Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 18. Aug. 2016 - 13 A 1642/16.A
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 8. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2016 ‑ 13 A 1868/15.A, juris, Rn. 3, vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A ‑, vom 10. August 2012 ‑ 13 A 151/12.A ‑, juris, Rn. 2, und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A ‑.
5Daran fehlt es hier. Die Frage,
6ob minderjährigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Zwangsrekrutierung droht,
7ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Eine solche kann auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens verneint werden. Die Annahme einer - hier geltend gemachten - alle Gruppenmitglieder (minderjährige männliche afghanische Staatsangehörige in Afghanistan) erfassenden, gruppengerichteten Verfolgung setzt eine beachtliche Wahrscheinlichkeit voraus, dass eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ vorliegt, die die Vermutung der Verfolgung jedes einzelnen Angehörigen der Gruppe rechtfertigt. Hierfür ist wiederum die Gefahr in einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr auf alle Gruppenmitglieder zielen und sich in qualitativer und quantitativer Hinsicht so häufen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
8Vgl. BayVGH, Urteil vom 3. Juli 2012 - 13a B 11.30064 -, juris, Rn 20, BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 - 1 C 15.05 -, juris, Rn. 20
9Entsprechende Erkenntnisse für landesweite Zwangsrekrutierungen Minderjähriger in erforderlichen Umfang liegen nicht vor. Auch die vom Kläger benannten Erkenntnisquellen geben keinen Anlass zu einer derartigen Annahme.
10Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes seien Zwangsrekrutierungen durch Milizen, Warlords oder kriminelle Banden zwar nicht auszuschließen. Ferner bestehe das Problem der Rekrutierung von Kindern durch regimefeindliche Gruppen oder afghanische Sicherheitskräfte weiter fort.
11Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand November 2015, S. 13 f..
12Allerdings differenziert der Lagebericht nicht zwischen zwangsweiser und freiwilliger Rekrutierung.
13Zudem sei die afghanische Regierung dem Lagebericht zufolge bemüht, die Rekrutierung Minderjähriger u.a. durch die Einführung der Strafbarkeit zu unterbinden.
14Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand November 2015, S. 14.
15Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der landesweiten Zwangsrekrutierung von minderjährigen männlichen Staatsangehörigen oder jungen Männern ist mit Blick auf diese Ausführungen gerade nicht anzunehmen.
16Dem jüngsten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist lediglich zu entnehmen, dass es Hinweise auf die Rekrutierung und den Einsatz Minderjähriger als Soldaten durch die afghanische Armee (ANSF) und irreguläre Sicherheitskräfte gebe. Auch die Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppierungen rekrutierten danach Kinder.
17Vgl. SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 13. September 2015, S. 16.
18Mangels konkreter Zahlen, der Angaben der Orte sowie der fehlenden Differenzierung zwischen zwangsweiser und freiwilliger Rekrutierung ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit landesweiter Zwangsrekrutierungen der Gruppe der minderjährigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen auch daraus nicht abzuleiten.
19Dem entsprechen die Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien, die zunächst anführen, es gäbe Rekrutierungen von Minderjährigen und Zwangsrekrutierungen, und dann zum Ergebnis kommen, dass je nach den spezifischen Gründen des Einzelfalles Bedarf an Flüchtlingsschutz bestehen könne.
20Vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 6. August 2013, S. 64 ff., 70.
21In dem darauf folgenden Bericht vom August 2014 erwähnt der UNHCR, dass Jungen und Männer im wehrfähigen Alter häufig als Kämpfer rekrutiert würden, beschränkt dies aber dann auf Gebiete, die von regierungsfeindlichen Gruppen kontrolliert werden und auf Gebiete, in denen regierungsnahe und regierungsfeindliche Gruppen um die Macht kämpfen. In Gegenden, die regierungsfeindliche Gruppen kontrollierten, werde mit verschiedenen Strategien um Kämpfer geworben und dabei auch auf Zwangsrekrutierungen zurückgegriffen.
22Vgl. UNHCR, Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u.a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013, August 2014, S.3.
