Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15

bei uns veröffentlicht am09.03.2016

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 15.12.2015 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 7.12.2015 (Az. N/WBZ/03740/2015) wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 22.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Errichtung und des Betriebes einer Einrichtung auf der Fläche des (ehemaligen) Anzuchtgartens des Ohlsdorfer Friedhofs, in der im Sinne einer Folgeunterbringung Asylsuchende bzw. Flüchtlinge untergebracht werden sollen.

2

Unter dem 7.12.2015 erteilte die Antragsgegnerin durch ihr Bezirksamt Hamburg-Nord der Beigeladenen eine bis zum 7.12.2025 befristete Baugenehmigung im Verfahren nach § 62 HBauO für die „Errichtung einer Flüchtlingsunterbringung mit 700 Plätzen als Folgeunterbringung“. Die Einrichtung soll aus insgesamt 13 zwei- und dreigeschossigen Gebäuden bestehen, welche jeweils mit mittiger, offener Doppeltreppenanlage in Container-Modulbauweise (auf der Grundlage einer „Typengenehmigung des Containerlieferanten“) errichtet werden, wobei das oberste Geschoss durch ein flach ausgeformtes Satteldach überdeckt wird. In den Häusern sollen sich „wohnungsähnliche Kompartments“ unterschiedlicher Größe mit Küche und Bädern befinden. Ausweislich der Betriebsbeschreibung, die Bestandteil der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist, sollen in der Einrichtung Familien mit Kindern und Alleinstehende aus dem Personenkreis der Flüchtlinge, deren Residenzpflicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung abgelaufen ist, untergebracht werden. Dies soll in den Wohneinheiten familienweise (bis zu sechs Personen pro Wohneinheit) oder mit bis zu sechs alleinstehenden Personen pro Wohneinheit (geschlechtergetrennt) erfolgen. In einem der geplanten Gebäude soll ein zentraler Aufenthaltsbereich für Gemeinschaftszwecke entstehen. Die untergebrachten Personen sollen sich selbst versorgen. Zudem soll ein bestehendes, früher u.a. zu Verwaltungszwecken des Friedhofs genutztes Gebäude umgebaut werden und danach Räumlichkeiten für u.a. die Verwaltung der Einrichtung beherbergen. Die Außenanlagen umfassen drei Spielplätze und eine „Halfpipe“. Die Erschließung der Einrichtung für Pkw-Verkehr sowie für den Liefer- und Wirtschaftsverkehr für Kfz mit einem Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t soll über die Straße „Große Horst“ erfolgen. Die hierfür vorgesehene Zufahrt soll sich an der südöstlichen Ecke der Vorhabenfläche befinden. Müllentsorgungsfahrzeuge und Rettungsfahrzeuge sollen die Anlage über die Straße „Erna-Stahl-Ring“ an der nördlichen Grenze der Vorhabenfläche anfahren, welche als verkehrsberuhigte Zone (sog. „Spielstraße“) ausgewiesen ist. Den untergebrachten Personen wird der Zugang zur Einrichtung rund um die Uhr möglich sein. Einrichtungspersonal (Unterkunfts- und Sozialmanagement sowie technisches Personal) soll in der Zeit von Montag bis Freitag (außer an Feiertagen) in der Zeit von 7:00 bis 16:00 Uhr in der Einrichtung tätig sein. Die Einrichtung soll, errechnet nach dieser Personalzuweisung, über sieben Pkw-Stellplätze verfügen. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung der einzelnen Bewohner soll nach der Darstellung der Antragsgegnerin jeweils enden, wenn aufgrund des Eintritts von Wohnungsberechtigung der Auszug aus der Einrichtung und der Umzug in eine selbst angemietete Wohnung möglich sind. In der Einrichtung sollen Betreuungsleistungen erbracht werden; die Nutzungsbedingungen für die untergebrachten Personen sollen durch eine Hausordnung, deren Inhalt nicht Gegenstand der Baugenehmigung ist, geregelt werden.

3

Der Baugenehmigungsbescheid schließt ausdrücklich die an die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration adressierte Entscheidung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen nach § 246 Abs. 14 BauGB vom 17.11.2015 ein, mit welcher für die Errichtung und den Betrieb der Einrichtung die Abweichung von Festsetzungen des Bebauungsplans Ohlsdorf 12 gestattet wird, und zwar hinsichtlich der Fläche für den besonderen Nutzungszweck „Anzuchtgarten (Hamburger Friedhöfe)“, hinsichtlich Baugrenzen und hinsichtlich § 2 Nr. 16 der Planverordnung. Zur Begründung heißt es in der Fachbehördlichen Entscheidung u.a.:

4

„Eine Zulassung des Vorhabens auf der Grundlage der Absätze 8 - 13 des § 246 BauGB ist nicht möglich: Die Voraussetzungen des Abs. 8 sind nicht erfüllt, da das Vorhaben nicht in einem nach § 34 BauGB zu beurteilenden Gebiet liegt. Eine Zulassung nach Abs. 9, 10 oder 13 scheidet aus, da sich das Vorhaben weder im Außenbereich noch in einem Gewerbegebiet befindet. Die Voraussetzungen des Abs. 11 sind nicht erfüllt, weil der Bebauungsplan keine Regelung zu einer ausnahmsweisen Zulassung von Anlagen für soziale Zwecke enthält. Die Erteilung einer befristeten Zulassung nach Abs. 12 scheidet aus, da die zu errichtenden Anlagen keine 'mobilen Unterkünfte' im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind. Vielmehr werden von umfangreichen Erschließungsmaßnahmen begleitete, fest gegründete Bauten errichtet.“

5

Weiter wird dort ausgeführt, eine unzumutbare Beeinträchtigung der angrenzenden Wohnbebauung sei nicht zu erwarten. Zu berücksichtigen sei insofern lediglich der von den in der Einrichtung tätigen Mitarbeitern verursachte Verkehr, welcher das Verkehrsaufkommen auf der Straße „Große Horst“ nicht nennenswert erhöhen werde. Die Fahrten durch Müllentsorgungsfahrzeuge seien den Anwohnern des „Erna-Stahl-Rings“ zumutbar. Auch liege kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor, was sich aus der räumlichen Anordnung der Gebäude auf dem Vorhabengrundstück ergebe sowie daraus, dass auch nach den Festsetzungen des Bebauungsplans auf der Vorhabenfläche der Betrieb einer Friedhofsgärtnerei mit der Folge entsprechender Lärmimmissionen zulässig sei. Landschaftsschutzrechtliche Belange seien nicht betroffen. Die Unterkünfte würden jedoch aufgrund der stetig steigenden Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern dringend benötigt.

6

In der Baugenehmigung ebenso eingeschlossen wird eine Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) für das Überfahren der nicht zum Befahren vorgesehenen Nebenflächen der Straße „Erna-Stahl-Ring“ durch Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t auf zwei näher bezeichneten Überfahrten sowie eine Änderung gemäß § 18 Abs. 2 HWG der bestehenden bzw. erteilten Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 HWG für die Verlegung, den Umbau und die Erweiterung einer vorhandenen bzw. genehmigten Überfahrt in der Straße „Große Horst“ für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t. Ebenso erteilt wurde eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg zur Fällung näher bezeichneter Bäume. Immissionsschutzrechtliche Auflagen enthält die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht.

7

Die Antragsteller sind Eigentümer bzw. Miteigentümer an zu Wohnzwecken genutzten, nördlich und westlich der Vorhabenfläche belegenen Grundstücken. Der Bebauungsplan Ohlsdorf 12 vom 31.3.2005 (HmbGVBl. 2005, S. 124) weist diese Grundstücke als reines Wohngebiet aus; für die Vorhabenfläche trifft die Planzeichnung die Festsetzung „Anzuchtgarten (Hamburger Friedhöfe)“, die mit § 2 Nr. 16 der Planverordnung näher beschrieben wird.

8

Bereits im Rahmen der Sitzung der Lenkungsgruppe „Integration öffentlich-rechtliche Unterbringung (örU) und Zentrale Erstaufnahme (ZEA) in die gesamtstädtische Flächenverwertung und Planung“ hatte die Antragsgegnerin am 17.7.2015 die Nutzung der Vorhabenfläche zur Errichtung der besagten Einrichtung beschlossen, zunächst gestützt auf § 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG). Am 15.9.2015 wurden die Pläne zur Errichtung und zum Betrieb der Einrichtung im Rahmen einer Informationsveranstaltung den betroffenen Anwohnern sowie der Öffentlichkeit vorgestellt. Kurz darauf wurden die auf der Fläche vorhandenen Gewächshäuser und andere ehemals vom Anzuchtgarten des Friedhofs genutzte Gebäude beseitigt. Zusammen mit einem weiteren Antragsteller ersuchten die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens beim erkennenden Gericht gegen die auf § 3 SOG gestützte Errichtung und den auf § 3 SOG gestützten Betrieb der Einrichtung um Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO. Mit Beschluss vom 28.10.2015 (7 E 5333/15) gab das Gericht diesem Begehren statt und gab der (auch damaligen) Antragsgegnerin auf, die Bauarbeiten für die Errichtung der streitbefangenen Einrichtung einstweilen einzustellen und zu unterlassen und die (heutige) Beigeladene entsprechend anzuhalten. Hiergegen legte die Antragsgegnerin das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

9

Die Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau der Antragsgegnerin beschloss am 5.11.2015, das Bezirksamt Hamburg-Nord anzuweisen, kurzfristig ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten, „mit dem die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende auf dem im Geltungsbereich des Bebauungsplans Ohlsdorf 12 liegenden Teil des Flurstücks 854 der Gemarkung Ohlsdorf (ehemaliger Anzuchtgarten) mit 700 Plätzen unter sinnvoller Erweiterung des Plangebiets mit Blick auf die südöstliche Erschließung geschaffen werden“. Das Bezirksamt betreibt seitdem das Bebauungsplan-Verfahren „Ohlsdorf 29 (Anzuchtgarten)“.

10

Unter dem 17.11.2015 erteilte die Antragsgegnerin durch ihre Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen die erwähnte „Fachbehördliche Entscheidung“ nach § 246 Abs. 14 BauGB.

11

Mit Beschluss vom 3.12.2015 erließ das Hamburgische Oberverwaltungsgericht eine Zwischenverfügung, mit welcher es die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28.10.2015 insoweit aussetzte, als mit diesem auf dem streitbefangenen Grundstück Tiefbauarbeiten in der Form von Erdarbeiten zur Herrichtung und Erschließung des Baugrundstücks, des Aushubs von Gräben für Ver- und Entsorgungsinstallationen, des Einbaus von Ver- und Entsorgungsleitungen und des Baus von Fundamenten untersagt wurden. Den weiteren Antrag der Antragsgegnerin, die Fortsetzung der Umbauarbeiten in dem bestehenden Verwaltungsgebäude bis zu einer abschließenden Entscheidung über ihre Beschwerde zuzulassen, lehnte es ab.

12

Sowohl gegen die Abweichungsentscheidung vom 17.11.2015 als auch gegen die Baugenehmigung vom 7.12.2015 legten die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller innerhalb einer Monatsfrist Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 21.12.2015 haben die Antragsteller um gerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht und diesen umfangreich begründet, zuletzt mit Schriftsatz vom 8.3.2016. Die Antragsteller beantragen,

13

1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 15.12.2015 gegen die Baugenehmigung vom 7.12.2015 (Az. N/WBZ/03740/2015) anzuordnen,

14

2. festzustellen, dass der Widerspruch der Antragsteller vom 30.11.2015 gegen die Abweichungsentscheidung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen – Amt für Bauordnung und Wohnen – ABH 2 (ohne Aktenzeichen) vom 17.11.2015 aufschiebende Wirkung hat,

15

hilfsweise

16

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 30.11.2015 gegen die Abweichungsentscheidung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen – Amt für Bauordnung und Wohnen – ABH 2 (ohne Aktenzeichen) anzuordnen.

17

Die Antragsgegnerin beantragt,

18

den Antrag abzulehnen,

19

und trägt zur Begründung ebenfalls umfangreich vor, zuletzt mit Schriftsatz vom 29.2.2016.

20

Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und – abgesehen von einer Stellungnahme zu der Frage des Gerichts nach dem Stand der Bauarbeiten – nicht weiter zur Sache vorgetragen.

21

Mit Beschluss vom 21.12.2015 hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht – nach Ergehen entsprechender Erledigungserklärungen der Beteiligten – das Verfahren über die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den die Errichtung und den Betrieb der Einrichtung auf Grundlage von § 3 SOG betreffenden Beschluss des erkennenden Gerichts in der Angelegenheit 7 E 5333/15 eingestellt und festgestellt, dass die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28.10.2015 sowie des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 3.12.2015 wirkungslos seien (2 Bs 226/15).

22

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Hamburg zum Verfahren 7 E 5333/15, die vorgelegte Bauakte der Antragsgegnerin sowie auf die Planaufstellungsunterlagen zum Bebauungsplan Ohlsdorf 12 und zum Bebauungsplan-Verfahren Ohlsdorf 29 (Anzuchtgarten) verwiesen, die dem Gericht bei seiner Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

B.

23

Der zulässige Antrag zu 1) nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80a VwGO ist begründet (hierzu unter I.). Der Antrag zu 2) ist hingegen sowohl im Haupt- wie im Hilfsantrag unzulässig (hierzu unter II.).

I.

24

Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens sind in Bezug auf den Antrag zu 1) die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Der Gegensatz zwischen dem Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen einerseits daran, dass von der erteilten Baugenehmigung Gebrauch gemacht werden kann, und dem Interesse der Antragsteller als Drittbetroffenen andererseits zu verhindern, dass später nur schwer wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden, kann in der Regel – und so auch hier – angemessen nur in der Weise gelöst werden, dass jeweils den Interessen derjenigen der Vorrang eingeräumt wird, die aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren obsiegen wird bzw. werden. Im vorliegenden Fall überwiegen bei dieser Abwägung die Interessen der Antragsteller diejenigen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Die angefochtene Baugenehmigung vom 7.12.2015 wird nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich wegen der Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller aufzuheben sein.

25

Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, 4 C 8/84, NVwZ 1987, 409; OVG Hamburg, Beschluss vom 7.5.1990, Bs II 65/90, HmbJVBl 1991, 7). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das Bauvorhaben objektiv genehmigungsfähig war oder ist. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob durch die Baugenehmigung solche Normen verletzt sind, die den Antragsteller schützen sollen.

26

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorliegend geboten. Denn die Baugenehmigung verletzt die Antragsteller voraussichtlich in ihrem Anspruch auf Einhaltung des Bebauungsplans hinsichtlich der Ausweisung „Anzuchtgarten“ (hierzu unter 1.). Der Widerspruch zu der Planausweisung wird auch nicht dadurch unbeachtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung auf die fachbehördliche Abweichungsentscheidung der Antragsgegnerin nach § 246 Abs. 14 BauGB gestützt wird bzw. diese einbezieht (hierzu unter 2.).

27

1. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt gegen die auch dem Schutz der Antragsteller dienende bauplanungsrechtliche Festsetzung der Nutzung der Vorhabenfläche mit „Anzuchtgarten“ durch die Verordnung über den Bebauungsplan Ohlsdorf 12 vom 31.3.2005 (vgl. zur entsprechenden polizeirechtlichen Konstellation: VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 24 ff.).

28

a) Die Festsetzung der Vorhabenfläche als „Anzuchtgarten“ in dem Bebauungsplan Ohlsdorf 12 – dort durch die zeichnerische Darstellung der Fläche mit der Eintragung „Anzuchtgarten (Hamburger Friedhöfe)“, konkretisiert durch § 2 Nr. 16 der Planverordnung, wonach auf der Fläche für den besonderen Nutzungszweck „Anzuchtgarten“ nur gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen (Gewächshäuser, Betriebsräume) sowie Stellplätze zulässig sind – ist drittschützend. Ihr kommt nachbarschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller zu.

29

Der Schutz auch eines Nachbarn vor einer der Planausweisung widersprechenden baulichen Nutzung auf einer angrenzenden, anders ausgewiesenen Fläche setzt allgemein den erkennbaren, rechtserheblichen Willen des Plangebers voraus, dass die jenseitige Gebietsausweisung bzw. Festsetzung in dem Bebauungsplan auch dem Schutz unmittelbar vor der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Grundstücke und baulichen Nutzungen dienen soll (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 13.9.2013, 9 E 3452/13, juris, Leitsatz 1 und Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Koblenz, Beschluss vom 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9; VGH München, Beschluss vom 24.3.2009, 14 Cs 08.3017, juris, Rn. 29; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14). Für diese Normauslegung, d.h. zur Ermittlung eines solchen planerischen Willens sind insbesondere auch die Begründung des Bebauungsplans sowie andere Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens heranzuziehen (VGH München, Beschluss vom 24.3.2009, 14 Cs 08.3017, juris, Rn. 29; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.4.2001, 1 MB 1190/01, ZfBR 2002, 280).

30

Vorliegend deutet bereits die Planzeichnung selbst auf eine besondere, auf die angrenzende Baugebietsausweisung „WR“ bezogene, ihrem Schutz dienende Funktion der Festsetzung „Anzuchtgarten“ hin: Das (seinerzeit auf sehr geringen, nicht zu sichernden Altbestand treffende) Plangebiet dient danach im Zentrum der Ausweisung von neuen Flächen für reine Wohnnutzung. Zugleich ist es unter Verzicht auf die üblichen einfachen geometrischen Formen polygonal geschnitten und reicht insbesondere über eine – sonst typischerweise als Zäsur wirkende – Bahnlinie hinweg, um ein Schulgelände und den Weg aus dem Wohngebiet dorthin einzuschließen. Dieser auf wohnbezogene Funktionszusammenhänge zielende Zuschnitt wird dabei wiederum aber gerade nicht genutzt, um die Fläche „Anzuchtgarten (Hamburger Friedhöfe)“ auszunehmen, obwohl diese unmittelbar funktional dem daran anschließenden Friedhof Ohlsdorf zugehört; deshalb liegt es nahe, dass auch die Ausweisung „Anzuchtgarten“ der Wohnnutzung zu dienen bestimmt ist. Dies fügt sich wiederum in die Gesamtheit der Nutzungszuordnungen, die auch im Übrigen allein wohnbezogen sind, nämlich eine Kindertagesstätte, einen Spielplatz sowie Grünflächen in Form von Parkanlagen (zugeschnitten als Schutzstreifen) umfassen. Auch letztere stellen ein Indiz für die Grundintention des damaligen Plangebers dar, die neu ermöglichte Wohnnutzung einem besonderen Schutz zu unterstellen. Solche als Schutzstreifen zugeschnittenen Grünstreifen bzw. Parkanlagen können bei entsprechender plangeberischer Intention gerade auch einen drittschützenden Zweck im Sinne einer Abschirmung einer vom Plangeber als besonders schutzwürdig angesehenen Bebauung bzw. entsprechenden Gliederung des Plangebiets erfüllen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 12.1.2015, 2 Bs 247/14). Die entsprechende Intention des Plangebers folgt vorliegend aus den Ausführungen unter Nr. 5.9.1 der Planbegründung, wonach insbesondere auch damit ein Übergangsbereich zum Friedhof geschaffen werden soll.

31

Bestätigt wird dieser Befund durch Sinn und Zweck insbesondere der in diesem Plan getroffenen Festsetzungen „Anzuchtgarten“ und „reines Wohngebiet“ in ihrem Verhältnis zueinander. Als Anlass der Planung, d.h. als wesentliches Anliegen führt die Planbegründung an, die Fläche solle für Wohnungsbau genutzt werden; besondere Bedeutung komme dabei der Ausweisung geeigneter Flächen für den Einfamilienhausbau zu, um der Abwanderung von Eigenheiminteressenten in das Hamburger Umland entgegenzuwirken. Der Attraktivität der Flächen dient eine verlässliche Absicherung der Wohnruhe.

32

Die der Festsetzung der „Fläche für den besonderen Nutzungszweck 'Anzuchtgarten'“ sowie die der Normierung von § 2 Nr. 16 der Planverordnung zugrunde liegende Zwecksetzung des Plangebers (und heutigen Antragsgegnerin) besteht ausweislich der Planbegründung in diesem Zusammenhang jedenfalls auch darin, die Nutzbarkeit der jetzigen Vorhabenfläche zugunsten der festgesetzten Wohnnutzung erheblich einzuschränken, um dieser die Wohnruhe zu sichern.

33

Deutlich wird der beabsichtigte Drittschutz daran, dass die Planbegründung im Hinblick auf die in § 2 Nr. 16 der Planverordnung vorgesehene Beschränkung der zulässigen Art der baulichen Nutzung der Fläche für den besonderen Nutzungszweck „Anzuchtgarten“ ausführt, dass

34

„nur gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen ... zulässig sind“,

35

damit

36

„weitergehende gewerbliche Nutzungen, die zu nicht gewollten Störungen der bestehenden und neuen Wohngebiete führen könnten“,

37

vermieden werden (Nr. 5.3 der Planbegründung).

38

Damit wird nicht nur die Schutzrichtung zugunsten der Wohnnutzung klargestellt, sondern auch die dafür gewählte Nutzungsbeschränkung. Mit der Bezugnahme auf „weitergehende“ gewerbliche Nutzungen könnte bei isolierter Betrachtung zwar auch der Eindruck erweckt sein, weniger weitgehende gewerbliche Nutzungen sollten nicht ausgenommen werden. Ein solches Verständnis als Negativbestimmung zum Ausschluss nicht näher genannter besonders störender Nutzungen wäre indes mit der getroffenen Regelung, die positiv, spätere Bewertungsschwierigkeiten ausschließend, eine ganz bestimmte Nutzung vorgibt – nämlich diejenige, die im Sinne des Bestandsschutzes die vorgefundene Nutzung der Gesamtfläche auf der Restfläche weiter gestattet –, nicht vereinbar.

39

Angesichts der dem Wortlaut nach klaren Bezugnahme auf „nicht gewollte Störungen der bestehenden und neuen Wohngebiete“ kann dabei auch nicht davon ausgegangen werden, es handle sich bei der genannten Aussage in der Planbegründung – wie die Antragsgegnerin es im Verfahren 2 Bs 226/15 vorgetragen hat – um den Ausdruck allein objektiv-rechtlicher Überlegungen. Der Kreis der geschützten Grundstücksinhaber bleibt – anders als die Antragsgegnerin meint – nicht völlig im Unklaren, sondern ist durch die Bezugnahme auf die durch denselben Bebauungsplan ausgewiesenen Wohngebiete klar definiert. Inwieweit bei anderen Bauleitplänen der Antragsgegnerin andere Intentionen eine Rolle gespielt haben mögen, worauf diese ebenfalls hinweist, ist vor diesem Hintergrund ohne Belang.

40

Diese spezielle, mit der Planung intendierte Schutzwirkung der spezifischen Festsetzung „Anzuchtgarten“ zugunsten der vom Plangeber im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplans Ohlsdorf 12 mit besonderem Schutzanspruch ausgestatteten Wohnbebauung zeigt sich ferner daran, dass es dem Plangeber mit der Zuordnung der Nutzungen, insbesondere mit der Schaffung des Wohngebiets, in dem auch die antragstellerischen Grundstücke belegen sind, darum ging, dass

41

„unter Berücksichtigung des benachbarten Landschaftsraums zum Friedhof der Anteil an unversiegelter Bodenfläche möglichst groß gehalten und die bauliche Verdichtung auf ein verträgliches, der Naturnähe entsprechendes Maß beschränkt bleiben“

42

sollte (Nr. 5.1 der Planbegründung). Hieraus wird insgesamt das Plankonzept ablesbar, dass die „Fläche für den besonderen Nutzungszweck 'Anzuchtgarten'“ spezifisch eine Pufferfunktion zwischen dem Friedhof – der Naturraum wie auch Nutzfläche ist – und dem neu festgesetzten Wohngebiet erfüllen sollte (vgl. zur drittschützenden Wirkung solcher Festsetzungen OVG Münster, Beschluss vom 2.12.2013, 2 A 1231/13, juris, Rn. 9 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 13.8.2009, 2 Bs 102/09; Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15); einerseits zum Schutze des Friedhofs als Naturraum vor einer allzu dicht an diesen heranrückenden Wohnbebauung, andererseits aber auch zum Schutze der Wohnbebauung im Sinne einer besonderen Naturnähe und der daraus resultierenden besonders ruhigen Lage und dem dementsprechenden Schutz der Wohnruhe, wie sie gerade für reine Wohngebiete besonders prägend ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43).

43

Die dargestellte, aus der Planbegründung abzuleitende Intention des Plangebers und heutigen Antragsgegnerin erweist sich als schlüssiges Ergebnis des Planungsprozesses, wie es den dokumentierten Schritten im Zuge des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplans Ohlsdorf 12 zu entnehmen ist.

44

Erklärtes Ziel der Planung war demnach von Beginn an, im Plangebiet nicht zu stark verdichtete Wohnflächen für Familien mit Kindern zu schaffen, um auf diese Weise der Stadtflucht in das Umland entgegenzutreten. Dies ergibt sich sowohl aus den Vorarbeiten zum ersten Planentwurf (vgl. Entwurf einer Vorlage des Senatsbeauftragen für den Wohnungsbau an das Bezirksamt Hamburg-Nord vom 5.9.1995, S. 4 f., OH 12, Bd. 1; Antrag der CDU-Bezirksfraktion vom 16.9.1998, OH 12, Bd. 1; Schreiben des Bezirksamts Hamburg-Nord an die Stadtentwicklungsbehörde vom 19.10.1998, OH 12, Bd. 1; „Information für Bürgerinnen und Bürger des Stadtteiles Klein Borstel über das geplante Wohngebiet 'Kleine Horst'“ des Plangebers aus Juni 2001, OH 12, Bd. 1; Aufstellungsbeschluss vom 28.6.2001, Amt. Anz. 2001, S. 2339), als auch aus der ersten Entwurfsfassung der Planbegründung (OH 12, Bd. 2). Dieses Ziel wurde auch im weiteren Entstehungsprozess des Bebauungsplans stets weiterverfolgt (vgl. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft „Wohnungsbau auf Teilfläche der Anzuchtgärtnerei des Friedhofes Ohlsdorf“, Bü-Drs. 17/2955, S. 1; Mitteilung über die öffentliche Auslegung des Bauleitplan-Entwurfs vom 31.1.2003, Amtl. Anz. 2003, S. 611).

45

Es war dabei auch die frühzeitig erklärte Intention des Plangebers, gerade das an die verbleibende Fläche des Anzuchtgartens angrenzende Wohngebiet aufgrund dieser Lage als besonders geschützt zu entwickeln. Die Auslegungsfassung des Entwurfs der Planbegründung aus Dezember 2002 (OH 12, Bd. 3) führt an (dort S. 8):

46

„Das westlich des verbleibenden Anzuchtgartens liegende Wohngebiet, durch seine Lage zum Landschaftsraum des Friedhofs hin besonders hochwertig …“.

47

Unter „hochwertig“ war insbesondere zu verstehen, dass die für die Nutzung durch den Anzuchtgarten des Friedhofs Ohlsdorf verbleibende Fläche im Bebauungsplan so festzusetzen sei, dass von den darauf stattfindenden Nutzungen keine Störungen für das geplante Wohngebiet ausgehen. So trifft das Schreiben der Stadtentwicklungsbehörde, Landesplanungsamt, an die Stadtplanungsabteilung des Bezirksamts Hamburg-Nord vom 4.3.2002 (N/BA 22, OH 12, Bd. 2) die Aussage, es sollten in die Planbegründung Ausführungen hinsichtlich Beeinträchtigungen bzw. der Vermeidung dieser auf das Wohnen erfolgen (S. 3 des Schreibens). Die Stadtplanungsabteilung des Bezirksamts Hamburg-Nord griff diese Anregung auf und dokumentierte sie in einem Arbeitsvermerk (N/BA2/OH12, OH 12, Bd. 2) vom 22.8.2002 (dort S. 18).

