Strafrecht: Zur Bereicherungsabsicht bei der Hehlerei
AoLs
Authors
Kauft der Täter eine Sache zum marktüblichen Preis, obwohl er weiß, dass er sich diese ebenso leicht auf einwandfreie Weise hätte beschaffen können, scheidet eine Strafbarkeit wegen Hehlerei aus.
Tatbestand
Nach den Feststellungen des Landgerichtes kaufte der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Vortäter ein Handy, welches dieser zuvor durch einen Handtaschenraub an sich gebracht hatte. Der Angeklagte, der dem Unbekannten 90 € zahlte, handelte in dem Bewusstsein, dass das Handy aus einer gegen fremdes Vermögen gerichteten, rechtswidrigen Straftat stammte.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Hehlerei unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes belegen die vom Landgericht angeführten Feststellungen nicht die für eine Verurteilung nach § 259 StGB erforderlich Bereicherungsabsicht des Angeklagten. Der Täter muss im Zeitpunkt der Tatbegehung in der Absicht gehandelt haben, sich oder einen Dritten zu bereichern, d.h. einen Vermögensvorteil zu erlangen. Kauft der Täter wie vorliegend eine Sache zum Marktpreis, fehlt es an der Bereicherungsabsicht. Dies gilt selbst dann, wenn der Täter weiß, dass er sich eine solche Sache ebenso leicht auf einwandfreie Weise hätte beschaffen können. Die Verurteilung wegen Hehlerei hat daher keinen Bestand.
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Gesamtstrafenaussprüchen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in drei Fällen und versuchter räuberischer Erpressung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten und wegen Hehlerei unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hehlerei im Fall II. 5 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Hierzu hat das Landgericht das Folgende festgestellt:
Am Abend des 15. Oktober 2009 kaufte der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Vortäter ein Handy, welches dieser am selben Abend zuvor durch einen Handtaschenraub an sich gebracht hatte. Der Angeklagte, der dem Unbekannten nach seiner nicht widerlegten Einlassung 90 € zahlte, handelte in dem Bewusstsein, dass das Handy aus einer gegen fremdes Vermögen gerichteten, rechtswidrigen Straftat stammte.
Die Nämlichkeit der Tat die Anklage ging von einem vom Angeklagten selbst begangenen Straßenraub aus ist hier gewahrt (§ 264 StPO). Dies folgt aus der Identität des Tatobjekts sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe der Raub sowie der Hehlereihandlung. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklage von einer Tatbegehung am 19. Oktober 2009 ausging, steht dem nicht entgegen.
Die Feststellungen des Landgerichts belegen jedoch nicht die für eine Verurteilung nach § 259 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht des Angeklagten. Eine Strafbarkeit wegen Hehlerei setzt voraus, dass der Täter im Zeitpunkt der Tatbegehung hier der Ankauf des Handys in der Absicht gehandelt hat, sich oder einen Dritten zu bereichern, d.h. einen Vermögensvorteil zu erlangen oder dem Dritten zu verschaffen. Hierfür genügt grundsätzlich der Ankauf zum vom Täter als solchem erkannten Marktpreis nicht; auch wenn sich der Täter, wie er weiß, eine vergleichbare Sache ebenso günstig und ebenso leicht auf einwandfreie Weise hätte verschaffen können, fehlt es an der Bereicherungsabsicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte hier das Handy in der Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hat, ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht; er hat es vielmehr selbst benutzt.
Die Verurteilung wegen Hehlerei hat daher keinen Bestand. Da die insoweit vom Landgericht getroffenen Feststellungen von der aufgezeigten Gesetzesverletzung betroffen werden, hebt der Senat diese über den Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehend gemäß § 353 Abs. 2 StPO ebenfalls auf.
Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 5 der Urteilsgründe entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten die Grundlage.
Unabhängig davon begegnen beide Gesamtstrafenaussprüche durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. November 2011 Folgendes ausgeführt:
"Das Landgericht hat dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 28.07.2009 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen. Eine solche Wirkung entfaltet nur eine unerledigte Vorverurteilung. Nach den Feststellungen war die Strafe von 40 Tagessätzen aus diesem Strafbefehl zum Zeitpunkt des Urteilserlasses aber bereits im Wege der Vollstreckung als Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt (UA S. 8). Demnach wären die Strafen aus den Urteilen (richtig: Demnach wäre die Strafe aus dem Urteil) des Amtsgerichts Senftenberg vom 08.06.2010 und die Einzelstrafen für die hiesigen Taten gesamtstrafenfähig.
Weiterhin wäre zu prüfen gewesen, ob was nahe liegt, wenngleich sich das Urteil nicht zu den für eine Gesamtstrafenbildung maßgeblichen Daten verhält auch die Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Wetter vom 11.06.2010 (UA S. 8 f.) in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB einzubeziehen waren.
Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die unrichtige Gesamtstrafenbildung beschwert ist. Der neue Tatrichter wird unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) und unter Darlegung der für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung maßgeblichen Daten (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 11.01.2011 4 StR 450/10) über die Gesamtstrafenbildung insgesamt neu zu befinden haben."
