesetzes stehen der Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen. Bei der Festsetzung von Art und Umfang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind die Programme und Pläne nach den §§ 10 und 11 zu berücksichtigen.

(3) Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.

(4) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.

(5) Ein Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen.

(6) Wird ein Eingriff nach Absatz 5 zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten. Die Ersatzzahlung bemisst sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Sind diese nicht feststellbar, bemisst sich die Ersatzzahlung nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem Verursacher daraus erwachsenden Vorteile. Die Ersatzzahlung ist von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid oder, wenn der Eingriff von einer Behörde durchgeführt wird, vor der Durchführung des Eingriffs festzusetzen. Die Zahlung ist vor der Durchführung des Eingriffs zu leisten. Es kann ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt werden; in diesem Fall soll eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Ersatzzahlung ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden, für die nicht bereits nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht.

(7) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln, insbesondere

1.
zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten,
2.
die Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung.
Solange und soweit das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, richtet sich das Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, soweit dieses den vorstehenden Absätzen nicht widerspricht.

(8) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 sowie zur Kompensation von Eingriffen im Sinne von Absatz 7 Satz 1 zu regeln, soweit die Verordnung und Vorschriften dieses Kapitels ausschließlich durch die Bundesverwaltung, insbesondere bundeseigene Verwaltung oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, ausgeführt werden. Die Rechtsverordnung ist bis zum 1. März 2020 dem Bundestag zuzuleiten. Sie kann durch Beschluss des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Bundestages wird dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zugeleitet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist bei der Verkündung der Rechtsverordnung an den Beschluss gebunden. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang einer Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Verkündung zugeleitet. Absatz 7 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

Gründe

I.

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts Ortenaukreis vom 20. Dezember 2007 für den Bau und Betrieb des Rückhalteraums Elzmündung.

2

Der Rückhalteraum Elzmündung ist auf baden-württembergischer Rheinseite eine von insgesamt 13 geplanten Hochwasserschutzanlagen des von der Landesregierung Baden-Württemberg beschlossenen Integrierten Rheinprogramms. Da die relativ seltenen Hochwassereinsätze des Rückhalteraums die Natur und Landschaft erheblich und nachhaltig beeinträchtigen würden, sollen zusätzlich so genannte Ökologische Flutungen durchgeführt werden. Sie sollen die Pflanzen und Tiere sowie die Landschaft an die bei Hochwasserrückhaltung auftretenden Überflutungen adaptieren bzw. die Sukzessionen im Rückhalteraum so beeinflussen, dass sich überflutungstolerante Gemeinschaften bilden können.

3

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an einem zu seiner Aufhebung führenden Fehler. Er sei aber rechtswidrig und nicht vollziehbar, weil der Beklagte - was die Klägerin gemäß Art. 10a der UVP-Richtlinie geltend machen könne - die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bestände der Bauchigen und der Schmalen Windelschnecke ohne hinreichende Untersuchungen verneint habe. Zudem habe er ein methodisch fehlerhaftes Grundwassermodell zugrunde gelegt und deshalb die möglichen Gefahren der Flutungen für das Trinkwasserschutzgebiet Ottenheim nicht hinreichend sicher abgeschätzt.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: § 31 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) a.F. i.V.m. § 64 Wassergesetz Baden-Württemberg (WG BW) und §§ 72 bis 78 LVwVfG stellten eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses dar. Das Integrierte Rheinprogramm habe nicht in der Form eines Gesetzes beschlossen werden müssen (UA S. 30 bis 32). Das Vorhaben werde den Anforderungen gerecht, die sich aus der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsregelung nach den §§ 20, 21 Naturschutzgesetz Baden-Württemberg (NatSchG BW), §§ 18, 19 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) 2007 unter Berücksichtigung der Vorgaben der §§ 14, 15 BNatSchG 2010 ergäben. Die Ökologischen Flutungen hätten eine Doppelfunktion: Sie seien Vermeidungsmaßnahmen gegenüber der Hochwasserrückhaltung und - gleichzeitig - Ersatzmaßnahme für die auch durch sie selbst bewirkten Eingriffe in Natur und Landschaft. Dass der Beklagte sie lediglich als Vermeidungsmaßnahme und nicht als eigenständigen Eingriff und als Ersatzmaßnahme angesehen habe, begründe keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weil der Beklagte sowohl ihre beeinträchtigenden Folgen ermittelt und bewertet als auch eine eingehende Prognose ihrer Wirkungen erarbeitet habe (UA S. 68 f.). Die durch die Hochwasserrückhaltung und die Ökologischen Flutungen bewirkten - in ihrer Intensität sukzessiv abnehmenden - Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft würden über die Umwandlung der Natur im Rückhalteraum vollständig kompensiert (UA S. 71). Der Planfeststellungsbeschluss leide auch nicht an einem anderen zu einem weitergehenden Erfolg der Klage führenden Fehler.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II.

6

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die mit der Beschwerde geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

7

1. Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnet die Klägerin die Frage:

"Erfordert der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 1 GG) entwickelte Grundsatz, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und dies nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf ('Wesentlichkeitstheorie'), dass ein Gesamtvorhaben zur Verbesserung des Hochwasserschutzes, das aus einer Vielzahl von einzelnen z.T. sehr großen Hochwasserrückhalteräumen mit einem Gesamtrückhaltevolumen von mehreren hundert Mio. cbm Wasser entlang einer Flussgebietseinheit besteht, die in mehreren Bundesländern realisiert werden sollen, aufgrund seiner weitreichenden Auswirkungen auf Natur und Landschaft (Tiere und Pflanzen, Grundwasser, Umgestaltung weiter Landschaftsabschnitte), der Betroffenheit weiter Bevölkerungskreise sowie der Auswirkungen auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Planungshoheit, Trinkwasserversorgung) eine Grundsatzentscheidung in Form eines Parlamentsgesetzes über

- die Notwendigkeit der Gesamtmaßnahme,

- den insgesamt zu überplanenden Raum,

- die Grundkonzeption der Gesamtmaßnahme sowie der sodann umzusetzenden Einzelmaßnahmen und

- die Finanzierung?."

8

Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie kann auf der Grundlage der bereits vorhandenen Rechtsprechung mit dem Verwaltungsgerichtshof ohne Weiteres verneint werden.

9

Die Grundsätze der so genannten Wesentlichkeitstheorie sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat sie wie folgt zusammengefasst (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251 f.> - Rechtschreibreform):

"Dieser Grundsatz (gemeint ist der Vorbehalt des Gesetzes) verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, läßt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen (vgl. BVerfGE 40, 237 <248 ff.>; 49, 89 <126 f.>; 95, 267 <307 f.>). Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel 'wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte' (vgl. BVerfGE 47, 46 <79> m.w.N.; 83, 130 <140>). Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste (vgl. BVerfGE 49, 89 <126>). Zu berücksichtigen ist im Übrigen auch, dass die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten auch darauf zielt, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Dieses Ziel darf nicht durch einen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <86 f.>)."

10

Ausgehend hiervon begegnet es keinen Bedenken, dass weder der Bundes- noch der Landesgesetzgeber in der Form eines förmlichen Gesetzes über das Gesamtkonzept zur Verbesserung des Hochwasserschutzes am Oberrhein entschieden haben. Das Gesamtkonzept ist nicht "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". Das hat der Verwaltungsgerichtshof für das von der baden-württembergischen Landesregierung beschlossene Integrierte Rheinprogramm zutreffend dargelegt (UA S. 30 bis 32); soweit das Gesamtkonzept darüber hinaus auch Maßnahmen in Rheinland-Pfalz und in Frankreich umfasst (UA S. 41), kann unabhängig von Kompetenzfragen bereits wegen der fehlenden Wesentlichkeit für die Grundrechte nichts anderes gelten. Zu Eingriffen in Grundrechte und auch in die Planungshoheit der Gemeinden können erst die Planfeststellungen der einzelnen im Gesamtkonzept vorgesehenen Maßnahmen führen. Das Gesamtkonzept als solches hat keine Außenwirkungen. Solange es nicht Eingang in Erfordernisse der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Raumordnungsgesetz) gefunden hat, kommt ihm auch verwaltungsintern keine Bindungswirkung zu. Die Planfeststellungen für die Einzelmaßnahmen finden in den §§ 67, 68 WHG31 Abs. 2 WHG a.F., § 64 WG BW) ihre gesetzliche Grundlage. Der Hochwasserschutz ist eine maßgebliche Zielsetzung des Wasserhaushaltsgesetzes, die den Ausbau eines Gewässers - auch den Bau von Hochwasserrückhaltebecken (vgl. Czychowski/Reinhard, WHG, 11. Aufl. 2014, § 67 Rn. 28, 43) - rechtfertigt (UA S. 27, 32). Soweit im Rahmen der Planfeststellung zur Rechtfertigung der Einzelmaßnahmen auf das Gesamtkonzept Bezug genommen wird, können die Verwaltungsgerichte dieses Konzept im Klageverfahren inzident auf seine Tragfähigkeit überprüfen. Wäre über das Konzept und die Notwendigkeit der Gesamtmaßnahme bereits durch förmliches Gesetz entschieden, wären die Verwaltungsgerichte hieran gebunden. Wenn sie das Gesetz für verfassungswidrig hielten, müssten sie das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Erleichtert würde die Erlangung von Rechtsschutz dadurch nicht. Sollte die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für eine Einzelmaßnahme abgewiesen werden, später aber die Klage gegen die Planfeststellung einer anderen Einzelmaßnahme Erfolg haben, würde die Planrechtfertigung der zuerst planfestgestellten Einzelmaßnahme dadurch nicht in Frage gestellt; auch das Eintreten eines solchen Falls muss mithin nicht durch eine gesetzliche Entscheidung über das Gesamtkonzept verhindert werden. Das in der deutsch-französischen Vereinbarung vom 6. Dezember 1982 (BGBl II 1984 S. 268) festgelegte Gesamtziel, unterhalb der Staustufe Iffezheim den vor dem Ausbau des Oberrheins vorhandenen Hochwasserschutz wieder herzustellen (Art. 7 Abs. 1 der Vereinbarung), kann zwar nur erreicht werden, wenn allein in Baden-Württemberg ein Gesamtrückhaltevolumen von 167,3 Mio. cbm geschaffen wird (UA S. 3, 43). Jede Einzelmaßnahme ist jedoch auch für sich betrachtet geeignet, einen wirksamen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels zu leisten. Sie wird, selbst wenn eine andere Einzelmaßnahme scheitern sollte, nicht zu einem Planungstorso. Die Erreichung des Gesamtziels hängt auch nicht davon ab, dass alle Einzelmaßnahmen exakt an dem im Gesamtkonzept vorgesehenen Standort und exakt in der vorgesehenen Form verwirklicht werden.

11

Die Klägerin hat auch nicht aufgezeigt, warum die gesetzgebenden Körperschaften besser als die Verwaltung geeignet sein könnten, ein Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz am Oberrhein zu entwickeln und hierfür die Auswirkungen auf Natur und Landschaft, die Bevölkerung und die Gemeinden im betroffenen Planungsraum zu bewerten. Staatliche Planung kann weder eindeutig der Legislative noch eindeutig der Exekutive zugeordnet werden (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 - 2 BvF 2/93 - BVerfGE 95, 1 <16>). Fachplanungen sind üblicherweise der Verwaltung vorbehalten, die dafür den erforderlichen Verwaltungsapparat und Sachverstand besitzt. Verbindlichkeit für nachfolgende Planungen erlangen vorbereitende Konzepte auf der Grundlage des Raumordnungsgesetzes und des Landesplanungsgesetzes des jeweiligen Landes insbesondere durch die Festlegung von Zielen der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 ROG). Auch das ist hier sowohl im Landesentwicklungsplan 2002 (UA S. 42) als auch im Regionalplan Südlicher Oberrhein 1995 (UA S. 50) geschehen. Um die demokratische Legitimation der Regionalplanung zu stärken, werden in Baden-Württemberg die Mitglieder der Regionalversammlung, die den Regionalplan zu beschließen hat, von den Land- und den Stadtkreisen gewählt (§ 35 LPlG).

12

Über die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Umsetzung der einzelnen Vorhaben zur Umsetzung der Gesamtkonzeption hat der Haushaltsgesetzgeber zu entscheiden. Welche Entscheidungen über die Finanzierung in einem Gesetz über das Gesamtkonzept getroffen werden sollten, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

13

2. Die Klägerin hält außerdem folgende Fragen für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig:

"Kann es sich bei einer Maßnahme (im konkreten Fall: ökologische Flutungen), deren räumlicher Umgriff im Wesentlichen mit dem räumlichen Umgriff des zugelassenen Vorhabens übereinstimmt, die zeitlich vor Durchführung des zugelassenen Vorhabens (im konkreten Fall: Retentionsflutungen) durchgeführt wird und die ihrerseits bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung des zuvor vorhandenen Bestandes an Tier- und Pflanzenarten führt, aufgrund ihrer positiven naturschutzfachlichen Gesamtbilanz um eine Vermeidungsmaßnahme i.S.d. § 19 Abs. 1 BNatSchG 2007 bzw. § 15 Abs. 1 BNatSchG 2010 handeln, oder handelt es sich bei dieser Maßnahme vielmehr um einen eigenständigen Eingriff in Natur und Landschaft i.S.d. § 18 Abs. 1 BNatSchG 2007 bzw. § 14 Abs. 1 BNatSchG 2010?"

und

"Ist es, sofern es sich um einen Eingriff in Natur und Landschaft handelt, nach § 19 Abs. 2 BNatSchG 2007 und § 15 Abs. 2 BNatSchG 2010 zulässig, dass diese Maßnahme zugleich dem Ersatz des durch sie selbst bewirkten Eingriffes dient ('Selbstkompensation')?".

14

a) Mit der ersten Frage setzt die Klägerin voraus, dass Ökologische Flutungen nur entweder eine Vermeidungsmaßnahme oder ein eigenständiger Eingriff im Sinne des § 18 Abs. 1 BNatSchG 2007 bzw. § 14 Abs. 1 BNatSchG 2010 sein können. Das ist nicht die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs. Nach seiner Auffassung haben Ökologische Flutungen eine Doppelfunktion: Sie sind Vermeidungsmaßnahmen gegenüber der Hochwasserrückhaltung und - gleichzeitig - Ersatzmaßnahme für die auch durch sie selbst bewirkten Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne einer erheblichen nicht vermeidbaren Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und der Landschaft (UA S. 68). Als eigenständigen Eingriff im Sinne der Eingriffsregelung bewertet der Verwaltungsgerichtshof die Ökologischen Flutungen auch für den Fall, dass Retentionsflutungen erst durchgeführt werden, nachdem die Natur über die Ökologischen Flutungen erfolgreich adaptiert wurde (a.A. Beschwerdebegründung S. 27). Nur in diesem Fall können die Ökologischen Flutungen die Eingriffswirkungen der Retentionsflutungen vermeiden. Gerade soweit sie als Vermeidungsmaßnahmen wirken, bejaht der Verwaltungsgerichtshof aber zugleich einen durch sie selbst bewirkten Eingriff in Natur und Landschaft. Er verkennt nicht, dass die mit den Ökologischen Flutungen bezweckte Umwandlung des Naturraums Beeinträchtigungen des bestehenden Naturzustands bewirkt; diese seien entsprechend dem Vermeidungskonzept der Ökologischen Flutungen "systemimmanent" (UA S. 91).

15

Die Frage, ob Ökologische Flutungen Vermeidungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 1 BNatSchG 2007 bzw. § 15 Abs. 1 BNatSchG 2010 sein können, stellt sich auch dann, wenn sie zugleich als Eingriffe in Natur und Landschaft zu qualifizieren sind. Dass die Vorinstanzen Ökologische Flutungen zu Recht als Vermeidungsmaßnahmen anerkannt haben, unterliegt jedoch keinen Zweifeln, die erst in einem Revisionsverfahren ausgeräumt werden könnten. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG 2010 sind Beeinträchtigungen vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. Das Vermeidungsgebot verpflichtet den Verursacher, in allen Planungs- und Realisierungsphasen dafür Sorge zu tragen, dass Vorhaben so umweltschonend wie möglich umgesetzt werden (BTDrucks 16/12274 S. 57). Das Vermeidungsgebot zielt nicht auf die Vermeidung des Eingriffs, sondern der mit ihm verbundenen nachteiligen Folgen (Urteile vom 7. März 1997 - BVerwG 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 <149 f.> = Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 21 S. 19 f. und vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 4 A 11.04 - Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 1 S. 3 - juris Rn. 16; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band II, § 15 BNatSchG Rn. 4; Koch, in: Schlacke, GK-BNatSchG, § 15 Rn. 5; Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 15 Rn. 7). In Betracht kommt nicht nur schlichtes Unterlassen bestimmter Maßnahmen; auch die Durchführung zusätzlicher Maßnahmen kann zur Schadensvermeidung geboten sein (Gellermann, a.a.O. Rn. 4). Wie die mit dem Eingriff verbundenen Beeinträchtigungen vermieden werden können, hängt maßgebend davon ab, auf welchen Wirkpfaden das Vorhaben Natur und Landschaft beeinträchtigt.

16

Retentionsflutungen, die durch den Bau eines Hochwasserrückhalteraums ermöglicht werden, führen wiederkehrend und wegen ihrer relativen Seltenheit immer wieder neu zu Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Nach dem Konzept der Ökologischen Flutungen sollen diese Beeinträchtigungen soweit wie möglich vermindert werden, indem die betroffene Flora und Fauna an die bei Hochwasserrückhaltung auftretenden Überflutungen so angepasst wird, dass sich überflutungstolerante Gemeinschaften etablieren (UA S. 66 f.). Ökologische Flutungen sollen also Beeinträchtigungen vermeiden, die im Fall unvorbereiteter Retentionsflutungen eintreten würden. In Bezug auf diese Beeinträchtigungen wirken sie verhindernd und nicht wiedergutmachend (vgl. Sparwasser/Wöckel, NVwZ 2007, 764 <769>). Dadurch unterscheiden sie sich von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die auf einer zweiten Stufe nicht vermeidbare Beeinträchtigungen kompensieren sollen. Die Anerkennung von Ökologischen Flutungen als Vermeidungsmaßnahmen widerspricht auch nicht dem Zweck des Vermeidungsgebots. Das Vermeidungsgebot hat im Rahmen der Eingriffsregelung die Aufgabe, den status quo der gegebenen Situation zu erhalten (Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. Rn. 21). Ökologische Flutungen sollen zwar zu einer Anpassung von Natur und Landschaft an Überflutungen führen; wenn das gelungen ist, soll aber im Fall eines Eingriffs durch eine Retentionsflutung der im Zeitpunkt dieses Eingriffs bestehende status quo in seiner natürlichen Dynamik erhalten werden. Es trifft auch nicht zu, dass durch Ökologische Flutungen nur die Natur an den Eingriff, nicht aber der Eingriff an die Natur angepasst werde. Die Ökologischen Flutungen treten - möglichst zeitlich vorlaufend - zu den Retentionsflutungen hinzu; insoweit verändern sie bereits den Eingriff. Dass Ökologische Flutungen trotz ihrer schadensvermeidenden Wirkungen gegenüber den Retentionsflutungen zunächst den bei ihrer Durchführung vorhandenen status quo von Natur und Landschaft beeinträchtigen und insoweit selbst Eingriffe im Sinne des § 18 Abs. 1 BNatSchG 2007 bzw. § 14 Abs. 1 BNatSchG 2010 darstellen, hat der Verwaltungsgerichtshof - wie dargelegt - ausdrücklich anerkannt.

17

b) In Bezug auf die zweite Frage hat die Klägerin einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

18

Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG 2010 ist eine Beeinträchtigung ersetzt, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Behörde zur Kompensation eines Eingriffs wegen eines naturschutznäheren Endziels auch Maßnahmen ergreifen darf, die zunächst eine Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustands darstellen. Erweist sich die Maßnahme in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig, stellt sie also insbesondere eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Zustandes dar, bedarf der mit der Maßnahme zunächst bewirkte Eingriff keiner weiteren Kompensation durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die an sich erforderliche Kompensation geht in die ökologische Gesamtbilanz regelmäßig ein (Beschluss vom 28. Januar 2009 - BVerwG 7 B 45.08 - NVwZ 2009, 521 - juris Rn. 20; Gerichtsbescheid vom 10. September 1998 - BVerwG 4 A 35.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 25 S. 31 - juris Rn. 33). Dass auf die Herstellung eines naturnäheren Zustands gerichtete Ersatzmaßnahmen die hierfür erforderlichen Eingriffe selbst kompensieren können, ist damit bereits anerkannt. Inwiefern dies hier für die Ökologischen Flutungen ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs weiter klärungsbedürftig sein sollte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie macht lediglich geltend, dass die Annahme einer "Selbstkompensation" den Vorrang von Ausgleich vor Ersatz (§ 19 Abs. 2 BNatSchG 2007) aushebeln würde (Beschwerdebegründung S. 8). Das BNatSchG 2010 hat an diesem Vorrang aber nicht festgehalten. Ausgleich und Ersatz stehen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG 2010 als Formen der Realkompensation nunmehr alternativ nebeneinander (BTDrucks 16/13298 S. 3; Urteil vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 139 = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 52 Rn. 139). Es soll dem Einzelfall überlassen bleiben, ob die Durchführung einer Maßnahme zur Realkompensation die unmittelbare Nähe zum Eingriffsort (Ausgleich) erfordert oder im gelockerten räumlichen Zusammenhang des betroffenen Naturraums erfolgen kann (BTDrucks 16/13298 S. 3, 16/13430 S. 19; Gellermann, a.a.O. Rn. 20; Lütkes, a.a.O. Rn. 29; Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 15 Rn. 44). Fragen, die sich nur aufgrund von auslaufendem und ausgelaufenem Recht stellen, verleihen einer Rechtssache regelmäßig - und so auch hier - keine grundsätzliche Bedeutung (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. Juni 2014 - BVerwG 3 B 58.13 - juris Rn. 3 m.w.N.). Dass sich auch nach § 15 Abs. 2 BNatSchG 2010 rechtsgrundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen stellen, hat die Klägerin nicht dargelegt (vgl. dazu 3.).

19

3. Schließlich rechtfertigt auch folgende Frage nicht die Zulassung der Revision:

"Ist es mit § 19 Abs. 2 BNatSchG 2007 und mit § 15 Abs. 2 BNatSchG 2010 vereinbar, eine Maßnahme als Ersatzmaßnahme anzuerkennen, wenn die den Eingriff zulassende Behörde selbst davon ausging, dass es sich um eine Vermeidungsmaßnahme handelt ('Umdeutung')?"

20

Die Klägerin macht geltend, die Behörde habe, weil sie die Ökologischen Flutungen zu Unrecht nur als Vermeidungsmaßnahme und nicht auch als Eingriff qualifiziert habe, nicht geprüft, ob die durch die Ökologischen Flutungen bewirkten nicht vermeidbaren Beeinträchtigungen jedenfalls ausgeglichen werden könnten. Ohne eine solche Prüfung könne aber nicht festgestellt werden, dass die Kompensation im Wege des Ersatzes ausreichend sei. Eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich daraus nicht. Ob die Realkompensation einen Ausgleich erfordert oder auch im Wege des Ersatzes bewirkt werden kann, soll - wie dargelegt - nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG 2010 dem Einzelfall überlassen bleiben. Die Frage, ob dieser Einzelfallentscheidung eine Ermittlung und Bewertung der in Betracht kommenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorangehen muss, würde sich in einem Revisionsverfahren nur stellen, wenn im vorliegenden Fall ein weitergehender Ausgleich überhaupt möglich wäre. Hierfür hat der Verwaltungsgerichtshof keine hinreichenden Anhaltspunkte gesehen. Die Klägerin habe lediglich vorgetragen, der Beklagte hätte über die Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen nachdenken müssen; dass überhaupt die Möglichkeit von weiteren Ausgleichsmaßnahmen bestehe, habe die Klägerin nicht dargelegt noch habe sie konkrete Ausgleichsmaßnahmen aufgezeigt, die über die im Landschaftspflegerischen Begleitplan vorgesehenen Maßnahmen hinausgingen (UA S. 70). Die Klägerin wendet hiergegen ein, sie treffe diesbezüglich auch keine Darlegungslast; im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt, dass sonstige Kompensationsmaßnahmen unmöglich seien (Beschwerdebegründung S. 25). Ob und inwieweit ein Kläger die Möglichkeit weiterer Ausgleichsmaßnahmen darzulegen hat, hängt jedoch nicht nur vom materiellen Recht, sondern auch von den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Falles ab. Wenn - wie nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs hier - in tatsächlicher Hinsicht nicht ersichtlich ist, wie überhaupt ein weiterer Ausgleich möglich sein sollte, besteht ohne einen entsprechenden Vortrag die Klägerin kein Anlass, dieser Frage weiter nachzugehen oder die Unmöglichkeit sonstiger Kompensationsmaßnahmen ausdrücklich festzustellen. Welche Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines weiteren Ausgleichs bestanden haben sollten, zeigt die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht auf.

(1) Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. Soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist dies zu begründen.

(2) Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete im Sinne des § 20 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Absatz 5, von Maßnahmen nach § 34 Absatz 5 und § 44 Absatz 5 Satz 3 dieses Gesetzes sowie von Maßnahmen in Maßnahmenprogrammen im Sinne des § 82 des Wasserhaushaltsgesetzes stehen der Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen. Bei der Festsetzung von Art und Umfang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind die Programme und Pläne nach den §§ 10 und 11 zu berücksichtigen.

(3) Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.

(4) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.

(5) Ein Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen.

(6) Wird ein Eingriff nach Absatz 5 zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten. Die Ersatzzahlung bemisst sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Sind diese nicht feststellbar, bemisst sich die Ersatzzahlung nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem Verursacher daraus erwachsenden Vorteile. Die Ersatzzahlung ist von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid oder, wenn der Eingriff von einer Behörde durchgeführt wird, vor der Durchführung des Eingriffs festzusetzen. Die Zahlung ist vor der Durchführung des Eingriffs zu leisten. Es kann ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt werden; in diesem Fall soll eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Ersatzzahlung ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden, für die nicht bereits nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht.

(7) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln, insbesondere

1.
zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten,
2.
die Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung.
Solange und soweit das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, richtet sich das Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, soweit dieses den vorstehenden Absätzen nicht widerspricht.

(8) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 sowie zur Kompensation von Eingriffen im Sinne von Absatz 7 Satz 1 zu regeln, soweit die Verordnung und Vorschriften dieses Kapitels ausschließlich durch die Bundesverwaltung, insbesondere bundeseigene Verwaltung oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, ausgeführt werden. Die Rechtsverordnung ist bis zum 1. März 2020 dem Bundestag zuzuleiten. Sie kann durch Beschluss des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Bundestages wird dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zugeleitet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist bei der Verkündung der Rechtsverordnung an den Beschluss gebunden. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang einer Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Verkündung zugeleitet. Absatz 7 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Schutzgüter im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit,
2.
Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,
3.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
4.
kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie
5.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.

(2) Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens oder der Durchführung eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter. Dies schließt auch solche Auswirkungen des Vorhabens ein, die aufgrund von dessen Anfälligkeit für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, soweit diese schweren Unfälle oder Katastrophen für das Vorhaben relevant sind.

(3) Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltauswirkungen eines Vorhabens in einem anderen Staat.

(4) Vorhaben im Sinne dieses Gesetzes sind nach Maßgabe der Anlage 1

1.
bei Neuvorhaben
a)
die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage,
b)
der Bau einer sonstigen Anlage,
c)
die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme,
2.
bei Änderungsvorhaben
a)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage,
b)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage oder der Beschaffenheit einer sonstigen Anlage,
c)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.

(5) Windfarm im Sinne dieses Gesetzes sind drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Ein funktionaler Zusammenhang wird insbesondere angenommen, wenn sich die Windkraftanlagen in derselben Konzentrationszone oder in einem Gebiet nach § 7 Absatz 3 des Raumordnungsgesetzes befinden.

(6) Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren,
2.
Linienbestimmungen und andere Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren nach den §§ 47 und 49,
3.
Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, sowie Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über Bebauungspläne, die Planfeststellungsbeschlüsse für Vorhaben im Sinne der Anlage 1 ersetzen.

(7) Pläne und Programme im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die

1.
von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden,
2.
von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder
3.
von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden.
Ausgenommen sind Pläne und Programme, die ausschließlich Zwecken der Verteidigung oder der Bewältigung von Katastrophenfällen dienen, sowie Finanz- und Haushaltspläne und -programme.

(8) Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes sind einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen.

(9) Betroffene Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, deren Belange durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt werden; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes.

(10) Umweltprüfungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen.

(11) Einwirkungsbereich im Sinne dieses Gesetzes ist das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein in Baden-Württemberg anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung eines Steinkohlekraftwerks in M. Das Vorhaben umfasst die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkblocks 9 (elektrische Leistung: 911 MW) sowie eines neuen Kohlelagers auf dem Kraftwerksgelände, wo die Beigeladene bereits vier Steinkohleblöcke mit einer elektrischen Gesamtleistung von 1 650 MW betreibt. Das von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht erfasste und früher bereits gewerblich und industriell genutzte Baugrundstück grenzt nach Südwesten an den Rhein und das Hafenbecken ... des ...-Hafens, nach Nordosten schließen sich Industrie- und Gewerbebetriebe und in einer Entfernung von ca. 300 m Wohnbebauung an.

2

Die Beigeladene beantragte im Juni 2008/März 2009 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Erweiterungsvorhaben. Gegen die ausgelegten Pläne erhob der Kläger Einwendungen u.a. wegen unzureichend durchgeführter Umweltverträglichkeitsprüfung, fehlender energiewirtschaftlicher Notwendigkeit und durch das Vorhaben bewirkter Natur- und Artenzerstörung. Die Immissionsprognose sei in Bezug auf eine Vielzahl von Luftschadstoffen fehlerhaft erstellt. Das Vorhaben konterkariere die Bemühungen des Luftreinhalteplans. Ohne Aufstellung eines Bebauungsplans sei es nicht genehmigungsfähig.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen den Genehmigungsbescheid vom 27. Juli 2009 erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

4

Der Kläger sei als anerkannte Umweltvereinigung im Sinne von § 3 UmwRG klagebefugt, da er die Verletzung von Vorschriften rüge, die dem Umweltschutz dienen.

5

Der Genehmigungsbescheid beruhe nicht auf einer unzureichenden Umweltverträglichkeitsprüfung. Zu Unrecht gehe der Kläger davon aus, dass nicht nur die Umweltauswirkungen des Erweiterungsvorhabens, sondern auch die der Gesamtanlage in die Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen werden müssten. Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV und aus der Gesetzessystematik ergebe sich, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung lediglich für die Änderung oder Erweiterung als solche durchzuführen sei. Aus dem Wortlaut des § 3e Abs. 1 UVPG und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes folge Entsprechendes. Jedoch seien Umweltauswirkungen der Altanlage als Vorbelastung zu berücksichtigen; in Kapitel 5 der vorgelegten Umweltverträglichkeitsuntersuchung sei der Umfang der bereits vorhandenen Belastung im Hinblick auf die Schutzgüter Luft und Klima sowie menschliche Gesundheit umfassend untersucht und gewürdigt worden (UA S. 17 bis 21).

6

Für die materiellrechtliche Überprüfung sei zu beachten, dass der Kläger nach den Vorgaben des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vor Gericht nur die Verletzung einer Vorschrift geltend machen könne, die den Umweltschutz bezwecke. Hingegen könne er keine vollumfängliche Prüfung des Genehmigungsbescheides durch das Gericht einfordern. Unionsrecht gebiete nichts anderes. In ihrem Gesamtzusammenhang bezögen sich die Regelungssysteme der Aarhus-Konvention und des Unionsrechts auf den Schutz der Umwelt. Insbesondere die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie behandle ausschließlich umweltschutzrechtliche Problemstellungen. Den Umweltschutzorganisationen sei nur im Rahmen ihrer satzungsmäßigen Aufgaben eine Klagebefugnis eröffnet. Die Beschränkung der Klagemöglichkeit und des Prüfungsumfangs stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (UA S. 24 bis 29).

7

Die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG seien umweltschützende Vorschriften, deren Verletzung der Kläger geltend machen könne. Ob durch das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen verursacht werden, sei nach den normkonkretisierenden Vorschriften unter Nr. 4 TA Luft zu beurteilen. Würden die Immissionswerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit überschritten, könne ein Vorhaben nur genehmigt werden, wenn von der zu beurteilenden Anlage kein kausaler und relevanter Beitrag zu einer schädlichen Immissionsbelastung geleistet werde. Infolge irrelevanter Zusatzbelastungen habe nach Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) TA Luft von der Ermittlung der Immissionskenngrößen außerhalb des Nahbereichs der Anlage abgesehen werden können. Im Nahbereich der Anlage und in der Umweltzone der Stadt M. sei nach Ermittlung der Gesamtbelastung die Einhaltung der maßgeblichen Immissionswerte festgestellt worden. Der Prüfungsumfang bestimme sich nach Nr. 3.5.3 TA Luft, dabei sei auf das beantragte Vorhaben abzustellen. Nur für den Fall, dass die Erweiterung einer Anlage sich auf die Emissionen der Altanlage auswirke, sei eine Gesamtbetrachtung geboten (UA S. 36 bis 45).

8

Die gegen die Berechnung der Zusatzbelastung vorgebrachten methodischen Bedenken griffen nicht durch. An den Beurteilungspunkten, an denen die Irrelevanzgrenzen nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft überschritten würden (nämlich am Beurteilungspunkt 8, im Gewerbe-/Industriegebiet im Nahbereich und in der Umweltzone), seien die Kurzzeitwerte und Überschreitungshäufigkeiten in der Immissionsprognose geprüft worden. Nach Berechnungen auf der Grundlage des prognostischen Windfallmodells MISKAM würden die zulässigen Überschreitungen durch die Belastung mit Feinstaub PM10 an der Gebäudefassade der Firma L.-F. eingehalten. Im Übrigen sei das Rechenmodell Austal2000 für die Erstellung der Immissionsprognose geeignet und ausreichend konservativ (UA S. 57 bis 65).

9

Die Immissionsschutzbehörde habe zwar die Einhaltung der Grenzwerte der 22. BImSchV (nunmehr 39. BImSchV) zu gewährleisten; insbesondere dürften die gebietsbezogenen Ziele der Luftreinhaltung nicht im Wege der Anlagenzulassung unterlaufen werden, weshalb zwischen den Immissionswerten der TA Luft und den Grenzwerten der Luftreinhalterichtlinien und somit auch der 22. BImSchV kein Widerspruch auftreten dürfe. Jedoch fordere das Unionsrecht nicht, bei einer Überschreitung von Grenz- oder Zielwerten die Zulassung von Anlagen zwingend zu verweigern, insbesondere wenn diese lediglich einen irrelevanten Immissionsbeitrag leisteten. Zudem richteten sich die Luftreinhalterichtlinien der Union nicht an die Anlagenbetreiber, sondern an die Mitgliedstaaten und deren Behörden. Es dürften lediglich keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die die Möglichkeit ausschlössen, mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Auch insoweit bestünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anwendung von Irrelevanzgrenzen (UA S. 76 bis 84).

10

Vorschriften des Bauplanungsrechts stünden der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob der Kläger als Umweltverband das Erfordernis einer Bauleitplanung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB geltend machen könne, denn eine Planungspflicht könne der erteilten Baugenehmigung nicht entgegengehalten werden. Diese sei zu Recht auf der Grundlage des § 34 BauGB erteilt worden. Der erforderliche Bebauungszusammenhang sei gegeben. Die zur Bebauung vorgesehenen Flächen seien früher bereits bebaut gewesen. Der beseitigte Altbestand sei als fortwirkend zu berücksichtigen. Im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nach dieser Vorschrift sei kein Raum für eine Abwägung widerstreitender Interessen. Umweltbelange seien zwar im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme von Bedeutung, ein Verstoß hiergegen liege aber nicht vor. In störfallrechtlicher Hinsicht löse die Erweiterung des Kraftwerks keine qualitativ erhöhten Anforderungen aus (UA S. 154 bis 161).

11

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Zu deren Begründung trägt er vor:

12

Der Änderungsgenehmigungsbescheid verstoße gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung und zum Umfang einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Denn diese befasse sich nicht mit allen von der Gesamtanlage "Großkraftwerk M." und somit auch von seinen weiterhin betriebenen Blöcken ausgehenden Umweltauswirkungen, sondern lediglich mit den Auswirkungen des Blockes 9. Der Wortlaut der §§ 2 und 6 UVPG gebiete aber, den Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Gesamtanlage zu beziehen und nicht lediglich auf den zu ändernden Teil der Anlage. Nichts anderes folge aus § 3b Abs. 2 und § 3e Abs. 1 UVPG. Unionsrecht und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestätigten diese Rechtsauffassung. Nach Art. 3 der UVP-Richtlinie müssten auch mittelbare Umweltauswirkungen eines Vorhabens beschrieben und bewertet werden; dies schließe eine Untersuchung kumulativer Auswirkungen ein.

13

Wegen der fehlenden Einbeziehung der Bestandsblöcke sei der Beklagte zudem von falschen Emissions- und Immissionsgrößen ausgegangen. Die von der Beigeladenen vorgelegte Immissionsprognose sei unzureichend, weil angesichts einer wesentlichen Änderung der Gesamtanlage nach den Vorgaben der IVU-Richtlinie deren Gesamtauswirkungen im Sinne einer kumulierten Umweltverschmutzung als Einheit zu bewerten gewesen wären. Es gehe hierbei nicht allein um die Irrelevanz der durch die Änderung hervorgerufenen Emissionen, sondern um die der Emissionen der gesamten Anlage. Hierauf stelle auch Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft ab, der von den Emissionen der Anlage, nicht aber nur von Teilen der Anlage spreche. Bedeutung habe dies ebenso für Änderungsgenehmigungen nach § 16 Abs. 1 BImSchG; denn nur durch eine Gesamtbetrachtung werde ausgeschlossen, dass Anlagen in Gebieten mit Immissionswertüberschreitungen stufenweise so erweitert würden, dass zwar durch einzelne Erweiterungsmaßnahmen nur geringe zusätzliche Immissionsbeiträge geliefert würden, der gesamte Immissionsbeitrag der Anlage aber im Laufe der Zeit die Irrelevanzgrenze deutlich überschreite.

14

Das Urteil verstoße sowohl gegen § 4 Abs. 1 der 22. BImSchV als auch gegen die Richtlinie 1999/30/EG, da im benachbarten Umfeld des Kraftwerkblocks 9 in Bezug auf Feinstaub die maximal zulässige Überschreitungshäufigkeit von 35 Tagen pro Jahr nicht eingehalten werden könne. Dies sei rechtlich nicht irrelevant, weil dieser Grenzwert dem Schutz der menschlichen Gesundheit diene. Auch nur geringfügige Grenzwertüberschreitungen dürften mit Blick auf Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft nicht für irrelevant erachtet werden. Das Unionsrecht verbiete es, über Irrelevanzklauseln gemeinschaftsrechtlich gesetzte Grenzwerte für NO2 und PM10 auszuhebeln.

15

Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem das Vorliegen einer Planungspflicht verkannt und dem Vorhaben zu Unrecht seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bescheinigt. Dies stehe im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 BauGB. Für UVP-pflichtige Vorhaben bestehe eine grundsätzliche Planungspflicht.

16

Das angegriffene Urteil verkenne zudem, dass Art. 10a Abs. 3 der UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention verlangten, die Genehmigung UVP-pflichtiger Vorhaben auf die zulässige Klage einer anerkannten Umweltvereinigung hin der vollumfänglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Die Prüfungsbefugnis auf Vorschriften mit umweltrechtlichem Bezug zu beschränken, verstoße gegen Unionsrecht; in der Trianel-Entscheidung habe sich der Gerichtshof der Europäischen Union nur mit der Zulässigkeit der Klage von Umweltverbänden befasst und nur diese beschränkt auf Vorschriften, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen seien und den Umweltschutz bezweckten.

17

Der Kläger beantragt,

das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. und 20. Juli 2011 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sowie den Änderungsgenehmigungsbescheid des Beklagten zur Errichtung und zum Betrieb eines Steinkohleblocks (Block 9) des Großkraftwerks M. vom 27. Juli 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1. Dezember 2009 aufzuheben.

18

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie treten der Revision entgegen und verteidigen das angegriffene Urteil. Nur das Erweiterungsvorhaben habe zum Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden müssen. Ebenso bemesse sich der gebotene Umfang der Immissionsprognose am Gegenstand der Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG. Die Irrelevanzschwelle nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die maximale Zusatzbelastung mit Feinstaub PM10 überschreite nicht die maßgeblichen Grenzwerte. Das Vorhaben sei nach § 34 BauGB genehmigungsfähig. Umweltverbände könnten im gerichtlichen Verfahren nur die Verletzung von Rechtsbestimmungen rügen, die den Umweltschutz bezweckten; städtebauliche Anforderungen nach den §§ 30 ff. BauGB zählten hierzu nicht.

20

Der Vertreter des Bundesinteresses schließt sich im Wesentlichen den Rechtsauffassungen des angegriffenen Urteils an. Abweichend hiervon geht er aber davon aus, dass an den Irrelevanzschwellen nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft die Immissionsbeiträge der Gesamtanlage und nicht allein die des Änderungsvorhabens zu messen seien.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine umfassende objektiv-rechtliche Rechtmäßigkeitsprüfung des angegriffenen Genehmigungsbescheides einfordern kann (1.). Dieser leidet an keinem Verfahrensfehler infolge einer unzureichend durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung (2.). Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den Schutzanspruch aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auf der Grundlage des zusätzlichen, durch das Erweiterungsvorhaben verursachten Immissionsbeitrags beurteilt (3.) und sowohl die Zulässigkeit von Irrelevanzschwellen für die Bewertung von Luftschadstoffimmissionen (4.) wie auch die Einhaltung der Immissionswerte für Schwebstaub PM10 bejaht (5.). Rügefähige Verstöße gegen Vorschriften des Bauplanungsrechts sind zu verneinen (6.).

22

1. Weder auf der Grundlage nationalen Rechts noch auf der Grundlage von Unionsrecht kann der Kläger eine über die Rechtsvorschriften zum Schutz der Umwelt hinausgehende umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle des angegriffenen Genehmigungsbescheides beanspruchen.

