Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 450/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Januar 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 22. Februar 2010 im Ausspruch über die im Fall II. 3 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe und die Gesamtstrafen mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts EssenSteele vom 07.04.2005 (Az.: 18 Ds- 64 Js 2180/04 - 33/05) und des Amtsgerichts Essen vom 10.04.2006 (Az.: 42 Ls- 20 Js 275/05 - 606/05) und Auflösung der im Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 04.10.2006 (Az.: 42 Ls- 20 Js 275/05 - 606/05) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr und wegen Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren verurteilt". Hiergegen richtet sich die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt ledig- lich zum Strafausspruch einen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Einzelstrafausspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht angenommen, der Angeklagte habe dadurch den Tatbestand des § 224 Abs.1 Nr. 2 StGB erfüllt, dass er der Nebenklägerin "plötzlich und gezielt eine Kopfnuss gegen die Stirn versetzte", wodurch sich dort „sofort eine schmerzhafte Schwellung“ bildete. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Körperteile des Täters an sich kein gefährliches Werkzeug im Sinne der Vorschrift (vgl. die Nachweise bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 224 Rn. 8a). Der Angeklagte hat sich im Fall II. 3 der Urteilsgründe daher lediglich wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht; das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gemäß § 230 Abs. 1 StGB hat die Staatsanwaltschaft dadurch konkludent bejaht, dass sie in diesem Fall Anklage wegen (einfacher) Körperverletzung erhoben hat.
4
b) Einer Änderung des Schuldspruchs, so wie er in den Tenor des angefochtenen Urteils aufgenommen ist, bedarf es nicht; denn der Angeklagte hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. Dezember 2010 zutreffend ausgeführt hat, in dem vom Landgericht lediglich als (einfache) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewerteten Fall II. 2 der Urteilsgründe in Wahrheit den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Aufzuheben ist jedoch die im Fall II. 3 des Urteils verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten, da diese zu Unrecht dem Regelstrafrahmen der Qualifikation entnommen wurde.
5
2. Dies entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren die Grundlage.
6
3. Die unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Essen-Steele vom 7. April 2005 und des Amtsgerichts Essen vom 10. April 2006 gebildete nachträgliche (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr bedarf ebenfalls der Aufhebung. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB im angefochtenen Urteil leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel. In den Urteilsgründen sind, wenn eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt, die hierfür maßgeblichen Umstände darzulegen , insbesondere also die Daten von Vorverurteilungen oder Gesamtstrafenbeschlüssen , deren Rechtskraft, Tatzeiten der abgeurteilten Fälle, Erledigungsstand der in Betracht kommenden Strafen sowie Höhe und wesentliche Zumessungsgründe von Einzelstrafen (BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 1988 – 3 StR 236/88 und vom 11. Januar 2000 - 5 StR 651/99, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 7; Fischer, aaO, § 55 Rn. 34). Daran lässt es das Landgericht fast völlig fehlen. Der Senat kann schon nicht beurteilen, ob die mit Beschluss vom 4. Oktober 2006 gemäß § 460 StPO nachträglich festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe (in nicht mitgeteilter Höhe) rechtsfehlerfrei gebildet worden ist (vgl. zur Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage BGH, Beschlüsse vom 24. März 1988 – 1 StR 83/88, BGHSt 35, 243, vom 5. Dezember 1990 – 3 StR 407/90, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 4 und vom 11. Januar 2000 - 5 StR 651/99, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 7). Erst recht lässt sich der Darstellung der Vorverurteilungen des Angeklagten im angefochtenen Urteil nicht entnehmen, ob die einbezogenen Strafen bereits erledigt sind.
7
4. Für die nunmehr zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
8
a) Für die Frage der Erledigung an sich gesamtstrafenfähiger Vorstrafen ist der Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des angefochtenen, also des ersten landgerichtlichen Urteils maßgeblich (BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 4 und vom 8. Oktober 2010 – 3 StR 368/10 m.w.N.).
9
b) Sofern die erste Vorverurteilung vom 14. Juli 2004 erledigt oder nicht gesamtstrafenfähig ist und die nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 4. Oktober 2006 materiellrechtlich zutrifft, ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher ausgeführt hat, gemäß § 55 Abs. 1 StGB eine nachträgliche (erste) Gesamtstrafe aus der Einzelstrafe im Fall II. 1 der Urteilsgründe und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung des Angeklagten vom 24. April 2007 zu bilden.
