Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2019 - 13a ZB 17.31521

bei uns veröffentlicht am11.01.2019

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 5. September 2017 ist abzulehnen. Gründe nach § 78 Abs. 3 AsylG, aus denen die Berufung zuzulassen ist, liegen nicht vor.

Der Kläger hat seinen Antrag damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). So sei klärungsbedürftig, ob „von Kindern, deren Väter verfolgte Mitglieder der islamistischen Partei Hezb-E-Islami sind, ein substantiierter, detaillierter und widerspruchsfreier Vortrag verlangt werden kann.“ Das Verwaltungsgericht habe in seinem Fall die Glaubhaftigkeit seines Verfolgungsvortrags mit der Begründung verneint, dass ein Asylkläger seine Fluchtgründe unter Angabe genauer Einzelheiten in sich stimmig vorzutragen und dabei kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben zu machen habe, damit eine Verfolgung als beachtlich wahrscheinlich erachtet werden könne. Hiermit würde von ihm jedoch Unmögliches verlangt. Er könne aufgrund des sehr jungen Alters, in dem er Afghanistan habe verlassen müssen, des schweigsamen Vaters sowie eines Kontaktverlusts zu diesem in jungen Jahren nicht detailliert dazu vortragen, dass er in Afghanistan als Sohn seines in der islamistischen Partei Hezb-E-Islami aktiv gewesenen Vaters durch die Taliban und lokale Machthaber verfolgt werde. Naturgemäß könne er als Sohn eines Mitglieds einer Partei, die im Untergrund operiere, auch keine Einzelheiten nennen, was genau dem Vater widerfahren sei. Ein solcher Vortrag sei auch nicht erforderlich, da allseits bekannt sei, dass sämtliche Familienmitglieder eines Mitglieds der Partei Hezb-E-Islami verfolgt würden; eine persönliche Bedrohung sei in diesen Fällen nicht erforderlich. Die aufgeworfene Frage sei auch entscheidungserheblich gewesen, so dass ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten sei. Diese Klärung sei auch zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten, der Frage komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2013 - 13a ZB 12.30470 - juris Rn. 4 m.w.N.).

Hiervon ausgehend hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die vom Kläger aufgeworfene Frage betrifft im Kern die nach § 108 Abs. 1 VwGO dem Tatsachengericht im jeweiligen Einzelfall obliegende Beweiswürdigung und ist daher bereits nicht grundsätzlich klärungsfähig. Soweit es die allgemeinen Grundsätze der Beweiswürdigung betrifft, ist überdies in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass ein Asylkläger im Lichte der ihn treffenden Mitwirkungspflichten aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO und § 15 AsylG seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung in „schlüssiger“ Form vorzutragen hat; d.h. er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass er bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass der Asylkläger zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (siehe zum Ganzen: BVerfG, B.v. 7.4.1998 - 2 BvR 253/96 - juris Rn. 4; BVerwG, B.v. 19.10.2001 - 1 B 24.01 - InfAuslR 2002, 99 - juris Rn. 5). Ein sachtypischer Beweisnotstand - auf einen solchen nimmt die klägerseitig aufgeworfene Frage Bezug - ist im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung im jeweiligen Einzelfall zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 29.11.1996 - 9 B 293.96 - juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30011 - NVwZ-RR 2017, 986 - juris Rn. 31). Soweit der Kläger vorliegend auch und gerade rügen sollte, dass das Verwaltungsgericht einen in seinem Fall gegebenen besonderen Beweisnotstand nicht hinreichend im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt haben sollte, so gilt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG darstellen.

Auch der abschließende Vortrag des Klägers, dass die Rechtssache deshalb grundsätzliche Bedeutung habe, da mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG klärungsbedürftig sei, „inwieweit … für einen Rückkehrer nach Afghanistan, insbesondere der den iranischen Dialekt spricht, in der aktuellen Lage, in der etliche Binnenflüchtlinge in die Großstädte drängen, überhaupt die Möglichkeit besteht, auf dem Arbeitsmarkt durch Gelegenheitsarbeiten seine Existenz zu sichern“, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Insoweit wird der Zulassungsantrag bereits den Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht gerecht. Ohne Nennung von Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan trägt der Kläger zur Begründung lediglich vor, dass sich die Arbeitsmarktsituation in Afghanistan dadurch verschärfen werde, dass viele Afghanen innerhalb ihres Landes auf der Flucht seien und in die Großstädte drängten; auch habe er keine Verwandten und auch sonst keinerlei Bindungen in Afghanistan. Damit jedoch ist die aufgeworfene Grundsatzfrage bereits nicht nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet; es fehlt insoweit an einer Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 15 Allgemeine Mitwirkungspflichten


(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt. (2) Er ist insbesondere verpflichtet, 1. den mit der Ausführung dieses Gese

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 23. März 2017 - 13a B 17.30011

bei uns veröffentlicht am 23.03.2017

Tenor I. Soweit die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Oktober 2016 wie folgt geändert:

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2018 - 13a ZB 18.30135

bei uns veröffentlicht am 12.04.2018

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen d
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2019 - 13a ZB 17.31521.

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 12. Feb. 2019 - W 1 K 18.31851

bei uns veröffentlicht am 12.02.2019

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am … 1998 in der

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Feb. 2019 - W 1 K 18.31857

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am ... 1999 in der Provi

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2019 - 15 ZB 19.32414

bei uns veröffentlicht am 01.07.2019

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe I. Der Kläger - ein georgischer Staatsangehöriger - wendet sich gegen de

Verwaltungsgericht München Urteil, 21. März 2019 - M 26 K 17.40445

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt.

(2) Er ist insbesondere verpflichtet,

1.
den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen;
2.
das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist;
3.
den gesetzlichen und behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten;
4.
seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
5.
alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
6.
im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
7.
die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden.