23

a) Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung bemisst sich für die vom Kläger erhobene Verbandsklage nach § 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - in der Fassung vom 8. April 2013 (BGBl I S. 753). Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) i.V.m. § 5 Abs. 4 UmwRG eröffnet, da die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung eine Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG über die Zulässigkeit eines Vorhabens darstellt, für das gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.1.1 der Anlage 1 zu diesem Gesetz eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 UmwRG setzt die Begründetheit der Klage voraus, dass die Entscheidung gegen Rechtsvorschriften verstößt, die dem Umweltschutz dienen. Das schließt eine umfassende, über die Frage der Beachtung umweltrechtlicher Vorschriften hinausgehende Rechtmäßigkeitsprüfung aus. Der Prüfungsumfang korrespondiert daher mit den Vorgaben für die Klagebefugnis anerkannter Umweltvereinigungen, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG davon abhängt, dass die Vereinigung geltend macht, die angefochtene Entscheidung widerspreche einer dem Umweltschutz dienenden Rechtsvorschrift. Rügen, die keinen Bezug zu umweltrechtlichen Belangen aufweisen, können einer Verbandsklage deshalb nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 9 A 18.11 - BVerwGE 144, 243 Rn. 18 = Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 9). Nach nationalem Recht ist die Rolle der Umweltverbände die eines "Anwalts der Umwelt" (Urteil vom 14. Mai 1997 - BVerwG 11 A 43.96 - BVerwGE 104, 367 <371> m.w.N. = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 26 S. 133), nicht hingegen die eines allzuständigen Sachwalters der Interessen der Allgemeinheit. Hieran ist für Klagerechte auch nach Maßgabe des novellierten Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes festzuhalten.

24

b) Diese Beschränkung des Verbandsklagerechts steht in Übereinstimmung mit übergeordnetem Unionsrecht, nämlich mit den im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (nunmehr Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - UVP-RL) und Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens (Aarhus-Konvention - AK -), das von allen Mitgliedstaaten der Union sowie von dieser selbst ratifiziert worden ist und als so genanntes gemischtes Abkommen Teil des Unionsrechts ist. Trotz ihres weiten, übereinstimmenden Wortlauts sind Art. 10a Abs. 1 UVP-RL a.F. und Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 AK, die Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit einräumen, "die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen ... anzufechten", nicht als Anordnung einer umfassenden Prüfung in jeglicher rechtlicher Hinsicht zu verstehen. Vielmehr ist sowohl nach dem Sinn und Zweck dieser Regelungen des Unionsrechts als auch nach deren Einbindung in den systematischen Kontext der Gesamtregelungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu den Gerichten davon auszugehen, dass sich mit der Forderung nach einer materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung nicht zugleich eine Festlegung über deren Umfang verbindet. Diese Prüfungsverpflichtung beschränkt sich vielmehr auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltsachen bzw. der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Ausarbeitung umweltbezogener Pläne. Neben den Überschriften verdeutlichen vor allem die Erwägungsgründe der Konvention und der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie vom 26. Mai 2003 die Ausrichtung dieser Regelungen auf den Schutz der Umwelt. Zentrales Anliegen der Konvention ist nach deren Erwägungsgründen der auch durch die Beteiligung der Öffentlichkeit und deren Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen zu gewährleistende Schutz einer intakten Umwelt; die Erwägungsgründe der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie nehmen u.a. Bezug auf unionsrechtliche Umweltvorschriften und auf vom Umweltschutz bestimmte Ziele der Aarhus-Konvention. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 5 UVP-RL a.F. sind klagebefugte Nichtregierungsorganisationen als Teil der betroffenen Öffentlichkeit nur solche, die sich für den Umweltschutz einsetzen; Entsprechendes folgt aus Art. 2 Nr. 5 AK. In diesem Rahmen bestimmen gemäß Art. 10a Abs. 3 UVP-RL a.F. die Mitgliedstaaten, welche konkreten Rechtsverletzungen gerügt werden können; hiermit verbindet sich nicht die Festlegung auf einen über die Belange der Umwelt hinausgehenden objektiv-rechtlichen Prüfungsmaßstab.

25

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dem in der Aarhus-Konvention und im Richtlinienrecht vorausgesetzten Bezug zum Umweltschutz werde schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass nur UVP-pflichtige Maßnahmen anfechtbar seien und Klagerechte nur solchen Vereinigungen eröffnet seien, die Ziele des Umweltschutzes verfolgen. Auch unter diesen Voraussetzungen hat eine Vollüberprüfung gemessen an dem Ziel, die Umwelt zu schützen, eine überschießende Tendenz; denn sie würde den Schutz der Umwelt über die einschlägigen umweltrechtlichen Vorgaben hinaus ausdehnen.

26

Auch die begrenzte Regelungskompetenz der Union steht einer Auslegung des Art. 10a Abs. 1 UVP-RL a.F. als einer über den Schutz der Umwelt hinausgehenden Bestimmung des gerichtlichen Kontrollumfangs entgegen. Hierauf bezogen kann sich die Union allein auf die in Art. 191 f. AEUV begründete Zuständigkeit für Regelungen über den Schutz der Umwelt berufen; nur in einem Annex hierzu und damit auf das Umweltrecht beschränkt kommt der Union die Kompetenz für Regelungen über den gebotenen Rechtsschutz zu (vgl. Epiney, EurUP 2012, 88 <91>).

27

Dem entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. In seinem Urteil vom 12. Mai 2011 (Rs. C-115/09, Trianel - Slg. 2011, I-3673 = NJW 2011, 2779) befasst sich dieser zwar in erster Linie mit der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs (Rn. 38 ff.) und fordert eine Auslegung des Art. 10a Abs. 1 und 3 der UVP-Richtlinie im Licht und unter Berücksichtigung der Ziele der Aarhus-Konvention. Dabei ist es Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, welches die Rechte sind, deren Verletzung zu einem Rechtsbehelf in Umweltangelegenheiten führen kann (Rn. 44). Im Tenor der Entscheidung und in ihren Gründen (Rn. 48) kommt aber auch der über die Zulässigkeitsanforderungen des Rechtsbehelfs hinausreichende und zugleich inhaltlich beschränkende Ansatz zum Ausdruck, dass unionsrechtliche und unionsrechtlich veranlasste Vorschriften, die den Umweltschutz bezwecken, gerichtlicher Prüfung nicht entzogen sein dürfen. Einen weitergehenden Rechtsschutz fordert das Unionsrecht für eine Verbandsklage somit nicht ein. Entgegen der Revision ist dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 18. Oktober 2011 (Rs. C-128/09, Boxus u.a. - Slg. 2011, I-9711 = ZUR 2012, 170) nichts anderes zu entnehmen. Der Gerichtshof verweist erneut darauf, dass mit Blick auf Art. 9 Abs. 2 AK und Art. 10a UVP-RL die Mitgliedstaaten die Möglichkeit eines Überprüfungsverfahrens vorsehen müssen, damit vor einem Gericht die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen angefochten werden kann, die vom Geltungsbereich des Art. 6 der Aarhus-Konvention oder der UVP-Richtlinie erfasst werden. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie und vorbehaltlich der Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität aber über einen Gestaltungsspielraum bei der Durchführung von Art. 9 Abs. 2 AK und Art. 10a der UVP-RL (Rn. 51 f.).

28

Diese Auslegung der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie und der Aarhus-Konvention begegnet angesichts der erwähnten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keinen vernünftigen Zweifeln; einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung des Verbandsklagerechts nach Art. 9 Abs. 2 AK und Art. 10a UVP-RL a.F. bedurfte es daher nicht.

29

2. Die angegriffene immissionsschutzrechtliche Genehmigung leidet nicht an dem von der Revision geltend gemachten Verfahrensfehler. Die Durchführung einer inhaltlich nur auf das Erweiterungsvorhaben bezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung widerspricht weder revisiblem nationalen Recht noch Unionsrecht.

30

a) Dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung im Falle einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG allein auf die Umweltauswirkungen des Änderungsvorhabens erstreckt, folgt bereits aus der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) für die der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) unterfallenden Anlagen, wozu die von der Beigeladenen beabsichtigte Erweiterung ihres Kraftwerks zählt (Nr. 1.1 des Anhangs zur 4. BImSchV). Entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG ist die Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV unselbstständiger Teil des Genehmigungsverfahrens. Für die UVP-Pflichtigkeit von Vorhaben, für die eine Änderungsgenehmigung erteilt werden soll, verweist § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV auf Absatz 2. Dies bedeutet, dass ausschließlich für das zur Genehmigung gestellte Erweiterungsvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, nicht aber zusätzlich für die früher bereits genehmigte Bestandsanlage mit den von dieser ausgehenden Umweltauswirkungen. Hinzu kommt, dass die in § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV in Bezug genommenen Schwellenwerte der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sich allein auf den zu ändernden oder zu erweiternden Teil der Anlage beziehen, eine dementsprechend durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung somit auch nur das Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben in den Blick zu nehmen hat.

31

Auch aus dem Wortlaut des § 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG ergibt sich, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung allein die "Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens" in Betracht zu nehmen hat. Dies findet seine Bestätigung wiederum in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG, wonach eine Änderung oder Erweiterung als solche den Begriff des Vorhabens im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt. Wenn das Gesetz von "dem Vorhaben" spricht, ist im Falle eines Änderungs- oder Erweiterungsvorhabens folglich allein dieses gemeint und nicht die Summe aus Änderungs- bzw. Erweiterungsvorhaben und Bestandsanlage (Sitsen, UPR 2008, 292 <294>). Für dieses Ergebnis spricht zudem die Entstehungsgeschichte der Norm; in § 3e UVPG wurde - anders als noch vom Bundestags-Umweltausschuss vorgeschlagen (BTDrucks 14/5750 S. 128) - die Formulierung "oder das bestehende Vorhaben aufgrund der Änderung oder Erweiterung" bewusst nicht übernommen. Im Vermittlungsverfahren wurde diese ergänzende Wendung gestrichen (vgl. hierzu Kersting, UPR 2003, 10 <11>). Zuvor hatte sich auch der Verkehrsausschuss des Bundesrates dafür ausgesprochen, dass sich im Falle von § 3e UVPG die Umweltverträglichkeitsprüfung auf das Änderungsvorhaben, nicht aber auf den Bestand beziehen solle, weil es sonst zu Mehrfachprüfungen käme (BRDrucks 674/1/00 S. 24).

32

Entgegen der Revision kann aus § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG mit der Bezugnahme auf die "mittelbaren" Auswirkungen eines Vorhabens nicht hergeleitet werden, dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung über das Änderungsvorhaben hinaus auf die Gesamtanlage zu beziehen hat. Denn hiermit wird lediglich der Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne unmittelbarer oder mittelbarer Auswirkungen des Vorhabens bestimmt, jedoch keine Aussage dazu getroffen, was Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung sein soll; ebenso wenig kann Derartiges § 6 UVPG entnommen werden. Auch § 2 Abs. 1 Satz 4 UVPG stützt die Rechtsauffassung der Revision nicht; insoweit liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor, da über das Vorhaben nicht in mehreren Verfahren zu entscheiden ist. Soweit in § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG vorgesehen ist, dass auch frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens in die Untersuchungen einzubeziehen sind, betrifft diese Vorgabe eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 UVPG, nicht aber eine Umweltverträglichkeitsprüfung; eine derartige Vorprüfung des Einzelfalls steht vorliegend aber nicht an, da das Vorhaben der Beigeladenen nach der Anlage 1 ohnehin bereits UVP-pflichtig ist.

33

Ebenso wenig kann aus § 3b Abs. 2 und 3 UVPG hergeleitet werden, dass für das vorliegende Änderungsvorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung auf das Gesamtvorhaben zu erstrecken ist. Absatz 2 setzt eine parallele, d.h. gleichzeitige Verwirklichung mehrerer Vorhaben voraus (vgl. Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 3b Rn. 24), woran es vorliegend fehlt. Wiederum stellt auch der Wortlaut des Absatzes 3 klar, dass nur die Änderung oder Erweiterung selbst Gegenstand der durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung ist; die Umweltauswirkungen der Bestandsanlage sind für das Erreichen oder Überschreiten des einschlägigen Schwellenwertes und damit für das "Ob" der Umweltverträglichkeitsprüfung für das Änderungsvorhaben zu berücksichtigen, im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung spielen sie dagegen nur als Vorbelastung eine Rolle (Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, § 3b Rn. 20 und 54). Insoweit besteht auch kein Wertungswiderspruch zwischen § 3b und § 3e UVPG.

34

b) Diese Beschränkung der UVP-Pflichtigkeit allein auf das Erweiterungsvorhaben steht eindeutig in Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts, was die Einholung einer hierauf bezogenen Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ausscheiden lässt.

35

Gemäß Art. 4 Abs. 1 UVP-RL a.F. werden Projekte des Anhangs I einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Artikeln 5 bis 10 unterzogen. Da gemäß Nr. 22 des Anhangs I jede Änderung oder Erweiterung von Projekten UVP-pflichtig ist, die in diesem Anhang aufgeführt sind, wenn sie für sich genommen die Schwellenwerte erreichen, und nach Nr. 2 Anstrich 1 des Anhangs I Verbrennungsanlagen mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW der Umweltverträglichkeitsprüfung unterfallen, ist vorliegend allein das Änderungsvorhaben der Beigeladenen Gegenstand der unionsrechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung. Das gleiche Verständnis liegt der Nr. 13 des Anhangs II der Richtlinie zugrunde, wonach die Änderung oder Erweiterung näher bezeichneter Projekte als eigenständiges Projekt im Sinne von Art. 4 Abs. 2 UVP-RL a.F. zu verstehen ist.

36

Dem entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dessen Urteil vom 11. August 1995 (Rs. C-431/92, Großkrotzenburg - Slg. 1995, I-2189) hatte die Erweiterung eines bestehenden Wärmekraftwerks um einen weiteren Kraftwerksblock zum Gegenstand. Der Gerichtshof geht davon aus, dass die Planung von Wärmekraftwerken mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW unabhängig davon, ob sie eigenständig ausgeführt werden oder einer bestehenden Anlage hinzugefügt werden oder mit dieser in einem engen funktionellen Zusammenhang stehen, einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, wobei der "Zusammenhang mit einer bestehenden Anlage ... dem Projekt nicht seinen Charakter als 'Wärmekraftwerk mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW'" nimmt. Soweit die Revision hiergegen auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. Januar 2010 (Rs. C-226/08, Papenburg - Slg. 2010, I-131) verweist, folgt hieraus nicht Abweichendes. Die Entscheidung befasst sich mit dem Begriff "Projekt" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie und geht davon aus, dass die Tätigkeit der Ausbaggerung bei jedem Eingriff in die Fahrrinne als besonderes Projekt im Sinne der Habitatrichtlinie angesehen werden kann und diese Ausbaggerungen als gesonderte und sukzessive Projekte der Habitatrichtlinie unterliegen können (Rn. 39 ff.). Die Entscheidung legt sich mithin nicht darauf fest, dass wiederkehrende Tätigkeiten mit Bezug auf die zurückliegende Genehmigung eines Vorhabens unionsrechtlich als einheitliches Projekt zu verstehen sind. Gleiches gilt für das von der Revision in Bezug genommene Urteil des Gerichtshofs vom 24. November 2011 (Rs. C-404/09, Kommission gegen Spanien - Slg. 2011, I-11853). Der Gerichtshof geht davon aus, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die mittelbaren Auswirkungen eines Projekts in geeigneter Weise beschreiben und bewerten muss und dies die Untersuchung der kumulativen Auswirkungen einschließt, die dieses Projekt im Zusammenhang mit anderen Projekten für die Umwelt haben kann (Rn. 80). Diese Aussagen gebieten nicht, die Umweltverträglichkeitsprüfung über das Projekt Kraftwerksblock 9 hinaus auch auf die übrigen Kraftwerksblöcke der Anlage der Beigeladenen zu erstrecken. Vielmehr sind hiernach im Rahmen der Prüfung des konkreten Projekts kumulative Auswirkungen mit anderen als Vorbelastung zu berücksichtigenden Projekten in Betracht zu nehmen. Auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 3. März 2011 (Rs. C-50/09, Kommission gegen Irland - Slg. 2011, I-873) enthält keine Grundsätze, die den Schluss zulassen, dass das Großkraftwerk M. in seiner Gesamtheit einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Die Entscheidung befasst sich zum einen mit der Verpflichtung der zuständigen Umweltbehörde, die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts zu identifizieren und zu beschreiben und sodann in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls zu bewerten, und zum anderen mit der Funktion und dem Inhalt der Bewertungspflicht (Rn. 37 ff.). Zu einer Ausweitung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf ein Grundvorhaben verhält sich die Entscheidung nicht.

37

3. Für die Ermittlung der Zusatzbelastung war jedenfalls im Grundsatz allein auf den Immissionsbeitrag abzustellen, der durch das Erweiterungsvorhaben verursacht wird; dies entspricht sowohl nationalem Recht wie auch Unionsrecht.

38

a) Prüfungsgegenstand im Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG sind zunächst die unmittelbar zu ändernden Anlagenteile und Verfahrensschritte. Soweit sich die Änderung auf die Bestandsanlage auswirkt, erstreckt sich die Prüfung außerdem auf die hiervon betroffenen Anlagenteile und Verfahrensschritte (vgl. Urteil vom 21. August 1996 - BVerwG 11 C 9.95 - BVerwGE 101, 347 <355> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 3 S. 22). Dementsprechend hat die Immissionsprognose als Zusatzbelastung alle nach den Umständen des Einzelfalls mit der Änderung ursächlich verbundenen Immissionen zu erfassen. Dagegen ist die Gesamtanlage nicht Gegenstand der Prüfung; Immissionen, die durch nicht änderungsbetroffene Anlagenteile oder Verfahrensschritte hervorgerufen werden, haben bei der Ermittlung der Zusatzbelastung zumindest im Grundsatz außer Betracht zu bleiben und sind lediglich als Teil der Vorbelastung zu berücksichtigen.

39

Dem entspricht das Regelungsgefüge der TA Luft. Nach Nr. 3.5.3 Satz 2 TA Luft sind bei einer Entscheidung über die Erteilung einer Änderungsgenehmigung die Anlagenteile und Verfahrensschritte, die geändert werden sollen, sowie die Anlagenteile und Verfahrensschritte, auf die sich die Änderung auswirken wird, zu prüfen. Im Einklang damit bestimmt Satz 1, dass Nr. 3.1 Satz 2 TA Luft, wonach für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen Nr. 4 TA Luft mit den dort geregelten Anforderungen gilt, auf die Änderungsgenehmigung nur entsprechend anzuwenden ist. Dabei soll nach Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) TA Luft bei Schadstoffen, für die Immissionswerte festgelegt sind, die Bestimmung von Immissionskenngrößen (Nr. 2.2 TA Luft) wegen einer irrelevanten Zusatzbelastung entfallen. Nr. 4.2.1 TA Luft bestimmt zum Schutz der menschlichen Gesundheit Immissionswerte für luftverunreinigende Stoffe. Dieser Schutz ist sichergestellt, wenn die nach Nr. 4.7 TA Luft aus Vor- und Zusatzbelastung ermittelte Gesamtbelastung die festgelegten Immissionswerte an keinem Beurteilungspunkt überschreitet.

40

Für die in dieser Regelungssystematik zum Ausdruck kommende Beschränkung des Prüfungsgegenstandes streitet auch die Entstehungsgeschichte. Nach Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 3 TA Luft in der Fassung des Entwurfs der Bundesregierung (BRDrucks 1058/01 S. 9) war bei Ermittlung der Zusatzbelastung abzustellen auf "die zu beurteilende Anlage". Auf Vorschlag des Bundesrates wurde die geltende Fassung beschlossen, wonach die Zusatzbelastung der Immissionsbeitrag ist, der durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Hierzu heißt es in der einschlägigen Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates: "Insbesondere wird damit gleichzeitig die Verweisung in Satz 1 der Nr. 3.5.3 präzisiert, wonach bei Änderungsgenehmigungen nur das Änderungsvorhaben für die Bestimmung der Zusatzbelastung maßgebend ist" (BRDrucks 1058/1/01 S. 3).

41

Dieser ausschließlich das Erweiterungsvorhaben, nicht aber die Gesamtanlage umfassende Prüfungsumfang gilt nach den Vorgaben der TA Luft namentlich auch für die Bestimmung irrelevanter Zusatzbelastungen. Nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft darf im Falle der Überschreitung eines Immissionswertes nach Nr. 4.2.1 TA Luft an einem Beurteilungspunkt die Genehmigung wegen dieser Überschreitung nicht versagt werden, wenn hinsichtlich des jeweiligen Schadstoffes die Kenngröße für die Zusatzbelastung durch die Emissionen der Anlage 3,0 vom Hundert des Immissions-Jahreswertes nicht überschreitet und durch eine Auflage sichergestellt ist, dass weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung durchgeführt werden. Zwar ist in Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft von der Zusatzbelastung durch die "Emissionen der Anlage" die Rede, was sich jedoch auf Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb neuer Anlagen im Sinne von Nr. 3.1 TA Luft bezieht; dagegen gelangt - wie schon erwähnt - im Änderungsgenehmigungsverfahren Nr. 3.1 TA Luft nur entsprechend, d.h. auf das Änderungsvorhaben beschränkt zur Anwendung (Nr. 3.5.3 Satz 1 TA Luft). Das gilt auch für die Verweisung auf Nr. 4 TA Luft. Auch zur Bestimmung des Ausmaßes der Irrelevanz nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft ist somit von einer für das Änderungsvorhaben gemäß Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 3 TA Luft ermittelten Zusatzbelastung auszugehen.

42

Die gegen dieses Verständnis von Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft erhobenen Einwände des Vertreters des Bundesinteresses überzeugen nicht. Er macht zum einen geltend, zwischen Nr. 2.2 und Nr. 4.2.2 TA Luft bestehe ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wobei im Fall von Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft eine Ausnahmesituation deshalb gegeben sei, weil in Immissionspunkten im Einwirkungsbereich des Vorhabens Immissionswerte überschritten seien; das habe zur Konsequenz, dass bei der Anwendung der Irrelevanzklausel auf die Gesamtanlage abzustellen sei. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich bei Nr. 2.2 TA Luft um eine vor die Klammer gezogene Begriffsbestimmung handelt. Das steht der Annahme eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses entgegen. Zum anderen wendet der Vertreter des Bundesinteresses ein, bei einem nicht auf die Gesamtanlage, sondern die Anlagenerweiterung bezogenen Verständnis von Nr. 4.2.2 TA Luft ergebe sich ein Wertungswiderspruch zu Nr. 6.1.1 und 6.1.2 TA Luft, die bei Überschreitung der Immissionswerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit in der Regel ein Einschreiten der Behörde durch Erlass nachträglicher Anordnung geböten. Ein solcher Wertungswiderspruch ist nicht erkennbar. Denn es ist keineswegs zwingend, dass im Anschluss an die Genehmigung eines Änderungsvorhabens mit einer die Irrelevanzgrenze von 3,0 vom Hundert einhaltenden Zusatzbelastung umgehend eine nachträgliche Anordnung nach Nr. 6.1.2 TA Luft ergehen müsste, wenn der Beitrag der Gesamtanlage über 3,0 vom Hundert des Immissions-Jahreswertes hinausginge und die Gesamtbelastung den maßgeblichen Immissionswert überschritte. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend würde die Behörde vielmehr zu prüfen haben, ob nicht durch eine nachträgliche Anordnung gegen den Betrieb der Bestandsanlage die Einhaltung der Immissionswerte der Gesamtanlage auf schonendere Weise sicherzustellen wäre.

43

Allerdings erscheint nicht unzweifelhaft, ob die nach alldem durch die Technische Anleitung Luft geforderte isolierte Beurteilung des Immissionsbeitrages einer Anlagenerweiterung am Maßstab der Irrelevanzklausel dem Schutzanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ohne Weiteres auch dann entspricht, wenn sich dieser Beitrag mit Immissionsbeiträgen des Anlagenbestands überlagert (vgl. OVG Münster, Urteil vom 10. Juni 2008 - 8 D 103/07.AK - juris Rn. 80 f. mit Hinweis auf Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, TA Luft Nr. 4.2 Rn. 38). Emittieren mehrere Quellen in einem engen räumlichen Zusammenhang, so kann es dazu kommen, dass deren Immissionsbeiträge an Beurteilungspunkten in der Nachbarschaft zwar je für sich die Irrelevanzgrenze einhalten, in der Summe aber Belastungen hervorrufen, die über das gemäß Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) TA Luft keiner weiteren Prüfung bedürfende Maß hinausgehen. Ob der den Irrelevanzklauseln zugrunde liegende Bagatellgedanke auch in einer solchen Fallkonstellation eine isolierte Beurteilung der einzelnen Quellen - wie hier der Anlagenerweiterung - rechtfertigt, kann jedoch offenbleiben. Denn nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen (UA S. 86 f.) übersteigen die Zusatzbelastung durch das streitige Vorhaben und die Vorbelastung durch die früher genehmigten Kraftwerksblöcke auch im Zusammenwirken die maßgebliche Irrelevanzgrenze von 3 vom Hundert (Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft) in keinem der Fälle, in denen die Gesamtbelastung die Immissionswerte überschreitet.

44

b) Dass nach nationalem Recht zumindest im Regelfall allein auf die Umwelteinwirkungen des Änderungsvorhabens unter Berücksichtigung der gegebenen Vorbelastung abzustellen ist, steht mit Unionsrecht offensichtlich in Einklang. Eine hierauf bezogene Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union braucht der Senat deshalb nicht einzuholen.

45

Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie), die die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 ersetzt und der das Vorhaben der Beigeladenen als Feuerungsanlage mit mehr als 50 MW unterfällt (Anhang I Ziffer 1.1 der Richtlinie), ist die wesentliche Änderung des Betriebs einer Anlage einem vorherigen Genehmigungsverfahren zu unterwerfen (vgl. auch den 22. Erwägungsgrund der Richtlinie). Dabei erfährt die wesentliche Änderung des Betriebs in Art. 2 Ziffer 11 IVU-RL eine eigene Legaldefinition. Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 IVU-RL müssen der Genehmigungsantrag und die Entscheidung der zuständigen Behörde diejenigen Anlagenteile und in Artikel 6 genannten Aspekte umfassen, die von der Änderung betroffen sein können, wobei die einschlägigen Genehmigungsvorschriften der Richtlinie entsprechend anzuwenden sind. Ebenso unterscheidet Art. 15 Abs. 1 IVU-RL zwischen der Erteilung einer Genehmigung für neue Anlagen und der Erteilung einer Genehmigung für wesentliche Änderungen. Auch der unionsrechtliche Prüfungsmaßstab stellt somit allein auf das Änderungsvorhaben ab und deckt sich folglich mit dem des nationalen Rechts.

46

4. Entgegen der Revision verstoßen die vom Verwaltungsgerichtshof seiner Beurteilung zugrunde gelegten Irrelevanzklauseln der Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) und Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft als solche weder gegen nationales Recht noch gegen Unionsrecht.

47

a) Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG als Instrument der Gefahrenabwehr kommt dann zum Tragen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Eine in diesem Sinne gefährdende, die Schutzpflicht auslösende Immissionssituation ist prinzipiell jedem zur Genehmigung gestellten Vorhaben zuzurechnen, das mit seinen Immissionen zu ihr beiträgt. Die Schutzpflicht findet allerdings dort ihre Grenzen, wo aufgrund einer sachverständigen Risikoabschätzung anzunehmen ist, dass das durch den emittierenden Betrieb verursachte Gesundheitsrisiko auch angesichts der bestehenden Vorbelastung irrelevant ist (Urteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329 <333 f.> = Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 26 S. 4). § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, der der untergesetzlichen Konkretisierung durch Bestimmungen über die Ermittlung und Bewertung von Immissionen bedarf, steht einer solchen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Bewertung nicht entgegen.

48

Gleiches gilt angesichts des dem Vorschriftengeber durch § 48 BImSchG eingeräumten Konkretisierungsspielraums auch für die konkrete Ausgestaltung der hier angewandten Irrelevanzklauseln, mit denen die Irrelevanzgrenze von 1,0 vom Hundert (Nr. 2.2.1.1 Buchst. b) aa) TA Luft 1986) auf 3,0 vom Hundert des Immissions-Jahreswertes angehoben worden ist. Mit Rücksicht auf die Konkretisierungsbefugnis des Vorschriftengebers beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Klauseln auf eine Vertretbarkeitskontrolle. Die Bemessung der Irrelevanzgrenze auf nunmehr 3,0 vom Hundert des Immissions-Jahreswertes beruht auf plausiblen Erwägungen des Vorschriftengebers. Nach der TA Luft a.F. war die Schadstoffbelastung flächenbezogen zu beurteilen. Das hatte zur Folge, dass Belastungswerte von besonders hoch mit Immissionen des Vorhabens beaufschlagten Aufpunkten einer Beurteilungsfläche (vgl. Nr. 2.6.4.2 der TA Luft 1986) nicht selbst die Kenngröße für die Zusatzbelastung bildeten, sondern nur im Wege arithmetischer Mittelung in sie eingingen. Die Einstufung eines Mittelwertes als irrelevant konnte daher zugleich bedeuten, dass deutlich höhere - in die Mittelung eingegangene - Werte ebenfalls vernachlässigt wurden. Das macht es erforderlich, die Irrelevanzgrenze niedrig anzusetzen, um dem Schutzbedürfnis auch der höher belasteten Aufpunkte zu genügen. Mit dem Übergang vom Flächen- auf den unionsrechtlich geforderten Punktbezug gemäß Nr. 4.6.2.6 TA Luft 2002 ist diese Notwendigkeit entfallen (BRDrucks 1058/01 S. 240; vgl. auch Ludwig, TA Luft, 2. Aufl. 2002, S. 14 f.); eine großzügigere Bemessung der Irrelevanzgrenze erscheint daher als vertretbar. Dass der Normgeber mit der Anhebung der Irrelevanzgrenze durch die TA Luft 2002 die unterschiedlichen Auswirkungen des punkt- und des flächenbezogenen Beurteilungsverfahrens auf typische Fallkonstellationen auch im Hinblick auf ihm obliegende Schutzpflichten grundlegend verkannt hätte, ist weder von den Beteiligten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

49

Die Irrelevanzgrenzen der TA Luft sind ebenso vereinbar mit den Vorgaben und der Zielsetzung der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Juni 2007 (BGBl I S. 1006), die im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht außer Kraft getreten war (nunmehr 39. BImSchV vom 2. August 2010, BGBl I S. 1065). Der Umstand, dass in die TA Luft in größerem Ausmaß Grenzwerte des Anhangs I bis III der Tochterrichtlinie 1999/30/EG übernommen worden sind und insoweit Deckungsgleichheit besteht mit den Anforderungen zur Luftreinhaltung in der 22. BImSchV, bedeutet nicht, dass angesichts der höherrangigen normativen Ausgestaltung dieser Anforderungen in der Verordnung für die Anwendung von Irrelevanzschwellen der TA Luft kein Raum mehr bleibt. Denn wie das Unionsrecht zur Luftreinhaltung verfolgt auch die in dessen Umsetzung ergangene Rechtsverordnung einen integrativen, quellenunabhängigen Ansatz, der sich von dem quellen- und anlagenbezogenen Ansatz der TA Luft unterscheidet. Insoweit werden nur für die Behörden gemäß §§ 11 ff. der 22. BImSchV (§§ 27 ff. der 39. BImSchV) unmittelbare Pflichten mit Grenz- und Zielwerten für ihr Handeln begründet. Demgegenüber konkretisiert die TA Luft die von Anlagenbetreibern einzuhaltenden Pflichten und stellt insoweit die Erfüllung von Schutz- und Vorsorgepflichten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sicher. Der flächenbezogene Ansatz der Luftreinhaltung ergänzt damit die quellen- und anlagenbezogenen Regelungen der TA Luft und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Bruckmann/Strecker, in: Landmann/Rohmer, a.a.O. 39. BImSchV Vorb. Rn. 64). Die TA Luft darf als nachrangige Regelung allerdings keine Luftverschmutzungen zulassen, die bereits für sich genommen die Grenzwerte der 22. BImSchV übersteigen oder sonst vereiteln, dass diese Grenzwerte eingehalten werden können. Soweit nicht besondere, im vorliegenden Fall nicht ersichtliche Umstände entgegenstehen, ist in aller Regel davon auszugehen, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte des Luftqualitätsrechts mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt (vgl. Halama, in: Berkemann/Halama, Handbuch zum Recht der Bau- und Umweltrichtlinien der EU, 2. Aufl. 2011, S. 769 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in mehreren Entscheidungen die Einhaltung der Grenzwerte der 22. BImSchV nicht als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung eines Vorhabens erachtet (zum Fernstraßenrecht Urteile vom 26. Mai 2004 - BVerwG 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57 <61> = Buchholz 406.25 § 48a BImSchG Nr. 1 S. 5 und vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <27 f.> = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 18 S. 95 f.; Beschluss vom 1. April 2005 - BVerwG 9 VR 7.05 - NuR 2005, 709, juris Rn. 21). Dies gilt gleichermaßen für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

50

b) Auch dem Unionsrecht ist der Gedanke der Irrelevanz nicht fremd. Er kommt etwa dort zum Ausdruck, wo von "signifikanten" Luftverunreinigungen die Rede ist (vgl. Art. 4 Nr. 2 der Richtlinie 84/360/EWG des Rates vom 28. Juni 1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen); die IVU-Richtlinie hebt in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) auf die Erheblichkeit der Umweltverschmutzungen ab. Mit der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität sowie mit der Tochterrichtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid u.a. und mit der diese beiden Richtlinien ersetzenden Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa wird ein quellenunabhängiger Ansatz verfolgt, der nicht die Zulassung einer einzelnen Anlage in den Blick nimmt, sondern allein die Mitgliedstaaten verpflichtet, gebietsbezogen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

51

Dem entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. In seinem Urteil vom 26. Mai 2011 (Rs. C-165 bis 167/09 - Slg. 2011, I-4599) zu den Rechtssachen Stichting Natuur en Milieu u.a., welche die Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe zum Gegenstand haben, geht der Gerichtshof davon aus, dass die festgelegten Ziele angesichts des weiten Handlungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten verfügen, nicht unmittelbar auf die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung einwirken (Rn. 75 f.).

52

Auf das Verhältnis zwischen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG ist dies ohne Weiteres übertragbar; hierfür spricht auch die Rechtsauffassung der Kommission. Auf eine parlamentarische Anfrage zum Neubau einer Müllverbrennungsanlage, die trotz Überschreitung der in der Richtlinie 1999/30/EG festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid nach Maßgabe von Irrelevanzschwellen der TA Luft genehmigt worden ist, hat sie geantwortet, dass hierin keine Zuwiderhandlung gegen Verpflichtungen aus der Richtlinie zu sehen ist (E-2866/2007 DE vom 3. August 2007). Im Schreiben vom 20. Mai 2005 (Beschwerdeverfahren 2003/4840) geht sie davon aus, dass die Luftqualitätsrichtlinie und ihre Tochterrichtlinien Ergebnispflichten aufstellen, die individuelle Genehmigungsverfahren unberührt lassen. Eine andere Auslegung wäre weder mit dem Subsidiaritäts- noch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren.

53

5. Ob der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Rechtsauffassung gegen Bundesrecht verstößt, dass das im Rahmen einer Nachberechnung der Immissionsprognose für das streitgegenständliche Vorhaben erzielte Ergebnis, wonach an einer Gitterzelle an der Nordwestecke eines Gewerbebetriebs im Nahbereich von Block 9 (Fassade der Firma L.-F.) mit der maximalen Immissionszusatzbelastung von 7,2 µg/m3 für Schwebstaub PM10 die zulässige Überschreitungshäufigkeit von 35 Tagen gemäß der Tabelle 1 zu Nr. 4.2.1 TA Luft um 2 Tage überschritten wird, schon deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung führt, weil es sich insoweit um einen nicht maßgeblichen, da nicht repräsentativen Beurteilungspunkt handelt, kann dahinstehen. Denn das angegriffene Urteil beruht hierauf nicht, § 137 Abs. 1 VwGO. Selbst wenn man insoweit von einem materiellen Rechtsverstoß ausgehen wollte, wäre die erforderliche Kausalität nur gegeben, wenn die Vorinstanz ohne diesen Rechtsverstoß eine andere Entscheidung getroffen hätte (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 137 Rn. 17). Dies scheidet aber schon deshalb aus, weil der Verwaltungsgerichtshof seine Erkenntnis zur Einhaltung des Immissionswertes für Schwebstaub nach Nr. 4.2.1 TA Luft auf einen weiteren, selbstständig tragenden Grund gestützt hat.

54

Nr. 10 des Anhangs 3 zur TA Luft schreibt für die Ausbreitungsrechnung die Berücksichtigung von Bebauung vor, wobei - nach bestimmten Maßgaben - deren Einfluss mithilfe eines diagnostischen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden kann. Bei diffusen Staubquellen kann diese Ausbreitungsrechnung aber zu unplausiblen Immissionskonzentrationen führen. Auf diesen Einwand des Klägers gab die Genehmigungsbehörde eine ergänzende Immissionsprognose über die Zusatzbelastung im Bereich der Firma L.-F. auf der Grundlage des prognostischen Strömungsmodells MISKAM in Auftrag. Das beauftragte Ingenieurbüro kam nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs unter Verwendung dieses Rechenmodells zu dem Ergebnis, dass das Maximum der Zusatzbelastung für Schwebstaub PM10 im Bereich der zur Kohlehalde orientierten Gebäudefassade der Firma L.-F. zu erwarten sei und der maximale Jahresmittelwert der Zusatzbelastung zwischen 5,2 und 6 µg/m3 liege. Da nach dem für die ursprüngliche Immissionsprognose verwandten Rechenmodell Austal2000 davon auszugehen ist, dass bei einer Immissionszusatzbelastung von 6,9 µg/m3 die zulässige Überschreitungshäufigkeit von 35 Tagen genau erreicht wird, kann - so der Verwaltungsgerichtshof - ebenso angenommen werden, dass auch die maximale Zusatzbelastung von 6 µg/m3 die zulässigen Überschreitungen einhält. Auf diese Annahme hat der Verwaltungsgerichtshof, der in Übereinstimmung mit dem Gutachter des Klägers von der wissenschaftlichen Eignung des Windfeldmodells MISKAM ausgegangen ist, seine Entscheidung zusätzlich gestützt. Hiergegen hat sich die Revision nicht gewandt.

55

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht einen entscheidungserheblichen Verstoß der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegen Vorschriften des Bauplanungsrechts verneint. Weder kann der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Baugenehmigung ein Planungserfordernis entgegengehalten werden noch verstoßen die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zur fehlenden Rügefähigkeit städtebaulicher Gesichtspunkte gegen Bundesrecht.

56

a) Das angefochtene Urteil lässt offen, ob ein Planungserfordernis nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB besteht und ob der Kläger als Umweltverband dieses geltend machen kann; ein solches Erfordernis könne der Baugenehmigung jedenfalls nicht entgegengehalten werden. Diese Auffassung entspricht ständiger Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24. Oktober 1980 - BVerwG 4 C 3.78 - BVerwGE 61, 128 <133 f.> = Buchholz 406.11 § 36 Nr. 26 S. 22, vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 15.84 - BVerwGE 75, 34 <43> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 116 S. 75 und vom 11. Februar 1993 - BVerwG 4 C 15.92 - DVBl 1993, 658), der sich der erkennende Senat anschließt. Mit § 34 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber selbst für den unbeplanten Innenbereich die Entscheidung getroffen, dass ein Vorhaben genehmigungsfähig ist, wenn es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. § 34 Abs. 1 BauGB erweist sich damit als Planersatzvorschrift (Urteil vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <30> = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 117 S. 76 f.). Zwar kann auch im unbeplanten Innenbereich eine Bebauungsplanung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich werden, wenn die Genehmigungspraxis auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB städtebauliche Konflikte auslöst oder auszulösen droht, die eine Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend erfordern (Urteil vom 17. September 2003 a.a.O. S. 32). Ein derartiges Erfordernis einer Bebauungsplanung hat aber nicht zur Folge, dass ohne sie eine Bebauung unterbleiben müsste, sondern zielt vielmehr darauf ab, die bauliche Entwicklung in eine andere Richtung zu lenken (Urteil vom 24. Oktober 1980 a.a.O. S. 133 f.). Bei der Beurteilung eines Innenbereichsvorhabens hat ein Planungserfordernis deshalb nur indizielle Bedeutung für die Frage des Sich-Einfügens (Urteil vom 19. September 1986 a.a.O. S. 43).

57

Aus Unionsrecht ergibt sich nichts anderes. Art. 2 Abs. 1 UVP-RL a.F. gebietet, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen u.a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Entgegen der Revision kann weder Art. 3 UVP-RL a.F. noch Art. 8 UVP-RL a.F. entnommen werden, dass dem bloßen Genehmigungserfordernis der Richtlinie nur durch eine planerische Abwägungsentscheidung Rechnung getragen werden kann. Dem steht bereits entgegen, dass die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung nur verfahrensrechtliche Anforderungen zum Gegenstand hat (EuGH, Urteil vom 14. März 2013 - Rs. C-420/11 - NVwZ 2013, 349 Rn. 46). Diese Auslegung von Unionsrecht durch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union weiter zu klären, ist angesichts der Eindeutigkeit der betreffenden Regelungen nicht veranlasst.

58

b) Der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Vorhabens der Beigeladenen auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB könnte ein Planungserfordernis jedoch ausnahmsweise dann entgegenstehen, wenn den in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (i.d.F. der Änderungsrichtlinie 2003/105/EG vom 16. Dezember 2003 - Seveso-II-RL) gestellten Anforderungen, die sich auch auf Änderungsvorhaben beziehen, allein durch eine richtlinienkonforme Auslegung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme nicht ausreichend Rechnung getragen werden könnte. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Art. 12 Abs. 1 Seveso-II-RL dahin ausgelegt, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, langfristig dem Erfordernis der Wahrung angemessener Abstände zwischen einem Störfallbetrieb und öffentlich genutzten Gebäuden Rechnung zu tragen, auch von Baugenehmigungsbehörden bei gebundenen Entscheidungen über die Zulassung von Vorhaben zu beachten ist (Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-53/10 - Slg. 2011, I-8311 = ZfBR 2011, 763). Dies kann einen Koordinierungsbedarf auslösen, dem nicht mehr allein durch eine nachvollziehende Abwägung im Rahmen einer gebundenen Vorhabenszulassung, sondern nur durch eine förmliche Planung entsprochen werden kann (Urteil vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 32 ff. = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 215).