23Da auch diesem Bericht eine landesweite Gefährdung nicht entnommen werden kann und Zwangsrekrutierungen nur einen (wiederum nicht näher bezeichneten) Teil der Rekrutierungen betreffen, ergibt sich daraus ebenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer landesweiten Zwangsrekrutierung von minderjährigen männlichen afghanischen Staatsbürgern und jungen Männern. Dem entspricht auch die Einschätzung des UNHCR, der ebenfalls eine besonders sorgfältige Prüfung bestimmter Risikogruppen, zu denen auch Männer und Jungen im wehrfähigen Alter zählten, anrät. Diese könnten auf internationalen Schutz angewiesen sein.
24Vgl. UNHCR, Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u.a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013, August 2014, S.3.
25Sowohl in den Richtlinien aus dem Jahre 2013 als auch im Bericht von August 2014 wird also auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt und gerade keine Verfolgung nur wegen der Gruppenzugehörigkeit angenommen.
26Die weiteren vom Kläger benannten Erkenntnisquellen ergeben nichts anders:
27Der Länderbericht des European Asylum Support Office (EASO) enthält zunächst die allgemeine Aussage, dass Kinderrekrutierungen stattfänden.
28Vgl. European Asylum Support Office (EASO), Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation, Januar 2016, S. 27.
29Dies wird bei den Ausführungen zu den einzelnen Provinzen für Kunduz, Jawzjan und Ghor wiederholt, wobei konkrete Zahlen überhaupt nur für Kunduz benannt werden (55 registrierte Fälle) und selbst hier nicht ersichtlich ist, ob und in welchem Umfang sie auf Zwang beruhen.
30Vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation, Januar 2016, S. 124, 141, 173.
31Daraus ergibt sich bereits, dass Rekrutierungen Minderjähriger regional in höchst unterschiedlichem Maße erfolgen. Bezieht man mit ein, dass Afghanistan geschätzt 30,6 Millionen Einwohner hat, das Durchschnittsalter ca. 18,2 Jahre beträgt und ca. 42,3% der Bevölkerung jünger sind als 15 Jahre,
32vgl. Auswärtiges Amt, Informationen zum Land Afghanistan, Stand April 2016, abrufbar über die Internetseite des Auswärtigen Amtes,
33würde selbst bei Annahme, alle Fälle der dokumentierten Minderjährigenrekrutierun-gen erfolgten zwangsweise, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung der sozialen Gruppe der minderjährigen Jungen in der Provinz Kunduz ausscheiden.
34Der Jahresbericht 2014 des UN-Generalsekretärs erwähnt ohne genaue Angabe der Orte 65 dokumentierte Rekrutierungen von Jungen im Jahr 2014, von denen allerdings lediglich 22 geprüft worden seien.
35UN General Assembly Security Council, Children and armed conflict, Report oft he Secretary-General, 4. Juni 2015, S. 6.
36Ausführungen dazu, in welchem Umfang diese Rekrutierungen auf Zwang beruhen, enthält auch dieser Bericht nicht. Ferner wäre die Anzahl als solche offensichtlich nicht geeignet eine entsprechende Gefährdung der gesamten Gruppe der minderjährigen Jungen anzunehmen.
37Der aktuellere Jahresbericht 2015, in dem für das Jahr 2015 von 115 dokumentierten Rekrutierungen von Jungen gesprochen wird, von denen 48 geprüft seien,
38vgl. UN General Assembly Security Council, Children and armed conflict, Report of the Secretary-General, 20. April 2016, S. 5,
39führt mit Blick auf die Bevölkerungszahl- und Struktur und auch unter Berücksichtigung einer größeren Dunkelziffer nicht zu einem anderen Ergebnis.
40Das Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research an Documantation (ACCORD) führt in der vom Kläger angeführten Anfragebeantwortung unter Bezugnahme auf Human Rights Watch aus, in manchen Provinzen würden nach wie vor Kinder durch die lokale afghanische Polizei und regierungstreue Milizen rekrutiert. Die Taliban würden sogar 14-jährige Burschen für den Kampf und die Durchführung von Selbstmordanschlägen rekrutieren. Danach finden also gerade nicht landesweite Zwangsrekrutierungen statt. Außerdem gebe es Bemühungen der Regierung, dies für die staatlichen Militär- und Polizeieinheiten zu unterbinden. Des Weiteren beruft sich ACCORD auf den Menschenrechtsbericht des US Department of State (USDOS) vom Juni 2015, in dem ausgeführt werde, es gebe Berichte über die Rekrutierung Minderjähriger sowohl staatlicher, pro-staatlicher als auch antistaatlicher Akteure (Taliban u.a.). Die Taliban würden nach Berichten der Medien, der NGOs und der UN Kinder betrügen, diesen Geld versprechen, falsche religiöse Vorwände nutzen oder sie zwingen Selbstmordattentäter zu werden. Überdies wiederholt ACCORD bereits oben aufgeführte Darlegungen der UN aus dem Jahresbericht 2014.