(3) Erforderliche Urkunden und sonstige Unterlagen nach Absatz 2 Nr. 5 sind insbesondere

1.
alle Urkunden und Unterlagen, die neben dem Pass oder Passersatz für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können,
2.
von anderen Staaten erteilte Visa, Aufenthaltstitel und sonstige Grenzübertrittspapiere,
3.
Flugscheine und sonstige Fahrausweise,
4.
Unterlagen über den Reiseweg vom Herkunftsland in das Bundesgebiet, die benutzten Beförderungsmittel und über den Aufenthalt in anderen Staaten nach der Ausreise aus dem Herkunftsland und vor der Einreise in das Bundesgebiet sowie
5.
alle sonstigen Urkunden und Unterlagen, auf die der Ausländer sich beruft oder die für die zu treffenden asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen einschließlich der Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sind.

(4) Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden können den Ausländer und Sachen, die von ihm mitgeführt werden, durchsuchen, wenn der Ausländer seinen Verpflichtungen nach Absatz 2 Nr. 4 und 5 nicht nachkommt sowie nicht gemäß Absatz 2 Nummer 6 auf Verlangen die Datenträger vorlegt, aushändigt oder überlässt und Anhaltspunkte bestehen, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist. Der Ausländer darf nur von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden.

(5) Durch die Rücknahme des Asylantrags werden die Mitwirkungspflichten des Ausländers nicht beendet.

Tenor

I. Soweit die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Oktober 2016 wie folgt geändert:

Unter Änderung der Nummer 1 und Aufhebung der Nummern 3, 4, 5 und 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. August 2016 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

Nach den Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) im streitgegenständlichen Bescheid vom 16. August 2016 soll der Kläger am 1. Januar 1997 in Takhar (Afghanistan) geboren sein. In der Akte des Bundesamts (Bl. 29) befindet sich ein INPOL-Ausdruck vom 7. März 2016, in dem in den Personalien der 1. Januar 1999, unter der „Erkennungsdienstlichen-Behandlung“ vom 7. März 2016 der 1. Januar 1997 und unter der „Erkennungsdienstlichen-Behandlung“ vom 16. November 2015 der 1. Januar 1999 als Geburtsdatum vermerkt sind. Nach seinen eigenen Angaben sei er 16 Jahre alt. Im Beschluss des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 11. November 2016, mit dem seine Rechtsanwältin zu seiner Vormundin bestellt wurde, ist als Geburtsdatum des Klägers der 1. März 2000 angegeben.

Der Kläger reiste am 16. November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 7. März 2016 einen Asylantrag stellte und 20. Mai 2016 angehört wurde. Bei seiner Anhörung führte der Kläger u.a. aus, dass er über Pakistan, Iran, Türkei, Griechenland und Österreich nach Deutschland gelangt sei. In Afghanistan lebten nach wie vor seine Eltern, zwei Brüder, eine Schwester und ein Onkel. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, trug er vor, im Ort, wo er gelebt habe, gebe es einen Kommandanten, der die Macht habe. Dieser sei immer zur Familie gekommen und habe gewollt, dass er gegen die Taliban kämpfe, obwohl er sich mit Waffen nicht auskenne. Dieser sei oft vor dem Abendgebet gekommen, habe ihn abgeholt und mit in die Berge genommen. Er habe ihm gesagt, er solle sich hinter den großen Steinen verstecken, warten und, egal wen er sehe, auf diesen schießen. Er habe ihn in diesem einen Jahr fast jeden Abend abgeholt und gesagt, er solle als ältester Sohn der Familie erwachsen werden und lernen. Einmal habe er ihn mitgenommen, um ihm das Schießen beizubringen, wobei er sei aus Versehen an den Abzug gekommen und mehrere Schüsse ausgelöst habe. Er sei abgehauen, oft nachts, und zurück zu seinen Eltern. Diese hätten ihm geraten, fortzugehen und für ihn einen Schleuser gefunden. Wenn er in sein Dorf zurückkehre, könne ihn der Kommandant umbringen. Auf die Frage, für wen dieser tätig sei, gab er an, dieser sei alleine tätig, habe allerdings fünf Brüder und Cousins um sich, die sich Mujahed nennen würden. Er arbeite weder für die Taliban noch die Regierung und wolle für die örtliche Gemeinschaft allein gegen die Taliban kämpfen. Er habe gesagt, dass sie ihren Ort verteidigen müssten. Er wisse nicht sicher, ob der Kommandant nicht trotzdem Kontakte zu den Taliban und sie nur veräppelt habe. Der Name des Kommandanten laute Abdulauer. Er habe gesagt, dass er mitgenommen werde, da er in einem Alter sei, in dem er der Erwachsene in der Familie sei. Ob er jetzt seinen Vater mitnehme, wisse er nicht, da er keinen Kontakt zur Familie habe.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 16. August 2016 wurde in Nr. 1 die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, in Nr. 2 der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, in Nr. 3 der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und in Nr. 4 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde der Kläger in Nr. 5 aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. In Nr. 6 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In den Gründen wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling i.S.v. § 3 AsylG sei. Der Kläger habe bei seiner Anhörung glaubhaft vorgetragen, dass er von einem Kommandanten unter Druck gesetzt und bedroht worden sei. Die Gruppe des Kommandanten sei als nichtstaatlicher Akteur anzusehen. Die grundsätzlich schutzwillige Regierung in Afghanistan sei jedoch in großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif in der Lage, Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung zu bieten. Die Bedrohung sei erfolgt, weil der Kläger aufgrund seines Alters in den Focus des Kommandanten gerückt gewesen sei, um ihn für seine Vorhaben zu gewinnen. Auch die Tatsache, dass der Kläger mehrmals dem Auftrag des Kommandanten nicht Folge geleistet habe, nachts zu seinen Eltern nach Hause gelaufen und nicht durch den Kommandanten bestraft worden sei, spreche dafür, dass dieser ihn für seine Zwecke benötigt habe. Die Beauftragung des Klägers durch den Kommandanten, auf alle Personen zu schießen, die sich seinem Versteck näherten, sei zweifelsohne eine kriminelle Handlung. Die vorgetragenen kriminellen Handlungen entsprächen jedoch keinem der in § 3 AsylG aufgeführten Anknüpfungsmerkmale für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Somit liege zwar möglicherweise eine Verfolgungshandlung vor, es fehle aber an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinn eines Verfolgungsgrundes Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG lägen nicht vor, da keine Ausführungen gemacht worden seien, die darauf schließen ließen, dass dem Kläger in Afghanistan die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohe. Die Anhaltspunkte, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan durch den Kommandanten bedroht sein könnte, seien zwar glaubhaft, aber bei dem jungen und gesunden Kläger sei grundsätzlich zu unterstellen, dass interne Schutzmöglichkeiten zumindest in afghanischen Städten wie z.B. Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif sowie in den Provinzen Bamiyan und Panjshir bestünden.