10
c) Für die erneute Bildung der Gesamtstrafen gilt das Verschlechterungsverbot in § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO. In dem oben unter Buchstabe b) bezeichneten Fall darf etwa die Summe aus der nunmehr zu bildenden nachträglichen Gesamtstrafe und der Gesamtstrafe aus dem Beschluss vom 4. Oktober 2006 die Grenze von einem Jahr und sechs Monaten nicht überschreiten (vgl. im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 1989 - 3 StR 310/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Geldstrafe 3, vom 5. Juli 1990 - 1 StR 273/90 und vom 7. Dezember 1990 - 2 StR 513/90, NStZ 1991, 182; SSW/Eschelbach, StGB, § 55 Rn. 32; Fischer, aaO, § 55 Rn. 19). Wird diese (erste) Gesamtfreiheitsstrafe erneut - nach Maßgabe des § 56 StGB - nicht zur Bewährung ausgesetzt, so hat der neue Tatrichter gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB über die Anrechnung etwa vom Angeklagten erbrachter Bewährungsleistungen zu entscheiden.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 651/99

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten Z wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. Juli 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im Gesamtstrafausspruch gegen diesen Angeklagten aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls in vier Fällen und versuchten Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung anderweits rechtskräftig verhängter Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision ist zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs.
Allerdings sind die Ausgangsüberlegungen des Tatrichters bei Anwendung des § 55 Abs. 1 StGB zunächst weitgehend nicht zu beanstanden. So hat er rechtsfehlerfrei die verhängten Einzelstrafen mit den rechtskräftigen Einzelstrafen aus dem nach Begehung der Taten ergangenen Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 18. Juni 1997 (Zäsur im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB) und aus vier späteren rechtskräftigen Vorverurteilungen, die ebenfalls Taten vor der genannten Zäsur betrafen, auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt. Da alle jene Taten erst in den Jahren 1996 und 1997 begangen worden waren, hat der Tatrichter mit Recht die Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 23. Februar 1995 und vom 12. August 1997 nicht in die Gesamtstrafe einbezogen, weil die mit jenen Urteilen abgeurteilten Taten bereits vor Februar 1995, der durch das erstgenannte dieser Urteile begründeten weiteren früheren (ersten) Zäsur, begangen worden waren (BGHSt 44, 179, 180 f. m.w.N.). Zutreffend hat sich der Tatrichter zu dieser Einbeziehung auch durch die Rechtskraft der letzten Vorverurteilung durch das Landgericht Neubrandenburg vom 11. Dezember 1998 nicht veranlaßt gesehen, obgleich in dessen Gesamtfreiheitsstrafe (sechs Jahre und sechs Monate) neben den auch hier einbezogenen weiteren Einzelstrafen aus vier früheren Vorverurteilungen rechtsfehlerhaft auch die Einzelstrafen aus den die erste Zäsur betreffenden Vorverurteilungen einbezogen worden waren. Die Rechtskraft einer fehlerhaften Gesamtstrafbildung steht bei weiterer nachträglicher Gesamtstrafbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB der nunmehr gebotenen Korrektur nicht entgegen (BGHSt 35, 243; BGHR StGB § 55 Abs. 1 - Einbeziehung 3 sowie § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 4; Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 55 Rdn. 17 m.w.N.).
Diese zulässige und notwendige Korrektur berechtigte den Tatrichter aber nicht, die vom Landgericht Neubrandenburg rechtskräftig aufgehobene Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 12. August 1997 (zwei Jahre und vier Monate), welche die weiteren fälschlich einbezogenen Einzelstrafen für die Taten vor der ersten Zäsur betroffen hatte , „wieder aufleben” zu lassen. Diese Gesamtstrafe hatte ihre Wirkung durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Neubrandenburg endgültig eingebüßt. Der Tatrichter hätte insoweit selbst eine neue weitere Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen; er wäre freilich nicht gehindert gewesen, sie wieder in gleicher Höhe festzusetzen (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 2 a.E., insoweit in BGHSt 35, 243 nicht abgedruckt).