48

Schon im ersten Planentwurf (OH 12, Bd. 2) findet sich dementsprechend die geplante Beschränkung der Nutzungsart auf der für den Anzuchtgarten verbleibenden Fläche auf gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen sowie Stellplätze. Bereits im ersten Entwurf der Planbegründung heißt es ferner, durch diese Beschränkung sollten weitergehende gewerbliche Nutzungen, die zu nicht gewollten Störungen der bestehenden und neuen Wohngebiete führen könnten, vermieden werden (OH 12, Bd. 2). Diese Aussage wurde im weiteren Entstehungsprozess des Bebauungsplans Ohlsdorf 12 zu keiner Zeit revidiert. Sie findet sich ebenso in der Auslegungsfassung des Entwurfs der Planbegründung aus Dezember 2002 (OH 12, Bd. 3, dort S. 14) und ging schließlich auch in die endgültige Fassung der Planbegründung (dort Nr. 5.3) ein (s.o.).

49

Besonders deutlich wird die vom Plangeber verfolgte Intention, durch die in § 2 Nr. 16 der Planverordnung enthaltene Beschränkung hinsichtlich der Nutzungsart auf der durch den Plan festgesetzten „Fläche für den besonderen Nutzungszweck 'Anzuchtgarten'“ auch die künftigen Bewohner des hieran angrenzenden Wohngebiets zu schützen, schließlich anhand der Niederschrift über eine Besprechung am 9.9.2002 im Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt (OH 12, Bd. 3):

50

„Durch die Überplanung der ehemals 9,2 ha. großen Fläche des Anzuchtgartens zugunsten von Wohnungsbau (1,85 ha.) sind grundsätzlich rechtlich klare Festsetzungen zu treffen, um für die zukünftige und heute vorhandene Wohnbevölkerung Rechtssicherheit zu gewährleisten. Deshalb verbleibt der Anzuchtgarten im Plangebiet und muss eine gegliederte Ausweisung erhalten.

51

BBV-LP 23 und N/BA 2 haben sich im Nachgang auf die Festsetzung einer Fläche für einen besonderen Nutzungszweck geeinigt (weiße Fläche-Sondergebiet). Eine § 2-Festsetzung wird die zulässigen Nutzungen regeln.

52

Eine nachfolgende Abstimmung mit dem Ohlsdorfer Friedhof hat diese Festsetzung bestätigt. Als § 2-Festsetzung ist folgender Text vorgesehen:

53

„Auf der Fläche für den besonderen Nutzungszweck 'Anzuchtgarten (FHH)' sind nur gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen (Gewächshäuser, Betriebsräume) sowie Stellplätze zulässig.‘

54

An diesem (bereits in dem in Hinsicht auf die Rechtsposition aus dem Bebauungsplan Ohlsdorf 12 vollständig parallel gelagerten Verfahren 7 E 5333/15 von der Kammer gefundenen) Ergebnis ist nach alledem und auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen Vorbringens der Antragsgegnerin unter Einbeziehung ihres Vorbringens in ihrer gegen den Beschluss der erkennenden Kammer vom 28.10.2015 gerichteten Beschwerdebegründung im Verfahren 2 Bs 226/15 festzuhalten. Die – wie dargestellt – aus den planerischen Festsetzungen, der Planbegründung und der Entstehungsgeschichte des Plans abzuleitende intendierte drittschützende Wirkung der in Rede stehenden Festsetzung bzw. das Berufen der Antragsteller hierauf stellt im Übrigen auch keine – wie die Antragsgegnerin meint (S. 15 des Schriftsatzes vom 6.1.2016) – „völlig neue Rechtsfigur“ dar; der die Fläche einer planerischen Festsetzung übergreifende Drittschutz ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (VG Hamburg, Beschluss vom 13.9.2013, 9 E 3452/13, juris, Leitsatz 1 und Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Koblenz, Beschluss vom 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9; VGH München, Beschluss vom 24.3.2009, 14 Cs 08.3017, juris, Rn. 29; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14).

55

b) Die von der Antragsgegnerin geplante Einrichtung ist kein mit der durch den Bebauungsplan Ohlsdorf 12 festgesetzten „Fläche für den besonderen Nutzungszweck 'Anzuchtgarten'“ sowie der durch § 2 Nr. 16 der Planverordnung hierfür hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung normierten Beschränkung auf gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen (Gewächshäuser, Betriebsräume) sowie Stellplätze vereinbares Vorhaben. Es handelt sich – wie es die Antragsgegnerin mit der Erteilung der Abweichungsgenehmigung, für welche die Nichtanwendbarkeit einfacherer Genehmigungsmöglichkeiten die Voraussetzung ist, auch bestätigt – bei dem geplanten Vorhaben nicht um eine gärtnerische bzw. friedhofsbezogene Nutzung oder lediglich die Errichtung von Stellplätzen. Schon hieraus ergibt sich der Verstoß des Bauvorhabens gegen die genannte drittschützende Bestimmung des geltenden Planrechts.

56

Die von der Antragsgegnerin diesbezüglich im vorangegangenen Beschwerdeverfahren 2 Bs 226/15 vorgetragene und von ihr in das vorliegende gerichtliche Verfahren ausdrücklich einbezogene Betrachtung, ihr Vorhaben sei mit dem geltenden Planrecht schon unmittelbar vereinbar, da die Bestimmung in § 2 Nr. 16 der Planverordnung jedenfalls nicht insoweit drittschützend wirken könne, als damit auch Wohnnutzungen oder wohnähnliche Nutzungen ausgeschlossen seien, überzeugt schon unabhängig von der darin angelegten fehlerhaften Übertragung der engen Grenzen des subjektiven Nachbarrechts auf das objektive Baurecht nicht. Wie bereits dargelegt, erschöpft sich die Bestimmung der Planverordnung nicht in einer Negativ-Regelung zu Lasten solcher gewerblicher Nutzungen, die für das reine Wohngebiet in einer Weise störend wirken, die über das Maß hinaus ginge, welches mit einer Nutzung als Anzuchtgarten verbunden wäre. Die getroffene Positivregelung hat vielmehr gerade die Bedeutung, jede andere Nutzung als diejenige als Anzuchtgarten verlässlich auszuschließen. Der Umstand, dass damit nicht nur eine Nutzung durch eine große oder auch kleine soziale Einrichtung, sondern selbst eine reine Wohnnutzung unzulässig ist, widerlegt die genannte Auslegung nicht. Es liegt auf der Hand, dass eine bestehende Wohnnutzung auch durch die Emissionen genauso wie den Grünflächenverbrauch einer angrenzend hinzukommenden weiteren Wohnnutzung – um eine solche handelt es sich bei der geplanten Einrichtung allerdings ohnehin nicht – neuen Belastungen ausgesetzt wird.

57

Die Frage, inwieweit die Antragsgegnerin in ihrer Rolle als Plangeber seinerzeit die betreffende Fläche und heutige Vorhabenfläche als besonders „hochwertig“ oder „idyllisch“ ansah bzw. nur als eine „Art Betriebshof der Friedhofsgärtnerei“ (so die Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin im Verfahren 2 Bs 226/15, S. 20), ist für die Beurteilung der von der in Rede stehenden planerischen Festsetzung ausgehenden Schutzwirkung für die angrenzenden Wohngebiete nicht ausschlaggebend. Selbst wenn es sich nach seinerzeitiger Ansicht der Antragsgegnerin in ihrer Rolle als Plangeber um eine potenziell konfliktträchtige Fläche gehandelt haben sollte, deren damalige Nutzung durch die Festsetzung abgesichert werden sollte, kann sich hieraus nicht die Zulässigkeit einer völlig anderen Nutzung in der Form der nunmehr geplanten auf dieser Fläche ergeben. Ebenso wird nicht deutlich, inwieweit die erkennbar gebietsübergreifend schützende Intention der genannten Festsetzung andere als die darin genannten Nutzungsformen ausklammern sollte. Die Antragsgegnerin entschied sich in ihrer damaligen Rolle als Plangeber nach den obigen Feststellungen bewusst dafür, die zulässigen Nutzungsformen auf der heutigen Vorhabenfläche enumerativ zu beschränken, und dies in der Intention, angrenzende Wohngebiete vor potenziellen Störungen zu schützen, die von anderen als den ausdrücklich zulässigen Nutzungsformen ausgehen könnten. Gerade den enumerativen Charakter der in der betreffenden Festsetzung genannten Nutzungsformen arbeitet sie in der Planbegründung deutlich heraus, wonach auf der betreffenden Fläche

58

nur gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen ... zulässig sind“ (Hervorhebung hinzugefügt),

59

damit

60

„weitergehende gewerbliche Nutzungen, die zu nicht gewollten Störungen der bestehenden und neuen Wohngebiete führen könnten“,

61

vermieden werden (Nr. 5.3 der Planbegründung). Hätte sie eine im Sinne des nunmehrigen Vortrags der Antragsgegnerin weitere Beschränkung der drittschützenden und gebietsübergreifend schützenden Wirkung der besagten Festsetzung gewollt, wäre zu erwarten gewesen, dass auch dies sich in der zitierten enumerativen Aufzählung niedergeschlagen hätte.

62

Vor diesem Hintergrund erübrigen sich auch die von der Antragsgegnerin angestellten Erwägungen zur Interpretation der „Hochwertigkeit“ der Vorhabenfläche in Bezug auf die Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans Ohlsdorf 12. Diese sind allein auf die spezifischen Störwirkungen bezogen, die von der durch den Plan legalisierten Nutzung der heutigen Vorhabenfläche ausgehen könnten, beziehen sich aber nicht auf Nutzungen wie die nunmehr geplante, die ein völlig anderes Störpotenzial entfaltet. Eine auf mehrere Betriebsjahre angelegte Einrichtung zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung von mehreren Hundert Asylsuchenden hat nach planungsrechtlicher Betrachtung ein höheres Störpotenzial für die Wohnruhe angrenzender reiner Wohngebiete als eine Nutzung als Anzuchtgarten bzw. gärtnerische oder friedhofsbezogene Nutzung, mag diese auch nicht besonders „idyllisch“ sein (vgl. hierzu sowie den entsprechenden Ursachen solcher Wirkungen OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 12.2.2016, 7 E 6816/15, juris, Rn. 44; Saarl. OVG, Urteil vom 5.12.1995, 2 R 3/95, juris, Rn. 32; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 13.12.1994, 3 S 1643/94, juris, Rn. 45). Einrichtungen mit solchen Störpotenzialen werden durch die besagte Festsetzung gerade nicht legalisiert, ebenso wenig wird die drittschützende, gebietsübergreifende Intention der besagten Festsetzung auch für Einrichtungen mit solchem Störpotenzial ausgeschlossen.

63

Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Entstehen eines solchen Störpotenzials der hier in Rede stehenden Einrichtung im Sinne eines Hineintragens einer aus den mit dem Vorhaben verbundenen, für die Bewohner ungünstigen Umständen (hohe Belegungsdichte, geringe Privatsphäre, persönliche Belastungen) resultierenden Unruhe in das Plangebiet entgegen der mit dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht vorzunehmenden typisierten Betrachtung wie auch nach einer Einschätzung der konkret zu erwartenden Verhältnisse von vornherein auszuschließen wäre. Auch der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 28.5.2015 bezieht sich nicht auf eine Erstaufnahmeeinrichtung, sondern auf eine Folgeeinrichtung, die zudem eine deutlich geringere Personenzahl aufnehmen sollte.

64

Die geschilderte Zweckbestimmung der Vorhabenfläche, die Festsetzungen des Bebauungsplans Ohlsdorf 12, der planerischen Wille, wie er in diesen Festsetzungen unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, sowie die beschriebene örtliche Situation dürften im Übrigen dem Plangebiet eine typische Prägung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verleihen, die das antragsgegnerische Vorhaben ebenfalls missachtet. Ein Widerspruch zu einer so geprägten Gebietseigenart liegt vor, wenn die Unangemessenheit des Vorhabens gegenüber dem vom Plangeber gezogenen Rahmen bei objektiver Betrachtungsweise augenscheinlich ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 20.1.2010, 2 Bs 242/09; Beschluss vom 5.6.2009, NordÖR 2009, 310). Hiervon ist schon deshalb auszugehen, weil sich die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Nutzung der Vorhabenfläche qualitativ – und nicht nur quantitativ – deutlich von einer gärtnerischen oder friedhofsbezogenen Nutzung wie auch von der Kleinmaßstäblichkeit der festgesetzten reinen Wohnnutzung unterscheidet (VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 54; vgl. zu diesem Maßstab auch OVG Hamburg, Urteil vom 2.7.2014, 2 Bf 186/10).

65

2. Der Anspruch der Antragsteller auf Einhaltung der (auch) ihrem Schutz dienenden planerischen Festsetzung wird nicht dadurch unbeachtlich, dass die Antragsgegnerin sich zur Rechtfertigung des Vorhabens eine auf § 246 Abs. 14 BauGB gestützte „Fachbehördliche Entscheidung“ erteilt hat, die von der streitgegenständlichen Baugenehmigung eingeschlossen wird. Diese Abweichungsentscheidung dürfte rechtswidrig sein. Insoweit lässt sich schon nicht feststellen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB zugunsten des Vorhabens der Beigeladenen erfüllt sind (hierzu unter a); zudem hat die Antragsgegnerin das ihr bei Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB eingeräumte Ermessen bei Erteilung der „Fachbehördlichen Entscheidung“ vom 17.11.2015 nicht fehlerfrei ausgeübt (hierzu unter b).

66

a) Die für das Vorhaben erteilte Abweichung von den in Rede stehenden planerischen Festsetzungen kann schon tatbestandlich nicht auf § 246 Abs. 14 BauGB gestützt werden. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB vom 17.11.2015 bereits verkannt, dass diese Abweichungsermächtigung nur für Ausnahmesachverhalte gilt (aa)); es ist nicht feststellbar, dass vorliegend der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet wäre (bb)).

67

aa) § 246 Abs. 14 BauGB steht nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck, der Normsystematik wie auch nach seiner Entstehungsgeschichte in einem Subsidiaritätsverhältnis gegenüber anderweitigen Möglichkeiten der bauplanungsrechtlich zulässigen Errichtung von Flüchtlingsunterkünften. Erst wenn im gesamten Gebiet der jeweiligen Gemeinde insbesondere auch unter Nutzung der Genehmigungsmöglichkeiten nach den Absätzen 8 bis 13 des § 246 BauGB der dringende Unterbringungsbedarf für Flüchtlinge nicht gedeckt werden kann, darf von der weitreichenden Abweichungsmöglichkeit nach Absatz 14 Gebrauch gemacht werden.

68

Im Einzelnen:

69

Der Wortlaut des durch das „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ neu geschaffenen § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB sieht vor, dass bis zum 31.12.2019 von den Vorschriften des Baugesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende abgewichen werden kann, soweit

70

auch bei Anwendung der § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können“. (Hervorhebungen hinzugefügt)

71

Hiernach soll sich die Abweichungsermächtigung nur auf bestimmte Vorhaben für Flüchtlingsunterkünfte beziehen, nämlich solche, die dringend benötigt werden und für die festgestellt werden kann, dass eine anderweitige Abhilfe nicht bzw. nicht rechtzeitig möglich ist. Für die Frage nach der anderweitigen Abhilfemöglichkeit ist das Gebiet der Gemeinde, in der das zur Abweichungsgenehmigung gestellte Vorhaben entstehen soll, in den Blick zu nehmen. Hierauf bezogen ist weiter danach zu fragen, ob selbst die Anwendung der Absätze 8 bis 13 des § 246 BauGB nicht dazu führen würde, dass der Bedarf gedeckt wäre.

72

Der Wortlaut erweist sich im Abgleich mit der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen (BT-Drs. 16/6185, S. 55 f.) insoweit auch nicht als ungenau oder irreführend. Insbesondere die gesetzgeberische Entscheidung, die Erlaubnis zu einer über alle sonstigen Möglichkeiten hinausgehenden Abweichung von planungsrechtlichen Vorgaben daran zu knüpfen, dass im gesamten Gebiet der Gemeinde – d.h. nicht lediglich auf dem Vorhabengrundstück – keine andere Genehmigungsmöglichkeit für (dringend benötigte) Unterkünfte besteht, findet hier deutlichen Ausdruck (aaO., S. 55):

73

„Die sehr weitgehende Abweichungsbefugnis soll an die Voraussetzungen gebunden sein, dass auch bei Anwendung von § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können. Die Betrachtung des Gemeindegebiets, in der [sic] die Unterkunft entstehen soll, ...“ (Hervorhebungen hinzugefügt)

74

Es entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift, die Abweichungsermächtigung nur nach einer gemeindeweiten Subsidiaritätsprüfung zu eröffnen. Die Deckung dringender Unterbringungsbedarfe für Flüchtlinge in der jeweiligen Gemeinde, die mit der Vorschrift erleichtert werden soll, ist ein auf die Gesamtheit der Gemeinde bezogener Belang, der als solcher keinen Bezug aufweist zu einem bestimmten Baugrundstück (bzw. zu dem Interesse an dessen intensiverer Ausnutzbarkeit). Hierfür soll zudem, wie zitiert, das bestehende Bauplanungsrecht nicht generell unbeachtlich werden, sondern nur so weit zurückgedrängt werden, wie es erforderlich ist. Vorrang haben alle möglichen Vorhaben zur Einrichtung von Unterkünften, die unmittelbar oder als Ausnahme mit dem Bebauungsplan vereinbar sind, für die es lediglich einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB bedarf bzw. – insoweit durch § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB hervorgehoben – für die auf die Abweichungsmöglichkeiten nach den Absätzen 8 bis 13 der Vorschrift zurückgegriffen werden könnte. Gerade weil die über die vorstehenden Möglichkeiten hinausgehende Abweichung nach Absatz 14 (in einem im Einzelfall zu bestimmenden Maße) an die Stelle dessen treten können soll, was nach bisheriger Rechtslage allein durch eine Bebauungsplanänderung (bzw. Aufstellung eines Bebauungsplans) rechtmäßig zu gestalten gewesen wäre, sind nach der Gesetzeskonzeption bei Anwendung der Vorschrift sowohl der Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde als auch die betroffenen Belange und die rechtssichernde Bedeutung des Planungsverfahrens zu würdigen. Die Entwurfsbegründung räumt hierzu ausdrücklich ein, dass bundesverfassungsrechtliche Grenzen zur Geltung zu bringen sind:

75

„Eine sich aus der örtlichen Situation ergebende Plausibilität der Erforderlichkeit des Vorhabens ist zur Vermeidung eines ausufernden Gebrauchs dieser Abweichungsbefugnis ausreichend, aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Hinblick auf den Eingriff in Artikel 28 Absatz 2 GG aber auch erforderlich.“ (aaO., S. 55) (Hervorhebungen hinzugefügt)

76

Wegen der Bedeutung der Abweichungsgenehmigung als teilweiser materieller Planersatz soll der Entscheidungsrahmen und -prozess zumindest teilweise dem Planungsverfahren nachgebildet werden (aaO., S. 55):

77

„Insbesondere bei dieser Abweichungsmöglichkeit ist den Behörden anzuraten, informelle Möglichkeiten der Öffentlichkeitsbeteiligung zu nutzen ... Vergleichbar zu § 37 BauGB werden zur Prüfung der Erforderlichkeitdie widerstreitenden öffentlichen Belange, auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen, zu gewichten sein ...Eine Missachtung konkreter Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse kann nicht im Sinne des Absatzes 14 erforderlich sein (vgl. § 1 Absatz 6 Nummer 1 BauGB und Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG).“ (aaO., S. 55) (Hervorhebungen hinzugefügt)

78

Zudem ist – dies ist in der unbeschränkten Bezugnahme auf § 37 Abs. 3 BauGB, d.h. auch auf dessen Satz 2 („Muß infolge dieser Maßnahmen ein Bebauungsplan aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, sind ihr auch die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen.“) in Satz 9, 1. Halbsatz des § 246 Abs. 14 angelegt – in den Blick zu nehmen, dass die Planabweichung im weiteren Verlauf, d.h. bei einer Verstetigung der Nutzung, durch eine Anpassung des Bebauungsplans in das geordnete Planrecht zu überführen wäre.

79

Dem entspricht es im Übrigen wiederum für die Subsidiarität der Anwendung von § 246 Abs. 14 BauGB, mit fortschreitendem Zeitablauf seit Feststellung des Grundsatzproblems unzureichender Unterkunftskapazitäten und bei Verstetigung von Entwicklungen (wie sie auch die Antragsgegnerin für ihre Jahresbedarfsprognose 2016 geltend zu machen scheint) als gegenüber der Inanspruchnahme von § 246 Abs. 14 BauGB vorrangiges Mittel das Planänderungsverfahren zu prüfen.

80

Die auf eine gemeindeweite Betrachtung der Bedarfsdeckungsmöglichkeiten bezogene Subsidiarität der Ermächtigung in Absatz 14 des § 246 BauGB findet in dem systematischen Zusammenhang mit den in Bezug genommenen Absätzen 8 bis 13 deutliche Bestätigung. Die auf diese Absätze verweisende Subsidiaritätsbestimmung lenkt schon ihrerseits den Blick gleichsam über das gesamte Gemeindegebiet, denn diese Bestimmungen betreffen verschiedenste Grundstücke, gelegen im unbeplanten Innenbereich (Absätze 8, 10, 11 und 12), im Außenbereich (Absätze 9 und 13), im Gewerbegebiet (Absatz 10), in Baugebieten nach den §§ 2 bis 7 der Baunutzungsverordnung (Absatz 11), bzw. allgemein in überplanten Bereichen (Absatz 12).

81

Auf die genannten, planungsrechtlich teilweise sehr unterschiedlich zu bewertenden Bereiche zugeschnitten bieten die Absätze 8 bis 13 spezifisch eingegrenzte Abweichungsmöglichkeiten. Sollte nun, wie die Antragsgegnerin es zu vertreten scheint, allein bezogen auf ein konkretes Vorhabengrundstück danach zu fragen sein, ob die dem Absatz 14 des § 246 BauGB vorangehenden, spezifischen Bestimmungen hierfür die Unterkunftsnutzung ermöglichen, und bei Verneinung gerade die Anwendung von Absatz 14 und damit die weitestgehenden Abweichungen eröffnet werden, so liefen alle Einschränkungen der spezielleren Normen leer bzw. könnten umgangen werden. Besonders augenfällig ist dies im Vergleich zu Absatz 12 der Vorschrift. § 246 Abs. 12 BauGB eröffnet eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für Nutzungsänderungen und mobile Unterkünfte lediglich für eine auf drei Jahre befristete Genehmigung. Folgte man dem Ansatz der Antragsgegnerin – deren Abweichungsentscheidung die Anwendbarkeit von Absatz 12 mit der Begründung ablehnt, es handele sich hier ungeachtet der Containermodulbauweise wegen „fester“ Gründung nicht um eine „mobile Unterkunft“ –, so könnte allein durch gewillkürte bauliche Maßnahmen diejenige Ermächtigungsnorm eröffnet werden, die den tiefsten, am schwierigsten zu rechtfertigenden Eingriff in das durch den Bebauungsplan gestaltete Interessengeflecht ermöglicht.

82

Vor dem Hintergrund des eindeutigen Befundes der vorstehenden Normauslegung kann letztlich offen bleiben, inwieweit auch höherrangiges Recht, insbesondere im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation (zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 67) es gebietet, § 246 Abs. 14 BauGB als strikt subsidiäre Vorschrift zu verstehen, die lediglich als ultima ratio dann Planabweichungen eröffnet, wenn anders im Gebiet der Gemeinde dringende Unterbringungsbedarfe für Flüchtlinge und Asylbegehrende nicht gedeckt werden können.

83

bb) Es ist in Bezug auf die hier fragliche Subsidiarität der Anwendung von § 246 Abs. 14 BauGB nicht feststellbar, dass vorliegend der Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit eröffnet wäre bzw. gewesen wäre, als es hamburgweit keine andere, ohne Heranziehung der Abweichungsermächtigung eröffnete Möglichkeit der Deckung des Unterbringungsbedarfs gegeben hat bzw. gibt.

84

Für die Erteilung der streitgegenständlichen Abweichung im November 2015 hat die Antragsgegnerin ausweislich des Begründungstextes, mit dem allein in Bezug auf das Vorhabengrundstück die Anwendbarkeit der Absätze 8 bis 13 des § 246 BauGB erörtert wird, keine auf ihr gesamtes Gebiet – d.h. gemäß § 246 Abs. 5 BauGB das Gemeindegebiet – bezogenen Feststellungen getroffen. Sie hat zudem seinerzeit und seitdem gestützt auf andere Rechtsgrundlagen weitere Einrichtungen geschaffen. Die aktuellen öffentlichen Stellungnahmen des Senats der Antragsgegnerin – insbesondere auch gegenüber der Hamburgischen Bürgerschaft (vgl. u.a. Drs. 21/3362, S. 2: „Der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge schafft kontinuierlich neue Plätze für die Erstaufnahme im gesamten Stadtgebiet“, und Drs. 21/3091, Anlage, wonach neue Unterkünfte (auch) auf den Genehmigungsgrundlagen der §§ 31 Abs. 2, 246 Absätze 9, 10, 11 BauGB geplant werden) – sprechen auch weiterhin dagegen, dass die sonstigen Möglichkeiten erschöpft wären. Dementsprechend (d.h. ungeachtet der Frage, ob bei der Aussage herkömmliche Instrumente der Sicherung bauplanungsrechtlicher Verträglichkeit beachtet worden waren) ist nicht nachvollziehbar, wie die Antragsgegnerin zu ihrer summarischen Aussage in dem Schriftsatz vom 6.1.2016 gelangen konnte, „auch gesamtstädtisch“ hätten „die Instrumente von § 246 Abs. 8 – 13“ nicht ausgereicht, die vorgelegten spezifischen Darstellungen zur Grundstückssuche bzw. Bedarfsdeckung indes teils schon mangels Kenntnis von der Norm wegen ihrer Entstehung vor Inkrafttreten des § 246 Abs. 14 BauGB (vgl. Anlage AG 3, Anlage AG 4), teils von dem Kenntnismangel unabhängig (Anlage AG 2) gerade nicht dem Subsidiaritätsgebot entsprechend differenziert. Der als Anlage AG 2 vorgelegte „Monitoringbericht“ des „Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge“ vom 6.1.2016 enthält zu der Frage, ob die Schaffung der darin als benötigt dargestellten Unterbringungskapazitäten unter Rückgriff auf § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB möglich wäre, oder mangels solcher Möglichkeit im gesamten Gebiet der Antragsgegnerin auf § 246 Abs. 14 BauGB zurückzugreifen wäre, keine erkennbare Prüfung. Vielmehr beschränkt sich die Antragsgegnerin darin auf die Aussage, sie sei gezwungen, wo nötig bis zur Herstellung neuen Planrechts

85

„übergangsweise auch die gesetzlichen Möglichkeiten zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in Abweichung von bisherigem Planrecht nach dem Bauplanungsrecht (§ 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB) und dem Polizeirecht in Anspruch zu nehmen“ (S. 2 des Monitoringberichts),

86

und gibt damit zu verstehen, dass sie eine vorrangige Anwendung des herkömmlichen Bauplanungsrechts bzw. der Absätze 8 bis 13 des § 246 BauGB – welche auch erleichterte Möglichkeiten zur Abweichung von geltendem Planungsrecht eröffnen – gerade nicht in Betracht zieht, sondern von vornherein auf eine Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB setzt (vgl. auch S. 4, 25, 27 des Monitoringberichts).