Der Kläger hat hiergegen am 9. September 2016 zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Zur Begründung verwies er auf den Asylantrag und seinen Vortrag bei der Anhörung am 20. Mai 2016. Mit Schriftsätzen vom 12. Oktober 2016 ergänzte er sein Vorbringen und verwies insbesondere auf seine Minderjährigkeit. Er sei erst 16 Jahre alt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. Oktober 2016 erklärte er, er sei 16 Jahre alt. Das im Dokument eingetragene Datum verstehe er nicht. Bei seiner Einreise nach Griechenland sei er von der Polizei nach seinem Alter befragt und insoweit festgehalten worden, dass er 18 Jahre alt sei. Mit diesem Dokument sei er später nach Deutschland gereist. So erkläre sich, dass in der Bundesamtsakte ein Alter von 18 Jahren eingetragen sei. Zu seinen Verfolgungsgründen erklärte er, dass es für ihn ausgeschlossen sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Im würde sofort „der Kopf abgeschnitten“ werden. Die Situation in seinem Dorf sei sehr schwierig, die Gefahr gehe nicht nur von den Taliban aus. Es hätten Leute im Dorf das Sagen, die junge Leute wie ihn rekrutierten und mit einer Waffe ausstatteten. Diese Leute kämen nach wie vor zu seinem Vater und fragten, wo er sei. Sein Vater sei bereits drei Mal von derartigen Leuten geschlagen worden.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2016 wurde die Klage abgewiesen und in den Gründen u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG lägen nicht vor. Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung am 20. Mai 2016 und in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2016 Glauben schenke, scheitere eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft daran, dass keine asylrelevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gegeben sei. Zwar liege im Vortrag des Kläger möglicherweise eine kriminelle Handlung, verübt durch die Gruppe des Kommandanten, jedoch drohten dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Gefahren, die an ein Merkmal i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpften. Es handle sich um einen nichtstaatlichen Akteur i.S.v. § 3c Nr. 3 AsylG, dessen mögliche Repressionshandlungen nicht an ein asylerhebliches Merkmal anknüpften. Der Kläger sei auf den Schutz durch staatliche Organisationen bzw. Schutzakteure zu verweisen. In Afghanistan bestehe zumindest in den größeren Städten wie Kabul oder Herat eine schutzwillige Regierung, die Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung bieten könne. Damit seien die vom Kläger behaupteten Vorfälle bzw. die bei einer Rückkehr befürchtete Reaktion zwar strafrechtlich relevant. Eine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b Abs. 1 und Abs. 2 AsylG sei aus dem Vortrag des Klägers aber nicht ersichtlich und auch sonst nicht erkennbar. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, weil der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zurückgreifen könne. Er könne sich in Afghanistan auch außerhalb seines Heimatortes niederlassen. Für den Kläger als jungen gesunden Mann sei es ungeachtet der eventuell vorliegenden Minderjährigkeit möglich, in einer größeren afghanischen Stadt abseits seiner Herkunftsprovinz sich ein Existenzminimum zu sichern.

Gegen das Urteil hat der Kläger durch seine mittlerweile bestellte Vormundin und Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 17. November 2016 unter Vorlage einer Bestallungsurkunde des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 11. November 2016 die Zulassung der Berufung sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2016 (Az. 13a ZB 16.30686) wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und die Berufung wegen des Verfahrensmangels der fehlenden oder mangelhaften Vertretung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 4 VwGO zugelassen.

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2017 hat der Kläger die Berufung begründet und ausgeführt, es sei verkannt worden, dass es sich bei ihm um einen Minderjährigen handle. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge könnten nicht wie volljährige Flüchtlinge in den Herkunftsstaat zurück geschickt werden, wenn nicht gewährleistet sei, dass sie dort in eine Jugendeinrichtung aufgenommen würden oder mit ihren Eltern zusammengeführt werden könnten. Nach § 3c AsylG könne die Verfolgung, welche die Anerkennung des Flüchtlingsstatus begründe, auch von Organisationen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Er habe bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer Verfolgung durch den Kommandanten zu rechnen. Es sei nicht davon auszugehen, dass in der momentanen politischen Situation Afghanistans die Möglichkeit bestehe, die Regierung um Schutz zu ersuchen. Er könne auch nicht in einen anderen Teil des Landes reisen. Hierzu sei auf seine individuellen Gegebenheiten, insbesondere seine Minderjährigkeit und seinen nur dreijährigen Schulbesuch hinzuweisen.