41Vgl. Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (ACCORD), Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Information zur Situation von Minderjährigen, insbesondere zu Rekrutierung durch diverse Gruppierungen und den Staat, 24. Februar 2016, siehe auch: Human Right Watch, World Report 2016, S. 56, US Department of State (USDOS), Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan 2014 Human Rights Report, Executive Summary, S. 2, 12, 19; USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan, Exexutive Summary, S. 9, 23.
42Aus alledem wird deutlich, dass die Rekrutierungen Minderjähriger nur teilweise auf Zwang beruhen.
43Der Bericht der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA),
44vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2015, Protection of civilians in armed conflicts, Februar 2016,
45enthält keine Ausführungen zur Rekrutierung/Zwangsrekrutierung Minderjähriger und junger Männer. Im aktuelleren Midyear Report wird allerdings dargelegt, es gebe weiterhin Berichte der Rekrutierung von Kindern durch Regierungsgegner und die Afghanischen Sicherheitskräfte. Die UN habe 15 Vorfälle der Rekrutierung durch die Konfliktparteien mit 34 involvierten Kindern (26 von den Taliban, 4 von anderen Regierungsgegnern und 4 von der ALP (Afghan Local Police) dokumentiert, wobei dies sehr wahrscheinlich nicht den tatsächlichen Umfang der Rekrutierung Minderjähriger wiedergebe. Mindestens drei Jungen seien als Selbstmordattentäter eingesetzt worden, so ein nach Berichten geisteskranker Neunjähriger, der beim Selbstmordanschlag in Kandahar ums Leben gekommen sei und ein Elfjähriger, der von den afghanischen Sicherheitskräften im Ostteil des Landes vor der Durchführung eines Selbstmordattentates im März 2016 festgenommen worden sei.
46UNAMA Afghanistan, Midyear Report 2016, Protection of civilians in armed conflict, Juli 2016, S. 19.
47Auch das verdeutlicht, dass allein die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der minderjährigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen in Afghanistan für die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Zwangsrekrutierung nicht ausreicht. Vielmehr kommt es auf die - einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglichen - spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls an.
48Darüber hinaus sind dem Senat Hinweise auf Zwangsrekrutierungen jedenfalls hinsichtlich Kabul nicht bekannt geworden. Das hat der Senat bereits mehrfach für junge Erwachsene entschieden,
49vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2013 - 13 A 1220/13.A, juris, Rn. 8 m.w.N.,
50gilt aber auch für Minderjährige. An dieser Situation hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Das Verwaltungsgericht hat ferner durch die Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes auch Kabul als einen für den Kläger in Betracht kommenden Aufenthaltsort in Afghanistan angenommen.
512. Die Berufung ist ferner nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Gehörsrüge zuzulassen.
52Das Gebot des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können, und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen.
53Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06 -, juris, Rn. 23; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 65.98 -, juris, Rn. 9.
54Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dabei von vornherein nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
55Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004- 1 BvR 1557/01 -, juris, Rn. 17, OVG NRW, Beschlüsse vom 18. September 2014 - 13 A 2557/13.A -, juris, Rn. 7, vom 28. März 2013 - 13 A 412/12.A – und vom 6. August 2010 - 13 A 829/09.A -, juris, Rn. 12.
56Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundes-verfassungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat,
57vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2011
58- 10 B 38.11 -, juris, Rn. 2.