87

Dementsprechend ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass einer Ermittlung der Bedarfe und der Bedarfsdeckungsmöglichkeiten nach dem Muster des Monitoringberichts auch in dem Fall voraussichtlich nicht zu folgen wäre, in dem die Antragsgegnerin die Einschätzung vertreten sollte, dass sie nur noch über die Anwendung von § 246 Abs. 14 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten schaffen könnte. Das gilt unabhängig davon, dass die Bedarfseinschätzung durch die Antragsgegnerin möglicherweise – wie sie es im vorliegenden Verfahren auch für sich in Anspruch nimmt – als Prognoseentscheidung nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Voller gerichtlicher Prüfung unterliegt jedenfalls die Frage, inwieweit der richtige Beurteilungsmaßstab, innerhalb dessen gegebenenfalls eine bloße Plausibilitätskontrolle vorgenommen werden könnte, gewählt ist: Einschränkungen gerichtlicher Kontrollaufgaben bzw. -befugnisse und die damit einhergehende Beschränkung des aus Art. 20 GG folgenden Rechtsgewährleistungsanspruchs des Bürgers sind verfassungsrechtlich nur in wenigen Fällen eröffnet, in denen die Verwaltung entweder über einen für das Gericht uneinholbaren Wissensvorsprung verfügt oder eine mit tatsächlichen Unsicherheiten behaftete Prognoseentscheidung in Rede steht (BVerfG, Beschluss vom 2.6.2008, 1 BvR 349/04, NVwZ 2008, 1229, 1231; Beschluss vom 7.5.2008, 2 BvE 1/03, juris, Rn. 82; BVerwG, Urteil vom 29.1.1991, 4 C 51/89, NVwZ-RR 1991, 601; OVG Weimar, Beschluss vom 30.5.2012, 2 EO 890/11, BeckRS 2012, 58713). Mag letzteres für die Prognose der Zahl der in eine Gemeinde zukünftig gelangenden Asylbegehrenden und damit auch hinsichtlich der entsprechend vorzuhaltenden Unterbringungskapazitäten gelten, gilt es nicht für die Frage, inwieweit bei der Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB der richtige örtliche Beurteilungsrahmen – Gebiet der Gemeinde, in der die Unterbringungseinrichtung entstehen soll, und nicht das konkrete Vorhaben – hinsichtlich der gesetzgeberisch vorgegebenen vorrangigen Anwendung der § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB gewählt worden ist. Erst nach korrekter Festlegung des im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Absätze 8 bis 13 anzulegenden Betrachtungsrahmens kann in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle Rücksicht auf Prognoseunsicherheiten genommen werden. Hinsichtlich der Frage, ob bei Vornahme einer Prognoseentscheidung der relevante Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und der Prognose eine geeignete Methode zugrunde gelegt worden ist, ist auch eine Prognoseentscheidung gerichtlich voll überprüfbar und die gerichtliche Kontrolldichte nicht eingeschränkt (so BVerfG, Beschluss vom 2.6.2008, 1 BvR 349/04, NVwZ 2008, 1229, 1231; OVG Münster, Urteil vom 10.6.2008, 13 A 1779/06, juris, Rn. 72).

88

Der Ansatz in dem Monitoringbericht, für die Bedarfsermittlung sei auf die insgesamt anzunehmenden Zahlen an Personen abzustellen, die das Gebiet der Antragsgegnerin erreichen, dürfte insoweit nicht ausreichen. Vielmehr wird es spezifisch auf die benötigten Kapazitäten an Plätzen in Folgeunterkünften ankommen: Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen der Unterbringung in die Bundesrepublik einreisender Asylbegehrender in Erstaufnahmeeinrichtungen (§ 47 Abs. 1 AsylG) und Folgeunterbringungen (§ 53 AsylG). Zwischen diesen beiden Unterbringungsformen bestehen erhebliche, insbesondere auch bauplanungsrechtlich bedeutsame Unterschiede. Während jeder in das Bundesgebiet einreisende Asylbegehrende gemäß § 47 Abs. 1 AsylG verpflichtet ist, bis zu sechs Wochen, längstens bis zu sechs Monate, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist eine Unterbringung in Folgeunterkünften nur für solche Ausländer vorgesehen, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 47 AsylG zu wohnen, mithin nicht innerhalb der ersten sechs Monate ihres Aufenthalts das Bundesgebiet wieder verlassen haben – sei es freiwillig im Zuge einer Weiterreise in andere Staaten oder freiwilligen Rückkehr, sei es im Wege des Verwaltungsvollzugs. Dieser Unterschied zwischen Erstaufnahmeeinrichtungen und Folgeunterkünften muss sich im Rahmen einer Beurteilung der Frage wiederspiegeln, ob dringend benötigte Unterbringungsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, in Anwendung der allgemeinen bauplanungsrechtlichen Vorschriften bzw. der Absätze 8 bis 13 des § 246 BauGB geschaffen werden können, oder ob hierzu auf den subsidiären § 246 Abs. 14 BauGB zurückgegriffen werden darf.

89

Dies ist vorliegend – auch unter Zugrundelegung des umfangreichen Vortrags der Antragsgegnerin zu ihrer Einschätzung des Unterbringungsbedarfs – nicht festzustellen. Die Antragsgegnerin hat sich insofern im Wesentlichen darauf beschränkt, allgemein den von ihr prognostizierten Unterbringungsbedarf geltend zu machen, ohne dabei in der gebotenen Trennschärfe zwischen benötigten Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen und in Folgeunterbringungseinrichtungen zu unterscheiden. Insbesondere der vorgelegte „Monitoringbericht“ enthält in erster Linie Darstellungen zu den insgesamt im Gebiet der Antragsgegnerin ankommenden Personen, welche indes zunächst gemäß den Vorgaben des Asylgesetzes nicht in Folgeunterbringungseinrichtungen, sondern in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen wären bzw. sind. In Bezug auf Folgeunterkünfte beschränkt sich der Monitoringbericht auf die eher allgemeine Aussage, im Bereich der Folgeunterbringung müssten „etwa 30 neu zu errichtende Gemeinschaftsunterbringungen mit jeweils etwa zwischen 50 und 1.000 Plätzen“ geplant werden. Eine konkrete Erläuterung dieser Aussage bzw. eine Prognose, wie viele der insgesamt in Hamburg ankommenden Menschen innerhalb welchen Zeitraums einen Anspruch auf Unterbringung in einer Folgeunterbringungseinrichtung erwerben könnten, enthält der Monitoringbericht ebenso wenig wie eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die Schaffung dieser – allgemein – als Bedarf angesehenen Kapazitäten unter Nutzung bereits regulär planungsrechtlich hierfür geeigneter Flächen oder unter Nutzung der erleichterten Möglichkeiten nach § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB möglich wäre. Es wird lediglich auf das Erfordernis eines „massiven Ausbaus“ auch dieser Unterbringungsform hingewiesen (S. 18 f. des Monitoringberichts), ohne auch hierbei auf die Frage der Subsidiarität des § 246 Abs. 14 BauGB einzugehen.

90

Die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vorgelegten – wenigen – Zahlen zum Bedarf an Folgeunterbringungsplätzen lassen auch nicht darauf schließen, dass die Schaffung dieser Kapazitäten unter Anwendung insbesondere der § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB im Bereich der Folgeunterbringung im Gebiet der Antragsgegnerin in Zukunft unmöglich sein wird, so dass absehbar eine Auseinandersetzung mit dieser Frage unterbleiben könnte und ein Rückgriff auf § 246 Abs. 14 BauGB offensichtlich die einzige Möglichkeit zur Schaffung der benötigten Kapazitäten im Gebiet der Antragsgegnerin wäre: Ausweislich des Vortrags der Antragsgegnerin betrug die Zahl der Überresidenten in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die eigentlich Anspruch auf Unterbringung in einer Folgeunterbringungseinrichtung hätten, 4.692 Personen im Oktober 2015 (S. 19 des Monitoringberichts), 1.665 Personen am 27.11.2015, 2.387 Personen am 28.12.2015 und 2.752 Personen am 22.1.2016 (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.1.2016).

91

b) Die Antragsgegnerin hat darüber hinaus bei Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung und der hierin eingeschlossenen Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB das ihr in letzterer Hinsicht eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Sie hat es versäumt, die für diese Gestaltungsentscheidung relevanten Belange ordnungsgemäß und vollständig zu ermitteln und in ihre Ermessensausübung einzubeziehen.

92

Ähnlich wie bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB handelt es sich im Falle einer auf § 246 Abs. 14 BauGB gestützten Baugenehmigung um einen auf einer gebundenen Entscheidung basierenden Verwaltungsakt, in welchen (jedenfalls, vgl.u.) eine Ermessensentscheidung über die Abweichung von planungsrechtlichen Vorgaben integriert ist.

93

Die Ermächtigung zu einer Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB sieht keine gebundene Rechtsfolge vor; § 246 Abs. 14 BauGB eröffnet der zuständigen Behörde einen jedenfalls als Ermessen ausgestalteten Spielraum. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, welcher keine gebundene Rechtsfolge vorsieht, sondern ausdrücklich davon spricht, dass bei Erfüllung der durch Absatz 14 normierten Tatbestandsvoraussetzungen von den Vorschriften des Baugesetzbuchs oder den aufgrund dessen erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden „kann“. Auf Ermessen bzw. einen Gestaltungsspielraum deutet im Übrigen auch die entsprechende Formulierung in der Begründung des Entwurfs des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes hin:

94

„... soll in einem Sondertatbestand geregelt werden, dass für Aufnahmeeinrichtungen ...von den Vorschriften des BauGB ... in erforderlichem Umfang abgewichen werden kann“ (BT-Drs. 18/6185, S. 55)

95

Der Ermächtigung zu einer nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterworfenen Gestaltungsentscheidung korrespondiert die Pflicht der für die Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB zuständigen Behörde – hier der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Antragsgegnerin –, alle für ihre Ermessensausübung relevanten Belange und die diesen zugrunde liegenden Tatsachen ordnungsgemäß und vollständig zu ermitteln. Geschieht dies nicht, ist die Ermessensentscheidung fehlerhaft und stellt die Erteilung einer Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB eine fehlerhafte Rechtsfolgenwahl dar.

96

Insoweit kann hier im Ergebnis offen bleiben, ob die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen und vollständigen Ermittlung der ermessensrelevanten Belange im Falle des § 246 Abs. 14 BauGB daraus folgt, dass eine unvollständige Ermittlung der ermessensrelevanten Belange neben einer generellen Verkennung des Bestehens von Ermessen (Ermessensausfall) oder einer Fehlgewichtung ermessensrelevanter Belange (entweder einzeln oder im Verhältnis zueinander) generell einen beachtlichen und gerichtlich überprüfbaren Fehler jeder Ermessensentscheidung darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.7.1979, 1 BvR 650/77 , BVerfGE 51, 386, 399 f.; BVerwG, Urteil vom 18.3.1983, 1 C 99/78, NJW 1983, 1988; Aschke, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Ed. 30, Stand: 1/2016, § 40, Rn. 53). Möglich erscheint auch, dass sich die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen und vollständigen Ermittlung sämtlicher ermessensrelevanter Belange im Falle der Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB daraus ergibt, dass diese Entscheidung materiell mit einer Planungsentscheidung gleichzusetzen ist mit der Folge, dass an sie die Maßstäbe einer planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB anzulegen sind. Für letzteres spricht, dass diese Norm es der Verwaltung dem Wortlaut nach ohne gegenständliche Einschränkung ermöglicht, sich über jede in einem Bebauungsplan enthaltene Festsetzung hinwegzusetzen, obwohl die Festsetzungen im Einzelnen und in ihrem Zusammenwirken Ausdruck der durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten kommunalen Planungshoheit sind. Soll § 246 Abs. 14 BauGB aber die obere Verwaltungsbehörde in die Lage versetzen, selbst anstelle der eigentlich zuständigen Gemeinde eine abweichende, ebenfalls langfristig wirksame Entscheidung zu treffen, spricht im Sinne des an die Stelle des unmittelbar auf das Ergebnis bezogenen Rechtsschutzes tretenden „Rechtsschutzes durch Verfahren“ viel dafür, an die dabei von der Behörde zu treffende Gestaltungsentscheidung ähnliche Anforderungen zu stellen wie an die einer planerischen Entscheidung der Gemeinde zugrundeliegende Abwägung i.S.v. § 1 Abs. 7 BauGB. Materielle Planungsentscheidungen sind bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen an das Abwägungsgebot gebunden (BVerfG, Beschluss vom 14.5.1985, 2 BvR 397-399/82, BVerfGE 70, 35, 50; BVerwG, Urteil vom 11.12.1981, 4 C 69/78, BVerwGE 64, 2703, 273; Urteil vom 9.9.1988, 4 B 37/88, NuR 1990, 111, 113; Urteil vom 29.1.1991, 4 C 51/89, BVerwGE 87, 332, 341 ff.). Dementsprechend liegt es nahe, dass eine Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB unter die Maßstäbe der Abwägungsfehlerlehre und das Gebot planerischer Konfliktbewältigung fällt (vgl. Durner, DVBl. 2015, 1605, 1607). Speziell die Anforderungen an die zutreffende Ermittlung der ermessensrelevanten Belange verstärken sich dabei in dem Maß, in dem die Ermessensentscheidung in Grundrechte der Betroffenen bzw. verfassungsrechtlich geschützte Belange eingreift (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.7.1979, 1 BvR 650/77, BVerfGE 51, 386, 399 f.; Beschluss vom 1.7.1987, 2 BvR 478, 962/86 , BVerfGE 76, 143, 163 ff.). Auch bei einem solchen Verständnis der Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB wäre die Antragsgegnerin insbesondere zur ordnungsgemäßen und vollständigen Ermittlung sämtlicher für ihre Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB ermessensrelevanten Belange verpflichtet gewesen, denn auch die planerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB verpflichtet die Gemeinde, eine Abwägung überhaupt vorzunehmen, die abwägungsrelevanten Belange vollständig und ordnungsgemäß zu ermitteln und sie sowohl einzeln als auch untereinander fehlerfrei zu gewichten (ständ. Rspr. des BVerwG seit Urteil vom 12.12.1969, IV C 105.66, BVerwGE 34, 301, 309; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 1, Rn. 93). Geschieht dies nicht, ist die Abwägung – bzw. die Ermessensausübung nach § 246 Abs. 14 BauGB – in gerichtlich überprüfbaren Aspekten fehlerhaft.

97

Diesen Anforderungen genügt die der fachbehördlichen Abweichungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 17.11.2015 zugrunde liegende Ermittlung der ermessensrelevanten Belange nicht. Eine Entscheidung darüber, inwieweit sie die von ihr ermittelten und in ihre Ermessensbetätigung eingestellten Belange gegenüber dem – ebenfalls mit hohem Gewicht ausgestatteten Belang der Unterbringung Asylbegehrender (vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88) – richtig gewichtet hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu treffen.

98

Die Unvollständigkeit bzw. Fehlerhaftigkeit der Ermittlung der für ihre Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB relevanten Belange durch die Antragsgegnerin folgt bereits daraus, dass die Entscheidung am 17.11.2015 und damit zu einem Zeitpunkt erging, in welchem das durch die streitgegenständliche Baugenehmigung legalisierte Vorhaben noch nicht in der Form konkretisiert war, die letztendlich Gegenstand der Baugenehmigung geworden ist.

99

Die Abweichungsentscheidung ist nicht als abstrakte Entscheidung vorab denkbar, von der im Anschluss in verschiedenen Ausformungen eines Vorhabens Gebrauch gemacht werden könnte. Eine sachgerechte Entscheidung setzt wegen ihrer konkret planersetzenden Bedeutung notwendig die vollständige Kenntnis aller planungsrechtlich relevanten Umstände des Vorhabens voraus.

100

Daran fehlte es hier. Zwar wurde der Bauantrag hierfür bereits unter dem 11.11.2015 eingereicht. Im Anschluss an die Erteilung der Abweichungsentscheidung vom 17.11.2015 wurden die Antragsunterlagen jedoch geändert, und dies auch im Hinblick auf potenziell nachbarbetreffende Belange. So wurde von den von der Antragsgegnerin beauftragten Architekten am 30.11.2015 noch ein aktualisierter Lageplan („Index 05“), welcher die Lage der Zufahrt zur geplanten Einrichtung betraf, sowie eine um das Verkehrsaufkommen ergänzte Betriebsbeschreibung als Austausch für zuvor eingereichte Bauantragsunterlagen bei dem für die Erteilung der Baugenehmigung zuständigen Bezirksamt eingereicht (Bl. 3/S 45 d. Bauakte). Bereits unter dem 25.11.2015 hatten die Architekten, ebenfalls im Austausch für zuvor eingereichte Bauantragsunterlagen, u.a. schon einen aktualisierten Lageplan („Index 04“) sowie eine Darstellung der internen Verkehrserschließung für Fahrzeuge größer als ein Pkw beim zuständigen Bezirksamt eingereicht.

101

Ferner lässt die fachbehördliche Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 246 Abs. 14 BauGB vom 17.11.2015 nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin die Frage einer möglichen von der geplanten Einrichtung hervorgerufenen Immissionsbelastung, die auf die Grundstücke der Antragsteller oder anderer Nachbarn einwirken kann, bzw. die dieser Frage zugrunde liegenden Tatsachen ordnungsgemäß und vollständig ermittelt hat. Eine vollständige und ordnungsgemäße Ermittlung dieser Belange bzw. der zugrunde liegenden Tatsachen wäre vor einer Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 246 Abs. 14 BauGB jedoch geboten gewesen. Von Relevanz für die einer planerischen Abweichungsentscheidung zugrunde liegende Ermessensbetätigung (und damit zuvor vollständig und ordnungsgemäß zu ermitteln) sind alle Belange, die potenziell auch Auswirkungen auf den Rücksichtnahmeanspruch planungsrechtlicher Nachbarn haben können (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 68, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 25.2.1977, 4 C 22.75, juris). Dabei sind als ein wesentlicher Belang die Immissionsverhältnisse und die dadurch hervorgerufenen Belastungen der Nachbarschaft in den Blick zu nehmen (OVG Münster, Urteil vom 22.5.2014, 8 A 3002/11, juris, Rn. 138).

102

Die vorliegend in Rede stehende Entscheidung der Antragsgegnerin lässt nicht erkennen, dass potenzielle Immissionsbelastungen in der Form von Lärm- oder Lichtimmissionen von der Antragsgegnerin ordnungsgemäß in ihre Ermessenserwägungen einbezogen worden wären. Ebenso wenig finden sich Hinweise darauf, dass die Antragsgegnerin versucht hätte, durch nachbarschützende Nebenbestimmungen eine Lösung potenzieller Immissionskonflikte herbeizuführen. Mögliche Lärmimmissionen werden in dieser Entscheidung nicht ernstlich ermittelt. Vielmehr wird die Zumutbarkeit der geplanten Einrichtung lediglich aufgrund eines knappen, überschlägigen Vergleichs zwischen der nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässigen Nutzungsart auf der Vorhabenfläche und der geplanten Nutzung angenommen. Weder wird indes die konkret aufgrund der nach dem Bebauungsplan zugelassenen Nutzung zu erwartende Lärmbelastung ermittelt, etwa durch Bestimmung des Emissionsverhaltens der von der Antragsgegnerin beispielhaft in Bezug genommenen Maschinen (Komposter, Shredder), noch wird eine konkrete Prognose – gar unter Einbeziehung einer zuvor eingeholten Lärmimmissionsprognose oder unter Rückgriff auf Erfahrungswerte aus vergleichbaren Einrichtungen – des von der geplanten Anlage ausgehenden Lärms vorgenommen. Dies wäre angesichts der erheblich unterschiedlichen Nutzungsformen – friedhofsbezogene Nutzung (mit geringen Betriebszeiten) und Nutzung durch eine große soziale Einrichtung in Containerbauweise mit halboffenen, aus Metall gefertigten Außentreppen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 52 unter Verweis auf OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15; Saarl. OVG, Urteil vom 5.12.1995, 2 R 3/95, juris, Rn. 32; VGH Mannheim, Urteil vom 13.12.1994, 3 S 1643/94, juris, Rn. 45) – und daraus resultierender unterschiedlicher Immissionsbelastungen für die Nachbarschaft notwendig gewesen.

103

Auch die nicht weiter substantiierte Annahme der Antragsgegnerin, der Betrieb der geplanten Einrichtung werde im Hinblick auf den davon hervorgerufenen Kfz-Verkehr nicht zu unzumutbaren Lärmimmissionen für die Nachbarschaft führen, wirft erhebliche Zweifel auf. Eine solche pauschale Annahme kann keine konkrete Sachverhaltsermittlung ersetzen. Die Ansicht der Antragsgegnerin, „nennenswerter Kfz-Verkehr" werde durch die Anlage nicht ausgelöst (S. 3 der Abweichungsentscheidung vom 17.11.2015) und Kfz-Verkehr werde ausschließlich durch die in der Einrichtung tätigen Mitarbeiter hervorgerufen, erscheint als unzureichende Ermittlung ermessensrelevanter Belange, da sie diverse mögliche zusätzliche Ursachen für durch die Einrichtung ausgelöstes Verkehrsaufkommen ausblendet und dementsprechend nicht in ihre Ermessensbetätigung einstellt. So liegt es nahe, dass der Betrieb der geplanten Einrichtung zu mehr Kfz-Verkehr führen wird als nur zu An- und Abfahrverkehr des in der Einrichtung tätigen Personals. Einrichtungen zur Unterbringung von mehreren Hundert Menschen – insbesondere auch Einrichtungen zur Folgeunterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden – lösen typischerweise erheblichen weiteren Verkehr aus (vgl. für eine Einrichtung zur Folgeunterbringung: OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43). So ist nicht nur damit zu rechnen, dass die Einrichtung neben dem Verkehr durch darin tätiges Personal auch von Handwerksbetrieben oder ähnlichen Dienstleistern zur Vornahme von Reparatur- oder Wartungsarbeiten angefahren wird, sondern auch durch Lieferfahrzeuge sowie Fahrzeuge zur Abfallentsorgung. Ebenso ist damit zu rechnen, dass neu in die Einrichtung einziehende Bewohner diese nicht zu Fuß erreichen, sondern mit Bustransporten – die Betriebsbeschreibung spricht insofern von Kleinbussen – oder bei kleineren Gruppen auch per Taxi oder Pkw-Transfer. Anders als bei Erstaufnahmeeinrichtungen ist auch Besucherverkehr gerade nicht ausgeschlossen. Zudem liegt es nicht fern, dass die in der Einrichtung u.U. über mehrere Jahre untergebrachten Personen, etwa größere Familien, im Laufe der Zeit selbst über Kraftfahrzeuge verfügen. Es wäre jedenfalls Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen, durch Betrachtung anderer Einrichtungen zur Folgeunterbringung eine auf Erfahrungswerten beruhende erste Prognose der Nutzung von Kfz durch Bewohner der Einrichtung anzustellen; dafür ist nichts ersichtlich.

104

Betrachtungen zu anderen Immissionsbelastungen, insbesondere Lichtimmissionen, fehlen in der fachbehördlichen Abweichungsentscheidung vom 15.11.2015 vollständig. Das Entstehen auch solcher Immissionen, insbesondere auch im Vergleich zu einer friedhofsgärtnerischen Nutzung, ist im Falle der Schaffung einer Einrichtung zur Unterbringung von 700 Menschen auf vergleichsweise engem Raum indes ebenfalls nicht so offensichtlich auszuschließen, dass ihre Einbeziehung in die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin von vornherein hätten unterbleiben können. Denkbar sind insofern beispielsweise Lichtimmissionen durch die nächtliche Beleuchtung, wenn nicht der Zaunanlage, so jedenfalls der an den Gebäuden vorhandenen Außentreppen oder der Wege des Einrichtungsgeländes.

105

Darüber hinaus hat es die Antragsgegnerin versäumt, die aus der gegenüber der nach dem Bebauungsplan vorgesehenen Grundstücksnutzung deutlich intensivierten Nutzung durch die geplante Einrichtung resultierenden sozialen Umfeldauswirkungen im Sinne der hierdurch hervorgerufenen Belastungen der Wohnruhe in den angrenzenden Wohngebieten, in denen auch die antragstellerischen Grundstücke belegen sind, ordnungsgemäß zu ermitteln. Soziale Umfeldauswirkungen eines Bauvorhabens sind als ermessensrelevante Belange von Nachbarn im Rahmen von Abweichungsentscheidungen zu berücksichtigen, wenn sie zum einen mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb einer Anlage der fraglichen Art typischerweise verbunden sind und zum anderen eine konkrete räumliche Wirkungsbeziehung zum betreffenden Nachbargrundstück aufweisen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 12.2.2016, 7 E 6816/15, juris, Rn. 104; Beschluss vom 6.11.2015, 7 E 5650/15; Beschluss vom 19.1.2015, 7 E 5893/14 m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 4.4.2011, 25 K 5561/10, juris). Kann dies der Fall sein, sind die entsprechenden Belange und die hierauf bezogenen Tatsachen im Rahmen der Ermessensbetätigung zu ermitteln und in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Angesichts des Umstandes, dass die im Bebauungsplan vorgesehene Nutzungsform (friedhofsgärtnerische Nutzung) und die durch die geplante Einrichtung vorgesehene Nutzung (große soziale Einrichtung für bis zu 700 Menschen) erheblich voneinander abweichen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 52 unter Verweis auf OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris; Saarl. OVG, Urteil vom 5.12.1995, 2 R 3/95, juris, Rn. 32; VGH Mannheim, Urteil vom 13.12.1994, 3 S 1643/94, juris, Rn. 45), wären die entsprechenden Belange und die diesen zugrunde liegenden Tatsachen ebenfalls in die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin einzustellen gewesen. Es liegt jedenfalls nicht auf der Hand, dass die von der geplanten Einrichtung ausgehenden sozialen Umfeldauswirkungen – beispielsweise mögliche Auseinandersetzungen zwischen untergebrachten Personen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 4.4.2011, 25 K 5561/10, juris) oder lautstarke Aktivitäten im Freien (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43), Ausdehnung solcher Aktivitäten auch auf den als „Spielstraße“ ausgewiesenen „Erna-Stahl-Ring“ – offensichtlich ohne jede Relevanz für die Belange der Antragsteller wären, mit ihr keinerlei typischerweise potenziell nachbarbelastenden Auswirkungen verbunden wären oder keine konkrete räumliche Wirkungsbeziehung zu den Grundstücken der Antragsteller bestünde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Vorhabengrundstück sich in einer Art „Kessellage“ befindet und aufgrund seiner Begrenzung durch den Ohlsdorfer Friedhof nach Süden und die durch Privatgrundstücke geprägte Bebauung entlang der Straßen „Große Horst“ und „Vor dem Berge“ nach Osten hin die nördlich vom Einrichtungsgelände belegene, als „Spielstraße“ ausgewiesene Fläche des „Erna-Stahl-Rings“ eine der wenigen Möglichkeiten für in der Einrichtung untergebrachte Personen bieten würde, sich außerhalb des umzäunten, eher eng bebauten Einrichtungsgeländes, aber doch in Einrichtungsnähe im Freien aufzuhalten. Ferner ist in der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts – auch für eine Folgeunterkunft – geklärt, dass eine größere Einrichtung zur öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern bei typisierender Betrachtung mit nachbarbelastenden Auswirkungen verbunden sein kann, die in einem reinen Wohngebiet sogar zur generellen Gebietsunverträglichkeit solcher Einrichtungen führen (OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43 ff.). Auch eine konkrete Wechselbeziehung zu den Grundstücken der Antragsteller ist nicht von vornherein auszuschließen. Deren Grundstücke liegen in unmittelbarer Nähe zur Vorhabenfläche, was die Antragsteller – als (Mit-) Eigentümer – zu planungsrechtlich betroffenen Nachbarn macht. Dies wird durch die Baugenehmigung nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Zugang zum Einrichtungsgelände an dessen südöstlicher Ecke gelegen sein soll. Ohnehin weisen Fußwegverbindungen etwa zum S-Bahnhof „Kornweg“ (bzw. zu nördlich davon zu findenden Einrichtungen wie Post, Sparkasse, Apotheke) in das nördlich angrenzende Gebiet.