Der Kläger beantragt,

ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass er die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, und den angefochtenen Bescheid und das angegriffene Urteil entsprechend aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hatte sich schriftlich nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung am 23. März 2017 führte ihr Vertreter aus, nach dem Auftreten des Klägers halte er diesen nicht mehr für minderjährig. Der Kläger habe klar und überlegt geantwortet und wirke auch äußerlich nicht als minderjährig. Im Übrigen halte das Bundesamt die im Bescheid vom 16. August 2016 geäußerte Glaubwürdigkeit der Verfolgungsgeschichte nicht mehr aufrecht, da Anhörender und Bescheidsverfasser unterschiedliche Personen seien. Im Übrigen könnte der Kläger, selbst wenn er minderjährig, aber seine Verfolgungsgeschichte nicht glaubwürdig wäre, zu seinen Eltern zurückkehren. Die humanitäre Lage wäre nicht derart, dass Abschiebungsschutz zu gewähren wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. März 2017 verwiesen.

Gründe

1. Soweit in der mündlichen Verhandlung die Klage hinsichtlich der Feststellung des Asylstatus nach Art. 16a GG zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

2. Die Berufung ist im Übrigen zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat aufgrund seiner Verfolgungsgeschichte einen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit besteht für den minderjährigen Kläger auch kein interner Schutz nach § 3e AsylG. Entsprechend waren das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Bescheid des Bundesamts aufzuheben.

2.1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Wegen der Minderjährigkeit des Klägers waren zwar sowohl der ablehnende Bescheid des Bundesamts mangels Handlungsfähigkeit (§ 12 AsylG) als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts mangels Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO) unwirksam. Durch die Stellung von Sachanträgen im Berufungsverfahren durch die Vormundin wurden jedoch die auf der Minderjährigkeit des Klägers beruhenden Verfahrensfehler rückwirkend geheilt.

Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Augsburg - Familiengericht - vom 11. November 2016 ist entgegen den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2017 davon auszugehen, dass der Kläger am 1. März 2000 geboren und damit sowohl während des Asylverfahrens vor dem Bundesamt als auch des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht als auch im vorliegenden Berufungsverfahren minderjährig war bzw. ist.

In der mündlichen Verhandlung äußerte der Vertreter der Beklagten erstmals die Ansicht, der Kläger sei nach seinem Auftreten und äußerem Erscheinungsbild volljährig. Aufgrund des Beschlusses des Familiengerichts und der Bestallungsurkunde vom 11. November 2016, mit dem die Vormundschaft über den Kläger angeordnet wurde, ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger am 1. März 2000 geboren und damit minderjährig ist. Das in § 42f SGB VIII geregelte Verfahren zur Altersfeststellung unbegleiteter Minderjähriger durch die Jugendämter mit der Anzeige des Ergebnisses an das Familiengericht nach § 42 Abs. 3 SGB VIII und dem von Amts wegen zu fassenden Beschluss des Familiengerichts nach § 1773 Abs. 1, § 1774 Satz 1 BGB zur Begründung der Vormundschaft stehen einer hiervon abweichenden Alterseinstufung entgegen. Mit § 42f SGB VIII hat der Gesetzgeber ein spezielles Verfahren zur Altersbestimmung unbegleiteter potentiell minderjähriger Flüchtlinge durch die Jugendämter geschaffen. Zwar hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich gegen eine Bindungswirkung der behördlichen Alterseinschätzung Dritten gegenüber ausgesprochen (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Bindungswirkung kommt jedoch dem die Vormundschaft anordnenden Beschluss des Familiengerichts zu, der zwar von Amts wegen zu ergehen hat, dem jedoch im Regelfall die Mitteilung des Jugendamts nach § 42 Abs. 3 SGB VIII zugrunde liegt. Damit ist auch im vorliegenden Verfahren, unabhängig davon, dass die angeführten Gründe des Vertreters der Beklagten aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung keinesfalls zwingend sind, vom Geburtsdatum 1. März 2000 auszugehen.

Mit dem Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 am 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) wurde die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Handlungsfähigkeit nach § 12 Abs. 1 AsylVfG a.F. ab der Vollendung des 16. Lebensjahres durch die Handlungsfähigkeit ab der Volljährigkeit ersetzt. Seit diesem Zeitpunkt ist nach § 12 Abs. 1 AsylG im Anwendungsbereich des Asylgesetzes nur ein volljähriger Ausländer fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen und sind nach § 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist. Damit entfiel für das gerichtliche Verfahren in Asylangelegenheiten die bislang gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 12 Abs. 1 AsylVfG a.F. ab Vollendung des 16. Lebensjahres bestehende Prozessfähigkeit. Der beschränkt Geschäftsfähige muss damit vor dem Verwaltungsgericht von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Insoweit konnten weder das Asylverfahren noch das Verfahren beim Verwaltungsgericht wirksam eingeleitet werden und waren auch die Zustellungen des Bescheids sowie des Urteils unwirksam.

Ob sich der Kläger hätte darauf beschränken können, die Aufhebung des unwirksamen Bescheids des Bundesamts und des unwirksamen Urteils des Verwaltungsgerichts unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Durchführung eines neuen Asylverfahrens zu beantragen oder auf Feststellung der Nichtigkeit des ablehnenden Bescheids zu klagen, kann vorliegend dahinstehen (vgl. BVerwG, U.v. 31.7.1984 – 9 C 156.83 – NJW 1985, 576; B.v. 21.11.1983 – 9 B 10044.82 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 134), da er durch seine gesetzliche Vertreterin im Zuge des Berufungsverfahrens die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus beantragt hat, worin eine konkludente Genehmigung der an sich unwirksamen Verfahrensschritte zu sehen ist, so dass diese Fehler geheilt worden sind. Der Mangel der Handlungsfähigkeit oder Vertretung kann durch (nachträgliche) Genehmigung des gesetzlichen Vertreters geheilt werden; diese kann auch stillschweigend, etwa durch Einlegung von Rechtsmitteln bzw. – wie vorliegend – der Stellung von Sachanträgen statt der bloßen Bescheidsaufhebung erklärt werden und wirkt auf den Beginn des Verfahrens zurück (BVerwG, U.v. 31.7.1984 – 9 C 156.83 – NJW 1985, 576; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 12 AsylG Rn. 9).