59Gemessen daran ist eine Gehörsverletzung auf der Grundlage des Zulassungsvor-bringens nicht feststellbar. Das Verwaltungsgericht hat - wenn auch kurz - in den Entscheidungsgründen zu erkennen gegeben, dass es das Klagevorbringen insgesamt zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen hat. Es hat zunächst auf die Begründung des Bundesamtsbescheids verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, dass das Klagevorbringen keine andere Beurteilung rechtfertige. Da sich aus den vom Kläger angeführten Erkenntnisquellen keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Zwangsrekrutierung wegen dessen Zugehörigkeit zur Gruppe der Minderjährigen ergibt und das Verwaltungsgericht ferner die vom Kläger geltend gemachte Ermordung des Bruders durch die Taliban durch Bezugnahme auf den Bescheid des Bundesamtes als bloße Vermutung gewertet hat, war ein ausdrückliches Ansprechen der Gefahr einer Zwangsrekrutierung des Klägers nicht zwingend geboten. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, warum er nicht nach Afghanistan zurück könne, die allgemeine Sicherheitslage und die Probleme mit dem Vater angesprochen hat, demgegenüber allerdings die Gefahr einer Zwangsrekrutierung völlig unerwähnt ließ.
60Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
61Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird
62(§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. aus Köln wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. aus Köln ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
3II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A ‑, vom 10. August 2012 ‑ 13 A 151/12.A ‑, juris, und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A ‑.
6Gemessen daran haben die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,
7"Welche genauen Anforderungen dürfen ‑ im Hinblick auf die Nachweiserleichterung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ‑ an die Glaubhaftmachung der Asylgründe im Asylverfahren bei Flucht durch Verfolgung im Heimatland gestellt werden?“
8und
9„Inwieweit dürfen die ‑ oftmals unter Angst vor der Verfolgung und drohenden Strafen im Verfolgerland und/oder wegen Unwissenheit gemachten - falschen oder ungenauen Angaben der Asylsuchenden im Asylverfahren einen Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Ausländers bilden?"
10keine grundsätzliche Bedeutung. Die beiden Fragen zielen darauf ab, welche Beweisanforderungen an den Verfolgungsvortrag zu stellen sind. Zwar sind sie - so verstanden - einer grundsätzlichen Klärung zugänglich, aber nicht klärungsbedürftig. Welchen Anforderungen die Glaubhaftmachung des Verfolgungsvortrages genügen muss, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne geklärt, dass das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit ‑ und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit - des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen muss, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet.
11Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. April 1985 ‑ 9 C 109.84 ‑ und vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 ‑, jeweils juris.
12Hierbei darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 ‑ 9 C 109.84 ‑, juris; OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2012 - 13 A 1118/12.A - juris.
14Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Ausländers kann schon allein sein eigener Tatsachenvortrag zur Anerkennung führen, sofern das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugt ist. Der Ausländer ist gehalten, seine Fluchtgründe in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss insbesondere seine persönlichen Erlebnisse unter Angabe genauer Einzelheiten derart schlüssig darlegen, dass seine Schilderung geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Enthält das Vorbringen erhebliche, nicht überzeugend aufgelöste Widerspruche und Unstimmigkeiten, kann es als unglaubhaft beurteilt werden.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 ‑ 9 B 239.89 ‑, juris.
16Im Rahmen dieser Maßstäbe gilt der Grundsatz der freien ‑ nicht durch weitere Kriterien eingeschränkten - richterlichen Beweiswürdigung, was bedeutet, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, den Beweiswert einer Aussage zu würdigen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies erfolgt einzelfallbezogen.
17Die im Kern allein hiergegen gerichteten Angriffe des Klägers greifen deswegen mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht durch. Dass es ihm letztlich nicht darum geht, die für die Glaubhaftmachung des Verfolgungsvorbringens geltenden Anforderungen einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen, sondern ausschließlich darum, deren zutreffende Anwendung im konkreten Einzelfall überprüfen zu lassen, ergibt sich daraus, dass er diese Anforderungen in Beantwortung der von ihm selbst gestellten Frage benennt und sich sein übriges Zulassungsvorbringen zu den unter Ziffer 1 und 2 gestellten Fragen darin erschöpft, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung im Stile einer Berufungsschrift in Zweifel zu ziehen. Da die Grundsatzrüge hierfür keinen Raum bietet, ist das darauf gerichtete Zulassungsvorbringen unerheblich. Davon abgesehen bietet es auch keinen tragfähigen Ansatz dafür, dass das Verwaltungsgericht die anerkannten und zuvor dargestellten Maßstäbe bei der Beweiswürdigung außer Acht gelassen hat.
18Vgl. zu den vorstehenden Fragestellungen bereits OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2015 ‑ 13 A 2572/14 -, juris.
19Auch die weitere Frage,
20"Welche Anforderungen sind an eine informatorische Befragung eines Konvertiten zu seiner Glaubensüberzeugung zu stellen?"