106

Unabhängig von der Frage, wie die Antragsgegnerin in einem zweiten Schritt die möglichen Belange der Antragsteller im Rahmen einer ordnungsgemäßen Gewichtung in ein angemessenes Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an einer Flüchtlingsunterbringung zu bringen hätte, befreit sie eine Möglichkeit dazu, Belangen die Durchsetzung zu versagen, nicht von ihrer – gerade auch bei Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB bestehenden, vorgelagerten – Pflicht zur ordnungsgemäßen und vollständigen Ermittlung ermessensrelevanter Belange.

107

Schließlich lässt die Abweichungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 17.11.2015 auch nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Frage einer möglichen Reduzierung der Belegungsdichte und der damit potenziell einhergehenden Verminderung der Auswirkungen des Betriebs der Einrichtung auf nachbarliche Belange in Betracht gezogen oder die entsprechenden Tatsachen ermittelt hätte. Auch dies wäre im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung unter vollständiger Ermittlung sämtlicher ermessensrelevanter Belange geboten gewesen. Geht man davon aus, dass die Entscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB aufgrund ihrer planersetzenden Funktion denselben rechtlichen Bindungen unterworfen ist wie die planerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB (vgl. Durner, DVBl. 2015, 1605, 1607), hat die höhere Verwaltungsbehörde hierbei nicht nur im Sinne eines „Alles oder Nichts“ über eine Abweichung zugunsten des zur Genehmigung gestellten Vorhabens in seiner konkreten Gestalt zu entscheiden. Ähnlich wie die planende Gemeinde im Zuge einer planerischen Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB die Möglichkeit und die Pflicht hat, sich anbietende oder ernsthaft in Betracht kommende Alternativen zur Planung im Rahmen der Abwägung zu betrachten (Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 1, Rn. 117a), bestünde diese Möglichkeit auch für die höhere Verwaltungsbehörde bei der Ermessensausübung nach § 246 Abs. 14 BauGB. Ergibt sich gerade aus dem Umfang des Vorhabens potenziell die Betroffenheit nachbarlicher Belange, hätte sie die Pflicht, im Rahmen der Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB und der dabei vorzunehmenden Ermessensausübung auch die Möglichkeit einer Reduzierung der Vorhabengröße in Betracht zu ziehen und die hieraus resultierenden Tatsachen zu ermitteln, um ggf. eine Abweichung nur für eine reduzierte Form des Vorhabens zu erteilen. Das der planerischen Abwägung bzw. der Ermessensbetätigung innewohnende Gebot der Konfliktlösung fordert auch eine Prognose der zukünftigen überschaubaren Auswirkungen der Planung (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.1978, IV C 79.76, BVerwGE 56, 110; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 1, Rn. 117). Diese umfasst auch die Frage einer möglichen Konfliktlösung durch eine Reduzierung der Planung bzw. des zur Prüfung nach § 246 Abs. 14 BauGB gestellten Vorhabens.

II.

108

Der Antrag zu 2) der Antragsteller ist im Haupt- wie im Hilfsantrag unzulässig. Der auf die Feststellung gerichtete Antrag der Antragsteller, dass ihr Widerspruch gegen die fachbehördliche Abweichungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 17.11.2015 aufschiebende Wirkung hat, bzw. der hilfsweise darauf gerichtete Antrag, die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs anzuordnen, kann keinen Erfolg haben. Er ist bereits unstatthaft. Mit dem Eilantrag nach § 80 Abs. 5, § 80a VwGO zielt der Rechtsschutzsuchende darauf, dass im Wege des gerichtlichen Verfahrens der Zustand hergestellt – ggf. auch festgestellt – wird, der dem Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO zugrunde liegt: einstweiliger Schutz mittels aufschiebender Wirkung dadurch, dass der mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen wird (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL., Stand: 10/2015, § 80, Rn. 335). Angriffsgegenstand eines solchen Antrags kann ausweislich der in § 80 Abs. 1 VwGO geregelten Anknüpfung an Widerspruch und Anfechtungsklage nur ein Verwaltungsakt sein (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL., Stand: 10/2015, § 80, Rn. 37).

109

Bei der fachbehördlichen Abweichungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 17.11.2015 handelt es sich nicht um einen der Drittanfechtung zugänglichen eigenständigen Verwaltungsakt, sondern um ein bloß vorbereitendes Verwaltungsinternum, welches durch seine Einbeziehung in die streitgegenständliche Baugenehmigung zu deren unselbständigem Bestandteil geworden ist. Die Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB entspricht in diesem Zusammenhang strukturell der Befreiungsentscheidung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Auch diese auf eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans gerichtete Ermessensentscheidung einer Verwaltungsbehörde ist als vorbereitende Entscheidung zum Erlass einer Baugenehmigung anzusehen. Sie ist, wenn sie im Zusammenhang mit einem Genehmigungsverfahren nach § 62 HBauO ergeht, notwendige Vorstufe der – ggf. drittbelastenden – Baugenehmigung, ersetzt diese aber nicht und soll allein und ohne Einbeziehung in eine Baugenehmigung keine drittbelastende Wirkung entfalten. Dementsprechend ergeht sie, sofern – wie hier – ein Genehmigungsverfahren vorgesehen ist, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 31, Rn. 63, 67) und ist keiner isolierten Anfechtung durch Dritte zugänglich (BVerwG, Urteil vom 17.2.1971, 4 C 2.68, juris, Rn. 33; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 31, Rn. 67). Anfechtungsgegenstand ist in einem solchen Fall nur die hierauf basierende, die Teilentscheidungen im Sinne der Konzentrationswirkung zusammenführende Baugenehmigung nach § 62 HBauO selbst. Anderes mag in den Fällen gelten, in denen die Abweichungsentscheidung mangels durchzuführendem Baugenehmigungsverfahren als isolierte Entscheidung ergeht (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2105, § 31, Rn. 63), was hier jedoch nicht der Fall ist. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum in dieser Hinsicht bei einer ebenfalls den Erlass einer Baugenehmigung vorbereitenden Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB anderes gelten sollte.

110

Es besteht auch kein Anlass, den Antrag bzw. die Anträge zu 2) dahingehend umzudeuten, dass er auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung, etwa es der Antragsgegnerin zu untersagen, von ihrer fachbehördlichen Abweichungsentscheidung vom 17.11.2015 Gebrauch zu machen, gerichtet wäre. Das auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs im Sinne einer einstweiligen Verhinderung der (weiteren) Errichtung und des Betriebs der geplanten Einrichtung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gerichtete materielle Rechtsschutzanliegen der Antragsteller ist insoweit von ihrem Antrag zu 1) vollumfänglich abgedeckt. Allein ein Verfahren nach § 80 Abs. 5, § 80a VwGO im Sinne des Antragswortlauts zu 2) hätte den Antragstellern einen weiteren Gegenstand ihres rechtlichen Angriffs vermittelt. Ein solcher Antrag ist indes – wie ausgeführt – nicht statthaft.

C.

111

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO und berücksichtigt, dass der Antrag zu 2) in Bezug auf die als bloßes Verwaltungsinternum einzuordnende und in die streitgegenständliche Baugenehmigung vollständig einbezogene Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB keine über den Antrag zu 1) hinausgehende eigenständige Bedeutung hat. Die Beigeladene hat keinen eigenen Sachantrag gestellt und auch ansonsten nicht weiter zur Sache vorgetragen. Da sie damit kein eigenes Kostenrisiko übernommen hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL., Stand: 10/2015, § 162, Rn. 92).

D.

112

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zu der Bewertung baunachbarrechtlicher Rechtsschutzanliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt

für Öffentliches Recht


Öffentliches Wirtschaftsrecht - Bau- und Planungsrecht – Umweltrecht – Abgabenrecht – Verfassungsrecht – Europarecht – Menschenrechtsbeschwerde - Staatshaftungsrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15 zitiert 26 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Baugesetzbuch - BBauG | § 1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten. (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und d

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 2 Kleinsiedlungsgebiete


(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

Baugesetzbuch - BBauG | § 246 Sonderregelungen für einzelne Länder; Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte


(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen. (1a) Die Län

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 47 Aufenthalt in Aufnahmeeinrichtungen


(1) Ausländer, die den Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben (§ 14 Abs. 1), sind verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise oder bis z

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 53 Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften


(1) Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interes

Baugesetzbuch - BBauG | § 37 Bauliche Maßnahmen des Bundes und der Länder


(1) Macht die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes erforderlich, von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen oder ist das Einvern

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 12. Feb. 2016 - 7 E 6816/15

bei uns veröffentlicht am 12.02.2016

Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) vom 22.12.2015 gegen die der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 22.12.2015 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Gerichtskosten tragen

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 28. Mai 2015 - 2 Bs 23/15

bei uns veröffentlicht am 28.05.2015

Tenor Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 werden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfah

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 02. Dez. 2013 - 2 A 1231/13

bei uns veröffentlicht am 02.12.2013

Tenor Der Antrag wird abgelehnt.Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,-

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 02. Juli 2013 - 1 B 10480/13

bei uns veröffentlicht am 02.07.2013

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 04. April 2013 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beige
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 09. März 2016 - 7 E 6767/15.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 23. Juni 2016 - 5 S 634/16

bei uns veröffentlicht am 23.06.2016

Tenor Auf die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. März 2016 - 11 K 494/16 - geändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspr

Referenzen

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 04. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.250,--€ festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (Eigentümerin des Grundstücks N…Straße ., … K…) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13.02.2013 (1 L 247/13.KO). Gegenstand des Rechtsstreits sind Baugenehmigungen für „eine Wohn- und Dienstleistungsanlage für Menschen mit Behinderung“ in der Nachbarschaft zu der Antragstellerin (im Gemeindegebiet St. S...), die unter dem 10.09.2012 zu Gunsten der Beigeladenen seitens der Antragsgegnerin auf der Grundlage eines vereinfachtes Genehmigungsverfahrens gemäß § 66 LBauO erteilt wurden. Grundlage der Baugenehmigung ist der Bebauungsplan der Ortsgemeinde St. S... „Am K... I“, der die Orte St. S... und K… verbindet und auf einer Größe von ca. 0,54 ha ein Allgemeines Wohngebiet (WA) u.a. mit dem Ziel aufweist „… eine selbstbestimmte W…, K… in St. S... anzusiedeln“.

2

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung näher ausgeführt, im Rahmen der Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei auszuschließen, dass die angefochtenen Baugenehmigungen bauplanungsrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzten, die dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt seien. Die Genehmigungen seien insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen einen geltend gemachten Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin oder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme zu beanstanden. Vor dem Hintergrund der Erfolgsaussichten des Antrags in der Hauptsache sei bei der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO der vorläufigen Realisierung der Vorzug zu geben.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht insbesondere geltend, dass die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig seien, da zwingend zu beachtende und drittschützende Brandschutzvorschriften bereits im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft und in der Folge nicht umgesetzt worden seien. Dies liege bereits daran, dass die erforderlichen neuen Differenzierungen nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vom 22.12.2009 (GVBl. 2009, 399) nicht beachtet worden seien. Insbesondere würden mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben der Beigeladenen entgegen deren Selbstverständnis keine selbstorganisierte Wohngemeinschaften i.S.d. § 6 LWTG entstehen. Bereits aus den Bauanträgen werde deutlich, dass nicht nur eine ambulante Wohn- und Betreuungsform im Sinne von § 5 Nr. 2 LWTG, sondern womöglich sogar eine Wohn- und Betreuungsform nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 LWTG angestrebt werde, was im Brandschutz ganz andere Voraussetzungen habe und daher bereits im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sei. Im Baugenehmigungsverfahren sei es auf dieser Grundlage versäumt worden, die Frage des Brandschutzes entsprechend den Anforderungen des zuständigen Ministeriums zu prüfen, da die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der früher gültigen Differenzierung fälschlicherweise erhöhte Brandschutzanforderungen nur für „Heime“ im bisherigen Rechtssinne für erforderlich gehalten habe. Zudem verstoße die Errichtung von derart umfänglichen Wohn- und Pflegegebäuden mit den entsprechenden Serviceeinrichtungen gegen nachbarschützende Regelungen des maßgeblichen Bebauungsplanes und das Gebot der Rücksichtnahme.

II.

4

1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die der Beigeladenen am 10.09.2012 erteilten Baugenehmigungen zu Recht abgelehnt. Das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vermag zwar unter Umständen weitere Ermittlungen im Widerspruchs- und Hauptsacheverfahren zum Brandschutz, nicht jedoch die Anordnung des von dem Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13.02.2013 abgelehnten Suspensiveffekts zu rechtfertigen. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen:

5

2. Das Verwaltungsgericht hat bereits die Grundsätze einer Interessenabwägung im Rahmen der nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung dargelegt. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Für die Beschwerdeinstanz gelten diese Maßstäbe entsprechend, wobei die maßgeblichen Aspekte im Rechtsmittelverfahrens zu berücksichtigen sind (§ 146 Abs. 4, Satz 1, 3 und 6 VwGO). Auch im Anwendungsbereich des § 212a BauGB hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Abwägung der gegenläufigen Interessen und Beachtung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu treffen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 212a Rn. 39c), auch wenn der Gesetzgeber der sofortigen Vollziehung im Verfahren zunächst den Vorrang einräumt.

6

3. Der Bauantrag der Beigeladenen ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Maßgabe von § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO genehmigt worden. Demnach kommt es im vorliegenden Verfahren darauf an, ob bauplanungsrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO, die – zumindest auch – dem Schutz der Antragstellerin dienen, verletzt sind. Erhebliche Einwände gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen – also derjenigen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens – wurden nicht vorgetragen bzw. sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht ersichtlich geworden („Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 einschließlich ihrer Nebengebäude und Nebenanlagen“). Etwas anderes ergibt sich auch noch nicht aus § 50 Abs. 1 S. 1 LBauO, wonach für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden können, was gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 6 LBauO für „Krankenhäuser, Entbindungs- und Säuglingsheime, Heime für behinderte und alte Menschen“ gilt und damit ersichtlich noch nicht auf die Terminologie des LWTG angepasst worden ist. Dies ändert jedoch zunächst nichts an der Anwendbarkeit von § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO bzw. gibt der Antragstellerin noch kein drittschützendes Recht auf Suspendierung der streitgegenständlichen Baugenehmigungen, was im Übrigen auch bei Anwendung der Heimmindestbauverordnung vom 11.05.1983 (BGBl I 1983, 550) der Fall wäre, solange kein Verstoß gegen nachbarschützende Normen dargelegt worden ist. Erweist sich die Anlage jedoch im weiteren Entstehen und der beabsichtigten Nutzung als bauordnungswidrig wegen unzureichendem Brandschutz, ist ihre Nutzung seitens des Antragsgegners zu untersagen. Betrifft dieser Brandschutz auch Interessen der Nachbarn, steht ihnen ein insofern Antragsrecht auf Einschreiten gegen die Bauaufsichtsbehörde zu. Auf die weiteren Ausführungen zum Brandschutz unter 6.) ist an dieser Stelle zunächst zu verweisen.

7

4. Bauplanungsrechtlich hat der Senat hat in dem parallel gelagerten Verfahren des Nachbarn der Antragstellerin (Beschluss vom 14.05.2013 – 1 B 10309/13, Wohnhaus N…Straße …) zu der Frage des Gebietserhaltungsanspruchs Folgendes ausgeführt:

8

Zunächst kann der Antragsteller nicht mit seinem Vorbringen zur Vereinbarkeit der genehmigten Bauvorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes „Am K... der Ortsgemeinde St. S... durchdringen. Da sein Grundstück nicht innerhalb dieses Bebauungsplangebietes und nicht einmal in derselben Ortsgemeinde liegt, hat er keinen Anspruch auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart. Wollte man dies außer Acht lassen, legt die Beschwerde zudem nicht dar, dass tatsächlich ein Verstoß gegen die planungsrechtlichen Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans vorliegt. Allein die Ausführungen, dass sich die planerischen Vorstellungen der Gemeinde bei Erlass des Bebauungsplans erst aus der Planbegründung ergäben und die Festsetzungen (sachwidrig) zu einem typischen allgemeinen Wohngebiet nicht differierten, sind für die Annahme einer Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht ausreichend.

9

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass ein sog. „gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch“ nicht anzuerkennen ist. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, NVwZ 2008, 427; BayVGH, Beschluss vom 01.07.2009, 14 ZB 07.1727 - juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (OVG RP, Urteil vom 14.01.2000, BauR 2000, 527; BayVGH, Beschluss vom 24.03.2009, 14 Cs 08.3017 - juris). Eine solche Konstellation ist aber hier nicht dargelegt oder sonst offensichtlich, so dass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muss, dass auch das neue Plangebiet ein allgemeines Wohngebiet (WA) ausweist, wenn auch mit der Möglichkeit, eine Einrichtung zum Wohnen und Behandeln behinderter Menschen dort unterzubringen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.01.1997, 7 A 2175/95). Es ist damit wie bisher davon auszugehen, dass die Eigentümer von betroffenen Grundstücken nur dann die Einhaltung von bauplanungsrechtlichen Festsetzungen verlangen können, wenn sie denselben rechtlichen Bindungen unterworfen sind (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11). (…)

10

Selbst wenn man aber einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs anerkennen wollte, so käme dies grundsätzlich nur bei einer Abweichung von einem dem Gebietstyp des klagenden Nachbarn gleichartigen Baugebiet in Betracht (vgl. Maschke, Der Gebietserhaltungsanspruchs, Diss. 2009, Seite 162ff,167 m.w.N.), was vorliegend im Hinblick auf die genehmigte Wohnnutzung mit einer Wohnanlage für Behinderte gerade nicht der Fall ist, da es sich hier um eine gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich zulässige Einrichtung handelt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.12.1985 – 11 B 1911/85, NJW 1986, 3157; VGH BW, Beschluss vom 15.02.2006 – 8 S 2551/05, BauR 2006, 1278).

11

Daran hält der Senat fest. Auch hinsichtlich der Frage, ob dem Bebauungsplan nachbarschützende Vorschriften zu entnehmen seien, hat der Senat bereits im Parallelverfahren Stellung bezogen. Der Antragstellerin kann insbesondere nicht gefolgt werden, dass die Gemeinde entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts mit der Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgt habe, Nachbarn außerhalb des Baugebiets einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Zutreffend hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass ein derartiger baugebietsübergreifender Gewährleistungsanspruch in aller Regel davon abhängt, ob sich aus der Begründung des Bebauungsplans ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lasse. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich eine solche Intention aus dem Bebauungsplan gerade nicht begründen lasse. Wörtlich heißt es im Beschluss vom 13.02.2013:

12

Im Gegenteil sind die dort formulierten Ziele, „innerhalb der Rheingemeinden St. S... und K… eine homogene, zusammenhängende Bebauung zu realisieren“ und „gleiche städtebauliche Strukturen“ zu ermöglichen ebenso wie das Planungsziel, durch eine Einschränkung der Zahl der Wohnungen „eine verdichtete Bebauung“ zu vermeiden, rein städtebaulicher Art und dienen somit gerade nicht baugebietsübergreifend dem Nachbarschutz

13

Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts schließt sich der Senat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ausdrücklich an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die weiteren Ausführungen des Beschlusses der Vorinstanz vom 04.04.2013. Insbesondere kann der Aspekt der "Inklusion" des neu erschlossenen Baugebiets mit den Ortsbereichen St. S... und K…einen solchen Drittschutz nicht begründen. Dementsprechend kommt es insofern auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich der Nichteinhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben durch die besondere Gestaltung (Trennung) der Bauanträge – die nach ihrer Auffassung nicht als getrennte Häuser sondern als einheitliches Gesundheitszentrum anzusehen seien – nicht an, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

14

5. Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme hat die Antragstellerin angenommen, dass unzumutbare Belastungen durch die Anlagen entstehen würden. Im vorherigen Verfahren 1 B 10309/13.OVG hat der Senat hierzu ausgeführt:

15

„Im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme kann der Antragsteller zunächst durch die Gebäude der Beigeladenen selbst – darauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen – offensichtlich nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Zumindest ist eine entsprechende Darlegung nicht erfolgt. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Nutzung der baulichen Anlagen legt auch die Beschwerde nicht da. Der von dem Antragsteller für möglich gehaltene 24-Stunden-Betrieb von Pflegediensten bietet hierfür keinen Anhaltspunkt. Zunächst ist die Pflege innerhalb der Räume – selbst wenn sie "rund um die Uhr" erfolgen sollte – für die Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme unerheblich. Insoweit allenfalls erhebliche Störungen durch den An- und Abfahrtsverkehr, der durch die Mitarbeiter der die Bewohner der Anlage betreuenden Pflegedienste verursacht wird, können dabei einer gesonderten Betrachtung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Es ist derzeit auf der Grundlage der Beschwerde nicht ersichtlich, dass ein "worst-case-Szenario" angenommen werden müsste, bei dem der Betrieb der Beigeladenen schon im Eilverfahren als offensichtlich baurechtlich unzulässig anzusehen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eventuelle Anfahrten zur Nachtzeit über die von dem Grundstück des Antragstellers abgeschirmten Parkplätzen erfolgen.“

16

Hieran ist auch im streitgegenständlichen Verfahren festzuhalten. Auch die Antragstellerin hat keine durchgreifenden Gründe genannt, die die Suspendierung der streitgegenständlichen Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme bzw. § 15 BauNVO schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens rechtfertigen könnten. Die Befürchtung von Lärmeinwirkungen zulasten der Antragstellerin durch die Anlieferung von Lebensmitteln und sonstigen Versorgungsgütern, Transporten mit Rollstuhlfahrern sowie weitere befürchtete Belastungen durch einen häufigen Wechsel der Parkplatznutzung, – etwa durch Kurse für Menschen mit und ohne Behinderung – legen nicht im Ansatz dar, dass die bereits im Parallelverfahren geäußerten Einschätzung des Senats hinsichtlich der zu erwartenden Lärmbelastung zu revidieren sei. Dort wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine nähere Überprüfung gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann und eine Überschreitung der maßgeblichen Immissionswerte schon im Eilverfahren in keiner Weise feststellbar ist, so dass es bei der dort getroffenen Entscheidung zu bleiben hat.

17

6. Auch hinsichtlich der übrigen Rügen – insbesondere dem Verstoß gegen brandschutzrechtliche Bestimmungen – bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

18

a. Eine Bauaufsichtsbehörde (hier der Antragsgegner) ist allgemein zum Erlass einer beantragten Baugenehmigung verpflichtet, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO). Die danach umfassende Prüfungspflicht der Behörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren jedoch dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kontrollieren ist. Bauordnungsrechtliche Bestimmungen – und damit auch brandschutzrechtliche Fragen – gehören gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO hierzu nicht (vgl. OVG RP, Urteil vom 22.10.2008 – 8 A 10942/08, ESOVGRP; Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Aufl. 2012, § 66 Rn. 49; Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 03.02.1999, MinBl. S. 90 zu § 66 Abs. 3 LBauO). Die Zurücknahme der präventiven Kontrolle verfolgt den Zweck der Verfahrenserleichterung bei gleichzeitiger Stärkung der Verantwortung des Bauherrn und seiner qualifizierten Beauftragten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zur LBauO 1986, LT-Drucks. 10/1344, S. 90; OVG RP Urteil vom 23.10.2002 – 8 A 10994/02, ESOVGRP; Jeromin, a.a.O., § 66 Rn. 57). Der gesetzlichen Einschränkung der präventiven Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörde korrespondiert ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bei Vorliegen der entsprechend eingeschränkten Voraussetzungen, d.h. der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den zum gesetzlichen Prüfungsprogramm gehörenden Vorschriften (OVG RP, Urteil vom 17.07.1996 (AS 26, 227 - LS 3 -, 8. Senat) und vom 26.09.1996 (AS 26, 267 [274 f.], 1. Senat).

19

b. Die Bauaufsichtsbehörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren aber in besonderen Konstellationen nicht gehindert, die in dem Verfahren nach § 66 Abs. 3 LBauO beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG RP, Urteil vom 22.11.2011 - 8 A 10636/11), sie ist hierzu jedoch grundsätzlich im Hinblick auf die Aufteilung der Verantwortungs- und Risikosphären hierzu nicht verpflichtet (Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Aufl. 2012, § 66 Rn. 55a), ebenso besteht regelmäßig kein Anspruch Dritter auf Erweiterung des Prüfprogramms im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

20

c. Dieses Prüfprogramm versucht die Antragstellerin mit ihren umfassenden Ausführungen im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung in Frage zu stellen, was jedoch zumindest in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ohne Erfolg bleiben muss. Die umfangreiche Argumentation der Antragstellerin läuft zusammengefasst darauf hinaus, dass der Antragsgegner bei der Bewilligung des Bauvorhabens zunächst eine ordnungsgemäße Einordnung des Vorhabens gemäß dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vorzunehmen und sodann verbindlich die brandschutztechnischen Anforderungen an Einrichtungen zum Zwecke der Pflege oder Betreuung nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) gemäß Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16.04.2012 (13214 – 4535) zu berücksichtigen hatte. Dabei habe er bereits die Einordnung fehlerhaft vorgenommen und daher die Brandschutzbestimmungen unzureichend umgesetzt, wodurch schließlich Rechte Dritter bereits in diesem Genehmigungsverfahren verletzt worden seien.

21

Abgesehen von der fehlenden Darlegung der Nichtbeachtung von Voraussetzungen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens fehlt es jedenfalls an der Darlegung einer Verletzung drittschützender Vorschriften, so dass eine Suspendierung des Bauvorhabens im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht kommt. Die Feststellungswirkungen der Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind beschränkt; der Bau wird nur insoweit freigegeben, als gleichzeitig seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit geprüft und bejaht wird (OVG RP, Beschluss vom 18.11.1991 - 8 B 11955/91.OVG; BVerwG, Urteil vom 09. 12 1983, BRS 40 Nr. 176 - S. 392). Danach entfaltet die Genehmigung vom 10.09.2012 zu Lasten der Antragstellerin hinsichtlich eines möglicherweise unzureichenden Brandschutzkonzepts keine Genehmigungswirkung.

22

d. Soweit die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift (u.a. Seite 12, Nr. 3" Konsequenzen für den Brandschutz") beschreibt, welche Voraussetzung für eine Wohnform nach § 5 LWTG erfüllt sein müssen und was überhaupt die Voraussetzungen für die Anwendung und Abgrenzung der §§ 4 – 6 LWTG sind, ist dies im Rahmen der Baugenehmigung ohne Bedeutung. Insbesondere die Konsequenzen für den Brandschutz aus der Art der künftigen Wohnnutzung wird der Antragsgegner von Amts zu beachten haben, was sich bereits aus dem Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16.04.2012 ergibt. In 2.1.6 dieser Dienstvorschrift ist geregelt, dass der Träger der Einrichtung (§ 7 LWTG) vor Aufnahme der Nutzung im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle eine Brandschutzordnung für den Betrieb der jeweiligen Nutzungseinheit unter besonderer Berücksichtigung des Pflegebedarfs der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der gebäude- und raumspezifischen Besonderheiten zu erstellen hat, sofern es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 5 LWTG handelt. In dieser Brandschutzordnung wären auch die Aufgaben der pflegenden oder betreuenden Personen der Wohngruppe für den Gefahrenfall, Brandschutzverhalten in der Wohngruppe und die Maßnahmen, die zur Rettung der Bewohnerinnen und Bewohner erforderlich sind (Räumungskonzept) festzulegen. Ungeachtet der brandschutztechnischen Stellungnahme der Brandschutzdienststelle des Landkreises vom 04.10.2012 (zuletzt eingereicht mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.06.2013) war eine solche umfassende Brandschutzordnung nicht Gegenstand der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren und damit nicht Gegenstand dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens. Gleichwohl sei im Hinblick auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Problematik „Brandschutz und Drittbezug“ auf Folgendes hingewiesen:

23

e. Allgemein ist bei der Frage des Brandschutzes zunächst § 15 LBauO in den Blick zu nehmen. Neben dem Schutz von in dem Gebäude lebenden Menschen vor Gefahren dienen die Anforderungen des Brandschutzes auch der Bewahrung vor Beschädigung von Sachwerten. Nachbarschützenden Charakter haben die Bestimmungen des vorbeugenden Brandschutzes ohne weiteres, soweit sie sich auf die Stellung von Gebäuden und die Einhaltung von Gebäudeabständen beziehen (Jeromin, Kommentar LBauO, § 15 Rn. 35). Weitere drittschützende Vorschriften im Zusammenhang mit den Anforderungen des Brandschutzes ergeben sich aus einzelnen Bestimmungen der §§ 27ff LBauO, wie etwa § 30 LBauO, hinsichtlich der Herstellung und Ausgestaltung von Brandwänden (vgl. OVG RP, Urteil vom 22.09.1989, Az.: 8 A 29/89). Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass gesetzliche Vorschriften über den Brandschutz grundsätzlich eine nachbarschützenden Wirkung entfalten können, sofern durch sie die Ausbreitung von Feuer auf die Nachbargebäude vorgebeugt werden soll (vgl. Simon/Busse Bayer. Bauordnung, Kommentar Art. 71 Rn. 274, 279ff).

24

Dementsprechend dürfte in einem etwaigen Verfahren gegen die Antragsgegnerin, das allein die künftige Brandschutzkonzeption der Beigeladenen zum Gegenstand hat, die Argumentation zulässig sein, dass die Einordnung der Anlage nach dem LWTG offensichtlich fehlerhaft und daraus resultierend die Brandschutzmaßnahmen – soweit sie nachbarschützende Bezüge aufweisen – unzureichend seien. Zu diesem Bereich zählt auch der weitere Vortrag der Antragstellerin, dass etwa eine Zufahrt entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 1 der LBauO – was Gebäude der Gebäudeklasse 4 voraussetzt - geschaffen werden müsse und allgemein weitere Anforderungen für die Feuerwehr nicht ausreichend berücksichtigt seien, was im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keiner weiteren Ausführungen bedarf. Vor diesem Hintergrund scheidet es in diesem Verfahren auch aus, umfassende Ermittlungen und Erörterungen über den Grad der Selbstständigkeit der Bewohner, das Angebot der Dienstleistungen in den Wohnhäusern bzw. Einrichtungen und die Grenzen der Selbstbestimmung im Hinblick auf umfassende ambulante Dienste nach Maßgabe von §§ 4 – 6 LWTG eingehend zu prüfen. Der Verweis auf die Entscheidung des VG Oldenburg, Urteil vom 21.05.2012, 12 A 1136/11) ist daher nicht zielführend. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene – vor der Bestandskraft der Baugenehmigung – auch entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 212a BauGB von ihrer Baugenehmigung Gebrauch machen kann. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die beabsichtigte Nutzung einen von der Genehmigung nicht umfassten Umfang haben sollte bzw. Anforderungen des Brandschutzes nicht erfüllt, fällt dies in die Risikosphäre der Beigeladenen als Investor. Es ist nicht Sache eines benachbarten Eigentümers einen Investor vor unter Umständen finanziell aufwändigen Nachbesserungen einer Baugenehmigung hinsichtlich des Brandschutzes oder anderer bauordnungsrechtlicher Belangen zu schützen.

25

Nach alledem besteht im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie der eingeschränkten Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 VwGO) kein Anspruch der Antragstellerin darauf, die Baugenehmigungen bis zu einer etwaigen Entscheidung in der Hauptsache zu suspendieren.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

27

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,- € festgesetzt.


1234567891011121314151617181920212223

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die öffentliche-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in einem ehemaligen Kreiswehrersatzamt.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke S... x, M... y und A... z (...). Die drei Straßen bilden einen Baublock, in dem auch das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der S... xa (...) liegt. Dieses Gebäude wurde auf der Grundlage des Baugenehmigungsbescheides vom 6. Juni 1956 ursprünglich als dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit Staffelgeschoss für ein Mineralölunternehmen errichtet. Die Antragsteller nutzen ihre Gebäude jeweils zu Wohnzwecken. Der Antragsteller zu 1. betreibt daneben in seinem Gebäude eine GmbH für Unternehmensberatung. In dem Gebäude der Antragstellerin zu 3. ist auch ein Architektenbüro untergebracht. Alle betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Baustufenplans Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955 (HmbGVBl. S. 294). Danach gilt für sie die Ausweisung Wohngebiet (W 3 g) gemäß § 10 der Baupolizeiverordnung vom 8. Juni 1938 (BPVO) mit den Maßgaben: Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame. Das Bauvolumen von 1939 darf nicht vergrößert werden. Es darf nur an der Baulinie gebaut werden. Vor- und Hintergärten sind zu erhalten und von jeglicher Bebauung freizuhalten. Außerdem gilt die Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen in Harvestehude vom 26. April 1988 (HmbGVBl. S. 66).

3

Die Beigeladene, ein soziales Dienstleistungsunternehmen u.a. für die öffentlich geförderte Unterbringung von Wohnungslosen und Zuwanderern, stellte bei der Antragsgegnerin im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Umnutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes in eine öffentlich-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen. Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die „öffentlich-rechtliche Unterbringung in Wohneinheiten“ in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt auf dem 3.308 m2 großen Eckgrundstück S... xa. In dem Gebäude soll auf einer Bruttogeschossfläche von 4.479 m2 eine Wohnfläche von 2.453 m2 entstehen. Aus der Baubeschreibung der Beigeladenen, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, geht hervor, dass eine Umnutzung des Verwaltungsgebäudes zur temporären öffentlich-rechtlichen Unterbringung von bis zu 220 Personen in 23 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe (Wohnflächen von 50 m2 bis zu 240 m2) mit zwei, drei, vier, fünf oder acht Zimmern vorgesehen ist. Die Wohneinheiten würden jeweils mit Küche und Bad ausgestattet. Außerdem würden Gemeinschafts- und Sozialräume eingerichtet. In der ungenehmigten Betriebsbeschreibung (als Bauvorlage 86/14 wurde lediglich die „Betriebsbeschreibung für Arbeitsstätten“ genehmigt, während die „Betriebsbeschreibung“, die als weitere Bauvorlage 86/14 eingereicht wurde, den handschriftlichen Vermerk „Anlage nicht genehmigt“ trägt) der Beigeladenen heißt es ergänzend, die Wohnunterkunft solle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Wohnungslosen, Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dienen. Bewohner seien Familien mit Kindern und Alleinstehende. Geschlafen werde in Mehrbettzimmern in der Regel mit zwei bis vier Betten. Die Bewohner sollten sich in der Küche selbst versorgen. Die Unterbringung in den Wohneinheiten solle grundsätzlich familienweise oder - je nach Familien- bzw. Wohnungsgröße - mit mehreren Familien/Parteien i.S. einer Wohngemeinschaft erfolgen. Nach der Arbeitsstättenbeschreibung wird die Beigeladene in der Wohnunterkunft insgesamt vier Personen beschäftigen.

4

Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 gegen den Baugenehmigungsbescheid jeweils Widerspruch. Am selben Tag haben sie einen Eilantrag gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss 22. Januar 2015 entsprochen hat, indem es die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO angeordnet hat. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, weil diese in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sei. Denn die Antragsteller könnten sich auf den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch berufen und das genehmigte Vorhaben sei nach Art und Umfang der Nutzung objektiv-rechtlich nicht genehmigungsfähig.

5

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller ihre Grundstücke in einer den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zur Art der Nutzung widersprechenden Weise nutzten. Eine früher im Gebäude des Antragstellers zu 2. tätige Firma sei aus dem Handelsregister gelöscht worden. Der Antragsteller zu 1. betreibe zwar auf seinem Grundstück eine Unternehmensberatung und auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 3. befinde sich ein Architektenbüro, jedoch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Tätigkeiten in einem besonders geschützten Wohngebiet unzulässig seien. Denn grundsätzlich seien freiberufliche und diesen ähnliche Tätigkeiten in dem Rahmen, wie sie in einem reinen Wohngebiet nach § 13 BauNVO zulässig seien, auch in einem besonders geschützten Wohngebiet zulässig. Der Antragsteller zu 1. werde lediglich als „Einmann-Unternehmen“ in seiner Wohnung tätig.

6

Das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung in dem nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO besonders geschützten Wohngebiet nicht genehmigungsfähig. Der festgesetzte Ausschluss jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, von Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame sei nicht funktionslos geworden. Die Antragsgegnerin müsste durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen haben, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht mehr entspreche (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203). Daran fehle es, nachdem die genehmigte Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken endgültig aufgegeben worden sei. Zwar seien in dem streitbefangenen Baublock zahlreiche Gewerbeunternehmen angemeldet. Auch habe die Ortsbesichtigung ergeben, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Jedoch sei nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten von der Antragsgegnerin genehmigt worden seien.

7

Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet müssten Wohnbedürfnissen dienen. Die Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen sei aber keine Wohnnutzung, das Vorhaben sei vielmehr als Anlage für soziale Zwecke zu behandeln. Verbindliche Regelungen, dass in den einzelnen Wohneinheiten jeweils nur miteinander verwandte Personen oder solche Personen untergebracht werden dürften, die eine gemeinsame Unterbringung wünschten, enthalte die Baugenehmigung nicht. Sie ermögliche vielmehr auch die ausschließliche Unterbringung alleinstehender Flüchtlinge, Asylbegehrender und Wohnungsloser. Die Kriterien, nach denen zu beurteilen sei, ob eine Wohnnutzung vorliege, seien eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Bei der genehmigten Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen fehle es an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit und Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Personengruppen würden aus Notsituationen heraus und aufgrund des Umstandes, dass sie über keine eigene Wohnung verfügten, in Unterkünften untergebracht. In jedem Fall sei dies nicht auf Dauer angelegt, sondern solle durch Umzug in eine eigene Wohnung oder durch Beendigung des Aufenthalts beendet werden. Außerdem sei die genehmigte Unterbringung nicht auf eine das Wohnen ausmachende Häuslichkeit angelegt, die ein Mindestmaß an Intimität voraussetze. Die Baugenehmigung ermögliche die Unterbringung von einander fremden Personen in Mehrbettzimmern, die sich mit bis zu 16, u.U. sogar mehr Personen Küche und Bad teilen müssten. Daran ändere die Aufteilung des Gebäudes in Wohneinheiten nichts.

8

Daher sei das Vorhaben als Anlage für soziale Zwecke in dem genehmigten Umfang in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Bei der Bestimmung der in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO generell zulässigen Nutzungen seien die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen einschließlich der nach Absatz 3 Nr. 2 im Ausnahmewege zulässigen zu berücksichtigen. Allerdings müsse die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet würden oder mit ihm verträglich seien, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig seien. Das sei im Falle von Anlagen für soziale Zwecke regelmäßig nur dann sichergestellt, wenn es sich um eine „kleine“ Einrichtung handele. Dem liege zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstelle, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgingen. Mit der Anzahl der gemeinsam untergebrachten Personen jeden Alters, zu denen Alleinstehende und Familien unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an die Unterkunft und unterschiedlichen Lebensgewohnheiten gehören könnten, wachse die Möglichkeit sich auf das umgebende Wohngebiet störend auswirkender sozialer Spannungen. Nach diesen Maßstäben sei das Vorhaben nicht zulässig, weil es sich nicht um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handele. Zur Bestimmung, was i.S.d. Gebietsverträglichkeit als kleine soziale Einrichtung zur Unterbringung von Asylbegehrenden und Wohnungslosen anzusehen sei, sei auf die Festsetzungen des Baustufenplans für das konkrete Gebiet abzustellen. Diese sähen mit der Festsetzung einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung und einer damit nach der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO verbundenen bebaubaren Fläche von 5/10 eine bauliche Ausnutzbarkeit im oberen Bereich des für Wohngebiete Möglichen vor. Um bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wie groß eine Einrichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrende und Wohnungslosen sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, orientiere sich das Gericht daran, was in einem so ausgewiesenen Wohngebiet typischerweise an Wohnnutzung erwartet werden könne. Als Maßstab erscheine es sachgerecht, eine gedachte Bebauung mit öffentlich gefördertem Wohnraum zugrunde zu legen, was nach den Berechnungen der Antragsgegnerin bei einer Grundstücksgröße von 3.308 m2 zu Wohnraum für ca. 200 Personen führen würde. Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Größe sich eine Unterkunft für Flüchtlinge, Asylbegehrende und Wohnungslose der Wohnbebauung typischerweise noch unterordne, sei allerdings von der ermittelten Rechengröße ein erheblicher Abschlag vorzunehmen, weil von einer solchen Einrichtung mit zunehmender Größe Störungen für das Wohngebiet ausgingen, die die mit einer Wohnnutzung einhergehenden Auswirkungen auf das Plangebiet überstiegen. Wie hoch der Abschlag letztlich zu sein habe, um die Größe einer gebietsverträglichen Unterkunft zu bestimmen, bedürfe im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Klärung. Denn eine Einrichtung zur Unterbringung von 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in dem mit W 3 g ausgewiesenen Wohngebiet sei nicht gebietsverträglich. Die Zahl der genehmigten Unterbringungsplätze übersteige sogar die Zahl der Bewohner, die in dem Baugebiet bei der Größe des Vorhabengrundstücks und einer Wohnnutzung i.e.S. typisierend zu erwarten wären.

9

Die Frage, ob das Vorhaben im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnte, bedürfe schließlich keiner Klärung, weil die Antragsgegnerin eine Befreiung von den Festzungen des Baustufenplans zur Art der Nutzung nicht erteilt habe.

II.

10

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 und 2 VwGO zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerden sind unbegründet, weil die in ihnen dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, nicht rechtfertigen, den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und - wie von den Beschwerdeführerinnen jeweils beantragt - den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2014 abzulehnen. Die von den Beschwerdeführerinnen dargelegten Gründe gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts greifen nicht durch.

11

1. Das Verwaltungsgericht hat bei der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO gebotenen Interessenabwägung für die Prüfung der Begründetheit des Antrags der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid zu deren Gunsten angenommen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, weil das Vorhaben der Beigeladenen nach der Art der baulichen Nutzung in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die Antragsteller dadurch in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt sind, so dass der Baugenehmigungsbescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerinnen bleiben erfolglos.

12

In der Rechtsprechung ist (grundlegend BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 366 ff.; zustimmend OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 355 m.w.N.; seither ständige Rspr. des Beschwerdegerichts) geklärt, dass die Gebietsfestsetzung auch bei den gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleiteten Baustufenplänen drittschützende Wirkung hat. Für planerische Gebietsfestsetzungen sind die Wechselbezüglichkeit der Interessen und ein daraus abgeleitetes Austauschverhältnis kennzeichnend. Die „Baufreiheit“ wird aus städtebaulichen Gründen, aber auch zum Nutzen der Beteiligten wechselseitig beschränkt. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird in diesem Bereich sinnfällig dadurch ausgeglichen und i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlich auch gerechtfertigt, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Durch das Festlegen einer Fläche etwa zur Nutzung als Wohngebiet werden die Grundeigentümer als jeweilige Nachbarn innerhalb des festgelegten Gebietes zu einer Gemeinschaft verbunden. Bauplanerische Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung sind regelhaft darauf ausgerichtet, die davon betroffenen Grundeigentümer in ein Austauschverhältnis gerade wechselseitig rechtlich einzubinden. Das Ausgleichsverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht (so BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, a.a.O., 374 f.; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990, 993).

13

Der Grundstücksnachbar kann daher geltend machen, dass er bereits durch eine Verletzung der Baugebietsfestsetzungen in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Ein solcher Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch) besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen des Grundstücksnachbars durch die gebietsfremde Nutzung.

14

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955, der gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleitet wurde, nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO getroffene Wohngebietsfestsetzung, die vom Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame noch besonders geschützt worden ist, drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller als Grundstücksnachbarn hat. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid verletzt deshalb die Antragsteller in ihren Rechten, wenn er gemäß § 30 Abs. 1 und 3 BauGB rechtswidrig ist, weil die Flüchtlingsunterkunft, die der Aufnahme von bis zu 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen dient, in dem besonders geschützten Wohngebiet nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO dienen im Wohngebiet die Grundstücke den Wohnbedürfnissen.

15

a) Die Antragsgegnerin vertritt allerdings die Ansicht, die Antragsteller könnten sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch schon deshalb nicht berufen, weil sie ihre Grundstücke selbst nicht nur zu Wohnzwecken nutzten. Dort würden ungenehmigte gewerbliche bzw. freiberufliche Nutzungen ausgeübt. Diesem Einwand mangelt es an Überzeugungskraft, weil er unsubstantiiert bleibt und sich nicht in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

16

Da die Antragsteller auf ihren Grundstücken unstreitig wohnen, kann es nur um den Einwand gehen, dass die Grundstücke nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Antragstellers zu 2. nicht mehr existiert und dass die freiberuflichen bzw. diesen ähnlichen gewerblich ausgeübten Tätigkeiten auf den Grundstücken des Antragstellers zu 1. (Unternehmensberatung als „Einmann-Unternehmen“) und der Antragstellerin zu 3. (Architektenbüro) in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich zulässig sein dürften (vgl. dazu OVG Hamburg, Urt. v. 14.3.1985, HmbJVBl. 1985, 181, 182: die freiberufliche Betätigung ist im Wohngebiet des § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO insofern uneingeschränkt zulässig, als sie im Zusammenhang mit der Nutzung einer Wohnung als solcher steht).

17

Außerdem kommt es für die Frage, ob sich ein Grundstücksnachbar auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, nicht darauf an, ob eine gebietsfremde Nutzung, wenn sie materiell genehmigungsfähig ist, auch formell rechtmäßig ist. Für das Austauschverhältnis unter den Nachbarn ist vielmehr entscheidend, dass sie den gleichen materiellen Beschränkungen bei ihrer Grundstücksnutzung unterworfen sind. Auf das Vorliegen einer Baugenehmigung kommt es insoweit nicht an.

18

Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) bereits entschieden, dass von einer anspruchsvernichtenden Aufhebung des Austauschverhältnisses jedenfalls dann nicht auszugehen ist, wenn auf dem Nachbargrundstück zwar planwidrige Nutzungen ausgeübt werden, daneben aber auch plankonforme Nutzungen vorhanden sind. Dass aber auf den Grundstücken der Antragsteller überwiegend eine plankonforme Wohnnutzung ausgeübt wird, steht außer Streit.

19

b) Im Eilverfahren lässt sich auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsgegnerin nicht die Feststellung treffen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO getroffene Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet funktionslos geworden ist. Für Teile des Wohngebiets können nach dieser Vorschrift zum Schutze ihrer Eigenart als Wohngebiet besondere Vorschriften erlassen werden (Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften, Beschränkung der Wohnungszahl, Festsetzung von Mindestgrößen der Grundstücke und dgl.).

20

aa) Die Antragsgegnerin rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit einen falschen Maßstab angewandt, weil es räumlich nicht nur den Baublock, in dem das Vorhabengrundstück und die Grundstücke der Antragsteller liegen, hätte in den Blick nehmen müssen, sondern das gesamte Wohngebiet mit der Festsetzung von drei Geschossen und dem besonderen Schutz für das Wohngebiet. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nicht auf die tatsächlich vorhandenen Nutzungen abgestellt, sondern nur danach gefragt, ob sie - die Antragsgegnerin - durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen habe, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nicht mehr entspreche.

21

Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffenen Beschluss ausdrücklich von der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Urt. v. 28.2.2013, NordÖR 2013, 475, 476; v. 7.6.2012, DVBl 2013, 243, 248 m.w.N.; Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203, 205) ausgegangen, dass von der Funktionslosigkeit einer Festsetzung nur dann die Rede sein kann, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein dennoch in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.

22

Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist hier nicht, wie aus anderen Baustufenplänen bekannt, von einem größeren W 3 g-Gebiet auszugehen, das einheitlich unter den besonderen Schutz des § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO gestellt worden ist. Denn beim Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum hat der Plangeber eine Vielzahl kleinerer, wenn auch räumlich zusammenhängender, W 3 g-Gebiete festgesetzt, die er jeweils gesondert unter besonderen Schutz gestellt hat. Beweggrund für diese Vorgehensweise des Plangerbers mag gewesen sein, dass er nicht nur ein Verbot von jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame erlassen, sondern zudem bestimmt hat, dass das Bauvolumen von 1939 nicht vergrößert werden darf. Ziel der Erhaltung eines bestimmten Bauvolumens dürfte es gewesen sein, die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu schützen (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 3.11.2003, 2 Bs 487/03).

23

Der Antragsgegnerin kann nicht darin gefolgt werden, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht auf die tatsächlich im Wohngebiet vorhandenen gebietsfremden Nutzungen abgestellt. Denn das Gericht hat festgestellt (siehe S. 12 unten BA), dass die Ortsbesichtigung im Rahmen des Erörterungstermins ergeben habe, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Das Protokoll des Ortstermins vom 8. Januar 2015 zeigt zudem, dass das Verwaltungsgericht den Baublock M.../A.../ S... insgesamt in Augenschein genommen hat und dabei Feststellungen zu den vorhandenen freiberuflichen, gewerbeähnlichen oder gewerblichen Tätigkeiten getroffen hat. Wenn das Verwaltungsgericht dennoch nicht von einer Funktionslosigkeit des festgesetzten besonderen Schutzes für das Wohngebiet ausgegangen ist, kann dies nur darauf beruhen, dass es für das Gericht nicht offensichtlich war, dass die Verhältnisse in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung des besonderen Schutzes auf unabsehbare Zeit ausschließt. Dieses Ergebnis sah das Verwaltungsgericht dann lediglich dadurch bestätigt, dass auch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten seien von ihr genehmigt worden.

24

Dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin lassen sich nach wie vor keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet sei insgesamt funktionslos geworden. Gegen die Annahme einer offensichtlichen Gebietsverfremdung spricht, dass die Antragsgegnerin bei der Erteilung der streitbefangenen Baugenehmigung selbst von der Wirksamkeit der Festsetzung ausgegangen ist. Auch fehlen offenkundig Gewerbebetriebe, die bereits von außen als solche deutlich wahrnehmbar sind, und daher das Vertrauen auf den Fortbestand der Festsetzung erschüttern. Ob freiberufliche oder gewerbeähnliche Tätigkeiten in dem Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sind, lässt sich dagegen in der Regel nicht ohne weiteres feststellen.

25

bb) Die Antragsgegnerin rügt zudem, das Verwaltungsgericht hätte bei sachgerechter Prüfung zumindest für das Vorhabengrundstück, das mit seiner markanten Bebauung in Ecklage Anlass zu einer topographischen Trennung gebe, die Funktionslosigkeit der Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet feststellen müssen. Denn die Funktionslosigkeit der Festsetzung könne nicht mit dem Argument verneint werden, die Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken sei endgültig aufgegeben worden. Auf die alte Baugenehmigung vom 6. Juni 1956 sei weder verzichtet worden, noch könne eine einmal funktionslos gewordene Festsetzung durch einen Verzicht „wiederaufleben“.

26

Bei diesem Einwand lässt die Antragsgegnerin außer Acht, dass bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht gleichsam isolierend auf einzelne Grundstücke abgestellt, also die Betrachtung darauf beschränkt werden darf, ob die Festsetzung hier und dort noch einen Sinn ergibt. Zu würdigen ist vielmehr grundsätzlich die Festsetzung in ihrer ganzen Reichweite (siehe BVerwG, Urt. v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5, 11; OVG Hamburg, Urt. v. 28.2.2013, a.a.O., 476). Auch wenn das hier vorliegende Wohngebiet nur durch einen Baublock gebildet wird, umfasst dieser aber doch nicht nur so wenige Grundstücke, als dass es für die Wirksamkeit der Festsetzung ausnahmsweise allein auf die Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück ankäme. Das Vorhabengrundstück dominiert den Baublock auch nicht wegen seiner Größe.

27

c) Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Flüchtlingsunterkunft handele es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, weil der Aufenthalt dort kein Wohnen sei.

28

aa) Zurückzuweisen ist die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil die Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Begriffs des Wohnens im engeren Sinne vorlägen.

29

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.3.2004, BRS 67 Nr. 70) und im Schrifttum (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand 10/2014, § 3 BauNVO Rn. 11; Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 16 ff.; Vietmeier in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2014, § 3 Rn. 19; Schiller in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1510 ff.) geklärt. Zum Wohnen gehören danach eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Wohnen bedeutet die auf eine gewisse Dauer angelegte Nutzungsform des selbstbestimmt geführten Lebens "in den eigenen vier Wänden". Von diesem Begriffsverständnis ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

30

Gemessen an diesen Begriffsmerkmalen handelt es sich bei der streitbefangenen Flüchtlingsunterkunft schon deshalb um keine Wohnnutzung, weil es an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Der Aufenthalt in der Unterkunft erfolgt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Einweisung, die als Auflage zur Aufenthaltsgestattung gemäß §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ergeht. Danach sollen Ausländer, die einen Asylantrag - der das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes einschließt - gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die fehlende Möglichkeit, die Unterkunft frei zu wählen, setzt sich in der mangelnden Eigengestaltung des Aufenthalts dort fort. Der Aufenthalt in der Unterkunft unterliegt einem nicht unerheblichen Maß an Reglementierung durch die Mitarbeiter der Beigeladenen. Diese sollen u.a. für ein friedliches Miteinander in der Unterkunft sorgen und dabei helfen, dass sich die dort untergebrachten Ausländer im Lebensalltag in Deutschland zurechtfinden. In der Unterkunft wird das Mobiliar von der Beigeladenen gestellt und fehlt es an abgegrenzten Räumlichkeiten, die dem Einzelnen einen Rückzug in die Privatheit ermöglichen und über die er nach eigenen Vorstellungen frei verfügen kann. Lediglich Gemeinschaftsräume werden angeboten. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern beruht nur im Idealfall auf familiärer Verbundenheit. Denn das Nutzungskonzept der Beigeladenen schließt ein gemeinsames Schlafen mit Fremden in einem Zimmer nicht aus. Der insoweit von der Antragsgegnerin gezogene Vergleich zu einer Wohngemeinschaft ist verfehlt, weil sich deren Mitglieder freiwillig zusammengefunden haben und die Gemeinschaft auch jeder Zeit wieder verlassen können. Dies gilt für Asylbegehrende oder Flüchtlinge nicht. Ihr Aufenthalt in der Unterkunft ist abhängig von öffentlich-rechtlichen Weisungen.

