Strafrecht: Zur Drittverschaffung im Rahmen der Hehlerei

published on 18/03/2015 14:57
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Das Tatobjekt der Hehlerei wird einem Dritten verschafft, wenn der Täter dem dritten Erwerber die Sache unmittelbar vom Vorbesitzer weiterleitet.
Der BGH hat mit Beschluss vom 08.03.2012 (Az: 4 StR 629/11) folgendes entschieden:

Das Tatobjekt der Hehlerei wird einem Dritten verschafft, wenn die Verfügungsgewalt über die Sache nicht auf den Täter übergeht, sondern der Täter dem dritten Erwerber die Sache unmittelbar vom Vorbesitzer weiterleitet.


Tatbestand

Nach den Feststellungen des Landgerichtes hatte der Angeklagte von den Personen S und G einen BMW X 5 übernommen. Diesen hatte S und D erworben und über einen Strohmann von der BMW-Bank finanzieren lassen. Bis zur vollständigen Bezahlung stand das Fahrzeug unter dem Eigentumsvorbehalt der BMW-Bank. Der Angeklagte brachte in Kenntnis dessen den Wagen zu seinem Bruder P und ließ ihn dort von diesem nach Italien bringen.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Es hat in der Übernahme des Fahrzeugs durch den Angekl. und der Weiterleitung nach Italien den Tatbestand der Hehlerei in der Form der Drittverschaffung für P als erfüllt angesehen.


Entscheidungsgründe

Die Verurteilung des Landgerichtes in vorliegendem Fall hält der rechtlichen Überprüfung des Bundesgerichtshofes nicht stand. Der Angeklagte habe keine Hehlerei in der Variante der Dritt-Verschaffung begangen. Das Tatobjekt der Hehlerei wird einem Dritten verschafft, wenn die Verfügungsgewalt über die Sache nicht auf den Täter übergeht, sondern durch das Handeln des Täters unmittelbar vom Vorbesitzer an einen dritten Erwerber weitergeleitet wird oder der Täter das Hehlgut in seinem Interesse unmittelbar einem Dritten zukommen lässt. Das war vorliegend nicht der Fall. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass der Bruder P des Angeklagten unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über den BMW X 5 erlangen sollte. Vielmehr belegen die Feststellungen, dass der Angeklagte nicht nur zunächst den Besitz an dem Fahrzeug, sondern auch die wirtschaftliche Verfügungsgewalt darüber hatte.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 28. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist (Fall 6 der Anklage) und soweit er im Fall 5a der Anklage freigesprochen worden ist.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das oben bezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt worden ist (Fälle 1 bis 4 und 7 der Anklage) und soweit er im Fall 5b der Anklage freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.


Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei (Fall 6 der Anklage) unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 20. April 2010 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ein Jahr und sechs Monate der verhängten Strafe gelten als vollstreckt. Vom Vorwurf der Anstiftung zum gewerbsmäßigen Betrug in drei Fällen (Fälle 5a bis 5c der Anklage) sowie vom Vorwurf einer am 15. April 2005 begangenen gewerbsmäßigen Hehlerei (Fall 8 der Anklage) hat es den Angeklagten freigesprochen. Im Übrigen (Fälle 1 bis 4 und 7 der Anklage) hat es das Verfahren wegen Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts eingestellt.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision gegen seine Verurteilung. Außerdem hat er sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung und die Versagung von Entschädigungsansprüchen nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz erhoben. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision auf die Fälle 1 bis 4 und 7 der Anklage sowie im Fall 6 der Anklage auf den Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung beschränkt. Beide Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg. Soweit die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch im Fall 6 der Anklage und die Teilfreisprüche in den Fällen 5a und 5b der Anklage vom Revisionsangriff ausgenommen hat, ist die Revisionsbeschränkung unwirksam.

Nach den Feststellungen zu Fall III. 5. des Urteils (Fälle 5a und 6 der Anklage) hatte der Angeklagte am 21. November 2004 bei Eupen in Belgien von S. und G. einen BMW X 5 übernommen. Diesen Wagen hatten S. und G. am 3. November 2004 erworben und über einen Strohmann von der BMW-Bank finanzieren lassen. Bis zur vollständigen Bezahlung stand das Fahrzeug unter dem Eigentumsvorbehalt der BMW-Bank. Der Angeklagte wusste, dass S. ab Februar 2005 die Raten nicht mehr zahlen wollte. Er brachte das Fahrzeug an seinen Wohnort Heiden und ließ es von dort von seinem Bruder zu P. nach Italien bringen. Dafür sandte P. einen PKW Daimler-Chrysler, den er ohne Absprache mit dem finanzierenden Autohaus nach Italien überführt hatte, nach Deutschland zurück, wo ihn der Angeklagte dem Autohaus zurückgab. Im Gegenzug sollte P. Wein in größerer Menge an den Angeklagten liefern; außerdem bezahlte der Angeklagte nur die Hälfte des Fahrzeugwerts bar an S. und verrechnete den Restkaufpreis mit uneinbringlichen Außenständen des S. bei ihm
Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte dem S. einen Auftrag zur Beschaffung des BMW X 5 erteilt hat (Fall 5a der Anklage); insoweit hat es den Angeklagten vom Vorwurf der Anstiftung zum gewerbsmäßigen Betrug freigesprochen. Es hat in der Übernahme des Fahrzeugs durch den Angeklagten und der Weiterleitung nach Italien den Tatbestand der Hehlerei in der Form der Drittverschaffung für P. als erfüllt angesehen. Da das Fahrzeug hierbei vom Angeklagten bzw. in dessen Auftrag durch Deutschland transportiert worden sei, sei gemäß § 9 Abs. 1 StGB ein Tatort in Deutschland gegeben. Die Zueignungshandlung des S. im Sinne des § 246 StGB habe bereits im vorangegangenen Kaufangebot an den Angeklagten gelegen. Der Angeklagte habe sich in diesem Fall der gewerbsmäßigen Hehlerei nach § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.