21sowie die sinngemäß gestellte Frage,
22Welche Anforderungen sind an die innere Glaubensüberzeugung eines Konvertiten zu stellen?
23haben keine grundsätzliche Bedeutung, da sie entweder in der Rechtsprechung bereits geklärt oder aber einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.
24Geklärt ist diesbezüglich in der Rechtsprechung Folgendes: Es muss aufgrund der glaubhaft gemachten Beweggründe festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Für die Frage, ob ein ernsthafter Glaubenswechsel vorliegt, kommt es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Schilderung und die Glaubwürdigkeit der Person des Asylbewerbers an, die das Gericht selbst im Rahmen einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers zu überprüfen und tatrichterlich zu würdigen hat. Da maßgeblich ist, ob sich der Betroffene nach Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen wird, genügt der Formalakt der Taufe regelmäßig nicht. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch im Herkunftsland auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2014 ‑ 13 A 1646/14.A -, juris, m.w.N.
26Darüber hinausgehende Anforderungen, etwa die Einzelheiten des Vertrautseins mit den wesentlichen Grundzügen der neuen Religion, sind einzelfallbezogen und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Sie richten sich vorwiegend nach der Persönlichkeit und der intellektuellen Disposition des jeweiligen Asylbewerbers. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass auch die damit notwendigerweise zusammenhängenden Anforderungen an die informatorische Befragung des Konvertiten einzelfallbezogen und damit einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.
27Der darüber hinaus vom Kläger geltend gemachte pauschale Hinweis auf Verfahrensfehler führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages. Er genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Soweit er damit wohl einen Verfahrensfehler im Sinne des § 138 Nr. 2 VwGO rügen will, liegen dessen Voraussetzungen bereits deshalb nicht vor, weil der erkennende Einzelrichter nicht erstinstanzlich wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt worden war.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.
29Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Keiner der in § 78 Abs. 3 AsylVfG genannten Gründe für eine Zulassung der Berufung ist gegeben.
31. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
4Das auch in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Gebot des rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Es verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine - vermeintlich - fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2013
6-13 A 2871/12.A -, www.nrwe.de, Rn. 12 bis 18.
7Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundes-verfassungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat,
8vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2011
9- 10 B 38.11 -, juris, Rn. 2.
10Gemessen daran ist eine Gehörsverletzung auf der Grundlage des Zulassungsvor-bringens nicht feststellbar. Sie lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht aus dem Umstand, dass der Kläger zwischen 1998 und seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2007 von seinen mutmaßlichen Verfolgern unbehelligt geblieben sei, geschlossen hat, ihm drohe keine Blutrache bzw. diese sei mit dem Tod seines Bruders beendet. Entsprechendes gilt für die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe trotz seiner Tätigkeit als Lehrer an einer Mädchenschule und seiner Weigerung, sich den Taliban anzuschließen, nicht glaubhaft gemacht, von diesen aus asylrelevanten Gründen verfolgt zu werden. Der Einwand des Klägers, an dieser Argumentation werde deutlich, dass das Verwaltungsgericht sein Vorbringen sowie die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch in dessen Gutachten vom 10. Januar 2013 ignoriert habe, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat sich umfassend mit dem Vortrag des Klägers im Klageverfahren auseinander gesetzt und hat in den Entscheidungsgründen auch das erwähnte Gutachten des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch erwähnt. Demgegenüber zielt das Zulassungsvorbringen in erster Linie darauf ab, Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung aufzuzeigen und die Erwägungen des Verwaltungsgerichts dazu - im Stil einer Berufungsschrift - zu entkräften. Darauf kann der Kläger den geltend gemachten Gehörsverstoß indes nicht mit Erfolg stützen. Denn etwaige Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen. Ein Verfahrensverstoß kann darin nur ausnahmsweise bei einer von Willkür geprägten Beweiswürdigung, etwa bei einem Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze liegen,
11vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2005 - 1 B 185.04 -, juris, Rn. 3, und vom 18. April 2008 - 8 B 105.07 -, juris, Rn. 10.