31

bb) Ebenso wenig ist der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu folgen, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil von einem gewandelten gesellschaftlichen Verständnis des Wohnbegriffs auszugehen sei bzw. es um Wohnen im weiteren Sinne gehe. Häufige Wohnortwechsel seien heute keine Seltenheit mehr, so dass die Wohnsituation auf Dauerhaftigkeit von vornherein nicht angelegt sei. Ebenso sei es keine Seltenheit, dass sich etwa in Großfamilien oder Wohngemeinschaften eine Mehrzahl von Personen Bad und Küche teilten.

32

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens kann nicht ohne weiteres ausgedehnt werden, weil ihm auch die Funktion zukommt, diese Nutzungsform von anderen bauplanungsrechtlich relevanten Nutzungsformen, wie insbesondere der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke (vgl. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), abzugrenzen. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt, u.a. durch Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen (siehe Stock, a.a.O., § 4 Rn. 51 f.). Darunter fällt auch die Unterbringung von Menschen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992). Eine Anlage für soziale Zwecke wird gerade durch die Beschränkung der Eigenverantwortlichkeit der Lebensgestaltung, die nicht zuletzt in der Unfreiwilligkeit des Aufenthalts ihren Ausdruck findet, charakterisiert. Wie in einer Flüchtlingsunterkunft werden auch Betreuungsleistungen erbracht, die die Verweisung in bestehende Gesundheits- und Hilfesysteme und an die Krisenintervention umfassen können. Von daher ist für den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens spiegelbildlich an den Merkmalen der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts festzuhalten.

33

Zwar ist es zutreffend, dass das Verständnis dessen, was Wohnbedürfnissen dient, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegt. Jedoch erfolgt die insoweit notwendige Auslegung des Begriffs durch die Orientierung an den Nutzungsartenkatalogen der jeweils geltenden Baunutzungsverordnung (siehe BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE 108, 190, 199). Sie kann auch bei einem übergeleiteten Baustufenplan nicht darüber hinausgehen. Mit der Festsetzung als besonders geschütztes Wohngebiet wurde regelmäßig ein bereits vorhandener Gebietscharakter gesichert, der sich von dem eines nicht besonders geschützten Wohngebiets in ähnlicher Weise abhebt, wie nach dem neuen Bauplanungsrecht das reine Wohngebiet nach § 3 BauNVO gegenüber dem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Da im Nutzungsartenkatalog des § 3 BauNVO nach wie vor Flüchtlingsunterkünfte nicht vorkommen, verbleibt es damit bei der Aufgabe, das Wohnen von der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke abzugrenzen.

34

Das Argument der Beigeladenen, bei der Flüchtlingsunterkunft würde es sich um Wohnen im weiteren Sinne handeln, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 (a.a.O., 202) dies der Sache nach auch so gesehen habe, überzeugt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort ausgeführt,

35

„daß Asylbewerber untergebracht werden, weil ein spezielles Wohnbedürfnis befriedigt werden muß. Wenn dieses auch nicht dem Typ des Wohnens im allgemeinen Verständnis ( … ) entspricht, so ist die Nutzung jedoch zumindest dem Wohnen (im engeren Sinne) ähnlich und mit ihm verträglich; das hat das Berufungsgericht im einzelnen ausgeführt.“

36

Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Anschluss an die vom Vordergericht (OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354 ff.) getroffenen Feststellungen beziehen sich aber auf die Unterbringung von Asylbegehrenden in drei Wohngebäuden vom Typ eines Einfamilienhauses und damit auf einen nicht vergleichbaren Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist in dieser Entscheidung im Übrigen zu dem revisionsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Ergebnis gelangt, dass Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigungen nicht Wohngebäude seien, sondern eine Anlage für soziale Zwecke. Die Beigeladene übersieht bei ihrer Argumentation, dass die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke nicht ausschließt, trotzdem anzuerkennen, dass die Anlagen dem Wohnen ähnlich sind, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbegehrenden oder Flüchtlings sind (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992 m.w.N.).

37

e) Ebenso ohne Erfolg wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, in dem besonders geschützten Wohngebiet sei die Flüchtlingsunterkunft nur als kleine Anlage für soziale Zwecke bauplanungsrechtlich gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO allgemein zulässig.

38

Das Verwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts gelangt, die auch von den Beteiligten in diesem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt wird. Danach ist der Begriff der „Wohnbedürfnisse“ i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO weit auszulegen und umfasst über das „Wohnen“ im engeren Sinne hinaus auch solche Nutzungen, die in einem Wohngebiet erwartet werden oder mit ihm verträglich sind; dies gilt auch für „besonders geschützte Wohngebiete“ (z.B. OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.; v. 10.4.1997, a.a.O., 356). Gleichermaßen hat das Beschwerdegericht bereits entschieden, dass hierzu auch Nutzungsarten zählen können, die erstmals unter Anwendung der Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990 nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmeweg zugelassen werden können. Allerdings muss die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet werden oder mit ihm verträglich sind, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., 198). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit, damit eine klare Abgrenzung der von § 10 Abs. 4 BPVO unterschiedenen Baugebiete gewährleistet ist. Wollte man hiervon abrücken, würde die Überleitung der Baustufenpläne gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als Instrumente einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Frage gestellt. Die Bestimmung der Nutzungen, die in einem besonders geschützten Wohngebiet allgemein zulässig sind, kann deshalb nicht der Entscheidung der Antragsgegnerin im Einzelfall unterliegen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 9 BPVO ist gerade nicht durch das Bundesbaugesetz übergeleitet worden (so bereits BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 379).

39

Ohne das planerische Bedürfnis nach weiteren Steuerung sind in einem besonders geschützten Wohngebiet regelmäßig aber nur „kleine“ Anlagen allgemein zulässig (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 354). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstellt, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Dabei ist im Bereich der Baustufenpläne im Regelfall keine andersartige, ergänzende Steuerung der Gebietsverträglichkeit einer Nutzungsart möglich (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, NordÖR 2009, 68, 70 m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG; Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 413 f.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Plangeber des Baustufenplans hier mit dem ausdrücklichen Ausschluss aller gewerblichen Nutzungen, die nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auch in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmewege zugelassen werden könnten, deutlich gemacht hat, dass Nutzungen, die nicht dem Wohnen i.e.S. zugerechnet werden können, nur dann zulässig sein können, wenn sie sich dieser Nutzungsart ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, a.a.O.).

40

Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, dass von der genehmigten Flüchtlingsunterkunft entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gerade keine gebietsunverträglichen Störungen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele. Wohnen störe aber nicht Wohnen. Mit einer Zunahme des Umfangs der Nutzung der Unterkunft seien keine gebietsunverträglichen Störungen zu erwarten. Der vom Verwaltungsgericht insoweit befürchteten Möglichkeit sozialer Spannungen komme keine bodenrechtliche Relevanz zu und führe zu einem unzulässigen Milieuschutz. Daher müsse es sich bei der Flüchtlingsunterkunft auch nicht lediglich um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handeln.

41

Die Festsetzung eines besonderen Schutzes für ein Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO schließt die Zulassung einer Unterkunft für Asylbegehrende bzw. Flüchtlinge nicht grundsätzlich aus. Bereits aus der parallelen Wertung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ergibt sich aber, dass Anlagen für soziale Zwecke, die nicht gerade der (gebietsbezogenen) Kinderbetreuung dienen, nur „ausnahmsweise“ zugelassen werden können. Für nicht besonders geschützte Wohngebiete ergibt sich dagegen aus dem Vergleich zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, dass Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig sind. An die Zulässigkeit einer Flüchtlingsunterkunft in einem besonders geschützten Wohngebiet müssen daher strengere Anforderungen gestellt werden. Da in einem besonders geschützten Wohngebiet eine Flüchtlingsunterkunft neben dem Wohnen auch nicht allgemein erwartet wird, muss sie jedoch gebietsverträglich sein. Allgemein erwartet werden in einem besonders geschützten Wohngebiet nur die beim Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen Infrastruktureinrichtungen. Beim Wohnen entsteht aber kein Bedarf an Flüchtlingsunterkünften. Angesichts der Offenheit des Begriffs der Wohnbedürfnisse kann nicht jeder formal unter den Tatbestand fallender Vorhabentyp allgemein zulässig sein. Maßstab für die Zulässigkeit ist daher die Gebietsverträglichkeit, bei der es um die Frage geht, ob ein Vorhaben - unabhängig vom Einzelfall - mit der Eigenart des Gebiets städtebaulich verträglich ist. Das Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem besonders geschützten Wohngebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr, ausgehen. Entscheidend ist dabei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3. 2002, BVerwGE 116, 155, 160; Beschl. v. 28.2.2008, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19).

42

Der Hinweis der Antragsgegnerin - das Beschwerdegericht (Beschl. v. 12.1.2015, 2 Bs 247/14) habe festgestellt, dass von einer Flüchtlingsunterkunft mit 300 Plätzen typischerweise keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele - verfängt nicht. Denn der Maßstab für das dem besonders geschützten Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ würde deutlich verfehlt, wenn es erst auf das Überschreiten der Schwelle unzumutbarer Lärmimmissionen ankäme. Ebenso fehl geht der Einwand der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe versäumt, das konkrete Störpotenzial der Flüchtlingsunterkunft zu ermitteln. Denn bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit kommt es nur auf die Auswirkungen an, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Anders als bei der Prüfung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geht es nicht um die konkreten Auswirkungen des Vorhabens im Einzelfall.

43

Dagegen spricht für die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine nicht mehr „kleine“ Anlage für soziale Zwecke sei in einem besonders geschützten Wohngebiet gebietsunverträglich, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Abhängigkeit der Emissionen von der Belegungszahl bzw. dem räumlichen Umfang der Unterkunft besteht. Denn es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass eine große Flüchtlingsunterkunft mit einer entsprechend hohen Belegungszahl typischerweise einen verstärkten Ziel- und Quellverkehr auslöst, der die Verkehrsbelastung im Wohngebiet spürbar erhöht. Dass für die genehmigte Flüchtlingsunterkunft nur zwei Kfz-Stellplätze vorgesehen sind, weil die 220 Personen von 2,75 Vollzeitkräften betreut werden sollen, dürfte einen typischen Ziel- und Quellverkehr nur unvollständig abbilden. So wird in einer Entscheidung des VGH München (Urt. v. 13.9.2012, BayVBl. 2013, 241), bei der es um eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ging, ein Stellplatzschlüssel von einem Stellplatz je zehn Betten zugrunde gelegt. Nach diesem Maßstab wären hier 22 Kfz-Stellplätze zu erwarten. Zum typischen verkehrsauslösenden Betreuungsaufwand bei einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung dürfte auch gehören, dass die Bewohner mit Essen versorgt werden müssen. Wenn das Nutzungskonzept hier vorsieht, dass von den Bewohnern in den Küchen selbst gekocht werden soll, so heben die Antragsgegnerin und die Beigeladene dies gerade als Besonderheit hervor. Die typischerweise bestehende räumliche Enge in einer Flüchtlingsunterkunft wird zudem häufig dazu führen, dass sich die Bewohner nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern in größerer Zahl auch im Freien vor der Unterkunft aufhalten werden. Dies ist ebenfalls geeignet, eine Unruhe in das Gebiet zu bringen, die eine erhebliche Auswirkung auf die im besonders geschützten Wohngebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe darstellt, wie sie der Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Bei diesen Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft handelt es sich auch nicht bloß um wohnähnliche Störungen, die ungeeignet sind, in einem Wohngebiet eine Gebietsunverträglichkeit zu begründen. Denn die Auswirkungen beruhen auf den besonderen Verhältnissen in einer Flüchtlingsunterkunft, die in vergleichbarer Weise in einem Wohngebäude so regelmäßig nicht anzutreffen sind.

44

Schließlich bemessen sich die Störungen der Gebietsverträglichkeit nicht allein nach dem Maß der Lärmimmissionen, sondern auch an den sonstigen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB u.a. die Berücksichtigung der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gehört. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auch die Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft auf den sozialen Wohnfrieden in den Blick genommen, ohne dem allerdings ein maßgebliches Gewicht beizumessen. Flüchtlingsunterkünfte mit hoher Belegungsdichte weisen damit tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die dazu führen, dass das Vorhaben der Nutzungsänderung boden- bzw. bauplanungsrechtliche Relevanz hat (so auch VGH München, Urt. v. 13.9.2012, a.a.O., 242).

45

f) Die Einwände der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Einstufung der genehmigten Flüchtlingsunterkunft als nicht „kleine“ Anlage für soziale Zwecke greifen nicht durch.

46

Das Verwaltungsgericht hat für die Frage, wie groß eine Flüchtlingsunterkunft sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, als Orientierungsmaßstab eine gedachte Bebauung des 3.308 m2 großen Vorhabengrundstücks nach den Richtlinien zur Förderung des Wohnungsbaus im 1. Förderweg (Sozialwohnungsbau) zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene monieren, das Verwaltungsgericht habe von dem auf dieser Grundlage gefundenen Ergebnis von Wohnraum für ca. 200 Menschen keinen rechnerischen Abschlag in Ansatz bringen dürfen.

47

Das Gegenargument der Beigeladenen, der Plangeber habe mit einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung ein hohes Maß zulässiger Bebauung bestimmt, das auch ein hohes Maß an Immissionen für das Nachbargrundstück zumutbar mache, verfängt nicht, weil das Verwaltungsgericht ebenfalls von einer geschlossenen Bauweise bzw. einer baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke im oberen Bereich des für Wohngebiete nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO Möglichen ausgegangen ist. Entgegen dem Einwand der Antragsgegnerin lässt sich nicht feststellen, dass die vom Verwaltungsgericht zur Rechtfertigung angenommenen Störungen keine bodenrechtliche Relevanz hätten und sich die Nutzungsformen Wohngebäude und Flüchtlingsunterkunft im relevanten Störungspotenzial nicht unterschieden (siehe dazu bereits oben auf S. 17 ff.).

48

2. Entgegen den Darlegungen der Antragsgegnerin war das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller nicht gehalten, zu prüfen, ob die seiner Ansicht nach rechtswidrige Baugenehmigung durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB legalisiert werden kann.

49

Der Hinweis der Antragsgegnerin - in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 19.7.2001, 2 Bs 370/00, juris Rn. 16 ff.; v. 18.12.2006, 3 Bs 218/05, NordÖR 2007, 163 f.) sei für Verfahrensfehler eines Verwaltungsaktes anerkannt, dass eine im Widerspruchsverfahren zu erwartende Heilung nach § 45 VwVfG bei einer Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sei - greift zu kurz. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht von einem bloßen Verfahrensfehler ausgegangen, sondern hat die materielle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung festgestellt. Zudem wird in diesen ebenso wie in den übrigen von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.2.1996, juris Rn. 10; OVG Münster, Beschl. v. 14.11.2006, 1 B 1886/06, juris Rn. 23 ff.), die die Heilung von Ermessensfehlern betreffen, jeweils vorausgesetzt, dass sich im gerichtlichen Aussetzungsverfahren bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren lässt, dass der Verfahrens- oder Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren geheilt wird. Von einer solchen hohen Wahrscheinlichkeit für die Erteilung einer Befreiung ist aber nach den Darlegungen der Antragsgegnerin nicht auszugehen. Denn wenn die Antragsgegnerin ausführt, bei der Erteilung einer Befreiung für die Flüchtlingsunterkunft sei davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt würden, weil die Unterkunft keine relevanten bodenrechtlichen Spannungen auslösen würde und gebietsverträglich sei, so ist dies - wie oben auf S. 17 ff. dargelegt - unzutreffend. Angesichts ihrer Größe ist auch durch die vorgesehene Gestaltung im Einzelfall nicht offensichtlich, dass diese beachtlichen Spannungen auszuschließen sind.

50

3. Die beiden Beschwerden bleiben auch insoweit erfolglos, als mit ihnen die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht insgesamt angegriffen wird.

51

Mit der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass an der sofortigen Vollziehung einer aller Voraussicht nach rechtswidrigen Baugenehmigung weder ein privates noch ein öffentliches Interesse besteht. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen lässt sich nicht allein auf ihre Behauptung stützen, durch den weiteren Innenausbau der Unterkunft und eine Nutzungsaufnahme würden keine später nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen. Außerdem ist bei der Interessenabwägung einzustellen, dass der zu schützende Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller gerade ohne Rücksicht darauf besteht, ob ihnen durch die gebietsunverträgliche Nutzung konkrete Beeinträchtigungen erwachsen.

52

4. Schließlich war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller nur insoweit anzuordnen, als die Belegungszahl der Unterkunft die Kapazität einer kleinen Anlage für soziale Zwecke übersteigt.

53

Eine nur eingeschränkte Anordnung des Widerspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Vorhaben hinsichtlich der Größe des Gebäudes nicht teilbar ist. Die Überschreitung der zulässigen Größe der Unterkunft ergibt sich nicht nur, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, aus einer zu hohen Belegungszahl, sondern auch aus ihrem zu großen räumlichen Umfang. Denn für die Frage, wann eine Anlage für soziale Zwecke als klein zu bewerten ist, ist maßgeblich auch auf ihre äußere Erscheinungsform abzustellen (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 414). Obwohl die Beigeladene nur eine Nutzungsänderung erstrebt, ist das gemäß § 29 Abs. 1 BauGB von ihr zur Genehmigung gestellte „Vorhaben“ nicht das Gebäude des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes zuzüglich der neu zugedachten Nutzung als Flüchtlingsunterkunft, sondern die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 185, 188; v. 17.6.1993, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158). Dies erfordert es, dass auch der räumliche Umfang der Flüchtlingsunterkunft geprüft wird.

54

Das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück wurde aber schon seinerzeit nur unter rechtlichen Bedenken und Erteilung einer speziellen für nicht Wohnzwecken dienenden Gebäude geregelten Ausnahme für die Überschreitung der gemäß § 11 Abs. 1 BPVO i.V.m. Spalte 6 der Baustufentafel zulässigen Bautiefe von maximal 12 m genehmigt. Tatsächlich beträgt die Bautiefe des Gebäudes 22 m bzw. bis zu 28 m. Die in Spalte 6 der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO enthaltene Regelung zur Bautiefe war zwar bauordnungsrechtlicher Natur und gilt gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 23 HBauO 1969 nicht mehr fort (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2012, 2 Bs 145/11, m.w.N.), so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche heute nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beurteilt. Mit einer Gebäudegrundfläche von 996 m2 ist das Gebäude aber mehr als doppelt so groß wie jedes andere Gebäude in dem Baublock, deren Gebäudefläche ganz überwiegend unter 300 m2 liegt.

55

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 04. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.250,--€ festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (Eigentümerin des Grundstücks N…Straße ., … K…) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13.02.2013 (1 L 247/13.KO). Gegenstand des Rechtsstreits sind Baugenehmigungen für „eine Wohn- und Dienstleistungsanlage für Menschen mit Behinderung“ in der Nachbarschaft zu der Antragstellerin (im Gemeindegebiet St. S...), die unter dem 10.09.2012 zu Gunsten der Beigeladenen seitens der Antragsgegnerin auf der Grundlage eines vereinfachtes Genehmigungsverfahrens gemäß § 66 LBauO erteilt wurden. Grundlage der Baugenehmigung ist der Bebauungsplan der Ortsgemeinde St. S... „Am K... I“, der die Orte St. S... und K… verbindet und auf einer Größe von ca. 0,54 ha ein Allgemeines Wohngebiet (WA) u.a. mit dem Ziel aufweist „… eine selbstbestimmte W…, K… in St. S... anzusiedeln“.

2

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung näher ausgeführt, im Rahmen der Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei auszuschließen, dass die angefochtenen Baugenehmigungen bauplanungsrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzten, die dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt seien. Die Genehmigungen seien insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen einen geltend gemachten Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin oder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme zu beanstanden. Vor dem Hintergrund der Erfolgsaussichten des Antrags in der Hauptsache sei bei der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO der vorläufigen Realisierung der Vorzug zu geben.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht insbesondere geltend, dass die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig seien, da zwingend zu beachtende und drittschützende Brandschutzvorschriften bereits im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft und in der Folge nicht umgesetzt worden seien. Dies liege bereits daran, dass die erforderlichen neuen Differenzierungen nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vom 22.12.2009 (GVBl. 2009, 399) nicht beachtet worden seien. Insbesondere würden mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben der Beigeladenen entgegen deren Selbstverständnis keine selbstorganisierte Wohngemeinschaften i.S.d. § 6 LWTG entstehen. Bereits aus den Bauanträgen werde deutlich, dass nicht nur eine ambulante Wohn- und Betreuungsform im Sinne von § 5 Nr. 2 LWTG, sondern womöglich sogar eine Wohn- und Betreuungsform nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 LWTG angestrebt werde, was im Brandschutz ganz andere Voraussetzungen habe und daher bereits im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sei. Im Baugenehmigungsverfahren sei es auf dieser Grundlage versäumt worden, die Frage des Brandschutzes entsprechend den Anforderungen des zuständigen Ministeriums zu prüfen, da die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der früher gültigen Differenzierung fälschlicherweise erhöhte Brandschutzanforderungen nur für „Heime“ im bisherigen Rechtssinne für erforderlich gehalten habe. Zudem verstoße die Errichtung von derart umfänglichen Wohn- und Pflegegebäuden mit den entsprechenden Serviceeinrichtungen gegen nachbarschützende Regelungen des maßgeblichen Bebauungsplanes und das Gebot der Rücksichtnahme.

II.

4

1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die der Beigeladenen am 10.09.2012 erteilten Baugenehmigungen zu Recht abgelehnt. Das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vermag zwar unter Umständen weitere Ermittlungen im Widerspruchs- und Hauptsacheverfahren zum Brandschutz, nicht jedoch die Anordnung des von dem Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13.02.2013 abgelehnten Suspensiveffekts zu rechtfertigen. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen:

5

2. Das Verwaltungsgericht hat bereits die Grundsätze einer Interessenabwägung im Rahmen der nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung dargelegt. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Für die Beschwerdeinstanz gelten diese Maßstäbe entsprechend, wobei die maßgeblichen Aspekte im Rechtsmittelverfahrens zu berücksichtigen sind (§ 146 Abs. 4, Satz 1, 3 und 6 VwGO). Auch im Anwendungsbereich des § 212a BauGB hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Abwägung der gegenläufigen Interessen und Beachtung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu treffen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 212a Rn. 39c), auch wenn der Gesetzgeber der sofortigen Vollziehung im Verfahren zunächst den Vorrang einräumt.

6

3. Der Bauantrag der Beigeladenen ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Maßgabe von § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO genehmigt worden. Demnach kommt es im vorliegenden Verfahren darauf an, ob bauplanungsrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO, die – zumindest auch – dem Schutz der Antragstellerin dienen, verletzt sind. Erhebliche Einwände gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen – also derjenigen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens – wurden nicht vorgetragen bzw. sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht ersichtlich geworden („Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 einschließlich ihrer Nebengebäude und Nebenanlagen“). Etwas anderes ergibt sich auch noch nicht aus § 50 Abs. 1 S. 1 LBauO, wonach für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden können, was gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 6 LBauO für „Krankenhäuser, Entbindungs- und Säuglingsheime, Heime für behinderte und alte Menschen“ gilt und damit ersichtlich noch nicht auf die Terminologie des LWTG angepasst worden ist. Dies ändert jedoch zunächst nichts an der Anwendbarkeit von § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO bzw. gibt der Antragstellerin noch kein drittschützendes Recht auf Suspendierung der streitgegenständlichen Baugenehmigungen, was im Übrigen auch bei Anwendung der Heimmindestbauverordnung vom 11.05.1983 (BGBl I 1983, 550) der Fall wäre, solange kein Verstoß gegen nachbarschützende Normen dargelegt worden ist. Erweist sich die Anlage jedoch im weiteren Entstehen und der beabsichtigten Nutzung als bauordnungswidrig wegen unzureichendem Brandschutz, ist ihre Nutzung seitens des Antragsgegners zu untersagen. Betrifft dieser Brandschutz auch Interessen der Nachbarn, steht ihnen ein insofern Antragsrecht auf Einschreiten gegen die Bauaufsichtsbehörde zu. Auf die weiteren Ausführungen zum Brandschutz unter 6.) ist an dieser Stelle zunächst zu verweisen.

7

4. Bauplanungsrechtlich hat der Senat hat in dem parallel gelagerten Verfahren des Nachbarn der Antragstellerin (Beschluss vom 14.05.2013 – 1 B 10309/13, Wohnhaus N…Straße …) zu der Frage des Gebietserhaltungsanspruchs Folgendes ausgeführt:

8

Zunächst kann der Antragsteller nicht mit seinem Vorbringen zur Vereinbarkeit der genehmigten Bauvorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes „Am K... der Ortsgemeinde St. S... durchdringen. Da sein Grundstück nicht innerhalb dieses Bebauungsplangebietes und nicht einmal in derselben Ortsgemeinde liegt, hat er keinen Anspruch auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart. Wollte man dies außer Acht lassen, legt die Beschwerde zudem nicht dar, dass tatsächlich ein Verstoß gegen die planungsrechtlichen Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans vorliegt. Allein die Ausführungen, dass sich die planerischen Vorstellungen der Gemeinde bei Erlass des Bebauungsplans erst aus der Planbegründung ergäben und die Festsetzungen (sachwidrig) zu einem typischen allgemeinen Wohngebiet nicht differierten, sind für die Annahme einer Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht ausreichend.

9

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass ein sog. „gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch“ nicht anzuerkennen ist. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, NVwZ 2008, 427; BayVGH, Beschluss vom 01.07.2009, 14 ZB 07.1727 - juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (OVG RP, Urteil vom 14.01.2000, BauR 2000, 527; BayVGH, Beschluss vom 24.03.2009, 14 Cs 08.3017 - juris). Eine solche Konstellation ist aber hier nicht dargelegt oder sonst offensichtlich, so dass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muss, dass auch das neue Plangebiet ein allgemeines Wohngebiet (WA) ausweist, wenn auch mit der Möglichkeit, eine Einrichtung zum Wohnen und Behandeln behinderter Menschen dort unterzubringen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.01.1997, 7 A 2175/95). Es ist damit wie bisher davon auszugehen, dass die Eigentümer von betroffenen Grundstücken nur dann die Einhaltung von bauplanungsrechtlichen Festsetzungen verlangen können, wenn sie denselben rechtlichen Bindungen unterworfen sind (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11). (…)

10

Selbst wenn man aber einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs anerkennen wollte, so käme dies grundsätzlich nur bei einer Abweichung von einem dem Gebietstyp des klagenden Nachbarn gleichartigen Baugebiet in Betracht (vgl. Maschke, Der Gebietserhaltungsanspruchs, Diss. 2009, Seite 162ff,167 m.w.N.), was vorliegend im Hinblick auf die genehmigte Wohnnutzung mit einer Wohnanlage für Behinderte gerade nicht der Fall ist, da es sich hier um eine gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich zulässige Einrichtung handelt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.12.1985 – 11 B 1911/85, NJW 1986, 3157; VGH BW, Beschluss vom 15.02.2006 – 8 S 2551/05, BauR 2006, 1278).

