Strafrecht: Betrug, Gewerbsmäßigkeit und die abweichende Beurteilung der Schuldfähigkeit durch das Berufungsgericht
Der Angeklagte wurde für Betrug in mehreren Fällen verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hin, hob das Landgericht Berlin das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten teilweise auf und verurteilte diesen zu einer (längeren) Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Mit der Revision rügte der Angeklagte nun zuletzt die Verletzung sachlichen Rechts durch das Berufungsgericht.
Gewerbsmäßigkeit ist nicht gleich „Geldmacherei“
Die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 263 III Nr. 1 StGB setzt zunächst voraus, dass der Täter sich durch die wiederholte Begehung von Betrugstaten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen will. Dafür muss das Ziel des Täters laut Kammergericht aber nicht notwendigerweise im Erhalt von Geldzahlungen liegen. Eine Einnahmequelle könne auch dadurch geschaffen werden, dass der Täter wiederholt in strafrechtlich relevanter Weise erlangte Güter für sich verwendet, um so die Kosten für deren Erwerb zu ersparen. Dies sei durch Würdigung des Gesamtzusammenhangs zu beurteilen.
Völlig irrelevant ist außerdem, wofür der Täter die erzielten Einnahmen verwenden will. Im vorliegenden Fall waren diese zur Finanzierung seiner Kokain- und Cannabisabhängigkeit vorgesehen.
Kein Greifen des Verschlechterungsverbots bei abweichender Beurteilung der Drogensucht
Zudem hat das Kammergericht entschieden, dass die abweichende Bewertung der Voraussetzungen des § 17 II BZRG in der Person des Angeklagten durch das Berufungsgericht zulässig ist und nicht gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 I StGB verstößt.
Zu Begründung führt das KG aus, dass sich das Verschlechterungsverbot dem Wortlaut der Norm nach nur auf die „Rechtsfolgen der Tat“ beziehe. Das bedeutet, dass sich eine zugunsten des Angeklagten eingelegte Berufung gem. § 331 I StGB nicht negativ auf den Teil des Urteils ausüben darf, in der die Rechtsfolgen der Tat festgestellt werden.
Das KG zählt hierunter in seiner Begründung ausschließlich die „Rechtsfolgen“ im Sinne der Abschnitte §§ 38 ff StGB oder §§ 5-32, 57-66 JGG, die in den jeweiligen Gesetzen die aus Anlass einer rechtswidrigen Tat zu verhängenden Rechtsfolgen bzw. jugendrechtlichen Rechtsfolgen festlegen.
Das Berufungsgericht ist außerdem bei einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung soweit an die Sachverhaltsdarstellung der vorigen Instanz gebunden, als es sich um die Umstände handelt, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen.
Zum Schuldspruch gehören weitergehend auch diejenigen Teile der Sachverhaltsschilderung, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben und der Tatausführung jenseits der allgemeinen Deliktsmerkmalen ein entscheidendes Gepräge geben. Der Umfang der Bindungswirkung sei demnach immer eine Frage des Einzelfalls.
Möglichst verständlich erklärt: Das Berufungsgericht muss grundsätzlich darauf achten, dass sich die Rechtsfolgen des gesprochenen Urteils für den Angeklagten nicht verschlechtern, wenn zu seinen Gunsten Berufung eingelegt wird. Darunter ist jedoch nur die Rechtsfolge an sich zu verstehen. Es ist demnach dennoch möglich, dass sich z.B. die Freiheitsstrafe bei Einlegung einer Berufung verlängert.
Wenn sich diese Berufung nur auf die Rechtsfolgen für den Angeklagten bezieht, ist das Gericht außerdem daran gebunden, was das vorherige Gericht bezüglich des Sachverhalts bzw. des Tathergangs und den weiteren Tatbestandsmerkmalen des „gebrochenen Gesetzes“ festgestellt hat. Es erscheint jedoch nicht immer ganz einfach, abzugrenzen, an welche Feststellungen das Gericht gebunden ist, weil sie entscheidend für den Schuldspruch waren, und welche Feststellungen eher unwichtig hierfür erscheinen und demnach auch vom Berufungsgericht einer neuen Bewertung unterzogen werden können.
Schuldfrage vs. Straffrage
Während laut KG anerkannt sei, dass z. B. die Schuldfähigkeit gem. § 20 StGB im untrennbaren Zusammenhang zum Schuldspruch stünde und deswegen wohl zu dem Teil der Sachverhaltsfeststellung gehört, welcher nicht einer neuen Bewertung durch das Berufungsgericht zugänglich wäre, sei dies für die Annahme der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB zu verneinen, da diese der „Straffrage“ zuzurechnen sei. Diese „Straffrage“ sei vom Schuldspruch widerspruchsfrei trennbar, weshalb eine abweichende Beurteilung der Voraussetzungen des § 21 StGB durch das Berufungsgericht irrelevant für den Schuldspruch und damit die Rechtsfolge an sich ist. Dies sei somit zulässig. Genauso wenig sei eben eine Annahme der Betäubungsmittelabhängigkeit nach § 17 II BZRG ein Teil des Schuldspruchs.
Das Gericht kommt somit zu dem Ergebnis, dass das Berufungsgericht zulässigerweise eine vom Amtsgericht abweichende Beurteilung bezüglich der Bedeutung des Drogenkonsums des Angeklagten vorgenommen hat, so dass die Voraussetzungen des § 17 II BZRG im Ergebnis nicht vorlagen.
Die Angelegenheit wird nun erneut zur Entscheidung einer anderen Strafkammer des LG Berlin vorgelegt.
Die Leitsätze des Gerichts
Das Kammergericht (KG) hat mit Urteil vom 05.11.2018 ((2) 161 Ss 33/18 (5/18)) entschieden:
1. Gewerbsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Fall 1 StGB handelt nicht nur derjenige, dessen Tat auf den Erhalt von Geld gerichtet ist, sondern auch der, der andere Güter erlangen will, um sich so Kosten für deren Erwerb zu ersparen.
2. Die Feststellung des Amtsgerichts, der Angeklagte sei betäubungsmittelabhängig im Sinne des § 17 Abs. 2 BZRG, ist nicht Teil des Schuldspruchs. Daher ist das Berufungsgericht auch bei einer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch nicht gehindert, zu einer etwaigen Betäubungsmittelabhängigkeit eigene und vom Urteil des Amtsgerichts abweichende Feststellungen zu treffen.
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(BM/ts)
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Rechtsanwalt
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Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Wird die Vollstreckung einer Strafe, eines Strafrestes oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 35 - auch in Verbindung mit § 38 - des Betäubungsmittelgesetzes zurückgestellt, so ist dies in das Register einzutragen. Dabei ist zu vermerken, bis zu welchem Tag die Vollstreckung zurückgestellt worden ist. Wird nachträglich ein anderer Tag festgesetzt oder die Zurückstellung der Vollstreckung widerrufen, so ist auch dies mitzuteilen.
(2) Wird auf Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt und hat das Gericht festgestellt, daß der Verurteilte die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so ist diese Feststellung in das Register einzutragen; dies gilt auch bei einer Gesamtstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn der Verurteilte alle oder den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat.