Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 23. März 2017 - 13a B 17.30011

bei uns veröffentlicht am23.03.2017

Tenor

I. Soweit die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Oktober 2016 wie folgt geändert:

Unter Änderung der Nummer 1 und Aufhebung der Nummern 3, 4, 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. August 2016 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

Nach den Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) im streitgegenständlichen Bescheid vom 16. August 2016 soll der Kläger am 1. Januar 1997 in Takhar (Afghanistan) geboren sein. In der Akte des Bundesamts (Bl. 29) befindet sich ein INPOL-Ausdruck vom 7. März 2016, in dem in den Personalien der 1. Januar 1999, unter der „Erkennungsdienstlichen-Behandlung“ vom 7. März 2016 der 1. Januar 1997 und unter der „Erkennungsdienstlichen-Behandlung“ vom 16. November 2015 der 1. Januar 1999 als Geburtsdatum vermerkt sind. Nach seinen eigenen Angaben sei er 16 Jahre alt. Im Beschluss des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 11. November 2016, mit dem seine Rechtsanwältin zu seiner Vormundin bestellt wurde, ist als Geburtsdatum des Klägers der 1. März 2000 angegeben.

Der Kläger reiste am 16. November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 7. März 2016 einen Asylantrag stellte und 20. Mai 2016 angehört wurde. Bei seiner Anhörung führte der Kläger u.a. aus, dass er über Pakistan, Iran, Türkei, Griechenland und Österreich nach Deutschland gelangt sei. In Afghanistan lebten nach wie vor seine Eltern, zwei Brüder, eine Schwester und ein Onkel. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, trug er vor, im Ort, wo er gelebt habe, gebe es einen Kommandanten, der die Macht habe. Dieser sei immer zur Familie gekommen und habe gewollt, dass er gegen die Taliban kämpfe, obwohl er sich mit Waffen nicht auskenne. Dieser sei oft vor dem Abendgebet gekommen, habe ihn abgeholt und mit in die Berge genommen. Er habe ihm gesagt, er solle sich hinter den großen Steinen verstecken, warten und, egal wen er sehe, auf diesen schießen. Er habe ihn in diesem einen Jahr fast jeden Abend abgeholt und gesagt, er solle als ältester Sohn der Familie erwachsen werden und lernen. Einmal habe er ihn mitgenommen, um ihm das Schießen beizubringen, wobei er sei aus Versehen an den Abzug gekommen und mehrere Schüsse ausgelöst habe. Er sei abgehauen, oft nachts, und zurück zu seinen Eltern. Diese hätten ihm geraten, fortzugehen und für ihn einen Schleuser gefunden. Wenn er in sein Dorf zurückkehre, könne ihn der Kommandant umbringen. Auf die Frage, für wen dieser tätig sei, gab er an, dieser sei alleine tätig, habe allerdings fünf Brüder und Cousins um sich, die sich Mujahed nennen würden. Er arbeite weder für die Taliban noch die Regierung und wolle für die örtliche Gemeinschaft allein gegen die Taliban kämpfen. Er habe gesagt, dass sie ihren Ort verteidigen müssten. Er wisse nicht sicher, ob der Kommandant nicht trotzdem Kontakte zu den Taliban und sie nur veräppelt habe. Der Name des Kommandanten laute Abdulauer. Er habe gesagt, dass er mitgenommen werde, da er in einem Alter sei, in dem er der Erwachsene in der Familie sei. Ob er jetzt seinen Vater mitnehme, wisse er nicht, da er keinen Kontakt zur Familie habe.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 16. August 2016 wurde in Nr. 1 die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, in Nr. 2 der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, in Nr. 3 der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und in Nr. 4 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde der Kläger in Nr. 5 aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. In Nr. 6 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In den Gründen wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling i.S.v. § 3 AsylG sei. Der Kläger habe bei seiner Anhörung glaubhaft vorgetragen, dass er von einem Kommandanten unter Druck gesetzt und bedroht worden sei. Die Gruppe des Kommandanten sei als nichtstaatlicher Akteur anzusehen. Die grundsätzlich schutzwillige Regierung in Afghanistan sei jedoch in großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif in der Lage, Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung zu bieten. Die Bedrohung sei erfolgt, weil der Kläger aufgrund seines Alters in den Focus des Kommandanten gerückt gewesen sei, um ihn für seine Vorhaben zu gewinnen. Auch die Tatsache, dass der Kläger mehrmals dem Auftrag des Kommandanten nicht Folge geleistet habe, nachts zu seinen Eltern nach Hause gelaufen und nicht durch den Kommandanten bestraft worden sei, spreche dafür, dass dieser ihn für seine Zwecke benötigt habe. Die Beauftragung des Klägers durch den Kommandanten, auf alle Personen zu schießen, die sich seinem Versteck näherten, sei zweifelsohne eine kriminelle Handlung. Die vorgetragenen kriminellen Handlungen entsprächen jedoch keinem der in § 3 AsylG aufgeführten Anknüpfungsmerkmale für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Somit liege zwar möglicherweise eine Verfolgungshandlung vor, es fehle aber an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinn eines Verfolgungsgrundes Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG lägen nicht vor, da keine Ausführungen gemacht worden seien, die darauf schließen ließen, dass dem Kläger in Afghanistan die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohe. Die Anhaltspunkte, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan durch den Kommandanten bedroht sein könnte, seien zwar glaubhaft, aber bei dem jungen und gesunden Kläger sei grundsätzlich zu unterstellen, dass interne Schutzmöglichkeiten zumindest in afghanischen Städten wie z.B. Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif sowie in den Provinzen Bamiyan und Panjshir bestünden.

Der Kläger hat hiergegen am 9. September 2016 zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Zur Begründung verwies er auf den Asylantrag und seinen Vortrag bei der Anhörung am 20. Mai 2016. Mit Schriftsätzen vom 12. Oktober 2016 ergänzte er sein Vorbringen und verwies insbesondere auf seine Minderjährigkeit. Er sei erst 16 Jahre alt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. Oktober 2016 erklärte er, er sei 16 Jahre alt. Das im Dokument eingetragene Datum verstehe er nicht. Bei seiner Einreise nach Griechenland sei er von der Polizei nach seinem Alter befragt und insoweit festgehalten worden, dass er 18 Jahre alt sei. Mit diesem Dokument sei er später nach Deutschland gereist. So erkläre sich, dass in der Bundesamtsakte ein Alter von 18 Jahren eingetragen sei. Zu seinen Verfolgungsgründen erklärte er, dass es für ihn ausgeschlossen sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Im würde sofort „der Kopf abgeschnitten“ werden. Die Situation in seinem Dorf sei sehr schwierig, die Gefahr gehe nicht nur von den Taliban aus. Es hätten Leute im Dorf das Sagen, die junge Leute wie ihn rekrutierten und mit einer Waffe ausstatteten. Diese Leute kämen nach wie vor zu seinem Vater und fragten, wo er sei. Sein Vater sei bereits drei Mal von derartigen Leuten geschlagen worden.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen und in den Gründen u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG lägen nicht vor. Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung am 20. Mai 2016 und in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2016 Glauben schenke, scheitere eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft daran, dass keine asylrelevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gegeben sei. Zwar liege im Vortrag des Kläger möglicherweise eine kriminelle Handlung, verübt durch die Gruppe des Kommandanten, jedoch drohten dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Gefahren, die an ein Merkmal i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpften. Es handle sich um einen nichtstaatlichen Akteur i.S.v. § 3c Nr. 3 AsylG, dessen mögliche Repressionshandlungen nicht an ein asylerhebliches Merkmal anknüpften. Der Kläger sei auf den Schutz durch staatliche Organisationen bzw. Schutzakteure zu verweisen. In Afghanistan bestehe zumindest in den größeren Städten wie Kabul oder Herat eine schutzwillige Regierung, die Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung bieten könne. Damit seien die vom Kläger behaupteten Vorfälle bzw. die bei einer Rückkehr befürchtete Reaktion zwar strafrechtlich relevant. Eine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b Abs. 1 und Abs. 2 AsylG sei aus dem Vortrag des Klägers aber nicht ersichtlich und auch sonst nicht erkennbar. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, weil der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zurückgreifen könne. Er könne sich in Afghanistan auch außerhalb seines Heimatortes niederlassen. Für den Kläger als jungen gesunden Mann sei es ungeachtet der eventuell vorliegenden Minderjährigkeit möglich, in einer größeren afghanischen Stadt abseits seiner Herkunftsprovinz sich ein Existenzminimum zu sichern.

Gegen das Urteil hat der Kläger durch seine mittlerweile bestellte Vormundin und Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 17. November 2016 unter Vorlage einer Bestallungsurkunde des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 11. November 2016 die Zulassung der Berufung sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2016 (Az. 13a ZB 16.30686) wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und die Berufung wegen des Verfahrensmangels der fehlenden oder mangelhaften Vertretung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 4 VwGO zugelassen.

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2017 hat der Kläger die Berufung begründet und ausgeführt, es sei verkannt worden, dass es sich bei ihm um einen Minderjährigen handle. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge könnten nicht wie volljährige Flüchtlinge in den Herkunftsstaat zurück geschickt werden, wenn nicht gewährleistet sei, dass sie dort in eine Jugendeinrichtung aufgenommen würden oder mit ihren Eltern zusammengeführt werden könnten. Nach § 3c AsylG könne die Verfolgung, welche die Anerkennung des Flüchtlingsstatus begründe, auch von Organisationen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Er habe bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer Verfolgung durch den Kommandanten zu rechnen. Es sei nicht davon auszugehen, dass in der momentanen politischen Situation Afghanistans die Möglichkeit bestehe, die Regierung um Schutz zu ersuchen. Er könne auch nicht in einen anderen Teil des Landes reisen. Hierzu sei auf seine individuellen Gegebenheiten, insbesondere seine Minderjährigkeit und seinen nur dreijährigen Schulbesuch hinzuweisen.

Der Kläger beantragt,

ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass er die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, und den angefochtenen Bescheid und das angegriffene Urteil entsprechend aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hatte sich schriftlich nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung am 23. März 2017 führte ihr Vertreter aus, nach dem Auftreten des Klägers halte er diesen nicht mehr für minderjährig. Der Kläger habe klar und überlegt geantwortet und wirke auch äußerlich nicht als minderjährig. Im Übrigen halte das Bundesamt die im Bescheid vom 16. August 2016 geäußerte Glaubwürdigkeit der Verfolgungsgeschichte nicht mehr aufrecht, da Anhörender und Bescheidsverfasser unterschiedliche Personen seien. Im Übrigen könnte der Kläger, selbst wenn er minderjährig, aber seine Verfolgungsgeschichte nicht glaubwürdig wäre, zu seinen Eltern zurückkehren. Die humanitäre Lage wäre nicht derart, dass Abschiebungsschutz zu gewähren wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

1. Soweit in der mündlichen Verhandlung die Klage hinsichtlich der Feststellung des Asylstatus nach Art. 16a GG zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

2. Die Berufung ist im Übrigen zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat aufgrund seiner Verfolgungsgeschichte einen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit besteht für den minderjährigen Kläger auch kein interner Schutz nach § 3e AsylG. Entsprechend waren das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Bescheid des Bundesamts aufzuheben.

2.1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Wegen der Minderjährigkeit des Klägers waren zwar sowohl der ablehnende Bescheid des Bundesamts mangels Handlungsfähigkeit (§ 12 AsylG) als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts mangels Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO) unwirksam. Durch die Stellung von Sachanträgen im Berufungsverfahren durch die Vormundin wurden jedoch die auf der Minderjährigkeit des Klägers beruhenden Verfahrensfehler rückwirkend geheilt.

Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 11. November 2016 ist entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2017 davon auszugehen, dass der Kläger am 1. März 2000 geboren und damit sowohl während des Asylverfahrens vor dem Bundesamt als auch des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht als auch im vorliegenden Berufungsverfahren minderjährig war bzw. ist.