Der Schuldspruch im Fall 6 der Anklage hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil ist rechtsfehlerhaft, denn sie ermöglicht dem Revisionsgericht nicht die Nachprüfung auf Rechtsfehler. Es fehlt bereits eine zusammenhängende Darstellung der Einlassung des Angeklagten zu Fall 6 der Anklage. Die Beweiswürdigung als solche ist über verschiedene Urteilsstellen verteilt und lückenhaft.

Der Abschnitt Beweiswürdigung unter IV der Urteilsgründe befasst sich mit Fall 6 der Anklage nur unter Teilaspekten. Die Strafkammer würdigt lediglich (UA S. 38) die Aussage des S. zur Übergabe des Fahrzeugs. In diesem Zusammenhang wird unzulässigerweise auf Bl. 1313 d. A. Bezug genommen, ohne dem Revisionsgericht den Inhalt und die Bedeutung dieser Aktenstelle zu vermitteln. Die Strafkammer hält die Angaben des S. „aus dem gesamten Inhalt der Akte, den Einlassungen der Verfahrensbeteiligten und insbesondere auch dem Ergebnis der abgehörten Telefonmitschnitte“ insoweit für widerlegt, ohne hierzu Einzelheiten der Beweisergebnisse mitzuteilen. Eine revisionsgerichtliche Überprüfung dieser Schlussfolgerung ist nicht möglich.

Auch soweit die Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung einzelne Aspekte der Beweiswürdigung erörtert, bleibt diese lückenhaft. Das angefochtene Urteil enthält keine Angaben dazu, worauf die Feststellungen zum Erwerb des Fahrzeugs durch S. und G. über einen Strohmann der belgischen Firma sowie zur Zahlungseinstellung im Februar 2005 beruhen. Der Angeklagte kann diese Einzelheiten zum Erwerb nicht bekundet haben; er konnte sich nicht daran erinnern, welche Strohmänner/Strohfirmen in den einzelnen Fällen beteiligt gewesen seien (UA S. 33). Die Bezugnahme auf die Finanzierungsunterlagen (UA S. 41) in den Akten ist unzulässig. Das Landgericht geht davon aus, dass S. das Fahrzeug dem Angeklagten vor der Übernahme in Eupen am 21. November 2004 zum Kauf angeboten und dadurch seine Zueignungsabsicht manifestiert habe (UA S. 41).

S. und G. erwarben das Fahrzeug am 3. November 2004 (UA S. 29). Bereits am 2. November 2004 kündigte ein Sa. dem Angeklagten an, er werde ihm die Unterlagen zu dem bereits bestellten BMW X 5 zusenden, damit der Angeklagte sie sich ansehen könne (UA S. 39). Danach erscheint nicht ausgeschlossen, dass dem Angeklagten das Fahrzeug bereits vor dem Erwerb durch S. und G. zum Kauf angeboten wurde, so dass in dem späteren Angebot keine Manifestation des Zueignungswillens liegen könnte. In diesem Fall käme eine Beteiligung des Angeklagten schon an der Unterschlagung des Fahrzeugs in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 4 StR 112/11). Vor allem sprechen die Umstände des Erwerbs über einen Strohmann aber dafür, dass S. und G. das Fahrzeug betrügerisch erlangt und von Anfang an dem eigenen Vermögen einverleibt haben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 – 1 StR 247/09 Rn. 28 ff.).

Die Feststellungen tragen nicht die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe eine Hehlerei in der Variante der Drittverschaffung begangen. Das Tatobjekt der Hehlerei wird einem Dritten verschafft, wenn die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Sache nicht – und zwar auch nicht übergangsweise (sonst Sich-Verschaffen) – auf den Täter übergeht, sondern durch das Handeln des Täters unmittelbar vom Vorbesitzer an einen dritten Erwerber weitergeleitet wird oder der Täter das Hehlgut, ohne selbst Besitz an ihm zu erlangen, in seinem Interesse unmittelbar einem Dritten zukommen lässt. Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass P. unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über den BMW X 5 erlangen sollte. Vielmehr belegen die Feststellungen, dass der Angeklagte nicht nur zunächst den Besitz an dem Fahrzeug, sondern auch die wirtschaftliche Verfügungsgewalt darüber hatte. Er hat den Kaufpreis durch Barzahlung bzw. Verrechnung gegenüber S. beglichen und P. seinerseits sollte als Gegenleistung für das Fahrzeug Wein an den Angeklagten liefern.

Bei einer Hehlerei durch Sich-Verschaffen ist ein Tatort in Deutschland nicht belegt, so dass die Verfahrensvoraussetzung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts fehlt.

Der Angeklagte ist ein in Deutschland wohnhafter italienischer Staatsangehöriger. Die Übernahme des Fahrzeugs erfolgte nach den bisherigen Feststellungen in Eupen. Es liegt nahe, dass durch den Verkauf und die Übergabe des Fahrzeugs der Angeklagte die endgültige Verfügungsgewalt darüber erlangt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 4 StR 120/08 Rn. 4); entgegenstehende Anhaltspunkte sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Dass der Angeklagte nicht nach Italien oder Belgien ausgeliefert wird (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB) steht nicht fest.

Der Verfahrensmangel nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist behebbar (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 1993 – 1 StR 271/93, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Nr. 2 Auslieferung 1; Urteil vom 7. Februar 1995 – 1 StR 681/94, BGHR aaO Verfahrenshindernis 1). Angesichts der auf unzureichender Beweisgrundlage beruhenden Feststellungen sieht der Senat keinen Anlass, von sich aus die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu klären. Der Tatrichter ist verpflichtet, die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen und grundsätzlich so darzulegen, dass sie vom Revisionsgericht nachgeprüft werden können. Soweit zu dieser Überprüfung eine dem Tatrichter obliegende Feststellung von Tatsachen erforderlich ist, hat er diese rechtsfehlerfrei zu treffen und (gegebenenfalls) zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 1 StR 266/10 Rn. 8, BGHSt 56, 6, 8).
Sowohl die Revision des Angeklagten als auch diejenige der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 6 der Anklage. Da die Feststellungen die Verurteilung nicht tragen, ist die Revision der Staatsanwaltschaft nicht wirksam auf den Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung beschränkt. Darüber hinaus haben beide Rechtsmittel auch die Aufhebung des Freispruchs im Fall 5a der Anklage zur Folge. Angesichts der Lückenhaftigkeit der Urteilsgründe ist weder eine Tateinheit zwischen einer Beteiligung am Erwerb der Fahrzeuge und einer Hehlereihandlung noch eine Alternativität dieser Taten letztlich auszuschließen. In beiden Fällen kann eine Revision nicht auf einzelne rechtliche Aspekte dieser Tat beschränkt werden. Nach diesen Grundsätzen bestimmt sich auch die Entscheidung, ob eine bloße Teilaufhebung vorzunehmen ist.