59

Ein solcher Ausnahmefall scheidet hier aber schon deshalb aus, weil das Änderungsvorhaben der Beigeladenen nicht unter Art. 12 Abs. 1 Seveso-II-RL fällt. Gemäß Art. 10 Seveso-II-RL sorgen die Mitgliedstaaten bei einer Änderung einer Anlage oder der Art und der Mengen der gefährlichen Stoffe, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren im Zusammenhang mit schweren Unfällen ergeben könnten, dafür, dass der Betreiber das Konzept zur Verhütung schwerer Unfälle und den Sicherheitsbericht überprüft und erforderlichenfalls ändert. Nur auf eine derart wesentliche Anlagenänderung oder Anlagenerweiterung bezieht sich Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) Seveso-II-RL, die im nationalen Recht die genannte Planungsbedürftigkeit eines Erweiterungsvorhabens zur Folge haben kann. Auf der Grundlage der von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs unterfallen die Bestandsanlage wie auch das Erweiterungsvorhaben der Beigeladenen lediglich den Grundpflichten der Störfallverordnung, ohne dass sich das Gefahrenpotenzial erheblich verändert.

60

c) Die weitere von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Kläger im Rahmen seiner Rügebefugnis nach Maßgabe des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes bei Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB über die Prüfung von Vorschriften mit umweltrechtlichem Bezug hinaus auch Verstöße gegen Belange einer geordneten städtebaulichen Entwicklung geltend machen kann, ist mit den obigen Ausführungen unter II. 1. zu verneinen. Auch bei Vorschriften des Bauplanungsrechts mit mehrfacher Zielrichtung beschränkt sich das Rügerecht des Klägers auf den gesetzlich bezweckten Schutz von Interessen der Umwelt, die gegebenenfalls bei Prüfung des in § 34 Abs. 1 BauGB verankerten Gebots der Rücksichtnahme zu berücksichtigen sind. Soweit § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB darüber hinaus mit dem Kriterium des "Sich-Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung" und den dies bestimmenden Merkmalen auf die städtebauliche Ordnung zielt, mag sich hiermit allenfalls mittelbar und reflexweise auch ein Schutz der Umwelt verbinden. Dies führt aber nicht dazu, dass es sich bei den an andere als Umweltbelange anknüpfenden Tatbestandsmerkmalen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB um Regelungselemente zum Schutz der Umwelt handelt; von einer dem Umweltschutz dienenden Norm im Sinne von § 2 Abs. 1 und 5 UmwRG kann im Zusammenhang mit dem auf die städtebauliche Ordnung abhebenden Einfügungsgebot nicht ausgegangen werden.

(1) Schutzgüter im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit,
2.
Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,
3.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
4.
kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie
5.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.

(2) Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens oder der Durchführung eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter. Dies schließt auch solche Auswirkungen des Vorhabens ein, die aufgrund von dessen Anfälligkeit für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, soweit diese schweren Unfälle oder Katastrophen für das Vorhaben relevant sind.

(3) Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltauswirkungen eines Vorhabens in einem anderen Staat.

(4) Vorhaben im Sinne dieses Gesetzes sind nach Maßgabe der Anlage 1

1.
bei Neuvorhaben
a)
die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage,
b)
der Bau einer sonstigen Anlage,
c)
die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme,
2.
bei Änderungsvorhaben
a)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage,
b)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage oder der Beschaffenheit einer sonstigen Anlage,
c)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.

(5) Windfarm im Sinne dieses Gesetzes sind drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Ein funktionaler Zusammenhang wird insbesondere angenommen, wenn sich die Windkraftanlagen in derselben Konzentrationszone oder in einem Gebiet nach § 7 Absatz 3 des Raumordnungsgesetzes befinden.

(6) Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren,
2.
Linienbestimmungen und andere Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren nach den §§ 47 und 49,
3.
Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, sowie Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über Bebauungspläne, die Planfeststellungsbeschlüsse für Vorhaben im Sinne der Anlage 1 ersetzen.

(7) Pläne und Programme im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die

1.
von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden,
2.
von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder
3.
von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden.
Ausgenommen sind Pläne und Programme, die ausschließlich Zwecken der Verteidigung oder der Bewältigung von Katastrophenfällen dienen, sowie Finanz- und Haushaltspläne und -programme.

(8) Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes sind einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen.

(9) Betroffene Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, deren Belange durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt werden; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes.

(10) Umweltprüfungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen.

(11) Einwirkungsbereich im Sinne dieses Gesetzes ist das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Gemeinde mit ca. 580 Einwohnern im Süden von Bad Segeberg. Sie wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 30. April 2012 für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede, der als ortsnahe Südumfahrung von Bad Segeberg eine Trassenführung am nördlichen Ortsrand der Klägerin vorsieht.

2

Die Linienbestimmung für den streitgegenständlichen Abschnitt erfolgte zunächst in einem eigenständigen Verfahren unter der Bezeichnung "Neubau der BAB A 20 Bad Segeberg - Lübeck, Abschnitt 5, Raum Segeberg". Die Planungsunterlagen einschließlich einer Umweltverträglichkeitsstudie, bestehend aus Raumempfindlichkeitsanalyse (UVS Teil I) und Variantenvergleich (UVS Teil II) wurden zwischen November 1994 und April 1999 erarbeitet (sog. "Voruntersuchung Streckenabschnitt 5"). Gegenstand des Hauptvariantenvergleichs waren drei sich deutlich unterscheidende Trassenverläufe: eine kombinierte Ausbau-/Neubauvariante (Ausbau der B 206 östlich Bad Segebergs und der Ortsdurchfahrt Bad Segebergs sowie Neubau westlich der Ortslage Bad Segeberg, Variante 1), eine ortsnahe Südumfahrung Bad Segebergs als Neubauvariante (Variante 2) sowie eine weite Südumfahrung Bad Segebergs als Neubauvariante mit Versatz auf der A 21 (Variante 3, sog. Schwissellinie). Nach Abschluss der Voruntersuchungen wurden die Unterlagen in der Zeit vom 7. Juni bis zum 7. Juli 1999 in der Stadt Bad Segeberg sowie in den Ämtern Segeberg-Land und Leezen öffentlich ausgelegt.

3

Für den sich westlich an den streitgegenständlichen Abschnitt anschließenden deutlich längeren Abschnitt gab es ein separates Linienbestimmungsverfahren unter der Bezeichnung "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Für diesen Abschnitt fand eine großräumige Variantenprüfung zur Linienfindung statt. Die Unterlagen (Untersuchung zur Linienfindung von Oktober 2002) wurden vom 6. Januar bis 6. Februar 2003 in 30 Städten, amtsfreien Gemeinden und Amtsverwaltungen öffentlich ausgelegt, darunter auch im Rathaus der Stadt Bad Segeberg, der Amtsverwaltung Leezen und der Amtsverwaltung Segeberg-Land (heute: Trave-Land).

4

Ab Oktober 2004 wurde das Linienbestimmungsverfahren für beide Abschnitte gemeinsam fortgeführt. Im November 2004 stellten die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen beim Bundesverkehrsministerium unter Vorlage eines gemeinsamen Erläuterungsberichts den formellen Antrag nach § 16 FStrG auf Bestimmung der Linie für die "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Weede, östlich Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Der Antrag umfasste eine Strecke mit einer Gesamtlänge von ca. 95 km. Aufgrund deutlicher Vorteile in verkehrlicher und städtebaulicher Hinsicht hatte man für den streitgegenständlichen Abschnitt - den früheren "Streckenabschnitt 5" - die Variante 2 (ortsnahe Südumfahrung Bad Segebergs) in der Untervariante 2.1 als Vorzugsvariante ermittelt. Mit Schreiben vom 28. Juli 2005 bestimmte das Bundesverkehrsministerium im Benehmen mit den obersten Landesplanungsbehörden der beiden Länder die beantragte Linienführung mit verschiedenen Anmerkungen und Maßgaben.

5

Die Vorhabenträgerin beantragte im September 2006 die Durchführung des Anhörungsverfahrens für eine im Wesentlichen der Linienbestimmung entsprechende Trassenführung. Die Planunterlagen wurden vom 14. November bis 14. Dezember 2006 ausgelegt. Einwendungen konnten bis einschließlich 11. Januar 2007 erhoben werden. Zwischen Februar und Mai 2008 fanden verschiedene Erörterungstermine statt. Im August 2009 beantragte die Vorhabenträgerin die Durchführung eines Planänderungsverfahrens. Die geänderten Unterlagen und Pläne lagen in der Zeit vom 19. Oktober bis 19. November 2009 bzw. vom 9. November bis 9. Dezember 2009 öffentlich aus. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme endete am 17. Dezember 2009 bzw. am 6. Januar 2010. Im Juni/Juli 2010 fanden weitere Erörterungstermine statt. Im August 2011 beantragte die Vorhabenträgerin die Durchführung eines 2. Planänderungsverfahrens. Die erneut geänderten Unterlagen und Pläne lagen in der Zeit vom 19. September bis 19. Oktober 2011 öffentlich aus. Die Einwendungsfrist endete am 16. November 2011. Auf die Festsetzung weiterer Erörterungstermine wurde verzichtet. Die Klägerin nahm zu der vorgenannten Planung einschließlich der verschiedenen Planänderungen Stellung.

6

Mit Beschluss vom 30. April 2012 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 20, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede fest. Die vorgesehene Trasse der A 20 soll - ausgehend von der bereits bestehenden A 20 im Osten von Bad Segeberg - auf einer Länge von etwa 1,5 bis 2 km am Nordrand des Gemeindegebiets der Klägerin, mit Ausnahme einer kurzen Querung aber fast vollständig außerhalb ihrer Gemarkung auf Bad Segeberger Gebiet verlaufen. Nordöstlich des Gemeindegebiets der Klägerin ist zwischen der Bahntrasse im Osten und der L 83 im Westen eine Brücke von 371 m Länge und ca. 31 m Breite geplant (BW 5.12 "Gieselteich"). In diesem Bereich gilt auf dem Gebiet der Stadt Bad Segeberg der Bebauungsplan Nr. 44 vom 30. März 1989, der allgemein Gewerbe (zweigeschossig) festsetzt.

7

Die Trassen der Bahnstrecke, der L 83 und der neu geplanten B 206n sollen jeweils so überspannt werden, dass sie unverändert bleiben können. Auf der Brücke sind zudem auf der Nord- und Südseite Kollisions- bzw. Immissionsschutzwände in unterschiedlicher Höhe vorgesehen; die südliche Wand ist durchgängig 4 m hoch geplant (vgl. planfestgestellte Anlage 12.2, Blätter 2.10 und 2.11). Der - noch zu Bad Segeberg gehörende - Gieselteich, der als kleiner Badesee genutzt wird, soll einschließlich seiner Uferbereiche ebenfalls nicht verändert werden. Im Bereich des Gieselteichs erreicht die Brücke eine lichte Höhe von bis zu 12 m; insgesamt ergeben sich damit Dammhöhen der anschließenden Trassenabschnitte von 6,5 m bis 16,5 m. Der Abstand zur vorhandenen Wohnbebauung im nördlichen Gemeindegebiet der Klägerin beträgt ca. 40 m. Nach zwischenzeitlicher Erhöhung des Lärmschutzwalles ist noch bei acht Gebäuden ("Am Gieselteich" und "Segeberger Straße") mit insgesamt 15 Wohnungen passiver Lärmschutz wegen Überschreitung der Nachtwerte erforderlich (Planfeststellungsbeschluss S. 46, 48, 466 ff.).

8

Die Klägerin hat am 30. Mai 2012 - fristgerecht - Klage erhoben.

9

Sie macht eine erdrückende Wirkung des vorgesehenen Bauwerks geltend. Darüber hinaus wirke sich das Vorhaben insgesamt negativ auf ihre städtebauliche Entwicklung aus. Zwar habe sie keine konkrete Bauleitplanungsabsicht in Richtung Bad Segeberg; auf das in der Rechtsprechung entwickelte Erfordernis einer konkretisierten städtebaulichen Planungsabsicht müsse aber angesichts der bis ins Jahr 1995 zurückreichenden Planungsgenese der Autobahn verzichtet werden. Im Übrigen habe sie Wohnbauflächen im Flächennutzungsplan 2004 ausgewiesen, die aufgrund der Blickbeziehungen und Lärmwirkungen durch die Brücke nicht mehr realisierbar seien. Schließlich sei die Hauptvariantenwahl fehlerhaft; deutlich südlichere Varianten als die Schwissellinie seien zu Unrecht nicht in die Abwägung eingestellt worden, insbesondere sei eine weite Südumfahrung mit einer konsequent südlichen Führung der Trasse von Weede aus in Richtung Südwesten ohne Beeinträchtigung von FFH-Belangen möglich. Verkehrliche Wirkungen solcher Südumfahrungen seien nie untersucht worden. Ebenso sei die Stadtvariante (Variante 1) zu Unrecht verworfen worden. Gegenüber der Voruntersuchung sei die Anschlussstelle Bad Segeberg A 20/K 7 (BW 5.13), die das Umfeld ihrer Gemeinde ebenfalls durch Lärmeinwirkung beeinträchtige, deutlich nach Nordwesten in Richtung Christiansfelde an die Bahnlinie verschoben worden, um die B 206 alt unter der Autobahnbrücke zu führen. Dieser Zusammenhang und die damit verbundene zusätzliche Belastung der Ortschaft sei in der Umweltverträglichkeitsstudie zur Linienfindung von 2003 (zur Höhenlage Gieselteich) nicht berücksichtigt worden.

10

Die Klägerin beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede vom 30. April 2012 in der Fassung des Planänderungsbescheides vom 16. Oktober 2013 und der in der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Oktober 2013 erklärten Ergänzungen aufzuheben,

2. hilfsweise,

festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte hält die Klage mangels Klagebefugnis für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Soweit die Klägerin ihre Kritik auch auf eine noch weiträumigere Südvariante erstrecke und bezüglich der Variante 3 (Schwissellinie) eine nicht ausreichende Prüfungstiefe bemängele, sei ihr Vorbringen präkludiert. Hiervon unabhängig sei ihr Vorbringen aber auch in der Sache unbegründet, insbesondere sei eine noch weitere Südumfahrung zu Recht bereits aufgrund einer Grobanalyse ausgeschieden worden. Auch die Verschiebung des BW 5.13 (Anschlussstelle Bad Segeberg A 20/K 7) sei ordnungsgemäß abgewogen worden.

Entscheidungsgründe

13

1. Die Klage ist zulässig.

14

Die Klägerin ist zwar im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht befugt, Belange ihrer Bürger, wie Lärmschutzinteressen oder den Schutz vor visuellen Beeinträchtigungen, geltend zu machen bzw. die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den Belangen von Natur und Landschaft gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Klagerecht steht ihr nicht als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls, sondern nur im Hinblick auf ihre eigenen Rechte und schutzwürdigen Belange zu (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 9. Oktober 2003 - BVerwG 9 VR 6.03 - juris Rn. 17 m.w.N.).

15

Es erscheint aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Klägerin durch die an ihrem nördlichen Ortsrand geplante, in Hochlage geführte, 371 m lange Brücke in ihrem von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umfassten Selbstgestaltungsrecht beeinträchtigt wird (vgl. auch Urteil vom 30. Mai 2012 - BVerwG 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 36). Auf die Frage, ob die Klägerin sich außerdem auf ihre gemeindliche Planungshoheit berufen kann, kommt es im Rahmen der Zulässigkeit der Klage nicht an.

16

2. Die Klage ist teilweise begründet.

17

Der Planfeststellungsbeschluss leidet an einem Rechtsfehler, der die Klägerin in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung ihrer Belange verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (a). Dieser Fehler rechtfertigt aber nicht die Aufhebung, sondern nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weil Heilungsmöglichkeiten in einem ergänzenden Verfahren verbleiben (b).

18

a) Die klagende Gemeinde kann, vergleichbar einem von dem Vorhaben mittelbar Betroffenen, eine gerichtliche Kontrolle der planerischen Abwägungsentscheidung nur hinsichtlich ihrer eigenen Belange und - wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung - der ihren Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange verlangen (vgl. auch Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 9 A 20.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 229 Rn. 11). Daran gemessen erweist sich die als enge Südumfahrung Bad Segebergs vorgesehene Trassenführung zwar nicht im Hinblick auf die Planungshoheit der Klägerin (aa), wohl aber mit Blick auf deren Selbstgestaltungsrecht als abwägungsfehlerhaft (bb). Abgesehen von der nach gegenwärtigem Planungsstand defizitären Trassenwahl ist die Entscheidung für die Ausgestaltung des Brückenbauwerks BW 5.12 "Gieselteich" aber rechtlich ebenso wenig zu beanstanden (cc) wie die Entscheidung, das Bauwerk BW 5.13 gegenüber der ursprünglichen Planung zu verschieben (dd).

19

aa) Die vorgesehene Trassenführung verletzt die Klägerin nicht in ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt nach ständiger Rechtsprechung eine wehrfähige, in die Abwägung nach § 17 Satz 2 FStrG einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder erheblich gemeindliche Einrichtungen beeinträchtigt (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 30. Mai 2012 a.a.O. Rn. 35 m.w.N.).

20

Unter keinem der drei genannten Gesichtspunkte kommt hier ein Eingriff in die Planungshoheit der Klägerin in Betracht.

21

(1) Dass die geplante Trasse der A 20, die ganz überwiegend auf dem Stadtgebiet von Bad Segeberg und nicht auf dem der klagenden Gemeinde vorgesehen ist, konkrete und verfestigte Planungen der Klägerin stören könnte, ist nicht ersichtlich. Dabei ist an dem Erfordernis einer konkreten städtebaulichen Absicht entgegen der Auffassung der Klägerin festzuhalten. Es wird nicht durch einen "extrem langen Planungshorizont ad absurdum geführt", der dazu geführt hat, dass die Klägerin sich in einem "Status der erzwungenen Untätigkeit" befunden hat. Insoweit weist der Beklagte zu Recht auf die Geltung des Prioritätsgrundsatzes hin (vgl. hierzu etwa Beschluss vom 5. November 2002 - BVerwG 9 VR 14.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171). Danach hat eine Gemeinde mit ihrer Bauleitplanung auf eine Straßenplanung Rücksicht zu nehmen, wenn die Straßenplanung hinreichend verfestigt ist; umgekehrt ist aber auch die kommunale Bauleitplanung im Rahmen der zeitlich nachfolgenden Fachplanung bei hinreichender Verfestigung zu berücksichtigen (Urteil vom 24. November 2011 - BVerwG 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 219 Rn. 30). Durch diesen Grundsatz wird eine gegenseitige Rücksichtnahme der verschiedenen Planungsträger bei konkurrierenden Planungsvorstellungen sichergestellt.

22

Dass hier eine konkrete städtebauliche Planungsabsicht im vorgenannten Sinne fehlt, auf die die Fachplanung hätte Rücksicht nehmen müssen, hat die Klägerin bereits in ihrer Einwendung und erneut in ihrer Klage eingeräumt. Soweit sie dennoch erstmals im Klageverfahren auf den Flächennutzungsplan aus dem Jahre 2004 verweist, ist zu beachten, dass der Flächennutzungsplan die "geplante BAB 20" bereits als Verkehrsfläche gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB darstellt; von einer Unvereinbarkeit mit der zugleich festgesetzten Wohnnutzung ist die Klägerin folglich bei der Aufstellung selbst nicht ausgegangen. Auf eine Beeinträchtigung der Planungshoheit führt auch nicht der Umstand, dass diese auch gegen eine Verlärmung solcher Baugebiete schützt, die bereits in bestehenden Bebauungsplänen ausgewiesen sind; auch das Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung ausgeformten städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen ist ein schutzwürdiger kommunaler Belang (Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <157 f.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44). Nachhaltige Störungen wesentlicher Teile von Baugebieten sind hier aber nicht zu besorgen. Denn nach den Berechnungen des Beklagten, die die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen hat, sind in ihrem Gemeindegebiet lediglich acht Wohngebäude derart betroffen, dass wegen Überschreitung der nächtlichen Immissionsgrenzwerte Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen besteht (Planfeststellungsbeschluss S. 46, 48, 468).

23

(2) Das Vorhaben entzieht auch nicht wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung. Das Gemeindegebiet der Klägerin wird im Westen durch die Trave sowie das hiermit im Zusammenhang stehende, in Nord-Süd-Richtung verlaufende FFH-Gebiet DE 2127-391 "Travetal", nördlich von der Stadt Bad Segeberg und östlich von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden eingleisigen Bahnstrecke Neumünster - Bad Oldesloe begrenzt. Etwa mittig durch die Gemeinde führt - ebenfalls in Nord-Süd-Richtung - die L 83, die im Zentrum des Gemeindegebiets nach Südosten verschwenkt. Die bebaute Ortslage befindet sich im Wesentlichen an der L 83 sowie an mehreren hiervon abzweigenden Stichstraßen (sog. Straßenlangdorf). Der Bereich beidseitig der L 83 ist teilweise als allgemeines Wohngebiet, teilweise als Mischgebiet eingestuft (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 283, 285, 467 sowie Flächennutzungsplan). Die geplante Trasse der A 20 betrifft ausschließlich den nördlichen Ortsrand der Klägerin an der Grenze zum Stadtgebiet von Bad Segeberg. Angesichts des Zuschnitts des Gemeindegebiets liegt das gemeindliche Entwicklungspotential weniger im Norden als im Zentrum sowie im südlichen Bereich. Dort werden aber aufgrund der räumlichen Entfernung nach Verwirklichung des Autobahnvorhabens sämtliche Immissionsgrenzwerte der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) auch ohne passive Schallschutzmaßnahmen eingehalten (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 285). Auch besteht dort zu dem geplanten Brückenwerk kaum noch eine Sichtbeziehung, jedenfalls wird diese mit zunehmender Entfernung abgeschwächt.

24

(3) Schließlich werden von der Klägerin auch keine gemeindlichen Einrichtungen benannt, die durch die Planung erheblich beeinträchtigt werden. Soweit in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten Stolzenberg auf negative Auswirkungen auf die Funktion und Attraktivität der Badestelle am Gieselteich hingewiesen wird, dürfte es sich schon nicht um eine gemeindliche Einrichtung handeln. Zudem gehört der Gieselteich selbst einschließlich des überwiegenden Teils des Ufersaums nicht zum Gemeindegebiet der Klägerin, sondern zu dem von Bad Segeberg. Die Achse der Brücke wurde im Übrigen zur Eingriffsminimierung um ca. 5 m nach Norden verschoben (s. Erläuterungsbericht S. 36), so dass der Teich mit seinen Ufern nicht direkt überspannt wird. Damit bleibt auch die Funktion als Badestelle erhalten, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass hinsichtlich der Attraktivität aufgrund des Lärms und der optischen Auswirkungen mit Einbußen zu rechnen sein wird.

25

bb) Immerhin berührt ist die Klägerin dagegen in ihrem Selbstgestaltungsrecht, das vor Maßnahmen schützt, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (Urteil vom 30. Mai 2012 - BVerwG 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 36 m.w.N.). Durch die massive Wirkung der 371 m langen Brücke am Gieselteich, die eine lichte Höhe von bis zu 12 m erreicht und zusätzlich mit Immissionsschutzwänden ausgestattet ist, sowie der an die Brücke beidseits anschließenden Dämme werden die Sichtbeziehungen in Richtung Bad Segeberg tiefgreifend verändert. Aufgrund der damit verbundenen negativen Auswirkungen für das Ortsbild, auf die die Klägerin bereits in ihren Einwendungen hingewiesen hatte, ist der Senat zu der Einschätzung gelangt, dass das Vorhaben auch unter Berücksichtigung der vorhandenen, aber in ihrer Massivität nicht vergleichbaren Vorbelastungen die Erheblichkeitsschwelle des Selbstgestaltungsrechts überschreitet.

26

Der Eingriff in das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin kann zwar überwunden werden, da es der Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Abwägungsgebotes unter dem Vorbehalt der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unbenommen bleibt, gegenläufigen Belangen den Vorrang einzuräumen (Urteil vom 30. Mai 2012 - BVerwG 9 A 35.10 a.a.O. Rn. 36 m.w.N). Der Planfeststellungsbehörde ist aber bei der am Maßstab des planungsrechtlichen Abwägungsgebotes zu beurteilenden Auswahl der Vorzugstrasse ein entscheidungserheblicher Fehler unterlaufen. Er durfte weiträumige Südumfahrungen, die das Gemeindegebiet der Klägerin verschont hätten, nicht ohne nähere Untersuchung aufgrund einer bloßen Grobanalyse verwerfen.

27

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen (Beschluss vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 7 NB 2.88 - BVerwGE 81, 128 <136 f.> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 29 S. 26; Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41). Die Planfeststellungsbehörde braucht den Sachverhalt dabei nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Trassenführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. nur Urteile vom 30. Mai 2012 a.a.O. Rn. 36 und vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 98 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).

28

Hiervon ausgehend hat sich der Planfeststellungsbeschluss zwar abwägungsfehlerfrei gegen die Variante einer Stadtautobahn durch Bad Segeberg entschieden, nicht aber durfte er - wie noch näher auszuführen sein wird - weiträumige Südumfahrungen bereits im Wege einer Grobanalyse verwerfen. Mit diesem Vorbringen, das sich mit dem Vorbringen der Kläger des Parallelverfahrens BVerwG 9 A 14.12, zweier Naturschutzverbände, weitgehend deckt, ist die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gemäß § 17a Nr. 7 Satz 1 FStrG präkludiert, denn sie hat in ihren Einwendungsschreiben deutlich erkennen lassen, dass sie eine ihre Gemeinde verschonende Trassenführung begehrt. Dies genügte, um die Planfeststellungsbehörde zu veranlassen, die Entscheidung für die Trasse einer erneuten umfassenden Prüfung zu unterziehen (vgl. Urteil vom 30. Mai 2012 a.a.O. Rn. 30).

29

Das Vorbringen der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Denn unbeschadet dessen, dass sich eine Gemeinde im Unterschied zum Naturschutzverband gegenüber einem anderen Planungsträger nicht zum gesamtverantwortlichen "Wächter des Umweltschutzes" machen kann (vgl. Beschluss vom 5. November 2002 - BVerwG 9 VR 14.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 = juris Rn. 17 unter Hinweis auf Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <395>) schlägt der auf die Klagen der Naturschutzverbände hin festgestellte Fehler bei der FFH-rechtlichen Alternativenprüfung auch auf die allgemeine fachplanerische Abwägung, auf die sich die Klägerin berufen kann, durch. Dem steht nicht entgegen, dass es im Verfahren der Naturschutzverbände in erster Linie um die Frage geht, ob die Alternativenprüfung die Anforderungen erfüllt, die § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 FFH-RL vorschreiben. Zwar kommt der FFH-rechtlichen Alternativenprüfung eine andere Funktion zu als der Alternativenprüfung, die sich im deutschen Planungsrecht herkömmlicherweise nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen richtet. Insbesondere kommt der Planfeststellungsbehörde im FFH-Recht kein irgendwie gearteter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 15. Mai 2005 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <262 f.>). Auch unter Berücksichtigung dieser Unterschiede erweisen sich die spezifisch fachplanerischen Aspekte der Alternativenprüfung im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss mit Blick auf das verfassungsrechtlich geschützte Selbstgestaltungsrecht der Klägerin jedenfalls insoweit als fehlerhaft, als auf eine Untersuchung der verkehrlichen Wirksamkeit der weiten südlichen Umfahrung Bad Segebergs und deren Vereinbarkeit mit FFH-Recht verzichtet und diese Variante bereits bei der Grobanalyse ausgeschieden wurde. Wegen dieser Defizite kann nicht abgeschätzt werden, welches Gewicht den weiteren öffentlichen Belangen, die gegen eine weite Südumfahrung und damit für die Vorzugstrasse angeführt wurden (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 224: Verlängerung der Gesamtstrecke verbunden mit längeren Fahrzeiten, höherem Flächenverbrauch und höheren Gesamtimmissionen; Zerschneidung verkehrsarmer Räume) letztlich bei einer Gesamtbetrachtung zukommt, zumal auch diese Belange nicht untersucht wurden. Daher kann auch nicht festgestellt werden, dass sich der Abwägungsfehler nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben kann (§ 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG).

30

Dies vorausgeschickt nimmt der Senat zur Begründung auf die nachfolgenden Ausführungen aus dem Urteil zum Verfahren BVerwG 9 A 14.12 vom heutigen Tage Bezug:

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat sich die Planfeststellungsbehörde abwägungsfehlerfrei gegen die Variante einer Stadtautobahn entschieden.

aa) Der Senat braucht nicht der zwischen den Beteiligten streitigen Frage nachzugehen, ob für die Variante einer Stadtautobahn eine zweite Travequerung erforderlich wäre und ob mit dieser zwingend die Inanspruchnahme des prioritären LRT *91E0 (Auenwälder) verbunden wäre. Denn der Planfeststellungsbeschluss hat entscheidungstragend auch auf die negativen städtebaulichen Auswirkungen auf die Stadt Bad Segeberg sowie auf verkehrliche Erwägungen abgestellt (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 226 und S. 413 f.). Der Senat hält diesen Teil der Abwägung für überzeugend begründet. Die beiden genannten Aspekte stellen - jedenfalls zusammen betrachtet - so gewichtige naturschutzexterne Gründe dar, dass sie einer Stadtautobahn selbst dann entgegenstehen, wenn - wovon die Kläger ausgehen - mit der Stadtautobahn eine Inanspruchnahme prioritärer Vorkommen gänzlich vermieden werden könnte.

bb) Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass mit einer Stadtautobahn gleich mehrere wichtige Teilziele, die mit dem Autobahnprojekt verfolgt werden, nicht - jedenfalls nicht vollständig - erreicht werden könnten. So könnte insbesondere die für eine Fernautobahn geforderte Verbindungsqualität bei einer Führung durch die Innenstadt von Bad Segeberg nicht eingehalten werden. Ursächlich hierfür sind einerseits die Überlagerung innerstädtischer Verkehrsfunktionen mit den Ansprüchen des Fernverkehrs und andererseits die Abstände zwischen den Anschlussstellen. Diese Abstände - im Mittel in Deutschland etwa alle 10 km - müssten auf 2 km reduziert werden. Im Übrigen müsste die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h festgelegt werden. Zugleich würde die angestrebte gleichbleibende Streckencharakteristik für die A 20, die in ihrer gesamten Streckenführung überwiegend außerhalb bebauter Gebiete verläuft, durchbrochen. Auch würde die Verkehrsstärke infolge verdrängten Stadtverkehrs sprunghaft ansteigen. Nicht erreichen ließe sich auch eine Entlastung der Ortsdurchfahrt von Bad Segeberg; diese würde im Gegenteil sogar zusätzlich belastet, weil auf den parallel zur A 20 verlaufenden Innerortsstrecken der Verkehr zunehmen würde (vgl. genauer Anhang I zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 9 ff. = "Fachbeitrag: Verkehr" von S. Consult aus Mai 2009; Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 30 f. = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12; Planfeststellungsbeschluss S. 375 ff. und S. 413).

Ob die Rechtsauffassung des Beklagten zutrifft, dass die vorgenannten Umstände die Variante einer Stadtautobahn bereits als ein "anderes Projekt" im Sinne der oben unter 3a) genannten Rechtsprechung erscheinen lassen (so Planfeststellungsbeschluss S. 399; ähnlich Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung, Juni 2009, S. 63 "keine Alternativen im Rechtssinne"), ist dennoch zweifelhaft, im Ergebnis aber unerheblich. Da das strikte Vermeidungsgebot des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nur durchbrochen werden darf, soweit dies mit dem Zweck der größtmöglichen Schonung der durch die FFH-Richtlinie geschützten Rechtsgüter vereinbar ist, bedarf es einer sorgfältigen Untersuchung im Einzelfall, welche Bedeutung einem Teilziel und seiner etwaigen Nichterreichung oder nicht vollständigen Erreichung nach der Planungskonzeption zukommen (Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166; vgl. auch Winter, NuR 2010, 601 <605>). Gegen die Bewertung als "anderes Projekt" spricht, dass eine Stadtautobahn, auch wenn sie nicht durchgehend sämtliche Entwurfs- und Betriebsmerkmale einer Fernautobahn aufweist, in das Netz der Fern- oder Überregionalautobahnen integriert sein kann (vgl. Richtlinien für die Anlage von Autobahnen, Ausgabe 2008, S. 16). Insoweit spricht einiges dafür, dass es sich bei den vom Beklagten herausgestellten Nachteilen der Stadtautobahnvariante lediglich um Abstriche von Planungszielen handelt, denen allerdings unter den hier gegebenen Umständen in der Gesamtabwägung ein erhebliches Gewicht zukommt.

Unter dieser Prämisse lässt sich als ein weiteres wesentliches Argument gegen die Stadtautobahn ins Feld führen, dass sie die Zerschneidungswirkung für die Stadt Bad Segeberg verfestigen würde, deren Südstadt schon jetzt durch die Ortsdurchfahrt der B 206 von der Altstadt getrennt wird. Aufgrund der erforderlichen Immissionsschutzbauwerke würde sich diese Zäsur noch deutlich verstärken. Die Lärmschutzwände müssten in der Ortslage von Bad Segeberg eine Höhe von durchgehend 4 m bzw. aufgrund der Überschreitung des Grenzwertes für PM10 sogar teilweise von 6 m haben (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 377 ff. unter Hinweis auf den im Linienbestimmungsverfahren erstellten Städtebaulichen Fachbeitrag von B.-P.-W. zur UVS aus dem Jahre 1999 sowie Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 78 f.). Hinzu kämen weitere negative städtebauliche Folgen. Durch die mit dem Ausbau der B 206 verbundenen Verkehrsverlagerungen würden Planungsziele des Bebauungsplans Nr. 69 der Stadt Bad Segeberg aus dem Jahr 2005 sowie das städtebauliche Entwicklungsziel einer Entlastung der Kurhausstraße konterkariert. Zudem würde sich die Luftschadstoffsituation verschlechtern, wodurch nach Einschätzung der Stadt Bad Segeberg Status und Entwicklungspotential des Luftkurortes und Heilbades in Frage gestellt würden; hiervon betroffen wären gerade auch schutzwürdige Nutzungen im Stadtgebiet wie Schulen und Wohngebäude. Von den im Falle einer Stadtautobahn sogar ansteigenden Verkehrsstärken in der Ortslage wäre vor allem die Wohnsiedlung Christiansfelde (mit über 31 000 Kfz/d) betroffen; dies ginge voraussichtlich mit einer Lärmpegelerhöhung nachts von rund 3 dB(A) einher. Zwar führt auch die Vorzugstrasse zur Neubelastung von Wohnbereichen von Klein Gladebrügge; diese Belastung beträfe aber mit 100 m gegenüber 1,2 km eine deutlich kürzere Strecke (vgl. genauer Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 24, 28 = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

cc) Die Kläger können dagegen nicht einwenden, die Planung stütze sich hinsichtlich der negativen städtebaulichen Folgen auf den Städtebaulichen Fachbeitrag zur UVS aus Mai 1999; diese Unterlage sei jedoch veraltet, genüge keinen wissenschaftlichen Anforderungen und sei sachlich weitgehend falsch. Die Planfeststellungsbehörde ist der Frage nachgegangen, ob sich an den Kernaussagen zur städtebaulichen Situation, insbesondere der dauerhaften Zerschneidungs- und Barrierewirkung für die Stadt Bad Segeberg und der Einschränkung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten, etwas geändert hat. Dies wurde mit nachvollziehbarer Begründung unter Auswertung neuerer Erkenntnisse verneint; der Planfeststellungsbeschluss kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die städtebaulichen Veränderungen seit der Linienbestimmung einer Stadtautobahn noch stärker entgegenstehen.

Eine aktuelle und nachvollziehbare Kostenaufstellung liegt entgegen der Auffassung der Kläger vor (vgl. Anhang VII zur FFH-Ausnahmeprüfung "Fachbeitrag: Aktualisierung der Baukosten" von S. Consult aus Mai 2009 sowie Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 31 ff. = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

Die Kläger können die Abwägungsentscheidung auch nicht erfolgreich mit dem Hinweis darauf angreifen, dass ein Rückbau der B 206 angesichts der in der Innenstadt verbleibenden Verkehrsmengen ausgeschlossen sei. Von einem sicheren Rückbau der B 206 geht der Planfeststellungsbeschluss schon nicht aus (vgl. nur S. 415: "realistische Chance", "möglicher Rückbau"). Zwar teilt der Senat die Bedenken der Kläger, dass selbst die angenommene Möglichkeit eines Rückbaus angesichts der prognostizierten Verkehrszahlen eher unrealistisch erscheint. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn die Frage des Rückbaus ändert im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung nichts an dem Gewicht der beschriebenen negativen Folgen der Stadtautobahn; demgegenüber liegt es auf der Hand, dass jede Trasse - so auch die Vorzugstrasse -, die zu einer nennenswerten Verkehrsentlastung in der Ortslage Bad Segebergs führt, schon angesichts der Reduzierung von Lärm und Schadstoffen mit Vorteilen für die städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden ist, und zwar unabhängig davon, ob dieser Vorteil tatsächlich gerade in dem Rückbau der innerstädtischen Haupt-Durchgangsstraße liegt.

dd) Schließlich führen auch die weiteren Argumente der Kläger zu keiner anderen Einschätzung. Den Vorschlag eines Kurztunnels von 30 m Länge mit jeweils anschließendem zweimal 200 m langem Trogbauwerk zwischen dem Knotenpunkt Bahnhofstraße/Burgfeldstraße und der Abfahrt "Am Landratspark" (vgl. hierzu Stellungnahme von R.Consult "Alternativen zur planfestgestellten Variante der A 20 und Variantenvergleich" aus Mai 2012 S. 12 ff., vorgelegt im Parallelverfahren BVerwG 9 A 9.12) hat der Beklagte mit nachvollziehbaren Erwägungen zurückgewiesen: Die Belastung der Wohngebiete mit Lärm und Schadstoffen würde im Zentrum von Bad Segeberg extrem ansteigen, da über die Kurztunnel-/Troglösung der gesamte innerstädtische Verkehr abgewickelt werden müsste. Zudem lägen die vorgesehenen Anschlussstellen der A 20 im Ortsbereich zu eng beieinander und stellten eine erhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit dar. Auch erschienen die von R.Consult angesetzten Troglängen und daran anknüpfend die Baukosten nicht plausibel, zudem würden keine Kosten für die erforderlichen Arbeiten an Versorgungsleitungen, die zwischen der Nord- und Südstadt von Bad Segeberg verlaufen und insofern einen infrastrukturellen Riegel bilden, sowie für Ausbaumaßnahmen im nachgelagerten Straßennetz veranschlagt. Auf die Varianten B und C aus dem Gutachten R.Consult kommt es nach dem Vorstehenden schon deshalb nicht an, weil diese nur den westlichen Anschluss an die problematische Stadtdurchfahrt betreffen. Hiervon ausgehend muss auch der Frage nicht weiter nachgegangen werden, ob eine Inanspruchnahme des bestehenden Kasernengeländes (Lettow-Vorbeck-Kaserne) in Betracht gekommen wäre.

c) Der Beklagte durfte aber eine weiter südliche Umfahrung von Bad Segeberg nicht im Wege einer Grobanalyse verwerfen.

Insoweit stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 224 und S. 353 f.) darauf ab, dass die Trasse im Falle einer weiträumigen Südumfahrung Bad Segebergs in einem weiten Bogen um das FFH-Gebiet DE 2127-333 "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und um den Neversdorfer See geführt werden müsste, um ohne Zerschneidung weiterer Natura 2000-Gebiete und ohne Versatz auf der A 21 weiter in Richtung Westen verlaufen zu können. Eine so weit südliche Trassenführung wäre verkehrlich aber nicht mehr sinnvoll; sie würde die Ost-West-Orientierung der A 20 für ein erhebliches Teilstück in eine Nord-Süd-Richtung verschwenken und zugleich die Gesamtstrecke erheblich verlängern. Alle denkbaren Varianten wären mit einem größeren Flächenverbrauch, einer Zerschneidung von verkehrsarmen Räumen und - wegen der erheblichen Streckenverlängerung - mit höheren Gesamtimmissionen verbunden. Dies widerspreche den selbständigen Planungszielen der Sicherung und Gewährleistung einer angemessenen Verbindungsqualität und der Minimierung von Fahrtzeit und Transportkosten. Auch könnten die selbständigen Planungsziele der Entlastung der B 206 westlich von Bad Segeberg und der Ortsdurchfahrt nicht mehr erreicht werden. Eine geradlinige Fortführung auf der sog. "Schwissellinie" über die A 21 hinweg scheide aufgrund des erheblichen Konfliktpotentials im Hinblick auf den Mözener See und das FFH-Gebiet "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" von vornherein aus.

Diese Begründung greift zu kurz. Insbesondere durchlaufende, d.h. einen Versatz vermeidende Trassenvarianten in dem Korridor zwischen einer derart weiträumigen Südumfahrung und der Plantrasse durften nicht von vornherein ausgeblendet werden. Der Umstand allein, dass eine in diesem Korridor verlaufende Trasse neben dem FFH-Gebiet "Travetal" ein weiteres FFH-Gebiet queren müsste, reicht nicht als Ausschlussgrund. Vielmehr hätte - wie sich aus der oben angegebenen Rechtsprechung zu den Differenzierungsmerkmalen des Art. 6 FFH-RL ergibt - näher untersucht werden müssen, ob die jeweilige Alternativtrasse, und zwar unter Einbeziehung von Schadensvermeidungsmaßnahmen, ebenso wie die Vorzugstrasse zwingend prioritäre Vorkommen in Anspruch nehmen müsste. Das liegt bei einer großräumigen Südumfahrung trotz der Querung eines weiteren FFH-Gebiets nicht ohne Weiteres auf der Hand. Denn das FFH-Gebiet "Travetal" könnte bei einem südlicheren Trassenverlauf möglicherweise an einer weniger empfindlichen Stelle gequert werden, so dass nicht - wie bei der jetzigen Vorzugstrasse - drei prioritäre LRT in einer besonders seltenen Kombination und Ausprägung (vgl. genauer hierzu Anhang V zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 6 ff.) beeinträchtigt werden müssten. Ebenso hätte näher untersucht werden müssen, ob die Querung des FFH-Gebiets "Leezener Au-Niederung und Hangwälder", zu dessen Erhaltungszielen der prioritäre LRT *91E0 (Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior) gehört, zwingend mit der Inanspruchnahme gerade dieses prioritären Vorkommens verbunden wäre oder ob auch insoweit ein schonenderer Trassenverlauf in Betracht käme.