In der mündlichen Verhandlung äußerte der Vertreter der Beklagten erstmals die Ansicht, der Kläger sei nach seinem Auftreten und äußerem Erscheinungsbild volljährig. Aufgrund des Beschlusses des Familiengerichts und der Bestallungsurkunde vom 11. November 2016, mit dem die Vormundschaft über den Kläger angeordnet wurde, ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger am 1. März 2000 geboren und damit minderjährig ist. Das in § 42f SGB VIII geregelte Verfahren zur Altersfeststellung unbegleiteter Minderjähriger durch die Jugendämter mit der Anzeige des Ergebnisses an das Familiengericht nach § 42 Abs. 3 SGB VIII und dem von Amts wegen zu fassenden Beschluss des Familiengerichts nach § 1773 Abs. 1, § 1774 Satz 1 BGB zur Begründung der Vormundschaft stehen einer hiervon abweichenden Alterseinstufung entgegen. Mit § 42f SGB VIII hat der Gesetzgeber ein spezielles Verfahren zur Altersbestimmung unbegleiteter potentiell minderjähriger Flüchtlinge durch die Jugendämter geschaffen. Zwar hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich gegen eine Bindungswirkung der behördlichen Alterseinschätzung Dritten gegenüber ausgesprochen (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Bindungswirkung kommt jedoch dem die Vormundschaft anordnenden Beschluss des Familiengerichts zu, der zwar von Amts wegen zu ergehen hat, dem jedoch im Regelfall die Mitteilung des Jugendamts nach § 42 Abs. 3 SGB VIII zugrunde liegt. Damit ist auch im vorliegenden Verfahren, unabhängig davon, dass die angeführten Gründe des Vertreters der Beklagten aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung keinesfalls zwingend sind, vom Geburtsdatum 1. März 2000 auszugehen.

Mit dem Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 am 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) wurde die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Handlungsfähigkeit nach § 12 Abs. 1 AsylVfG a.F. ab der Vollendung des 16. Lebensjahres durch die Handlungsfähigkeit ab der Volljährigkeit ersetzt. Seit diesem Zeitpunkt ist nach § 12 Abs. 1 AsylG im Anwendungsbereich des Asylgesetzes nur ein volljähriger Ausländer fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen und sind nach § 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist. Damit entfiel für das gerichtliche Verfahren in Asylangelegenheiten die bislang gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 12 Abs. 1 AsylVfG a.F. ab Vollendung des 16. Lebensjahres bestehende Prozessfähigkeit. Der beschränkt Geschäftsfähige muss damit vor dem Verwaltungsgericht von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Insoweit konnten weder das Asylverfahren noch das Verfahren beim Verwaltungsgericht wirksam eingeleitet werden und waren auch die Zustellungen des Bescheids sowie des Urteils unwirksam.

Ob sich der Kläger hätte darauf beschränken können, die Aufhebung des unwirksamen Bescheids des Bundesamts und des unwirksamen Urteils des Verwaltungsgerichts unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Durchführung eines neuen Asylverfahrens zu beantragen oder auf Feststellung der Nichtigkeit des ablehnenden Bescheids zu klagen, kann vorliegend dahinstehen (vgl. BVerwG, U.v. 31.7.1984 – 9 C 156.83 – NJW 1985, 576; B.v. 21.11.1983 – 9 B 10044.82 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 134), da er durch seine gesetzliche Vertreterin im Zuge des Berufungsverfahrens die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus beantragt hat, worin eine konkludente Genehmigung der an sich unwirksamen Verfahrensschritte zu sehen ist, so dass diese Fehler geheilt worden sind. Der Mangel der Handlungsfähigkeit oder Vertretung kann durch (nachträgliche) Genehmigung des gesetzlichen Vertreters geheilt werden; diese kann auch stillschweigend, etwa durch Einlegung von Rechtsmitteln bzw. – wie vorliegend – der Stellung von Sachanträgen statt der bloßen Bescheidsaufhebung erklärt werden und wirkt auf den Beginn des Verfahrens zurück (BVerwG, U.v. 31.7.1984 – 9 C 156.83 – NJW 1985, 576; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 12 AsylG Rn. 9).

2.2. Die Klage ist auch begründet, da der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2a AsylG), oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2b AsylG). Dabei ist der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502.86 u.a. – BVerfGE 80, 315).

Aufgrund seines Vortrags ist davon auszugehen, dass dem Kläger an seinem Heimatort bei seiner Familie eine flüchtlingsrelevante Verfolgung im Sinn von § 3 Abs. 1 AsylG durch den Kommandanten und seine Männer durch den Versuch einer erneuten Zwangsrekrutierung droht oder er von diesen Vergeltungs- oder Racheakte zu befürchten hat.

2.3. Es besteht keine Veranlassung, die Bewertung des vorgebrachen Verfolgungsschicksals durch das Bundesamt als glaubhaft zu bezweifeln. Das Verwaltungsgericht hat die Glaubhaftigkeit des geschilderten Verfolgungsschicksals ebenfalls nicht verneint, sondern im Ergebnis offen gelassen.

Im streitgegenständlichen Bescheid ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Vortrag des Klägers glaubhaft sei, aber nicht die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung nach §§ 3 und 4 AsylG sowie § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erfülle. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die Beklagte von ihrer Bewertung des Vortrags als glaubhaft allein mit dem Argument abgerückt, der die Anhörung durchführende Mitarbeiter und der die endgültige Entscheidung treffende Mitarbeiter des Bundesamts seien nicht identisch gewesen.

Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise im Bundesamt mittlerweile in der Mehrzahl der Fälle erfolgt (zum Umfang vgl. BT-Drs. 18/11262 S. 77 f.) und die Beklagte mit dieser Argumentation die überwiegende Anzahl ihrer getroffenen Entscheidungen, in denen die Glaubwürdigkeit des Vortrags des Antragsstellers von Bedeutung war, in Frage stellen würde, besteht keine Veranlassung, die Wertung des Bundesamts sowie deren implizite Bestätigung durch das Verwaltungsgericht zu bezweifeln.

Allein die Tatsache, dass im Verfahren beim Bundesamt Anhörer und Entscheider nicht identisch waren, vermag an der Bewertung des Bundesamts des vom Kläger geschilderten Verfolgungsschicksals als glaubhaft nichts zu ändern. Lediglich das Bundesamt hat nachträglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof seine Bewertung geändert, ohne aber nachvollziehbar darzulegen, welche inhaltlichen Gründe hierfür entscheidend waren. Dabei spielt die Frage, ob eine Identität von Anhörer und Entscheider rechtlich geboten ist, für das vorliegende Verfahren und die hier relevante Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zusteht, keine Rolle, da sich aus einem derartigen Verfahrensfehler weder ein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus noch dessen Ausschluss ergäbe (zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Auseinanderfallens von Anhörer und Entscheider vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 9 B 174.96 – Jurion; BayVGH, U.v. 23.7.1997 – 24 B 96.32748 – BeckRS 1997, 25163; VGH BW, B.v. 31.1.2017 – A 9 S 1047/16 – Asylmagazin 2017, 236 = juris; Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 24 AsylG Rn. 23; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 24 AsylG Rn. 2; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 22).

Inhaltlich ist es Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Das Bundesamt und ggf. das Gericht müssen die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist, als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, B.v. 29.11.1996 – 9 B 293.96 – juris Rn. 2). Ob eine Aussage glaubhaft ist und welches Gewicht den die Aussage bestätigenden oder ihr widersprechenden anderen Erkenntnismitteln zukommt, ist eine Frage der Beweiswürdigung im jeweiligen Einzelfall (BVerwG, B.v. 29.11.1996 a.a.O.). Grundsätzlich ist unter Angabe genauer Einzelheiten ein in sich stimmiger Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung die Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren.

Vorliegend hat das Bundesamt den Vortrag des Klägers zur versuchten Zwangsrekrutierung als glaubhaft bewertet und das Verwaltungsgericht den Vortrag als wahr unterstellt. Inhaltlich haben weder das Bundesamt noch das Verwaltungsgericht relevante Einwände gegen das Vorbringen des Klägers erhoben. Das vom Kläger in seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt und bei seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen übereinstimmend geschilderte Verfolgungsschicksal wird auch den Anforderungen an einen glaubhaften Vortrag gerecht. Der Vortrag ist in sich schlüssig und frei von Widersprüchen.

Zudem erscheint der Vortrag im vorliegenden Einzelfall auch aufgrund weiterer Erkenntnismittel plausibel. Zwar lässt sich aus den Erkenntnismitteln nicht der Schluss ziehen, die zwangsweise Rekrutierung Minderjähriger sei in Afghanistan derart weit verbreitet, dass es sich um eine Verfolgung der sozialen Gruppe der minderjährigen afghanischen Staatsangehörigen im Sinn einer Gruppenverfolgung handelt (vgl. OVG NW, B.v. 18.8.2016 – 13 A 1642/16.A – juris Rn. 46), jedoch machen sie deutlich, dass je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls eine individuelle Verfolgung gegeben sein kann und der klägerische Vortrag damit plausibel erscheint.

Nach dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan des Auswärtigen Amts vom 19. Oktober 2016 (Stand September 2016 – Lagebericht 2016) gehe die größte Bedrohung für die Bürger Afghanistans von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus (S. 17). Es handle sich meist um Anführer von Milizen, die zwar nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet seien, die sie häufig missbrauchten. Die Zentralregierung habe auf viele dieser Personen kaum Einfluss und könne sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des schwachen Verwaltungs- und Rechtswesens blieben diese Menschenrechtsverletzungen häufig ohne Sanktionen. Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nach dem Lagebericht 2016 nicht auszuschließen (S. 12). Konkrete Fälle kämen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit. Speziell zum Problem der Rekrutierung von Kindern durch regierungsfeindliche Gruppen oder afghanische Sicherheitskräfte führt der Lagebericht 2016 aus, dieses bestehe weiter fort (S. 12 f.).

Auch die Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) vom 19. April 2016 (UNHCR-RL 2016) lassen das vom Kläger geschilderte Verfolgungsschicksal plausibel erscheinen, da Zwangsrekrutierungen Minderjähriger in Afghanistan jedenfalls vorkommen und nicht von vornherein auszuschließen sind.

Zur Thematik „Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Rekrutierung Minderjähriger und von Zwangsrekrutierung“ wird in den UNHCR-RL 2016 dargelegt, dass die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern durch alle Konfliktparteien für Unterstützungs- und Kampfhandlungen im ganzen Land beobachtet würden und von den Vereinten Nationen 2014 68 Fälle der Rekrutierung von Minderjährigen dokumentiert worden seien (S. 51). Zur Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte wird berichtet, diese Kräfte nutzten in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausübten, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang (S. 51). Personen, die sich der Rekrutierung widersetzten, seien ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden (S. 51 f.). Zur Zwangsrekrutierung und Rekrutierung Minderjähriger durch regierungsnahe Kräfte führen die UNHCR-RL 2016 aus, dass berichtet werde, dass regierungsnahe bewaffnete Gruppen Einheimische zwängen, junge Männer für den Kampf gegen Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte bereitzustellen (S. 53). In der Zusammenfassung legt der UNHCR seine Ansicht dar, dass – je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls – für Männer im wehrfähigen Alter und für Minderjährige, die in Gebieten lebten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der regierungsfeindlichen Kräfte befänden, oder in denen regierungsnahe und regierungsfeindliche Kräfte und/oder mit ISIS verbundene bewaffnete Gruppen um Kontrolle kämpften, ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus anderen relevanten Gründen bestehen könne. Je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls könne für Männer im wehrfähigen Alter und für Kinder, die in Gebieten lebten, in denen Befehlshaber der afghanischen lokalen Polizei über eine hinreichende Machtstellung für die Zwangsrekrutierung von Mitgliedern der Gemeinden für die afghanische lokale Polizei verfügten, ebenfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus anderen relevanten Gründen bestehe. Für Männer im wehrfähigen Alter und für Kinder, die sich der Zwangsrekrutierung widersetzten, könne ebenfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer (zugeschriebenen) politischen Überzeugung oder aus anderen relevanten Gründen bestehen. Je nach den spezifischen Umständen des Falls könne auch für Familienangehörige von Männern und Kindern mit diesem Profil aufgrund ihrer Verbindung zu der gefährdeten Person internationaler Schutzbedarf bestehen (UNHCR-RL 2016 S. 53).

2.4. Entgegen den Ausführungen im Ablehnungsbescheid, die vorgetragenen kriminellen Handlungen entsprächen keinem der in § 3 AsylG aufgeführten Anknüpfungsmerkmale für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, so dass zwar möglicherweise eine Verfolgungshandlung vorliege, es aber an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinn eines Verfolgungsgrundes Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe fehle, liegt vorliegend der erforderliche Anknüpfungspunkt im Merkmal Kinder im Sinn von § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG und damit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.

Bei der Auslegung und Anwendung des Asylgesetzes kommen sowohl den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 337 S. 9 – Qualifikations-RL) als auch dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559 – Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), besondere Bedeutung zu.

Nach Nr. 28 der Erwägungsgründe der Qualifikations-RL sollten die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen Minderjähriger auf internationalen Schutz kinderspezifische Formen von Verfolgung berücksichtigen. Nach den Regelbeispielen in Art. 9 Abs. 2 lit. f Qualifikations-RL können unter anderem die Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind als Verfolgungshandlungen gelten. In Umsetzung der Vorgaben der Qualifikations-RL wurde in § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG geregelt, dass Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind, als Verfolgung im Sinn des § 3a Abs. 1 AsylG gelten können.

Nach den Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 (A) 2 und 1 (F) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge des UNHCR vom 22. Dezember 2009 stellt die Rekrutierung von Minderjährigen eine kinderspezifische Form von Verfolgung dar (S. 11). Die Zwangsrekrutierung und die Rekrutierung eines Kindes unter 18 Jahren in die Streitkräfte eines Staates für die direkte Teilnahme an Kampfhandlungen erfüllen nach Ansicht des UNHCR den Tatbestand der Verfolgung im Sinn von Art. 1 A (2) GFK (S. 12). Desgleichen ist auch die Einziehung eines Kindes unter 18 Jahren in eine nichtstaatliche bewaffnete Gruppe als Verfolgung anzusehen (S. 12 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei der Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention durch die deutschen Gerichte keine Pflicht, die Publikationen des UNHCR heranzuziehen, da diese keine völkerrechtliche Bindungswirkung entfalten (BVerfG, B.v. 28.9.2006 – 2 BvR 1731/04 – juris Rn. 13). Es steht den nationalen Gerichten der Vertragsstaaten frei, zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention die einschlägigen Publikationen des UNHCR heranzuziehen, wenngleich die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten als ein erstrebenswertes Ziel angesehen werden kann, zu dem der UNHCR wesentlich beiträgt. Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass es auch eine verfassungsrechtlich verankerte Pflicht der nationalen Gerichte zur Anwendung der Richtlinien bei der Auslegung des materiellen Flüchtlingsrechts oder des Asylverfahrensrechts gibt (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2014 – 2 BvR 450/11 – NVwZ 2015, 361 = juris Rn. 46 m.w.N.). Sie stellen aber regelmäßig eine beachtliche Rechtsauffassung zur Auslegung der GFK dar (BVerfG, B.v. 12.3.2008 – 2 BvR 378/05 – juris Rn. 38). Für die vorliegende Fragestellung ist nicht ersichtlich, warum von der an sich unverbindlichen, aber die einheitliche Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten fördernden Interpretation des UNHCR abgewichen werden sollte, so dass mit der vom Kläger geschilderten Zwangsrekrutierung von einer relevanten, gegen Kinder gerichteten Verfolgungshandlung auszugehen ist, zumal auch in der Kommentarliteratur die Zwangsrekrutierung von Kindern einhellig als typische, gegen Kinder gerichtete Verfolgung angesehen wird (vgl. Keßler in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3a AsylG Rn. 20; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 3a AsylG Rn. 6; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 3a Rn. 48).

2.5. Bei dem Kommandanten mit der bewaffneten Gruppe handelt es sich um nichtstaatliche Akteure im Sinn von § 3c Nr. 3 AsylG. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts 2016 ist auch davon auszugehen, dass dem Kläger an seinem Heimatort kein staatlicher Schutz vor Verfolgung im Sinn von § 3d AsylG geboten werden kann. Danach gehe die größte Bedrohung für die Bürger Afghanistans von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handle sich meist um Anführer von Milizen, die zwar nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet seien, die sie häufig missbrauchten. Die Zentralregierung habe auf viele dieser Personen kaum Einfluss und könne sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des schwachen Verwaltungs- und Rechtswesens blieben diese Menschenrechtsverletzungen häufig ohne Sanktionen (Lagebericht 2016, S. 17).

2.6. Der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG steht schließlich nicht die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG entgegen.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft wegen internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und 2. sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslands die Voraussetzungen nach § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 Qualifikations-RL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen.

Sowohl im streitgegenständlichen Bescheid als auch im Urteil des Verwaltungsgerichts war der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG maßgeblich mit dem Argument des Bestehens einer internen Schutzmöglichkeit nach § 3e AsylG abgelehnt worden. Dies scheidet aber aufgrund der mittlerweile festgestellten Minderjährigkeit des Klägers aus. Diesem kann als Minderjährigen gerade nicht zugemutet und daher nicht vernünftigerweise von ihm erwartet werden, sich statt bei seinen Eltern – wo ihm aber eine erneute Zwangsrekrutierung drohen würde – allein und ohne familiäre Fürsorge und Schutz in den vom Bundesamt genannten Städten oder Provinzen niederzulassen.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslands die Voraussetzungen nach § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikations-RL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 2 AsylG genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen. Nach Art. 4 Abs. 3 lit. c Qualifikations-RL sind bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz insbesondere die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter zu berücksichtigen, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 27 der Qualifikations-RL sollte vom Antragsteller interner Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil des Herkunftslandes, in den er sicher und legal reisen kann, in dem er aufgenommen wird und bei dem vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlassen kann, tatsächlich in Anspruch genommen werden können. Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist nach Satz 3 des Erwägungsgrunds Nr. 27 der Qualifikations-RL vorgesehen, dass die Verfügbarkeit angemessener Betreuungsmöglichkeiten und Sorgerechtsregelungen, die dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dienen, von der Prüfung der Frage, ob dieser Schutz tatsächlich gewährt werden kann, umfasst werden sollte.

Soll also – wie vorliegend – einem unbegleiteten Minderjährigen, der die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG erfüllt, die Möglichkeit internen Schutzes nach § 3e AsylG entgegengehalten werden, setzt dies in gemeinschaftsrechtskonformer Anwendung und Auslegung voraus, dass unter besonderer Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Klägers dargelegt wird, dass angemessene Betreuungsmöglichkeiten und Sorgerechtsregelungen, die dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dienen, an den jeweiligen Orten bestehen. Insoweit sind bereits bei der Prüfung der tatsächlichen Erreichbarkeit und Zumutbarkeit des internen Schutzes nach § 3e AsylG die Minderjährigkeit und die daraus resultierenden besonderen Anforderungen in Form angemessener Betreuungsmöglichkeiten und Sorgerechtsregelungen im Interesse des Wohls des Minderjährigen durch das Bundesamt zu prüfen.

Den besonderen Schutz für Kinder im Ausländer- und Asylrecht mit einer Vergleichbaren Zielrichtung belegt auch die Regelung des § 58 Abs. 1a AufenthG, wonach sich die Ausländerbehörde vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers zu vergewissern hat, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Mit dieser Regelung, die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist, hat der Gesetzgeber Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. Nr. L 348 S. 98) umgesetzt (BT-Drs. 17/5470 S. 24). § 58 Abs. 1a AufenthG wirkt, solange sich die Ausländerbehörde nicht von der konkreten Möglichkeit der Übergabe des minderjährigen Ausländers an eine in der Vorschrift genannte Person oder Einrichtung vergewissert hat, systematisch als rechtliches Vollstreckungshindernis im Sinn des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit dilatorischer Wirkung (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – NVwZ 2013, 1489 Rn. 17). Allerdings ist diese Vorschrift nicht vom Bundesamt im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen oder nationalen Schutz zu prüfen, sondern erst durch die Ausländerbehörde auf der Ebene der Vollstreckung der Abschiebung. Im Unterschied dazu ist der Umstand der Minderjährigkeit im Rahmen der Prüfung des internen Schutzes nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG in Verbindung mit Art. 4 Qualifikations-RL durch das Bundesamt zu berücksichtigen.

Dies ist bislang nicht erfolgt, da dem Bundesamt die Minderjährigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung nicht bekannt war. Auch nach Zulassung der Berufung im Hinblick auf die nicht berücksichtigte Minderjährigkeit des Klägers hat die Beklagte diesbezüglich keinerlei Ausführungen gemacht, so dass aufgrund der gesetzlich ausdrücklich für maßgeblich erklärten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für den minderjährigen Kläger kein zumutbarer interner Schutz besteht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58 Abschiebung


(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Si

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 62


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind1.die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,2.die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 128


Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42f Behördliches Verfahren zur Altersfeststellung


(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzusc

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 12 Handlungsfähigkeit


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt z

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Tenor Der Klägerin wird für das Verfahren des zweiten Rechtszugs Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart v

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 18. Aug. 2016 - 13 A 1642/16.A

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Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Dez. 2014 - 2 BvR 450/11

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Gründe 1 Der Beschwerdeführer wendet sich unter Berufung auf Art. 31 Abs. 1 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl II 1953,
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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. Feb. 2018 - Au 5 K 17.31395

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 10. Okt. 2017 - W 1 K 16.31745

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am … in der Provi

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 05. März 2018 - Au 5 K 17.32484

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2019 - 13a ZB 17.31521

bei uns veröffentlicht am 11.01.2019

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen d

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre.

(2) Bei der Anwendung dieses Gesetzes sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist. Die Geschäftsfähigkeit und die sonstige rechtliche Handlungsfähigkeit eines nach dem Recht seines Heimatstaates volljährigen Ausländers bleiben davon unberührt.

(3) Im Asylverfahren ist vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Familiengerichts jeder Elternteil zur Vertretung eines minderjährigen Kindes befugt, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthaltsort im Bundesgebiet unbekannt ist.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. § 8 Absatz 1 und § 42 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.

(2) Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Ist eine ärztliche Untersuchung durchzuführen, ist die betroffene Person durch das Jugendamt umfassend über die Untersuchungsmethode und über die möglichen Folgen der Altersbestimmung aufzuklären. Ist die ärztliche Untersuchung von Amts wegen durchzuführen, ist die betroffene Person zusätzlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären; die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters durchgeführt werden. Die §§ 60, 62 und 65 bis 67 des Ersten Buches sind entsprechend anzuwenden.

(3) Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung des Jugendamts, aufgrund der Altersfeststellung nach dieser Vorschrift die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a oder die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 abzulehnen oder zu beenden, haben keine aufschiebende Wirkung. Landesrecht kann bestimmen, dass gegen diese Entscheidung Klage ohne Nachprüfung in einem Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung erhoben werden kann.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. § 8 Absatz 1 und § 42 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.

(2) Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Ist eine ärztliche Untersuchung durchzuführen, ist die betroffene Person durch das Jugendamt umfassend über die Untersuchungsmethode und über die möglichen Folgen der Altersbestimmung aufzuklären. Ist die ärztliche Untersuchung von Amts wegen durchzuführen, ist die betroffene Person zusätzlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären; die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters durchgeführt werden. Die §§ 60, 62 und 65 bis 67 des Ersten Buches sind entsprechend anzuwenden.

(3) Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung des Jugendamts, aufgrund der Altersfeststellung nach dieser Vorschrift die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a oder die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 abzulehnen oder zu beenden, haben keine aufschiebende Wirkung. Landesrecht kann bestimmen, dass gegen diese Entscheidung Klage ohne Nachprüfung in einem Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung erhoben werden kann.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre.

(2) Bei der Anwendung dieses Gesetzes sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist. Die Geschäftsfähigkeit und die sonstige rechtliche Handlungsfähigkeit eines nach dem Recht seines Heimatstaates volljährigen Ausländers bleiben davon unberührt.

(3) Im Asylverfahren ist vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Familiengerichts jeder Elternteil zur Vertretung eines minderjährigen Kindes befugt, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthaltsort im Bundesgebiet unbekannt ist.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Der Klägerin wird für das Verfahren des zweiten Rechtszugs Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. April 2016 - A 5 K 4575/14 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der Klägerin ist nach §§ 114, 115, 119 Abs. 1 Satz 2 und § 121 Abs. 1 ZPO, § 166 VwGO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn es für ihre Entscheidung maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 -, NVwZ 2016, 1243, 1245, und vom 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -, NVwZ 2007, 805 f.). Die nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG gebotene Darlegung dieser Voraussetzungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16.05.2007 - 2 BvR 1782/04 -, juris Rn. 13) verlangt, dass unter Durchdringung des Streitstoffes eine - gegebenenfalls erneut oder ergänzend - klärungsbedürftige konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufgezeigt wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war und die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und dass ein Hinweis auf den Grund gegeben wird, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.11.2011 - 5 B 29.11 -, juris; Senatsbeschluss vom 18.06.2012 - A 9 S 792/12 -). Diesen Anforderungen entspricht der Antrag nicht.
Der Antrag wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig folgende Fragen auf:
„Innerhalb welcher Zeit ist nach durchgeführter Anhörung gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG über den Asylantrag zu entscheiden? Gibt es eine zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung die Asylentscheidung rechtswidrig wird?“
„Muss die Asylentscheidung von dem Bediensteten gefällt werden, der die Anhörung gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG persönlich durchgeführt hat? Oder kann über den Asylantrag auf der Grundlage (lediglich) des schriftlichen Anhörungsprotokolls entschieden werden?“
Hierzu führt die Beklagte aus, diese Fragen seien für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung. Derzeit komme es verbreitet zu starken Verzögerungen bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Die Einhaltung einer Fünf-Monats-Grenze zwischen Anhörung und Entscheidung - wie vom Verwaltungsgericht gefordert - sei in der gegenwärtigen Überlastungssituation weitestgehend illusorisch. Das Gleiche gelte für die geforderte Einheit von Anhörer und Entscheider. Die Überlastungssituation zwinge sie zu einem flexiblen Personaleinsatz. Die Einrichtung sogenannter „Entscheidungszentren“ bei ihr beruhe gerade auf dem Prinzip, „bereits angehörte Altfälle durch an wenigen Standorten zentralisierte Entscheiderpools bescheiden zu lassen“. Die Person des Anhörers und die des Entscheiders fielen dabei regelmäßig auseinander. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene „Zurückverweisung“ an das Bundesamt stelle vor diesem Hintergrund alles andere als eine Problemlösung dar, würde diese doch zu einer zusätzlichen, erheblichen Verfahrensverzögerung führen. Denn zu Ende gedacht müsste bei „Verbrauch“ der Fünf-Monats-Frist nicht nur ein neuer Bescheid erlassen, sondern auch die Anhörung erneut vorgenommen werden, falls der seinerzeitige Anhörer für die Entscheidung nicht mehr zur Verfügung stehe oder ihm unterstellt werde, dass er sich an die Anhörung nicht mehr zuverlässig erinnern könne.
Für die Forderung nach Einhaltung einer Fünf-Monats-Frist zwischen Anhörung und Entscheidung sowie einer Personenidentität zwischen Anhörer und Entscheider sei auch keine Rechtsgrundlage erkennbar. Weder das Asylgesetz noch das EU-Recht verhielten sich zu diesen Fragen. Vielmehr gestatte Art. 14 Abs. 1 RL 2013/32/EU (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes) für den Fall einer Überlastungssituation sogar, dass Anhörungen vorübergehend von Bediensteten einer anderen Behörde durchgeführt würden. Der vom Verwaltungsgericht angestellte Vergleich mit § 138 Nr. 6 VwGO gehe fehl. Denn die auf diese Vorschrift gestützte fünfmonatige Begründungsfrist beziehe sich auf Urteile, deren Tenor am Schluss der mündlichen Verhandlung bereits verkündet worden sei und die noch der schriftlichen Begründung bedürften. Anders als nach § 116 Abs. 1 VwGO werde im Anhörungstermin nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG jedoch grundsätzlich keine Entscheidung verkündet. Diese ergehe vielmehr gemäß § 31 Abs. 1 AsylG im schriftlichen Verfahren. Da die Entscheidung - vom Sonderfall der neuen „Ankunftszentren“ abgesehen - regelmäßig mit zeitlichem Abstand erfolge, fordere § 25 Abs. 7 Satz 1 AsylG eine Niederschrift, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthalte. Gefordert sei gemäß Art. 17 Abs. 1 RL 2013/32/EU entweder ein Wortprotokoll oder eine ausführliche und objektive Niederschrift mit allen wesentlichen Angaben. Das Protokoll müsse folglich so abgefasst sein, dass eine Entscheidung allein aufgrund des Protokolls ergehen könne. Die bloße „Erinnerung“ des Entscheiders an den Ablauf der Anhörung dürfe mithin bei der Entscheidung keine Rolle spielen. Sie halte daran fest, dass es für die Bescheidung nach erfolgter Anhörung keine rechtlich festgelegte Zeitgrenze gebe, und dass die Bescheidung durch einen Bediensteten erfolgen könne, der an der Anhörung nicht selbst teilgenommen habe. Da das Verwaltungsgericht insoweit anderer Auffassung sei, bedürften die aufgeworfenen Fragen der Klärung in einem Berufungsverfahren.
Mit diesem Vorbringen legt die Beklagte den Zulassungsgrund nicht hinreichend dar. Sie zeigt schon die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht auf.
10 
Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil unter anderem damit begründet, zwischen der Anhörung der Klägerin nach § 25 AsylG durch Frau H. am 04.09.2012 und dem Erlass des Bescheids vom 10.10.2014, der unter dem Namen W. ergangen sei, hätten mehr als zwei Jahre gelegen. Es sei Ausdruck des menschlichen Wesens an sich, dass die Erinnerung mit fortschreitender Zeit zunehmend verblasse. Im vorliegenden Fall sei die Anhörung der Klägerin bereits am 04.09.2012 von einer Mitarbeiterin des Bundesamts durchgeführt worden, die allerdings die dann erst am 10.10.2014 erfolgte Entscheidung nicht getroffen habe. Der Zeitraum zwischen der Anhörung der Klägerin und der Fällung der Entscheidung betrage mehr als zwei Jahre und übersteige die Frist für gerichtliche Verfahren (Fünf-Monats-Frist zur Absetzung von Entscheidungsgründen) um ein Fünffaches. Der Bescheid vom 10.10.2014 sei „daher“ im Rechtssinne nicht mit einer Begründung versehen und verletze die Klägerin in ihrem Recht auf verfahrensfehlerfreie Prüfung ihres Asylantrags. Vor diesem Hintergrund hätte sich der Zulassungsantrag bereits näher damit auseinandersetzen müssen, inwieweit für das Verwaltungsgericht neben den besonderen Einzelfallumständen überhaupt die von der Beklagten als verallgemeinerungsfähig benannten Rechtsfragen leitend waren und inwieweit sich diese losgelöst von Einzelfallumständen beantworten lassen (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 23.07.1997 - 24 B 96.32748 -, BeckRS 1997, 25163, und Bodenbender, in: GK AsylG, 109. Aktualisierung 2016, § 25 Rn. 4, zur Einzelfallabhängigkeit der Frage, ob eine Verschiedenheit von Anhörer und Entscheider die Rechtmäßigkeit eines Ablehnungsbescheides berührt).
11 
Unabhängig davon lässt das Antragsvorbringen eine Befassung mit der zu den aufgeworfenen Fragen bereits vorhandenen Rechtsprechung und Literatur vermissen. Insbesondere geht es nicht darauf ein, dass das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Personenverschiedenheit von Anhörer und Entscheider bereits als nicht klärungsbedürftig bezeichnet hat, weil sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Asyl(verfahrens)gesetz ergebe (Beschluss vom 13.05.1996 - 9 B 174.96 -, JurionRS 1996, 21040, mit dem Hinweis auf § 5 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a.F.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 23.07.1997, a.a.O., der sich der Entscheidung anschließt und dies näher begründet). Danach gehöre die Anhörung des Asylsuchenden nicht zu den Aufgaben des Entscheiders beim Bundesamt, auch wenn ihm diese Aufgabe zusätzlich übertragen werden könne und dies auch sinnvoll sein möge, weil es in Asylsachen nicht selten entscheidend auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers ankomme. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass die Durchführung der Anhörung beim Bundesamt nicht zwingend zu den Aufgaben des Entscheiders gehöre, seien nicht ersichtlich (BVerwG, Beschluss vom 13.05.1996, a.a.O.). Auch in dem damals zugrunde liegenden Verfahren war die Beklagte Beteiligte.
12 
Hat das Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsfrage schon entschieden, erfordert die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Darlegung konkreter geänderter Umstände, die die erneute grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren als notwendig erscheinen lassen (vgl. - übereinstimmend teils zum Revisions-, teils zum Berufungszulassungsrecht, teils zur Klärung durch das BVerwG, teils zu der durch BVerfG oder EuGH - BVerwG, Beschlüsse vom 22.08.1986 - 3 B 47.85 -, NVwZ 1987, 55 und vom 25.11.1992 - 6 B 27.92 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306; OVG Hamburg, Beschluss vom 19.11.2001 - 4 Bf 202/01 -, GewArch 2002, 164; NdSOVG, Beschluss vom 10.02.2011 - 11 LA 491/10 -, NVwZ 2011, 572; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 133 Rn. 33; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 124a Rn. 85).
13 
Im vorliegenden Fall hat zwar das Bundesverwaltungsgericht nicht selbst in dem dafür vorgesehenen (Berufungs-) Verfahren eine Klärung herbeigeführt. Da es jedoch ausdrücklich eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (wenn auch zum damaligen Asylverfahrensgesetz) verneint hat, hätte der Zulassungsantrag auch dem mit genügenden Darlegungen Rechnung tragen müssen. Ob die Darlegungsanforderungen im gleichen Maße heraufgesetzt sind wie bei einer bereits im Berufungsverfahren erfolgten Klärung, kann dahinstehen (vgl. zu dem insoweit u.a. zu berücksichtigenden Zusammenhang zwischen den Zulassungsgründen der Grundsatzbedeutung und der Divergenz NdSOVG, Beschluss vom 10.02.2011, a.a.O.). Denn der Zulassungsantrag erwähnt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Personenverschiedenheit von Anhörer und Entscheider nicht einmal. Ob zum Beispiel die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ernst zu nehmender Kritik ausgesetzt gewesen ist oder seit deren Ergehen neue bedeutsame Gesichtspunkte zutage getreten sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.12.1970 - I B 96.70 -, BayVBl 1971, 423; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 124 Rn. 10), ist dem Zulassungsvorbringen dementsprechend nicht zu entnehmen. Zumindest einer gewissen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und gegebenenfalls ihrer Rezeption hätte es indes bedurft, zumal die hier zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur veröffentlicht, sondern auch (jedenfalls) in einem ebenfalls veröffentlichten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Bezug genommen wurde.
14 
Aus den vorstehend zitierten Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen sich der Zulassungsantrag nicht auseinandersetzt, ergibt sich zugleich, dass es auf das persönliche Erinnerungsvermögen des einzelnen Anhörers bei der Entscheidung über einen Asylantrag nicht notwendig ankommt, so dass eine Übertragung der Rechtsprechung zur äußersten „Absetzungsfrist“ für ein vollständiges Urteil im Verwaltungsprozess auf die Abfassung eines asylrechtlichen Bescheids offensichtlich ausscheidet (vgl. zu dem insoweit in Rede stehenden Rückgriff auf § 552 ZPO a.F. bzw. § 551 Abs. 2 Satz 3 ZPO Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92 -, BVerwGE 92, 367; BVerwG, Beschlüsse vom 20.09.1993 - 6 B 18.93 -, NJW 1994, 273, vom 18.08.1999 - 8 B 124.99 -, NVwZ 1999, 1334, vom 09.08.2004 - 7 B 20.04 -, juris, und vom 24.11.2005 - 9 B 20.05 -, juris). Für eine vergleichbare Frist im behördlichen Asylverfahren gibt es auch keinen gesetzlichen Anhaltspunkt (vgl. im Übrigen zur gerichtlichen Spruchreifmachung selbst bei unterbliebener Anhörung OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.01.2017 - 4 A 3051/15.A -, juris).
15 
Den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) hat die Beklagte weder geltend gemacht noch dargelegt.
16 
Die Kostenentscheidung für das gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreie Zulassungsverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
17 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 8. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich unter Berufung auf Art. 31 Abs. 1 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl II 1953, S. 560 ff., Genfer Flüchtlingskonvention, nachfolgend: GFK) gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen des Gebrauchens unechter Personaldokumente bei der Einreise nach Deutschland.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer verließ im Oktober 2009 gemeinsam mit seiner Ehefrau den Iran, um in Deutschland Asyl zu beantragen. Hierzu flogen beide zunächst von Teheran nach Istanbul und setzten von dort aus die Reise unter Inanspruchnahme einer Schlepperorganisation per Kleinbus und Schlauchboot zur Insel Samos/Griechenland fort, wo der Beschwerdeführer durch die Behörden für etwa zehn Tage in Gewahrsam genommen wurde. Nach seiner Freilassung begab er sich zusammen mit seiner Ehefrau nach Athen, wo sich beide für weitere 40 Tage aufhielten. In dieser Zeit bemühte sich der Beschwerdeführer um eine Möglichkeit zur Weiterreise nach Deutschland.