Eine Aufhebung in vollem Umfang hat auch dann zu erfolgen, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Tatgeschehen, das der Verurteilung zu Grunde liegt, und dem Geschehen, auf dessen Grundlage eine Verurteilung möglicherweise in Betracht kommt, nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08 Rn. 10). Einen solch engen Zusammenhang zwischen der Beschaffung des Fahrzeugs und dessen Übernahme durch den Angeklagten mit der Folge, dass nur eine Beteiligung an der Vortat oder eine tateinheitliche Verurteilung in Betracht kommt, kann der Senat im vorliegenden Fall nicht von vorneherein ausschließen. Damit erfasst die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch den Freispruch vom Vorwurf der Anstiftung zum Betrug.

Wegen der Aufhebung des Schuldspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf die Strafzumessung und die Kompensationsentscheidung. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass ein Härteausgleich für eine bezahlte Geldstrafe nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10).

Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1 – 4 und 7 der Anklage hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils übernahm der Angeklagte auch in diesen Fällen jeweils Kraftfahrzeuge von S. , bei denen er wusste oder er davon ausging, dass diese auf betrügerische Art und Weise erworben oder unterschlagen worden waren. Der Angeklagte beglich jeweils den hälftigen Kaufpreis in bar, der Rest wurde mit Schulden S. s beim Angeklagten verrechnet. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fahrzeuge:

a) Pkw Daimler Chrysler ML 270 CDI, Übernahme im Mai 2002 in Venlo (Fall 1 der Anklage),
b) Pkw VW Bora, Übernahme im September 2002 in Maastricht oder Venlo (Fall 2 der Anklage),
c) Pkw Alfa-Romeo, Übernahme Ende August/Anfang September 2002 nahe Brüssel oder Antwerpen (Fall 3 der Anklage),
d) Pkw Daimler Chrysler E 220 CDI, Übernahme im September/Oktober 2003 nahe Brüssel (Fall 4 der Anklage),
e) Pkw BMW 116 i, Übernahme am 19. Januar 2005 in Eupen (Fall 7 der Anklage).

Das Landgericht hat in diesen Fällen angenommen, dass die Hehlereihandlungen des Angeklagten in der Form des Sich-Verschaffens bzw. des Ankaufs der Fahrzeuge nicht in Deutschland, sondern in Belgien oder den Niederlanden begangen worden sind, und hat das Verfahren wegen fehlender Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
 
Die Einstellung des Verfahrens hat keinen Bestand, weil das Verfahrenshindernis nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB behebbar ist. Der Senat ist auch in diesen Fällen nicht gehalten, die Frage einer Auslieferung des Angeklagten an Italien, Belgien oder die Niederlande zu klären, weil die Beweiswürdigung die Feststellungen des Landgerichts zu den Tatorten und zum Teil zu den Taten nicht trägt.

Im Fall 1 der Anklage beruht die Feststellung des Übergabeorts Venlo offenbar auf der von der Mitangeklagten G. bestätigten Einlassung des Angeklagten. Die Mitangeklagte G. war nach eigener Einlassung „rechte Hand“ des Angeklagten (UA S. 35). Die Strafkammer setzt sich mit dem Beweiswert dieser Bestätigung nicht auseinander. Die Mitangeklagte hat sich dahin eingelassen, die Fahrzeuggeschäfte „nur am Rande begleitet“ zu haben; der Angeklagte selbst hat angegeben, sie sei „da nicht drin“ gewesen (UA S. 35 und 40). Die Übergabe fand nach den Feststellungen in Venlo statt, weil S. befürchtete, in Deutschland strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt zu sein (UA S. 26).

Worauf diese Feststellung beruht, teilt das Urteil nicht mit. Es setzt sich nicht damit auseinander, dass im Widerspruch zu dieser Feststellung der Angeklagte S. den zweiten BMW X 5 (Fall 8 der Anklage) zur Ansicht zum Angeklagten nach Heiden gebracht hat. Auch folgt aus der Einlassung der Mitangeklagten G., dass S. den Angeklagten in seiner Firma besucht hat (UA S. 34).

In den Fällen 2 bis 4 der Anklage ist das Landgericht ebenfalls der Einlassung des Angeklagten gefolgt, ohne – außer der Bestätigung durch die Mitangeklagte G. – das Ergebnis der Beweisaufnahme zu dieser Frage mitzuteilen. Dies lässt besorgen, dass der Tatrichter die Einlassung des Angeklagten als unwiderlegbar hingenommen hat, obwohl sich hierfür in der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben haben.

Im Fall 7 der Anklage (Fall III. 6. der Urteilsgründe) hat das Landgericht die Möglichkeit einer Drittverschaffung des Fahrzeugs an die Mitangeklagte G. oder einer Absatzhilfe des Angeklagten nicht bedacht, die nach den in diesem Fall getroffenen Feststellungen auch in Deutschland begangen sein könnte. Danach wurde das Fahrzeug BMW 116 i vor der Übernahme in Eupen der Mitangeklagten G. von S. zum Kauf angeboten. Die Tochter der Mitangeklagten begleitete den Angeklagten zur Fahrzeugübernahme. Auf Bitten der Angeklagten (G. ?) erstellte eine Firma aus Wuppertal eine Rechnung über den Erwerb des Fahrzeugs. Es wurde der Mitangeklagten – offenbar in Deutschland – zur freien Verfügung überlassen, die mit dem Angeklagten eine Vereinbarung über die Bezahlung unter teilweiser Einbehaltung ihres Lohnes traf (UA S. 30).

Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob der Angeklagte in diesem Fall an einer Hehlerei der Mitangeklagten G. beteiligt war. Der rechtskräftige Freispruch der Mitangeklagten steht einer anderen Feststellung und Bewertung von Tatsachen im Verfahren gegen den Angeklagten nicht entgegen. Im Falle einer Mittäterschaft ist die Tat an jedem Ort begangen, an dem auch nur einer der Mittäter gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 – 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88, 91 m.w.N.).

Der Senat weist darauf hin, dass ein Tatort der Hehlerei auch dann in Deutschland liegen könnte, wenn hier vorgenommene Handlungen des Angeklagten das Versuchsstadium erreichten. Hierfür könnte eine verbindliche Vereinbarung über den Ankauf und die Abnahme der vom Vortäter bereits rechtswidrig erlangten Fahrzeuge reichen, wenn sie daraufhin absprachegemäß unmittelbar auf den Weg zu dem vereinbarten Übergabeort gebracht wurden. Hierin kann ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung und damit ein Versuch des Ankaufens als Unterfall des Sich-verschaffens liegen. Die bloße Vereinbarung mit den Tätern einer vorausgegangenen Vermögensstraftat, die Beute abnehmen zu wollen, erfüllt den Versuchstatbestand jedoch noch nicht.

Soweit der Angeklagte von dem Vorwurf der Anstiftung zum gewerbsmäßigen Betrug bezüglich des Fahrzeugs im Fall 5b der Anklage freigesprochen worden ist, hat der Freispruch aus den oben unter I. 3. genannten Gründen keinen Bestand.

Mit der Teilaufhebung des Urteils haben sich die vom Angeklagten eingelegten Beschwerden gegen die Kosten- und die Entschädigungsentscheidung erledigt (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08 Rn. 17 m.w.N.; Beschluss vom 12. September 2006 – 4 StR 297/06 Rn. 7).



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(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

(2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Hehlerei

1.
gewerbsmäßig oder
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei verbunden hat,
begeht.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 112/11
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 3. auf seinen Antrag - und des Beschwerdeführers am 14. April
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 28. Oktober 2010, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe jeweils der Unterschlagung schuldig ist,
b) in den Aussprüchen über die in diesen Fällen erkannten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatten der Angeklagte und der anderweitig verfolgte E. D. vereinbart, sich künftig durch illegale Autogeschäfte Geld zu verschaffen. Sie wollten Leasingfahrzeuge nach Absprache mit den Leasingnehmern, die für ihre Mitwirkung entlohnt werden sollten, über Deutschland nach Nordafrika verbringen und dort verkaufen; die Leasingnehmer sollten die Fahrzeuge sodann als gestohlen melden. E. D. , der in Italien lebte, sollte dort die entsprechenden Fahrzeuge besorgen ; Aufgabe des Angeklagten sollte sein, zur Verschleierung der Kraftfahrzeugverschiebungen in Deutschland Ausfuhr- bzw. Kurzzeitkennzeichen und Fahrer für die Überführungsfahrten zu besorgen.
4
aa) Abweichend von diesem Plan wurden die Fahrzeuge im Fall II. 2 der Urteilsgründe nicht allein von E. D. beschafft, vielmehr verhandelten der Angeklagte und E. D. in Mailand gemeinsam mit den Leasingnehmern und besorgten anschließend auch das Geld. Der Angeklagte teilte den von ihm aus Deutschland mitgebrachten Fahrern vor der Rückfahrt mit, dass E. D. und er die Fahrzeuge gekauft hätten (UA 10).
5
bb) Im Fall II. 3 der Urteilsgründe erfuhr der Angeklagte in Deutschland, dass der Zeuge S. sein fremdfinanziertes und im Sicherungseigentum der Bank stehendes Kraftfahrzeug ins Ausland verkaufen und dann als gestohlen melden wollte. Er übernahm das Fahrzeug von dem Zeugen gegen Teilzahlung des vereinbarten Entgelts und ließ es zusammen mit weiteren, von E. D. beschafften Fahrzeugen nach Marokko bringen, wo es veräußert wurde (UA 12/13).
6
b) In beiden Fällen trat die von § 259 Abs. 1 StGB vorausgesetzte rechtswidrige Besitzlage erst mit der Übergabe des jeweiligen Fahrzeugs an den Angeklagten bzw. an diesen und E. D. ein. Nach ständiger Rechtsprechung muss aber die gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat zum Zeitpunkt des abgeleiteten Erwerbs abgeschlossen sein; daher liegt Hehlerei nicht vor, wenn - wie hier - die Vortat erst durch die Verfügung zu Gunsten des "Hehlers" begangen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 1996 - 2 StR 664/95, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Vortat 5, und vom 28. November 2001 - 2 StR 477/01, StV 2002, 542 m.w.N.; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 259 Rn. 8 m.w.N.).
7
c) Durch die Übernahme der Fahrzeuge von den Leasingnehmern hat sich der Angeklagte jedoch gemeinschaftlich mit diesen jeweils einer Unterschlagung schuldig gemacht (§ 246 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB).
8
Dies gilt auch für die in Italien begangene Tat (Fall II. 2 der Urteilsgründe ). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist eine Tat auch dann dem deutschen Strafrecht unterworfen, wenn sie von einem Deutschen im Ausland begangen wurde und am Tatort ebenfalls mit Strafe bedroht ist. Der Angeklagte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; eine Unterschlagung ist in Italien nach Art. 646 des Codice penale strafbar. Für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts kommt es nicht darauf an, ob es nach italienischem Recht eines Strafantrags bedurft hätte. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Tat am Tatort materiell strafbar ist; tatsächlich verfolgbar braucht sie nicht zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 1954 - 1 StR 35/54, NJW 1954, 1086; Beschluss vom 8. März 2000 - 3 StR 437/99, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4; vgl. auch Eser in Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 7 Rn. 11 m.w.N.).
9
2. Der Senat stellt die Schuldsprüche in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe entsprechend um. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der weitgehend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
10
3. Wegen des gegenüber § 260 Abs. 1 StGB milderen Strafrahmens des § 246 Abs. 1 StGB haben die für diese Taten erkannten Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand. Die der Strafbemessung zu Grunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt; sie können daher bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen , nicht aus.
11
Im Hinblick auf das Vorbringen der Revision bemerkt der Senat, dass dem - zu erwartenden oder bereits erfolgten - Widerruf einer dem Angeklagten erst kurz vor Beginn der Tatserie gewährten Reststrafaussetzung zur Bewährung hier keine bestimmende strafmildernde Bedeutung zukommt.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer
28
aa) Das Landgericht hat folgende von ihm festgestellte Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung nicht erörtert, obwohl sie für die Annahme einer Zueignung der Fahrzeuge im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB durch A. und R. als mögliche Vortat für eine Hehlerei durch M. und K. sprechen konnten:
4
Daran fehlt es hier. Durch den Verkauf und die Übergabe der Fahrzeuge hatte H. dem R. die Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge endgültig übertragen. R. hatte sich damit die Fahrzeuge “verschafft“ und H. hatte sie “abgesetzt“. Die rechtswidrige Besitzlage, die durch den betrügerischen Erwerb H. s herbeigeführt worden war, war damit perpetuiert und vertieft worden. Hierzu hatte der Angeklagte nichts beigetragen. Nach den bisherigen Feststellungen setzte seine Tätigkeit vielmehr erst später ein und diente allein der Durchsetzung der Zahlungsforderungen H. s. Dabei kann dahinstehen, ob sein Vorschlag, die Abtretung von R. s Privatvermögen zu verlangen, konkret geeignet war, die Eintreibung des Kaufpreises zu fördern. Denn jedenfalls hatten seine Bemühungen um die Erbringung der Gegenleistung keinen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf die rechtswidrige Besitzlage hinsichtlich der Fahrzeuge.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