2.2. Die Klage ist auch begründet, da der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2a AsylG), oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2b AsylG). Dabei ist der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502.86 u.a. – BVerfGE 80, 315).

Aufgrund seines Vortrags ist davon auszugehen, dass dem Kläger an seinem Heimatort bei seiner Familie eine flüchtlingsrelevante Verfolgung im Sinn von § 3 Abs. 1 AsylG durch den Kommandanten und seine Männer durch den Versuch einer erneuten Zwangsrekrutierung droht oder er von diesen Vergeltungs- oder Racheakte zu befürchten hat.

2.3. Es besteht keine Veranlassung, die Bewertung des vorgebrachen Verfolgungsschicksals durch das Bundesamt als glaubhaft zu bezweifeln. Das Verwaltungsgericht hat die Glaubhaftigkeit des geschilderten Verfolgungsschicksals ebenfalls nicht verneint, sondern im Ergebnis offen gelassen.

Im streitgegenständlichen Bescheid ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Vortrag des Klägers glaubhaft sei, aber nicht die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung nach §§ 3 und 4 AsylG sowie § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erfülle. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die Beklagte von ihrer Bewertung des Vortrags als glaubhaft allein mit dem Argument abgerückt, der die Anhörung durchführende Mitarbeiter und der die endgültige Entscheidung treffende Mitarbeiter des Bundesamts seien nicht identisch gewesen.

Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise im Bundesamt mittlerweile in der Mehrzahl der Fälle erfolgt (zum Umfang vgl. BT-Drs. 18/11262 S. 77 f.) und die Beklagte mit dieser Argumentation die überwiegende Anzahl ihrer getroffenen Entscheidungen, in denen die Glaubwürdigkeit des Vortrags des Antragsstellers von Bedeutung war, in Frage stellen würde, besteht keine Veranlassung, die Wertung des Bundesamts sowie deren implizite Bestätigung durch das Verwaltungsgericht zu bezweifeln.

Allein die Tatsache, dass im Verfahren beim Bundesamt Anhörer und Entscheider nicht identisch waren, vermag an der Bewertung des Bundesamts des vom Kläger geschilderten Verfolgungsschicksals als glaubhaft nichts zu ändern. Lediglich das Bundesamt hat nachträglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof seine Bewertung geändert, ohne aber nachvollziehbar darzulegen, welche inhaltlichen Gründe hierfür entscheidend waren. Dabei spielt die Frage, ob eine Identität von Anhörer und Entscheider rechtlich geboten ist, für das vorliegende Verfahren und die hier relevante Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zusteht, keine Rolle, da sich aus einem derartigen Verfahrensfehler weder ein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus noch dessen Ausschluss ergäbe (zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Auseinanderfallens von Anhörer und Entscheider vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 9 B 174.96 – Jurion; BayVGH, U.v. 23.7.1997 – 24 B 96.32748 – BeckRS 1997, 25163; VGH BW, B.v. 31.1.2017 – A 9 S 1047/16 – Asylmagazin 2017, 236 = juris; Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 24 AsylG Rn. 23; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 24 AsylG Rn. 2; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 24 Rn. 22).

Inhaltlich ist es Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Das Bundesamt und ggf. das Gericht müssen die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist, als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, B.v. 29.11.1996 – 9 B 293.96 – juris Rn. 2). Ob eine Aussage glaubhaft ist und welches Gewicht den die Aussage bestätigenden oder ihr widersprechenden anderen Erkenntnismitteln zukommt, ist eine Frage der Beweiswürdigung im jeweiligen Einzelfall (BVerwG, B.v. 29.11.1996 a.a.O.). Grundsätzlich ist unter Angabe genauer Einzelheiten ein in sich stimmiger Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung die Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren.

Vorliegend hat das Bundesamt den Vortrag des Klägers zur versuchten Zwangsrekrutierung als glaubhaft bewertet und das Verwaltungsgericht den Vortrag als wahr unterstellt. Inhaltlich haben weder das Bundesamt noch das Verwaltungsgericht relevante Einwände gegen das Vorbringen des Klägers erhoben. Das vom Kläger in seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt und bei seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen übereinstimmend geschilderte Verfolgungsschicksal wird auch den Anforderungen an einen glaubhaften Vortrag gerecht. Der Vortrag ist in sich schlüssig und frei von Widersprüchen.

Zudem erscheint der Vortrag im vorliegenden Einzelfall auch aufgrund weiterer Erkenntnismittel plausibel. Zwar lässt sich aus den Erkenntnismitteln nicht der Schluss ziehen, die zwangsweise Rekrutierung Minderjähriger sei in Afghanistan derart weit verbreitet, dass es sich um eine Verfolgung der sozialen Gruppe der minderjährigen afghanischen Staatsangehörigen im Sinn einer Gruppenverfolgung handelt (vgl. OVG NW, B.v. 18.8.2016 – 13 A 1642/16.A – juris Rn. 46), jedoch machen sie deutlich, dass je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls eine individuelle Verfolgung gegeben sein kann und der klägerische Vortrag damit plausibel erscheint.

Nach dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan des Auswärtigen Amts vom 19. Oktober 2016 (Stand September 2016 – Lagebericht 2016) gehe die größte Bedrohung für die Bürger Afghanistans von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus (S. 17). Es handle sich meist um Anführer von Milizen, die zwar nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet seien, die sie häufig missbrauchten. Die Zentralregierung habe auf viele dieser Personen kaum Einfluss und könne sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des schwachen Verwaltungs- und Rechtswesens blieben diese Menschenrechtsverletzungen häufig ohne Sanktionen. Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nach dem Lagebericht 2016 nicht auszuschließen (S. 12). Konkrete Fälle kämen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit. Speziell zum Problem der Rekrutierung von Kindern durch regierungsfeindliche Gruppen oder afghanische Sicherheitskräfte führt der Lagebericht 2016 aus, dieses bestehe weiter fort (S. 12 f.).