3

Am 27. November 2009 flog der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau von Athen nach Berlin-Schönefeld. Zum Zweck der Einreise in das Bundesgebiet hatte er in Griechenland für sich und seine Ehefrau gefälschte Personaldokumente - einen angeblich durch die Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Flüchtlingspass sowie eine rumänische Identitätskarte - käuflich erworben. Auf Anraten des Verkäufers zeigte der Beschwerdeführer bei der Einreisekontrolle durch die Bundespolizei die rumänische Identitätskarte vor. Da es sich bei dieser offensichtlich um eine Totalfälschung handelte, wurde der Beschwerdeführer in Gewahrsam genommen. Zu Beginn der Beschuldigtenvernehmung erklärte er, dass er für sich und seine Ehefrau Asyl beantragen wolle. Eine Anordnung der Sicherungshaft zu Zwecken der Zurückschiebung nach Griechenland wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 28. November 2009 abgelehnt, weil der Beschwerdeführer durch das Erstasylbegehren eine gesetzliche Aufenthaltsgestattung erworben hatte (vgl. § 55 Abs. 1 AsylVfG).

4

2. Aufgrund der Umstände seiner Einreise nach Deutschland wurde gegen den Beschwerdeführer Anfang 2010 ein Strafverfahren eingeleitet.

5

a) Durch Strafbefehl vom 25. März 2010 setzte das Amtsgericht Chemnitz eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen à 5,00 Euro wegen unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt und Urkundenfälschung gegen den Beschwerdeführer fest.

6

b) In der auf den Einspruch des Beschwerdeführers durchgeführten Hauptverhandlung beschränkte das Gericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO die Strafverfolgung auf das Urkundsdelikt, sprach den Beschwerdeführer durch angefochtenes Urteil vom 22. Juli 2010 der Urkundenfälschung in der Tatbestandsvariante des Gebrauchens einer unechten Urkunde schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 8,00 Euro. Eine Auseinandersetzung mit einer möglichen Straffreiheit des Beschwerdeführers gemäß § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK erfolgte nicht.

7

c) Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Beschwerdeführer am 29. Juli 2010 Sprungrevision zum Oberlandesgericht Dresden ein, die er mit Schriftsätzen vom 21. und 22. September 2010 begründete. Hierzu machte er geltend, nach seiner Auffassung erstrecke sich der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf mögliche Begleitdelikte aufenthaltsrechtlicher Straftaten, die tateinheitlich mit diesen begangen worden seien. Im Ergebnis sei er daher freizusprechen.

8

d) Das Oberlandesgericht Dresden verwarf die Revision mit angefochtenem Beschluss vom 18. Januar 2011 einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.

9

Unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Dresden führte das Gericht aus, dass Art. 31 Abs. 1 GFK als persönlicher Strafaufhebungsgrund lediglich das Delikt der unrechtmäßigen Einreise erfasse, wohingegen die Strafbarkeit von Begleitdelikten grundsätzlich unberührt bleibe. Insoweit schließe sich der Senat der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München in seiner Entscheidung vom 29. März 2010 - 5 StRR(II) 79/10 - an. Es liege nicht im Schutzbereich von Art. 31 Abs. 1 GFK, kriminellem Tun Vorschub zu leisten, wie es bei Gebrauch von falschen Personaldokumenten, die entgeltlich von Schleusern erworben worden seien, der Fall sei. Daher könne auch dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen von Art. 31 Abs. 1 GFK, insbesondere im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Einreise in Anbetracht des längeren Aufenthalts in Griechenland und die Unverzüglichkeit der Antragstellung aufgrund der Möglichkeit zur dortigen Stellung eines Asylantrags, vorliegend überhaupt gegeben seien. Auch die Annahme eines rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB bei der Einreise nach Deutschland und dem Gebrauch der unechten Urkunde komme aus diesem Grund nicht in Betracht.

II.

10

Mit seiner fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG). Er sei verurteilt worden, obschon der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen wäre.

11

1. Das Amtsgericht Chemnitz habe sich überhaupt nicht mit der Möglichkeit der Straffreiheit auseinandergesetzt; die rechtlichen Erwägungen des Oberlandesgerichts Dresden würden demgegenüber inhaltlich nicht überzeugen.

12

a) Dies gelte zunächst für die Annahme, er - der Beschwerdeführer - habe bereits in Griechenland als sicherem Drittstaat um Asyl nachsuchen können. Dies sei abwegig. Die Unzulänglichkeiten des griechischen Asylverfahrens seien seinerzeit bekannt gewesen. Dies zeige sich bereits daran, dass die zuständige Fachgerichtsbarkeit eine Rückführung nach Griechenland ausgesetzt habe. Deutschland sei zum Zeitpunkt seiner Einreise verpflichtet gewesen, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) Gebrauch zu machen, weil Griechenland aufgrund der Finanzkrise nicht mehr in der Lage gewesen sei, die gemeinschaftlichen Mindeststandards für die Aufnahme von Asylbewerbern und die Wahrung ihrer Rechte im Asylverfahren zu gewährleisten.

13

b) Auch die Qualifizierung seines Verhaltens als "kriminelles Tun" und der Ausschluss einer Prüfung des § 34 StGB gehe an der tatsächlichen Sachlage und Notsituation eines Flüchtlings vorbei. Es sei bei der Prüfung des Vorliegens der Notstandslage nicht auf die Situation der konkreten Einreise, sondern auf die Lage im Heimatland abzustellen. Es sei ohnehin schon sehr schwierig, überhaupt ein Asylgesuch anzubringen. Die Vorgehensweise in seinem Fall zeige deutlich, dass die Bearbeitung von Asylgesuchen im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Grenzübertritt nicht immer den rechtlichen Vorgaben entspreche. Zudem sei ihm auch ein Einzelfall bekannt, in dem die Kontrolle der Einreise durch einen privaten Sicherheitsdienst erfolgt sei. In dieser Konstellation habe erst die Vorlage des unechten Personaldokuments zur Weiterleitung an die Bundespolizei und zur Möglichkeit, einen Asylantrag anzubringen, geführt.

14

c) Von Verfassungs wegen sei es geboten, den Anwendungsbereich des Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf Begleitdelikte zu erstrecken, die tateinheitlich mit den Einreise- oder Aufenthaltsdelikten verwirklicht würden. Dabei habe eine an den Maßstäben des Völkerrechts orientierte Auslegung zu erfolgen.

15

Hierbei sei auch die Übung der Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention zu berücksichtigen. Diese richte sich maßgeblich nach den Vorgaben des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), welcher in einer Stellungnahme vom Mai 2004 von einer Erstreckung auf die Begleitdelikte ausgegangen sei (vgl. hierzu die "Überarbeitete UNHCR-Stellungnahme zur Auslegung und Reichweite des Art. 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom Mai 2004", S. 8 f.). Die Vertragsstaaten seien bei der Schaffung der Genfer Flüchtlingskonvention davon ausgegangen, "dass die Einreise mit gefälschten Papieren selbstverständlich von der Straffreiheit umfasst sein müsse". Gleiches gehe auch aus einer Empfehlung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zur Situation von Flüchtlingen in Ungarn vom November 2010 hervor.

16

2. Hilfsweise sei zumindest eine Einstellung des Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit von Verfassungs wegen geboten gewesen.

III.

17

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen einer notwendigen Annahme (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor; eine Annahme ist auch nicht aus anderen Gründen angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie offensichtlich unbegründet ist. Die angefochtenen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts beruhen nicht auf einer Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG).

18

Auch die Anwendung oder Nichtanwendung eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes auf einen strafrechtlich zu würdigenden Sachverhalt muss sich an Art. 103 Abs. 2 GG messen lassen (nachfolgend 1.). Zwar haben die staatlichen Gerichte im Falle des Beschwerdeführers die Nichtanwendung von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK zumindest teilweise mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt (nachfolgend 2.). Auf einem hierdurch möglicherweise indizierten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG beruhen die Entscheidungen jedoch nicht, weil die Begründung des Oberlandesgerichts die Nichtanwendung von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK im Ergebnis noch trägt und bereits nach dem Verfassungsbeschwerdevortrag die Anwendung des persönlichen Strafaufhebungsgrunds auf den konkreten Sachverhalt aus anderen Gründen erkennbar ausscheidet (nachfolgend 3.).

19

1. a) Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Für die Rechtsprechung folgt aus diesem Erfordernis ein Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie (vgl. BVerfGK 4, 261 <265>; 9, 169 <170>; 14, 12 <15>). Dabei ist Analogie nicht im engeren technischen Sinne zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>), wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 87, 209 <224>; 92, 1 <12>; 126, 170 <197>).

20

b) Auch die in den angefochtenen Entscheidungen der Strafgerichte erfolgte Nichtanwendung des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK muss sich an den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG messen lassen.

21

"Strafbarkeit" im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG bedeutet sowohl die Festlegung des gesetzlichen Tatbestands als auch der Rechtsfolgen, soweit es sich bei diesen um Strafen im Sinne der Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat handelt. Die Bestimmung des Tatbestands umfasst dabei nicht nur die Regelungen des Allgemeinen Teils und der Tatbestandsmerkmale des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs sowie der Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe (vgl. BVerfGE 104, 92 <108>), sondern auch von Strafbarkeitsbedingungen und Strafausschließungsgründen. Daneben sind auch die Art und Weise der Bestrafung sowie die Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolgen in den Garantiegehalt des Art. 103 Abs. 2 GG einbezogen (vgl. BVerfGE 105, 135 <156>). Zusammenfassend gilt das Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie damit umfassend auch für die Strafandrohung (vgl. Degenhart, in: Sachs, GG-Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 103, Rn. 61).