8
Der Tatrichter ist verpflichtet, die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen und grundsätzlich so darzulegen, dass sie vom Revisionsgericht nachgeprüft werden können. Soweit zu dieser Überprüfung eine dem Tatrichter obliegende Feststellung von Tatsachen erforderlich ist, hat er diese rechtsfehlerfrei zu treffen und (gegebenenfalls) zu würdigen. Dieser Begründungszwang ergibt sich sowohl aus § 34 StPO wie aus der Natur der Sache (vgl. RGSt 69, 157, 159; Meyer-Goßner StPO, 53. Aufl., Rn. 29 zu § 267 StPO; Löwe-RosenbergGollwitzer StPO, 25. Aufl., Rn. 158 zu § 267; Julius in HK-StPO, Rn. 32 zu § 267; KMR-Paulus StPO, Rn. 106 zu § 267; auch OLG Hamm MDR 1986, 778, mwN; OLG Köln NJW 1963, 1265). Würde man die pauschale, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher belegte Angabe des Tatrichters, dass ein bestimmtes Verfahrenshindernis bestehe oder eine Verfahrensvoraussetzung fehle, für ausreichend erachten, so wäre der betreffende Verfahrensbeteiligte in Unkenntnis des vom Gericht als gegeben unterstellten, aber nicht mitgeteilten Sachverhalts in vielen Fällen gar nicht in der Lage, die Entscheidung sach- und formgerecht anzufechten. Ein derartiger sachlich-rechtlicher Mangel nötigt zur Aufhebung des Urteils und der ihm zugrunde liegenden Feststellungen (vgl. OLG Hamm aaO).
10
2. Der Rechtsfehler führt auf die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Obwohl die Feststellungen eine vollendete Wegnahme und damit einen vollendeten Diebstahl tragen, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden, da auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls nach §§ 252, 249 StGB in Betracht kommt. Insoweit bedarf es jedenfalls zur subjektiven Tatseite weitere Feststellungen. Der Aufhebung unterliegt wegen des nicht ausschließbaren sachlichen Zusammenhangs mit der Wegnahmehandlung auch die Verurteilung des Angeklagten we- gen Bedrohung. Der neue Tatrichter wird deshalb Gelegenheit haben, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt einer Raubtat nach §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu prüfen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 275/10
vom
14. Dezember 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1
Nr. 1 AO aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben entfällt nicht deshalb
, weil den zuständigen Finanzbehörden alle für die Steuerfestsetzung bedeutsamen
Tatsachen bekannt waren und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90
AO) bekannt und verfügbar waren.
BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 275/10 - Landgericht München
I
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 26. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte hat als im Einkauf tätiger Angestellter der Firma P. für diese Elektronikbauteile aus dem europäischen Ausland über eine Gruppe von Personen eingekauft , deren in Deutschland ansässige Firmen nur zum Zweck der Erlangung unberechtigter Vorsteuerabzüge zwischengeschaltet waren. In Kenntnis dieser Umstände und im Wissen, dass eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht bestand, gab der Angeklagte Eingangsrechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer an die Buchhaltung der Firma P. zum Zwecke der Verbuchung und Vornahme des Vorsteuerabzugs weiter. Für Rechnungen datierend zwischen 1. August 2003 und 30. September 2004 wurden so für die P. vierzehn falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die erste davon ging am 16. Oktober 2003 beim zuständigen Finanzamt ein. Insgesamt wurde so Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,18 Mio. Euro hinterzogen.
2
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in vierzehn Fällen zu vier Jahren und neun Monaten Ge- samtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der näheren Ausführung bedarf lediglich Folgendes:
4
I. Die Revision rügt eine Verletzung von § 244 Abs. 3 StPO wegen der Ablehnung des Beweisantrags Nr. 2 (nachfolgend 1.). Dies bleibt im Ergebnis erfolglos. Zwar zeigt die Revision insoweit Rechtsfehler auf (nachfolgend 2.), der Senat kann jedoch ausschließen, dass das Urteil hierauf beruht (nachfolgend 3.).
5
1. Folgendes liegt zugrunde:
6
a) Mit länger begründetem Beweisantrag vom 5. Januar 2010 macht die Verteidigung im Kern zweierlei geltend:
7
(1) Ein zunächst in anderer Sache in den Räumen der Firma P. ermittelnder Steuerfahnder aus München habe entgegen seiner Zeugenaussage vor der Strafkammer nicht erst im April 2005, sondern bereits am 19. September 2003 (also bevor die in Rede stehenden Vorsteueranmeldungen beim Finanzamt eingegangen waren) Kenntnis von „der steuerstrafrechtlichen Verdachtslage“ erlangt. Dies ergebe sich aus einem Vermerk über ein Telefonat dieses Steuerfahnders mit einem Steuerfahnder aus Hamburg, dessen Einvernahme nunmehr beantragt wird, sowie aus weiteren Schreiben und Vermerken, deren Verfasser ebenfalls als Zeugen gehört werden sollen. Es werde sich erweisen , dass die zuständigen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden so frühzeitig Kenntnis „von dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt“ hatten, dass sie hätten verhindern können, dass größerer Schaden entsteht.
8
(2) Der Steuerfahnder aus München habe keine Maßnahmen ergriffen, Mitarbeiter der Firma P. zu informieren, sondern habe diese im Gegenteil, obgleich er ihnen gegenüber aufgetreten sei, „im guten Glauben … gelassen und darin bestärkt“. Hierzu solle eine Mitarbeiterin der Firma P. vernommen werden, die der Steuerfahnder trotz seines Wissens im Frühjahr 2004 um Auskunft „in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Sachverhalte“ gebeten habe, ohne den Hintergrund der Anfrage darzulegen.
9