12Dafür, dass die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts Erwägungen enthält, die diese Schwelle überschreiten, bietet das Zulassungsvorbringen keinen Anknüpfungspunkt. Wenngleich die Bewertung des Verwaltungsgerichts zur Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers danach - was zulassungsrechtlich unerheblich ist ‑ nicht durchgehend zwingend sein mag, entzieht sie sich nicht der Logik, sondern ist im Gegenteil ausführlich, stimmig und überzeugend.
13Auch die Wahrunterstellungen hinsichtlich der in den Hilfsbeweisanträgen zu den Ziffern 1 bis 3 genannten Tatsachen verletzen nicht das rechtliche Gehör des Klägers. Eine Gehörsverletzung durch Wahrunterstellung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Beweisantrag ablehnt oder die Stellung eines Beweisantrags als unnötig erscheinen lässt, indem es die jeweilige Tatsache als wahr unterstellt, von dieser Wahrunterstellung in dem Urteil aber abweicht,
14vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. März 1999 - 2 BvR 206/98 -, juris, Rn. 21.
15Die Entscheidungsgründe enthalten keine derartige Abweichung. Dass das Verwaltungsgericht die unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt hat und zugleich angenommen hat, der Kläger habe einen ihn und seine Familie betreffenden Blutracheschwur nicht glaubhaft gemacht, ist prozessordnungsrechtlich nicht zu beanstanden und führt nicht zur Inkongruenz der Wahrunterstellungen. Denn die unter Beweis gestellten und als wahr unterstellten Tatsachen sind für sich genommen nicht geeignet, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Sie belegen - unabhängig von konkret stattgefundenen Verfolgungshandlungen - nur ein erhöhtes Risiko des Klägers, einem Blutracheschwur zum Opfer zu fallen. Demgegenüber bieten sie keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen für die zu treffende konkrete Gefahrenprognose, die entscheidend von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von Maß und Umfang aus diesem Anlass stattgefundener Bedrohungen abhängt. Diese hat das Verwaltungsgericht umfassend, ohne dass insoweit Widersprüche zu den erfolgten Wahrunterstellungen feststellbar sind, gewürdigt und gewichtet und ist auf dieser Grundlage zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe einen ihn und seine Familie betreffenden Blutracheschwur nicht glaubhaft gemacht.
16Hierin liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Eine solche kann nur angenommen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.
17Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 -, NJW 1991, 2823, und Urteil vom 20. Oktober 1987 - 9 C 147.86 -, InfAuslR 1988, 55.
18Die Beteiligten können nicht voraussetzen, dass das Verwaltungsgericht sie vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinweist, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt.
19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 9 B 1076.98 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A.-, juris, Rn 26.
20Ausgehend hiervon muss ein Asylbewerber stets damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht sein verfolgungsrelevantes Vorbringen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und im Klageverfahren im Hinblick auf Widersprüche und Steigerungen überprüft und solche gegebenenfalls bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Verfolgungsschicksals zu Lasten des Asylbewerbers berücksichtigt. Daran ändert nichts, dass einzelne unter Beweis gestellte Tatsachen zum Vorfluchtgeschehen als wahr unterstellt worden sind, zumal sich daraus nichts zu deren Gewichtung im Zusammenhang mit weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen herleiten lässt. Abgesehen davon begründet die Wahrunterstellung aber auch deswegen keine Überraschungsentscheidung, weil sie beim Kläger - bedingt dadurch, dass sie erst in den Entscheidungsgründen erfolgte - überhaupt keine unzutreffende Erwartung hervorgerufen haben kann.
21Dass das Verwaltungsgericht den hilfsweise gestellten Beweisantrag zu Ziffer 5 abgelehnt hat, ist prozessordnungsrechtlich ebenfalls unbedenklich. Die Ablehnung bezieht sich nur auf den ersten Satz des Beweisantrages, der - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - keine Tatsachen, sondern eine Bewertung beinhaltet, die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich ist. Entsprechendes gilt für den dritten Satz dieses Hilfsbeweisantrages. Selbst wenn man sich insoweit mit dem Kläger auf den Standpunkt stellt, dass damit Tatsachen unter Beweis gestellt werden, musste das Verwaltungsgericht diesem Beweisantrag nicht nachgehen, weil er unsubstantiiert ist. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, worin die besondere Sachkunde des als sachverständigen Zeugen benannten Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf die subjektiven Absichten der Brüder des G. M. liegen soll und welche eigenen Wahrnehmungen dieser im Zusammenhang damit gemacht hat. Soweit das Verwaltungsgericht die im zweiten Satz des Antrages unter Beweis gestellte Tatsache, dass die vier Brüder des G. M. heute einflussreiche Persönlichkeiten sind und in herausgehobenen staatlichen Stellungen tätig sind, als wahr unterstellt hat, folgt daraus keine Inkongruenz. Das Verwaltungsgericht hat diesen Umstand berücksichtigt, ohne an anderer Stelle der Entscheidungsgründe damit unvereinbare Feststellungen zugrunde gelegt zu haben. Es hat ihn lediglich - ohne, dass sich dies den Gesetzen der Logik entziehen würde oder willkürlich wäre und insofern zulassungsrechtlich bedeutsam sein könnte - im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht als ausschlaggebend angesehen.