22

Die völkerrechtlich gemäß Art. 31 Abs. 1 GFK begründete Pflicht der Vertragsstaaten zur strafrechtlichen Privilegierung von Flüchtlingen unter bestimmten, vertraglich festgelegten Voraussetzungen ist von dem deutschen Gesetzgeber durch Schaffung des persönlichen Strafaufhebungsgrunds in § 95 Abs. 5 AufenthG, der auf Art. 31 Abs. 1 GFK verweist, umgesetzt worden (vgl. zur dogmatischen Einordnung als persönlicher Strafaufhebungsgrund: Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Erg. 2012, § 95 AufenthG, Rn. 68; Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 95 AufenthG, Rn. 8; Gericke, in: MüKo-StGB, 2. Aufl. 2013, § 95 AufenthG, Rn. 118). Durch die unverzügliche Meldung des Flüchtlings bei den Behörden und die Darlegung der Gründe, die seine unrechtmäßige Einreise oder seinen unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen, wird zwar weder das bereits verwirklichte Unrecht noch die Verantwortlichkeit des Täters beseitigt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1999 - 1 StR 344/98 -, juris, Rn. 18, zur inhaltsidentischen Vorgängervorschrift in § 92 Abs. 4 AuslG a.F.). Allerdings entfällt im konkreten Fall das staatliche Strafbedürfnis (vgl. Aurnhammer, Spezielles Ausländerstrafrecht, 1. Aufl. 1996, S. 163). Die Flüchtlingseigenschaft in Kombination mit der den Anforderungen entsprechenden Meldung bei den zuständigen Behörden des Gaststaats führt zur persönlichen Straflosigkeit des Täters (vgl. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Erg. 2012, § 95 AufenthG, Rn. 68).

23

Damit wirkt der Tatbestand des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK unmittelbar auf die Verknüpfung zwischen Tathandlung und Strafe ein, indem er die Bestrafung trotz Vorliegens einer vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangenen Straftat aus in der Person des Täters und in seinem Nachtatverhalten liegenden Gründen ausschließt. Eine Verurteilung, die unter Verkennung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des persönlichen Strafaufhebungsgrunds erfolgt, nimmt daher im Ergebnis das Bestehen eines staatlichen Strafbedürfnisses wegen einer Handlung oder Unterlassung an, bei der sich der Gesetzgeber jedoch - in völkervertraglicher Übereinkunft mit anderen Staaten - aufgrund besonderer Umstände in der Person und dem Verhalten des Täters dazu entschieden hat, von der Auferlegung einer missbilligenden hoheitlichen Reaktion (vgl. BVerfGE 26, 186 <204>) ausnahmsweise abzusehen, weil nach seiner Einschätzung kein Strafzweck im Sinne des ultima ratio-Grundsatzes (vgl. BVerfGE 120, 224 <239 f.>) eine Ahndung als erforderlich erscheinen lässt.

24

2. Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts sind in erster Linie den Fachgerichten überlassen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in besonderem Maße darauf zu achten, dass Verletzungen des Völkerrechts, die in der fehlerhaften Anwendung oder Nichtbeachtung völkerrechtlicher Normen durch deutsche Gerichte liegen und eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit begründen könnten, nach Möglichkeit verhindert werden. Dies kann im Einzelfall eine insoweit umfassende Nachprüfung gebieten (vgl. BVerfGE 58, 1 <34>; 111, 307 <328>; BVerfGK 9, 198 <201>).

25

Sowohl das Amtsgericht Chemnitz im Urteil vom 22. Juli 2010 als auch das Oberlandesgericht Dresden im Beschluss vom 18. Januar 2011 haben die Anwendung von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK auf den Sachverhalt des Beschwerdeführers zumindest mit teilweise rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt. Während das Amtsgericht den persönlichen Strafaufhebungsgrund gänzlich unerwähnt gelassen hat, ist das Oberlandesgericht pauschal der Erstreckung von dessen Anwendungsbereich auf tateinheitlich verwirklichte Begleitdelikte entgegen getreten und hat ergänzend sowohl die Unmittelbarkeit der Einreise in Anbetracht des längeren Aufenthalts in Griechenland - und damit mittelbar die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers - als auch die Unverzüglichkeit der Antragstellung aufgrund der Möglichkeit zur dortigen Stellung eines Asylantrags angezweifelt. Jedenfalls die Zweifel hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers (nachfolgend a.) und der Unmittelbarkeit der Einreise (nachfolgend b.) sind unberechtigt.

26

a) Der Beschwerdeführer ist am 27. November 2009 als "Flüchtling" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nach Deutschland eingereist und fällt daher unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK. Die inzident formulierte Annahme des Oberlandesgerichts Dresden, der Beschwerdeführer habe seinen Flüchtlingsstatus durch den vorübergehenden Aufenthalt in Griechenland verloren, ist unzutreffend.

27

aa) Nach überwiegender Auffassung fallen - gemessen an Kategorien des deutschen Ausländerrechts - unter den Flüchtlingsbegriff im Sinne von Art. 1 lit. A GFK erstens gemäß § 2 Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt anerkannte Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG, zweitens gemäß § 3 AsylVfG Personen, bei denen das Bundesamt oder ein Gericht unanfechtbar festgestellt hat, dass ihnen die in § 60 AufenthG bezeichneten Gefahren drohen, und drittens Asylbewerber (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, 71. Erg. 2010, § 95 AufenthG, Rn. 106, m.w.N.). Dabei ist der Begriff des "Asylbewerbers" im Zusammenhang mit der Auslegung des Flüchtlingsbegriffs nicht in einem streng verfahrensrechtlichen Sinne zu verstehen, der dazu führen würde, dass erst die Stellung eines förmlichen Asylantrags bei der zuständigen Stelle den Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention begründet. Vielmehr fallen auch Personen darunter, die sich nach Deutschland begeben haben, um dort bei der ersten sich bietenden Gelegenheit um Asyl nachzusuchen. Eine anderslautende Auslegung des deutschen Rechts - die Personen erst nach der Stellung des förmlichen Asylantrags in den persönlichen Schutzbereich des Abkommens einbezöge - würde den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention jedenfalls während des Zwischenzeitraums bis zum ersten Kontakt mit den staatlichen Stellen lückenhaft ausgestalten und liefe erkennbar dem Sinn und Zweck der Konvention zuwider. Das deutsche Asylverfahrensrecht sieht daher für Personen, die auf dem Luftweg einreisen, das Flughafenverfahren nach § 18a AsylVfG vor. Dieses ermöglicht es dem Flüchtling, sogar noch vor der Einreise einen Asylantrag zu stellen und hierdurch den Status eines Asylbewerbers und die damit verbundene Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG zu erlangen.

28

bb) Der Status als Flüchtling wird im konkreten Einzelfall nicht durch den vorherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Griechenland in Zweifel gezogen. Griechenland ist als Mitglied der Europäischen Union zwar grundsätzlich ein "sicherer Drittstaat" (vgl. § 26a Abs. 2 AsylVfG), so dass ein hierüber nach Deutschland Einreisender im Regelfall weder den Schutz des Art. 16a Abs. 1 GG noch die Eigenschaft als "Flüchtling" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention für sich beanspruchen kann, weil derjenige politisch oder aus sonstigen Gründen Verfolgte, der über einen sicheren Drittstaat einreist, in dem die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) sichergestellt ist, keines ergänzenden Schutzes durch das deutsche Asylrecht mehr bedarf (vgl. BTDrucks 12/4152, S. 4). Die Möglichkeit, Sicherheit in Gestalt von Asyl im Drittstaat zu erlangen, wird dabei bei Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterstellt (vgl. BTDrucks 12/4152, S. 4). Da durch die Einreise aus einem sicheren Drittstaat zudem die Berufung auf das Asylgrundrecht ausgeschlossen ist, erwirbt der Betroffene auch kein vorläufiges Bleiberecht und hat die Zurückschiebung zu dulden.

29

Allerdings waren zum Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers über Griechenland im November 2009 die Voraussetzungen einer Zurückschiebung nicht mehr gegeben, da seinerzeit vorübergehend nicht mehr davon ausgegangen werden konnte, dass dort die Schutzmechanismen für Flüchtlinge entsprechend den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention umgesetzt wurden. Dies war einer Überlastung der Einrichtungen sowie der Ausschöpfung der administrativen Kapazitäten aufgrund der durch die Eurokrise bedingten Einsparmaßnahmen geschuldet. Deutschland hat aufgrund dieser strukturellen Defizite des griechischen Asylverfahrens zu einem späteren Zeitpunkt von seinem Eintritts- beziehungsweise Übernahmerecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) Gebrauch gemacht und die Asylanträge von Personen, die über Griechenland eingereist waren, in eigener Zuständigkeit bearbeitet. Griechenland war vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers nicht mehr uneingeschränkt als "sicherer Drittstaat" im asylverfahrensrechtlichen Sinne einzuordnen (vgl. dazu BVerfG, Einstweilige Anordnungen der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. September 2009 - 2 BvQ 56/09 - juris; vom 23. September 2009 - 2 BvQ 68/09 - juris; vom 5. November 2009 - 2 BvQ 77/09 -, juris; EGMR (GK), M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Urteil vom 21. Januar 2011, Nr. 30696/09, juris), so dass der Beschwerdeführer - ebenso wie seine Frau - trotz seiner Einreise über Griechenland weiterhin als "Flüchtling" im Sinne des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK anzusehen war (vgl. auch: OLG Stuttgart, Urteil vom 2. März 2010 - 4 Ss 1558/09 -, juris, Rn. 11, zu einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation).

30

b) Der Beschwerdeführer ist auch "unmittelbar" im Sinne des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK aus einem Gebiet gekommen, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht war. Die - nicht näher konkretisierten - Zweifel des Oberlandesgerichts Dresden an der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals greifen nicht durch.

31

aa) Ein Flüchtling geht seines Schutzes durch Art. 31 Abs. 1 GFK grundsätzlich nicht schon dadurch verlustig, dass er aus einem Drittstaat einreist und nicht direkt aus dem Herkunftsstaat, sofern er diesen Drittstaat nur als "Durchgangsland" nutzt und sich der Aufenthalt in diesem nicht schuldhaft verzögert (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 2. März 2010 - 4 Ss 1558/09 -, juris, Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juli 2008 - 5 Ss 122/08 -, juris, Rn. 4). Art. 31 Abs. 1 GFK will durch das Tatbestandsmerkmal der "Unmittelbarkeit" lediglich verhindern, dass Flüchtlinge, die sich bereits in einem anderen Staat niedergelassen haben, unter Berufung auf die Genfer Flüchtlingskonvention ungehindert weiterreisen können. Eine Gefährdung dieses Schutzzwecks besteht bei einer bloßen Durchreise hingegen nicht (vgl. umfassend: Hailbronner, Ausländerrecht, 71. Erg. 2010, § 95 AufenthG, Rn. 109, m.w.N.).

32

bb) Der Beschwerdeführer hat sich zwar für einen Zeitraum von circa 40 Tagen in Griechenland aufgehalten, in dieser Zeit dort jedoch nicht niedergelassen. Sein Ziel war stets die Weiterreise nach Deutschland. In dem besagten Zeitraum hat er sich seinen Angaben zufolge um eine Weiterreisemöglichkeit dorthin bemüht. Da er Griechenland folglich lediglich als "Durchgangsland" nutzte, erfolgte seine Einreise nach Deutschland auch "unmittelbar".

33

3. Auf dem hierdurch möglicherweise begründeten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG beruhen die angefochtenen Entscheidungen jedoch nicht, weil die Begründung des Oberlandesgerichts die Nichtanwendung von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK jedenfalls im Ergebnis noch trägt und im konkreten Einzelfall selbst nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfassungsbeschwerdeverfahren die Anwendung des persönlichen Strafaufhebungsgrunds auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt aus anderen Rechtsgründen ausscheidet.