Auch die Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) vom 19. April 2016 (UNHCR-RL 2016) lassen das vom Kläger geschilderte Verfolgungsschicksal plausibel erscheinen, da Zwangsrekrutierungen Minderjähriger in Afghanistan jedenfalls vorkommen und nicht von vornherein auszuschließen sind.

Zur Thematik „Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Rekrutierung Minderjähriger und von Zwangsrekrutierung“ wird in den UNHCR-RL 2016 dargelegt, dass die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern durch alle Konfliktparteien für Unterstützungs- und Kampfhandlungen im ganzen Land beobachtet würden und von den Vereinten Nationen 2014 68 Fälle der Rekrutierung von Minderjährigen dokumentiert worden seien (S. 51). Zur Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte wird berichtet, diese Kräfte nutzten in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausübten, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang (S. 51). Personen, die sich der Rekrutierung widersetzten, seien ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden (S. 51 f.). Zur Zwangsrekrutierung und Rekrutierung Minderjähriger durch regierungsnahe Kräfte führen die UNHCR-RL 2016 aus, dass berichtet werde, dass regierungsnahe bewaffnete Gruppen Einheimische zwängen, junge Männer für den Kampf gegen Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte bereitzustellen (S. 53). In der Zusammenfassung legt der UNHCR seine Ansicht dar, dass – je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls – für Männer im wehrfähigen Alter und für Minderjährige, die in Gebieten lebten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der regierungsfeindlichen Kräfte befänden, oder in denen regierungsnahe und regierungsfeindliche Kräfte und/oder mit ISIS verbundene bewaffnete Gruppen um Kontrolle kämpften, ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus anderen relevanten Gründen bestehen könne. Je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls könne für Männer im wehrfähigen Alter und für Kinder, die in Gebieten lebten, in denen Befehlshaber der afghanischen lokalen Polizei über eine hinreichende Machtstellung für die Zwangsrekrutierung von Mitgliedern der Gemeinden für die afghanische lokale Polizei verfügten, ebenfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus anderen relevanten Gründen bestehe. Für Männer im wehrfähigen Alter und für Kinder, die sich der Zwangsrekrutierung widersetzten, könne ebenfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer (zugeschriebenen) politischen Überzeugung oder aus anderen relevanten Gründen bestehen. Je nach den spezifischen Umständen des Falls könne auch für Familienangehörige von Männern und Kindern mit diesem Profil aufgrund ihrer Verbindung zu der gefährdeten Person internationaler Schutzbedarf bestehen (UNHCR-RL 2016 S. 53).

2.4. Entgegen den Ausführungen im Ablehnungsbescheid, die vorgetragenen kriminellen Handlungen entsprächen keinem der in § 3 AsylG aufgeführten Anknüpfungsmerkmale für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, so dass zwar möglicherweise eine Verfolgungshandlung vorliege, es aber an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinn eines Verfolgungsgrundes Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe fehle, liegt vorliegend der erforderliche Anknüpfungspunkt im Merkmal Kinder im Sinn von § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG und damit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.

Bei der Auslegung und Anwendung des Asylgesetzes kommen sowohl den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 337 S. 9 – Qualifikations-RL) als auch dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559 – Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), besondere Bedeutung zu.

Nach Nr. 28 der Erwägungsgründe der Qualifikations-RL sollten die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen Minderjähriger auf internationalen Schutz kinderspezifische Formen von Verfolgung berücksichtigen. Nach den Regelbeispielen in Art. 9 Abs. 2 lit. f Qualifikations-RL können unter anderem die Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind als Verfolgungshandlungen gelten. In Umsetzung der Vorgaben der Qualifikations-RL wurde in § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG geregelt, dass Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind, als Verfolgung im Sinn des § 3a Abs. 1 AsylG gelten können.

Nach den Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 (A) 2 und 1 (F) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge des UNHCR vom 22. Dezember 2009 stellt die Rekrutierung von Minderjährigen eine kinderspezifische Form von Verfolgung dar (S. 11). Die Zwangsrekrutierung und die Rekrutierung eines Kindes unter 18 Jahren in die Streitkräfte eines Staates für die direkte Teilnahme an Kampfhandlungen erfüllen nach Ansicht des UNHCR den Tatbestand der Verfolgung im Sinn von Art. 1 A (2) GFK (S. 12). Desgleichen ist auch die Einziehung eines Kindes unter 18 Jahren in eine nichtstaatliche bewaffnete Gruppe als Verfolgung anzusehen (S. 12 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei der Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention durch die deutschen Gerichte keine Pflicht, die Publikationen des UNHCR heranzuziehen, da diese keine völkerrechtliche Bindungswirkung entfalten (BVerfG, B.v. 28.9.2006 – 2 BvR 1731/04 – juris Rn. 13). Es steht den nationalen Gerichten der Vertragsstaaten frei, zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention die einschlägigen Publikationen des UNHCR heranzuziehen, wenngleich die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten als ein erstrebenswertes Ziel angesehen werden kann, zu dem der UNHCR wesentlich beiträgt. Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass es auch eine verfassungsrechtlich verankerte Pflicht der nationalen Gerichte zur Anwendung der Richtlinien bei der Auslegung des materiellen Flüchtlingsrechts oder des Asylverfahrensrechts gibt (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2014 – 2 BvR 450/11 – NVwZ 2015, 361 = juris Rn. 46 m.w.N.). Sie stellen aber regelmäßig eine beachtliche Rechtsauffassung zur Auslegung der GFK dar (BVerfG, B.v. 12.3.2008 – 2 BvR 378/05 – juris Rn. 38). Für die vorliegende Fragestellung ist nicht ersichtlich, warum von der an sich unverbindlichen, aber die einheitliche Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten fördernden Interpretation des UNHCR abgewichen werden sollte, so dass mit der vom Kläger geschilderten Zwangsrekrutierung von einer relevanten, gegen Kinder gerichteten Verfolgungshandlung auszugehen ist, zumal auch in der Kommentarliteratur die Zwangsrekrutierung von Kindern einhellig als typische, gegen Kinder gerichtete Verfolgung angesehen wird (vgl. Keßler in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3a AsylG Rn. 20; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 3a AsylG Rn. 6; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 3a Rn. 48).