22Die erfolgte Ablehnung des Beweisantrages zu Ziffer 6 ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, weil auch dieser Antrag unsubstantiiert ist. Einerseits fehlt es an der für den Zeugenbeweis erforderlichen Konkretisierung der unter Beweis gestellten Behauptung und andererseits an der Darlegung, welche Wahrnehmungen der benannte Zeuge in Bezug auf das Beweisthema selbst gemacht haben soll.
23Vgl. dazu Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 98 Rn. 32.
24Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt darin aus den vorstehenden Gründen nicht.
25Der weitere Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, indem es als Beleg für die tatsächliche Situation in der Provinz Baghlan gerichtliche Entscheidungen zitiert habe, ohne diese oder die ihnen zugrunde liegenden Erkenntnisquellen in das Verfahren eingeführt zu haben, verhilft dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn eine dadurch etwaig begründete Gehörsverletzung würde, da das Verwaltungsgericht selbstständig tragend festgestellt hat, dass Kabul dem Kläger eine interne Schutzalternative bietet, nichts am Ergebnis der Entscheidung ändern.
262. Die geltend gemachte Abweichung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt ebenfalls nicht vor. Die Darlegung einer Abweichung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Divergenzgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2007 - 1 B 271.06 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 - 13 A 1705/13.A -, und vom 2. April 2004 - 15 A 1298/04.A -, juris, Rn. 8.
28Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung nicht einen - vom Kläger im Übrigen auch nicht benannten - abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von einem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - aufgestellten Rechtssatz abweicht. Soweit der Kläger meint, das verwaltungsgerichtliche Urteil widerspreche den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts insoweit, als die Herkunftsregion bzw. Teilgebiete davon regelmäßig nicht als interne Schutzalternative in Betracht zu ziehen seien, ist bereits zweifelhaft, ob die zur Begründung der Divergenz zitierte Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Kläger könne innerhalb seiner Herkunftsprovinz in sicherere Gebiete ausweichen, als Verweis auf eine interne Schutzalternative zu verstehen ist oder nicht vielmehr Teil der Bewertung der Sicherheitslage in der Provinz Baghlan ist. Selbst von Ersterem ausgehend, würde es sich dabei aber allenfalls um eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall handeln, auf die die Divergenzrüge nicht mit Erfolg gestützt werden kann.
29Ebenfalls ohne Erfolg begründet der Kläger diese - erneut ohne insoweit einen abweichenden abstrakten Rechtssatz in dem angefochtenen Urteil zu benennen - damit, dass das Verwaltungsgericht zur Begründung der internen Schutzalternative einen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang stehenden Zumutbarkeitsmaßstab zugrunde gelegt habe. Abgesehen davon, dass auch mit diesem Einwand lediglich eine - zulassungsrechtlich unerhebliche - fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall dargetan ist, trifft er der Sache nach nicht zu. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass Fälle von Tod aufgrund von Hunger oder Unterernährung in den vergangenen zehn Jahren bei Afghanistanrückkehrern nicht zu beobachten gewesen seien, setzt keinen Maßstab für die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, sondern füllt neben einer Reihe anderer Gesichtspunkte als ein Teilaspekt einen Zumutbarkeitsmaßstab aus. Dass das Verwaltungsgericht dabei nicht das bloße Existenzminimum zum Maßstab genommen hat, ergibt sich offenkundig aus den Entscheidungsgründen.
303. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG). Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 -13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A ‑, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 ‑ 13 A 2839/10.A -.