Eine solche Untersuchung hat nicht stattgefunden. Im Rahmen der sog. "Voruntersuchung Streckenabschnitt 5" wurden zwischen November 1994 und April 1999 verschiedene Planungsunterlagen erarbeitet, darunter eine Umweltverträglichkeitsstudie, bestehend aus Raumempfindlichkeitsanalyse (UVS Teil I) und Variantenvergleich (UVS Teil II). Dabei war der Untersuchungsbereich beider Teile aufgrund eines vorangegangenen Scopings von vornherein deutlich eingegrenzt, d.h. südlichere Varianten als die sog. Schwissellinie schieden von vornherein aus. Selbst die Schwissel-Variante ist erst aufgrund einer nachträglichen Erweiterung des Untersuchungsraums hinzugenommen worden (vgl. Voruntersuchung UVS I S. 5 unten ).

Im Planfeststellungsverfahren hat der Vorhabenträger zwar, nachdem sich die erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" herausgestellt hatte, eine spezielle Abweichungsprüfung durchgeführt (vgl. Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 46 ff. sowie Anhang II zur FFH-Ausnahmeprüfung "Beurteilung der Alternativen aus Sicht der Belange von Natura 2000"). Hierbei hat er aber nur die bereits im Linienbestimmungsverfahren untersuchten Varianten nochmals näher betrachtet, also die Stadtautobahn (Variante 1), die sog. Schwissellinie (Variante 3), die aber einen verkehrstechnisch von vornherein ungünstigen Versatz auf der A 21 aufweist, sowie eine Untervariante (2.2) der Vorzugstrasse, die sich von der Vorzugslinie (Untervariante 2.1) vor allem dadurch unterscheidet, dass die Querung der Trave etwa 230 m südlich liegt und die Hangbereiche der Trave schräg und nicht rechtwinklig gequert werden. Hinsichtlich der weiträumigen südlichen Varianten enthält die spezielle Alternativenprüfung lediglich einen knappen Hinweis darauf, dass die Trasse nach Süden hin in einem weiten Bogen um das FFH-Gebiet "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und um den Bebensee (gemeint ist offenbar der Neversdorfer See in der Gemeinde Bebensee) geführt werden müsste. Da die Niederung der Leezener Au von Hangwäldern umrahmt werde und auf dem Talgrund stellenweise Übergangsmoore (LRT 7140) sowie quellige Feuchtgrünländer ausgebildet seien, sei eine Querung der Niederung der Leezener Au - zusätzlich zur ohnehin notwendigen Querung des Travetals - als kritisch zu bewerten (Anhang II zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 6).

Die genauere Untersuchung anderer südlicher Trassenvarianten war auch nicht deshalb von vornherein entbehrlich, weil naturschutzexterne, insbesondere verkehrstechnische Gegenargumente ohne Weiteres den Vorzug verdienten. Der pauschale Hinweis darauf, dass die verkehrliche Entlastung Bad Segebergs umso geringer ausfällt, je weiter von der Plantrasse nach Süden abgewichen wird, genügt nicht. Er verkennt zum einen, dass auch eine durchgehende südlichere Trasse den Fernverkehr in Ost-West-Richtung aufnehmen und einer Entlastung von Wahlstedt und Fahrenkrug über den bestehenden Anschluss an die A 21 herbeiführen würde. Zum anderen wird übersehen, dass nach den bisher vorliegenden Untersuchungen auch die Vorzugstrasse aufgrund des starken Quell- und Zielverkehrs in Bad Segeberg nur eine relativ geringe Entlastung der Ortslage bewirkt.

Je nach dem Ergebnis der danach erforderlichen naturschutzfachlichen und verkehrlichen Untersuchung einer weiträumigen Südumfahrung wird sich herausstellen, ob es weiterhin sinnvoll erscheint, die Trasse - wie bislang geplant - westlich der A 21-Querung an der "Gelenkstelle Wittenborn" auf die B 206 zurückzuführen. Zwar ist den Klägern zuzugestehen, dass dieser Gelenkpunkt vor dem Hintergrund der geänderten Trassierung (nicht mehr entlang der B 206 durch den Segeberger Forst) nicht mehr zwingend erscheint. Dennoch mag ein Festhalten an dem Gelenkpunkt plausibel sein, um die angestrebten Entlastungswirkungen im Zentrum sowie im Westen von Bad Segeberg bestmöglich zu erreichen. Dass die mit einer Straßenplanung verfolgten Teilziele auch regionale und lokale Ziele einschließen dürfen, ergibt sich aus der o.g. Rechtsprechung. Daher darf sich der Beklagte im Grundsatz auch auf die stark auf Bad Segeberg zugeschnittenen Teilziele, also die Entlastung der Ortsdurchfahrt, die Entlastung der B 206 westlich von Bad Segeberg, die verbesserte Verkehrsanbindung Bad Segebergs an Lübeck und Kiel und die Verknüpfung mit dem nachgeordneten Straßennetz von Bad Segeberg berufen, ohne dass ihm der von den Klägern erhobene Vorwurf einer "unionsrechtswidrigen Verengung der Planungsziele" gemacht werden kann. Gerade die Entlastung des Großraums Bad Segeberg, insbesondere der Ortsdurchfahrt, gehörte bereits in der "Voruntersuchung zum Streckenabschnitt 5" seit Mitte der 90er Jahre zu den beabsichtigten Zielen (vgl. Allgemeinverständliche Zusammenfassung gemäß § 6 UVPG S. 4 f. und UVS I S. 33), die mit der jetzigen Planung weiterverfolgt werden sollen. Ob die genannten Ziele sowie insbesondere das übergeordnete Planungsziel einer Trassenbündelung zur Vermeidung der Zerschneidung bislang unzerschnittener Räume die bisherige Plantrasse rechtfertigen können, kann allerdings abschließend erst auf einer vollständigen Tatsachengrundlage entschieden werden.

31

Aus dem Vorstehenden folgt, dass - neben der Stadtautobahn - auch die Variante 3 - die sog. Schwissellinie - mit dem verkehrstechnisch von vornherein ungünstigen Versatz auf der A 21 abwägungsfehlerfrei verworfen werden durfte. Sofern die Klägerin in diesem Zusammenhang erstmals im Klageverfahren auf eine ohnehin abgängige Travebrücke (bei Herrenmühle) verweist, kann offen bleiben, ob ihr Vorbringen präkludiert ist; denn der Beklagte hat auf den neuen Vortrag umfassend und überzeugend erwidert (vgl. Klageerwiderung S. 13 f.). Danach ist in jedem Fall ein Ersatzbauwerk für die Herrenmühlenbrücke zur Aufnahme des landwirtschaftlichen Verkehrs erforderlich. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

32

cc) Abgesehen von der - nach derzeitigem Planungsstand - abwägungsfehlerhaft begründeten Trassenwahl verletzt die planerische Entscheidung für die Errichtung und nähere Ausgestaltung des umstrittenen Brückenbauwerks BW 5.12 "Gieselteich" nicht das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin. Die Planfeststellungsbehörde hat die verschiedenen mit dem Brückenbauwerk für die Klägerin einhergehenden Beeinträchtigungen gesehen (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 367, 425, 500, 698), diesen angesichts der Vorzüge der ortsnahen Südumfahrung von Bad Segeberg einerseits (vgl. S. 381 f., 428) und der Vorbelastung des Ortsbildes andererseits (vgl. S. 283, 367) aber nicht den Vorrang eingeräumt (S. 366 ff., 393 f.). All dies lässt einen Abwägungsfehler nicht erkennen.

33

Ebenfalls nicht abwägungsfehlerhaft ist die Entscheidung für die Ausgestaltung des Brückenbauwerks BW 5.12 "Gieselteich" in Hochlage und gegen eine Gradientenführung in Einschnittslage mit Trogbauwerk (sog. Tieflage). Auch insoweit hat die Planung die widerstreitenden Interessen einschließlich der klägerischen Belange sorgfältig abgewogen (vgl. zum Folgenden genauer Planfeststellungsbeschluss S. 357 f. sowie Erläuterungsbericht S. 67 f.). Dabei sprach für die gewählte Lösung einer Hochlage bereits nach dem Gradientenvergleich im Rahmen der Linienbestimmung vor allem die gewünschte Freihaltung des nördlichen Gieselteichufers, die Aufrechterhaltung der Grundwasserverhältnisse auch während der Bauzeit sowie der Umstand, dass die L 83 und die Bahnstrecke Bad Oldesloe - Neumünster im Bestand unverändert bleiben können. Demgegenüber schien bei der Tieflage der Gradiente eine Beeinträchtigung der Wasserführung des Gieselteichs möglich (Anschnitt und bauzeitliche Veränderung wasserführender Schichten); auch hätte der gesetzlich geschützte Ufergehölzsaum überbaut werden müssen. Die Bahnstrecke Bad Oldesloe - Neumünster hätte zwar nicht in ihrer Höhe verändert werden müssen, zur Herstellung des Troges wäre jedoch eine Behelfsbrücke für die Bauzeit erforderlich gewesen. Die L 83 schließlich hätte zur Querung des Troges mit den seitlichen Stützwänden in ihrer Höhe angehoben werden und beidseitig des Troges wieder an den Bestand angepasst werden müssen. Mit der deutlich geringeren Flächeninanspruchnahme in der Hochlage ist zudem ein geringerer Ausgleichsbedarf für Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden. Zudem stellt die Hochlage die kostengünstigere Variante dar (Kostenvorteil von 6 Mio. €, vgl. Erläuterungsbericht S. 37).

34

Demgegenüber hat die Planfeststellungsbehörde die Interessen der Klägerin geringer bewertet. Dabei stützt sie sich auch darauf, dass das bereits in der Linienbestimmung gefundene Ergebnis im Zuge der Entwurfsbearbeitung durch einen umweltfachlichen Gradientenvergleich für eine Hochlage und eine Tieflage mit 411 m langem Trogbauwerk bestätigt wurde. Diese vergleichende Gegenüberstellung (vgl. "Teilvariantenvergleich Gieselteich", September 2005 S. 651 ff.) ergab deutliche Nachteile der Tieflage hinsichtlich der abiotischen Faktoren und tendenzielle Nachteile hinsichtlich einer Beeinträchtigung von Wert- und Funktionselementen mit besonderer Bedeutung. Die ermittelten Sichtbereiche des Vorhabens ergäben keine vergleichsrelevanten Unterschiede: Aufgrund gleicher Gradientenlage sei bis km 8+700 von einer ähnlichen Beeinträchtigung auszugehen. Während die für die Tieflage ermittelten Sichtbereiche im Bereich Gieselteich und dem Wohnumfeld östlich von Klein Gladebrügge eine geringere Fläche als die für die Hochlage ermittelten einnähmen, führe eine relativ weiter in den Außenraum strahlende Wirkung der Tieflage östlich der Bahnstrecke zu vergleichsweise umfangreicheren Sichtbereichen. Auslöser hierfür sei die mit der Tieflage zwingend verbundene weiter in die Landschaft ragende Anlage eines Regenrückhaltebeckens, das nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung bei einer tieferen Wasserführung verschoben werden müsste, sowie die Führung der K 7, die bei einer Troglage durch eine Brücke überführt werden müsste. Der Umfang aktiver Schallschutzmaßnahmen stelle sich für die Tieflage deutlich geringer dar, da bereits die Trogwände zur Lärmabschirmung beitrügen. Bei der Hochlage sei jedoch zu beachten, dass das Gelände am Gieselteich in seiner jetzigen Gestalt und Funktion nicht verändert werde, während es bei der Tieflage durch die umfangreichen Abgrabungen irreversibel verändert werde. Insgesamt lasse die qualitative Unterschiedlichkeit der Beeinträchtigungen von Hoch- und Tieflage hinsichtlich einer technischen Überprägung des Landschaftsbildes keine eindeutige Präferenzbildung zu. Auch diese Erwägungen lassen Abwägungsfehler nicht erkennen.

35

dd) Schließlich wird auch die Lage der Anschlussstelle Bad Segeberg A 20/K 7 (BW 5.13), durch die der gesamte überörtliche Verkehr aus und nach Bad Segeberg geführt werden soll, um so die Ortsdurchfahrt der B 206 zu entlasten, nachvollziehbar erklärt (Planfeststellungsbeschluss S. 492 f.). Eine Verlegung der gesamten Anschlussstelle Ost in Richtung Süden wäre aus Gründen der angrenzenden Bahnstrecke Neumünster - Bad Oldesloe nur mit hohen finanziellen Aufwendungen möglich. Außerdem müsste dafür die A 20 mit verschwenkt werden, was mit erheblichen zusätzlichen Verlusten von Wohnbebauung und somit Eingriffen in das Eigentum verbunden wäre. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung ebenfalls stand.

36

Soweit die Klägerin rügt, dass die Verschiebung der Anschlussstelle nach Nordwesten an die Bahnlinie in Richtung Christiansfelde nicht mitbetrachtet worden sei, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, dass diese erst im Zuge der späteren Entwurfsplanung vorgenommen wurde. Dementsprechend wurde die verlegte Anschlussstelle bei dem späteren "Teilvariantenvergleich Gieselteich" im September 2005, dem eine konkretisierte Entwurfsplanung zugrunde lag, mitbetrachtet. Das ergibt sich aus dem dort (vgl. S. 640) genannten Gradientenende, das mit Bau-km 10+260 angegeben wird; das ist der Bereich der fraglichen Anschlussstelle. Zudem wurde ein "Vergleich von Anschlusssystemen zur Anbindung der K 7 am Knotenpunkt Segeberg-Ost" als weiterer Teilvariantenvergleich durchgeführt. Die Kritik der Klägerin ist angesichts dessen nicht zutreffend.

37

b) Der aufgezeigte Fehler bei der Alternativenprüfung nötigt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Es genügt, seine Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit festzustellen (vgl. zur Fehlerfolgenregelung § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Der Fehler ist nicht von solcher Art, dass die Planung von vornherein als Ganzes in Frage gestellt erscheint. Vielmehr besteht die konkrete Möglichkeit, dass die erforderlichen zusätzlichen Ermittlungen und Bewertungen in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin zu 1 zu 2/3 sowie die Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 3 zu je 1/6.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45 000 € festgesetzt, hiervon entfallen

auf die Antragstellerin zu 1  30 000 €

auf die Antragstellerin zu 2  7 500 €

und den Antragsteller zu 3  7 500 €.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren Eilrechtsschutz gegen einen Planfeststellungsbeschluss zum Bau einer Teilstrecke der Höchstspannungsleitung Hamburg/Nord - Dollern.

2

Mit Beschluss vom 19. April 2013 stellte die Antragsgegnerin den Plan für den Neubau einer 380 kV-Freileitung zwischen dem Umspannwerk Hamburg/Nord und der 380 kV-Freileitung Dollern-Wilster Nr. 307 mit gleichzeitigem Rückbau einer bestehenden 220 kV-Freileitung fest. Die Ausführung erfolgt überwiegend mit Zweiebenenmasten mit Donaumastgestänge mit einer durchschnittlichen Höhe von 54 m, die einen Schutzstreifen von etwa 50 m in Anspruch nehmen.

3

Die Trasse verläuft auf dem Gebiet der Antragstellerin zu 1, einer kreisangehörigen Gemeinde, auf der Trasse der zwischen 1960 und 1962 errichteten 220 kV-Freileitung. Zwischen den Masten 4 und 6 - auf einer Strecke von rund 650 m - verläuft die Trasse entlang einer im Flächennutzungsplan der Antragstellerin zu 1 als Gewerbegebiet ausgewiesenen Fläche. Da die Masten 5 und 6 als Einebenenmasten errichtet werden, wird der Schutzstreifen dort auf 60 m verbreitert. Beginnend zwischen Mast 16 und 17 und endend zwischen Mast 20 und 21 soll die Trasse auf etwa 1 500 m Länge am südlichen Siedlungsrand der Antragstellerin zu 1 vorbeigeführt werden; dabei nähert sich die Trasse, gemessen von ihrer Mitte, von 80 m bis auf rund 30 m an den Siedlungsrand an. In diesem Bereich befinden sich die Grundstücke der Antragsteller zu 2 und 3. Der Mast 20 wird auf einem Grundstück im Eigentum der Antragstellerin zu 1 errichtet. Der hier überspannte Sportplatz gehört zu einer Schule, deren Trägerin die Antragstellerin zu 1 ist. Westlich von Mast 22 bis zur T. Straße verläuft die Trasse auf einer Länge von etwa 320 m in einer Entfernung von weniger als 100 m entlang einer im Flächennutzungsplan der Antragstellerin zu 1 für das Wohnen ausgewiesenen, derzeit unbebauten Fläche.

4

Die Antragstellerin zu 2 ist Miteigentümerin eines seit 1928 mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks (Gemarkung …, Flur 31, Flurstück 43/6), das mit einer vertraglich begründeten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Errichtung und Unterhaltung elektrischer Anlagen zu Gunsten einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen belastet ist und von der Bestandstrasse überspannt wird. Auch die planfestgestellte 380 kV-Leitung überspannt das Grundstück. Das Wohnhaus befindet sich etwa 30 m von der Trassenmitte entfernt. Für den Fall eines Betriebes beider Stromkreise mit einem Betriebsstrom von 4 000 A wird als Immission auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 2 auf 1 m EOK ein Feld mit einer elektrischen Feldstärke von 0,625 kV/m und ein Feld mit einer magnetischen Flussdichte von 4,96 µT berechnet.

5

Der Antragsteller zu 3, Träger eines Herzschrittmachers, ist Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung …, Flur 31, Flurstück 43/5. Das Wohnhaus befindet sich in einer Entfernung von etwa 51,1 m zur Trassenmitte. Eigentumsrechte werden für die Trasse nicht in Anspruch genommen. Bei einem Betriebsstrom von 3 600 A wird auf dem Grundstück auf 1 m EOK ein elektrisches Feld von 0,210 kV/m und ein magnetisches Feld von 2,31 µT erzeugt.

6

Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobenen Klage. Sie halten die vom Verordnungsgeber gesetzten Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung für wissenschaftlich überholt und niedrigere Grenzwerte für geboten. Aspekte der Gesundheitsvorsorge bei einer Belastung unterhalb dieser Grenzwerte lasse der Planfeststellungsbeschluss unbeachtet; dies gelte insbesondere für den Antragsteller zu 3 als Träger eines Herzschrittmachers. Die Ablehnung einer Erdverkabelung sowie einer Verschwenkung der Trasse im südlichen Siedlungsbereich der Antragstellerin zu 1 sei abwägungsfehlerhaft, was sowohl für den rechtlichen Maßstab als auch für Einzelfragen gelte. Sie bemängeln, dass weder die Umweltverträglichkeitsprüfung noch der Planfeststellungsbeschluss das Zusammenwirken mit anderen elektromagnetischen Feldern betrachten, insbesondere im Hinblick auf einen in der Nähe von Mast 18 stehenden Mobilfunkmast.

7

Der Antragsgegner und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen und verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

II.

8

Der Antrag ist zulässig (A.), aber unbegründet (B.).

9

A. 1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache zuständig nach § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das planfestgestellte Vorhaben ist Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Kassø (DK) - Hamburg Nord - Dollern mit einer Nennspannung von 380 kV und damit in den Bedarfsplan nach § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage aufgenommen.

10

Die Zuweisung der erstinstanzlichen Zuständigkeit an das Bundesverwaltungsgericht ist verfassungsgemäß. Dies hat der 7. Senat für andere Vorhaben nach dem Bedarfsplan des EnLAG angenommen (Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - BVerwG 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 4, vom 24. Mai 2012 - BVerwG 7 VR 4.12 - ZUR 2012, 499 = juris Rn. 6 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 = juris Rn. 6) und gilt auch für das planfestgestellte Vorhaben.

11

Aus Art. 92, 95 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht als oberster Gerichtshof des Bundes grundsätzlich als Rechtsmittelgericht errichtet werden muss. Der Gesetzgeber kann ihm aus sachlich einleuchtenden Gründen ausnahmsweise auch erstinstanzliche Zuständigkeiten übertragen (BVerfG, Entscheidung vom 10. Juni 1958 - 2 BvF 1/56 - BVerfGE 8, 174 <177> und Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <410>; BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 <93 f.>). Allerdings rechtfertigt nicht jeder beliebige Grund eine solche Zuständigkeitsbestimmung. Zugewiesen werden dürfen nur Streitigkeiten, bei denen ein gesamtstaatliches oder bundesstaatliches Interesse an einer raschen (rechtskräftigen) Entscheidung besteht. Ferner muss eine solche Zuständigkeitsbestimmung die Ausnahme bleiben. Die Zuweisungen dürfen quantitativ und qualitativ nach ihrem Anteil an der gesamten Geschäftslast des Gerichts keine solche Größenordnung erreichen, dass nicht mehr von einer ausnahmsweisen Zuständigkeit gesprochen werden kann. Ferner müssen auch den Gerichten der Länder in wesentlichen Rechtsmaterien, insbesondere mit raumbedeutsamem Inhalt, substanzielle Zuständigkeiten verbleiben. Dem Gesetzgeber steht bei dieser Entscheidung ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Weist er Rechtsstreitigkeiten über bestimmte, im Einzelnen aufgelistete Infrastrukturvorhaben einem obersten Gerichtshof zu, muss jedes Einzelprojekt den genannten Anforderungen genügen (Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 30 ff.).

12

Das planfestgestellte Vorhaben soll dazu beitragen, die Sicherheit der Versorgung mit Energie in Deutschland langfristig zu gewährleisten. Nach Einschätzung des Gesetzgebers würden ohne die Trasse Hamburg/Nord - Dollern bei Ausfall des 220 kV-Stromkreises Hamburg/Nord-Stade oder bei Ausfall eines 380 kV-Stromkreises Hamburg/Nord - Hamburg/Ost die jeweils parallel laufenden Stromkreise überlastet (BTDrucks 16/10491 S. 10). Diese Einschätzung stützt sich auf die Studie der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) "Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020" vom 24. Februar 2005 (dena-Netzstudie I), die den Ausbau einer 380 kV-Leitung Hamburg/Nord - Dollern bis zum Jahr 2010 für erforderlich hielt (S. 118), sowie auf die Entscheidung Nr. 1364/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze und zur Aufhebung der Entscheidung 96/391/EG und der Entscheidung 1229/2003/EG (ABl L 262/1). Diese bestimmt die Verbindungsleitung Kassø (DK) - Hamburg/Dollern zu einem Vorhaben von europäischem Interesse, das nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG zügig durchgeführt werden soll (vgl. BTDrucks 17/11871 S. 1). Dies sind sachliche Gründe, welche die erstinstanzliche Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht tragen können (so auch die Einschätzung der Bundesregierung, BTDrucks 16/10491 S. 23). Der Gesetzgeber durfte die erstinstanzliche Zuständigkeit mit der Erwartung verbinden, dass gerichtliche Verfahren bei der Beschränkung auf eine Instanz schneller abgeschlossen werden können. Diese Erwartung hat sich bisher nicht als offensichtlich fehlerhaft erwiesen, auch wenn es kritische Stimmen geben mag.

13

Die Zuweisung wahrt die gebotenen quantitativen und qualitativen Grenzen. Zum Stichtag am 31. Juli 2013 machten - ohne Berücksichtigung der Disziplinarsachen, der Wehrbeschwerde- und Wehrdisziplinarsachen - sämtliche erstinstanzliche Verfahren 9,5 % des Gesamtbestandes der beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren aus, darunter Streitigkeiten nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO 5,6 % des Gesamtbestandes und Verfahren nach § 5 Abs. 1 VerkPBG 1,8 %. Auch unter Berücksichtigung des häufig umfangreichen Streitstoffs und der besonderen Komplexität der Verfahren hat das Gericht schon einen quantitativ höheren Anteil erstinstanzlicher Verfahren nicht beanstandet (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 39 auf der Grundlage der Zahlen zum 30. Juni 2008). Hieran ist festzuhalten ebenso wie an der Einschätzung, dass den Gerichten der Länder im Recht der raumbedeutsamen Infrastrukturvorhaben und speziell im Bereich der Energieleitungen nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 VwGO noch hinreichend substanzielle Zuständigkeiten verbleiben.

14

Die mit der Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht verbundene Verkürzung des Rechtswegs auf eine Instanz verstößt ferner nicht gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Grundrechtsbestimmung garantiert den Zugang zum Gericht, gewährt aber ebenso wenig einen Instanzenzug wie das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <291> und vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 u.a. - BVerfGE 87, 48 <61> sowie Urteil vom 4. Juli 1995 a.a.O.).

15

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist statthaft. Denn die fristgerechte Anfechtungsklage zum Aktenzeichen BVerwG 4 A 3.13 hat nach § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG keine aufschiebende Wirkung.

16

3. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sind die Antragsteller auch entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.

17

a) Die Antragstellerin zu 1 ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen Masten errichtet oder die vom Schutzstreifen des Vorhabens erfasst werden, so etwa die für Mast 20 vorgesehenen Grundstücke Gemarkung …, Flur 32, Flurstücke 8 und 11/1. Auch wenn die Antragstellerin zu 1 als kommunale Gebietskörperschaft nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 ff.>), kann sie dennoch wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die Inanspruchnahme der Grundstücke verletze das Gebot der gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> und Beschluss vom 13. März 1995 - BVerwG 11 VR 2.95 - Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 3). Die Beigeladene hält dem zwar entgegen, das Eigentum der Antragstellerin zu 1 sei schon durch die bestehende Trasse beschränkt. Es fehlt indes an Vortrag, welche zivilrechtlichen Positionen die Beigeladene berechtigen könnten, Eigentum der Antragstellerin zu 1 für das Vorhaben in Anspruch zu nehmen. Hiervon unabhängig verfehlt der Hinweis auf bestehende Beschränkungen den Gegenstand der Planfeststellung, die auf ein neues Gesamtvorhaben, nämlich die Errichtung einer 380 kV-Freileitung bei gleichzeitigem Rückbau der bestehenden 220 kV-Freileitung zielt. Der Antragstellerin zu 1 steht eine Antragsbefugnis zu, um den rechtlich eigenständigen Zugriff auf ihre Grundstücke durch die angegriffene Planfeststellung abzuwehren. Sie mag dies mit der Aussicht verbinden, dass bei einer veränderten Planung möglicherweise bestehende Belastungen ihres Eigentums entfallen.

18

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1 folgt ferner aus ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG), deren Verletzung nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

19

b) Die Antragsteller zu 2 und 3 sind antragsbefugt. Die Antragstellerin zu 2 ist durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses unmittelbar in ihrem Grundeigentum betroffen. Darüber hinaus kann sie ebenso wie der Antragsteller zu 3 Mängel bei der Abwägung ihrer eigenen Belange rügen (Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66>, vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <221> und vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 7 A 7.09 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 69 Rn. 18). Allerdings bleiben die auf den Grundstücken der Antragsteller erwarteten Immissionen unterhalb der Grenzwerte der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <1996>) in der Fassung vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966). Dies stellt die Antragsbefugnis aber nicht in Frage. Denn die Antragsteller greifen diese Grenzwerte als überholt an und verlangen darüber hinaus die Berücksichtigung von Immissionen unterhalb dieser Grenzwerte in der Abwägung. Davon, dass die Immissionsbefürchtungen der Antragsteller ein jenseits der Schwelle praktischer Vernunft (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2008 - 1 BvR 2456/06 - BVerfGK 14, 402 <407 f.>; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 - BVerwG 4 CN 3.11 - BVerwGE 143, 24 Rn. 26) angesiedeltes, nicht mehr quantifizierbares Restrisiko darstellten, das jeder Bürger als sozial adäquate Last zu tragen hat, geht der Senat bei summarischer Prüfung nicht aus.

20

4. Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Bei Erfolg des Eilantrags wären die Grundstücke der Antragsteller für die Dauer des Klageverfahrens weiterhin nur der Immissionsbelastung durch die bestehende 220 kV-Freileitung ausgesetzt, die etwa um den Faktor 4 geringer ist als die Immissionsbelastung durch das planfestgestellte Vorhaben.

21

B. Der Antrag ist unbegründet, weil die Interessen der Antragsteller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gegenüber dem öffentlichen Interesse an der gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses (§ 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG) nicht überwiegen. Denn nach summarischer Prüfung wird die Klage der Antragsteller aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, soweit sie die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und hilfsweise die Feststellung anstreben, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

22

1. Die Einwendungen der Antragsteller sind jedenfalls zum weit überwiegenden Teil nicht präkludiert (a). Sie können im Klageverfahren eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses in unterschiedlichem Umfang verlangen, jedenfalls der Antragstellerin zu 2 steht aber ein Anspruch auf Vollüberprüfung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses zur Seite (b).

23

a) Anders als die Beigeladene meint, sind weder die Antragstellerin zu 1 mit ihren Einwendungen bezogen auf das geplante Gewerbegebiet F. Straße/N. im Bereich der Masten 4 bis 6 noch die Antragsteller zu 2 und 3 mit ihren Einwendungen betreffend die Gesundheitsvorsorge präkludiert.

24

Entsprechend § 43a EnWG i.V.m. § 140 Abs. 3 Satz 1 LVwG SH lagen die Unterlagen in der Zeit vom 25. Mai 2009 bis einschließlich 25. Juni 2009 aus, so dass die vierwöchige Einwendungsfrist nach § 43a EnWG i.V.m. § 140 Abs. 4 Satz 1 LVwG SH am 23. Juli 2009 endete. Der hieran anknüpfende Einwendungsausschluss nach § 43a EnWG i.V.m. § 140 Abs. 4 Satz 3 LVwG SH, über den ordnungsgemäß belehrt worden ist, gilt auch für das gerichtliche Verfahren (Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343> und vom 30. Mai 2012 - BVerwG 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 16). Diese Regelung ist nach der bisherigen Rechtsprechung der Planungssenate des Bundesverwaltungsgerichts auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar (Urteile vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 107 und vom 29. September 2011 - BVerwG 7 C 21.09 - Buchholz 406.254 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Nr. 4; Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - Buchholz 406.254 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Nr. 1). Dabei muss die Einwendung als sachliches Gegenvorbringen so konkret sein, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Hinsicht sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll. Der Einwender muss daher zumindest in groben Zügen darlegen, welches Schutzgut er als gefährdet ansieht und welche Beeinträchtigungen er befürchtet, ohne dies allerdings begründen zu müssen (Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 14.10 - NVwZ 2012, 180 Rn. 17). Die Antragstellerin zu 1 machte in ihrem Einwendungsschreiben vom 14. Juli 2009 hinreichend deutlich, dass sie eine breitere Überspannung des geplanten Gewerbegebietes kritisch sah. Dies war für die Antragsgegnerin erkennbar, ungeachtet der hierzu im Widerspruch stehenden Aussage, die Trassenführung sei insoweit "grundsätzlich unbedenklich". Die Antragsteller zu 2 und 3 verlangten hinreichend deutlich eine Vorsorge gegenüber Immissionen durch elektromagnetische Felder, indem sie eine Reduzierung der Immissionsbelastung auch unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) forderten.

25

Nach nationalem Recht sind die Antragsteller mit der Einwendung ausgeschlossen, die Gefahren durch Blitzschlag seien nicht hinreichend beachtet. Solche Gefahren rügten sie in ihren Einwendungsschreiben im Juli 2009 nicht. Die Antragstellerin zu 2 erhob diese Einwendung erstmals mit Schreiben vom 24. März 2012. Die Einwendung war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschlossen, ungeachtet der laufenden Einwendungsfrist für die 1. Planänderung. Denn bei einer Planänderung bleibt es hinsichtlich der von der Änderung nicht berührten Teile des Plans bei der einmal eingetretenen Präklusion (Beschluss vom 23. Juni 2009 - BVerwG 9 VR 1.09 - NVwZ-RR 2009, 753 Rn. 6). Hiervon unabhängig spricht aber auch in der Sache nichts dafür, dass dieser Gesichtspunkt zum Erfolg des Hauptantrages oder des ersten Hilfsantrages der Klage führen wird (s.u.).

26

b) Die Antragstellerin zu 1 ist als von der Fachplanung betroffene Gemeinde auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch die Planfeststellung in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> und Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 = juris Rn. 10). Die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu Lasten der Antragstellerin zu 1 führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses, da die Antragstellerin zu 1 nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 ff.>).

27

Die Antragstellerin zu 2 wird nach § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EnWG mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung von dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss betroffen und kann daher dessen Überprüfung auch anhand solcher Normen verlangen, die ihr keine subjektiven Rechte gewähren. Denn sie braucht eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nur hinzunehmen, wenn diese dem Wohl der Allgemeinheit dient. Die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses oder die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit scheidet allerdings nach nationalem Recht aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für ihre Eigentumsbetroffenheit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist (Urteile vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24, vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 23 f. und vom 14. November 2012 - BVerwG 9 C 14.11 - NVwZ 2013, 803 Rn. 10). Dem so skizzierten Vollüberprüfungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass das Grundstück der Antragstellerin zu 2 bereits mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Errichtung und Unterhaltung elektrischer Anlagen zu Gunsten einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen belastet ist. Denn der hier angegriffene Planfeststellungsbeschluss hat ein neues von der bisherigen Energieleitung unabhängiges Vorhaben zum Gegenstand und greift deshalb unabhängig von der bestehenden Dienstbarkeit mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung auf das Grundstück der Antragstellerin zu 2 zu. Dies gilt umso mehr, als die Planfeststellung auch den Rückbau der Bestandstrasse umfasst. Allein der Rückbau führt zum Erlöschen der bestehenden Dienstbarkeit, weil das mit ihrer Bestellung verfolgte Interesse endgültig entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2009 - V ZR 139/08 - MittBayNotK 2009, 374). Dies erkennt auch der Planfeststellungsbeschluss, welcher der Beigeladenen auferlegt, die Löschung von Zugriffsrechten für die zurückgebaute Freileitung unmittelbar nach Abschluss der Rückbauarbeiten auf ihre Kosten zu beantragen (Abschnitt 2.1.1., Auflage Nr. 16).

28

Dem Antragsteller zu 3 steht kein Vollüberprüfungsanspruch zur Seite. Sein Grundstück wird nicht mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung in Anspruch genommen. Dies bedarf indes keiner Vertiefung, weil selbst die Antragstellerin zu 2 mit ihrem weiter gehenden Überprüfungsanspruch mit dem Haupt- und ersten Hilfsantrag ihrer Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.

29

2. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Kassø (DK) - Hamburg Nord - Dollern mit einer Nennspannung von 380 kV und Teil eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 EnLAG. Es entspricht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf stehen damit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG mit verbindlicher Wirkung für die Planfeststellung nach Satz 3 und für das gerichtliche Verfahren fest (Beschluss vom 24. Mai 2012 - BVerwG 7 VR 4.12 - ZUR 2012, 499 = juris Rn. 21 und Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43 und vom 3. Mai 2013 - BVerwG 9 A 16.12 - NVwZ 2013, 1209 Rn. 17 f. ). Auf die von den Antragstellern gegen § 1 Abs. 2 EnLAG angeführten verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken kommt es insoweit nicht an, weil die Beteiligten über die Planrechtfertigung nicht streiten. Der Planfeststellungsbeschluss hat ihr Vorliegen im Einzelnen begründet (PFB S. 93 ff.), auch die Antragsteller erkennen den Bedarf für den Bau der Trasse zur Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien an.

30

3. Maßgeblich für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass (Urteil vom 1. April 2004 - BVerwG 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283>), soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 52). Hinsichtlich der Immissionen kommt es daher auf die 26. BImSchV in der Fassung vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) an, während die Änderungen durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren vom 14. August 2013 (BGBl I S. 3259) außer Betracht bleiben. Die Grenzwerte nach der 26. BImSchV (1996) wahrt das Vorhaben (a). Diese Grenzwerte sind rechtlich nicht zu beanstanden (b).

31

a) Die planfestgestellte Höchstspannungsleitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem BImSchG. Da sie keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Gestützt auf § 23 Abs. 1 BImSchG konkretisiert die 26. BImSchV (1996) diese Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 26. BImSchV <1996>).

32

Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) i.V.m. Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Effektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwecke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in diesen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte diesen Anforderungen zu entsprechen. Die damit festgelegten Grenzwerte unterschreitet das Vorhaben bei Weitem.

33

b) Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 25 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 = juris Rn. 20). Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann nicht festgestellt werden.

34

Der Verordnungsgeber verfügt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202> und vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - BVerfGK 10, 208 = juris Rn. 18).

35

Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) verhindern wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 26. BImSchV). Er beruft sich dabei auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Commission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) (veröffentlicht in: Health Physics 99<6>: 818). Auch die von den Antragstellern vorgelegte Studie Dehos/Grosche/Pophof/Jung, Gesundheitliche Risiken durch die niederfrequenten Felder der Stromversorgung - Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und offene Fragen -, UMID1 2013, 47 ff. hält diese Werte für akute Beeinträchtigungen für wissenschaftlich abgesichert (a.a.O. S. 50). Dem ist auch im Ausschuss des Bundestages für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zugestimmt worden (Sachverständiger Prof. Dr. Hutter, BT, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 12).

36

Die Kritik der Antragsteller entzündet sich an möglichen Langzeitfolgen. Die vorliegenden Erkenntnisse lassen aber nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber insoweit seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die Studie von Dehos u.a. zeigt - gerade im Hinblick auf das von den Antragstellern in den Mittelpunkt gerückte Risiko einer Leukämie bei Kindern - eine mittel- und langfristige Forschungsagenda auf (UMID1 2013, 47 <52>). Die bisherigen epidemiologischen Beobachtungen könnten zum Teil auf einer Verzerrung bei der Auswahl der Studienteilnehmer (Selektionsbias) zurückzuführen sein (a.a.O. S. 51). Die Befundlage erweist sich damit als "nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen" (so Sachverständiger Matthes, BT, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 10).

37

Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung der Strahlenschutzkommission. Diese wies 2008 darauf hin, dass der festgestellte Zusammenhang auf einen Selektionsbias zurückzuführen sein könnte (Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgung und -anwendung, Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 21./22. Februar 2008, S. 19), und vertiefte diese Einschätzung in einem Bericht aus 2011 (Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Aus epidemiologischen Studien bestehe eine unvollständige Evidenz für ein erhöhtes Risiko für Leukämie im Kindesalter in Folge niederfrequenter magnetischer Felder. Dem stehe aber gegenüber, dass Daten aus in-vitro-Studien oder in-vivo-Studien ebenso fehlten wie ein biologisches Wirkmodell. Ein physikalisches Wirkmodell liefere keine bzw. eine unzureichende Evidenz für den möglichen Zusammenhang. In der Zusammenschau schätzt die Strahlenschutzkommission die Evidenz für einen Zusammenhang von Leukämie im Kindesalter infolge niederfrequenter magnetischer Felder als schwach ein (Stellungnahme, a.a.O. S. 54). Dies bedeutet, dass eine unzureichende Anzahl von Studien vorliegt, deren methodische Qualität sowie Größe häufig begrenzt ist, und ein Bias oder der Einfluss von Störgrößen (Confounding) nicht ausgeschlossen werden kann (Stellungnahme, a.a.O. S. 4). Ähnlich geht die ICNIRP in ihren Guidelines davon aus, dass es keine zwingende Evidenz gibt, dass dauerhafte Bedingungen (chronic conditions) ursächlich mit niederfrequenten elektrischen oder magnetischen Feldern zusammenhängen (Health Physics, S. 818).

38

Ob der Verordnungsgeber auf die damit verbleibende Besorgnis mit einer Absenkung der Grenzwerte reagiert, unterliegt seinem Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum. Dessen verfassungsrechtlich gezogene Grenzen sind nicht überschritten, wenn er - wie geschehen - von weitergehenden Schutzmaßnahmen absieht. Dies gilt umso mehr, als es hinsichtlich denkbarer Langzeitfolgen an Erkenntnissen zu einer Dosis-Wirkung-Beziehung fehlt.

39

4. Die getroffene Abwägungsentscheidung ist frei von im Ergebnis erheblichen Abwägungsfehlern.

40

a) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat offengelassen, ob die gesetzliche Bedarfsfestlegung in § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage sowie § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG sich auf die Ausführung als Freileitung bezieht und so die Ausführung einer Trasse durch Erdkabel ausschließt (Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 28 und 31). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung, weil der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 99 bis 106) eine vollständige oder teilweise Erdverkabelung ohne Abwägungsfehler ablehnt.

41

Die Antragsteller werfen dem Planfeststellungsbeschluss vor, sich unter Verwendung eines falschen rechtlichen Maßstabs auf die Prüfung zu beschränken, ob sich Alternativen aufdrängen. Damit überlasse der Beschluss in rechtswidriger Weise dem Vorhabenträger die Planung und beschränke sich fehlerhaft auf eine Rechtskontrolle. Dieser Vortrag führt nicht auf einen erheblichen Abwägungsfehler. Es ist nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, die planerischen Erwägungen des Vorhabenträgers durch abweichende eigene Überlegungen zu ersetzen. Sie kontrolliert insoweit nur, ob die von ihm getroffene Entscheidung rechtmäßig ist. Es steht ihr allerdings die Befugnis zu, bisher noch nicht berücksichtigten abwägungsrelevanten Gesichtspunkten Rechnung zu tragen (Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <151>; vgl. auch Urteil vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <148 f.>). Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials muss sie alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen berücksichtigen und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belangen einstellen (stRspr, zuletzt Urteil vom 3. Mai 2013 - BVerwG 9 A 16.12 - NVwZ 2013, 1209 Rn. 85 ). Es mag offenbleiben, ob jede einzelne Formulierung des Planfeststellungsbeschlusses diesen Maßstab zutreffend abbildet. Der Planfeststellungsbeschluss hält die Führung als Freileitung an Stelle einer Führung durch Erdkabel für "vorzugswürdig" (PFB S. 101), weil diese "insgesamt vorteilhafter" sei (PFB S. 103), und beruft sich hierzu auf eine "Abwägung aller erheblichen Gesichtspunkte" (PFB S. 106). Angesichts dieser Begründung wäre ein Abwägungsmangel, wie ihn die Antragsteller in einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab erblicken, jedenfalls auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG).