2.5. Bei dem Kommandanten mit der bewaffneten Gruppe handelt es sich um nichtstaatliche Akteure im Sinn von § 3c Nr. 3 AsylG. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts 2016 ist auch davon auszugehen, dass dem Kläger an seinem Heimatort kein staatlicher Schutz vor Verfolgung im Sinn von § 3d AsylG geboten werden kann. Danach gehe die größte Bedrohung für die Bürger Afghanistans von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handle sich meist um Anführer von Milizen, die zwar nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet seien, die sie häufig missbrauchten. Die Zentralregierung habe auf viele dieser Personen kaum Einfluss und könne sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des schwachen Verwaltungs- und Rechtswesens blieben diese Menschenrechtsverletzungen häufig ohne Sanktionen (Lagebericht 2016, S. 17).

2.6. Der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG steht schließlich nicht die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG entgegen.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft wegen internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und 2. sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslands die Voraussetzungen nach § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 Qualifikations-RL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen.

Sowohl im streitgegenständlichen Bescheid als auch im Urteil des Verwaltungsgerichts war der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG maßgeblich mit dem Argument des Bestehens einer internen Schutzmöglichkeit nach § 3e AsylG abgelehnt worden. Dies scheidet aber aufgrund der mittlerweile festgestellten Minderjährigkeit des Klägers aus. Diesem kann als Minderjährigen gerade nicht zugemutet und daher nicht vernünftigerweise von ihm erwartet werden, sich statt bei seinen Eltern – wo ihm aber eine erneute Zwangsrekrutierung drohen würde – allein und ohne familiäre Fürsorge und Schutz in den vom Bundesamt genannten Städten oder Provinzen niederzulassen.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslands die Voraussetzungen nach § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikations-RL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 2 AsylG genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen. Nach Art. 4 Abs. 3 lit. c Qualifikations-RL sind bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz insbesondere die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter zu berücksichtigen, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 27 der Qualifikations-RL sollte vom Antragsteller interner Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil des Herkunftslandes, in den er sicher und legal reisen kann, in dem er aufgenommen wird und bei dem vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlassen kann, tatsächlich in Anspruch genommen werden können. Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist nach Satz 3 des Erwägungsgrunds Nr. 27 der Qualifikations-RL vorgesehen, dass die Verfügbarkeit angemessener Betreuungsmöglichkeiten und Sorgerechtsregelungen, die dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dienen, von der Prüfung der Frage, ob dieser Schutz tatsächlich gewährt werden kann, umfasst werden sollte.

Soll also – wie vorliegend – einem unbegleiteten Minderjährigen, der die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG erfüllt, die Möglichkeit internen Schutzes nach § 3e AsylG entgegengehalten werden, setzt dies in gemeinschaftsrechtskonformer Anwendung und Auslegung voraus, dass unter besonderer Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Klägers dargelegt wird, dass angemessene Betreuungsmöglichkeiten und Sorgerechtsregelungen, die dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dienen, an den jeweiligen Orten bestehen. Insoweit sind bereits bei der Prüfung der tatsächlichen Erreichbarkeit und Zumutbarkeit des internen Schutzes nach § 3e AsylG die Minderjährigkeit und die daraus resultierenden besonderen Anforderungen in Form angemessener Betreuungsmöglichkeiten und Sorgerechtsregelungen im Interesse des Wohls des Minderjährigen durch das Bundesamt zu prüfen.

Den besonderen Schutz für Kinder im Ausländer- und Asylrecht mit einer Vergleichbaren Zielrichtung belegt auch die Regelung des § 58 Abs. 1a AufenthG, wonach sich die Ausländerbehörde vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers zu vergewissern hat, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Mit dieser Regelung, die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist, hat der Gesetzgeber Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. Nr. L 348 S. 98) umgesetzt (BT-Drs. 17/5470 S. 24). § 58 Abs. 1a AufenthG wirkt, solange sich die Ausländerbehörde nicht von der konkreten Möglichkeit der Übergabe des minderjährigen Ausländers an eine in der Vorschrift genannte Person oder Einrichtung vergewissert hat, systematisch als rechtliches Vollstreckungshindernis im Sinn des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit dilatorischer Wirkung (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – NVwZ 2013, 1489 Rn. 17). Allerdings ist diese Vorschrift nicht vom Bundesamt im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen oder nationalen Schutz zu prüfen, sondern erst durch die Ausländerbehörde auf der Ebene der Vollstreckung der Abschiebung. Im Unterschied dazu ist der Umstand der Minderjährigkeit im Rahmen der Prüfung des internen Schutzes nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG in Verbindung mit Art. 4 Qualifikations-RL durch das Bundesamt zu berücksichtigen.