Schon weil der Tatrichter insoweit keine eigenen Strafzumessungserwägungen angestellt und weder die vor der ersten Zäsur begangenen Taten hinreichend konkret bezeichnet noch die hierfür verhängten Einzelstrafen mitgeteilt hat (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 1), sieht sich der Senat nicht in der Lage, etwa von sich aus auf eine solche weitere (erste) Gesamtfreiheitsstrafe durchzuentscheiden. Vielmehr hebt er auch die hier verhängte (zweite) Gesamtfreiheitsstrafe auf, die für den Beschwerdeführer zusammen mit der alten, fälschlich als „wiederaufgelebt” angesehenen (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe zu einer beträchtlichen Erhöhung der bisherigen Gesamtstrafenlast - um insgesamt drei Jahre und vier Monate - geführt hat. Dem neuen Tatrichter ist so Gelegenheit zu umfassender neuer Gesamtstrafabwägung gegeben. Hierbei werden der enge zeitliche Zusammenhang zwischen sämtlichen Taten, welche die Einzelstrafen der zweiten Gesamtstrafbildung betreffen, der beträchtliche zeitliche Abstand zwischen Tatbegehungen und endgültiger Sanktionierung, das verhältnismäßig niedrige Alter des Beschwerdeführers und die Höhe der Einsatzstrafe für die zweite Gesamtstrafe - drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe aus der letzten Vorverurteilung - besonders zu beachten sein.
Die notwendigen Feststellungen zu Tatzeiten, Aburteilungsgegenständen und Einzelstrafhöhe für die nachzuholende, neu vorzunehmende erste Gesamtstrafbildung wird der neue Tatrichter zu treffen haben. Der Aufhebung bisheriger Feststellungen bedarf es hingegen nicht. Nach dem Ver- schlechterungsverbot gelten für den neuen Tatrichter für die erste Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate, für die zweite sieben Jahre und sechs Monate als Obergrenzen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 651/99

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BESCHLUSS
vom 11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten Z wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. Juli 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im Gesamtstrafausspruch gegen diesen Angeklagten aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls in vier Fällen und versuchten Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung anderweits rechtskräftig verhängter Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision ist zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs.
Allerdings sind die Ausgangsüberlegungen des Tatrichters bei Anwendung des § 55 Abs. 1 StGB zunächst weitgehend nicht zu beanstanden. So hat er rechtsfehlerfrei die verhängten Einzelstrafen mit den rechtskräftigen Einzelstrafen aus dem nach Begehung der Taten ergangenen Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 18. Juni 1997 (Zäsur im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB) und aus vier späteren rechtskräftigen Vorverurteilungen, die ebenfalls Taten vor der genannten Zäsur betrafen, auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt. Da alle jene Taten erst in den Jahren 1996 und 1997 begangen worden waren, hat der Tatrichter mit Recht die Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 23. Februar 1995 und vom 12. August 1997 nicht in die Gesamtstrafe einbezogen, weil die mit jenen Urteilen abgeurteilten Taten bereits vor Februar 1995, der durch das erstgenannte dieser Urteile begründeten weiteren früheren (ersten) Zäsur, begangen worden waren (BGHSt 44, 179, 180 f. m.w.N.). Zutreffend hat sich der Tatrichter zu dieser Einbeziehung auch durch die Rechtskraft der letzten Vorverurteilung durch das Landgericht Neubrandenburg vom 11. Dezember 1998 nicht veranlaßt gesehen, obgleich in dessen Gesamtfreiheitsstrafe (sechs Jahre und sechs Monate) neben den auch hier einbezogenen weiteren Einzelstrafen aus vier früheren Vorverurteilungen rechtsfehlerhaft auch die Einzelstrafen aus den die erste Zäsur betreffenden Vorverurteilungen einbezogen worden waren. Die Rechtskraft einer fehlerhaften Gesamtstrafbildung steht bei weiterer nachträglicher Gesamtstrafbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB der nunmehr gebotenen Korrektur nicht entgegen (BGHSt 35, 243; BGHR StGB § 55 Abs. 1 - Einbeziehung 3 sowie § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 4; Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 55 Rdn. 17 m.w.N.).
Diese zulässige und notwendige Korrektur berechtigte den Tatrichter aber nicht, die vom Landgericht Neubrandenburg rechtskräftig aufgehobene Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 12. August 1997 (zwei Jahre und vier Monate), welche die weiteren fälschlich einbezogenen Einzelstrafen für die Taten vor der ersten Zäsur betroffen hatte , „wieder aufleben” zu lassen. Diese Gesamtstrafe hatte ihre Wirkung durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Neubrandenburg endgültig eingebüßt. Der Tatrichter hätte insoweit selbst eine neue weitere Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen; er wäre freilich nicht gehindert gewesen, sie wieder in gleicher Höhe festzusetzen (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 2 a.E., insoweit in BGHSt 35, 243 nicht abgedruckt).