42

Der Planfeststellungsbeschluss hält ebenso wie die Antragsteller eine vollständige oder teilweise Erdverkabelung betrieblich und technisch für möglich (PFB S. 102). Gestützt auf Oswald, Vergleichende Studie zu Stromübertragungstechniken im Höchstspannungsnetz, 2005 (ForWind-Studie I) und Ergänzende Studie, 2008 (ForWind-Studie II) hat die Planfeststellungsbehörde aber angenommen, dass eine Freileitung gegenüber einem Erdkabel technisch und betrieblich insgesamt vorteilhafter ist (PFB S. 102 f.). Diese Einschätzung stützt sie ferner auf die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beauftragte Studie des energie-Forschungszentrums Niedersachsen, Ökologische Auswirkungen von 380-kV Erdleitungen und HGÜ-Erdleitungen (2012). Eine Freileitung habe u.a. eine längere Lebensdauer, Reparaturen seien einfacher und schneller durchzuführen, die Folgen von Fehlern bei Freileitungen seien begrenzt und ihre Belastbarkeit wegen der natürlichen Kühlung höher.

43

Die Antragsteller ziehen diesen Vergleich nicht in Zweifel, bemängeln indes, das Gutachten von Brakelmann/Jarass, Erdkabellösung Quickborn, 2012, sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Antragsteller lassen aber im Dunkeln, welche Folgerungen sich hieraus ergeben sollten, insbesondere, in welchen Punkten das genannte Gutachten andere und bessere Erkenntnisse erbringen soll. Dies wird augenfällig an der von den Gutachtern und den Antragstellern selbst als zentrale Ergebnisse bezeichneten Zusammenfassung, welche die - unstreitige - Lage der Trasse im Raum und die - ebenfalls unstreitigen - Mehrkosten beschreibt und Einschätzungen zu Rechtsfragen abgibt.

44

Der Planfeststellungsbeschluss hält eine teilweise Erdverkabelung für erheblich teurer als eine Freileitung. Diese Mehrkosten eines Vorhabens sind abwägungserheblich, auch wenn sie einen privaten Vorhabenträger treffen (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 42 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 = juris Rn. 32). Abwägungsfehlerhaft ist allein der Hinweis auf den hier nicht einschlägigen § 7 BHO und ein hieraus folgendes öffentliches Interesse, die Kosten möglichst gering zu halten (PFB S. 100). Dieser Fehler ist indes nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG nicht erheblich, weil er auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist. Der Beschluss erkennt im unmittelbaren Anschluss an diese Passage, dass die Mehrkosten zu Lasten der Beigeladenen und damit nicht zu Lasten des Bundeshaushalts gehen. Zur Höhe der Mehrkosten stützt sich der Planfeststellungsbeschluss auf die Berechnungen des Gutachtens der Antragstellerin zu 1, das von Mehrkosten zwischen 13 und 19 Mio. € für eine teilweise Verkabelung ausgeht, so dass die Investitionskosten das 4,5 bis 5,5-fache der Freileitung betragen (PFB S. 105 in Anschluss an Brakelmann/Jarass, Erdkabellösung Quickborn, S. 78). Dies entspricht in der Größenordnung den Berechnungen der Beigeladenen, die eine Erhöhung der Gesamtkosten um den Faktor 3,7 bis 4,5 prognostizieren (Erläuterungsbericht S. 24). Dass der Planfeststellungsbeschluss den Mehrbetrag nicht zu den Gesamtkosten ins Verhältnis setzt, ist eine Frage der Darstellung, zeigt aber keinen Abwägungsfehler auf.

45

Die Antragsteller meinen, der Planfeststellungsbeschluss blende die Vorteile einer Erdverkabelung "nahezu vollständig" aus. Dies führt auf keinen erheblichen Abwägungsfehler. Die geringere elektromagnetische Strahlung sieht der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 179), hält diesem Gesichtspunkt aber entgegen, die maßgeblichen Grenzwerte würden auch bei einer Freileitung weit unterschritten. Die Auswirkungen der Freileitung auf die Grundstückspreise - ein Indikator für das Wohnumfeld - sieht der Planfeststellungsbeschluss, hält sie aber für hinnehmbar (PFB S. 181). Das Landschaftsbild findet in diesem Zusammenhang keine Erwähnung, seine Beeinträchtigung durch die Freileitung hat der Planfeststellungsbeschluss aber erkannt und hingenommen (PFB S. 197 ff.). Hinsichtlich welcher konkreten städtebaulichen Entwicklungsoptionen die Antragsteller eine Abwägung vermissen, ist nicht ersichtlich. Die von ihnen in diesem Zusammenhang angeführten ForWind-Studien führen insoweit nicht weiter.

46

Der Planfeststellungsbeschluss hat auch eine von den Antragstellern angenommene bessere Akzeptanz eines Erdkabels im Ergebnis ohne Rechtsfehler nicht in die Abwägung einbezogen (PFB S. 106). Zwar darf einem Planfeststellungsverfahren ein informelles Verfahren mit dem Ziel vorgeschaltet werden, eine Empfehlung zu erarbeiten, die auf breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit stoßen kann (Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 25). Die Akzeptanz einer Entscheidung als solche, also ihre - vermutete - Billigung durch einen wie auch immer gezogenen Kreis von Betroffenen, wird damit aber nicht selbst zum abwägungserheblichen Belang. Die Planfeststellungsbehörde ist vielmehr selbst bei einem vorhergehenden, auf Förderung von Akzeptanz gerichteten Verfahren weiter gehalten, die für eine sachgerechte Ausübung planerischer Gestaltung notwendige Distanz und Neutralität zu wahren (Urteil vom 3. März 2011 a.a.O.).

47

Die Abwägung ist nicht fehlerhaft in Hinblick auf den Grundsatz 3.5.1.8 des Landesentwicklungsplans Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2010 (IV 52 - 502.17) (ABl Schleswig-Holstein 2010, S. 719). Danach sind Leitungen, soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, zu verkabeln. Als Grundsatz der Raumordnung handelt es sich um eine Aussage zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgabe für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG. Ein solcher Grundsatz ist bei Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen von Personen des Privatrechts, die der Planfeststellung bedürfen, in ihrer Abwägungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG zu berücksichtigen. Der Grundsatz kann aber in der Abwägung überwunden werden (Beschluss vom 15. Juni 2009 - BVerwG 4 BN 10.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 176). Hier nimmt der Planfeststellungsbeschluss den Grundsatz zur Kenntnis (PFB S. 179) und trägt ihm Rechnung bzw. überwindet ihn jedenfalls im Wege der Abwägung, indem er auf die "entscheidenden Gewichtungen" im Hinblick auf die Fragen der Wirtschaftlichkeit und der technischen und betrieblichen Eigenschaften von Erdkabeln verweist. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.

48

Schließlich war die Antragsgegnerin nicht gehalten, bei ihrer Abwägung § 2 Abs. 2 Nr. 1 EnLAG zu berücksichtigen. Die Vorschrift ist auf die in § 2 Abs. 1 EnLAG namentlich bezeichneten Vorhaben beschränkt und dient dem Zweck, den Einsatz von Erdkabeln zu testen. Sie ist als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig.

49

b) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die Planungshoheit der Antragstellerin zu 1 aus Art. 28 Abs. 2 GG. Gemeinden können in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt werden, wenn ein Vorhaben der Fachplanung eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden (Urteil vom 16. Dezember 1988 - BVerwG 4 C 40.86 - BVerwGE 81, 95 <106> und Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 23). Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden (Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <394>).

50

Hinsichtlich der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Wohnfläche südlich der P. und östlich der T. Straße scheidet jedenfalls eine nachhaltige Störung aus. Die Antragstellerin zu 1 sieht die künftige Belastung in Aspekten wie der Wohnumfeldqualität, der gesundheitlichen Vorsorge und der Akzeptanz der Bevölkerung. Nachhaltige Störungen liegen aber nur vor, wenn die Zunahme von Immissionen sich nicht nur auf einzelne benachbarte Grundstücke, sondern auf wesentliche Teile eines Baugebietes auswirkt (Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <157>). Damit ist die vorliegende Situation nicht vergleichbar, in der es nicht zu einer Überspannung der Wohnbaufläche kommt, die Wohnfläche nicht im Schutzstreifen der Leitungstrasse liegt und ausgeschlossen werden kann, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) in einem relevanten Teil des Gebiets überschritten werden. Denn selbst für den innerhalb des Schutzstreifens zwischen Mast 23 und 24 liegenden Immissionsort auf dem Grundstück Gemarkung …, Flur 28, Flurstück 2/3 wird eine magnetische Flussdichte von 11,62 µT und eine elektrische Feldstärke von 1,659 kV/m prognostiziert.

51

Es fehlt ebenso an einer nachhaltigen Störung der Planung zu einem Gewerbegebiet an der F. Straße. Allein die Verbreiterung des bestehenden Schutzstreifens auf 60 m in Folge der Ausführung durch Einebenenmasten stört die Planung nicht nachhaltig.

52

Die Planungshoheit wird auch nicht verletzt durch die Trassenführung im Bereich des Schulzentrums. Dies wird nicht in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 15. Dezember 2006 - BVerwG 7 C 1.06 - BVerwGE 127, 259 Rn. 34). Der Planfeststellungsbeschluss musste insoweit keine gesonderten Regelungen treffen. Nach § 4 der 26. BImSchV (1996) haben zum Zwecke der Vorsorge bei der Errichtung oder wesentlichen Änderung von Niederfrequenzanlagen in der Nähe von Schulen in Gebäuden und Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung abweichend von § 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 der 26. BImSchV (1996) auch die maximalen Effektivwerte der elektrischen Feldstärke und magnetischen Flussdichte den Anforderungen nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) zu entsprechen. Diesen Anforderungen wird genügt. Auf dem Grundstück der Schule Gemarkung …, Flur 32, Flurstück 12/1 wird eine magnetische Flussdichte von 0,58 µT und eine elektrische Feldstärke von 0,029 kV/m prognostiziert. Welche weitergehenden Schutzmaßnahmen die Antragsteller für notwendig halten, legen sie nicht dar. Deren Notwendigkeit ist auch nicht ersichtlich.

53

c) Der Planfeststellungsbeschluss hat sich ohne Rechtsfehler für den planfestgestellten Trassenverlauf entschieden.

54

Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht wegen eines fehlerhaften rechtlichen Maßstabs rechtswidrig. Der Hinweis der Antragsteller auf den Beschluss vom 24. Mai 2012 (BVerwG 7 VR 4.12 - ER 2012, 77 = juris Rn. 27) führt nicht weiter. Nach diesem Beschluss kann § 11 Abs. 1 Satz 1 EnWG, § 9 Abs. 3 EEG 2012 ein genereller Vorrang des Optimierens oder Verstärkens einer bestehenden Hochspannungsleitung vor einem Neubau nicht entnommen werden. Die Aussage bezieht sich auf die Planrechtfertigung eines Vorhabens, nicht auf die Entscheidung zwischen mehreren kleinräumigen Trassenalternativen. Auch führt die Kritik der Antragsteller, der Planfeststellungsbeschluss nehme einen allgemeinen Planungsgrundsatz an, dass ein Ausbau der Bestandsleitung die Variante mit dem geringeren Konfliktpotential im Hinblick auf die einzustellenden Abwägungskriterien darstelle, nicht auf einen erheblichen Abwägungsfehler (PFB S. 107). Allerdings geht die dortige Bezeichnung als "allgemeiner Planungsgrundsatz" zu weit, auch wenn sich im Einzelfall eine Neutrassierung bei ausreichenden vorliegenden Gründen nicht aufdrängen muss (Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 30). Ob der Planfeststellungsbeschluss damit von einem falschen rechtlichen Obersatz ausgegangen ist, kann aber offen bleiben. Er hat - insbesondere für den im Zentrum der Auseinandersetzung stehenden Bereich am südlichen Ortsrand der Antragstellerin zu 1 - bezogen auf einzelne Schutzgüter die entstehenden und wegfallenden Konflikte einander gegenüber gestellt (PFB S. 113 ff.). Der zu pauschal formulierte Obersatz hat sich damit auf das Abwägungsergebnis nicht ausgewirkt (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG).

55

Die Ablehnung der kleinräumigen Trassenalternative V 2.1 im Bereich … begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Planfeststellungsbeschluss verweist insoweit auf die zusätzliche Inanspruchnahme von Waldflächen auf einer Länge von 1 100 m, eine neue Belastung des Landschaftsbildes, weiter gehende Erschwerungen bei der Agrarstruktur, die Neu-Inanspruchnahme von Landschaftsraum auf einer Länge von 3 200 m und die notwendige Inanspruchnahme von Eigentumsrechten. Die Antragsteller zeigen keine Mängel in der Abwägung auf, die diese Erwägungen ernsthaft in Zweifel ziehen.

56

Die Trassenalternative V 2.2 musste sich der Behörde jedenfalls nicht aufdrängen. Der Planfeststellungsbeschluss hält dieser Alternative eine, wenn auch deutlich geringere Inanspruchnahme von Wald auf einer Länge von 200 m entgegen, darüber hinaus neue Erschwerungen bei der Bewirtschaftung von Flächen für die Landwirtschaft. Die Variante 2.2 biete deutliche Nachteile im Hinblick auf Flächen im Privateigentum, auf die neu zugegriffen werden müsse. Schließlich weist der Planfeststellungsbeschluss auf die Mehrkosten in Folge der größeren Streckenlänge hin. Die Vorteile der Variante reichten nicht aus, um mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung erstmals auf Eigentum zuzugreifen: Der Planfeststellungsbeschluss erkennt an, dass das Wohnumfeld bei Abrücken der Trasse verbessert werde, sieht diesen Aspekt aber gemindert, weil die Bebauung in die Nähe der Freileitung hineinentwickelt worden sei. Die geringere Immissionsbelastung habe nur sehr geringes Gewicht, weil die Grenzwerte bereits deutlich unterschritten seien, so dass die Verschwenkung rechtlich nicht geboten sei. Die Sichtbarkeit der Leitung werde zwar durch eine Verschwenkung minimiert, aber nicht beseitigt.

57

Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Berücksichtigung der Vorbelastung der Grundstücke der Antragsteller war geboten. Die Planfeststellungsbehörde ist verpflichtet, in ihrer neuen Abwägung tatsächliche und rechtliche Vorbelastungen in Blick zu nehmen und zu bewerten (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <357>). Ein derart vorbelastetes Wohngrundstück kann nicht den Schutz in Anspruch nehmen, der einem Wohngrundstück ohne eine solche Vorbelastung zuzubilligen ist (Urteil vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <131 f.>). Eine Vorbelastung ist grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn eine neue Trasse an Stelle einer bestehenden errichtet wird (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 = juris Rn. 21; vgl. auch Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 - BVerwGE 142, 234 Rn. 390). Die Antragsteller wenden ein, bei Errichtung der bestehenden Leitung und der angrenzenden Bebauung seien die Gefahren elektromagnetischer Strahlung nicht bekannt gewesen und daher auch nicht "sehenden Auges" in Kauf genommen worden. Dieses Argument verfängt indes nicht. Denn der Planfeststellungsbeschluss knüpft mit seinen Überlegungen zur Immissionsbelastung an die maßgeblichen Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) an, die weit unterschritten werden und auch nach aktuellem Kenntnisstand rechtlich nicht zu beanstanden sind. Hinsichtlich des Landschaftsbildes räumen die Antragsteller die bestehende Vorbelastung selbst ein.

58

Dass das Grundstück der Antragstellerin zu 2 bereits 1928 bebaut worden ist, begründet keinen Abwägungsfehler. Der Planfeststellungsbeschluss nimmt an, die "Bebauung" sei in die Nähe der Freileitung hineinentwickelt worden (PFB S. 116), es sei die "weit überwiegende Anzahl betroffener Immissionsorte" (PFB S. 115) nach Herstellung der bestehenden Freileitung errichtet worden. Diese Annahme ziehen die Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel. Sie wird nicht dadurch falsch, dass einzelne Gebäude bereits vor dem Bau der bestehenden Trasse errichtet worden sind. Im Übrigen ist zu beachten, dass offenbar ein Rechtsvorgänger der Antragstellerin zu 2 der Belastung des Grundstücks durch die Bestandstrasse seinerzeit vertraglich zugestimmt hat.

59

Die Antragsteller dringen auch nicht mit ihrer Kritik durch, die Antragsgegnerin habe die Immissionsbelange unzureichend gewürdigt, weil sie die Immissionsbelastung unterhalb der Grenzwerte nicht in den Blick genommen habe. Das Ziel einer Vermeidung von Immissionen durch elektromagnetische Felder unterhalb der Grenzwerte ist ein abwägungserheblicher Belang (Beschluss vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35). Dies erkennt der Planfeststellungsbeschluss, der das Interesse der Antragsteller an einer weiteren Verschonung von Immissionen berücksichtigt (PFB S. 115, 117). Angesichts der deutlichen Unterschreitung der Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) und der bestehenden Vorbelastung war es aber nicht abwägungsfehlerhaft, diesem Gesichtspunkt kein durchschlagendes Gewicht beizumessen.

60

Schließlich dringen die Antragsteller nicht mit dem Argument durch, der Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie rügen, dass bei gleicher Interessenlage zur Entlastung der Wohnbebauung in den Bereichen M. und K. von der Bestandstrasse abgewichen werde, eine solche Verschwenkung im Bereich der Antragstellerin zu 1 aber unterbleibt. In den Bereichen M. und K. muss indes für die Verschwenkung nicht zwangsweise auf privates Eigentum zugegriffen werden, während eine Verschwenkung der Trasse auf dem Gebiet der Antragstellerin zu 1 Enteignungen von bisher unbelastetem Privateigentum erfordert. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beigeladenen ist es dieser innerhalb von zwei Jahren nicht gelungen, eine Zustimmung der neu betroffenen Grundstückseigentümer zu erhalten. Angesichts des besonderen Gewichts des Eigentums als privatem Belang in der Abwägung (Urteil vom 11. April 2002 - BVerwG 4 A 22.01 - NuR 2002, 732 <733>) und dem Vorrang der Errichtung einer Anlage auf eigenem oder freihändig erworbenem Grund und Boden (Urteil vom 9. März 1990 - BVerwG 7 C 21.89 - BVerwGE 85, 44 <51 f.>) durfte die Planfeststellungsbehörde in diesem Gesichtspunkt einen Unterschied sehen, der die von den Antragstellern verglichenen Situationen rechtserheblich unterscheidet.

61

d) Der Antragsteller zu 3 rügt, der Planfeststellungsbeschluss trage seinen Interessen als Träger eines Herzschrittmachers nicht hinreichend Rechnung. Insoweit ist selbst dann kein Abwägungsfehler ersichtlich, wenn man - was rechtlich mindestens grundsätzlich nicht geboten ist - besondere Umstände in der Person des Antragstellers zu 3 in Rechnung stellt (vgl. Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 325 und vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 128).

62

Gestützt auf eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission (Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgung und -anwendung vom 21./22. Februar 2008, S. 4) nimmt der Planfeststellungsbeschluss an, dass Induktionen in Bereichen, die Implantatträgern zugänglich sind und bei denen ein die Exposition vermeidendes Verhalten nicht möglich oder nicht zumutbar sei, 10 µT nicht überschreiten sollen, wenn mit zusätzlichen Feldquellen gerechnet werden müsse (PFB S. 134). Diesem Ausgangspunkt ist der Antragsteller zu 3 nicht entgegen getreten. Die von ihm angeführte Anweisung zu seinem Herzschrittmacher, er solle Einrichtungen meiden, die starke elektromagnetische Einwirkungen erzeugten ("… avoid devices that generate strong EMI "), zeigt nicht auf, dass dieser Herzschrittmacher Besonderheiten aufwiese, die bei Fassung der Empfehlung der Strahlenschutzkommission nicht beachtet worden seien.

63

Auf dem Grundstück des Antragstellers zu 3 ist bei maximalem Betriebsstrom eine magnetische Flussdichte von 2,306 µT (1 m EOK) bzw. 2,460 µT (4 m EOK) zu erwarten, bei dem im Regelfall zu erwartenden Betriebsstrom liegen die Werte darunter. Damit ist der gesundheitlichen Situation des Antragstellers zu 3 bezogen auf seinen Wohnbereich ausreichend Rechnung getragen. Ein Abwägungsfehler ist aber auch nicht erkennbar, soweit das planfestgestellte Vorhaben in wenigen Fällen auch im wohnumfeldnahen Bereich eine magnetische Flussdichte von mehr als 10 µT zur Folge hat. Dies ist ausweislich der Berechnungen der Beigeladenen (Anlage 5 zum Immissionsbericht, Anlage 16.1 der Planfeststellungsunterlagen) nur ganz vereinzelt und überwiegend bei nur geringer Überschreitung von 10 µT der Fall. Insoweit wird kein abwägungserhebliches Risiko begründet. Es ist dem Antragsteller zu 3 zuzumuten, insoweit eine längerfristige Exposition gegenüber dem magnetischen Feld der Freileitung zu vermeiden, wenn er das verbleibende Risiko nicht hinnehmen will.

64

e) Es bedurfte nicht der geforderten Summation verschiedener elektromagnetischer Felder.

65

§ 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) fordert die Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 26. BImSchV (1996). Einen Verstoß gegen diese Vorschrift rügen die Antragsteller nicht. Sie verweisen pauschal auf die zivilisatorische Hintergrundbelastung, zeigen aber nicht auf, welche Besonderheiten zu einer gesonderten Betrachtung Anlass geben könnten. Für einen solchen Hinweis hätte Anlass bestanden, weil §§ 3 und 4 der 26. BImSchV (1996) Regelungen für Gebäude und Grundstücke trifft, in denen von einer Hintergrundbelastung stets ausgegangen werden kann.

66

Von Rechts wegen bedurfte es auch keiner Summation mit den Immissionen, die von dem Mobilfunkmast in der Nähe des Mastes 18 ausgehen. Die 26. BImSchV (1996) forderte eine solche Summation nicht. Dies begegnet wegen der unterschiedlichen Wirkung hochfrequenter und niederfrequenter Strahlung keinen rechtlichen Bedenken. Die Grenzwerte für die Einwirkung hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung orientieren sich an der Wärmewirkung, die Grenzwerte für die Einwirkung niederfrequenter elektromagnetischer Strahlung knüpfen an die Reizwirkung an. Diese Differenzierung liegt auch § 3 Abs. 3 der 26. BImSchV (2013) zugrunde. Die Vorschrift fordert die Berücksichtigung aller Immissionen durch Niederfrequenzanlagen sowie ortsfeste Hochfrequenzanlagen mit Frequenzen zwischen 9 kHz und 10 MHz. Eine Summation mit Immissionen aufgrund von Betriebsfrequenzen oberhalb von 800 MHz, wie sie bei dem Mobilfunkmast vorliegen, verlangt die Norm nicht. Die Antragsteller können sich auch nicht auf die von ihnen für anwendbar gehaltene DIN EN 62311 stützen. Ebenso wie die frühere DIN EN 50392 (Abschnitt 8.1) unterscheidet die vorgenannte Vorschrift ein Summationsregime für den Frequenzbereich 1 Hz bis 10 MHz und ein Summationsregime von 100 kHz bis 300 GHz und folgt damit den Empfehlungen der ICNIRP (Health Physics 99<6>: 818 <829>); ergänzend schlägt sie eine Summation innerhalb des Frequenzbereichs 0 Hz bis 5 MHz und von 3 KHz bis 300 GHz vor (Abschnitt 8.4 und 8.5), folgend einer Empfehlung des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE). Die Summation der Immissionen eines niederfrequenten Feldes von 50 Hz mit einem hochfrequenten Feld von 800 MHz verlangt die DIN EN 62311 nicht.

67

Eine summierte Betrachtung der Immissionen war damit auch nicht nach § 6 UVPG in der Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Der Kreis der Umweltauswirkungen, auf die sich die Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstrecken hat, geht nicht über die Umweltbelange hinaus, denen im Rahmen des Abwägungsgebots Rechnung zu tragen ist (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247>). Dementsprechend bestimmen sich Inhalt und Umfang der vorzulegenden Unterlagen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UVPG nach den Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens maßgebend sind.

68

f) Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich ausreichend mit dem Risiko herabfallender Eiszapfen. Er sieht das Risiko einer Gefährdung durch Eisschlag. Es könne bei bestimmten, äußerst seltenen Witterungsverhältnissen und gleichzeitig sehr geringem Betriebsstrom zu einem Eisansatz an der Leitung kommen. Das Herabfallen von Eisbruchstücken sei nicht vollständig vermeidbar, es ergäben sich aber keine Veränderungen gegenüber der Bestandsleitung. Im Übrigen seien damit keine Risiken geschaffen, die über die normalerweise mit technischen Anlagen verbundenen Risiken hinausgehen und als unzumutbar einzustufen wären. Diese Risikoeinschätzung ist frei von Abwägungsfehlern. Weiteren Ermittlungsbedarf zeigt der pauschale Verweis der Antragsteller auf einen Hamburgischen Klimakongress im Jahr 2012 nicht auf.

69

g) Die Antragsteller zeigen mit ihrem Hinweis auf Gefahren durch Stürme und Blitzschlag keinen Rechtsfehler der Planfeststellung auf. Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich mit den Gefährdungen aufgrund außergewöhnlicher Starkwindereignisse sowie aufgrund von Überschlägen auseinander (PFB S. 192 f.). Er verweist auf die Anforderung nach § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG, wonach Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind nach Satz 2 vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Der Planfeststellungsbeschluss legt dar, dass diese Anforderungen gewahrt werden. Welche rechtlichen Gründe darüber hinausgehende Vorkehrungen fordern könnten, zeigen die Antragsteller nicht auf.

70

Soweit ergänzende Schutzmaßnahmen - etwa in Hinblick auf den von den Antragstellern angesprochenen Zaun am Schulzentrum - in Betracht kommen, geht es allein um mögliche Ansprüche auf Planergänzung, die aber keinen Anlass geben, den Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses einstweilen auszusetzen. Inwieweit hier überhaupt Belange gerade der Antragsteller in Rede stehen, mag dabei offenbleiben.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 und 2 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 11.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2010 und des Änderungsbescheides vom 06.05.2010 wird aufgehoben, soweit er einen höheren Beitrag als 194,55 € festsetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 20 % und die Klägerin trägt 80 % der Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen Ausbaubeitrag.

2

Die Klägerin ist zu 208/10.000 Miteigentümerin des Grundstücks Seestraße ... im Gebiet der Beklagten (Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ...) und Eigentümerin einer dort belegenen Wohnung. Das Grundstück liegt im Bereich eines Bebauungsplans, der für den fraglichen Bereich Mischgebiet mit zweigeschossiger Bebauung festsetzt. In dem Gebäude befinden sich insgesamt 29 Wohnungen und ein Restaurant. Die Wohnungen werden überwiegend als Ferienwohnungen vermietet. Die Vermietung erfolgt teils privat, teils über Vermietungsagenturen, deren Personal die Wohnungen auch betreut; zum Teil werden die Wohnungen durch besondere Serviceanbieter betreut.

3

Die Seestraße verläuft zentral durch das Gemeindegebiet der Beklagten. Sie war 1929 eine „Landesstraße der besonderen Wegegemeinde Scharbeutz“, später Kreisstraße und wurde 1986 herabgestuft zur Gemeindestraße.

4

In dem vom Bauausschuss der Beklagten am 7. Februar 2006 beschlossenen Bauprogramm heißt es zum Zustand der Einrichtung vor Durchführung der Maßnahme u.a., der Straßenzustand habe sich in den letzten Jahren gravierend verschlechtert. Sowohl in der Fahrbahn als auch in den Gehwegen sei kein ausreichender Unterbau vorhanden, der den derzeitigen Anforderungen der Verkehrsbelastung entspreche. Ein Teil der Regenwasserkanalisation sei unterbemessen und eine bereits 1991 durchgeführte Kanalfilmung zeige gravierende Mängel. Geplant sei, die Seestraße im Bereich der Einmündungen und auf langen Geraden mit verkehrsberuhigenden Elementen zu versehen und Fahrbahn und Gehwege im Straßen- und Oberbau komplett neu aufzubauen. Die Regenwasserkanalisation werde aus Betonrohrleitungen DN 250 bis DN 400 erstellt. Die vorhandenen Hausanschlüsse würden in den öffentlichen Flächen ausgetauscht bzw. neu verlegt, die Kontrollschächte erneuert und höhenmäßig dem künftigen Fahrbahnniveau angepasst. Sämtliche Straßenabläufe würden ausgetauscht bzw. ergänzt und an den Hauptkanal angeschlossen. Die vorhandenen Peitschenleuchten, die teilweise starke Korrosionen aufwiesen und nicht mehr dem technischen Stand entsprächen, würden durch energiesparende Mastaufsatzleuchten ersetzt.

5

Nach Durchführung der Arbeiten - Abnahme des zweiten Bauabschnittes erfolgte am 24. April 2006 - und nach Abzug einer bereits geleisteten Vorausleistung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 gegenüber der Klägerin einen verbleibenden Ausbaubeitrag von 57,43 € fest und forderte die Klägerin zur Zahlung dieses Betrages auf. Als Abrechnungsgebiet definierte die Beklagte die Seestraße von der Strandallee bis zur Schulstraße und legte für die Beitragsberechnung eine Gesamtbeitragsfläche von 140.358,33 m² zugrunde. Wegen der auf einzelnen Grundstücken erfolgenden Vermietung an Feriengäste erhob die Beklagte jeweils einen Artzuschlag von 30 % der Grundstücksfläche, so auch für das Grundstück Seestraße ....

6

Am 14. Januar 2008 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2010 zurückwies. Die Klägerin sei mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von insgesamt 242,65 € herangezogen worden. Die Berücksichtigung eines Artzuschlages sei gerechtfertigt. Würden Räumlichkeiten ausschließlich für die Vermietung an Feriengäste vorgehalten, handele es sich um eine gewerbliche Nutzung. Überwiege die Fläche der gewerblichen Nutzung im Gebäude, sei ein Artzuschlag zu berücksichtigen. In der Seestraße ... würden von den 10.000 Miteigentumsanteilen 5.200 Miteigentumsanteile ausschließlich gewerblich genutzt.

7

Die Klägerin hat am 10. März 2010 Klage erhoben.

8

Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 - zugestellt am 8. Mai 2010 - hat die Beklagte den Bescheid vom 11. Dezember 2007 geändert und den Beitrag der Klägerin auf 242,65 € festgesetzt. Die mit Bescheid vom 27. März 2006 erhobene und gezahlte Vorausleistung in Höhe von 185,22 € wurde auf den festgesetzten Ausbaubeitrag angerechnet, sodass die Klägerin einen verbleibenden Betrag von 57,43 € zahlen solle.

9

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Artzuschlag nicht gerechtfertigt sei, da die auf dem Grundstück stattfindende Nutzung nicht überwiegend gewerblicher Art sei. Im Ausbaubeitragsrecht würden als gewerbliche Nutzung nur solche Nutzungen erfasst, die eine im Vergleich zur Wohnnutzung deutlich intensivere Inanspruchnahme der Anbaustraße auslösten und deshalb einen größeren Vorteil aus der Ausbaumaßnahme zögen. Für das Kriterium der gewerblichen Nutzung werde auf Tätigkeiten abgestellt, die typischerweise einen erhöhten Besucherverkehr (Ziel- und Quellverkehr) und deshalb eine im Vergleich zur Wohnnutzung intensivere Inanspruchnahme der Anbaustraße verursachten. Dies sei bei der Nutzung von Wohnungen zur temporären Ferienvermietung nicht gegeben. Eine Ferienwohnung werde nicht unbedingt stärker frequentiert als die Wohnung einer durchschnittlichen ortsansässigen Familie. Im Übrigen seien auch die Kosten der Ausbaumaßnahme intransparent und nicht nachvollziehbar. Der Kostenansatz, der dem Vorausleistungsbescheid zugrunde gelegen habe, weiche erheblich von dem des nunmehr angefochtenen Bescheides ab.

10

Die Klägerin hat ursprünglich beantragen wollen, den Bescheid vom 11. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2010 aufzuheben. Nach Erlass des Änderungsbescheides hat sie ihr Klageziel mit einem bei Gericht am 7. Juni 2010 eingegangenen Schriftsatz geändert.

11

Sie beantragt nunmehr,

12

den Bescheid vom 11. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2010 und des Änderungsbescheides vom 6. Mai 2010 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie wiederholt ihre Begründung des Widerspruchsbescheides und weist ergänzend u.a. darauf hin, dass in dem veranlagten Jahr sogar 6.922 Miteigentumsanteile und nicht nur 5.200 Miteigentumsanteile gewerblich genutzt worden seien. Die verbleibenden Miteigentumsanteile würden von den jeweiligen Teileigentümern zeitweise auch selbst genutzt, die hierfür auch Zweitwohnungssteuer entrichteten. Eine Abweichung zwischen der Vorauszahlung und der sich aus der endgültigen Abrechnung ergebenden Beitragslast sei im Übrigen nicht ungewöhnlich, da eine Vorauszahlung kalkuliert werde, eine genaue Beitragsabrechnung aber erst nach Vorlage der geprüften Schlussrechnung vorgenommen werde.

16

Auf Anforderung durch das Gericht hat die Beklagte, für den Fall, dass bei Vermietung von Räumlichkeiten an Feriengäste ein Artzuschlag nicht in Frage kommt, eine Aufstellung der Grundstücke nachgereicht, bei denen sie - neben der Seestraße ... - ebenfalls einen Artzuschlag berechnete. Wegen des Inhalts dieser Liste, der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist zulässig. Insbesondere war es sachdienlich, den Klagegegenstand im Wege der Klageänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO) um den Änderungsbescheid vom 6. Mai 2010 zu erweitern.

18

Die Klage ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet. Soweit der Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2010 und des Änderungsbescheides vom 06. Mai 2010 einen Ausbaubeitrag von mehr als 194,55 € festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

19

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 8 KAG i.V.m. der Satzung der Gemeinde Scharbeutz über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung von Straßen, Wegen und Plätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS).

20

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG sind Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtung nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Entsprechend erhebt die Beklagte nach § 1 ABS Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau sowie die Erneuerung u.a. von Straßen, Wegen und Plätzen von den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern oder an deren Stelle von den zur Nutzung an diesen Grundstücken dinglich Berechtigten, denen die jeweilige Maßnahme Vorteile bringt. Die Voraussetzungen nach diesen Vorschriften sind erfüllt.

21

Bei der Seestraße handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung ist, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise und ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung, auf das Erscheinungsbild eines Straßenzuges, seine Verkehrsfunktion sowie vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als ein eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (vgl. Habermann in: Habermann/ Arndt, Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein, Rn. 132 m.w.N.). Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 21.10.2009 - 2 LB 14/09 -), hier mithin auf den 24. April 2006. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass die auf ihrem Gemeindegebiet liegende Einrichtung Seestraße nach diesem Maßstab begrenzt wird durch die Einmündung in die Strandallee einerseits und den Beginn der Schulstraße an der platzartigen Erweiterung im Süden andererseits.

22

Die Seestraße ist auch als dem öffentlichen Verkehr gewidmet anzusehen. Die Beklagte nimmt an, dass sich dies schon aus den Umstufungen zur Kreis- und später zur Gemeindestraße ergibt. Ob darin zugleich eine formgerechte Widmung zu sehen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls greift die Widmungsfiktion des § 57 Abs. 3 Satz 2 StrWG, da aufgrund der zentralen Lage der Seestraße davon auszugehen ist, dass diese bereits bei Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes neben ihrer Erschließungsfunktion auch einem nicht unerheblichen öffentlichen Verkehr gedient hat.

23

Die streitige Maßnahme war beitragsfähig und notwendig im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG. Dabei steht den Gemeinden hinsichtlich der Beurteilung dessen, was notwendig ist, ein weiter Ermessensspielraum zu, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar und der nur dann überschritten ist, wenn keine Gründe ersichtlich sind, die die Maßnahme im durchgeführten Umfang rechtfertigen könnten (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 312). Nach diesem Maßstab und angesichts des dokumentierten Zustandes bestehen an der Notwendigkeit der Maßnahme vor der Baumaßnahme keine Zweifel. Fahrbahn, Gehweg, Straßenentwässerung und Beleuchtung wurden sodann angemessen erneuert bzw. verbessernd ausgebaut.

24

Der Klägerin ist durch die Maßnahme ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil entstanden. Das Grundstück Seestraße ... liegt unmittelbar an der ausgebauten Straße, so dass die Klägerin die öffentliche Einrichtung von hier aus nutzen kann. Ihr wird damit ein die Beitragserhebung rechtfertigender Vorteil geboten, da die Zugänglichkeit des Grundstücks verbessert und dessen Gebrauchswert erhöht wird (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 28.10.1997 - 2 L 281/95 - NordÖR 1998, 88). Ob eine Straßenbaumaßnahme grundstücksbezogene Vorteile vermittelt, ist nicht aus der subjektiven Sicht des einzelnen Grundstückeigentümers und insbesondere nicht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung seines Grundstücks, sondern objektiv zu beurteilen (vgl. Habermann, a.a.O. Rn. 140 und 142; Thiem/ Böttcher, Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein, § 8 Rn. 53 m.w.N.).

25

Der danach dem Grunde nach berechtigterweise erhobene Beitrag hat allerdings nicht in voller Höhe Bestand.

26

Zutreffend hat die Beklagte zunächst den umlagefähigen Aufwand ermittelt, insbesondere die Seestraße als abgerechnete öffentliche Einrichtung tatsächlich zutreffend als Haupterschließungsstraße eingestuft. In dem angefochtenen Bescheid wird zwar auf § 4 Abs. 1 Nr. 2a ABS Bezug genommen, was dafür spräche, dass die Beklagte von einer Anliegerstraße ausgeht. Der Berechnung wird tatsächlich aber eine Haupterschließungsstraße i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1b und 2b ABS zugrunde gelegt, davon ausgehend, dass die Seestraße nicht nur dem Anliegerverkehr, sondern im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr dient. Diese Einstufung ist für die Anlieger von Vorteil und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen. Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, sind nicht ersichtlich.

27

Soweit die Klägerin vorträgt, der Kostenansatz, der dem Vorausleistungsbescheid zugrunde gelegen habe, weiche erheblich von dem im angefochtenen Bescheid aufgeführten umlagefähigen Aufwand ab, ist diese Abweichung irrelevant. Dass hier andere Beträge genannt werden als in dem Vorausleistungsbescheid beruht auf den unterschiedlichen Grundlagen (Kostenvoranschlag bzw. -prognose einerseits und Abschlussrechnungen andererseits) und liegt in der Natur der Sache. Die als gravierend bezeichneten Abweichungen hat die Beklagte im Übrigen nachvollziehbar zu erklären vermocht. Auch gehört es weder zum notwendigen Regelungsinhalt noch zur wesentlichen rechtlichen oder tatsächlichen Begründung eines Beitragsbescheides, auf die Unterschiede zwischen prognostiziertem Kostenansatz und tatsächlichem Aufwand einzugehen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 157 Abs. 1 AO und § 109 Abs. 1 LVwG).

28

Das Abrechnungsgebiet hat die Beklagte zutreffend bestimmt. Beiträge können nur von den Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Straßenbaumaßnahme Vorteile erwachsen. Da der einzelne Grundstückseigentümer als Inhaber des Eigentumsrechts an einem bestimmten Grundstück, dessen Gebrauchswert sich infolge der Straßenbaumaßnahme erhöht hat, zu einem Beitrag herangezogen wird, scheiden aus dem Kreis der Beitragspflichtigen die Grundstückseigentümer aus, die die öffentliche Einrichtung nur wie jeder andere Verkehrsteilnehmer in Anspruch nehmen können. Damit kommen als beitragspflichtige Grundstückseigentümer nur solche in Betracht, deren Grundstücke zu der öffentlichen Einrichtung in einer räumlich engen Beziehung stehen, d.h. die von ihrem Grundstück aus die öffentliche Einrichtung nutzen können. Zum Kreis der vorteilhabenden und damit beitragspflichtigen Grundstückseigentümer gehören daher diejenigen, deren Grundstücke unmittelbar an die ausgebaute Einrichtung angrenzen und von der Einrichtung aus zugänglich sind (Anliegergrundstücke), daneben aber auch Eigentümer bestimmter Hinterliegergrundstücke (vgl. Habermann, a.a.O. Rn. 176, 177 m.w.N.). Die von der Beklagten vorgenommene Bestimmung des Abrechnungsgebietes und der heranzuziehenden Grundstückseigentümer ist nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden und wird auch von der Klägerin nicht gerügt.

29

Hiervon ausgehend ist allerdings die Berechnung der Beitragsfläche und damit die konkrete Höhe des festgesetzten Beitrags zu Gunsten der Klägerin zu korrigieren, soweit die Beklagte auch für Grundstücke, auf denen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht überwiegend eine Vermietung von Ferienwohnungen oder Gästezimmern stattfand, einen Artzuschlag wegen gewerblicher Nutzung gemäß § 6 Abs. 4 ABS erhoben hat.

30

Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 ABS werden die nach § 6 Abs. 3 ABS - hier unbeanstandet - ermittelten Flächen um 30 v.H. erhöht für Grundstücke in Kern-, Gewerbe-, Industrie- oder sonstigen Sondergebieten sowie für Grundstücke in anderen Gebieten, die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden. Ob ein Grundstück, das sowohl Wohnzwecken als auch gewerblichen Zwecken dient, überwiegend im Sinne des Satzes 1 genutzt wird, bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die Nutzung der Geschossflächen zueinander steht, § 6 Abs. 4 Satz 2 ABS.

31

Mit allen Beteiligten übereinstimmend ist festzustellen, dass die Seestraße zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht in einem der in § 6 Abs. 4 Satz 1 ABS genannten Gebiete lag und dass auch eine industrielle Nutzung einzelner Grundstücke nicht stattfand. Soweit die Beklagte allerdings für die Vermietung an Feriengäste eine überwiegende gewerbliche Nutzung angenommen und deshalb einen Artzuschlag erhoben hat, vermag die Kammer ihr darin nicht zu folgen.