b) Hinsichtlich der ersten Beweisbehauptung - Wissen des Steuerfahnders - lehnte die Strafkammer den Beweisantrag durch Beschluss vom 11. Januar 2010 mit der Begründung ab, die Kenntnis des Steuerfahnders - selbst wenn er nicht lediglich einen Anfangsverdacht gehabt hätte - sei für das Verfahren ohne Bedeutung. Der Fahnder hätte einWissen nicht offenbaren dürfen, um einen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Es könne sein, dass Verfahrensverzögerungen entstanden seien, dies spiele aber für die Frage, ob eine betrügerische Umsatzsteuerkette vorliege und inwieweit der Angeklagte hierin involviert war, keine Rolle. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sich der von der Verteidigung gezogene Schluss auf die behauptete Kenntnis des Steuerfahnders weder aus dem ein Telefonat dokumentierenden noch aus dem weiteren Vermerk nachvollziehen lasse, dieser vielmehr „abwegig“ sei.
10
Zu den weiteren Beweisbehauptungen - „Schweigen“ des Steuerfahnders - hörte die Strafkammer den zuvor bereits vernommenen Steuerfahnder aus München erneut und lehnte sodann den Beweisantrag durch Beschluss vom 26. Januar 2010 mit der Begründung ab, der Steuerfahnder sei „zu der Tatsachenbehauptung“ gehört worden, „so dass der Beweis erhoben“ sei. In den Gründen wird ausgeführt, der Beweisantrag sei insoweit schon „unzulässig, als er keine konkrete, auf die Tat- und Schuldfrage bezogene Beweisbehauptung“ enthalte.
11
2. Die Ablehnungsbeschlüsse sind nicht frei von Rechtsfehlern.
12
a) Der Ablehnungsbeschluss vom 11. Januar 2010 verletzt § 244 Abs. 3 StPO, weil er eine Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung nicht belegt.
13
Eine Beweisbehauptung ist nur dann bedeutungslos, wenn sie weder den Schuld- noch den Rechtsfolgenausspruch zu beeinflussen vermag. Das Gericht muss daher - will es eine Beweisbehauptung (in deren vollen Tragweite, vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1982 - 1 StR 698/82, StV 1983, 90, 91) wegen Bedeutungslosigkeit ablehnen - beides in den Blick nehmen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist im Ablehnungsbeschluss nachvollziehbar darzulegen, soweit es nicht für alle Beteiligten auf der Hand liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98, NStZ 2000, 46; BGH, Urteil vom 5. Januar 1982 - 5 StR 567/81, NStZ 1982, 170, 171; BGH, Beschluss vom 12. Juli 1979 - 3 StR 229/79).
14
(1) Es ist bereits nicht erkennbar, ob die angenommene Bedeutungslosigkeit auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht. Entsprechende Darlegungen sind jedoch regelmäßig geboten (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; BGH, Beschluss vom 12. August 1986 - 5 StR 204/86, StV 1987, 45 f.; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 43a).
15
(2) Die von der Strafkammer zur Begründung der Bedeutungslosigkeit weiter herangezogene Annahme, der benannte Steuerfahnder hätte sein Wissen nicht offenbaren dürfen, um einen Ermittlungserfolg (offenbar im Gesamt- komplex) nicht zu gefährden, vermag zu belegen, dass die abgeurteilte Tat nicht verhindert worden wäre. Welche Schlüsse die Strafkammer hieraus auf die Bedeutung der explizit unter Beweis gestellten Behauptung, die Tat hätte verhindert werden können, gezogen hat, legt sie nicht dar. Solcher Darlegungen hätte es hier aber - wie regelmäßig (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2007 - 3 StR 114/07, StraFo 2007, 331) - bedurft. Denn aus dem Umstand, dass eine Tat nicht verhindert worden wäre, drängt sich der Schluss, dass eine bestehende , aber nicht wahrgenommene Möglichkeit zur Tatverhinderung im konkreten Fall für den Schuld- oder den Strafausspruch bedeutungslos sein kann, nicht ohne weiteres auf.
16
Die weiteren Erwägungen der Kammer, etwaige Verfahrensverzögerungen seien für die Frage nach dem Vorliegen einer betrügerischen Umsatzsteuerkette oder der Beteiligung des Angeklagten hieran bedeutungslos, lassen die Frage nach der Bedeutung von Verzögerungen für den Strafausspruch unerörtert.
17
(3) Die Ausführungen der Strafkammer, es sei „abwegig“, aus dem das Stattfinden eines verfahrensbezogenen Telefonats dokumentierenden Vermerk auf einen bestimmten Gesprächsinhalt zu schließen, geben zur Frage der Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung keine Auskunft. Sie könnten überdies besorgen lassen, die Strafkammer habe die Beweisbehauptung in Zweifel gezogen. Bei der Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ist jedoch die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie voll erwiesen, der Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 212; BGH, Beschluss vom 6. März 2008 - 3 StR 9/08, StV 2008, 288). Die Ausführungen der Strafkammer geben dem Senat ferner Anlass zu der Anmerkung, dass einem Beweisantrag zwar abverlangt werden kann, dass darin ein verbindender Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung dargelegt ist (vgl. Fischer in KK, StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 82 mwN), dies jedoch nicht die Darlegung erfordert, ein benannter Zeuge werde die Beweisbehauptung mit Sicherheit bekunden. Erforderlich - aber auch ausreichend - ist die Darlegung der Umstände, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Ist der Zeuge Teilnehmer eines Telefonats, dessen Verlauf, dessen Inhalt oder - wie hier - dessen Ergebnis unter Beweis gestellt werden soll, handelt es sich um einen unmittelbaren Zeugen, zu dem es regelmäßig nicht der Darlegung noch weiter ins Detail gehender Umstände bedarf, damit das Gericht den Antrag anhand der gesetzlichen Ablehnungsgründe sinnvoll prüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f.).
18
b) Soweit der Antrag die weiteren Beweisbehauptungen - betreffend das „Schweigen“ des Steuerfahnders - betrifft, lässt sich dem entgegen der Auffassung der Strafkammer im Beschluss vom 26. Januar 2010 eine hinreichend konkrete Beweisbehauptung entnehmen (1). Über diese wurde entgegen dem Ablehnungsbeschluss nicht Beweis erhoben (2).