Schon weil der Tatrichter insoweit keine eigenen Strafzumessungserwägungen angestellt und weder die vor der ersten Zäsur begangenen Taten hinreichend konkret bezeichnet noch die hierfür verhängten Einzelstrafen mitgeteilt hat (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 1), sieht sich der Senat nicht in der Lage, etwa von sich aus auf eine solche weitere (erste) Gesamtfreiheitsstrafe durchzuentscheiden. Vielmehr hebt er auch die hier verhängte (zweite) Gesamtfreiheitsstrafe auf, die für den Beschwerdeführer zusammen mit der alten, fälschlich als „wiederaufgelebt” angesehenen (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe zu einer beträchtlichen Erhöhung der bisherigen Gesamtstrafenlast - um insgesamt drei Jahre und vier Monate - geführt hat. Dem neuen Tatrichter ist so Gelegenheit zu umfassender neuer Gesamtstrafabwägung gegeben. Hierbei werden der enge zeitliche Zusammenhang zwischen sämtlichen Taten, welche die Einzelstrafen der zweiten Gesamtstrafbildung betreffen, der beträchtliche zeitliche Abstand zwischen Tatbegehungen und endgültiger Sanktionierung, das verhältnismäßig niedrige Alter des Beschwerdeführers und die Höhe der Einsatzstrafe für die zweite Gesamtstrafe - drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe aus der letzten Vorverurteilung - besonders zu beachten sein.
Die notwendigen Feststellungen zu Tatzeiten, Aburteilungsgegenständen und Einzelstrafhöhe für die nachzuholende, neu vorzunehmende erste Gesamtstrafbildung wird der neue Tatrichter zu treffen haben. Der Aufhebung bisheriger Feststellungen bedarf es hingegen nicht. Nach dem Ver- schlechterungsverbot gelten für den neuen Tatrichter für die erste Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate, für die zweite sieben Jahre und sechs Monate als Obergrenzen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 459/09
(alt: 5 StR 74/09)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof S. ,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sc.
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt A.
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17. Juni 2009 im Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten B. dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 14. März 2006 – 21 Ls 57/05 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird; die Anrechnung eines Teils der Strafe als vollstreckt entfällt.
Es verbleibt bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Wegen einer schon 2004 gemeinsam mit der bisherigen Mitangeklagten begangenen Tatserie betrügerischer Arbeitsvermittlung war der Angeklagte B. vom Landgericht Potsdam am 22. August 2008 wegen Betruges in 29 Fällen verurteilt worden. Der Schuldspruch ist nach dem Beschluss des Senats vom 26. März 2009 – 5 StR 74/09 – rechtskräftig. Der Strafausspruch – drei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung zweier anderweitig rechtskräftig verhängter Strafen – hatte hingegen keinen Bestand. Der Senat hatte den gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen diesen Angeklagten wegen mehrfach unzulänglich begründeter nachträglicher Gesamtstrafbildung und unzureichender Reaktion auf rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten unter Reduzierung der 29 Einzelfreiheitsstrafen um jeweils einen Monat auf je sieben Monate ohne Einbeziehung weiterer Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt, hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung von einem Jahr und drei Monaten Dauer zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Die gegen die erneute Gesamtstrafbildung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
2
Die Beschwerdeführerin beanstandet zutreffend, dass das Landgericht , das die andere vormals einbezogene, indes schon vor dem ersten Urteil erledigte Geldstrafe zu Recht nicht mehr in die Gesamtstrafe einbezogen hat, auch mit der am 14. März 2006 gegen den Angeklagten unter anderem wegen Meineides verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten keine nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gebildet hat. Der Erlass jener Strafe im Mai 2009 hinderte dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Er erfolgte nämlich nach dem ersten Urteil in dieser Sache. Dieser Zeitpunkt ist für die Frage der Erledigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB allein maßgeblich. Anders als das Landgericht meint, soll der Angeklagte hierdurch in weitestgehend möglicher Weise so gestellt werden, wie er bei einheitlicher Aburteilung sämtlicher zuvor begangener Straftaten zum Zeitpunkt der ersten zäsurbegründenden Verurteilung gestanden hätte. Dabei soll nicht nur, worauf das Landgericht allein abstellen möchte, eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Angeklagten vermieden werden, sondern er soll hierdurch auch nicht bevorzugt werden. Dies gebietet nach verbindlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die vorliegende Fallkonstellation (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 2; BGH NStZ 1982, 377 m.w.N.) die Einbeziehung einer nach dem maßgeblichen ersten Urteil erlassenen Bewährungsstrafe.