32

Um welche Grundstücke es sich dabei im einzelnen handelt, lässt sich anhand der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Abrechnungsunterlagen, der mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 nachgereichten Liste und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlungen ermitteln. Hierzu zählt auch das Grundstück Seestraße ..., in dessen Gebäude sich ein Restaurant und 29, in verschiedenem Umfang zur Vermietung an Feriengäste genutzte Wohnungen befand. Insgesamt waren betroffen die Grundstücke

33

- Strandallee ... (684,45 m²),
- Seestraße ... (251,85 m²),
- Seestraße ... (663,99 m²),
- Seestraße ... (1.006,98 m²)
- Seestraße ... (530,55 m²),
- Seestraße ... (512,46 m²),
- Seestraße ... (682,50 m²),
- Seestraße ... (328,38 m²),
- Seestraße ... (288,60 m²),
- Seestraße ... (294,84 m²),
- Seestraße ... (634,14 m²) und
- Seestraße ... (312,78 m²).

34

Zusammengefasst wurden auf diesen Grundstücken privat oder über eine Vermittlungsagentur Ferienwohnungen und / oder Gästezimmer vermietet und die Räumlichkeiten entweder privat, vom Personal der Vermittlungsagentur, von Reinigungsfirmen oder auch einem Hausmeisterservice in mehr oder weniger großem Umfang betreut. Typische Betreuungsleistungen sind Betten beziehen, Wäschepakete stellen, Kühlschränke bestücken, Endreinigung der Wohnung oder auch Pflege der Außenanlage. In den Gebäuden befanden sich teilweise noch Gastronomie- und Einzelhandelsbetriebe, Fahrschulen, Reisebüros oder auch ein Fahrradverleih.

35

Bei einer solchen Vermietung von Räumlichkeiten an Feriengäste besteht aus Sicht der Kammer keine Rechtfertigung für die Annahme einer gewerblichen Nutzung und für einen daran anknüpfenden Artzuschlag, obwohl dies nach einem Urteil des OVG Schleswig (vom 13.10.1999 - 2 L 116/97 - SchlHA 2000, 43) der Fall sein soll. Darin heißt es:

36

Ausschlaggebend für den Artzuschlag ist das Vorhandensein einer gegenüber der Wohnnutzung qualifizierten Nutzungsart (...), die wegen ihrer im Vergleich zur Wohnnutzung gesteigerten Abhängigkeit von der qualitativen Ausgestaltung der Straße im Falle einer vorteilhaften Straßenbaumaßnahme mit zusätzlichen Vorteilen für den Grundstückseigentümer verbunden ist. Der Begriff der „gewerblichen Nutzung“ ist daher nicht im Sinne des Gewerberechts zu verstehen. (...) Werden Räumlichkeiten ausschließlich für die Vermietung an Feriengäste vorgehalten, handelt es sich insoweit um gewerbliche Nutzung. Diese gewerblich genutzten Flächen sind zu den übrigen Räumlichkeiten ins Verhältnis zu setzen. Überwiegt danach die gewerbliche Nutzung, ist ein Artzuschlag zu berücksichtigen.

37

Zutreffend ist der Ausgangspunkt dieser Entscheidung. Gewerblich genutzt im Sinne des Beitragsrechts sind Grundstücke, auf denen eine Tätigkeit ausgeübt wird, die erfahrungsgemäß zu einem im Vergleich zur Wohnnutzung erhöhten Ziel- und Quellverkehr führt und deshalb eine deutlich intensivere Inanspruchnahme der beitragsfähigen Anbaustraße bewirkt. Als solche im Verhältnis zur Wohnnutzung qualifizierten Nutzungsarten sind zunächst die industrielle und die gewerbliche Nutzung im engeren Sinne zu verstehen, derentwegen durch betriebliche Fahrzeuge, Kunden- und Lieferantenverkehr in erhöhtem Maße ein Ziel- und Quellverkehr entsteht. Darüber hinaus sind aber auch solche Nutzungen zu berücksichtigen, die auch ohne gewerbliche Tätigkeit auf einen erhöhten Besucher- oder Kundenverkehr abstellen und deshalb ebenfalls erfahrungsgemäß eine ins Gewicht fallend intensivere Inanspruchnahme einer Anbaustraße verursachen als eine Wohnnutzung (z.B. freiberufliche Tätigkeit in Arztpraxen oder Rechtsanwaltskanzleien, öffentliche Gebäude der Verwaltung, Schulen, Gerichte). Entscheidend für die Belastung eines Anliegergrundstücks mit dem Artzuschlag ist es, ob seine Nutzung mehr derjenigen eines Gewerbe- oder Industriebetriebes, der in verstärktem Maße An- und Abfahrverkehr und damit eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme der ausgebauten Straßen mit sich bringt, oder mehr der Nutzung eines Grundstücks zu Wohnzwecken vergleichbar ist. Bei der Feststellung einer derart qualifizierten Nutzung ist auf die Nutzungsart und den dadurch typischerweise ausgelösten Verkehr abzustellen und nicht auf den Ziel- und Quellverkehr im jeweiligen Einzelfall, so dass auch etwa eine schlecht gehende Arztpraxis zu Recht als „gewerbeähnlich" einzustufen ist. Entscheidend ist danach der allgemeine Charakter der Nutzung und nicht der individuelle Umfang des Verkehrs gerade zum Zeitpunkt der Entstehung des Beitragsanspruchs (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 11.12.1987 - 8 C 85/86 - BVerwGE 78, 321; VGH Kassel, Urt. v. 24.11.1994 - 5 UE 255/94 - NVwZ-RR 1995, 350; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 36 Rn. 5 mit § 18 Rn. 59 f.; entsprechend zum Ausbaubeitragsrecht: OVG Lüneburg, Urt. v. 21.11.1988 - 9 OVG A 68/87 - AgrarR 1990, 179; OVG Schleswig, Urt. v. 13.10.1999 - 2 L 116/97 - SchlHA 2000, 43; OVG Magdeburg, Beschl. v. 19.11.2004 - 2 M 337/04 - in juris Rn. 8; Driehaus a.a.O. § 36 Rn. 5; Habermann, a.a.O. Rn. 252; Thiem/ Böttcher, a.a.O. § 8 Rn. 676 f.).

38

Das o.g. Urteil des OVG Schleswig behauptet zwar eine gewerbliche Nutzung im Sinne des Beitragsrechts, begründet dies aber nicht. Während der Betrieb von Hotels und Pensionen typischerweise durch das Personal einerseits und durch den Anliefer-, Ver- und Entsorgungsbedarf andererseits einen erhöhten Zu- und Abgangsverkehr erzeugt, stellt die Vermietung von Wohnungen oder Gästezimmern an Feriengäste im Regelfall keine gegenüber der Wohnnutzung qualifizierte Nutzungsart dar (so i.E. auch Habermann, a.a.O.). Denn es ist nicht erkennbar, dass nennenswert mehr Verkehr allein dadurch entsteht, dass eine Wohnung - oder ein einzelnes Zimmer - nicht vom Eigentümer selbst genutzt oder im Rahmen eines Dauermietvertrages vermietet, sondern jeweils nur kurzfristig an Feriengäste vermietet wird.

39

Dies gilt auch dann, wenn es - wie hier geltend gemacht - regelmäßig zum Vermietungsbetrieb gehören sollte, die jeweilige Endreinigung der Ferienwohnungen vom Personal des Vermieters oder durch eine Reinigungsfirma vorzunehmen, die Betten zu beziehen, den Kühlschrank zu bestücken oder die Appartements und die Außenanlage von einem Hausmeisterservice betreuen zu lassen. Auch dies rückt die Vermietung von Wohnungen oder Zimmer an Feriengäste beitragsrechtlich betrachtet noch nicht in eine überzeugende Nähe zum Hotel- oder Pensionsbetrieb. Vergleichbare Dienstleistungen werden auch in dauerhaft bewohnten Häusern oder Wohnungen erbracht, etwa wenn wöchentlich eine Reinigungskraft erscheint oder sonst bei der Versorgung der Kinder, des Haushalts oder des Gartens fremde Hilfe in Anspruch genommen wird. Die genannten Dienstleistungen sind typischerweise auch nicht so personalintensiv wie die eines Hotel- oder Pensionsbetriebs, da sie nur bei der An- und Abreise, aber nicht täglich im Sinne einer „Rundumversorgung“ erbracht werden. Hinzu kommt, dass die Ferienwohnungen im Unterschied zu den Hotel- oder Pensionszimmern regelmäßig mit eigener Küche und eigenem Bad ausgestattet sind und der Feriengast sich selbst versorgt, sodass er insoweit auch freier disponieren und planen kann als ein Hotelgast.

40

Bei der damit erforderlich werdenden Abgrenzung insbesondere zwischen Pensionen - die im Vergleich zu Hotels regelmäßig niedrigere Standards und einen nur eingeschränkten Restaurationsbetrieb haben - und der privaten Vermietung von Gästezimmern orientiert sich die Kammer an der sog. G-Klassifizierung für Gästehäuser, Gasthöfe und Pensionen, die der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA) in Kooperation mit dem Deutschen Tourismusverband (DTV) entwickelt hat. Danach zählen u.a. die tägliche Zimmerreinigung und ein Frühstücks- und Getränkeangebot selbst bei einer Unterkunft für einfache Ansprüche (1 Stern) zum Standard (siehe www.g-klassifizierung.de). Dieser Minimalstandard des täglichen Bettenmachens, Zimmerreinigens und Frühstücksbereitens ist es, der die Pension typischerweise von der Vermietung privater Gästezimmer unterscheidet.

41

Zum Vergleich sei im Übrigen verwiesen auf die Rechtsprechung des OVG Magdeburg für den Bereich der heimmäßigen Unterbringung älterer Menschen, die hinsichtlich des Artzuschlages unterscheidet zwischen Altenwohnheimen (betreutes Wohnen) und klassischen Altersheimen einerseits und Altenpflegeheimen andererseits - je nachdem, ob (noch) der Wohncharakter im Vordergrund steht oder der Bedarf nach Betreuung und Versorgung (OVG Magdeburg, Beschl. v. 19.11.2004 - 2 M 337/04 - in juris Rn. 9; zustimmend Driehaus, a.a.O. Rn. 62). Entsprechend kann angenommen werden, dass auch beim Feriengast der Wohncharakter typischerweise im Vordergrund steht.

42

Hiervon ausgehend gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die maßgebliche Beitragsfläche von den angenommenen 140.358,33 m² auf 134.166,81 m² zu reduzieren ist, weil bei den oben aufgeführten Grundstücken ohne die Ferienwohnungen / Zimmer keine überwiegende gewerbliche Nutzung i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 2 ABS mehr verbleibt und die erhobenen Artzuschläge deshalb wieder abzuziehen sind. Umgekehrt wäre für das Grundstück Seestraße ... ein Artzuschlag zu erheben gewesen, da hier ein baurechtlich eingeschossiges Hotel Garni mit Frühstücksbuffet, Schwimmbad und Sonnenbank betrieben wird. Zuzüglich der weiteren 30 % (= 491,10 m²) ergibt sich daraus eine Beitragsfläche von 134.657,91 m² und ein erhöhter Beitragssatz von 2,7866267 €/m². Auf das Grundstück Seestraße ... entfällt mithin ein Gesamtanteil von 9.353,59 € und auf die Klägerin als Miteigentümerin zu 208/10.000 Anteilen ein Beitrag von 194,55 €. In Höhe des überschießend festgesetzten Beitrags von (242,65 € - 194,55 € =) 48,10 € ist der angefochtene Bescheid daher aufzuheben.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

44

Die Kammer lässt die Berufung zu gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Wie sich aus den obigen Entscheidungsgründen ergibt, weicht die Kammer mit diesem Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig (OVG Schleswig, Urt. v. 13.10.1999 - 2 L 116/97 - SchlHA 2000, 43) ab. Das Urteil beruht u.a. auf dieser Abweichung.


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 8 A 13.40037, 13.40038, 13.40039, 13.40040, 13.40041, 13.40042, 13.40044

Im Namen des Volkes

Urteil

Verkündet am 14. Juli 2015

8. Senat

Venus, als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 554

Hauptpunkte:

Erweiterung eines Verkehrsflughafens, Planrechtfertigung aus Sicherheitsgründen, Nachtflugregelung, Zulassung von Flugbetrieb in den Nachtrandstunden, Lärmimmissionen, Fluglärmschutzgesetz, Artenschutz, kommunale Belange, Sicherheitsbelange, Wirbelschleppen, Absturzrisiko

Rechtsquellen:

Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1, 2 und 3, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, § 8 Abs. 1 und Abs. 4, § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, § 2 Abs. 2 FluglärmG, § 15, § 44 Abs. 1 und 5, § 45 Abs. 7 BNatSchG

Leitsätze:

In den Verwaltungsstreitsachen

...

gegen

Freistaat Bayern,

vertreten durch: Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstr. 23, 80539 München,

- Beklagter -

beigeladen: ...

vertreten durch: ...

diese vertreten durch den Geschäftsführer,

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

wegen Erweiterung Verkehrsflughafen Memmingen

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat, durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Allesch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bauer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Löffelbein aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 27. Mai, 28. Mai, 2. Juni und 25. Juni 2015,

folgendes Urteil:

I.

Die Klagen werden abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verhältnis ihrer Anteile am Gesamtstreitwert.

Die Kläger der Verfahren 8 A 13.40039 und 8 A 13.40041 haften für den auf das jeweilige Verfahren entfallenden Kostenanteil als Gesamtschuldner.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand der Verwaltungsstreitverfahren ist der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - vom 1. März 2013 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 15. Juni 2015 für die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen.

Der Verkehrsflughafen Memmingen wird auf der Grundlage der bestandskräftigen luftrechtlichen Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 betrieben. In der luftrechtlichen Genehmigung wurde die Konversion des mit Ablauf des 20. Juli 2004 aus der militärischen Trägerschaft entlassenen ehemaligen Nato-Militärflugplatzes Memmingen zur Anlage und zum Betrieb eines zivilen Flugplatzes der Kategorie 4 D nach ICAO-Anhang 4 zugelassen.

Der Flughafen weist in seinem Bestand eine Start- und Landebahn nebst zugehöriger Rollwege auf. Die Start- und Landebahn hat eine Länge von insgesamt 2.981 m und eine Breite von 30 m. Der Flugbetrieb ist derzeit täglich von 06.00 Uhr Ortszeit bis 22.00 Uhr Ortszeit zulässig. In der Zeit zwischen 22.00 Uhr Ortszeit und 23.00 Uhr Ortszeit sind Landungen von Flügen, die planmäßig vor 22.00 Uhr Ortszeit hätten stattfinden sollen, zulässig, sofern unerwartete Umstände mit verzögernder Wirkung eingetreten sind, die zum Zeitpunkt des Abflugs nicht vorhersehbar waren. Diese Landungen bedürfen derzeit der vorherigen Genehmigung des Beklagten.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss soll der Start- und Landebahnbereich innerhalb der vorhandenen betonierten Bahnfläche mit einer Breite von 60 m entsprechend den Maßgaben des in dem ICAO-Anhang 14 bestimmten Codeletter D auf 45 m verbreitert werden. Zuzüglich sollen je 7,50 m befestigte Schultern belassen, aber der Höhe nach angepasst werden. Darüber hinaus soll der Rollweg S vom Vorfeld Passagierluftfahrt mit Weiterführung südlich der Start- und Landebahn in den Südbereich verlegt werden. Auch die Vorfelder und Abstellpositionen erfahren bauliche Änderungen. Für den zu erwartenden Kfz-Stellplatzbedarf werden ein Parkhaus (1.832 Stellplätze) und weitere neue Parkflächen ausgewiesen. Das Terminal sowie das bestehende Verwaltungs- und das Feuerwehrgebäude werden erweitert.

Der Flugbetrieb soll - vorbehaltlich der nachfolgenden Regelungen - täglich von 06.00 Uhr Ortszeit bis 23.00 Uhr Ortszeit zulässig sein. Planmäßige Starts sollen zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr, planmäßige Landungen zwischen 06.00 Uhr Ortszeit und 22.30 Uhr Ortszeit - bei Flügen aus Drehkreuzflughäfen und von Flugzeugen mit Heimatbasis Memmingen bis 23.00 Uhr Ortszeit - zulässig sein. Verspätete Starts, die planmäßig vor 22.00 Uhr Ortszeit hätte stattfinden sollen, werden bis 23.00 Uhr Ortszeit, verspätete Landungen, die planmäßig vor 22.30 Uhr Ortszeit hätten stattfinden sollen, ebenfalls bis 23.00 Uhr zugelassen. In der Zeit zwischen 23.00 Uhr Ortszeit und 23.30 Uhr Ortszeit sollen verspätete Landungen nur nach vorheriger Genehmigung der Beigeladenen zugelassen werden, wenn zudem weitere (einschränkende) Voraussetzungen erfüllt sind. Außer den genannten Flugbewegungen sollen zwischen 22.00 Uhr Ortszeit und 06.00 Uhr Ortszeit Flugbewegungen nur aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen sowie aus Gründen des Katastrophen- oder medizinischen Hilfeleistungseinsatzes oder Flugbewegungen, die das Luftamt in begründeten Ausnahmefällen zugelassen hat, stattfinden dürfen, wenn sie zur Vermeidung erheblicher Störungen im Luftverkehr oder aus sonstigen Gründen im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich sind.

Nach der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Bedarfsprognose wird für das Jahr 2025 am Verkehrsflughafen Memmingen ein Bedarf von ca. 32.346 Flugbewegungen für den Prognose-Nullfall und von 39.990 Flugbewegungen für den engpassfreien Prognosefall 2025 prognostiziert. Bezüglich der Nachtflugregelung in den sogenannten Nachtrandstunden geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass die aktuellen Betriebszeiten nicht ausreichend seien. Dabei wird ein Bedarf nach jährlich ca. 2.000 Flügen bei einer Regelbetriebszeit bis 23.30 Uhr und einer Verspätungsregel bis 24.00 Uhr ermittelt. Dies entspricht 5,4 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht. Von den 2.000 für den Planfall 2025 prognostizierten Nachtflugbewegungen seien 10% (200 Flugbewegungen) verspätungsbedingt. Die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen (Landungen) betrifft nur die erste Nachtrandstunde (22.00 Uhr bis 23.00 Uhr). Die Zulassung dieser Flugbewegungen sei zum Zwecke einer effektiven Umlaufplanung erforderlich. Für die Zeit von 22.30 Uhr bis 23.30 Uhr trete als Rechtfertigungsgrund hinzu, dass Flüge im Fluglinienverkehr aus Drehkreuzen zu erwarten seien und der Verkehrsflughafen Memmingen auch als Heimatbasis für Luftfahrtunternehmen diene.

Die von der Beigeladenen beim Beklagten eingereichten Antragsunterlagen (Antrag vom 7.6.2011) lagen vom 4. Juli bis zum 3. August 2011 öffentlich aus. Am 12. Januar 2011 und 11. Januar 2012 fanden die Erörterungstermine statt.

Die Kläger S. (8 A 13.40039) bewohnen auf dem Grundstück FlNr. ..., Gemarkung M., ein Wohngebäude. Die Kläger M. (8 A 13.40040) und S. (8 A 13.40044), eingetragene Lebenspartner, bewohnen das Anwesen auf den Grundstücken FlNr. ... und ..., jeweils Gemarkung M.; Eigentümer der Grundstücke ist der Kläger M.. Die Kläger F... (8 A 13.40041) bewohnen das Anwesen auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung U., die Klägerin R. (8 A 13.40042) das Anwesen auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung M..

Die Gemeinde W. macht geltend, dass ihre kommunalen Einrichtungen (Kindergarten, Grundschule) unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt seien. Zudem werde in rechtswidriger Weise in die kommunale Planungshoheit eingegriffen, weil der Bereich „R.straße“ in der Nacht-Schutzzone liege, ein Bereich, der in einer Einbeziehungssatzung als Wohnbaufläche ausgewiesen sei. Außerdem sieht die Gemeinde ihr Gemeindeentwicklungskonzept und ihre Vorplanung zur Dorferneuerung gefährdet.

Der Kläger B. ..., eine nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannte Naturschutzvereinigung, macht geltend, dem Vorhaben fehle es an der Planrechtfertigung, der Nachtflugbetrieb führe zu einer unzumutbaren Lärmbelastung bzw. einer Gesundheitsschädigung, die Luftverkehrssicherheit sei durch Absturzgefahr, Wirbelschleppen und Vogelschlagsgefahr in Zweifel zu ziehen. Die naturschutzrechtlich gebotenen Ersatzmaßnahmen seien weitgehend ungeeignet, weil sie bereits jetzt naturschutzfachlich hochwertige Flächen darstellten. Hinsichtlich der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung sei der gewählte Erfassungsrahmen unzureichend. Im Bereich des Klimaschutzes sei zu bemängeln, dass Zusatzbelastungen an Treibhausgasimmissionen durch das Vorhaben nicht ermittelt worden seien. Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung enthalte keine Ermittlung der Auswirkungen durch die Kohlendioxidemissionen, die durch das Vorhaben verursacht würden.

Die privaten Kläger machen ergänzend geltend, ihre Grundrechte (Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG) seien vor allem durch die mit dem zunehmenden Flugverkehr verbundenen gesteigerten Fluglärmbelastungen verletzt. Diese führten zu einer Wertminderung der sich im Eigentum der Kläger befindlichen Grundstücke, zu einer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit und für die Berufstätigen zu einer Beeinträchtigung der ungestörten, konzentrierten Arbeitsatmosphäre. Für die Kinder könnte eine ungestörte Nachtruhe nicht mehr gewährleistet werden.

Die Kläger beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen vom 1. März 2013 aufzuheben,

hilfsweise beantragen sie,

festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 1. März 2013 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf,

weiter beantragen sie hilfsweise,

die Betriebszeitenregelung des Planfeststellungsbeschlusses vom 1. März 2013 in Ziffer A.II.1 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klagen abzuweisen.

Sie halten den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klagen sind sowohl hinsichtlich der Hauptanträge als auch hinsichtlich der Hilfsanträge unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern - Luftamt Südbayern - für die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen vom 1. März 2013 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 15. Juni 2015 weist keine Rechtsfehler auf, die zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen.

I.

Das fachplanungsrechtliche Erfordernis der Planrechtfertigung ist bei dem planfestgestellten Vorhaben gegeben.

1. Die Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen steht im Einklang mit den Zielen des Luftverkehrsgesetzes und ist gemessen an den Zielen dieses Gesetzes zum Wohl der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten.

Die Planrechtfertigung ist - als Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in die Rechte Privater verbunden ist - ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung. Das Erfordernis ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllt, wenn für das Vorhaben - gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes, vorliegend des Luftverkehrsgesetzes - ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE, 125, 116 Rn. 182 m. w. N.).

1.1 Das planfestgestellte Vorhaben der Erweiterung des Verkehrsflughafens Memmingen entspricht den Zielen des Luftverkehrsgesetzes. Das Luftverkehrsgesetz regelt umfassend und in einem weiten Sinn den Luftverkehr und soll - wie sich aus § 6 Abs. 1 und 4 LuftVG ergibt - die Anlegung, die Änderung und den Betrieb von Flugplätzen ermöglichen. Ein Verkehrsflughafen, hier der Verkehrsflughafen Memmingen, dient dem allgemeinen Verkehr (vgl. § 38 Abs. 2 Nr. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.7.2008, BGBl I S. 1229) und stellt eine vom Zweck des Luftverkehrsgesetzes umfasste Infrastruktureinrichtung des Luftverkehrs dar, die öffentliche Zwecke erfüllt (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 188). Die Erweiterung des Verkehrsflughafens, vorliegend in erster Linie durch die Erweiterung der Start- und Landebahn, bewegt sich mithin im Rahmen der Zielsetzungen des Luftverkehrsgesetzes (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - BVerwGE 128, 358/372). Dies gilt umso mehr, als die Erweiterung des Start- und Landebahnbereichs mit der Verbreiterung der eigentlichen Start- und Landebahn auf 45 m der Gewährleistung der flugbetrieblichen Sicherheit dient (zur Erfüllung von Sicherheitsanforderungen als Ziel des Luftverkehrsgesetzes vgl. insbesondere BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 188; Reidt in Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand: Juni 2013, § 6 Rn. 110).

1.2 Der Bedarf, aufgrund dessen die Erweiterung des Start- und Landebahnbereichs innerhalb der Bahnbreite von 60 m vernünftigerweise geboten ist, ergibt sich hier bereits aus den Vorgaben des Regelwerks ICAO, Anhang 14.

Rechtlich sind die internationalen Bestimmungen in den Regelwerken der ICAO als fachliche Expertenaussagen im Sinn von antizipierten Sachverständigengutachten zu werten (vgl. Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium des Luftrechts 2009, Bd. 2 Luftverkehr, Rn. 141). Der ICAO wurden in Art. 37 des Chicagoer Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt vom 7.12.1944 (Beitrittsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 7.4.1956, BGBl II S. 411) Befugnisse für Vorgaben international einheitlicher Grundlagen und Rahmenbedingungen des Luftverkehrs verliehen. Auf dieser Grundlage hat die ICAO im Anhang 14 (Mindest-)Standards und Rahmenbedingungen für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen geschaffen und mit dem Handbuch ADM um detaillierte Anforderungen für die Planung von Start- und Landebahnen ergänzt. Diese Vorgaben in den Regelwerken der ICAO bilden für die Mitgliedsstaaten des Chicagoer Abkommens einheitliche technische Vorgaben für die Konzeption und Planung von Start- und Landebahnen und stellen die fachliche Grundlage für die Entscheidung über die Dimensionierung nach Maßgabe der Vorschriften des nationalen Luftverkehrsrechts dar. Schließlich hat die Anlage und der Betrieb von Flughäfen nach § 42 Abs. 1 Satz 2 LuftVZO in Übereinstimmung mit den für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften der ICAO, insbesondere des Anhangs 14, zu erfolgen (vgl. auch Wysk in Grabherr/Reidt/Wysk, Einleitung zum Luftverkehrsgesetz, Rn. 157 bis 159).

Der Verkehrsflughaben Memmingen ist in der luftrechtlichen Änderungsgenehmigung aus 2004 für den Betrieb als Verkehrsflughaben Code 4 D zugelassen. Danach hat die Breite der Start- und Landebahn aus Gründen der Sicherheit des Luftverkehrs gemäß 3.1.10 ICAO Anhang 14 45 m zu betragen. Die aus dem früheren militärischen Betrieb stammende gegenwärtige Breite von lediglich 30 m wurde nur vorübergehend auf der Grundlage einer Ausnahmegenehmigung zugelassen. Die Verbreiterung der Start- und Landebahn von 30 m auf 45 m - bei gleichzeitiger Reduzierung beider Schultern von 15 m auf 7,5 m - ist deshalb schon aus Sicherheitsgründen nach den Vorgaben der ICAO geboten und daher auch planerisch gerechtfertigt.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund geht der Einwand der Kläger, die bauliche Erweiterung der Start- und Landebahn sei nicht erforderlich, weil die für den Planfall 2025 prognostizierte Zahl von Passagieren und Flugbewegungen auf der bestehenden Bahn abgewickelt werden könnte, fehl. Denn die Planrechtfertigung ergibt sich, wie oben dargelegt, bereits aus flugbetrieblichen Sicherheitsgründen, die aus den ICAO-Vorgaben resultieren. Der für den Prognose-Nullfall und den Prognose-Planfall (2025) prognostizierte Luftverkehrsbedarf spielt für die Notwendigkeit der baulichen Erweiterung der Start- und Landebahn keine Rolle (PFB C III 2.1., 2.1., 1.2, S. 156).

2. Hinsichtlich der Planrechtfertigung der planfestgestellten Erweiterungsmaßnahmen kommt es deshalb auf die Luftverkehrsprognose von ... ... GmbH vom 20. April 2011 (Luftverkehrsprognose 2020/2025 für den Allgäu-Airport-Memmingen - nachfolgend: LVP I. 2011) nicht entscheidungserheblich an. Auch die Gutachterin stellt aber klar, dass Hauptzweck dieses Gutachtens nicht die Rechtfertigung des Ausbaus des Verkehrsflughafens ist. Vielmehr gehe es in erster Linie darum, zutreffende Inputdaten für die lärmphysikalischen Berechnungen zur Verfügung zu stellen (vgl. z. B. Stellungnahme von I. ... GmbH vom 22.5.2015, S. 20).

Im Übrigen greifen die Einwände der Kläger gegen die LVP I. 2011 auch nicht durch.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt die Verkehrsprognose nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Prognose ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - NVwZ 2012, 1314 Rn. 59 m. w. N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 23.8.2012 - 8 B 16.08 - juris Rn. 76 m. w. N.). Der Senat hat vorliegend im Ergebnis keine Zweifel, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Verkehrsprognose auf einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der maßgebliche Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Die hinsichtlich der Luftverkehrsprognose von klägerischer Seite vorgebrachten Bedenken vermögen unter Beachtung des gerichtlichen Maßstabs der Kontrolle nicht durchzugreifen.

Die Kritik der Kläger, die Luftverkehrsprognosen der Firma I. ... GmbH hätten sich bereits mehrfach bei Ausbauvorhaben anderer Verkehrsflughäfen als fehlerhaft erwiesen, weil das jeweils prognostizierte Passagieraufkommen und die prognostizierten Flugbewegungen in der Realität nicht zugetroffen hätten, geht fehl. Denn der spätere tatsächliche Eintritt oder Nichteintritt einzelner Prognoseannahmen vermag die Konsistenz und wissenschaftliche Qualität einer notwendigerweise mit Unsicherheiten behafteten Prognose nicht rückwirkend infrage zu stellen (vgl. HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T - juris Rn. 337). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung kann - jedenfalls abgesehen von extrem gelagerten Fällen - ausschließlich die Frage sein, ob die der Planungsentscheidung zugrunde liegende Prognose den an sie gestellten Anforderungen genügt, nicht aber, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1978 - 4 C 79/76 - BVerwGE 56, 110/121 f.). Für einen dergestalt extrem gelagerten Fall ist vorliegend nichts ersichtlich.

Hinsichtlich Methodik, Datengrundlage und Prognoseannahmen hat bereits die Firma P. AG in ihrem Gutachten „Luftverkehrsprognosen für den Allgäu-Airport-Memmingen - gutachterliche Qualitätskontrolle“ im Schlussbericht vom 23. November 2011 die Luftverkehrsprognose 2025 von I. hinsichtlich der Gesamtnachfrage im engpassfreien Szenario und der prognostizierten Zahl der Flugbewegungen als fehlerfrei qualitätsgesichert.

Auch die einzelnen Kritikpunkte der Kläger greifen nicht durch.

Hinsichtlich der prognostizierten Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts legt die Luftverkehrsprognose I. 2011 die zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung aktuellen Zahlen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) zugrunde (vgl. Kapitel 4.1 der LVP I. 2011). Insoweit ist weder eine fehlerhafte Datengrundlage noch eine Verkennung wirtschaftlicher Entwicklungen zu erkennen.

Die Marktanteile der Flughäfen in der LVP I. 2011 sind auch nicht - wie die Kläger meinen - deshalb inkonsistent, weil die Summe der Marktanteile aller Flughäfen in einer Region nie - wie in der LVP - größer sein könne als 100%. Die Marktanteile, die in der LVP I. 2011 in Abb. 5-3 auf S. 44 in Farbgrafiken dargestellt sind, enthalten keine Zahlenwerte - wie die Kläger wohl meinen -, sondern nur grobe Bandbreiten (z. B. gelb: von 20 bis zu 25% Marktanteil). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Marktanteile für den Flughafen Memmingen als auch für die Marktanteile des Flughafens Frankfurt/Main, des Flughafens Zürich und des Flughafens München (vgl. im Einzelnen die Erläuterungen in der Stellungnahme von I. ... GmbH vom 22.5.2015, S. 16/17 f.). Schon von daher ist die Kritik der Kläger nicht nachvollziehbar. Aber auch soweit gerügt wird, die Bedeutung des Flughafens München für den Allgäu-Airport-Memmingen werde verkannt, ist insoweit nur von groben Bandbreiten auszugehen.

Die Vermutung der Kläger, Daten von „Low-Aproaches“ (das sind Anflüge und Durchstarten von Flugzeugen ohne Landung, insbesondere zu Test- und Schulungszwecken) würden auch bei der Passagier-Auslastung mitgezählt, widerspricht den Darlegungen der Vorgehensweise der Luftverkehrsprognose in Kapitel 2 der Luftverkehrsprognose I. 2011. Die Flugbewegungszahlen im Linien- und Charterverkehr werden auf die amtlichen Statistiken gestützt (vgl. LVP I. 2011, Tabelle 7-4). Auch andere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass überhöhte Flugbewegungszahlen zugrunde gelegt worden wären, sind nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Luftverkehrspreise wurde eine Sensitivitätsrechnung erstellt (I. ... GmbH, Sensitivitätsrechnung zu den Luftverkehrspreisen im Auftrag der Beigeladenen vom 28.6.2010). Dabei wurden verschiedene Szenarien mit insgesamt sechs Variablen untersucht. Die Luftverkehrspreise wurden im zugrunde gelegten Prognosezeitraum um 25% nach oben und unten variiert, das Wirtschaftswachstum um ca. 8%. Variiert wurden auch die Bevölkerungszahl, die Erschließung des Flughafens, das Luftverkehrsangebot und das Preisniveau der Low-Cost-Gesellschaften im Verhältnis zu anderen Luftverkehrsgesellschaften. Bei Unterstellung einer Halbierung der Preisdifferenz zu den vergleichbaren Flugstrecken benachbarter Flughäfen wurde ein um 21% auf 1,3 Mio. Passagiere vermindertes Verkehrsaufkommen (bezogen auf 2020 im Status-Q-Fall) prognostiziert. Es kann damit keine Rede davon sein, dass - wie die Kläger wohl meinen - Luftverkehrspreise nicht (auch) unter gegenüber den gegebenen Luftverkehrspreisen variierten Umständen berechnet worden wären. Dass sich dabei auch erhebliche Auswirkungen auf die prognostizierte Passagierzahl ergeben können, ergibt sich auch aus der Sensitivitätsrechnung.

Soweit sich die Kläger auf gegenwärtige oder andere nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eingetretene Preisänderungen beziehen, können solche Preisänderungen die Luftverkehrsprognose nicht infrage stellen. Denn Gegenstand der gerichtlichen Prüfung kann - jedenfalls abgesehen von extrem gelagerten Fällen - ausschließlich die Frage sein, ob die der Planungsentscheidung zugrunde liegende Prognose den an sie gestellten Anforderungen genügt, nicht aber, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1978 - 4 C 79/76 - BVerwGE 56, 110/121 f.). Für einen dergestalt extrem gelagerten Fall ist vorliegend nichts ersichtlich.

Auch die Bedeutung des Flughafens München für den Flughafen Memmingen wurde durch Berücksichtigung der Marktanteile nachvollziehbar dargestellt, wie bereits oben dargelegt.

Die Rüge der Klägerseite, es seien in dem Gutachten zur Qualitätssicherung immer nur optimistische Parameter berücksichtigt worden, geht fehl. Aufgabe des Qualitätssicherers ist es nicht - wie die Klägerseite wohl meint -, die Luftverkehrsprognose anhand eigener - gegebenenfalls auch pessimistischer - Parameter zu messen. Vielmehr ist es nur seine Aufgabe zu überprüfen, ob die in der geprüften Prognose gefundenen Ergebnisse fachlich vertretbar sind, sowie auf einem zutreffenden Sachverhalt und einer nachvollziehbaren Methodik beruhen.

Die Auffassung der Klägerseite, innerdeutsche Flugverbindungen vom bzw. zum Verkehrsflughafen Memmingen ließen sich nur durch Zuschüsse oder Beihilfen durchführen, ist nicht geeignet, die Luftverkehrsprognose infrage zu stellen. Die Luftverkehrsprognose, nach der im Prognosezeitraum auch innerdeutsche Flugverbindungen erwartet werden, geht zur Betriebsfinanzierung von einem Anstieg der Entgelte um 1% pro Jahr über der Inflationsrate aus (LVP I. 2011, S. 37). Öffentliche Förderungen werden in der Prognose nicht thematisiert.

Da öffentliche Förderungen von politischen Entscheidungen abhängig sind, lassen sie sich auch nicht ohne Weiteres wissenschaftlich prognostizieren. Im Übrigen gehört die Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebs auch nicht zum Streitgegenstand. Der entsprechende Beweisantrag (zum Thema Luftverkehrsprognose, Ziff. II, 8. Spiegelstrich) war deshalb abzulehnen.

Auch die übrigen, zum Thema Allgemeine Luftverkehrsprognose gestellten Beweisanträge, die die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2015 (Niederschrift S. 10/11) gestellt haben, waren abzulehnen. Die Klägerseite stellt mit ihren jeweiligen Ausführungen - insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung - den wissenschaftlich begründeten Ausführungen des Beklagten und der Beigeladenenseite eine eigene wissenschaftliche Meinung gegenüber. Jedoch wurde für das Gericht dabei nicht ersichtlich, dass die Ausführungen insbesondere des Verkehrsgutachters zu diesen komplexen Fragen wissenschaftlich methodisch nicht vertretbar wären oder methodisch grobe Mängel aufwiesen. Deshalb musste sich dem Senat eine Beweisaufnahme durch Sachverständige jedenfalls nicht aufdrängen (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 12/05 - NVwZ 2007, 1074 Rn. 71 m. w. N.; B.v. 28.3.2013 - 4 B 15/12 - juris Rn. 19 m. w. N.; vgl. auch BVerfG, B.v. 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - juris Rn. 10 m. w. N.). Außerdem würde eine diesbezügliche Beweiserhebung dem Verfahren möglicherweise nur eine dritte wissenschaftliche Meinung hinzufügen. Die Verwertung bereits im Zuge des Verwaltungsverfahrens erstatteter Gutachten und Äußerungen steht hierbei nach ständiger Rechtsprechung nichts entgegen (vgl. nur BVerwG, B.v. 30.8.1993 - 2 B 106/93 - juris Rn. 2 m. w. N.).

3. Die Planrechtfertigung scheitert auch nicht an der Frage der Finanzierbarkeit.

Für den Bereich des Fernstraßenbaus hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Art der Finanzierung nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist (BVerwG, U.v. 20.5.1999 - 4 A 12/98 - NVwZ 2000, 555/556). Den Mangel der Finanzierbarkeit des Vorhabens darf die Planfeststellungsbehörde hingegen nicht ignorieren. Eine Planung, die aus finanziellen Gründen nicht realisierbar ist, ist rechtswidrig und unzulässig. Ihr fehlt die Planrechtfertigung, weil sie nicht vernünftigerweise geboten ist. Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb bei der Planaufstellung vorausschauend zu beurteilen, ob dem geplanten Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen (BVerwG, U.v. 20.5.1999 - 4 A 12/98 - NVwZ 2000, 555/556; U.v. 24.11.1989 - 4 C 41/88 - BVerwGE 84, 123/128). Dass diese Grundsätze auch für die luftverkehrsrechtliche Fachplanung gelten, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. März 2006 (4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 200) klargestellt.

Die Kläger sind der Meinung, dass die voraussichtlichen Baukosten für alle Erweiterungsmaßnahmen die von der Beigeladenen geschätzten Kosten weit übersteigen würden. Die Beigeladene sei nicht in der Lage, diese Baukosten zu finanzieren, zumal auch der Flughafen bisher nur negative Betriebsergebnisse aufzuweisen habe.

Aus dem Vortrag der Kläger ergeben sich jedoch keine durchgreifenden Gesichtspunkte dafür, dass das Vorhaben nicht realisierbar wäre.

Nach den Angaben der Beigeladenen verfügt sie über die entsprechenden finanziellen Mittel, um den Ausbau der zentralen flugbetrieblichen Einrichtungen durchzuführen. Einzelne bauliche Anlagen sollen darüber hinaus gegebenenfalls im Wege eines Erbbaurechts durch Dritte errichtet und damit auch finanziert werden (Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.5.2015, Punkt 5.1.2, S. 17). Hiermit setzen sich die Kläger nicht substanziiert auseinander.

Hinzu kommt die finanzielle staatliche Unterstützung, die teilweise bereits zugesagt, teilweise in Aussicht gestellt wurde. Zur Finanzierung der Flugplatzinfrastrukturmaßnahmen soll ein Investitionszuschuss des Freistaats Bayern in Höhe von 50% der zuwendungsfähigen Kosten beitragen. Diese geplante Förderung von insgesamt 7,75 Mio. Euro (Fördersatz 50%) ist von der Europäischen Kommission bereits am 5. Juni 2013 genehmigt worden (LT-Drs. 17/3265, S. 2). Darüber hinaus besteht vonseiten des Freistaats Bayern grundsätzlich die Bereitschaft, für den Ausbau der Infrastruktur des Flughafens insgesamt 10 Mio. Euro bereit zu stellen (LT-Drs. 17/3265, S. 2). Dies entspricht der bisherigen Praxis. Der Freistaat Bayern hat dem Flughafen Memmingen bisher schon Investitionskostenzuschüsse in Höhe von ca. 7,5 Mio. Euro für die Konversion des ehemaligen Militärflugplatzes und den Aufbau zum zivilen Verkehrsflughafen gewährt (LT-Drs. 17/3265, S. 1). Im Übrigen wurden die bisherigen Investitionen und der Betrieb des Flughafens von der Beigeladenen finanziert. Nach den - unwidersprochen gebliebenen - Angaben der Beigeladenen hat die Beigeladene bereits ca. 20 Mio. Euro eigene Mittel investiert. Die Gesellschafter haben beschlossen, weitere 5 Mio. Euro Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Betriebsbeihilfen habe die Beigeladene nie in Anspruch genommen. Der Flughafen habe seit dem Jahr 2009 stets einen operativen Gewinn erwirtschaftet. Nur im Jahr 2011 sei insoweit eine Ausnahme zu verzeichnen gewesen. Lediglich bei Hinzurechnung von Zinsen, Abschreibungen und Steuern sei das Betriebsergebnis immer negativ gewesen (Niederschrift vom 27.5.2015, S. 5/6). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das Vorhaben nicht realisierbar wäre. Soweit die Kläger auf Defizite im Betrieb des Flughafens abstellen, weist die Beigeladene darauf hin, dass diese Defizite vonseiten der Gesellschafter ausgeglichen worden seien (vgl. Niederschrift vom 27.5.2015, S. 6).

Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass dem Bau des Vorhabens unüberwindliche finanzielle Schranken entgegenstehen würden, wenn insbesondere berücksichtigt wird, dass die Erstellung und Finanzierung einzelner Anlagen im Wege des Erbbaurechts durch Dritte in Betracht gezogen wird. Die Art der Finanzierung entzieht sich insoweit der Nachprüfung durch die Planfeststellungsbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - juris Rn. 200).

Nach dem oben Gesagten fehlt es auch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Erbringung der Baukosten für die geplanten Anlagen etwa an der Kreditwürdigkeit oder an der Bereitschaft der Gesellschafter, das Vorhaben zu finanzieren, oder an der Unmöglichkeit, Bau und Finanzierung teilweise auf Dritte zu übertragen, scheitern würde. Ob die von den Klägern aufgrund einer „groben Abschätzung“ nach „Erfahrungswerten“ (vgl. Anlage K 18 zur Klagebegründung vom 22.5.2013, S. 28) angenommene Höhe der Baukosten realistisch ist, ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der Baukosten bedurfte es deshalb nicht. Der entsprechende Beweisantrag (Ziffer I, 1. Spiegelstrich, s. Niederschrift vom 2.6.2015, S. 10) war daher abzulehnen. Der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Finanzierbarkeit der zugelassenen Maßnahmen durch die Beigeladene war ebenfalls abzulehnen, weil es sich bei dieser Frage um eine Rechts- und Bewertungsfrage handelt, die eines Sachverständigenbeweises nicht zugänglich ist.

II.

1. Die Zulassung des Nachtflugbetriebs in den Nachtrandstunden ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Der Nachtflugbedarf allein genügt jedoch für die Zulassung von Nachtflugbetrieb nicht. Die Verkehrsinteressen sind nur dann geeignet, sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftverkehrsmarkts betriebliche oder strukturelle Gründe dafür gibt, den Verkehr gerade in den Nacht-randstunden abzuwickeln (BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 400/10 - juris Rn. 35, 36).

Die Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ermächtigt, im Rahmen der Planfeststellung für die Anlegung oder wesentliche Änderung eines Flughafens auch den Flugbetrieb zu regeln. Zentrales Element der Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1991 - 4 C 51/89 - BVerwGE 87, 332/341; U.v. 7.7.1978 - 4 C 79/76 u. a. - BVerwGE 56, 110/116). Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde durch das fachplanerische Abwägungsgebot in Verbindung mit dem in § 29b Abs. 2 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - 1. - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - 2. - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - 3. - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb dieser Grenzen wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet; die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.1975 - 4 C 21/74 - BVerwGE 48, 56/64, dort zum Bundesfernstraßengesetz).

Die sich aus dem Abwägungsgebot in Verbindung mit § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG ergebenden Anforderungen an eine Regelung des nächtlichen Flugbetriebs hat das Bundesverwaltungsgericht wie folgt konkretisiert:

In der sogenannten Nachtkernzeit (00.00 Uhr bis 05.00 Uhr) setzt die Zulassung von Nachtflugbetrieb einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraus. Allein die Absicht, dem Flugverkehr, vor allem dem Linien-, Charter- und Frachtverkehr optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, rechtfertigt es nicht, die Lärmschutzbelange der Anwohner hintan zu stellen. Es müssen vielmehr Umstände gegeben sein, die im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughäfen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet sind.

Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich. Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden. In den Nachtrandstunden und hier besonders in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe dafür, dass ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchzusetzen vermögen. Solche Gründe können sich z. B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften dient, deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abgedeckt werden können (BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125 116, Rn. 287 f.).

Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrandstunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (BVerwG, U.v. 20.4.2005 - 4 C 18/03 - BVerwGE 123, 261/271 f. U.v. 9.7.2009 - 4 C 12/07 - BVerwGE 134, 166 Nr. 17). Die Bedienung der Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein.

Die Planfeststellungsbehörde muss plausibel darlegen, warum der Nachtflugbedarf gerade in der Nacht besteht. Plausible Gründe für die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten können auch dann gegeben sein, wenn es nur um wenige Flugbewegungen geht; die Zahl der Flugbewegungen ist somit ohne erhebliche Bedeutung.

Auch die erste Nachtrandstunde von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr ist schutzwürdig und darf nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden. Ein Lärmschutzkonzept kann es aber rechtfertigen, die Lärmschutzbelange der Anwohner in den Randstunden der Nacht weitgehend hinter den Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen, wenn es eine weitgehende Lärmpause in der Nachtkernzeit vorsieht. Allerdings wäre es auch dann nicht gerechtfertigt, „die Nacht zum Tag zu machen“; die Verhältnismäßigkeit ist daher nur gewahrt, wenn das Konzept eines zum Kern der Nacht hin abschwellenden und danach wieder ansteigenden Flugverkehrs auch in diesem Zeitsegment durchgehalten und der Flugverkehr zur Vermeidung tagähnlicher Belastungsspitzen durch geeignete Vorkehrungen effektiv und konkret begrenzt wird (vgl. BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - juris Rn. 371 f.).

Das Gewicht, das einem nachtrandspezifischen Verkehrsbedarf in behördlichen Abwägungen zukommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Maßgebend sind insbesondere die sich aus den Planungszielen ergebende Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz. Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz bestimmen die Erwartungen, die berechtigterweise an das Verkehrsangebot zu stellen sind, insbesondere an die Zahl und die Diversität der Destinationen, die Frequenz der Verbindung und die Erreichbarkeit des Flughafens in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Diese Erwartungen sind entscheidend dafür, ob das Verkehrsangebot ohne die in Rede stehenden Nachtflugverbindungen noch als „befriedigend“ angesehen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4000/10 - juris Rn. 37). Von Bedeutung kann ferner sein, ob der Bedarf von einem anderen Flughafen nachfragegerecht gedeckt werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2005 - 4 C 18/03 - BVerwGE 123, 261/272).

Auch der Umfang der Nachfrage ist für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs relevant. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung. Mit der Zahl der Flugbewegungen wächst allerdings auch das Gewicht der Lärmschutzbelange. Für die Flughafenanwohner bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug der unterbleibt, eine Entlastung (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4000/10 - juris Rn. 39 m. w. N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für die Zulassung des Nachtflugbetriebs in den Nachtrandstunden vor.

1.1 Nach der „Luftverkehrsprognose 2020/2025 für den Allgäu-Airport Memmingen“ der I.-... GmbH vom 20. April 2011 ist im Prognoseplanfall (2025) mit einer Nachfrage nach Nachtflügen von 5% des Gesamtverkehrs bzw. 5,4% der Flugbewegungen je Durchschnittsnacht zu rechnen. Diese entfielen fast ausschließlich auf den Passagierlinien- und Charterverkehr (Nachtanteil 7,8% an allen Flugbewegungen dieser Verkehrsart) und überwiegend auf ankommende Flüge zwischen 22.00 und 23.00 Uhr. Dies bedeutet einen prognostizierten Bedarf nach jährlich ca. 2.000 Flügen bei einer Regelbetriebszeit bis 23.30 Uhr und einer Verspätungsregel bis 24.00 Uhr (vgl. PFB, S. 270). Dabei sind von den 2.000 für den Planfall 2025 prognostizierten Nachtflugbewegungen 10% (200 Flugbewegungen) verspätungsbedingt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 271, 302). Diese relativ geringe Anzahl von Flugbewegungen zur Nachtzeit steht grundsätzlich der Bejahung eines Nachtflugbedarfs nicht entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4000/09 - juris Rn. 43).

Ein Nachtflugbetrieb in den Nachtrandstunden entspricht auch den Planungszielen des Flughafens Memmingen.

Nach der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Juli 2004 ist der Verkehrsflughafen Memmingen ein regionaler Verkehrsflughafen, der sowohl für die Abwicklung touristischer Verkehre, insbesondere zu den sogenannten Warmwasserzielen, aber auch für die Durchführung von Linienverkehr innerhalb Deutschlands und Europas angelegt worden ist. Die oben dargelegte Nachfrage nach Flugverkehr in den Nachtrandstunden deckt sich mithin mit dem für den Flughafen Memmingen zugelassenen Luftverkehr.

1.2 Im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG fehlt es auch - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an einer besonderen Begründung für die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden.

Der Beklagte hat plausibel dargelegt, dass es besondere sachliche Gründe dafür gibt, dass ein bestimmter Verkehrsbedarf bzw. bestimmte Verkehrssegmente nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden können. Solche Gründe lassen sich hier insbesondere den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung entnehmen.

Für die Luftverkehrsgesellschaften kommt bei der Gestaltung ihres Flugangebots der Umlaufplanung von Luftfahrzeugen eine erhebliche Bedeutung zu. Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Einsatzes der Luftfahrzeuge hängen in erheblichem Maße davon ab, dass die Luftfahrzeuge möglichst viel Zeit in der Luft und nicht am Boden verbringen, also die Anzahl der sogenannten Off-Block-Stunden möglichst hoch ist. Je länger die Betriebsstunden eines Flughafens sind, desto mehr Strecken können grundsätzlich von einem Flugzeug täglich bewältigt werden und desto mehr Umläufe (Hinflüge, Rückflüge und Wendezeiten) können stattfinden (vgl. Luftverkehrsprognose 2012, S. 9). Eine Verbesserung der Effizienz der Luftfahrzeuge dient dabei nicht nur dem wirtschaftlichen Interesse der Luftverkehrsgesellschaften, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer funktions- und nachfragegerechten Einbindung des jeweiligen Verkehrsflughafens in das Luftverkehrsnetz.

In der ergänzenden Stellungnahme 2012 hat I. anhand von insgesamt zehn Modellrechnungen unter anderem fünf typische Kurzstreckenrelationen bzw. typische mittlere Strecken im Low-Cost-Verkehr mit einer Flugzeit von rund 1 Stunde 15 Minuten bis 2 Stunden 15 Minuten sowie drei typische Strecken im Touristikverkehr mit einer Flugzeit von ca. 2 Stunden 45 Minuten bis 4 Stunden 15 Minuten untersucht. Außerdem hat I. auch sogenannte Mehrsektorenflüge mit wechselnden Strecken/Zielen als fiktive Beispiele in die Prüfung der effektiven Umlaufplanung einbezogen. Dabei wurde eine Kombination von Zielen im Low-Cost-Verkehr mit Flugzeiten von ca. 2 Stunden bzw. 2 Stunden 30 Minuten und eine Kombination von Zielen im Touristikverkehr von ca. 2 Stunden 45 Minuten und 4 Stunden 15 Minuten im Wege der Modellrechnungen analysiert.

Hierbei gelangt I. zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Verlängerung der Betriebszeit von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr bei fünf von zehn fiktiven Rotationsbeispielen eine Erhöhung der Umläufe sowie der sogenannten Off-Block-Zeiten und somit erhebliche Verbesserungen bei der Effizienz des Flugzeugeinsatzes ermögliche.

Zwei von fünf Modellrechnungen für typische Kurzstreckenrelationen bzw. für typische mittlere Strecken im Low-Cost-Verkehr führten zu einer weiteren „halben“ Umlaufmöglichkeit der Flugzeuge. Beispielsweise könnten bei typischen Kurzstreckenrelationen mit einer Flugzeit von 1 Stunde 15 Minuten (z. B. für Ziele wie Berlin, Budapest, Düsseldorf, Hamburg oder Pisa) fünf anstelle von 4,5 Umläufen stattfinden. Dies habe zur Folge, dass die sogenannte Off-Block-Zeit sich bei fünf Umläufen von 11 Stunden 15 Minuten auf 12 Stunden 30 Minuten erhöhe.

Eine von drei Modellrechnungen für typische Strecken im Touristikverkehr mit einer Flugzeit von 2 Stunden 45 Minuten (beispielsweise nach Malaga) belege, dass bei einer Verlängerung der Betriebszeiten 2,5 anstatt zwei Umläufe ermöglicht würden. Die sogenannte Off-Block-Zeit würde dann statt 11 Stunden 13 Stunden 45 Minuten betragen.

Auch bei einer Kombination von Zielen im Low-Cost-Verkehr mit einer Flugzeit von 2 Stunden bzw. 2 Stunden 30 Minuten (z. B. Barcelona mit Alicante) könnten drei anstelle von 2,5 Umläufen bei verlängerter Betriebszeit erreicht werden. Dies führe zu einer Erhöhung der sogenannten Off-Block-Zeit von rund 6 Stunden 30 Minuten auf 9 Stunden. Ähnliches ergebe sich bei der Modellrechnung einer Kombination von Zielen im Touristikverkehr mit einer Flugzeit von 2 Stunden 45 Minuten bzw. 4 Stunden 15 Minuten (z. B. Südspanien und Canarische Inseln). Hier ergebe sich eine Erhöhung der sogenannten Off-Block-Zeit von 9 Stunden 45 Minuten auf 14 Stunden.

Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte plausibel eine Verlängerung der Betriebszeit für Landungen zur Ermöglichung einer effektiven Umlaufplanung begrenzt auf 22.30 Uhr anerkannt.

Zum Schutz der Nachtruhe der Bevölkerung ist der Beklagte allerdings hinter dem Antrag der Beigeladenen zurückgeblieben, welche die uneingeschränkte Zulassung planmäßiger Landungen bis 23.00 Uhr begehrt hatte. Zu den hierfür im Rahmen der Abwägung maßgeblichen Gesichtspunkten wird insoweit auf den Planfeststellungsbeschluss (S. 276/277) verwiesen. Für die Zeit von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr hat der Beklagte die Zulässigkeit von Landungen an das Vorliegen weiterer Bedingungen geknüpft. Planmäßige Landungen können in diesem zuletzt genannten Zeitraum nur dann stattfinden, wenn es sich entweder um Flüge im Fluglinienverkehr aus Drehkreuzflughäfen oder um Flüge von Luftfahrzeugen eines Luftfahrtunternehmens, das am Verkehrsflughafen Memmingen seine Heimatbasis hat, handelt (PFB A.II.3.1.3).

Der Einwand der Kläger, Gründe einer effektiven Umlaufplanung seien hier nicht plausibel dargelegt, weil das I.-Gutachten nur auf einer fiktiven Berechnung beruhe und auch kein Bezug zu den am Verkehrsflughafen Memmingen gegenwärtig verkehrenden Luftverkehrsgesellschaften bestehe, greift nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich der Nachtflugbedarf nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2005 - 4 C 18/03 - BVerwGE 123, 261/271 f.; U.v. 9.7.2009 - 4 C 12/07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Eine solche Vorausschau künftiger Entwicklungen ergibt sich hier aus der Luftverkehrsprognose 2011 und der ergänzenden Stellungnahme zum Nachtflugbedarf 2012 von I.. Dabei kommt es auch nicht auf den Nachweis eines standortspezifischen Bedarfs an (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 287 f.). Dass ein Nachtflugbedarf bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, lässt sich nicht nur den genannten Prognosegutachten der Firma I., sondern auch aus der Qualitätssicherung durch die Firma P. AG (Schlussbericht 2014) entnehmen. Der Gutachter der Firma P. AG bestätigte dies auch in der mündlichen Verhandlung schon im Hinblick auf die Gesamtprognose für den Verkehrsflughafen Memmingen, die für das Jahr 2025 auf der Annahme einer Passagierzahl von 2,8 Mio. beruhe. Diese Passagierzahl sei auch der Prognose für den Nachtflugbedarf zugrunde zu legen. Der Wert von 2,8 Mio. Passagieren basiere auf einer qualitätsgesicherten Datengrundlage. Der Gutachter der Firma P. AG hat hierzu ausgeführt, aus der Prognose von 2,8 Mio. Passagieren könne hergeleitet werden, dass ein Flugbetrieb auch in Nachtrandstunden notwendig sei. Insoweit handle es sich um einen Mix aus Nachfrageentwicklungen und entsprechenden Planungen der Flughäfen. Die Prognose sei in dem Maße als sicher zu bezeichnen, wie auch in der Vergangenheit der Luftverkehr gewachsen sei. Deshalb erscheine es als wahrscheinlich, dass erweiterte Betriebszeiten von den Fluggesellschaften auch genutzt würden. Dies entspreche auch den Erfahrungen, die bei anderen Flughäfen gewonnen worden seien.

Soweit die Kläger die Prognose im Hinblick auf die Flugpreisentwicklung infrage stellen, weil am Flughafen Memmingen - anders als in der Prognose zugrunde gelegt - teilweise höhere Flugpreise verlangt würden als an anderen Flughäfen wie in München oder Stuttgart, vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen.

Der Gutachter der Firma I. hat in der mündlichen Verhandlung hierzu überzeugend ausgeführt, dass sich selbst ein Rückgang der prognostizierten Fluggastzahlen aus Gründen von Preissteigerungen um 20% von 2,8 Mio. auf etwa 2,2 Mio. Fluggäste 2025 auf den Nachtflugbedarf nicht auswirken würde. Zwar würden dann etwas weniger Flugbewegungen anfallen, auch in den Nachtrandstunden; diese Flugbewegungen wären aber immer noch als erheblich anzusehen. Daher bestehe auch bei einer solchen Annahme weiterhin ein Bedarf für Flugverkehr in den Nacht-randstunden. Effektive Umlaufplanungen würden nämlich immer benötigt; sie hingen nicht von der Zahl der einzelnen Flugbewegungen ab (s. Niederschrift vom 28.5.2015, S. 6).

1.3 Der Beklagte hat einen Nachtflugbedarf für die Zeit von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr anerkannt für Flüge im Fluglinienverkehr aus Drehkreuzen (1.3.1) sowie für Landungen von Luftfahrzeugen eines Luftfahrtunternehmens mit Heimatbasis am Verkehrsflughafen Memmingen (1.3.2).

1.3.1 Unter Zugrundelegung der gutachterlichen Stellungnahmen von I. erwartet der Beklagte, dass der Verkehrsflughafen Memmingen im Planungsfall an einen oder mehreren Drehkreuzflughäfen angebunden ist. Zur Begründung führt der Beklagte insoweit aus, dass im Hinblick auf das steigende Verkehrsaufkommen sowie den Umstand, dass auch Ferien- und Low-Cost-Luftverkehrsgesellschaften im Begriff seien, Netzstrukturen aufzubauen, ein derartiger Nachtflugbedarf bestehe (PFB, S. 281). Durch die Einrichtung von spätabendlichen Abbringerflügen aus Drehkreuzen ergebe sich auch ein Bündelungseffekt für den Verkehr mit Ost- und Nordeuropa sowie Asien und aus dem Umstand, dass entsprechende Bedürfnisse für Städtereisen vom Allgäu (und Umgebung) nach Berlin bzw. für Urlaubsreisen von Berlin ins Allgäu und für Geschäftsreisen von und nach Berlin kombiniert werden könnten (PFB, S. 281).

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Kläger erschöpfen sich in Argumenten, die sich auf den gegenwärtigen Verkehr am Verkehrsflughafen Memmingen beziehen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Einwands, dass in Memmingen derzeit nur „Punkt zu-Punkt Verkehr“ abgewickelt würde, als auch hinsichtlich des Einwands, dass die früheren Verbindungen des Flughafens Memmingen mit den Flughäfen Berlin und Hamburg aufgegeben worden seien und auch keine konkreten Anzeichen für die Einrichtung eines Drehkreuzes, von dem aus Flugbewegungen nach Memmingen stattfinden würden, ersichtlich seien. Damit machen die Kläger jedoch nur geltend, dass kein standortspezifischer Bedarf bestehe. Hierauf kommt es jedoch nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht an. Mit der Luftverkehrsprognose (s. z. B. S. 53 f.), die entsprechende in Betracht zu ziehende Drehkreuzflughäfen aufführt, setzen sich die Kläger insoweit nicht substanziiert auseinander.

Ob die Verkehrsflughäfen Düsseldorf und Berlin infolge der vorhandenen Umsteigezeiten als Hub-Flughäfen für den Verkehrsflughafen Memmingen ausscheiden (Beweisantrag zum Thema Luftverkehrsprognose, Niederschrift vom 2.6.2015, S. 11), ist im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Hier ist nur von Bedeutung, dass die genannten Flughäfen grundsätzlich als Hub-Flughäfen, die in den Nachtrandstunden - soweit zugelassen - angeflogen werden, in Betracht kommen. Nicht relevant ist dagegen, ob ein solches Angebot später tatsächlich in Anspruch genommen wird. Nach der nachvollziehbaren Prognose von I. ist dies jedoch trotz der Umsteigezeiten zu erwarten. Der Beweisantrag war daher abzulehnen.

1.3.2 Die Zulassung von planmäßigen Landungen bis 23.00 Uhr für Luftfahrzeuge eines Luftfahrtunternehmens mit Heimatbasis am Verkehrsflughafen Memmingen wird durch den Beklagten im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der gegenwärtigen Betriebszeiten das Abstellen von Flugzeugen zwar nicht ausgeschlossen, aber zumindest begrenzt sei. Aufgrund eines Vergleichs mit anderen Verkehrsflughäfen wird aufgezeigt, dass ein Großteil der abgestellten Flugzeuge nach 22.00 Uhr landet und den Betrieb an diesen Flughäfen auch morgens wieder aufnimmt (PFB, S. 289).

Der Einwand der Kläger, der Beklagte lasse für die Annahme einer Heimatbasis insoweit ein bloßes „Wartungsereignis“ genügen, während die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen „Wartungsschwerpunkt“ voraussetze, trifft im Ergebnis nicht zu.

Der Beklagte lässt das bloße Abstellen eines Flugzeugs nicht ausreichen, sondern fordert vielmehr, dass das Flugzeug am Verkehrsflughafen Memmingen stationiert wird (PFB, S. 290). Planmäßige Landungen dürfen zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr nur durchgeführt werden, wenn an dem am Verkehrsflughafen Memmingen abgestellten Luftfahrzeug mindestens Wartungsereignisse durchgeführt werden, die die Kriterien eines Ramp-Checks (R-Check) erfüllen, oder wenn die Besatzung dieses Luftfahrzeugs am Verkehrsflughafen Memmingen ihre Station hat (PFB A.II.3.1.3).

Bei dem sogenannten R-Check handelt es sich nicht nur - wie die Kläger meinen - um eine Sichtkontrolle, die durch den Piloten täglich zu erfolgen habe. Zwar ist in den R-Check auch eine Sichtkontrolle eingeschlossen (PFB, S. 291); diese wird jedoch nicht von der Besatzung, sondern von Dritten durchgeführt. Er umfasst neben der Sichtprüfung von außen und in der Kabine ferner zusätzlich die Überprüfung einiger Funktionen des Flugzeugs. Der Aufwand liegt bei rund vier bis acht Stunden und wird daher normalerweise im Night-stop durchgeführt. Der R-Check kann nicht mehr durch die Besatzung erfolgen, sondern ist durch eigens dafür geschultes Wartungspersonal durchzuführen (PFB, S. 293). Er setzt damit einen finanziellen und infrastrukturellen Aufwand der Luftverkehrsgesellschaft am Standort Memmingen voraus, der ihre Standortbindung stärkt (PFB, S. 294). Von daher kann durchaus von einem Wartungsschwerpunkt gesprochen werden.

1.4 Es wurde damit hinreichend plausibel dargelegt, dass es besondere sachliche Gründe dafür gibt, den genannten Verkehrsbedarf nicht innerhalb der Tagesstunden abzuwickeln. Dabei sieht das Lärmschutzkonzept auch einen zum Kern der Nacht hin abschwellenden Flugverkehr vor. Denn in dem Zeitraum von 23.00 Uhr bis 00.00 Uhr ist kein planmäßiger Luftverkehr mehr zugelassen. Selbst verspätete Flüge wurden nur innerhalb der Zeit von 23.00 Uhr bis 23.30 Uhr zugelassen. Zum Kern der Nacht hin wurde dagegen der von der Beigeladenen beantragte Nachtflugverkehr abgelehnt. Von 23.30 Uhr bis 24.00 Uhr, also zur Nachtkernzeit hin, findet mithin kein Nachtflugverkehr statt, außer in nicht planbaren Notfällen. Zu tagähnlichen Belastungsspitzen kann es auch im Übrigen Zeitsegment der Nachtrandstunden schon im Hinblick auf die relativ geringe Zahl der für diesen Zeitraum prognostizierten Flugbewegungen nicht kommen.

1.5 Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Zulassung verspäteter Flüge aus den von der Planfeststellungsbehörde dargelegten Gründen keinen rechtlichen Bedenken. Auf die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses (S. 298 ff.) wird insoweit Bezug genommen.

2. Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange in der Umgebung des Verkehrsflughafens Memmingen - und damit auch die diesbezüglichen klägerischen Betroffenheiten - im Rahmen seiner fachplanerischen Abwägungsentscheidung umfassend und rechtsfehlerfrei ermittelt und berücksichtigt. Die Planfeststellungsbehörde hat insbesondere das Gewicht der Lärmschutzbelange nicht zu gering eingeschätzt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des im Prognosefall (2025) zu erwartenden Fluglärms als auch hinsichtlich der Gesamtlärmbelastung.

2.1 Zentraler Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange in der fachplanerischen Abwägung für ein Luftverkehrsvorhaben ist die für den Fluglärm anzuwendende fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze. Vor Inkrafttreten des Fluglärmschutzgesetzes (FluglärmG) in der ab dem 7. Juni 2007 geltenden Fassung sowie der zeitgleich vorgenommenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) durch Art. 1 und 2 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) war es mangels gesetzlicher Grundlage Aufgabe der zuständigen Behörde, die fachplanerische Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall anhand der konkreten Begebenheiten zu bestimmen (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 19.1.2007 - 8 BV 05.1963 - juris Rn. 80). Nach der zitierten, vorliegend zugrunde zu legenden Neuregelung bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG demgegenüber nunmehr, dass beim Erlass von Planfeststellungsbeschlüssen zur Anlage neuer oder zur Änderung bestehender Flughäfen sowie Landeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm jeweils die anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten sind. § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i. V. m. § 2 Abs. 2 FluglärmG legt mithin in seinem Anwendungsbereich die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - NVwZ 2012, 1314 Rn. 190 m. w. N.; BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 461 m. w. N.). In diesem Sinn sind die einschlägigen Regelungen des Fluglärmschutzgesetzes abschließend. Für eine einzelfallbezogene Bestimmung von Zumutbarkeitsgrenzen bleibt hiernach kein Raum.

Welche Fluglärmwerte im Rahmen der fachplanerischen Abwägungsentscheidung nach dem Luftverkehrsgesetz anwendbar und von der zuständigen Behörde zu beachten sind, ergibt sich unmittelbar aus den Lärmwerten, die in § 2 Abs. 2 FluglärmG für die sogenannte Tag-Schutzzone 1 bzw. für die Nacht-Schutzzone genannt sind. Den Werten für die sogenannte Tag-Schutzzone 2 (aus denen sich im Rahmen der unmittelbaren Anwendung des Fluglärmschutzgesetzes im Übrigen auch keine Erstattungsansprüche für baulichen Schallschutz oder Ansprüche auf Außenwohnbereichsentschädigung ergeben) kommt für die fachplanerische Abwägung demgegenüber keine Bedeutung zu (vgl. z. B. HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T - juris Rn. 729; BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 462 m. w. N.). Danach ergibt sich vorliegend gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG als fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze ein äquivalenter Dauerschallpegel von 60 dB(A) tagsüber und von 50 dB(A) nachts. Für die Nachtzeit gilt - anders als für die Tagzeit, wo ein Maximalpegel nicht vorgesehen ist - zudem ein Maximalpegel von sechs Mal 53 dB(A). Darüber hinaus hat die Planfeststellungsbehörde auch Lärmbeeinträchtigungen unterhalb dieser Werte in die Abwägung der für und wider das Projekt streitenden Belange einzustellen und zu würdigen. Diesen Anforderungen wird der angegriffene Planfeststellungsbeschluss gerecht.

Die Planfeststellungsbehörde geht - entgegen der Auffassung der Kläger - in ihrer Abwägung der Lärmschutzbelange nicht davon aus, dass ein wesentlicher Lärmzuwachs erst anzunehmen sei, wenn der äquivalente Dauerschallpegel am Tag oder in der Nacht um 2 dB(A) zunehmen würde.

Die Planfeststellungsbehörde hat vielmehr bei der Abwägung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG genannten Werte beachtet. Diese Werte beschreiben den zukünftigen und voraussichtlichen Lärmschutzbereich des Flughafens (Tag-Schutzzone 1, Tag-Schutzzone 2 und Schutzzone für die Nacht, § 2 Abs. 1 und 2 FluglärmG). Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit durch flugbetriebsbedingten Lärm eine Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter eintreten kann; zudem werden die Lärmschutzinteressen der Anwohner, auch soweit es sich um Lärmwerte unterhalb der Werte gemäß § 2 Abs. 2 FluglärmG handelt, in die Abwägung einbezogen (PFB 3.3.4.1, S. 208 ff.).

Dabei geht die Planfeststellungsbehörde für die Einrichtung der Lärmschutzbereiche davon aus, dass die Lärmwerte für wesentlich baulich erweiterte zivile Flugplätze nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG zugrunde zu legen sind, da die baulichen Maßnahmen an vereinzelten Orten in der Umgebung des Flughafens zu einer Erhöhung des äquivalenten Dauerschallpegels an der Grenze der Tag-Schutzzone 1 um mindestens 2 dB(A) führen werde (PFB 3.3.4.2.1, S. 211 ff.). Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der Abwägung der Lärmschutzbelange - zugunsten der Kläger - die gegenüber den Lärmwerten für bestehende zivile Flugplätze (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FluglärmG) weitaus strengeren Lärmwerte zugrunde gelegt werden (z. B. für die Tag-Schutzzone 1: 60 dB(A) nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG gegenüber 65 dB(A) für die Tag-Schutzzone 1 nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FluglärmG). Die Klägerseite verwechselt mithin die Frage der Wesentlichkeit der baulichen Erweiterung eines Flugplatzes (§ 2 Abs. 2 Satz 4 FluglärmG) mit der Frage der Wesentlichkeit einer Lärmzunahme im Rahmen der Abwägung. Soweit im Rahmen der Abwägung auf die Erheblichkeit einer Lärmbelastung abgestellt wird oder abzustellen ist, hat die Planfeststellungsbehörde die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG herangezogen (so ausdrücklich bereits PFB 3.3.4.1, S. 210).

2.2 Die Auffassung der Kläger, ihre Lärmschutzbelange seien nicht mit dem hinreichenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden, weil die Zumutbarkeitsschwelle unter lärmmedizinischen Gesichtspunkten zu hoch angesetzt worden sei, geht fehl.

2.2.1 Das lärmmedizinische Gutachten „Zum Lärmschutzkonzept der Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem des Verkehrsflughafens Düsseldorf“ von PD Dr. Dr. R. vom 9. November 2005, auf das sich die Kläger insoweit stützen, kritisiert die Zugrundelegung eines Maximalpegels von 19 x 99 dB(A) als Richtwert für die (verfassungsrechtliche) Zumutbarkeitsschwelle, ab der eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausgeschlossen sei. Dieser Maximalpegel wurde von der Planfeststellungsbehörde im vorliegenden Fall weder als Richtwert für die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle noch für die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle zugrunde gelegt. Die von PD Dr. Dr. R. in dem genannten Gutachten geübte Kritik, der Richtwert von 19 x 99 dB(A) entbehre einer sachlichen Begründung, ist insoweit mithin ohne Bedeutung.

2.2.2 Die Planfeststellungsbehörde geht von einer verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Wohngebieten bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) tags und von 60 dB(A) nachts aus. Ab diesen Dauerschallpegeln sei auch aus lärmmedizinischer Sicht ein „kritischer Toleranzwert“ erreicht, bei welchen Gesundheitsgefährdungen und/oder -beeinträchtigungen nicht mehr ausgeschlossen werden könnten. Die Planfeststellungsbehörde orientiert sich dabei unter anderem auch an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. U.v. 16.3.2006 - 4 A 1078/04 - juris; U.v. 9.11.2006 - 4 A 2001.06 - juris), der sich der erkennende Senat anschließt. Diese verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle wird von den zu erwartenden Fluglärmauswirkungen des Vorhabens in keiner der betroffenen Ortslagen erreicht. Die ungünstigste vom Fluglärm betroffene Ortslage (Immissionsort Z...) weist einen Dauerschallpegel von knapp unter 65 dB(A) tags und knapp über 55 dB(A) nachts auf (s. Abb. 7, S. 30 des lärmphysikalischen Gutachtens) und liegt damit deutlich unterhalb der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle. Ob darüber hinaus für den Tagschutz auch einem Pegel-Häufigkeitskriterium von 19 x 99 dB(A) als kritischem Toleranzwert Bedeutung beizumessen sei, hat die Planfeststellungsbehörde schlüssiger Weise offen gelassen, weil Pegelwerte in diesem Bereich nicht zu erwarten seien (vgl. im Einzelnen PFB 3.3.4.8.6, S. 245 ff.).

2.2.3 Der Einwand der Kläger, es sei widersprüchlich, für die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle die Lärmwerte des Fluglärmschutzgesetzes nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG i. V. m. § 2 Abs. 2 FluglärmG für allein maßgeblich zu erachten, weil dann die gesetzliche Vorschrift des § 40 Abs. 1 Nr. 10b LuftVZO, wonach ein lärmmedizinisches Gutachten einzuholen ist, überflüssig wäre, greift nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 u. a. - juris Rn. 180 m. w. N.) bestimmen die jeweils anwendbaren Lärmwerte des § 2 Abs. 2 FluglärmG die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle und damit die Auslösewerte, bei deren Überschreiten der Vorhabenträger die Benutzung der benachbarten Grundstücke durch Erstattung der Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Schallschutzes sicher zu stellen sowie Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs zu leisten hat. Soweit die Lärmschutzbelange vom Regelungsanspruch des Fluglärmgesetzes erfasst sind, decken dessen Lärmgrenzwerte alle Schutzziele ab, die in der lärmmedizinischen Literatur diskutiert werden und die von dem im Planfeststellungsverfahren vorgelegten lärmmedizinischen Gutachten aufgegriffen werden. Damit ist die Planfeststellungsbehörde im Interesse einer Verbesserung der Rechtssicherheit und der Verfahrensbeschleunigung in Zukunft grundsätzlich der Verpflichtung enthoben, jedenfalls bei der Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze Erkenntnissen der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung nachzugehen (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 - 4 A 4001/10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 167). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Planfeststellungsbehörde gehindert wäre, auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG für atypische, vom Regelungsanspruch des Fluglärmschutzgesetzes nicht erfasste Situationen Schutzanforderungen in ihr Lärmschutzkonzept einzubauen (BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 u. a. - juris Rn. 184). Insoweit können unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall lärmmedizinische Erkenntnisse Bedeutung bei der abwägenden Entscheidung über einzelne Betriebsregelungen oder die Ermittlung atypischer Situationen erlangen (vgl. HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 11 C 227/08 - juris Rn. 609; hierzu auch BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 u. a. - juris Rn. 192). Davon geht auch die Planfeststellungsbehörde im vorliegenden Fall aus. Eine atypische Situation im Sinn dieser Rechtsprechung hat die Planfeststellungsbehörde auf dieser Grundlage indes ohne Rechtsfehler verneint (PFB 3.3.4.2.3, S. 216).

2.2.4 Der sinngemäße Einwand, eine Absenkung der fachplanerischen Zumutbarkeitsgrenze sei im Hinblick auf die jeweilige individuelle Situation betroffener Bewohner, insbesondere bei Kindern, erforderlich, geht jedenfalls im Ergebnis fehl.

Schon § 9 Abs. 2 LuftVG liegt zugrunde, dass Maßnahmen zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. Die nach § 9 Abs. 2 LuftVG gebotene grundstücksbezogene Betrachtungsweise lässt es jedoch nicht zu, die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung von den konkreten Nutzungsverhältnissen eines Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen. Dies schließt die Berücksichtigung besonderer Umstände der Person des Eigentümers oder Nutzers aus (BVerwG, U.v. 29.1.1991 - 4 C 51/89 - BVerwGE 87, 332/386). Besondere Empfindlichkeiten, gesundheitliche Indispositionen oder sonstige persönliche Eigenheiten haben insoweit außer Betracht zu bleiben. Was der Nachbarschaft an Beeinträchtigungen abverlangt werden kann, ist vielmehr anhand eines typisierenden und generalisierenden Maßstabs zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - juris Rn. 325). Von diesem typisierenden und generalisierenden Maßstab geht auch das Fluglärmschutzgesetz (§ 9 i. V. m. § 2 Abs. 2 FluglärmG) aus. Der pauschalierende Ansatz des Fluglärmschutzgesetzes knüpft an das mit Wohnraum bebaute Grundstück an und nicht an die jeweilige individuelle Situation der betroffenen Bewohner. Damit sind die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 FluglärmG auch für Bevölkerungsgruppen maßgeblich, die von der Klägerseite als besonders schutzbedürftig angesehen werden, insbesondere bei Kindern, alten und kranken Menschen und auch bei Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit besonders unter dem Fluglärm leiden. Abweichende Regelungen im Einzelfall, insbesondere bei atypischen Problemlagen, bleiben hiervon unberührt. Solche atypischen Sondersituationen sind hier jedoch nicht ersichtlich.

Auch das im Planfeststellungsverfahren vorgelegte lärmmedizinische Gutachten von Prof. Dr. med. S. vom 18. Mai 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die mit dem Fluglärmschutzgesetz normierten Grenzwerte dem Stand der lärmmedizinischen Forschung entsprechen (s. S. 68 f. des lärmmedizinischen Gutachtens). Insbesondere seien nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand besondere Betrachtungen von Kindern und Jugendlichen in den Wohnbereichen nicht erforderlich (S. 58/59 des lärmmedizinischen Gutachtens). Die hieran von der Klägerseite geübte Kritik überzeugt jedenfalls im Ergebnis nicht. Denn auch der Gutachter Prof. Dr. S. gelangt - wohl entgegen der Auffassung der Kläger - zu dem Ergebnis, dass bei Kindern eine grundsätzliche Schutznotwendigkeit besteht. Ebenso ist nach den Erläuterungen des in der mündlichen Verhandlung von der Beigeladenen zugezogenen Lärmwirkungsforschers Prof. Dr. P. davon auszugehen, dass die erlassenen Lärmschutzgesetze als wirksam zu beurteilen sind. Dies bestätigten auch neuere Studien (Niederschrift vom 2. Juni 2015, S. 8).

2.3 Die Rüge der Gemeinde W., die Lärmbetroffenheit ihrer kommunalen Einrichtungen sei im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden, trifft nicht zu.

2.3.1 Die Lärmbetroffenheit des Seniorenheims kann die Gemeinde W. nicht geltend machen, weil sie - ausweislich des Grundbuchs des Amtsgerichts M. (Bd. 37 Bl. 1326) - nicht Eigentümerin des Seniorenheims am Schulweg ist. Es handelt sich auch um keine gemeindliche Einrichtung.

2.3.2 Hinsichtlich der kommunalen Einrichtungen Schule und Kindergarten ergeben sich nach dem schalltechnischen Gutachten der Firma A... Lärmwerte von 54,1 dB(A) tags im Prognose-Nullfall und 54,9 dB(A) tags im Prognose-Planfall 2025 (Volksschule) bzw. von 54,4 dB(A) tags im Prognose-Nullfall und 55,2 dB(A) tags im Prognose-Planfall 2025 (Kindergarten). Diese Lärmwerte (s. hierzu im Einzelnen Tabelle 2 und Tabelle 11 des schalltechnischen Gutachtens der Firma A..., S. 13 bzw. S. 27) liegen knapp unterhalb bzw. knapp oberhalb der Lärmwerte der Tag-Schutzzone 2 nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FluglärmG. Die Einordnung der Planfeststellungsbehörde in die Tag-Schutzzone 2 ist deshalb jedenfalls nicht zu beanstanden. Dass Schule und Kindergarten in der Nachtzeit genutzt würden, ist nicht ersichtlich. Auf die Lärmwerte, die für die Nachtzeit prognostiziert wurden, kommt es deshalb insoweit nicht an.

Auch der Einwand der Gemeinde, die Zumutbarkeitsschwellen würden jedenfalls durch die Gesamtlärmbelastung, insbesondere im Hinblick auf die zusätzliche Belastung durch den Straßenverkehr der Autobahn A 96 und den Schienenverkehr, nicht eingehalten, greift hier nicht durch. Denn selbst verfassungsrechtlich bedenkliche Lärmwerte, wie sie die Klägerin für ihre Grundstücke offenbar geltend machen will, bilden nicht stets, sondern nur dann die Grundlage für eine in der Planfeststellung zu berücksichtigenden Schutzpflicht, wenn sie dem planfestgestellten Vorhaben zuzurechnen sind (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 5/07 - juris Rn. 17). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn ausweislich des lärmphysikalischen Gutachtens vom 20. Mai 2011 ergibt sich (vgl. dort die Einzelpunktnachweise auf S. 28), dass Fluglärm, der von dem am Tage bestandskräftig mit Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 zugelassene Flugbetrieb ausgeht im Prognose-Null- und im Prognose-Planfall 2025 an beiden vorgenannten Immissionsorten (Schule und Kindergarten) um lediglich 0,8 dB(A) zunimmt. Damit ist nach der genannten Rechtsprechung eine dem planfestgestellten Ausbau des Verkehrsflughafens zuzurechnende Erhöhung des Gesamtlärms durch Fluglärm zur Tagzeit lärmphysikalisch irrelevant, weil die Pegelerhöhung weniger als 1 dB(A) beträgt (vgl. Reidt/Fellenberg in Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. III, § 3 FluglärmG Rn. 9). Daraus ergibt sich, dass der Ausbau des Verkehrsflughafens Memmingen keinen kausalen Beitrag zu einer erhöhten Gesamtlärmbelastung liefern würde. Ein relevanter Lärmbeitrag, der für die genannten kommunalen Einrichtungen vom Schienenverkehr herrühren könnte, braucht deshalb nicht weiter untersucht zu werden. Insoweit wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 319 ff.) verwiesen.

Der Beweisantrag (Thema Lärm, Ziffer IV. 7. Spiegelstrich) war schon deshalb abzulehnen, weil die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Gesamtlärmbelastung der gesamten Gemeinde im Hinblick auf ihr eingeschränktes Rügerecht bezüglich der Themen gemeindliche Einrichtungen, gemeindliches Eigentum sowie Planungshoheit (§ 38 BauGB) nicht in Betracht kommt.