34

Die Auslegung von § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK hat primär nach völkerrechtlichen Interpretationsgrundsätzen zu erfolgen, die vor dem Hintergrund der deutschen Rechtsordnung "methodisch vertretbar" sein müssen (nachfolgend a.). Eine völkerrechtlich veranlasste Erstreckung der strafbefreienden Wirkung des Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf Begleitdelikte, die tateinheitlich mit einreise- oder aufenthaltsrechtlichen Straftaten begangen werden, ist nach Auslegung der völkervertraglichen Grundlagen jedenfalls nicht voraussetzungslos geboten. Deren völkerrechtliche Gebotenheit unterstellt, wäre jedenfalls vorauszusetzen, dass eine notstandsähnliche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, angesichts einer aktuellen Verfolgungssituation die für die Einreise erforderlichen Formalitäten zu erfüllen, vorliegt, welche die Begehung (auch) des Begleitdelikts als geeignet, erforderlich und angemessen erscheinen lässt, die notstandsähnliche Lage zu beenden (nachfolgend b.). Diese Voraussetzung war im Falle des Beschwerdeführers offensichtlich nicht erfüllt (nachfolgend c.).

35

a) § 95 Abs. 5 AufenthG verweist mit Art. 31 Abs. 1 GFK auf die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages. Dieser ist aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 1. September 1953 (BGBl II 1953, S. 559) für die deutsche hoheitliche Gewalt bindend (vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 72. Erg. 2014, Art. 59, Rn. 185) und steht im Rang eines Bundesgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <317>, jeweils zur EMRK). Da die Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt sind, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, sind die Normen auch unmittelbar anwendbar (self-executing, vgl. BVerwGE 4, 309 <310 f.>; 49, 202 <207>; BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 -, juris, Rn. 14). Im Falle des Art. 31 Abs. 1 GFK wird der Rechtsanwendungsbefehl zudem ergänzend durch § 95 Abs. 5 AufenthG erteilt.

36

Die Rangzuweisung als Bundesgesetz führt über Art. 59 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dazu, dass das Völkervertragsrecht durch deutsche Gerichte im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; BVerfGK 9, 174 <189>). Gleiches gilt für Vorschriften, die wie § 95 Abs. 5 AufenthG auf die Genfer Flüchtlingskonvention verweisen (vgl. Masing, in: Grawert/Schlink/Wahl/Wieland, Offene Staatlichkeit - Festschrift für Ernst-Wolfgang Böckenförde zum 65. Geburtstag, 1995, S. 51 <58 f.>).

37

Die Auslegung dieser Vorschriften hat ausgehend von ihrem Wortlaut im Zusammenhang nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des allgemeinen Völkerrechts zu erfolgen (vgl. BVerfGE 4, 157 <168>; 46, 342 <361 f.>). Für die Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention sind daher primär die in Art. 31 und 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985 S. 926 ff., Wiener Vertragsrechtskonvention, nachfolgend: WVRK) zum Ausdruck kommenden Interpretationsgrundsätze maßgeblich. Diese völkervertraglich festgeschriebenen Auslegungsregeln sind dabei zwar nicht unmittelbar auf die Genfer Flüchtlingskonvention zur Anwendung zu bringen, weil die WVRK erst am 27. Januar 1980 in Kraft getreten und auf früher geschlossene Vereinbarungen ratione temporis unanwendbar ist (vgl. Art. 4 WVRK). Da die einschlägigen Auslegungsregeln der Art. 31 und 32 WVRK jedoch bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht inhaltsgleich kodifizieren (vgl.IGH, Oil Platforms, Islamic Republic of Iran v. United States of America, Preliminary Objection, Judgment of 12 December 1996, ICJ Reports 1996, S. 803 <812>; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 81), kann für die Auslegung früher entstandener Verträge auf dieses zurückgegriffen werden (vgl. Aust, Vienna Convention on the Law of Treaties (1969), in: Wolfrum (ed.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Volume X, S. 709 <712>).

38

b) Ausgehend hiervon spricht - insoweit jedenfalls im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Begründung des Oberlandesgerichts - Überwiegendes gegen eine Erstreckung der strafbefreienden Wirkung des Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf Begleitdelikte, die tateinheitlich mit einreise- oder aufenthaltsrechtlichen Straftaten begangen werden. Letztlich kann der Umfang einer möglichen Erstreckung vorliegend jedoch offen bleiben, da Voraussetzung einer solchen jedenfalls das Vorliegen einer notstandsähnlichen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit wäre, angesichts einer aktuellen Verfolgungssituation die für die Einreise erforderlichen Formalitäten zu erfüllen, die die Begehung (auch) eines Begleitdelikts als geeignet, erforderlich und angemessen erscheinen ließe, die notstandsähnliche Lage zu beenden.

39

aa) Der nach Art. 31 Abs. 2 WVRK und dem hierzu parallelen Völkergewohnheitsrecht zur Auslegung heranzuziehendeWortlaut von Art. 31 Abs. 1 GFK deutet auf eine Beschränkung der strafbefreienden Wirkung auf einreise- oder aufenthaltsrechtliche Delikte im Sinne einer engen Auslegung hin.

40

In den nach Art. 46 GFK verbindlichen englischen und französischen Sprachfassungen, die nach Art. 33 WVRK und dem hierzu parallelen Völkergewohnheitsrecht gleichen Rangs sind, ist nach der grammatikalischen Auslegung die Straffreiheit (lediglich) wegen unrechtmäßiger Einreise oder oder unrechtmäßigen Aufenthalts vorgesehen("on account of their illegal entry or presence" / "du fait de leur entrée ou de leur séjour irréguliers"). Dies beinhaltet eine Beschränkung auf Delikte, mit denen gegen die speziellen nationalen einreiserechtlichen oder aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen verstoßen wird. Die Vorlage etwa eines unechten Personaldokuments als Verstoß gegen Strafvorschriften anderer Schutzrichtung ist - selbst wenn sie zum Zwecke der Einreise oder des Aufenthalts erfolgt - demzufolge hiervon nach dem Wortlaut grundsätzlich nicht erfasst.

41

bb) Die nach Art. 31 Abs. 1 und 2 WVRK und dem hierzu parallelen Völkergewohnheitsrecht zulässigesystematische Auslegung führt demgegenüber zu keinem eindeutigen Ergebnis. Eine Auslegung des "Zusammenhangs" erfordert nach Art. 31 Abs. 2 WVRK die Berücksichtigung des Vertragswortlauts "samt Präambel und Anlagen".

42

(1) Die Art. 31 Abs. 1 GFK nachfolgenden Vorschriften postulieren zwar einen hohen Schutz für den Flüchtling, der allgemein für eine weite Auslegung der Strafbefreiung spricht. Dass dieser Schutz jedoch nicht schrankenlos gewährt werden soll, sondern aus einer Abwägung zwischen humanitären und staatlichen Interessen erwächst, ist bereits in der Präambel der Genfer Flüchtlingskonvention angelegt, nach der die vertragsschließenden Staaten mit dem Willen handelten, den Flüchtlingen "in möglichst großem Umfange die Ausübung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu sichern (…), dass sich aus der Gewährung des Asylrechts nicht zumutbare schwere Belastungen für einzelne Länder ergeben können (…), in dem Wunsche, dass alle Staaten in Anerkennung des sozialen und humanitären Charakters des Flüchtlingsproblems alles in ihrer Macht stehende tun (…)".

43

(2) Innerhalb des Regelungsgehalts von Art. 31 Abs. 1 GFK deutet systematisch Überwiegendes auf eine enge Auslegung hin. Im letzten Halbsatz werden dem Flüchtling lediglich die Meldung bei der Behörde und die Mitteilung der die "unrechtmäßige Einreise" oder den "unrechtmäßigen Aufenthalt" rechtfertigenden Gründe abverlangt, nicht jedoch die Mitteilung derjenigen Umstände, die die etwaige Begehung von Begleitdelikten erforderlich erscheinen ließen. Dies spricht gegen eine weite Auslegung des Art. 31 Abs. 1 GFK, da anderenfalls nicht plausibel erklärbar wäre, weshalb der Flüchtling allein die den Verstoß gegen einreise- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen rechtfertigenden Umstände darlegen müsste, nicht aber die Rahmenbedingungen, die ihn nach seiner Einschätzung gezwungen haben, sonstige - möglicherweise schwerwiegendere - Verstöße gegen die sonstige Rechtsordnung seines Gaststaats zu begehen.

44

cc) Die nach Art. 31 Abs. 3 WVRK und dem parallelen Völkergewohnheitsrecht ebenfalls auslegungsrelevantespätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien oder spätere Übung, aus der eine bestimmte Auslegung hervorgeht, spricht ebenfalls für eine enge Auslegung von Art. 31 Abs. 1 GFK. Wesentliche Voraussetzung für die Annahme späterer Übereinkunft oder Übung im genannten Sinne sind ein übereinstimmender Wille unter den Vertragsparteien, der in der Übereinkunft oder späterer Staatenpraxis zum Ausdruck kommt und - so er durch ständige Übung begründet wird - von der Überzeugung der Staaten getragen ist, hierzu völkerrechtlich verpflichtet zu sein (opinio juris).

45

(1) Die Stellungnahmen des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) oder die Beschlüsse des Exekutiv-Komitees des UNHCR fallen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht unter die Alternative der späteren Übereinkunft (so auch: Mananashvili, Möglichkeiten und Grenzen zur völker- und europarechtlichen Durchsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention, 2009, S. 97 ff.). Sie stellen lediglich eine beachtliche Rechtsauffassung zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention dar, so dass, wenn diese im Widerspruch zur bisherigen Rechtsauslegung steht und keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, jedenfalls dann die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage indiziert ist, wenn die ihnen zugrunde liegende Rechtsauffassung mit dem Wortlaut der betroffenen Norm vereinbar ist.

46

Aus einer abweichenden Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention in Publikationen des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge lässt sich jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Verstoß der Fachgerichte gegen eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Beachtung des Völkerrechts folgern, auch nicht in der Ausprägung des Gebots der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Bundesrechts. Es steht den nationalen Gerichten der Vertragsstaaten frei, zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention die einschlägigen Publikationen des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge heranzuziehen. Wenngleich die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten als ein erstrebenswertes Ziel angesehen werden kann, zu dem das Hochkommissariat wesentlich beiträgt, führt dies nicht dazu, dass es auch eine verfassungsrechtlich verankerte Pflicht der nationalen Gerichte zur Anwendung der Richtlinien bei der Auslegung des materiellen Flüchtlingsrechts oder des Asylverfahrensrechts gibt (vgl. BVerfGE 52, 391 <404>; BVerfGK 9, 198 <202>).

47

(2) Auch lässt sich keine spätere Übung der Konventionsstaaten feststellen, die zu einem gegenteiligen Ergebnis führt und eine weite Auslegung als geboten erscheinen ließe.

48

Nach einer im Jahr 2003 durchgeführten Untersuchung von Goodwin-Gill erstrecken nur 29 % der untersuchten Konventionsstaaten den Tatbestand von Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf die Strafbarkeit wegen der Einreise mit gefälschten Personaldokumenten; in weiteren 19 % der Konventionsstaaten soll es ausdrückliche Regelungen geben, die eine dahingehende Straffreiheit vorsehen. In den übrigen untersuchten Staaten findet die Erstreckung nicht statt, sondern wird von einer engen Auslegung des Art. 31 Abs. 1 GFK ausgegangen (vgl. Goodwin-Gill, Article 31 of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees: non-penalization, detention, and protection, in: Feller/Türk u.a. (ed.), Refugee Protection in International Law, 2003, S. 207). Andere Begleitdelikte werden sogar im Regelfall nicht von der Strafbefreiung erfasst.