19
(1) Soweit die Strafkammer im Beschluss vom 26. Januar 2010 ausführt, der Antrag sei „unzulässig“, will sie damit offenbar zum Ausdruck bringen, es handle sich um einen Beweisermittlungsantrag. Auch ein solcher wäre indes nicht schon im Ansatz unzulässig oder unstatthaft, sondern statt nach § 244 Abs. 3 bis Abs. 5 StPO nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO zu bescheiden (zu unzulässigen Beweisanträgen vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 198; Fischer in KK-StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 107 f.).
20
Zwar vermengt der Antrag hinsichtlich des behaupteten Tätig- oder Nichttätigwerdens des Steuerfahnders Beweisziel und Beweistatsachen, bei der gebotenen interessengerechten Auslegung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 39; Fischer in KK-StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 77 f.) lässt sich ihm aber die Behauptung entnehmen, der benannte Steuerfahnder habe bei einer zu vernehmenden Zeugin bereits im Frühjahr 2004 Unterlagen betreffend den nunmehr abgeurteilten Sachverhalt erbeten, und hierbei nicht über eine Verdachtslage gesprochen. Dies ist eine hinreichend konkrete Beweisbehauptung.
21
Fehlte es - wie die Strafkammer ausführt - an einer hinreichend konkreten Beweisbehauptung, könnte nicht - wie die Kammer im selben Beschluss ausführt - „zu der Tatsachenbehauptung … Beweis erhoben“ sein. Die Nennung verschiedener, sich widersprechender Ablehnungsgründe könnte je nach Lage des Falles sogar besorgen lassen, dass es der Tatrichter dem Revisionsgericht überlassen wollte, sich einen passenden Ablehnungsgrund „herauszusuchen“ (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2002 - 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51). Eine in dieser Weise widersprüchliche Begründung wird aber insbesondere der Informationsfunktion des Ablehnungsbeschlusses nicht gerecht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09, StV 2010, 287, 288).
22
(2) Der beantragte Beweis wurde nicht erhoben.
23
Die zum Verhalten des Steuerfahnders gegenüber Mitarbeitern der Firma P. benannte Zeugin wurde nicht vernommen. Die Strafkammer konnte den Beweis auch nicht dadurch erheben, dass sie an deren Stelle den bereits zuvor gehörten Steuerfahnder erneut befragt. Im Rahmen des Beweisantragsrechts ist es Sache des Antragstellers, nicht nur das Beweisthema, sondern auch das zu benutzende Beweismittel selbst zu bestimmen. Zwar kommt ein Austausch der Beweismittel ausnahmsweise dann in Betracht, wenn das herangezogene Beweismittel zweifelsfrei gleichwertig ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1982 - 2 StR 139/82, NJW 1983, 126, 127). An dieser Gleichwertigkeit fehlt es jedoch regelmäßig, wenn nur der Zeuge, dessen bisherige Aussage widerlegt werden soll, erneut vernommen wird, nicht aber die anderen zur Widerlegung benannten Zeugen. Dieser Mangel wäre im Ergebnis nur dann unschädlich , wenn der Zeuge seine bisherigen Aussagen im Sinne der Beweisbehauptung korrigiert und die Beweisbehauptung deshalb als erwiesen behandelt wird. Dass dies hier der Fall wäre, die Strafkammer also angenommen hat, der Steuerfahnder habe trotz seines Wissens geschwiegen, ist nicht ersichtlich.
24
3. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht.
25
Das Landgericht durfte hier nämlich aus Rechtsgründen weder das behauptete „Wissen“ des ermittelnden Steuerfahnders, noch dessen „Schweigen“ für den Schuld- oder den Strafausspruch berücksichtigen. Es ist überdies auszuschließen , dass sich der Angeklagte bei rechtsfehlerfreier Ablehnung des Beweisantrags anders als geschehen gegen den Tatvorwurf hätte verteidigen können. Insofern wurde der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Verbescheidung des Antrags nicht in seiner Prozessführung beeinträchtigt oder benachteiligt.
26
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Tatbestand der Steuerhinterziehung in der hier einschlägigen Variante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen) keine gelungene Täuschung des zuständigen Finanzbeamten voraus. Dies folgt bereits aus dem vom Betrugstatbestand des § 263 StGB abweichenden Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es genügt daher, dass die unrichtigen oder un- http://www.juris.de/jportal/portal/t/1c6v/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006130976BJNE046407301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 11 - vollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2007 - 5 StR 127/07, NStZ 2007, 596, 597; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 178/99, wistra 2000, 63, 64; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1990 - 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266, 285; so auch BFH, BStBl II 2006, 356, 357). Deshalb kommt es auch auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden von der Unrichtigkeit der gemachten Angaben nicht an. Dementsprechend würde der hier unter Beweis gestellte Verdacht des Münchner Steuerfahnders die Erfüllung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung auch dann nicht ausschließen, wenn der Beweis gelungen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 178/99, wistra 2000, 63, 64).
27