11

Daran hält der Senat fest. Auch hinsichtlich der Frage, ob dem Bebauungsplan nachbarschützende Vorschriften zu entnehmen seien, hat der Senat bereits im Parallelverfahren Stellung bezogen. Der Antragstellerin kann insbesondere nicht gefolgt werden, dass die Gemeinde entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts mit der Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgt habe, Nachbarn außerhalb des Baugebiets einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Zutreffend hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass ein derartiger baugebietsübergreifender Gewährleistungsanspruch in aller Regel davon abhängt, ob sich aus der Begründung des Bebauungsplans ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lasse. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich eine solche Intention aus dem Bebauungsplan gerade nicht begründen lasse. Wörtlich heißt es im Beschluss vom 13.02.2013:

12

Im Gegenteil sind die dort formulierten Ziele, „innerhalb der Rheingemeinden St. S... und K… eine homogene, zusammenhängende Bebauung zu realisieren“ und „gleiche städtebauliche Strukturen“ zu ermöglichen ebenso wie das Planungsziel, durch eine Einschränkung der Zahl der Wohnungen „eine verdichtete Bebauung“ zu vermeiden, rein städtebaulicher Art und dienen somit gerade nicht baugebietsübergreifend dem Nachbarschutz

13

Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts schließt sich der Senat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ausdrücklich an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die weiteren Ausführungen des Beschlusses der Vorinstanz vom 04.04.2013. Insbesondere kann der Aspekt der "Inklusion" des neu erschlossenen Baugebiets mit den Ortsbereichen St. S... und K…einen solchen Drittschutz nicht begründen. Dementsprechend kommt es insofern auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich der Nichteinhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben durch die besondere Gestaltung (Trennung) der Bauanträge – die nach ihrer Auffassung nicht als getrennte Häuser sondern als einheitliches Gesundheitszentrum anzusehen seien – nicht an, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

14

5. Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme hat die Antragstellerin angenommen, dass unzumutbare Belastungen durch die Anlagen entstehen würden. Im vorherigen Verfahren 1 B 10309/13.OVG hat der Senat hierzu ausgeführt:

15

„Im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme kann der Antragsteller zunächst durch die Gebäude der Beigeladenen selbst – darauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen – offensichtlich nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Zumindest ist eine entsprechende Darlegung nicht erfolgt. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Nutzung der baulichen Anlagen legt auch die Beschwerde nicht da. Der von dem Antragsteller für möglich gehaltene 24-Stunden-Betrieb von Pflegediensten bietet hierfür keinen Anhaltspunkt. Zunächst ist die Pflege innerhalb der Räume – selbst wenn sie "rund um die Uhr" erfolgen sollte – für die Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme unerheblich. Insoweit allenfalls erhebliche Störungen durch den An- und Abfahrtsverkehr, der durch die Mitarbeiter der die Bewohner der Anlage betreuenden Pflegedienste verursacht wird, können dabei einer gesonderten Betrachtung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Es ist derzeit auf der Grundlage der Beschwerde nicht ersichtlich, dass ein "worst-case-Szenario" angenommen werden müsste, bei dem der Betrieb der Beigeladenen schon im Eilverfahren als offensichtlich baurechtlich unzulässig anzusehen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eventuelle Anfahrten zur Nachtzeit über die von dem Grundstück des Antragstellers abgeschirmten Parkplätzen erfolgen.“

16

Hieran ist auch im streitgegenständlichen Verfahren festzuhalten. Auch die Antragstellerin hat keine durchgreifenden Gründe genannt, die die Suspendierung der streitgegenständlichen Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme bzw. § 15 BauNVO schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens rechtfertigen könnten. Die Befürchtung von Lärmeinwirkungen zulasten der Antragstellerin durch die Anlieferung von Lebensmitteln und sonstigen Versorgungsgütern, Transporten mit Rollstuhlfahrern sowie weitere befürchtete Belastungen durch einen häufigen Wechsel der Parkplatznutzung, – etwa durch Kurse für Menschen mit und ohne Behinderung – legen nicht im Ansatz dar, dass die bereits im Parallelverfahren geäußerten Einschätzung des Senats hinsichtlich der zu erwartenden Lärmbelastung zu revidieren sei. Dort wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine nähere Überprüfung gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann und eine Überschreitung der maßgeblichen Immissionswerte schon im Eilverfahren in keiner Weise feststellbar ist, so dass es bei der dort getroffenen Entscheidung zu bleiben hat.

17

6. Auch hinsichtlich der übrigen Rügen – insbesondere dem Verstoß gegen brandschutzrechtliche Bestimmungen – bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

18

a. Eine Bauaufsichtsbehörde (hier der Antragsgegner) ist allgemein zum Erlass einer beantragten Baugenehmigung verpflichtet, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO). Die danach umfassende Prüfungspflicht der Behörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren jedoch dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kontrollieren ist. Bauordnungsrechtliche Bestimmungen – und damit auch brandschutzrechtliche Fragen – gehören gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO hierzu nicht (vgl. OVG RP, Urteil vom 22.10.2008 – 8 A 10942/08, ESOVGRP; Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Aufl. 2012, § 66 Rn. 49; Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 03.02.1999, MinBl. S. 90 zu § 66 Abs. 3 LBauO). Die Zurücknahme der präventiven Kontrolle verfolgt den Zweck der Verfahrenserleichterung bei gleichzeitiger Stärkung der Verantwortung des Bauherrn und seiner qualifizierten Beauftragten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zur LBauO 1986, LT-Drucks. 10/1344, S. 90; OVG RP Urteil vom 23.10.2002 – 8 A 10994/02, ESOVGRP; Jeromin, a.a.O., § 66 Rn. 57). Der gesetzlichen Einschränkung der präventiven Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörde korrespondiert ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bei Vorliegen der entsprechend eingeschränkten Voraussetzungen, d.h. der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den zum gesetzlichen Prüfungsprogramm gehörenden Vorschriften (OVG RP, Urteil vom 17.07.1996 (AS 26, 227 - LS 3 -, 8. Senat) und vom 26.09.1996 (AS 26, 267 [274 f.], 1. Senat).

19

b. Die Bauaufsichtsbehörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren aber in besonderen Konstellationen nicht gehindert, die in dem Verfahren nach § 66 Abs. 3 LBauO beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG RP, Urteil vom 22.11.2011 - 8 A 10636/11), sie ist hierzu jedoch grundsätzlich im Hinblick auf die Aufteilung der Verantwortungs- und Risikosphären hierzu nicht verpflichtet (Jeromin, LBauO Rh-Pf., 2. Aufl. 2012, § 66 Rn. 55a), ebenso besteht regelmäßig kein Anspruch Dritter auf Erweiterung des Prüfprogramms im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

20

c. Dieses Prüfprogramm versucht die Antragstellerin mit ihren umfassenden Ausführungen im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung in Frage zu stellen, was jedoch zumindest in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ohne Erfolg bleiben muss. Die umfangreiche Argumentation der Antragstellerin läuft zusammengefasst darauf hinaus, dass der Antragsgegner bei der Bewilligung des Bauvorhabens zunächst eine ordnungsgemäße Einordnung des Vorhabens gemäß dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) vorzunehmen und sodann verbindlich die brandschutztechnischen Anforderungen an Einrichtungen zum Zwecke der Pflege oder Betreuung nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) gemäß Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16.04.2012 (13214 – 4535) zu berücksichtigen hatte. Dabei habe er bereits die Einordnung fehlerhaft vorgenommen und daher die Brandschutzbestimmungen unzureichend umgesetzt, wodurch schließlich Rechte Dritter bereits in diesem Genehmigungsverfahren verletzt worden seien.

21

Abgesehen von der fehlenden Darlegung der Nichtbeachtung von Voraussetzungen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens fehlt es jedenfalls an der Darlegung einer Verletzung drittschützender Vorschriften, so dass eine Suspendierung des Bauvorhabens im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht kommt. Die Feststellungswirkungen der Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind beschränkt; der Bau wird nur insoweit freigegeben, als gleichzeitig seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit geprüft und bejaht wird (OVG RP, Beschluss vom 18.11.1991 - 8 B 11955/91.OVG; BVerwG, Urteil vom 09. 12 1983, BRS 40 Nr. 176 - S. 392). Danach entfaltet die Genehmigung vom 10.09.2012 zu Lasten der Antragstellerin hinsichtlich eines möglicherweise unzureichenden Brandschutzkonzepts keine Genehmigungswirkung.

22

d. Soweit die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift (u.a. Seite 12, Nr. 3" Konsequenzen für den Brandschutz") beschreibt, welche Voraussetzung für eine Wohnform nach § 5 LWTG erfüllt sein müssen und was überhaupt die Voraussetzungen für die Anwendung und Abgrenzung der §§ 4 – 6 LWTG sind, ist dies im Rahmen der Baugenehmigung ohne Bedeutung. Insbesondere die Konsequenzen für den Brandschutz aus der Art der künftigen Wohnnutzung wird der Antragsgegner von Amts zu beachten haben, was sich bereits aus dem Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16.04.2012 ergibt. In 2.1.6 dieser Dienstvorschrift ist geregelt, dass der Träger der Einrichtung (§ 7 LWTG) vor Aufnahme der Nutzung im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle eine Brandschutzordnung für den Betrieb der jeweiligen Nutzungseinheit unter besonderer Berücksichtigung des Pflegebedarfs der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der gebäude- und raumspezifischen Besonderheiten zu erstellen hat, sofern es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 5 LWTG handelt. In dieser Brandschutzordnung wären auch die Aufgaben der pflegenden oder betreuenden Personen der Wohngruppe für den Gefahrenfall, Brandschutzverhalten in der Wohngruppe und die Maßnahmen, die zur Rettung der Bewohnerinnen und Bewohner erforderlich sind (Räumungskonzept) festzulegen. Ungeachtet der brandschutztechnischen Stellungnahme der Brandschutzdienststelle des Landkreises vom 04.10.2012 (zuletzt eingereicht mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.06.2013) war eine solche umfassende Brandschutzordnung nicht Gegenstand der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren und damit nicht Gegenstand dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens. Gleichwohl sei im Hinblick auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Problematik „Brandschutz und Drittbezug“ auf Folgendes hingewiesen:

23

e. Allgemein ist bei der Frage des Brandschutzes zunächst § 15 LBauO in den Blick zu nehmen. Neben dem Schutz von in dem Gebäude lebenden Menschen vor Gefahren dienen die Anforderungen des Brandschutzes auch der Bewahrung vor Beschädigung von Sachwerten. Nachbarschützenden Charakter haben die Bestimmungen des vorbeugenden Brandschutzes ohne weiteres, soweit sie sich auf die Stellung von Gebäuden und die Einhaltung von Gebäudeabständen beziehen (Jeromin, Kommentar LBauO, § 15 Rn. 35). Weitere drittschützende Vorschriften im Zusammenhang mit den Anforderungen des Brandschutzes ergeben sich aus einzelnen Bestimmungen der §§ 27ff LBauO, wie etwa § 30 LBauO, hinsichtlich der Herstellung und Ausgestaltung von Brandwänden (vgl. OVG RP, Urteil vom 22.09.1989, Az.: 8 A 29/89). Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass gesetzliche Vorschriften über den Brandschutz grundsätzlich eine nachbarschützenden Wirkung entfalten können, sofern durch sie die Ausbreitung von Feuer auf die Nachbargebäude vorgebeugt werden soll (vgl. Simon/Busse Bayer. Bauordnung, Kommentar Art. 71 Rn. 274, 279ff).

24

Dementsprechend dürfte in einem etwaigen Verfahren gegen die Antragsgegnerin, das allein die künftige Brandschutzkonzeption der Beigeladenen zum Gegenstand hat, die Argumentation zulässig sein, dass die Einordnung der Anlage nach dem LWTG offensichtlich fehlerhaft und daraus resultierend die Brandschutzmaßnahmen – soweit sie nachbarschützende Bezüge aufweisen – unzureichend seien. Zu diesem Bereich zählt auch der weitere Vortrag der Antragstellerin, dass etwa eine Zufahrt entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 1 der LBauO – was Gebäude der Gebäudeklasse 4 voraussetzt - geschaffen werden müsse und allgemein weitere Anforderungen für die Feuerwehr nicht ausreichend berücksichtigt seien, was im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keiner weiteren Ausführungen bedarf. Vor diesem Hintergrund scheidet es in diesem Verfahren auch aus, umfassende Ermittlungen und Erörterungen über den Grad der Selbstständigkeit der Bewohner, das Angebot der Dienstleistungen in den Wohnhäusern bzw. Einrichtungen und die Grenzen der Selbstbestimmung im Hinblick auf umfassende ambulante Dienste nach Maßgabe von §§ 4 – 6 LWTG eingehend zu prüfen. Der Verweis auf die Entscheidung des VG Oldenburg, Urteil vom 21.05.2012, 12 A 1136/11) ist daher nicht zielführend. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene – vor der Bestandskraft der Baugenehmigung – auch entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 212a BauGB von ihrer Baugenehmigung Gebrauch machen kann. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die beabsichtigte Nutzung einen von der Genehmigung nicht umfassten Umfang haben sollte bzw. Anforderungen des Brandschutzes nicht erfüllt, fällt dies in die Risikosphäre der Beigeladenen als Investor. Es ist nicht Sache eines benachbarten Eigentümers einen Investor vor unter Umständen finanziell aufwändigen Nachbesserungen einer Baugenehmigung hinsichtlich des Brandschutzes oder anderer bauordnungsrechtlicher Belangen zu schützen.

25

Nach alledem besteht im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie der eingeschränkten Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 VwGO) kein Anspruch der Antragstellerin darauf, die Baugenehmigungen bis zu einer etwaigen Entscheidung in der Hauptsache zu suspendieren.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

27

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die öffentliche-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in einem ehemaligen Kreiswehrersatzamt.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke S... x, M... y und A... z (...). Die drei Straßen bilden einen Baublock, in dem auch das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der S... xa (...) liegt. Dieses Gebäude wurde auf der Grundlage des Baugenehmigungsbescheides vom 6. Juni 1956 ursprünglich als dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit Staffelgeschoss für ein Mineralölunternehmen errichtet. Die Antragsteller nutzen ihre Gebäude jeweils zu Wohnzwecken. Der Antragsteller zu 1. betreibt daneben in seinem Gebäude eine GmbH für Unternehmensberatung. In dem Gebäude der Antragstellerin zu 3. ist auch ein Architektenbüro untergebracht. Alle betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Baustufenplans Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955 (HmbGVBl. S. 294). Danach gilt für sie die Ausweisung Wohngebiet (W 3 g) gemäß § 10 der Baupolizeiverordnung vom 8. Juni 1938 (BPVO) mit den Maßgaben: Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame. Das Bauvolumen von 1939 darf nicht vergrößert werden. Es darf nur an der Baulinie gebaut werden. Vor- und Hintergärten sind zu erhalten und von jeglicher Bebauung freizuhalten. Außerdem gilt die Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen in Harvestehude vom 26. April 1988 (HmbGVBl. S. 66).

3

Die Beigeladene, ein soziales Dienstleistungsunternehmen u.a. für die öffentlich geförderte Unterbringung von Wohnungslosen und Zuwanderern, stellte bei der Antragsgegnerin im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Umnutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes in eine öffentlich-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen. Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die „öffentlich-rechtliche Unterbringung in Wohneinheiten“ in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt auf dem 3.308 m2 großen Eckgrundstück S... xa. In dem Gebäude soll auf einer Bruttogeschossfläche von 4.479 m2 eine Wohnfläche von 2.453 m2 entstehen. Aus der Baubeschreibung der Beigeladenen, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, geht hervor, dass eine Umnutzung des Verwaltungsgebäudes zur temporären öffentlich-rechtlichen Unterbringung von bis zu 220 Personen in 23 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe (Wohnflächen von 50 m2 bis zu 240 m2) mit zwei, drei, vier, fünf oder acht Zimmern vorgesehen ist. Die Wohneinheiten würden jeweils mit Küche und Bad ausgestattet. Außerdem würden Gemeinschafts- und Sozialräume eingerichtet. In der ungenehmigten Betriebsbeschreibung (als Bauvorlage 86/14 wurde lediglich die „Betriebsbeschreibung für Arbeitsstätten“ genehmigt, während die „Betriebsbeschreibung“, die als weitere Bauvorlage 86/14 eingereicht wurde, den handschriftlichen Vermerk „Anlage nicht genehmigt“ trägt) der Beigeladenen heißt es ergänzend, die Wohnunterkunft solle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Wohnungslosen, Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dienen. Bewohner seien Familien mit Kindern und Alleinstehende. Geschlafen werde in Mehrbettzimmern in der Regel mit zwei bis vier Betten. Die Bewohner sollten sich in der Küche selbst versorgen. Die Unterbringung in den Wohneinheiten solle grundsätzlich familienweise oder - je nach Familien- bzw. Wohnungsgröße - mit mehreren Familien/Parteien i.S. einer Wohngemeinschaft erfolgen. Nach der Arbeitsstättenbeschreibung wird die Beigeladene in der Wohnunterkunft insgesamt vier Personen beschäftigen.

4

Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 gegen den Baugenehmigungsbescheid jeweils Widerspruch. Am selben Tag haben sie einen Eilantrag gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss 22. Januar 2015 entsprochen hat, indem es die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO angeordnet hat. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, weil diese in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sei. Denn die Antragsteller könnten sich auf den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch berufen und das genehmigte Vorhaben sei nach Art und Umfang der Nutzung objektiv-rechtlich nicht genehmigungsfähig.

5

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller ihre Grundstücke in einer den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zur Art der Nutzung widersprechenden Weise nutzten. Eine früher im Gebäude des Antragstellers zu 2. tätige Firma sei aus dem Handelsregister gelöscht worden. Der Antragsteller zu 1. betreibe zwar auf seinem Grundstück eine Unternehmensberatung und auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 3. befinde sich ein Architektenbüro, jedoch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Tätigkeiten in einem besonders geschützten Wohngebiet unzulässig seien. Denn grundsätzlich seien freiberufliche und diesen ähnliche Tätigkeiten in dem Rahmen, wie sie in einem reinen Wohngebiet nach § 13 BauNVO zulässig seien, auch in einem besonders geschützten Wohngebiet zulässig. Der Antragsteller zu 1. werde lediglich als „Einmann-Unternehmen“ in seiner Wohnung tätig.

6

Das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung in dem nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO besonders geschützten Wohngebiet nicht genehmigungsfähig. Der festgesetzte Ausschluss jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, von Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame sei nicht funktionslos geworden. Die Antragsgegnerin müsste durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen haben, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht mehr entspreche (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203). Daran fehle es, nachdem die genehmigte Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken endgültig aufgegeben worden sei. Zwar seien in dem streitbefangenen Baublock zahlreiche Gewerbeunternehmen angemeldet. Auch habe die Ortsbesichtigung ergeben, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Jedoch sei nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten von der Antragsgegnerin genehmigt worden seien.

7

Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet müssten Wohnbedürfnissen dienen. Die Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen sei aber keine Wohnnutzung, das Vorhaben sei vielmehr als Anlage für soziale Zwecke zu behandeln. Verbindliche Regelungen, dass in den einzelnen Wohneinheiten jeweils nur miteinander verwandte Personen oder solche Personen untergebracht werden dürften, die eine gemeinsame Unterbringung wünschten, enthalte die Baugenehmigung nicht. Sie ermögliche vielmehr auch die ausschließliche Unterbringung alleinstehender Flüchtlinge, Asylbegehrender und Wohnungsloser. Die Kriterien, nach denen zu beurteilen sei, ob eine Wohnnutzung vorliege, seien eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Bei der genehmigten Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen fehle es an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit und Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Personengruppen würden aus Notsituationen heraus und aufgrund des Umstandes, dass sie über keine eigene Wohnung verfügten, in Unterkünften untergebracht. In jedem Fall sei dies nicht auf Dauer angelegt, sondern solle durch Umzug in eine eigene Wohnung oder durch Beendigung des Aufenthalts beendet werden. Außerdem sei die genehmigte Unterbringung nicht auf eine das Wohnen ausmachende Häuslichkeit angelegt, die ein Mindestmaß an Intimität voraussetze. Die Baugenehmigung ermögliche die Unterbringung von einander fremden Personen in Mehrbettzimmern, die sich mit bis zu 16, u.U. sogar mehr Personen Küche und Bad teilen müssten. Daran ändere die Aufteilung des Gebäudes in Wohneinheiten nichts.

8

Daher sei das Vorhaben als Anlage für soziale Zwecke in dem genehmigten Umfang in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Bei der Bestimmung der in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO generell zulässigen Nutzungen seien die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen einschließlich der nach Absatz 3 Nr. 2 im Ausnahmewege zulässigen zu berücksichtigen. Allerdings müsse die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet würden oder mit ihm verträglich seien, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig seien. Das sei im Falle von Anlagen für soziale Zwecke regelmäßig nur dann sichergestellt, wenn es sich um eine „kleine“ Einrichtung handele. Dem liege zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstelle, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgingen. Mit der Anzahl der gemeinsam untergebrachten Personen jeden Alters, zu denen Alleinstehende und Familien unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an die Unterkunft und unterschiedlichen Lebensgewohnheiten gehören könnten, wachse die Möglichkeit sich auf das umgebende Wohngebiet störend auswirkender sozialer Spannungen. Nach diesen Maßstäben sei das Vorhaben nicht zulässig, weil es sich nicht um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handele. Zur Bestimmung, was i.S.d. Gebietsverträglichkeit als kleine soziale Einrichtung zur Unterbringung von Asylbegehrenden und Wohnungslosen anzusehen sei, sei auf die Festsetzungen des Baustufenplans für das konkrete Gebiet abzustellen. Diese sähen mit der Festsetzung einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung und einer damit nach der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO verbundenen bebaubaren Fläche von 5/10 eine bauliche Ausnutzbarkeit im oberen Bereich des für Wohngebiete Möglichen vor. Um bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wie groß eine Einrichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrende und Wohnungslosen sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, orientiere sich das Gericht daran, was in einem so ausgewiesenen Wohngebiet typischerweise an Wohnnutzung erwartet werden könne. Als Maßstab erscheine es sachgerecht, eine gedachte Bebauung mit öffentlich gefördertem Wohnraum zugrunde zu legen, was nach den Berechnungen der Antragsgegnerin bei einer Grundstücksgröße von 3.308 m2 zu Wohnraum für ca. 200 Personen führen würde. Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Größe sich eine Unterkunft für Flüchtlinge, Asylbegehrende und Wohnungslose der Wohnbebauung typischerweise noch unterordne, sei allerdings von der ermittelten Rechengröße ein erheblicher Abschlag vorzunehmen, weil von einer solchen Einrichtung mit zunehmender Größe Störungen für das Wohngebiet ausgingen, die die mit einer Wohnnutzung einhergehenden Auswirkungen auf das Plangebiet überstiegen. Wie hoch der Abschlag letztlich zu sein habe, um die Größe einer gebietsverträglichen Unterkunft zu bestimmen, bedürfe im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Klärung. Denn eine Einrichtung zur Unterbringung von 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in dem mit W 3 g ausgewiesenen Wohngebiet sei nicht gebietsverträglich. Die Zahl der genehmigten Unterbringungsplätze übersteige sogar die Zahl der Bewohner, die in dem Baugebiet bei der Größe des Vorhabengrundstücks und einer Wohnnutzung i.e.S. typisierend zu erwarten wären.

9

Die Frage, ob das Vorhaben im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnte, bedürfe schließlich keiner Klärung, weil die Antragsgegnerin eine Befreiung von den Festzungen des Baustufenplans zur Art der Nutzung nicht erteilt habe.

II.

10

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 und 2 VwGO zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerden sind unbegründet, weil die in ihnen dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, nicht rechtfertigen, den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und - wie von den Beschwerdeführerinnen jeweils beantragt - den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2014 abzulehnen. Die von den Beschwerdeführerinnen dargelegten Gründe gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts greifen nicht durch.

11

1. Das Verwaltungsgericht hat bei der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO gebotenen Interessenabwägung für die Prüfung der Begründetheit des Antrags der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid zu deren Gunsten angenommen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, weil das Vorhaben der Beigeladenen nach der Art der baulichen Nutzung in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die Antragsteller dadurch in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt sind, so dass der Baugenehmigungsbescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerinnen bleiben erfolglos.

12

In der Rechtsprechung ist (grundlegend BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 366 ff.; zustimmend OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 355 m.w.N.; seither ständige Rspr. des Beschwerdegerichts) geklärt, dass die Gebietsfestsetzung auch bei den gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleiteten Baustufenplänen drittschützende Wirkung hat. Für planerische Gebietsfestsetzungen sind die Wechselbezüglichkeit der Interessen und ein daraus abgeleitetes Austauschverhältnis kennzeichnend. Die „Baufreiheit“ wird aus städtebaulichen Gründen, aber auch zum Nutzen der Beteiligten wechselseitig beschränkt. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird in diesem Bereich sinnfällig dadurch ausgeglichen und i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlich auch gerechtfertigt, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Durch das Festlegen einer Fläche etwa zur Nutzung als Wohngebiet werden die Grundeigentümer als jeweilige Nachbarn innerhalb des festgelegten Gebietes zu einer Gemeinschaft verbunden. Bauplanerische Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung sind regelhaft darauf ausgerichtet, die davon betroffenen Grundeigentümer in ein Austauschverhältnis gerade wechselseitig rechtlich einzubinden. Das Ausgleichsverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht (so BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, a.a.O., 374 f.; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990, 993).

13

Der Grundstücksnachbar kann daher geltend machen, dass er bereits durch eine Verletzung der Baugebietsfestsetzungen in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Ein solcher Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch) besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen des Grundstücksnachbars durch die gebietsfremde Nutzung.

14

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955, der gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleitet wurde, nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO getroffene Wohngebietsfestsetzung, die vom Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame noch besonders geschützt worden ist, drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller als Grundstücksnachbarn hat. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid verletzt deshalb die Antragsteller in ihren Rechten, wenn er gemäß § 30 Abs. 1 und 3 BauGB rechtswidrig ist, weil die Flüchtlingsunterkunft, die der Aufnahme von bis zu 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen dient, in dem besonders geschützten Wohngebiet nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO dienen im Wohngebiet die Grundstücke den Wohnbedürfnissen.

15

a) Die Antragsgegnerin vertritt allerdings die Ansicht, die Antragsteller könnten sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch schon deshalb nicht berufen, weil sie ihre Grundstücke selbst nicht nur zu Wohnzwecken nutzten. Dort würden ungenehmigte gewerbliche bzw. freiberufliche Nutzungen ausgeübt. Diesem Einwand mangelt es an Überzeugungskraft, weil er unsubstantiiert bleibt und sich nicht in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

16

Da die Antragsteller auf ihren Grundstücken unstreitig wohnen, kann es nur um den Einwand gehen, dass die Grundstücke nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Antragstellers zu 2. nicht mehr existiert und dass die freiberuflichen bzw. diesen ähnlichen gewerblich ausgeübten Tätigkeiten auf den Grundstücken des Antragstellers zu 1. (Unternehmensberatung als „Einmann-Unternehmen“) und der Antragstellerin zu 3. (Architektenbüro) in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich zulässig sein dürften (vgl. dazu OVG Hamburg, Urt. v. 14.3.1985, HmbJVBl. 1985, 181, 182: die freiberufliche Betätigung ist im Wohngebiet des § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO insofern uneingeschränkt zulässig, als sie im Zusammenhang mit der Nutzung einer Wohnung als solcher steht).

