§ 157 StGB: Aussagenotstand
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(2) Das Gericht kann auch dann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat.
§ 157 StGB sieht die Möglichkeit einer Strafmilderung oder eines Absehens von Strafe für den Fall vor, in dem der Täter einen Meineid oder eine falsche Aussage begeht, um die Strafverfolgung oder die Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung von sich abzuwenden (Abs. 1). In gleicher Weise bietet sich dem Gericht die Möglichkeit, wenn der Täter trotz fehlender Eidesreife uneidlich falsch aussagt (Abs. 2). Die Norm beinhaltet somit abweichend von seiner Überschrift zwei Strafmilderungs- bzw. –ausschließungsgründe.
Die Norm kommt als persönlicher Strafmilderungsgrund im Rahmen der Strafzumessung in Betracht, soweit das Verhalten des Täters nicht schon als Entschuldigungs- oder Rechtfertigungsgrund einschlägig ist.
Aussagenotstand, Abs. 1
Der Aussagenotstand kann bei falscher uneidlicher Aussage gem. § 153 StGB oder bei Meineid gem. § 154 StGB zur Anwendung kommen; die falsche Versicherung an Eides statt gem. § 156 StGB sowie der fahrlässiger Falscheid bzw. fahrlässige falsche Versicherung an Eides Statt gem. § 161 StGB fallen jedoch nicht in den Anwendungsbereich. In persönlicher Hinsicht ist der Aussagenotstand auf die Personen beschränkt, die zur Aussage verpflichtet sind, mithin Zeugen und Sachverständige. Hierbei ist umstritten, ob der Aussagenotstand auch zur Anwendung kommt, wenn dem Zeugen ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungrecht gem. §§ 52, 55 StPO berufen kann. Eine solche Ansicht ist jedoch abzulehnen, weil Zeugen meist nicht bewusst ist, dass eine Berufung auf ihr Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht bei Urteilsfindung nicht negativ berücksichtigt werden darf.
Weitere Voraussetzung ist, dass der Täter die falsche uneidliche Aussage oder den Meineid tätig, um die Gefahr einer Strafverfolgung oder die Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung von sich oder einem Angehörigen (vgl. Ausführungen zu § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) abzuwenden. Ausschlaggebend ist dabei das subjektive Vorstellungsbild des Täters; ob eine solche Gefahrenlage auch objektiv vorlag, bleibt ohne Bedeutung.
Die zu drohende Gefahr darf dabei nicht völlig fernliegend sein. Nicht ausreichend sind zudem die Gefahr einer Bußgeldverhängung oder einer Disziplinarmaßnahme.
Nahestehende Personen fallen bewusst nicht in den Anwendungsbereich der Norm. Eine analoge Anwendung kommt aufgrund des Fehlens der planwidrigen Regelungslücke somit nicht in Betracht.
Vereinzelnd wird die Möglichkeit des Aussagenotstandes verneint, wenn der Täter die falsche uneidliche Aussage oder den Meineid schuldhaft herbeigeführt oder gar provoziert hat (z.B. durch Zurverfügungstellung als Zeuge). Eine solche Ansicht ist jedoch abzulehnen, weil die Norm ansonsten ins Leere laufen würde.
Eidesunmündige Personen, Abs. 2
In Anlehnung an § 157 Abs. 1 StGB kann das Gericht die Strafe mildern oder von ihr absehen, wenn ein Eidesunmündiger eine falsche uneidliche Aussage gem. § 153 StGB tätigt. Der Meineid eines Eidesunmündigen fällt hingegen nur in den Anwendungsbereich des Aussagenotstandes. Eidesunmündige Personen sind insbesondere diejenigen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. § 60 Nr. 1 StPO). Darüber hinaus ist die Norm nach herrschender Meinung auch auf die anderen in § 60 Nr. 1 StPO,§ 393 Nr. 1 ZPO genannten Personen anwendbar.
Teilweise wird die Norm aufgrund der heutigen Vorschriften des Jugendstrafrechts (vgl. § 1 Abs. 1 JGG, § 3 JGG) als gegenstandslos erachtet.
Teilweise wird eine analoge Anwendung der Norm auf die Fälle, in denen der Eidesunmündige trotz des Verbotes des § 60 Abs. 1 Nr. 1 StPO vereidigt wurde, verneint. Da dem eigentlich schutzwürdigen Eidesunmündigen im Falle einer unrechtmäßigen Vereidigung die Privilegierung des § 157 StGB versagt wird, stimmt sie nicht mit der ratio legis der Norm überein. Aufgrund dessen ist der herrschen Meinung zu folgen und eine analoge Anwendung des § 157 StGB auf die Vereidigung Eidesmündiger geboten.
Rechtsfolgen
Das Gericht kann im Falle eines Aussagenotstandes die Strafe gem. § 49 Abs. 2 StGB mildern oder von ihr absehen. Dem Richter steht bei der Entscheidung Ermessen zu, welches er pflichtgemäß auszuüben hat. Bei der Gesamtschau der abzuwägenden Kriterien sind insbesondere die befürchtete Gefahr infolge einer Aussage als auch die Bedeutung der Aussage selbst zu berücksichtigen.
Ebenso wie beim Aussagenotstand kann der Richter die Strafe im Falle des § 157 Abs. 2 StGB mildern oder von ihr absehen. Da bei der Falschaussage eines Eidesunmündigen keine dem Abs. 1 vergleichbare Zwangslage vorliegen kann, wird eine Strafmilderung regelmäßig zu bejahen sein.
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Rechtsanwalt
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Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
Von der Vereidigung ist abzusehen
- 1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben; - 2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.
Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht.
Von der Vereidigung ist abzusehen
- 1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben; - 2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.