2.4 Auch die individuellen Lärmschutzbelange der Kläger werden in vollem Umfang gewahrt.

2.4.1 Die tagsüber an klägerischen Grundstücken im Planungsfall 2025 zu erwartenden äquivalenten Dauerschallpegel liegen innerhalb eines breiten Spektrums der Intensität der Lärmbetroffenheit bis zu knapp unter 65 dB(A) tags und knapp über 55 dB(A) nachts (s. Abb. 7, S. 30 des lärmphysikalischen Gutachtens). Dieses Spektrum von Lärmbetroffenheiten hat die Planfeststellungsbehörde bei ihrer fachplanerischen Abwägung ausführlich und angemessen gewürdigt (PFB S. 252 ff. und S. 305 ff.). Hierbei braucht sie naturgemäß nicht auf jeden Einzelfall in jeder Einzelheit gesondert und ausdrücklich einzugehen; der Grundsatz der Konfliktbewältigung wird dadurch jedenfalls nicht verletzt. Soweit sich aus der zu erwartenden Lärmbelastung für einen Teil der im Eigentum der Kläger stehenden Objekte und Einrichtungen Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für Maßnahmen des baulichen Schallschutzes bzw. auf die Gewährung von Außenwohnbereichsentschädigung ergeben, sind diese nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses und des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens. Übernahmeansprüche sind ausgeschlossen, weil die insoweit vorausgesetzten schwerwiegenden Betroffenheiten nicht vorliegen. Soweit die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern als nicht hinreichend gewürdigt angesehen wird, wird auf die obigen Ausführungen unter 2.2.4 verwiesen.

2.4.2 Die Rüge der Kläger, im Wohngebiet Hoppenriedweg würde unter Berücksichtigung des gewerblichen Lärms ein gesundheitsgefährdender Gesamtlärm entstehen, greift nicht durch.

Nach dem schalltechnischen Gutachten von A... vom 2. November 2011 wird insoweit auch unter Berücksichtigung des ungünstigsten Falls, nämlich von 62,5 dB(A) tags und 52,0 dB(A) nachts, kein gesundheitsgefährdender Gesamtlärm eintreten.

Die nicht hinreichend substanziierte gegenteilige Behauptung der Kläger vermag diese fachliche Aussage nicht zu erschüttern. Der entsprechende Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens war deshalb abzulehnen.

2.4.3 Nach dem vorliegenden A...-Gutachten wird die Grenze zur Gesundheitsgefahr (70 dB(A) tags, 60 dB(A) nachts) auch dann nicht überschritten, wenn man den Lärm von der Autobahn A 96 in die Lärmberechnung einbezieht. Der Beweisantrag der Kläger des Verfahrens 8 A 13.40041 (Thema Lärm Ziffer III. 4. Spiegelstrich) war deshalb abzulehnen Die bloße Behauptung, der Gesamtlärm würde die Schwelle zur Gesundheitsgefahr überschreiten, vermag die gutachterlichen Aussagen nicht zu erschüttern.

2.4.4 Auch der Beweisantrag der Klägerin des Verfahrens 8 A 13.40042 (Thema Lärm, Ziffer III. 5. Spiegelstrich) war abzulehnen, weil der vom Gewerbegebiet, einschließlich Diskothek, ausgehende Lärm dem Vorhaben nicht (kausal) zuzurechnen ist. Nach dem lärmphysikalischen Gutachten von A... erreicht der für den Planfall prognostizierte Fluglärm am Grundstück der Klägerin des Verfahrens 8 A 13.40042 nicht einmal die Abwägungsschwelle. Der dem Vorhaben zuzurechnende Fluglärm ist damit nicht geeignet, einen relevanten, kausalen Beitrag zu einer Überschreitung der Grenze zur Gesundheitsgefahr durch den Gesamtlärm zu leisten. Die bloße gegenteilige Behauptung der Klägerin vermag die fachlichen Aussagen nicht zu erschüttern.

Der Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung einzuholen, dass die maximalen Einzelschallpegel durch den Flugverkehr am Verkehrsflughafen Memmingen am südöstlichen Ortsrand von U. über 85 dB(A) liegen, war abzulehnen. Für diese Behauptung fehlt es an jeder entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage. Nach dem Fluglärmschutzgesetz kommt es - jedenfalls für die Lärmwerte am Tag - nicht auf Maximalpegel an, wie bereits oben dargelegt wurde. Dass nachts derartige Maximalpegel zu erwarten seien, wird in dem Beweisantrag nicht einmal behauptet. Insoweit fehlt es auch an jeder Differenzierung zwischen Tag- und Nachtwerten, so dass der Beweisantrag nicht hinreichend konkret ist. Die von den Klägern unter Beweis gestellten Maximalpegel von über 85 dB(A) hätten im Übrigen nur dann entscheidungserhebliche Bedeutung, wenn sie bei einem der Kläger zu gesundheitsgefährdenden und deshalb unzumutbaren Folgen führen könnten. Nach der Rechtsprechung wird aber ein „kritischer Toleranzwert“ zur Vermeidung von Gesundheitsschäden/Krankheiten allenfalls bei Überschreiten eines Maximalpegels von 19 x 99 dB(A) angenommen (vgl. HessVGH, B.v. 14.10.2003 - 2 A 2796/01 - juris Rn. 129, bezogen auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Fluglärmschutzgesetzes). Wissenschaftliche Erkenntnisse, dass eine Gesundheitsgefährdung bei einem Maximalpegel von (1x) über 85 dB(A) anzunehmen wäre, wurden von den Klägern nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Auch aus dem von den Klägern vorgelegten Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Dr. R. (Anlage K 17 zur Klagebegründung) lässt sich hierzu nichts entnehmen. Ein Maximalpegel von 19 x 99 dB(A) ist überdies nach Einschätzung der Planfeststellungsbehörde für das gesamte vom Fluglärm betroffene Gebiet nicht zu erwarten (PFB C III 3.3.4.8.6, S. 247). Außerdem wurde für das einzige in diesem Gebiet entscheidungsrelevante Wohngebiet im Süden von U. von dem Lärmgutachter A... festgestellt, dass dort mit einem Fluglärm von tags 60,8 dB(A) und nachts 53,9 dB(A) zu rechnen ist. Eine Überschreitung gesundheitsgefährdender Werte ist deshalb hier nicht zu erwarten.

2.4.5 Abwägungsfehler sind auch nicht im Hinblick auf etwaige Immobilienwertverluste oder Mieteinbußen, die insbesondere durch Lärmeinwirkungen verursacht würden, ersichtlich. Planbedingte Wertverluste an unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stehenden Privatgrundstücken sind als private Belange im Rahmen der planerischen Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Es bleibt der Planfeststellungsbehörde dabei unbenommen, solche Wertminderungen nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen - wie dies hier aus sachlichen Gründen geschehen ist (vgl. PFB, S. 501 ff.) - im Rahmen der fachplanerischen Abwägung hinter gegenläufigen Interessen zurücktreten zu lassen. Die Grenze der Abwägungsdisproportionalität ist hierbei erst dann erreicht, wenn die Wertverluste so massiv ins Gewicht fallen, dass den Betroffenen ein unzumutbares Opfer abverlangt wird. Das Eigentum darf in seinem Wert nicht so weit gemindert werden, dass die Befugnis, das Eigentumsobjekt nutzbringend zu verwerten, praktisch nur noch als leere Rechtshülse übrig bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 404 m. w. N.). Vermindert sich der Verkehrswert eines Grundstücks um nicht mehr als 20%, kann noch keine Rede davon sein, dass das Grundeigentum praktisch funktionslos wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 406; vgl. auch BVerfG, B.v. 23.2.2010 - 1 BvR 2736/08 - NVwZ 2010, 512 Rn. 49 f.).

Eine derartige Wertminderung durch das Vorhaben ist hier in keinem Fall ersichtlich.

Soweit der Kläger M. eine Verkehrswertermittlung vorgelegt hat (K 16 zur Klagebegründung), ergibt sich hieraus noch kein von dem Vorhaben verursachter Wertverlust. Der in der Wertermittlung angesetzte Abschlag wegen Fluglärms von 40% des Bodenwerts soll offenbar den Grundstückswert zum Zeitpunkt des Wertgutachtens (11.7.2011) wiedergeben; dieser Wertbemessungszeitpunkt liegt lange vor dem Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses.

3. Das planfestgestellte Vorhaben hält die naturschutzrechtlichen Vorschriften ein. Abwägungsfehler liegen nicht vor.

3.1 Hinsichtlich der (hier relevanten) Tierarten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie sind keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt. Dabei ist insoweit zu berücksichtigen, dass hier nur zu prüfen ist, ob Verbotstatbestände im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Ausbau des Flughafens und der Zulassung des Nachtflugbetriebs in den Nachtrandstunden erfüllt werden.

3.1.1 Die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i. V. m. Abs. 5 BNatSchG (Tötungsverbot, Störungsverbot und Schädigungsverbot) werden nach der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) der G. ... 2011) weder hinsichtlich der untersuchten Fledermausarten noch hinsichtlich der betroffenen europäischen Vogelarten erfüllt. Diese naturschutzfachliche Einschätzung ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im Planfeststellungsbeschluss (unter III. 3.6.1.2.3.2, S. 388 ff.) wird insoweit Bezug genommen. Dabei wurden auch die Einwendungen des Klägers B. ... hinsichtlich fachlicher Defizite bei Fledermäusen zutreffend gewürdigt (PFB S. 410 ff.). Dies gilt insbesondere für den Einwand des Klägers B. ... das Jagen durch Fledermäuse im Bereich der Start- und Landebahn sei nicht berücksichtigt worden, obwohl eine derartige Nutzung des Gebiets zum Durchflug in großen Höhen aufgrund der Nachweise in M. und in Bereichen südlich des Plangebiets sehr wahrscheinlich sei (s. hierzu PFB S. 411). Dies wird auch durch die Stellungnahmen der G. im gerichtlichen Verfahren sowie von der unteren Naturschutzbehörde bestätigt. Die G. hat hierzu in ihrer fachlichen Stellungnahme vom 10. Juni 2015, ergänzend zu den Stellungnahmen vom 30. März 2015 und 18. November 2013 und der saP nochmals zusammenfassend festgestellt, dass sich mit den zusätzlichen Flugbewegungen keine signifikante Risikoerhöhung verbinde. Durch die im Einzelfall nicht auszuschließenden Kollisionen werde die Reproduktionsrate der lokalen Populationen der betroffenen Fledermausarten nicht beeinträchtigt, so dass sich der in der saP mit „B“ (gut) bewertete Erhaltungszustand der jeweiligen lokalen Populationen nicht verschlechtere. Sowohl die Größe und das Verbreitungsgebiet der Populationen als auch die Größe und Qualität der Habitate sowie die Populationsgrößen würden in ihrem aktuellen Zustand bestehen bleiben. Demnach sei auch auf Landesebene innerhalb der biogeografischen Region für die Populationen der betroffenen Arten davon auszugehen, dass sie in einem günstigen Erhaltungszustand verblieben bzw. die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert werde. Da keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen zu besorgen sei, seien aus fachlicher Sicht populationsstützende Maßnahmen im vorliegenden Fall entbehrlich (s. Stellungnahme vom 10.6.2015, S. 2/3). Diese fachliche Einschätzung hat der Dipl.-Biologe Dr. M. in der mündlichen Verhandlung nochmals überzeugend begründet (s. Niederschrift vom 28.5.2015, S. 10). Zudem hat auch die höhere Naturschutzbehörde mit Blick auf den besonderen Artenschutz für Fledermäuse die Bewertung des Büros G. für zutreffend erachtet (s. Bl. 346 der Verfahrensakten). Die Einwände des Klägers B. ... hiergegen greifen insoweit schon im Hinblick auf die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde nicht durch.

3.1.2 Darüber hinaus hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern zum 1. März 2013 auf S. 32 nach Gliederungsziffer A.IV.3 mit ergänzendem Beschluss vom 15. Juni 2015 um eine Ziffer 4. ergänzt, wonach für artenschutzrechtliche Verbotstatbestände auf der Grundlage von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 LuftVG, Art. 75 Abs. 1 BayVwVfG i. V. m. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 BNatSchG für acht Fledermausarten vorsorglich eine Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt wird. Auf den Ergänzungsbescheid vom 15. Juni 2015 wird insoweit Bezug genommen; rechtliche Bedenken sind insoweit im Hinblick auf die vorstehenden naturschutzfachlichen Erläuterungen der Fachbehörden und Gutachter nicht ersichtlich.

3.1.3 Soweit der Kläger B. ... auch unter Einbeziehung der Ausnahmeerteilung noch Ermittlungsdefizite zu erkennen glaubt, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen.

Der Einwand, dass in der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung keine Aussage zum Thema Verschlechterung der Erhaltungszustände der betroffenen Arten gemacht worden seien, trifft nicht zu.

In dem Ergänzungsbeschluss vom 15. Juni 2015 (S. 3/4) sind umfangreiche Ausführungen zur etwaigen Beeinträchtigung der Erhaltungszustände der lokalen Populationen der hier betroffenen Fledermausarten im Hinblick auf etwaige Kollisionen mit Flugzeugen enthalten. Es wurde nachvollziehbar dargelegt, dass die Zunahme von Flugbewegungen, insbesondere auch durch die Nachtflüge, zu keiner signifikanten Risikoerhöhung führen und vereinzelte Kollisionen die günstigen Erhaltungszustände nicht verschlechtern. Zudem hat dem die untere Naturschutzbehörde vollinhaltlich zugestimmt (Schreiben vom 12.6.2015). Der Planfeststellungsbehörde steht insoweit überdies eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zur Seite (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14/07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 65 f. m. w. N.). Das gilt auch hinsichtlich der Ausnahmegenehmigung soweit behauptet wird, ihr fehle eine ausreichende (Ermittlungs-)Grundlage.

Von einem Ermittlungsdefizit kann im Hinblick auf die der saP zugrunde gelegten Ermittlungen, die auch von der höheren Naturschutzbehörde nicht beanstandet wurden, nicht die Rede sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der allgemeine Artenschutz - anders als in Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL - kein formalisiertes Prüfungsverfahren kennt. Der auch europarechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird in diesem Zusammenhang nicht verfehlt, wenn - wie hier - nach den Darlegungen der Naturschutzbehörden, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung, von einem hinreichenden Erkenntnisgewinn der naturschutzfachlichen Untersuchungen auszugehen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 8 A 14/07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 56 f.)

Gemessen an diesen Grundsätzen konnte der Kläger B. ... keine entscheidungsrelevanten Ermittlungsdefizite, insbesondere hinsichtlich der Bestandserfassung der in Betracht kommenden Fledermausarten, aufzeigen. Diese sind im Ergänzungsbeschluss (nochmals) im Einzelnen aufgeführt (S. 2 oben); darauf wird Bezug genommen.

Das Gleiche gilt im Ergebnis für den räumlichen und zeitlichen Ermittlungsrahmen der saP. Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit Defizite vorlägen mit der Folge, dass erhebliche negative Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse, insbesondere in den An- und Abflugschneisen, nicht ausgeschlossen werden könnten. Auch insoweit gilt, dass Untersuchungen quasi „ins Blaue hinein“, wie sie der Kläger B. ... letztlich fordert, nicht veranlasst sind (vgl. auch BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14/07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54; B.v. 13.3.2008 - 9 VR 9/07 - juris Rn. 31; B.v. 18.6.2007 - 9 VR 13/06 juris Rn. 20).

Vor diesem Hintergrund war auch der Beweisantrag zum Thema Naturschutz (Ziffer V 2. Spiegelstrich), ein Sachverständigengutachten zum räumlichen und zeitlichen Ermittlungsraum der saP einzuholen, abzulehnen. Denn die Einholung eines weiteren Gutachtens war insoweit schon im Hinblick auf die nachvollziehbaren und überzeugenden naturschutzfachlichen Stellungnahmen, die von der Beigeladenen vorgelegt wurden, sowie die Darlegungen der Naturschutzbehörden nicht erforderlich, zumal auch insoweit der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zukommt.

Auch hinsichtlich der besonders geschützten Vogelarten sind die Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG nicht erfüllt. Auf die zutreffenden Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (unter 3.6.1.2.3.3, S. 398 ff.) wird insoweit Bezug genommen.

Der Einwand des Klägers B. ..., die Gefährdungen vor allem der Rast- und Zugvögel seien dabei nicht hinreichend berücksichtigt worden, überzeugen im Hinblick auf die fachliche Bewertung des Büros G. nicht. Die G. hat in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 10. Juni 2015 festgestellt, dass weder im Umfeld des Benninger Rieds noch im Bereich der Start- und Landebahn und der unmittelbar angrenzenden An- und Abflugflächen Brut-, Rast- und Zugvögel erheblich gestört oder einem signifikanten erhöhten Kollisionsrisiko ausgesetzt würden. Maßgeblicher Referenzzustand für die Einschätzung sei der Prognose-Nullfall 2025 mit einer bereits deutlichen Intensivierung des Flugbetriebs. Auch in den Stellungnahmen vom 30. März 2013 und vom 18. November 2013 hat die G. bereits nachvollziehbar dargelegt, dass das planfestgestellte Vorhaben keine neuen Eingriffe bewirken würde, weil die inrede stehenden Flächen seit Jahrzehnten durch Flugbetrieb geprägt seien, der besonders bei Brutvögeln, aber auch bei Rastvögeln Gewöhnungseffekte plausibel annehmen lasse. Gerade auf solche Gewöhnungseffekte geht die Klägerseite nicht substanziiert ein. Außerdem hat sie auch nicht nachvollziehbar und substanziiert dargelegt, dass insbesondere Rast- und Zugvögel gerade durch den Nachtflugbetrieb gefährdet würden.

3.2 Entgegen der Auffassung des Klägers B. ... sind auch die Ersatzmaßnahmen E 2 bis E 4, die zur Kompensation von Eingriffen wegen Verlustes der Bodenfunktionen, der Vegetationsstrukturen und der ökologischen Funktion dienen sollen, als Ersatzmaßnahmen gemäß § 15 BNatSchG 2010 geeignet.

Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG 2010 ist eine Beeinträchtigung ersetzt, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass die Behörde zur Kompensation des Eingriffs wegen eines naturschutznäheren Endziels auch Maßnahmen ergreifen darf, die zunächst eine Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustands darstellen. Erweist sich die Maßnahme in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig, stellt sie also insbesondere eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Zustands dar, bedarf der mit der Maßnahme zunächst bewirkte Eingriff keiner weiteren Kompensation durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die an sich erforderliche Kompensation geht in die ökologische Gesamtbilanz regelmäßig ein (BVerwG, B.v. 28.1.2009 - 7 B 45/08 - NVwZ 2009, 521 juris Rn. 20; GB.v. 10.9.1998 - 4 A 35/97 - juris Rn. 33; B.v. 19.9.2014 - 7 B 6/14 - juris Rn. 18).

Bezüglich der hier strittigen Ersatzmaßnahmen E 2 bis E 4 werden im Planfeststellungsbeschluss detailliert die einzelnen dort festgesetzten Verbesserungsmaßnahmen begründet (s. 3.6.3.4.3.2 bis 3.6.3.4.4, S. 426 ff. des PFB). Danach dürfen die Eingriffe erst erfolgen, wenn eine Kompensation nachgewiesen ist. Zusätzliche Kompensationsmaßnahmen durch Ersatzmaßnahmen auf weiteren Grundstücken kommen nicht in Betracht.

Die Maßnahme E 2 sieht für mehrere Grundstücke im Gemeindegebiet U. auf insgesamt 0,71 ha eine Ausdehnung und Optimierung des großflächigen Feuchtwiesenlebensraums „Kerngebiet H.“ vor. Die Maßnahme dient insbesondere als Ersatz für weggefallene Vegetationsstrukturen und Tierlebensräume, vor allem für Gebüsch- und Heckenbrüter. Es handelt sich hierbei um die Extensivierung von Intensivgrünland westlich des Naturschutzgebiets „H.“. Dort soll die Intensivbewirtschaftung eingestellt und Düngung künftig unterbleiben. Die Extensivierung kann durch zweimalige Mahd pro Jahr oder durch extensive Beweidung erfolgen (vgl. I.E. PFB, S. 426 f.).

Der Einwand des Klägers B. ..., eine Aufwertung der Fläche sei nur begrenzt sinnvoll, weil sie schon heute keine Fettwiese mehr sei und zudem eine weitere Bepflanzung (Wildgehölz-Hecke) deren Charakter als offene Wiesenlandschaft mit Wiesenbrütern widerspreche, greift nicht durch. Das Planungsbüro P. ... (im Folgenden: Planungsbüro) hat in seiner naturschutzfachlichen Stellungnahme vom 7. November 2013 schon im Hinblick auf das dortige (erhebliche) Vorkommen des Wiesenfuchsschwanzes plausibel dargelegt, dass es sich bei der Fläche, jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses, um eine Fettwiese gehandelt habe. Ebenso plausibel wurde der Charakter einer offenen Wiesenlandschaft entlang des vorhandenen Waldrands verneint, wie auch beim gerichtlichen Augenschein festgestellt werden konnte (vgl. Fotos zur Niederschrift vom 4. Dezember 2014). Das Planungsbüro weist zudem darauf hin, dass in diesem Bereich weder historisch noch aktuell Vorkommen von Wiesenbrütern nachgewiesen seien.

Mit der Ersatzmaßnahme E 3 werden auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung I., das bislang als Intensivgrünland genutzt wird, Biotope der Auenlandschaft in vier Teilbereichen entwickelt. Während der Großteil der Fläche die Herstellung eines extensiven Auengrünlands auf ca. 1,6 ha vorsieht, wird auf insgesamt ca. 0,2 ha ein Magerwiesenbereich durch Oberbodenabtrag sowie durch Aussaat einer Magerwiesenmischung geschaffen. Außerdem erfolgt die Anlage von wechselfeuchten Bereichen durch Oberbodenabtrag zur Gestaltung flacher Wiesenmulden auf ca. 0,17 ha. Des Weiteren wird eine Kleingewässerkette aus vier Tümpeln und einem Weiher geschaffen (vgl. PFB, S. 427 f.).

Die Bewertung der für die Ersatzmaßnahme E 3 I. vorgesehenen Fläche als extensive Wiese, die die „Entwicklungsziele Magerwiese und extensives Auengrünland“ schon teilweise erreicht hätten, ist nicht nachvollziehbar, weil diese Fläche bis 2011 noch als Intensivgrünland genutzt wurde, wie das Planungsbüro nachvollziehbar dargelegt hat. Die vorgesehenen Maßnahmen, Umgestaltung durch Oberbodenabtrag, Flachmulden und Kleingewässergestaltung können daher auch nicht - wie der Kläger B. ... meint - als bloße „Erhaltungspflege“ eingestuft werden.

Die Ersatzmaßnahmen E 4 (O.) umfasst auf einer Gesamtfläche von 1,685 ha die Schaffung einer temporär wasserführenden Flutmulde und eine Uferabflachung der westlichen Günz (FlNr. ... der Gemarkung O. und entlang des Wiesengrabens). Daneben wird die Grünlandnutzung extensiviert. Auf den Grundstücken FlNr. ... ... und ... der Gemarkung O. werden Flachmulden und Hochstaudensäume angelegt bzw. entwickelt und die Grünlandnutzung extensiviert (vgl. i.E. PFB, S. 428 f.).

Die Kritik des Klägers B. ..., die Ersatzmaßnahmen E 4 seien als Ersatzmaßnahmen weitgehend nicht anzuerkennen, weil sich die Flächen bereits in einem guten ökologischen Zustand und (teilweise) auch in einem FFH-Gebiet befänden, geht nach dem oben Gesagten fehl. Das Planungsbüro hat detailliert und plausibel für alle betroffenen Grundstücke (FlNr. ... ... und ...) das vorhandene Aufwertungspotenzial dargelegt, das durch die o.g. Maßnahmen optimal genutzt werden solle. Durch Düngerverzicht und nur noch zweimalige Mahd sei es möglich, die Fläche FlNr. ... zur binsen- und seggenreichen Nasswiese, langfristig in Richtung Streuwiese, zu entwickeln. Durch Flachmuldengestaltung könne die ursprüngliche auentypische Standortvielfalt wieder renaturiert werden. Ähnliches gelte für die Fläche FlNr. .... Die Fläche FlNr. ... könne durch weitere Extensivierung anspruchsvollere oder gar seltene Feuchtwiesenarten hervorbringen. Insoweit bestätigte auch die untere Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung, dass eine Aufwertung jedenfalls im Bereich der Ränder der Fläche möglich sei (s. Niederschrift vom 28.5.2015, S. 9). Hinsichtlich der FlNr. ... (östlich der Günz) könne u. a. durch die Beseitigung des Uferverbaus und der zusätzlichen Abflachung des Günzufers die natürliche Gewässerdynamik in einer Bachkurve der westlichen Günz gefördert werden.

Die naturschutzfachliche Kompensation erfolgt bei der Ersatzmaßnahme E 5 auf einer Fläche von insgesamt 1,921 ha durch Optimierung, Erweiterung und Verbund von bestehenden Biotopflächen im Bereich des FFH-Gebiets „K. ...“, Teilfläche westlich von O. ... ...), sowie durch Renaturierung und Nährstoffpufferung des Quelllaufs des Boschachbaches (vgl. i.E. PFB, S. 429 f.).

Die Kritik des Klägers B. ..., ein Waldumbau im (Teil-)Bereich Hangwald sei nicht als Ersatzmaßnahme anzuerkennen, geht schon deshalb fehl, weil der dortige Bestand bisher von standortfremden Pappeln und Fichten geprägt wird und der geplante „Umbau“ zu einem standortgerechten Eschenmischwald daher offensichtlich als Verbesserung des Hangwalds anzusehen ist, wie das Planungsbüro nachvollziehbar dargelegt hat. Die Auffassung des Klägers B. ... die Entwicklung eines Laubmischwalds im Bereich des Bacheinschnitts sei im Hinblick auf die Lichtverhältnisse kontraproduktiv für die Entwicklung eines Löffelkrautstandorts, überzeugt nicht, weil - wie das Planungsbüro plausibel dargelegt hat - der „Idealstandort“ für die FFH-Zielart „Bayerisches Löffelkraut“ Quellstandorte und Quellbäche darstellen, die mit einem lockeren Eschenwald überschirmt sind, wie hier vorgesehen. Auch eine Reduzierung des Blütenreichtums, wie ihn der Kläger B. ... für den Bereich der Hangfläche FlNr. ... befürchtet, kommt nach der naturschutzfachlichen Einschätzung des Planungsbüros nicht in Betracht, weil im überwiegenden Bereich des Mittel- und Unterhangs bisher ein durch unregelmäßige Nutzung gekennzeichneter Fettwiesenbestand ohne Blütenreichtum gegeben ist. Diese Flächen könnten zu blütenreichen Magerwiesen entwickelt werden. Dass Teilbereiche (Talboden) bereits als Biotope kartiert sind, hindert deren Aufwertung - wie sie vom Planungsbüro dargestellt wird - nach dem oben Gesagten nicht.

Alle diese Ersatzmaßnahmen wurden u. a. von der unteren Naturschutzbehörde beim gerichtlichen Augenschein am 4. Dezember 2014 erläutert. Die untere Naturschutzbehörde hat auch in ihren Stellungnahmen, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2015, die naturschutzfachliche Geeignetheit der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen als Ersatzmaßnahmen im Sinn des § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG bestätigt.

Der Auffassung des Klägers B. ..., dass im Hinblick auf den naturschutzfachlich hohen Ausgangswert der Ausgleichsflächen der Ausgleichsumfang erhöht werden müsse, so dass noch mehr an Ausgleich durchzuführen sei, besonders mehr Flächen zur Verfügung gestellt werden müssten, ist nicht zu folgen.

Nach dem Leifaden des Staatsministeriums für Umweltfragen „Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft, Eingriffsregelung in der Bauleitplanung, ein Leitfaden“ aus dem Jahr 2003, einer naturschutzfachlichen Arbeitshilfe für die Verwaltung, auf den sich der Kläger B. ... beruft, ergibt sich, dass ein Ausgleich immer mindestens um eine Stufe (1,0) zu erfolgen habe. Gegebenenfalls erforderliche Abschläge können dadurch erzielt werden, dass nur ein Teil der betroffenen Fläche als Ausgleichsfläche anerkannt wird. Bei hochwertigen Flächen (z. B. gesetzlich geschützten Biotopen) darf danach keine Verschlechterung eintreten. Nach den überzeugenden Darlegungen des Vertreters der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2015 (Niederschrift S. 8/9) stellt die Einschätzung, ob danach eine Verschlechterung vorliegt, eine Bewertungsfrage dar. Der genannte Leitfaden sei im vorliegenden Fall eingehalten worden. Dabei gehe er in der Praxis so vor, dass er stets die Aufwertung um eine Stufe fordere. Ein Ausgleich sei gegebenenfalls durch einen Abschlag bei der Fläche zu erzielen. Dies entspreche voll der Vorgehensweise nach dem genannten Leitfaden (S. 14).

Der Beweisantrag des Klägers B. ..., durch Sachverständigengutachten die Geeignetheit der Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen E 2 bis E 5 überprüfen zu lassen (Thema Naturschutz, Beweisantrag Ziffer V 1. Spiegelstrich), war abzulehnen. Denn das Vorbringen des Klägers konnte die plausiblen fachlichen Bewertungen des Planungsbüros und der Naturschutzbehörde (s. insbesondere oben), der insoweit eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zusteht, nicht erschüttern. Danach besteht bei keiner der Flächen, für die im Planfeststellungsbeschluss Kompensationsmaßnahmen angeordnet wurden, weiterer Kompensationsbedarf.

3.3 Auch unter dem Gesichtspunkt des lokalen oder des globalen Klimaschutzes ist entgegen klägerischer Auffassung kein Rechtsverstoß ersichtlich.

Nach den nachvollziehbaren Feststellungen der Planfeststellungsbehörde sind erhebliche nachteilige Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens auf das Lokalklima nicht zu erwarten. Gestützt auf die diesbezüglichen Ausführungen der Umweltverträglichkeitsprüfung (PLANUNG + UMWELT vom 20.5.2011, Anlage 3.4 im Ordner III der Antragsunterlagen, S. 34, 85 ff., 119 f.) und im Landschaftspflegerischen Begleitplan (Anlage III.5 im Ordner 3 der Antragsunterlagen, S. 19/30) ist hier maßgeblicher klimatischer Wirkfaktor die anlagenbedingte Flächenversiegelung. Durch planfestgestellte naturschutzfachliche Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung der Gebäude, Gehölzpflanzungen sowie Entsiegelung von ca. 6,5 ha bisheriger Flugbetriebsfläche können jedoch negative Auswirkungen direkt auf dem Flughafengelände vermieden bzw. ausgeglichen werden. Mit der Neuversiegelung von insgesamt ca. 14,5 ha sowie den Freiflächen vor allem im Osten des Flughafens sind danach keine durch das Vorhaben relevanten Änderungen der lokalklimatischen Verhältnisse verbunden.

Regionale, nationale und internationale Klimaveränderungen infolge der Immissionen des Luftverkehrs, namentlich der Kohlendioxyd-Immissionen, hat die Planfeststellungsbehörde nicht zum Gegenstand ihres Planfeststellungsbeschlusses gemacht. Dies ist in rechtlicher Hinsicht auch nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde weist insofern zutreffend darauf hin, dass der Klimaschutz einen die Umwelt insgesamt betreffenden öffentlichen Belang darstellt, der nicht im Rahmen eines Einzelvorhabens bewältigt werden kann. Die Umsetzung klimapolitischer Erwägungen ist deshalb nach rechtlich zutreffender Auffassung des Beklagten nicht Gegenstand des Prüf- bzw. Abwägungsprogramms in einem - wie vorliegend - vorhabenbezogenen Zulassungsverfahren (vgl. PFB S. 354 f.).

Der allgemeine Klimaschutz ist auch nicht Prüfungsgegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG („Klima“). Mangels hinreichender technischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse über die diesbezüglichen Wirkungszusammenhänge kann eine nachteilige Veränderung des globalen Klimas nicht dem Immissionsbeitrag einer einzelnen Anlage zugerechnet werden (vgl. VGH BW, U.v. 20.7.2011 - 10 S 2102/09 - juris Rn. 57 m. w. N.; bestätigt durch BVerwG, U.v. 24.10.2013 - 7 C 36/11 - juris). Für einen Verstoß dieser Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG gegen europäisches Recht, namentlich gegen Art. 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmen öffentlichen und privaten Projekten (ABl. EG Nr. L 175/40), ist nichts ersichtlich (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 879 ff.).

4. Das durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie durch Art. 11 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) im Rahmen der Gesetze geschützte Recht auf kommunale Selbstverwaltung umfasst die gemeindliche Planungshoheit. Diese vermittelt einer Gemeinde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, eine wehrfähige, in die fachplanerische Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das betreffende Vorhaben nachhaltig eine hinreichend bestimmte (konkrete) Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht (vgl. BVerwG, B.v. 28.2.2013 - 7 VR 13/12 - juris Rn. 23 m. w. N.) oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 u. a. - juris Rn. 637 m. w. N.; BVerwG, U.v. 6.11.2013 - 9 A 9/12 - NuR 2014, 277). Im Rahmen der Abwägung ist grundsätzlich darauf Rücksicht zu nehmen, konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise zu „verbauen“ (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2013 - 4 VR 1/13 - juris Rn. 49 m. w. N.). Selbst ein Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit führt jedoch nicht ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses. Der Belang der Planungshoheit kann vielmehr im Wege der Abwägung mit anderen für das Vorhaben sprechenden Belangen überwunden werden (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 30.5.2012 - 9 A 35/10 - NVwZ 2013, 147 Rn. 36 m. w. N.).

Der Einwand der Gemeinde W., es werde durch den vorhabensbedingten Fluglärm in ihre Planungshoheit eingegriffen, greift danach nicht durch.

4.1 Von einer nachhaltigen Funktionsstörung eines Bebauungsplans ist erst bei Erreichen der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Übernahmeansprüche maßgeblichen Dauerschallpegel von 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht auszugehen. Eine Differenzierung nach Baugebietstypen ist mit Blick auf das Fluglärmschutzgesetz (insbesondere § 5 FluglärmG) hierbei nicht vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8/09 - NVwZ 2012, 1314 Rn. 539). Derartige Dauerschallpegel werden in keinem der Bebauungsplangebiete der Gemeinde W. erreicht. Auf die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses (Nr. 3.10.2.1.2, S. 457 ff.) wird insoweit Bezug genommen.

4.2 Im Bereich der Einbeziehungssatzung „R.straße“ werden zwar im Planungsfall 2025 Dauerschallpegel von 57,1 dB(A) am Tag und 50,9 dB(A) in der Nacht prognostiziert; die o.g. Dauerschallpegel, die einen Übernahmeanspruch auslösen könnten, werden jedoch bei Weitem nicht erreicht. Im Übrigen hat die Planfeststellungsbehörde zutreffend darauf hingewiesen, dass in dem Bereich dieser Einbeziehungssatzung eine Wohnbebauung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FluglärmG weiterhin möglich ist.

4.3 Dass in Betracht gezogene künftige Planungsmöglichkeiten, wie sie sich etwa aus dem Dorfentwicklungskonzept und der Vorplanung zur Dorferneuerung der Gemeinde W. ergäben, unnötigerweise „verbaut‘“ würden, ist unter Zugrundelegung der o.g. Grundsätze nicht ersichtlich.

4.4 Soweit die Gemeinde W. Abwägungsfehler wegen Wertverlusten, insbesondere wegen Mietverlusten, an eigenen Grundstücken geltend macht, werden solche etwaigen Verluste nicht vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) umfasst, weil es sich um in der Zukunft liegende Chancen in Bezug auf die Wertentwicklung von Grundstücken handelt (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.2008 - 9 VR 5/07 - juris Rn. 10). Im Übrigen sind hier die unter Ziffer 2.4.5 getroffenen Ausführungen hinsichtlich der von kommunaler Seite geltend gemachten Immobilien-Wertverluste und Mieteinbußen entsprechend heranzuziehen.

5. Der Planfeststellungsbeschluss würdigt auch die Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise.

Die Analyse der Sicherheitslage obliegt vorrangig der Planfeststellungsbehörde. Sie hat eigenverantwortlich zu bestimmen, welcher Sicherheitsstandard angemessen ist, um im Einzelfall Sicherheitsrisiken (möglichst) auszuschließen. Die Sicherheitsanalyse erfordert eine Einschätzung denkbarer Ereignisse und hierauf bezogener Ereigniswahrscheinlichkeiten. Die sachkundige Abschätzung eines luftverkehrlichen Sicherheitssystems umfasst ganz wesentlich auch Fragen der lufttechnischen Entwicklung. Ihre gerichtliche Kontrolle folgt den Grundsätzen, die für die Überprüfung fachplanerischer Prognosen gelten. Die gerichtliche Kontrolle ist demgemäß eingeschränkt. Sie erstreckt sich darauf, ob die Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodengerecht erstellt wurde. Die Prognose ist fehlerhaft, wenn sie auf willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unsicherheiten beruht, ferner wenn sie in sich widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 236 m. w. N.). Derartige Fehler der Abschätzung des luftverkehrlichen Sicherheitssystems sind hier nicht ersichtlich.

5.1 Die Planfeststellungsbehörde hat hinsichtlich des Absturzrisikos im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Flughafen Memmingen hinsichtlich seines konkreten Standorts, insbesondere seiner topografischen Lage und der Beschaffenheit der Flughafenanlage für den genehmigten Flugbetrieb geeignet ist und keine speziellen Absturzrisiken birgt. Auch sei den vom Luftamt ausgewerteten Veröffentlichungen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) kein Fall des Absturzes eines Luftfahrzeugs am Verkehrsflughafen Memmingen und in dessen Umfeld (Nahbereich) seit seiner Inbetriebnahme zu entnehmen (vgl. PFB 3.2.1, S. 183).

Auch aus den von den Klägern aufgelisteten Unfällen und Störungen am Flughafen Memmingen seit dem Jahre 2007 (s. Anlage K 8 zur Klagebegründung vom 22.5.2013) ergibt sich nichts anderes. Die dort aufgeführten Vorfälle - z. B. Notlandungen, Abkommen von der Landebahn, „Beinahe-Unfall“ wegen geplatzten Reifens, Ausweichmanöver, Verlust des Bugfahrwerkes - waren nicht durch den Standort oder die Flughafenanlagen des Verkehrsflughafens Memmingen bedingt oder herbeigeführt worden; auch aus den Ursachenmitteilungen ist dies nicht ersichtlich. Zu einem Absturz eines Luftfahrzeugs kam es ohnehin nicht. Von einem Ermittlungsdefizit kann vor diesem Hintergrund entgegen der Auffassung der Kläger nicht gesprochen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Gefahren für den Flugbetrieb aufgrund der flugklimatorischen Verhältnisse oder der „Windvorkommnisse“ gegenüber den Verhältnissen des bisherigen, im Jahr 2004 genehmigten Flugbetriebs signifikant geändert haben könnten; hierfür haben die Kläger auch keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen. Dies gilt auch für die Frage der Absturzgefahr, insbesondere im Zusammenhang mit Störfall-Betrieben, die in der Liste der „Firmen im Industriegebiet Memmingen Süd mit Gefahrenpotenzial“ aufgeführt sind. Die Beweisanträge zum Thema öffentliche Sicherheit (Ziffer IV.) waren deshalb mangels hinreichender tatsächlicher Grundlage abzulehnen.

5.2 Die Rüge eines Ermittlungsdefizits greift ebenfalls hinsichtlich weiterer Sicherheitsrisiken nicht durch.

5.2.1 Die Planfeststellungsbehörde hat sich umfassend mit der Problematik von Wirbelschleppen auseinandergesetzt und angeordnet, dass die Beigeladene alle in Betracht kommenden Gebäude auf die technische Normkonformität der Dacheindeckungen hin zu untersuchen oder den Berechtigten die Kosten einer solchen Untersuchung zu erstatten hat (PFB IV.7.5).

Dass weitere Schutzvorkehrungen in Betracht zu ziehen wären, wurde weder substanziiert dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich.

5.2.2 Hinsichtlich der Problematik des Vogelschlags stützt sich die Planfeststellungsbehörde auf das Gutachten des D. ... vom Dezember 2010 „Expertise für den Flughafen Memmingen - Verhütung von Vogelschlägen“ sowie auf Ermittlungen der Beigeladenen über Vogelschlag-Vorkommnisse. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene bereits ein aktives Vogelschlagmanagement durch einen Vogelschutzbeauftragten betreibt. Dass über die Auflagen IV.7.4 des Planfeststellungsbeschlusses hinaus weitere Schutzvorkehrungen erforderlich wären, ist nicht ersichtlich.

5.2.3 Auch etwaige Sicherheitsrisiken für Betriebsbereiche der Störfall-Verordnung wurden umfassend geprüft (PFB 3.2.2.2, S. 185 ff.). Ein Ermittlungsdefizit ist insoweit nicht plausibel dargelegt.

Hinsichtlich des (unbehelflichen) Beweisantrags zu Fragen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit Störfall-Betrieben wird auf die obigen Ausführungen zu 5.1 verwiesen.

6. Schließlich ist auch die fachplanerische Gesamtabwägung nicht zu beanstanden. Die privaten und öffentlichen Belange wurden in die Abwägung einbezogen und ausführlich gewürdigt. Auch die Gewichtung der gegenläufigen Interessen ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Insofern waren auch gerichtliche Beweiserhebungen nicht veranlasst.

III.

Die Kläger tragen als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens gemäß ihrer jeweiligen Beteiligung an dem Rechtsstreit (§ 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 2 ZPO). Es entspricht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese Anträge gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Diejenigen Kläger, die ihre Klage gemeinsam (insbesondere als Miteigentümer) erhoben haben, haften als Gesamtschuldner (§ 159 Satz 2 VwGO).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Gesamtstreitwert wird auf 165.000 Euro festgesetzt.

Davon entfallen

- auf das Verfahren 8 A 13.40037 60.000 Euro

- auf das Verfahren 8 A 13.40038 30.000 Euro

- auf die Verfahren 8 A 13.40039, 8 A 13.40040,

8 A 13.40041, 8 A 13. 40042 und 8 A 13.40044

jeweils 15.000 Euro.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Ziff. 34.2 bis 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.