Dies ist bislang nicht erfolgt, da dem Bundesamt die Minderjährigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung nicht bekannt war. Auch nach Zulassung der Berufung im Hinblick auf die nicht berücksichtigte Minderjährigkeit des Klägers hat die Beklagte diesbezüglich keinerlei Ausführungen gemacht, so dass aufgrund der gesetzlich ausdrücklich für maßgeblich erklärten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für den minderjährigen Kläger kein zumutbarer interner Schutz besteht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Dezember 2017 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob sich ein alleinstehender, junger, gesunder, afghanischer Mann, der über keinen aufnahmefähigen Familienverband in Afghanistan verfügt, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit Blick auf die aktuelle Lage ein Existenzminium sichern kann und ob aufgrund der aktuellsten Erkenntnisse die Sicherheitslage in Afghanistan eine kritische Gefahrendichte erreicht hat, die zumindest ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigt.“ Schlechte humanitäre Bedingungen könnten eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führe. Das Verwaltungsgericht stehe mit seiner Ansicht, er sei in der Lage, sich eine Existenz aufzubauen, auch wenn er keinen aufnahmefähigen Familienverband habe, im Widerspruch zur aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie teilweise zu behördlich ergangenen Entscheidungen. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe mit Beschluss vom 6. Februar 2017 (Az. A 11 S 164/17) insoweit die Berufung zugelassen. Die aktuellen Auskünfte des Auswärtigen Amts, des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zeigten, dass es entscheidend davon abhänge, ob ein Rückkehrer auf familiäre Strukturen zurückgreifen könne.

Die aufgeworfenen, die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG betreffenden Fragen führen nicht zur Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote verneint und insbesondere ausgeführt, dem Kläger als gesunden und arbeitsfähigen Mann sei ein Bemühen um eine Anstellung auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt durchaus zumutbar und er könne zumindest ein kleines Einkommen erreichen (UA S. 16 ff.). Dies gelte umso mehr, als er über mehrere Familienangehörige in Afghanistan verfüge, wohl familieneigene Ländereien im Heimatort vorhanden seien und er seit seinem 14. Lebensjahr dauerhaft in der Landwirtschaft beschäftigt gewesen sei.

Das entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser schätzt weiterhin die Lage in Afghanistan nicht derart ein, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; B.v. 29.11.2017 – 13a ZB 17.31251 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 29.11.2017 a.a.O.; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 4.1.2017 –13a ZB 16.30600 – juris; U.v. 12.2.2015 a.a.O.; U.v. 30.1.2014 – 13a B 13.30279 – juris).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 – S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 Rn. 53; U.v. 11.7.2017 – Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 Rn. 51; U.v. 11.7.2017 – G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 Rn. 39; U.v. 11.7.2017 – E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 Rn. 67; U.v. 11.7.2017 – E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 Rn. 80; U.v. 16.5.2017 – M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 Rn. 120; U.v. 12.1.2016 – A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 – NVwZ 2017, 293 Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten.

Die Ausführungen im Zulassungsantrag geben keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Der Kläger nennt keine neuen Erkenntnisse, die den Schluss rechtfertigen würden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs überholt wäre. Aus den von ihm zitierten aktuellen Auskünften ergibt sich nicht, dass die humanitäre Situation eine Existenzgründung ausschließen würde. Der letzte – allerdings nicht mehr ganz aktuelle –Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 (S. 22) geht vielmehr davon aus, dass die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbands aufgrund kultureller Bedingungen vor allem in größeren Städten realistisch seien. Die Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017 vom 28. Juli 2017 verhält sich hierzu nicht, weist aber darauf hin, dass die afghanische Regierung unter Beteiligung der internationalen Gebergemeinschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit (Displacement and Returns Executive Committee) zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert habe. Ein Großteil der internationalen Gebergemeinschaft habe zudem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheiten OCHA Ende 2016 aufzustocken (S. 11). Nach den „UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender“ vom 19. April 2016 (S. 10) werden zwar vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, aber zugleich darauf hingewiesen, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage seien, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben. In diesem Sinn wird auch von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 30.9.2016, S. 27) berichtet, dass verletzliche Personen über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft verfügten. Das Update vom 14. September 2017 weist ebenfalls auf die schwierige Situation der Rückkehrenden hin (S. 32), ohne jedoch weitere Folgerungen daraus zu ziehen. Übereinstimmend mit UNHCR lässt sich hieraus im Rückschluss entnehmen, dass nicht verletzliche Personen – alleinstehende, leistungsfähige Männer – grundsätzlich in der Lage sind, sich eine Existenz aufzubauen. Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht mit der konkreten Situation des Klägers befasst und ist zum Ergebnis gelangt, dass er mit seinen Fähigkeiten in der Lage sein werde, sich eine Existenz aufzubauen. Das schließt eine allgemeine Klärung aus. Im Übrigen hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen; es entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung (BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 = NVwZ-RR 2011, 48).

Soweit sich der Kläger auf den Zulassungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 6.2.2017 – A 11 S 164/17 – Asylmagazin 2017, 105) bezieht, ergibt sich nichts anderes. Diesem Beschluss lässt sich nur entnehmen, dass grundsätzlich zu klären sei, ob ein alleinstehender junger gesunder afghanischer Mann mit der Herkunftsregion Herat, der sich ab dem Alter von vier Jahren im Iran aufgehalten habe, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit Blick auf die aktuelle Lage ein Existenzminimum sichern könne. Andere Ausgangsdaten als diejenigen, die der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegen, werden nicht genannt.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteilen vom 9. November 2017 (Az. A 11 S 789/17 – juris) und vom 5. Dezember 2017 (Az. A 11 S 1144/17 – juris) entschieden, dass für einen leistungsfähigen, erwachsenen, afghanischen Mann ohne Unterhaltsverpflichtung, der keine familiären oder sozialen Unterstützungsnetzwerke hat, im Allgemeinen – wenn nicht besondere, individuell erschwerende Umstände hinzukommen – in Afghanistan, insbesondere auch in Kabul, trotz der schlechten humanitären Bedingungen und Sicherheitslage keine Gefahrenlage besteht, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK und infolgedessen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führt und dies auch im Falle eines langjährigen Aufenthalts im benachbarten Ausland Afghanistans gilt. Ebenso wenig bestehe für einen leistungsfähigen erwachsenen afghanischen Mann ohne Unterhaltsverpflichtung im Allgemeinen eine ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründende extreme Gefahrenlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.