Darüber hinaus greift § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO selbst dann ein, wenn der zuständige Veranlagungsbeamte von allen für die Veranlagung bedeutsamen Tatsachen Kenntnis hat und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90 AO) bekannt und verfügbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 178/99, wistra 2000, 63, 64, wo die aufgezeigte Fragestellung nicht entscheidungserheblich war). Im Gegensatz zu § 370 Abs.1 Nr. 2 AO ist bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO - schon nach seinem Wortlaut - nicht auf eine Kenntnis oder Unkenntnis der Finanzbehörden abzustellen (so aber Schmitz/Wulf in MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 241) oder das ungeschriebene Merkmal der "Unkenntnis" der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt in den Tatbestand hineinzulesen (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 AO Rn. 198 f.). Dies stünde im Widerspruch zu der Wertung des Gesetzgebers in den Regelbeispielen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 AO, die die Mitwirkung eines Amtsträgers unabhängig von dessen Zuständigkeit als besonders strafwürdig einstufen. Anders als in der Unterlassungsvariante setzt der Täter bei Begehung durch aktives Tun mit Abgabe der dann der Veranlagung zugrunde gelegten - aber unrichtigen - Erklärung eine Ursache, die im tatbestandsmäßigen Erfolg (i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO) stets wesentlich fortwirkt. Der Erfolg wäre auch bei Kenntnis der Finanzbehörden vom zutreffenden Besteuerungssachverhalt - anders als in der Unterlassungsvariante - weder ganz noch zum Teil ohne den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Geschehensablauf eingetreten. Insofern realisiert sich gerade auch in dem Machen der falschen Angaben (neben einem möglicherweise strafrechtlich relevanten Verhalten des die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen kennenden Veranlagungsbeamten) die durch § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtlich missbilligte Gefahr einer Steuerverkürzung (so jetzt auch Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 42. Lfg. März 2010, § 370 Rn. 581 ff.).
28
Die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung kann auch nicht durch die mit dem Beweisantrag implizit aufgestellte Behauptung einer verzögerten Verfahrenseinleitung in Frage gestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 5 StR 191/04, wistra 2005, 148, 149).
29
b) Das Verhalten der Finanzbehörden konnte vorliegend auch keinen Einfluss auf den Strafausspruch haben.
30
Zwar kann ein Verhalten des Steuerfiskus (gleich einem Mitverschulden oder einer Mitverursachung des Verletzten) strafmildernd zu berücksichtigen sein. Es kann daher Fälle geben, in denen strafschärfend berücksichtigtes Verhalten eines Angeklagten (etwa Skrupellosigkeit, Raffinesse oder Hartnäckigkeit ) ins Verhältnis zum Verhalten der zum Schutze der staatlichen Vermögensinteressen berufenen Beamten zu setzen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1983 - 1 StR 25/83, wistra 1983, 145). Dies gilt jedoch allenfalls dann, wenn das staatlichen Stellen vorwerfbare Verhalten unmittelbar auf das Handeln des Angeklagten Einfluss genommen hat (etwa weil er bislang nicht tatgeneigt war oder ihm wenigstens die Tat erleichtert wurde) und den staatlichen Entscheidungsträgern die Tatgenese vorgeworfen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - 3 StR 474/08, NStZ-RR 2009, 167). Derartiges hätte weder durch den in Rede stehenden Beweisantrag bewiesen werden können, noch ist es sonst vorgetragen oder ersichtlich.
31
Ein Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern, besteht nicht. Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 Abs. 1 EMRK (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 1 StR 506/02, NStZ-RR 2003, 172 f.; BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 1 StR 312/07, NStZ 2007, 635). Es wäre daher rechtsfehlerhaft gewesen, dies hier zugunsten des Angeklagten zu werten.
32
Das Landgericht hat nicht nur im Beschluss, mit dem der Beweisantrag abgelehnt wurde, sondern im hier maßgeblichen Urteil Verfahrensverzögerungen angesprochen und die bedeutsamen Daten des Verfahrens beginnend mit einer Selbstanzeige am 18. September 2003 genannt. Der Senat kann daher ausschließen, dass die Kammer dies bei der Strafzumessung nicht auch im Blick hatte. Dass darüber hinaus Besonderheiten des Einzelfalles eine Strafmilderung ermöglicht hätten, weil sie ein Einschreiten der Finanz- und Ermittlungsbehörden unabweisbar geboten oder dazu geführt hätten, dass deren Verhalten mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens unvereinbar gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 5 StR 191/04, wistra 2005, 148, 149), ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht ersichtlich.
33
II. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten einen Härteausgleich wegen einer einbeziehungsfähigen, aber bereits durch Be- zahlung vollstreckten Geldstrafe vorgenommen (UA S. 65). Eine ausgleichspflichtige Härte kann für den Angeklagten hier – anders als bei Vollstreckung einer Geldstrafe durch Ersatzfreiheitsstrafe – nicht entstehen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 21 f. mwN). Durch den gleichwohl vorgenommenen Härteausgleich ist der Angeklagte indes nicht beschwert.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

17
4. Mit der Teilaufhebung des Urteils hat sich die vom Angeklagten eingelegte Kostenbeschwerde erledigt (vgl. BGHSt 25, 77, 79; 26, 250, 253; BGH, Beschl. vom 10. Dezember 2002 - 4 StR 451/02). Nack Wahl Hebenstreit Elf Sander
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3. Mit der Aufhebung der Verurteilung ist die als Beschwerde gemäß § 8 Abs. 3 StrEG aufzufassende sofortige Beschwerde (Bl. 186, 190 d.A.) gegenstandslos. Über die Frage einer etwaigen Entschädigung des Angeklagten für die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft wird der neue Tatrichter zu entscheiden haben. Maatz RiBGH Prof. Dr. Kuckein ist Athing urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Maatz Ernemann Sost-Scheible