3
In dieser Sache ist nunmehr wiederholt im Revisionsrechtszug die Anwendung der überaus kompliziert ausgestalteten Regeln über die nachträgliche Gesamtstrafbildung zu beanstanden. Die Regeln sind schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Juli 2000 – 5 StR 280/00). Auch grundlegend abweichende Anwendungssysteme (vgl. Wilhelm NStZ 2008, 425) sind ihrerseits überaus kompliziert. Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hält es der Senat zur unbedingt gebotenen Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung für unerlässlich, eine eigene abschließende Rechtsfolgenentscheidung zu treffen. Nach den besonderen Gegebenheiten des Falles erscheint letztlich auch nurmehr eine bestimmte Sanktionierung allein angemessen (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
4
Dies ist auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei bestimmten Einzelstrafen , des großen zeitlichen Abstands zur Tatbegehung, bei welcher der Angeklagte B. unbestraft war, und des Umstands des bereits eingetretenen Ablaufs der Bewährungszeit für die einzubeziehende Strafe (Erlassreife) bei der maßgeblichen ersten Verurteilung, dem, wie im genannten ersten Beschluss des Senats in dieser Sache (m.w.N.) hervorgehoben, besondere gesamtstrafmindernde Wirkung zukommt, – auch unter Berücksichtigung der gegen die Mitangeklagte verhängten Bewährungsstrafe – eine zur Bewährung auszusetzende Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Da der Angeklagte ein solches Ergebnis letztlich maßgeblich infolge der eingetretenen Verfahrensverzögerung erreicht, kommt dabei allerdings eine besondere weitere Kompensation für die nunmehr rechtsfehlerfrei festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht in Betracht; nichts anderes könnte auch für eine etwa mögliche Anrechnung von Bewährungsleistungen in der einbezogenen Sache gelten.
5
Die nach der Durchentscheidung ausstehenden Bewährungsfolgeentscheidungen (§ 268a StPO) obliegen dem Landgericht. Die Kostenentscheidung , die, wie im angefochtenen Urteil tenoriert, dem erreichten Teilerfolg der Revision des Angeklagten gegen das erste Urteil Rechnung trägt und den Erfolg der neuen staatsanwaltlichen Revision dem Angeklagten über die ihm auferlegten Verfahrenskosten anlastet, ergibt sich aus den Grundsätzen von BGHSt 19, 226.
Basdorf Raum Schaal Schneider König

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/10
vom
8. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 8. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 4, § 354 Abs. 1b StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16. Juli 2010 mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil am 30. März 2009 wegen schwerer Brandstiftung in zwei Fällen, Brandstiftung in fünf Fällen und Sachbeschädigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat diese Entscheidung im Schuldspruch bezüglich eines Falles sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen. Nunmehr hat das Landgericht das Verfahren wegen des verbliebenen Tatvorwurfs nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten auf der Grundlage der rechtskräftig gewordenen zehn Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
2
Die Gesamtstrafenbildung ist fehlerhaft. Das Landgericht hat verkannt, dass es dabei auch über die Einbeziehung der Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Neumünster vom 6. September 2006 und dem Urteil desselben Gerichts vom 14. Februar 2007 unter Auflösung des Gesamtstrafenbeschlusses desselben Gerichts vom 21. August 2007 hätte entscheiden müssen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es ohne Bedeutung, dass die Gesamtgeldstrafe inzwischen - ganz überwiegend als Ersatzfreiheitsstrafe - verbüßt worden ist. Zum Zeitpunkt des ersten Urteils am 30. März 2009 war die Vollstreckung noch nicht erledigt, weshalb das Landgericht damals auch eine Entscheidung darüber getroffen (und von einer Einbeziehung abgesehen) hatte. Für die Frage der Erledigung bleibt indes der Zeitpunkt des ersten Urteils maßgebend (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 1989 - 1 StR 213/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1; BGH, Beschluss vom 21. August 2001 - 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72).
3
Über die Bildung der Gesamtstrafe muss deshalb neu entschieden werden. Im Fall einer Einbeziehung wird die Zäsurbildung durch die einzubeziehenden Entscheidungen zu beachten sein. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht.
4
Die Kostenentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend.

(2) Ist in den Fällen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder für den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und wird auch die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Wird die Gesamtstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, so gilt § 56f Abs. 3 entsprechend.