49

Zwar ist Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVRK nicht dahingehend zu verstehen, dass sämtliche Vertragsstaaten eine einheitliche Praxis vorweisen müssten. Es muss sich allerdings um eine überwiegend "gebilligte Rechtspraxis" handeln (vgl. Masing, in: Grawert/Schlink/Wahl/Wieland, Offene Staatlichkeit - Festschrift für Ernst-Wolfgang Böckenförde zum 65. Geburtstag, 1995, S. 51 <70 f.>). Eine derart konträre Handhabung der Konventionsnorm, wie sie durch Goodwin-Gill festgestellt worden ist, vermag jedoch keine "ständige Übung" darzustellen. Ebenso wenig kann unterstellt werden, dass die Staaten, die den Anwendungsbereich der Strafbefreiung in Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf (einzelne) Begleitdelikte erstrecken, sich hierzu völkervertraglich verpflichtet gefühlt haben. Zur opinio juris dieser Staaten enthält die Untersuchung von Goodwin-Gill keine Anhaltspunkte, so dass die Entscheidung für die weite Auslegung ebenso gut auf die nationale politische Entscheidung zu Gunsten der Gewährung eines höheren Schutzniveaus - als es in der Genfer Flüchtlingskonvention als Mindeststandard gefordert ist - zurückführbar sein kann.

50

dd) Schließlich gebietet auch die nach Art. 31 Abs. 1 WVRK und dem parallelen Völkergewohnheitsrecht maßgeblicheAuslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift keine zwingende, jedenfalls aber keine voraussetzungslose Erstreckung des persönlichen Strafaufhebungsgrunds auch auf Begleitdelikte (a.A. Fischer-Lescano/Horst, ZAR 2011, S. 81 <87>).

51

(1) Aus der Präambel der Genfer Flüchtlingskonvention ergibt sich das Ziel der Konvention, den Flüchtlingen in Anbetracht ihrer Situation die Ausübung ihrer Rechte zu sichern und ihnen größtmöglichen Schutz zukommen zu lassen. Diese soll jedoch nicht schrankenlos gewährt werden, sondern aus einer Abwägung zwischen humanitären und staatlichen Interessen erwachsen (vgl. bereits oben III.3.b) bb)).

52

(2) Dies wird auch durch die travaux préparatoires (Art. 32 WVRK und paralleles Völkergewohnheitsrecht) zu Art. 31 Abs. 1 GFK im Ergebnis bestätigt (vgl. Memorandum by the Secretary-General to the Ad Hoc Committee on Statelessness and Related Problems, E/AC.32/2, 3. Januar 1950, S. 46 zu Artikel 24 Absatz 2 des damaligen Konventionsentwurfs: "A refugee whose departure from his country of origin is usually a flight, is rarely in a position to comply with the requirements for legal entry (possession of national passport and visa) into the country of refuge. It would be in keeping with the notion of asylum to exempt from penalties a refugee, escaping from persecution, who after crossing the frontier clandestinely, presents himself as soon as possible to the authorities of the country of asylum and is recognized as a bona fide refugee.").

53

(3) Art. 31 Abs. 1 GFK liegt damit der Gedanke zugrunde, dass einem Flüchtling die Verletzung von Einreise- und Aufenthaltsvorschriften nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn ernur auf diese Weise Schutz vor politischer oder sonstiger Verfolgung erlangen kann (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, 71. Erg. 2010, § 95 AufenthG, Rn. 109). Hierdurch will Art. 31 Abs. 1 GFK Flüchtlinge davor bewahren, für ihre Flucht (und damit verbunden die Einreise und den Aufenthalt in einem anderen Land) bestraft zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass eine Strafbefreiung jedenfalls dann ausscheidet, wenn der Schutz vor Verfolgung auch in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung des Gaststaats hätte erlangt werden können. Daher erfordert Art. 31 Abs. 1 GFK allgemein eine notstandsähnliche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, angesichts einer bestehenden Verfolgungssituation("escaping from persecution") die für die Einreise erforderlichen Formalitäten zu erfüllen. Dies müsste über die unstreitig von Art. 31 Abs. 1 GFK erfassten Einreise- und Aufenthaltsdelikte hinaus auch für etwaige Begleitdelikte gelten, sofern diese in den Anwendungsbereich des persönlichen Strafaufhebungsgrunds einbezogen wären. Allein der Wunsch nach unbedingter "Effektivierung des (…) Schutzes von Flüchtlingen" (Fischer-Lescano/Horst, ZAR 2011, S. 81 <87>) kann demgegenüber - auch nach dem Sinn und Zweck der Konvention - nicht zu einer carte blanche für sämtliche deliktischen Handlungen und Unterlassungen des Flüchtlings, die im Zusammenhang mit der Einreise vorgenommen werden, generiert werden.

54

c) Eine notstandsähnliche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, angesichts einer bestehenden Verfolgungssituation die für die Einreise erforderlichen Formalitäten zu erfüllen, ist bei der Ankunft eines Flüchtlings auf dem Luftweg nach dem deutschen Asylverfahrensrecht im Regelfall strukturell ausgeschlossen. Auch die Umstände des konkreten Einzelfalls rechtfertigen keine andere rechtliche Bewertung. Der Schutz vor Verfolgung hätte auch in Übereinstimmung mit der deutschen Rechtsordnung erlangt werden können.

55

aa) Eine strukturelle Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Einreise ohne Vorlage des unechten Personaldokuments wäre etwa anzunehmen, wenn das deutsche Asylverfahrensrecht die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis - die den Flüchtling zumindest vorübergehend der Verfolgung entzieht - von der Einreise oder sonstigen, innerhalb des Gaststaats vorzunehmenden Verfahrensschritten abhängig machen würde, so dass der Flüchtling sich beim Grenzübertritt in der notstandsähnlichen Lage sieht, entweder von der illegalen Einreise unter Verwendung der unechten Dokumente abzusehen und damit weiterhin der Verfolgung ausgesetzt zu sein oder das Begleitdelikt des Gebrauchmachens unechter Personaldokumente zu begehen, um die Notstandslage zu beenden.

56

Eine derartige Notstandslage besteht jedenfalls für auf dem Luftweg ankommende Flüchtlinge nach dem deutschen Asylverfahrensrecht nicht. Gemäß § 13 Abs. 1 AsylVfG liegt ein wirksamer Asylantrag unter anderem bereits dann vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG beantragt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG); hierunter fallen auch die Schutzgarantien der Genfer Flüchtlingskonvention. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlangt der Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens unmittelbar mit der Antragstellung die Gestattung des Aufenthalts im Bundesgebiet. Daher endet die notstandsähnliche Lage spätestens mit der gegenüber dem ersten Hoheitsträger geäußerten Erklärung, in Deutschland Asyl beantragen zu wollen. In Übereinstimmung hiermit bestimmt § 13 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, dass ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist - also unerlaubt einreisen müsste -, bereits an der Grenze um Asyl nachzusuchen hat.

57

Für Ausländer, die auf dem Luftweg nach Deutschland gelangen, sieht § 18a AsylVfG das sogenannte Flughafenverfahren vor. Der erste Hoheitsträger, mit dem ein auf diesem Weg einreisender Ausländer konfrontiert wird, ist in der Regel der den Grenzübertritt kontrollierende Beamte der Bundespolizei, welcher gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BPolG der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebiets obliegt. Bei diesem hat der Ausländer bereits die Möglichkeit, Asyl zu beantragen und die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu erlangen. Die Bundespolizei trifft in diesem Fall die Pflicht, den Ausländer unverzüglich an die zuständige oder nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Einleitung des förmlichen Asylverfahrens weiterzuleiten (vgl. § 18 Abs. 1 AsylVfG). Das Passieren der Grenzkontrolle unter Vorlage eines unechten Personaldokuments ist daher weder zur Beantragung von Asyl noch zur Erlangung einer Aufenthaltsgestattung erforderlich; eine notstandsähnliche Lage, die die Straffreiheit der Begehung eines derartigen Begleitdelikts aufgrund von Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 GFK erfordern würde, liegt nach deutscher Rechtslage in aller Regel nicht vor.

58

Dies findet völkerrechtlichen Rückhalt in der Tatbestandsvoraussetzung der "Unverzüglichkeit" der Meldung in § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK. Der Flüchtling hat hiernach die erste Gelegenheit zu nutzen, um die Gründe darzulegen, welche die unrechtmäßige Einreise oder den unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne auch: OLG Stuttgart, Urteil vom 2. März 2010 - 4 Ss 1558/09 -, juris, Rn. 13). Dabei ist das Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit im Sinne von § 121 BGB zu verstehen, so dass die Meldung bei der Behörde "ohne schuldhaftes Zögern" zu erfolgen hat (vgl. Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 95 AufenthG, Rn. 8; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juni 1987 - 2 BvR 911/85 -, juris, Rn. 6).

59

bb) Auch die konkreten Umstände des Einzelfalls rechtfertigen keine ausnahmsweise andere rechtliche Beurteilung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlung.

60

(1) Es war für den Beschwerdeführer am 27. November 2009 nicht zwingend erforderlich, das unechte Identitätsdokument vorzulegen, um eine Aufenthaltsgestattung in Deutschland zu erlangen. Vielmehr hätte er bereits bei dem Beamten der Bundespolizei, den er durch die Vorlage des Dokuments zu täuschen versuchte, um Asyl nachsuchen können, wodurch ein - gegebenenfalls im Wege des Flughafenverfahrens nach § 18a AsylVfG durchzuführendes - Asylverfahren eingeleitet worden wäre. Spätestens dieses Gesuch hätte eine etwaig bestehende notstandsähnliche Fluchtsituation beendet. Auf diese Weise hätte der Beschwerdeführer auch in Übereinstimmung mit der deutschen Rechtsordnung Schutz vor der politischen Verfolgung in seiner Heimat erlangen können (vgl. hierzu: Hailbronner, Ausländerrecht, 71. Erg. 2010, § 95 AufenthG, Rn. 109; ebenso im Ergebnis: Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Erg. 2012, § 95 AufenthG, Rn. 68). Aus diesem Grund scheidet auch die Berufung auf § 34 StGB aus.

61

(2) Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorträgt, in Einzelfällen werde die Einreisekontrolle durch private Sicherheitsdienste vorgenommen, bei welchen die Beantragung von Asyl nicht möglich sei, so dass der einreisende Flüchtling gezwungen werde, die kontrollierende Person zu täuschen, um überhaupt ins Land zu gelangen und Zugang zu einem Hoheitsträger zu finden, bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, dass diese Behauptung den Tatsachen entspricht. Der Schutz der Bundesgrenzen ist eine originär hoheitliche Aufgabe, die gemäß § 2 Abs. 1 BPolG alleine der Bundespolizei obliegt. Unbeschadet dessen kann dies jedenfalls im vorliegenden Verfahren dahinstehen, weil der Beschwerdeführer bei seiner Einreise unstreitig durch einen Bundespolizisten und nicht durch einen privaten Sicherheitsdienst kontrolliert wurde.

62

(3) Soweit der Beschwerdeführer schließlich behauptet, die Beantragung von Asyl bereits bei der Einreise sei unzumutbar, da in der Praxis die rechtlichen Vorgaben für die Durchführung des Verfahrens teilweise missachtet würden und er sich hierdurch dem beschleunigten Flughafenverfahren nach § 18a AsylVfG hätte aussetzen müssen, hat sein Vorbringen ebenfalls keine verfassungsrechtliche Relevanz. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 genügt das Flughafenverfahren trotz seines beschleunigten Charakters allen verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 94, 166 ff.). Die Ablehnung der Sicherungshaft zum Zwecke der Zurückschiebung nach Griechenland durch das Amtsgericht Zossen mit Beschluss vom 28. November 2009 belegt zudem, dass im konkreten Einzelfall jedenfalls die gerichtlichen Schutzmechanismen in ausreichendem Maße zu Gunsten des Flüchtlings gegriffen haben.

63

cc) Die gerichtlichen Entscheidungen können daher - trotz unzureichender Begründung und teilweise bedenklicher Rechtsanwendung - jedenfalls nicht auf einem etwaigen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG beruhen. Selbst unter der Annahme, dass die Zweifel des Oberlandesgerichts an der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und der Unmittelbarkeit der Einreise unter Verstoß gegen das Analogieverbot zustande gekommen wären, fehlt es jedenfalls - auch ausweislich des Verfassungsbeschwerdevortrags - erkennbar an sonstigen Tatbestandsmerkmalen des § 95 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK, die eine persönliche Strafaufhebung zu Gunsten des Beschwerdeführers hätten begründen können.

64

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

65

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.