32Im Hinblick auf unionsrechtliche Fragen ist eine Rechtssache dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn dargelegt ist, dass im weiteren Rechtsmittelverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV einzuholen sein wird. Daran fehlt es, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die die Einholung einer Vorabentscheidung entbehrlich erscheinen lassen, oder wenn es für die Entscheidung des Zulassungsantrages nicht auf die aufgeworfene unionsrechtliche Frage ankommt.
33Vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 124 Rn. 136.
34Das ist hier der Fall. Zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen,
35„ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des BVerwG in seinem Urteil vom 27. April 2010 ‑ 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2004/83/EG (QRL I) und Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2011/95/EU (QRL II) vereinbar ist
36und
37ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzten bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden darf bzw. muss oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewalt gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl der willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer betreffend alle Zahlen und die humanitäre Situation zu berücksichtigen sind,“
38sieht der Senat mangels Klärungsbedarfs keine Veranlassung.
39Vgl. bereits OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 ‑ 13 A 2998/11 -.
40Es besteht kein Ansatz dafür, dass das für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - erforderliche Niveau willkürlicher Gewalt nicht mit Art. 15 lit. c) QRL I bzw. Art. 15 lit. c) QRL II vereinbar ist, zumal sich das BVerwG auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung des EuGH bezieht. Soweit die zweite Frage letztlich auf die Berücksichtigung qualitativer Aspekte bei der zu treffenden Gefahrenprognose abzielt, sieht der Senat bereits deswegen keinen Klärungsbedarf, weil auch nach der Rechtsprechung des BVerwG neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) vorzunehmen ist, wobei die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden können.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 ‑, juris, Rn. 23,
42und damit eine Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte einhergeht.
43Die weitere Frage,
44„ob die inländische Schutzalternative des Artikel 8 QRL I bzw. nach Art. 8 QRL II voraussetzt, dass am Ort der inländischen Schutzalternative ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist und die Garantie der Achtung der Menschenrechte des Betroffenen ein ausreichendes Maß an Stabilität und effektiven staatlichen und zivilen Schutzstrukturen, die auf Dauer effektiven Schutz vermitteln, gewährleistet, also sicher gestellt ist“
45ist ebenfalls nicht grundsätzlich bedeutsam. Sie betrifft die - nicht klärungsbedürftigen, weil geklärten - Anforderungen, die an die Annahme einer internen Schutzalternative im Sinne des Art. 8 QRL I bzw. QRL II zu stellen sind. Die Frage, wann von einem Schutzsuchenden „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, hat das BVerwG dahin präzisiert, dass dieser Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinausgehe.
46Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 ‑, juris, Rn. 35, und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 20.
47Dass diese Feststellung nicht den Grad an Detailliertheit erreicht, den der Kläger insoweit für geboten hält, ist zulassungsrechtlich unerheblich. Im Übrigen ist diese Frage auch in der Rechtsprechung des Senats geklärt, der hierzu in seinem Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11 - in Anschluss an die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg Folgendes ausgeführt hat:
48„Nach den vorstehend genannten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz.
49Vgl. VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.”
50Soweit der Kläger auf eine Vielzahl weiterer, seiner Auffassung nach prüfungsbedürftiger Kriterien verweist, fehlt es mit Blick darauf schon an der für die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage erforderlichen Darlegung, weil sein Vorbringen sich nicht dazu verhält, wie deren Anwendung sich im vorliegenden Fall konkret auswirken würde.
51Die weitere Einwand des Klägers, es bestehe eine Abweichung zwischen dem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - aufgestellten Rechtssatz, Art. 4 Abs. 4 QRL I privilegiere den Vorverfolgten bzw. Geschädigten durch die (widerlegbare) Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung oder Schädigung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werde, und einem in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil inzident aufgestellten Rechtssatz, dass eine Vorverfolgung bzw. Vorschädigung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL I völlig irrelevant sei und nicht beachtet werden müsse, greift nicht durch. Denn er trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat keinen abstrakten Rechtssatz diesen Inhalts aufgestellt. Der Kläger versucht dies - erfolglos - daraus herzuleiten, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, dass er schriftlich bedroht worden sei, aber gleichwohl die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 QRL I nicht als erfüllt angesehen habe. Im Kern beanstandet der Kläger damit erneut lediglich eine fehlerhafte ‑ im Rahmen der erhobenen Divergenzrüge unbeachtliche - einzelfallbezogene Rechtsanwendung.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
53Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.