Dem tritt der Senat bei.
moreResultsText
Rechtsanwalt
moreResultsText
Annotations
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Gesamtstrafenaussprüchen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in drei Fällen und versuchter räuberischer Erpressung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten und wegen Hehlerei unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Be- schlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hehlerei im Fall II. 5 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 3
- a) Hierzu hat das Landgericht das Folgende festgestellt:
- 4
- Am Abend des 15. Oktober 2009 kaufte der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Vortäter ein Handy, welches dieser am selben Abend zuvor durch einen Handtaschenraub an sich gebracht hatte. Der Angeklagte, der dem Unbekannten nach seiner nicht widerlegten Einlassung 90 € zahlte, handelte in dem Bewusstsein, dass das Handy aus einer gegen fremdes Vermögen gerichteten , rechtswidrigen Straftat stammte.
- 5
- b) Die Nämlichkeit der Tat - die Anklage ging von einem vom Angeklagten selbst begangenen Straßenraub aus - ist hier gewahrt (§ 264 StPO). Dies folgt aus der Identität des Tatobjekts sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe der Raub- sowie der Hehlereihandlung (vgl. zur prozessualen Tatidentität zwischen Raub und Hehlerei BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 - 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523). Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklage von einer Tatbegehung am 19. Oktober 2009 ausging, steht dem nicht entgegen.
- 6
- c) Die Feststellungen des Landgerichts belegen jedoch nicht die für eine Verurteilung nach § 259 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht des Angeklagten. Eine Strafbarkeit wegen Hehlerei setzt voraus, dass der Täter im Zeitpunkt der Tatbegehung - hier der Ankauf des Handys - in der Absicht gehandelt hat, sich oder einen Dritten zu bereichern, d.h. einen Vermögensvorteil zu erlangen oder dem Dritten zu verschaffen (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 259 Rn. 26). Hierfür genügt grundsätzlich der Ankauf zum - vom Täter als solchem erkannten - Marktpreis nicht; auch wenn sich der Täter, wie er weiß, eine vergleichbare Sache ebenso günstig und ebenso leicht auf einwandfreie Weise hätte verschaffen können, fehlt es an der Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 9. September 1966 - 4 StR 237/66, bei Dallinger MDR 1967, 369, und vom 6. März 1968 - 3 StR 38/68, GA 1969, 62, 63). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte hier das Handy in der Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hat (vgl. dazu BGH, Urteile vom 5. November 1980 - 2 StR 488/80, bei Holtz MDR 1981, 267, und vom 31. Januar 1978 - 5 StR 533/77, GA 1978, 372 (Ls.); Fischer, aaO), ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht; er hat es vielmehr selbst benutzt.
- 7
- Die Verurteilung wegen Hehlerei hat daher keinen Bestand. Da die insoweit vom Landgericht getroffenen Feststellungen von der aufgezeigten Gesetzesverletzung betroffen werden, hebt der Senat diese - über den Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehend - gemäß § 353 Abs. 2 StPO ebenfalls auf.
- 8
- 2. Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 5 der Urteilsgründe entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten die Grundlage.
- 9
- Unabhängig davon begegnen beide Gesamtstrafenaussprüche durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. November 2011 Folgendes ausgeführt: "Das Landgericht hat dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 28.07.2009 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen. Eine solche Wirkung entfaltet nur eine unerledigte Vorverurteilung (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 9, 10, m.w.N.). Nach den Feststellungen war die Strafe von 40 Tagessätzen aus diesem Strafbefehl zum Zeitpunkt des Urteilserlasses aber bereits im Wege der Vollstreckung als Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt (UA S. 8). Demnach wären die Strafen aus den Urteilen (richtig: Demnach wäre die Strafe aus dem Urteil) des Amtsge- richts Senftenberg vom 08.06.2010 und die Einzelstrafen für die hiesigen Taten gesamtstrafenfähig. Weiterhin wäre zu prüfen gewesen, ob - was nahe liegt, wenngleich sich das Urteil nicht zu den für eine Gesamtstrafenbildung maßgeblichen Daten verhält - auch die Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Wetter vom 11.06.2010 (UA S. 8 f.) in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB einzubeziehen waren. Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die unrichtige Gesamtstrafenbildung beschwert ist. Der neue Tatrichter wird unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) und unter Darlegung der für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung maßgeblichen Daten (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 11.01.2011 - 4 StR 450/10) über die Gesamtstrafenbildung insgesamt neu zu befinden haben."
- 10
- Dem tritt der Senat bei.
Mutzbauer Bender
(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts EssenSteele vom 07.04.2005 (Az.: 18 Ds- 64 Js 2180/04 - 33/05) und des Amtsgerichts Essen vom 10.04.2006 (Az.: 42 Ls- 20 Js 275/05 - 606/05) und Auflösung der im Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 04.10.2006 (Az.: 42 Ls- 20 Js 275/05 - 606/05) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr und wegen Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren verurteilt". Hiergegen richtet sich die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt ledig- lich zum Strafausspruch einen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Einzelstrafausspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- a) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht angenommen, der Angeklagte habe dadurch den Tatbestand des § 224 Abs.1 Nr. 2 StGB erfüllt, dass er der Nebenklägerin "plötzlich und gezielt eine Kopfnuss gegen die Stirn versetzte", wodurch sich dort „sofort eine schmerzhafte Schwellung“ bildete. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Körperteile des Täters an sich kein gefährliches Werkzeug im Sinne der Vorschrift (vgl. die Nachweise bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 224 Rn. 8a). Der Angeklagte hat sich im Fall II. 3 der Urteilsgründe daher lediglich wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht; das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gemäß § 230 Abs. 1 StGB hat die Staatsanwaltschaft dadurch konkludent bejaht, dass sie in diesem Fall Anklage wegen (einfacher) Körperverletzung erhoben hat.
- 4
- b) Einer Änderung des Schuldspruchs, so wie er in den Tenor des angefochtenen Urteils aufgenommen ist, bedarf es nicht; denn der Angeklagte hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. Dezember 2010 zutreffend ausgeführt hat, in dem vom Landgericht lediglich als (einfache) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewerteten Fall II. 2 der Urteilsgründe in Wahrheit den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Aufzuheben ist jedoch die im Fall II. 3 des Urteils verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten, da diese zu Unrecht dem Regelstrafrahmen der Qualifikation entnommen wurde.
- 5
- 2. Dies entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren die Grundlage.
- 6
- 3. Die unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Essen-Steele vom 7. April 2005 und des Amtsgerichts Essen vom 10. April 2006 gebildete nachträgliche (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr bedarf ebenfalls der Aufhebung. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB im angefochtenen Urteil leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel. In den Urteilsgründen sind, wenn eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt, die hierfür maßgeblichen Umstände darzulegen , insbesondere also die Daten von Vorverurteilungen oder Gesamtstrafenbeschlüssen , deren Rechtskraft, Tatzeiten der abgeurteilten Fälle, Erledigungsstand der in Betracht kommenden Strafen sowie Höhe und wesentliche Zumessungsgründe von Einzelstrafen (BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 1988 – 3 StR 236/88 und vom 11. Januar 2000 - 5 StR 651/99, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 7; Fischer, aaO, § 55 Rn. 34). Daran lässt es das Landgericht fast völlig fehlen. Der Senat kann schon nicht beurteilen, ob die mit Beschluss vom 4. Oktober 2006 gemäß § 460 StPO nachträglich festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe (in nicht mitgeteilter Höhe) rechtsfehlerfrei gebildet worden ist (vgl. zur Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage BGH, Beschlüsse vom 24. März 1988 – 1 StR 83/88, BGHSt 35, 243, vom 5. Dezember 1990 – 3 StR 407/90, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 4 und vom 11. Januar 2000 - 5 StR 651/99, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 7). Erst recht lässt sich der Darstellung der Vorverurteilungen des Angeklagten im angefochtenen Urteil nicht entnehmen, ob die einbezogenen Strafen bereits erledigt sind.
- 7
- 4. Für die nunmehr zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 8
- a) Für die Frage der Erledigung an sich gesamtstrafenfähiger Vorstrafen ist der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des angefochtenen, also des ersten landgerichtlichen Urteils maßgeblich (BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 4 und vom 8. Oktober 2010 – 3 StR 368/10 m.w.N.).
- 9
- b) Sofern die erste Vorverurteilung vom 14. Juli 2004 erledigt oder nicht gesamtstrafenfähig ist und die nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 4. Oktober 2006 materiellrechtlich zutrifft, ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher ausgeführt hat, gemäß § 55 Abs. 1 StGB eine nachträgliche (erste) Gesamtstrafe aus der Einzelstrafe im Fall II. 1 der Urteilsgründe und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung des Angeklagten vom 24. April 2007 zu bilden.
- 10
- c) Für die erneute Bildung der Gesamtstrafen gilt das Verschlechterungsverbot in § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO. In dem oben unter Buchstabe b) bezeichneten Fall darf etwa die Summe aus der nunmehr zu bildenden nachträglichen Gesamtstrafe und der Gesamtstrafe aus dem Beschluss vom 4. Oktober 2006 die Grenze von einem Jahr und sechs Monaten nicht überschreiten (vgl. im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 1989 - 3 StR 310/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Geldstrafe 3, vom 5. Juli 1990 - 1 StR 273/90 und vom 7. Dezember 1990 - 2 StR 513/90, NStZ 1991, 182; SSW/Eschelbach, StGB, § 55 Rn. 32; Fischer, aaO, § 55 Rn. 19). Wird diese (erste) Gesamtfreiheitsstrafe erneut - nach Maßgabe des § 56 StGB - nicht zur Bewährung ausgesetzt, so hat der neue Tatrichter gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB über die Anrechnung etwa vom Angeklagten erbrachter Bewährungsleistungen zu entscheiden.
Franke Mutzbauer