17

Außerdem kommt es für die Frage, ob sich ein Grundstücksnachbar auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, nicht darauf an, ob eine gebietsfremde Nutzung, wenn sie materiell genehmigungsfähig ist, auch formell rechtmäßig ist. Für das Austauschverhältnis unter den Nachbarn ist vielmehr entscheidend, dass sie den gleichen materiellen Beschränkungen bei ihrer Grundstücksnutzung unterworfen sind. Auf das Vorliegen einer Baugenehmigung kommt es insoweit nicht an.

18

Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) bereits entschieden, dass von einer anspruchsvernichtenden Aufhebung des Austauschverhältnisses jedenfalls dann nicht auszugehen ist, wenn auf dem Nachbargrundstück zwar planwidrige Nutzungen ausgeübt werden, daneben aber auch plankonforme Nutzungen vorhanden sind. Dass aber auf den Grundstücken der Antragsteller überwiegend eine plankonforme Wohnnutzung ausgeübt wird, steht außer Streit.

19

b) Im Eilverfahren lässt sich auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsgegnerin nicht die Feststellung treffen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO getroffene Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet funktionslos geworden ist. Für Teile des Wohngebiets können nach dieser Vorschrift zum Schutze ihrer Eigenart als Wohngebiet besondere Vorschriften erlassen werden (Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften, Beschränkung der Wohnungszahl, Festsetzung von Mindestgrößen der Grundstücke und dgl.).

20

aa) Die Antragsgegnerin rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit einen falschen Maßstab angewandt, weil es räumlich nicht nur den Baublock, in dem das Vorhabengrundstück und die Grundstücke der Antragsteller liegen, hätte in den Blick nehmen müssen, sondern das gesamte Wohngebiet mit der Festsetzung von drei Geschossen und dem besonderen Schutz für das Wohngebiet. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nicht auf die tatsächlich vorhandenen Nutzungen abgestellt, sondern nur danach gefragt, ob sie - die Antragsgegnerin - durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen habe, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nicht mehr entspreche.

21

Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffenen Beschluss ausdrücklich von der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Urt. v. 28.2.2013, NordÖR 2013, 475, 476; v. 7.6.2012, DVBl 2013, 243, 248 m.w.N.; Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203, 205) ausgegangen, dass von der Funktionslosigkeit einer Festsetzung nur dann die Rede sein kann, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein dennoch in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.

22

Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist hier nicht, wie aus anderen Baustufenplänen bekannt, von einem größeren W 3 g-Gebiet auszugehen, das einheitlich unter den besonderen Schutz des § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO gestellt worden ist. Denn beim Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum hat der Plangeber eine Vielzahl kleinerer, wenn auch räumlich zusammenhängender, W 3 g-Gebiete festgesetzt, die er jeweils gesondert unter besonderen Schutz gestellt hat. Beweggrund für diese Vorgehensweise des Plangerbers mag gewesen sein, dass er nicht nur ein Verbot von jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame erlassen, sondern zudem bestimmt hat, dass das Bauvolumen von 1939 nicht vergrößert werden darf. Ziel der Erhaltung eines bestimmten Bauvolumens dürfte es gewesen sein, die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu schützen (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 3.11.2003, 2 Bs 487/03).

23

Der Antragsgegnerin kann nicht darin gefolgt werden, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht auf die tatsächlich im Wohngebiet vorhandenen gebietsfremden Nutzungen abgestellt. Denn das Gericht hat festgestellt (siehe S. 12 unten BA), dass die Ortsbesichtigung im Rahmen des Erörterungstermins ergeben habe, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Das Protokoll des Ortstermins vom 8. Januar 2015 zeigt zudem, dass das Verwaltungsgericht den Baublock M.../A.../ S... insgesamt in Augenschein genommen hat und dabei Feststellungen zu den vorhandenen freiberuflichen, gewerbeähnlichen oder gewerblichen Tätigkeiten getroffen hat. Wenn das Verwaltungsgericht dennoch nicht von einer Funktionslosigkeit des festgesetzten besonderen Schutzes für das Wohngebiet ausgegangen ist, kann dies nur darauf beruhen, dass es für das Gericht nicht offensichtlich war, dass die Verhältnisse in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung des besonderen Schutzes auf unabsehbare Zeit ausschließt. Dieses Ergebnis sah das Verwaltungsgericht dann lediglich dadurch bestätigt, dass auch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten seien von ihr genehmigt worden.

24

Dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin lassen sich nach wie vor keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet sei insgesamt funktionslos geworden. Gegen die Annahme einer offensichtlichen Gebietsverfremdung spricht, dass die Antragsgegnerin bei der Erteilung der streitbefangenen Baugenehmigung selbst von der Wirksamkeit der Festsetzung ausgegangen ist. Auch fehlen offenkundig Gewerbebetriebe, die bereits von außen als solche deutlich wahrnehmbar sind, und daher das Vertrauen auf den Fortbestand der Festsetzung erschüttern. Ob freiberufliche oder gewerbeähnliche Tätigkeiten in dem Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sind, lässt sich dagegen in der Regel nicht ohne weiteres feststellen.

25

bb) Die Antragsgegnerin rügt zudem, das Verwaltungsgericht hätte bei sachgerechter Prüfung zumindest für das Vorhabengrundstück, das mit seiner markanten Bebauung in Ecklage Anlass zu einer topographischen Trennung gebe, die Funktionslosigkeit der Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet feststellen müssen. Denn die Funktionslosigkeit der Festsetzung könne nicht mit dem Argument verneint werden, die Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken sei endgültig aufgegeben worden. Auf die alte Baugenehmigung vom 6. Juni 1956 sei weder verzichtet worden, noch könne eine einmal funktionslos gewordene Festsetzung durch einen Verzicht „wiederaufleben“.

26

Bei diesem Einwand lässt die Antragsgegnerin außer Acht, dass bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht gleichsam isolierend auf einzelne Grundstücke abgestellt, also die Betrachtung darauf beschränkt werden darf, ob die Festsetzung hier und dort noch einen Sinn ergibt. Zu würdigen ist vielmehr grundsätzlich die Festsetzung in ihrer ganzen Reichweite (siehe BVerwG, Urt. v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5, 11; OVG Hamburg, Urt. v. 28.2.2013, a.a.O., 476). Auch wenn das hier vorliegende Wohngebiet nur durch einen Baublock gebildet wird, umfasst dieser aber doch nicht nur so wenige Grundstücke, als dass es für die Wirksamkeit der Festsetzung ausnahmsweise allein auf die Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück ankäme. Das Vorhabengrundstück dominiert den Baublock auch nicht wegen seiner Größe.

27

c) Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Flüchtlingsunterkunft handele es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, weil der Aufenthalt dort kein Wohnen sei.

28

aa) Zurückzuweisen ist die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil die Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Begriffs des Wohnens im engeren Sinne vorlägen.

29

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.3.2004, BRS 67 Nr. 70) und im Schrifttum (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand 10/2014, § 3 BauNVO Rn. 11; Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 16 ff.; Vietmeier in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2014, § 3 Rn. 19; Schiller in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1510 ff.) geklärt. Zum Wohnen gehören danach eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Wohnen bedeutet die auf eine gewisse Dauer angelegte Nutzungsform des selbstbestimmt geführten Lebens "in den eigenen vier Wänden". Von diesem Begriffsverständnis ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

30

Gemessen an diesen Begriffsmerkmalen handelt es sich bei der streitbefangenen Flüchtlingsunterkunft schon deshalb um keine Wohnnutzung, weil es an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Der Aufenthalt in der Unterkunft erfolgt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Einweisung, die als Auflage zur Aufenthaltsgestattung gemäß §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ergeht. Danach sollen Ausländer, die einen Asylantrag - der das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes einschließt - gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die fehlende Möglichkeit, die Unterkunft frei zu wählen, setzt sich in der mangelnden Eigengestaltung des Aufenthalts dort fort. Der Aufenthalt in der Unterkunft unterliegt einem nicht unerheblichen Maß an Reglementierung durch die Mitarbeiter der Beigeladenen. Diese sollen u.a. für ein friedliches Miteinander in der Unterkunft sorgen und dabei helfen, dass sich die dort untergebrachten Ausländer im Lebensalltag in Deutschland zurechtfinden. In der Unterkunft wird das Mobiliar von der Beigeladenen gestellt und fehlt es an abgegrenzten Räumlichkeiten, die dem Einzelnen einen Rückzug in die Privatheit ermöglichen und über die er nach eigenen Vorstellungen frei verfügen kann. Lediglich Gemeinschaftsräume werden angeboten. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern beruht nur im Idealfall auf familiärer Verbundenheit. Denn das Nutzungskonzept der Beigeladenen schließt ein gemeinsames Schlafen mit Fremden in einem Zimmer nicht aus. Der insoweit von der Antragsgegnerin gezogene Vergleich zu einer Wohngemeinschaft ist verfehlt, weil sich deren Mitglieder freiwillig zusammengefunden haben und die Gemeinschaft auch jeder Zeit wieder verlassen können. Dies gilt für Asylbegehrende oder Flüchtlinge nicht. Ihr Aufenthalt in der Unterkunft ist abhängig von öffentlich-rechtlichen Weisungen.

31

bb) Ebenso wenig ist der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu folgen, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil von einem gewandelten gesellschaftlichen Verständnis des Wohnbegriffs auszugehen sei bzw. es um Wohnen im weiteren Sinne gehe. Häufige Wohnortwechsel seien heute keine Seltenheit mehr, so dass die Wohnsituation auf Dauerhaftigkeit von vornherein nicht angelegt sei. Ebenso sei es keine Seltenheit, dass sich etwa in Großfamilien oder Wohngemeinschaften eine Mehrzahl von Personen Bad und Küche teilten.

32

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens kann nicht ohne weiteres ausgedehnt werden, weil ihm auch die Funktion zukommt, diese Nutzungsform von anderen bauplanungsrechtlich relevanten Nutzungsformen, wie insbesondere der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke (vgl. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), abzugrenzen. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt, u.a. durch Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen (siehe Stock, a.a.O., § 4 Rn. 51 f.). Darunter fällt auch die Unterbringung von Menschen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992). Eine Anlage für soziale Zwecke wird gerade durch die Beschränkung der Eigenverantwortlichkeit der Lebensgestaltung, die nicht zuletzt in der Unfreiwilligkeit des Aufenthalts ihren Ausdruck findet, charakterisiert. Wie in einer Flüchtlingsunterkunft werden auch Betreuungsleistungen erbracht, die die Verweisung in bestehende Gesundheits- und Hilfesysteme und an die Krisenintervention umfassen können. Von daher ist für den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens spiegelbildlich an den Merkmalen der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts festzuhalten.

33

Zwar ist es zutreffend, dass das Verständnis dessen, was Wohnbedürfnissen dient, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegt. Jedoch erfolgt die insoweit notwendige Auslegung des Begriffs durch die Orientierung an den Nutzungsartenkatalogen der jeweils geltenden Baunutzungsverordnung (siehe BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE 108, 190, 199). Sie kann auch bei einem übergeleiteten Baustufenplan nicht darüber hinausgehen. Mit der Festsetzung als besonders geschütztes Wohngebiet wurde regelmäßig ein bereits vorhandener Gebietscharakter gesichert, der sich von dem eines nicht besonders geschützten Wohngebiets in ähnlicher Weise abhebt, wie nach dem neuen Bauplanungsrecht das reine Wohngebiet nach § 3 BauNVO gegenüber dem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Da im Nutzungsartenkatalog des § 3 BauNVO nach wie vor Flüchtlingsunterkünfte nicht vorkommen, verbleibt es damit bei der Aufgabe, das Wohnen von der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke abzugrenzen.

34

Das Argument der Beigeladenen, bei der Flüchtlingsunterkunft würde es sich um Wohnen im weiteren Sinne handeln, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 (a.a.O., 202) dies der Sache nach auch so gesehen habe, überzeugt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort ausgeführt,

35

„daß Asylbewerber untergebracht werden, weil ein spezielles Wohnbedürfnis befriedigt werden muß. Wenn dieses auch nicht dem Typ des Wohnens im allgemeinen Verständnis ( … ) entspricht, so ist die Nutzung jedoch zumindest dem Wohnen (im engeren Sinne) ähnlich und mit ihm verträglich; das hat das Berufungsgericht im einzelnen ausgeführt.“

36

Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Anschluss an die vom Vordergericht (OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354 ff.) getroffenen Feststellungen beziehen sich aber auf die Unterbringung von Asylbegehrenden in drei Wohngebäuden vom Typ eines Einfamilienhauses und damit auf einen nicht vergleichbaren Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist in dieser Entscheidung im Übrigen zu dem revisionsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Ergebnis gelangt, dass Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigungen nicht Wohngebäude seien, sondern eine Anlage für soziale Zwecke. Die Beigeladene übersieht bei ihrer Argumentation, dass die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke nicht ausschließt, trotzdem anzuerkennen, dass die Anlagen dem Wohnen ähnlich sind, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbegehrenden oder Flüchtlings sind (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992 m.w.N.).

37

e) Ebenso ohne Erfolg wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, in dem besonders geschützten Wohngebiet sei die Flüchtlingsunterkunft nur als kleine Anlage für soziale Zwecke bauplanungsrechtlich gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO allgemein zulässig.

38

Das Verwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts gelangt, die auch von den Beteiligten in diesem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt wird. Danach ist der Begriff der „Wohnbedürfnisse“ i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO weit auszulegen und umfasst über das „Wohnen“ im engeren Sinne hinaus auch solche Nutzungen, die in einem Wohngebiet erwartet werden oder mit ihm verträglich sind; dies gilt auch für „besonders geschützte Wohngebiete“ (z.B. OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.; v. 10.4.1997, a.a.O., 356). Gleichermaßen hat das Beschwerdegericht bereits entschieden, dass hierzu auch Nutzungsarten zählen können, die erstmals unter Anwendung der Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990 nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmeweg zugelassen werden können. Allerdings muss die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet werden oder mit ihm verträglich sind, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., 198). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit, damit eine klare Abgrenzung der von § 10 Abs. 4 BPVO unterschiedenen Baugebiete gewährleistet ist. Wollte man hiervon abrücken, würde die Überleitung der Baustufenpläne gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als Instrumente einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Frage gestellt. Die Bestimmung der Nutzungen, die in einem besonders geschützten Wohngebiet allgemein zulässig sind, kann deshalb nicht der Entscheidung der Antragsgegnerin im Einzelfall unterliegen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 9 BPVO ist gerade nicht durch das Bundesbaugesetz übergeleitet worden (so bereits BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 379).

39

Ohne das planerische Bedürfnis nach weiteren Steuerung sind in einem besonders geschützten Wohngebiet regelmäßig aber nur „kleine“ Anlagen allgemein zulässig (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 354). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstellt, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Dabei ist im Bereich der Baustufenpläne im Regelfall keine andersartige, ergänzende Steuerung der Gebietsverträglichkeit einer Nutzungsart möglich (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, NordÖR 2009, 68, 70 m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG; Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 413 f.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Plangeber des Baustufenplans hier mit dem ausdrücklichen Ausschluss aller gewerblichen Nutzungen, die nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auch in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmewege zugelassen werden könnten, deutlich gemacht hat, dass Nutzungen, die nicht dem Wohnen i.e.S. zugerechnet werden können, nur dann zulässig sein können, wenn sie sich dieser Nutzungsart ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, a.a.O.).

40

Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, dass von der genehmigten Flüchtlingsunterkunft entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gerade keine gebietsunverträglichen Störungen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele. Wohnen störe aber nicht Wohnen. Mit einer Zunahme des Umfangs der Nutzung der Unterkunft seien keine gebietsunverträglichen Störungen zu erwarten. Der vom Verwaltungsgericht insoweit befürchteten Möglichkeit sozialer Spannungen komme keine bodenrechtliche Relevanz zu und führe zu einem unzulässigen Milieuschutz. Daher müsse es sich bei der Flüchtlingsunterkunft auch nicht lediglich um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handeln.

41

Die Festsetzung eines besonderen Schutzes für ein Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO schließt die Zulassung einer Unterkunft für Asylbegehrende bzw. Flüchtlinge nicht grundsätzlich aus. Bereits aus der parallelen Wertung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ergibt sich aber, dass Anlagen für soziale Zwecke, die nicht gerade der (gebietsbezogenen) Kinderbetreuung dienen, nur „ausnahmsweise“ zugelassen werden können. Für nicht besonders geschützte Wohngebiete ergibt sich dagegen aus dem Vergleich zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, dass Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig sind. An die Zulässigkeit einer Flüchtlingsunterkunft in einem besonders geschützten Wohngebiet müssen daher strengere Anforderungen gestellt werden. Da in einem besonders geschützten Wohngebiet eine Flüchtlingsunterkunft neben dem Wohnen auch nicht allgemein erwartet wird, muss sie jedoch gebietsverträglich sein. Allgemein erwartet werden in einem besonders geschützten Wohngebiet nur die beim Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen Infrastruktureinrichtungen. Beim Wohnen entsteht aber kein Bedarf an Flüchtlingsunterkünften. Angesichts der Offenheit des Begriffs der Wohnbedürfnisse kann nicht jeder formal unter den Tatbestand fallender Vorhabentyp allgemein zulässig sein. Maßstab für die Zulässigkeit ist daher die Gebietsverträglichkeit, bei der es um die Frage geht, ob ein Vorhaben - unabhängig vom Einzelfall - mit der Eigenart des Gebiets städtebaulich verträglich ist. Das Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem besonders geschützten Wohngebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr, ausgehen. Entscheidend ist dabei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3. 2002, BVerwGE 116, 155, 160; Beschl. v. 28.2.2008, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19).

42

Der Hinweis der Antragsgegnerin - das Beschwerdegericht (Beschl. v. 12.1.2015, 2 Bs 247/14) habe festgestellt, dass von einer Flüchtlingsunterkunft mit 300 Plätzen typischerweise keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele - verfängt nicht. Denn der Maßstab für das dem besonders geschützten Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ würde deutlich verfehlt, wenn es erst auf das Überschreiten der Schwelle unzumutbarer Lärmimmissionen ankäme. Ebenso fehl geht der Einwand der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe versäumt, das konkrete Störpotenzial der Flüchtlingsunterkunft zu ermitteln. Denn bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit kommt es nur auf die Auswirkungen an, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Anders als bei der Prüfung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geht es nicht um die konkreten Auswirkungen des Vorhabens im Einzelfall.

43

Dagegen spricht für die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine nicht mehr „kleine“ Anlage für soziale Zwecke sei in einem besonders geschützten Wohngebiet gebietsunverträglich, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Abhängigkeit der Emissionen von der Belegungszahl bzw. dem räumlichen Umfang der Unterkunft besteht. Denn es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass eine große Flüchtlingsunterkunft mit einer entsprechend hohen Belegungszahl typischerweise einen verstärkten Ziel- und Quellverkehr auslöst, der die Verkehrsbelastung im Wohngebiet spürbar erhöht. Dass für die genehmigte Flüchtlingsunterkunft nur zwei Kfz-Stellplätze vorgesehen sind, weil die 220 Personen von 2,75 Vollzeitkräften betreut werden sollen, dürfte einen typischen Ziel- und Quellverkehr nur unvollständig abbilden. So wird in einer Entscheidung des VGH München (Urt. v. 13.9.2012, BayVBl. 2013, 241), bei der es um eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ging, ein Stellplatzschlüssel von einem Stellplatz je zehn Betten zugrunde gelegt. Nach diesem Maßstab wären hier 22 Kfz-Stellplätze zu erwarten. Zum typischen verkehrsauslösenden Betreuungsaufwand bei einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung dürfte auch gehören, dass die Bewohner mit Essen versorgt werden müssen. Wenn das Nutzungskonzept hier vorsieht, dass von den Bewohnern in den Küchen selbst gekocht werden soll, so heben die Antragsgegnerin und die Beigeladene dies gerade als Besonderheit hervor. Die typischerweise bestehende räumliche Enge in einer Flüchtlingsunterkunft wird zudem häufig dazu führen, dass sich die Bewohner nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern in größerer Zahl auch im Freien vor der Unterkunft aufhalten werden. Dies ist ebenfalls geeignet, eine Unruhe in das Gebiet zu bringen, die eine erhebliche Auswirkung auf die im besonders geschützten Wohngebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe darstellt, wie sie der Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Bei diesen Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft handelt es sich auch nicht bloß um wohnähnliche Störungen, die ungeeignet sind, in einem Wohngebiet eine Gebietsunverträglichkeit zu begründen. Denn die Auswirkungen beruhen auf den besonderen Verhältnissen in einer Flüchtlingsunterkunft, die in vergleichbarer Weise in einem Wohngebäude so regelmäßig nicht anzutreffen sind.

44

Schließlich bemessen sich die Störungen der Gebietsverträglichkeit nicht allein nach dem Maß der Lärmimmissionen, sondern auch an den sonstigen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB u.a. die Berücksichtigung der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gehört. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auch die Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft auf den sozialen Wohnfrieden in den Blick genommen, ohne dem allerdings ein maßgebliches Gewicht beizumessen. Flüchtlingsunterkünfte mit hoher Belegungsdichte weisen damit tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die dazu führen, dass das Vorhaben der Nutzungsänderung boden- bzw. bauplanungsrechtliche Relevanz hat (so auch VGH München, Urt. v. 13.9.2012, a.a.O., 242).

45

f) Die Einwände der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Einstufung der genehmigten Flüchtlingsunterkunft als nicht „kleine“ Anlage für soziale Zwecke greifen nicht durch.

46

Das Verwaltungsgericht hat für die Frage, wie groß eine Flüchtlingsunterkunft sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, als Orientierungsmaßstab eine gedachte Bebauung des 3.308 m2 großen Vorhabengrundstücks nach den Richtlinien zur Förderung des Wohnungsbaus im 1. Förderweg (Sozialwohnungsbau) zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene monieren, das Verwaltungsgericht habe von dem auf dieser Grundlage gefundenen Ergebnis von Wohnraum für ca. 200 Menschen keinen rechnerischen Abschlag in Ansatz bringen dürfen.

47

Das Gegenargument der Beigeladenen, der Plangeber habe mit einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung ein hohes Maß zulässiger Bebauung bestimmt, das auch ein hohes Maß an Immissionen für das Nachbargrundstück zumutbar mache, verfängt nicht, weil das Verwaltungsgericht ebenfalls von einer geschlossenen Bauweise bzw. einer baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke im oberen Bereich des für Wohngebiete nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO Möglichen ausgegangen ist. Entgegen dem Einwand der Antragsgegnerin lässt sich nicht feststellen, dass die vom Verwaltungsgericht zur Rechtfertigung angenommenen Störungen keine bodenrechtliche Relevanz hätten und sich die Nutzungsformen Wohngebäude und Flüchtlingsunterkunft im relevanten Störungspotenzial nicht unterschieden (siehe dazu bereits oben auf S. 17 ff.).

48

2. Entgegen den Darlegungen der Antragsgegnerin war das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller nicht gehalten, zu prüfen, ob die seiner Ansicht nach rechtswidrige Baugenehmigung durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB legalisiert werden kann.

49

Der Hinweis der Antragsgegnerin - in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 19.7.2001, 2 Bs 370/00, juris Rn. 16 ff.; v. 18.12.2006, 3 Bs 218/05, NordÖR 2007, 163 f.) sei für Verfahrensfehler eines Verwaltungsaktes anerkannt, dass eine im Widerspruchsverfahren zu erwartende Heilung nach § 45 VwVfG bei einer Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sei - greift zu kurz. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht von einem bloßen Verfahrensfehler ausgegangen, sondern hat die materielle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung festgestellt. Zudem wird in diesen ebenso wie in den übrigen von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.2.1996, juris Rn. 10; OVG Münster, Beschl. v. 14.11.2006, 1 B 1886/06, juris Rn. 23 ff.), die die Heilung von Ermessensfehlern betreffen, jeweils vorausgesetzt, dass sich im gerichtlichen Aussetzungsverfahren bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren lässt, dass der Verfahrens- oder Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren geheilt wird. Von einer solchen hohen Wahrscheinlichkeit für die Erteilung einer Befreiung ist aber nach den Darlegungen der Antragsgegnerin nicht auszugehen. Denn wenn die Antragsgegnerin ausführt, bei der Erteilung einer Befreiung für die Flüchtlingsunterkunft sei davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt würden, weil die Unterkunft keine relevanten bodenrechtlichen Spannungen auslösen würde und gebietsverträglich sei, so ist dies - wie oben auf S. 17 ff. dargelegt - unzutreffend. Angesichts ihrer Größe ist auch durch die vorgesehene Gestaltung im Einzelfall nicht offensichtlich, dass diese beachtlichen Spannungen auszuschließen sind.

50

3. Die beiden Beschwerden bleiben auch insoweit erfolglos, als mit ihnen die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht insgesamt angegriffen wird.

51

Mit der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass an der sofortigen Vollziehung einer aller Voraussicht nach rechtswidrigen Baugenehmigung weder ein privates noch ein öffentliches Interesse besteht. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen lässt sich nicht allein auf ihre Behauptung stützen, durch den weiteren Innenausbau der Unterkunft und eine Nutzungsaufnahme würden keine später nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen. Außerdem ist bei der Interessenabwägung einzustellen, dass der zu schützende Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller gerade ohne Rücksicht darauf besteht, ob ihnen durch die gebietsunverträgliche Nutzung konkrete Beeinträchtigungen erwachsen.

52

4. Schließlich war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller nur insoweit anzuordnen, als die Belegungszahl der Unterkunft die Kapazität einer kleinen Anlage für soziale Zwecke übersteigt.

53

Eine nur eingeschränkte Anordnung des Widerspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Vorhaben hinsichtlich der Größe des Gebäudes nicht teilbar ist. Die Überschreitung der zulässigen Größe der Unterkunft ergibt sich nicht nur, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, aus einer zu hohen Belegungszahl, sondern auch aus ihrem zu großen räumlichen Umfang. Denn für die Frage, wann eine Anlage für soziale Zwecke als klein zu bewerten ist, ist maßgeblich auch auf ihre äußere Erscheinungsform abzustellen (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 414). Obwohl die Beigeladene nur eine Nutzungsänderung erstrebt, ist das gemäß § 29 Abs. 1 BauGB von ihr zur Genehmigung gestellte „Vorhaben“ nicht das Gebäude des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes zuzüglich der neu zugedachten Nutzung als Flüchtlingsunterkunft, sondern die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 185, 188; v. 17.6.1993, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158). Dies erfordert es, dass auch der räumliche Umfang der Flüchtlingsunterkunft geprüft wird.

54

Das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück wurde aber schon seinerzeit nur unter rechtlichen Bedenken und Erteilung einer speziellen für nicht Wohnzwecken dienenden Gebäude geregelten Ausnahme für die Überschreitung der gemäß § 11 Abs. 1 BPVO i.V.m. Spalte 6 der Baustufentafel zulässigen Bautiefe von maximal 12 m genehmigt. Tatsächlich beträgt die Bautiefe des Gebäudes 22 m bzw. bis zu 28 m. Die in Spalte 6 der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO enthaltene Regelung zur Bautiefe war zwar bauordnungsrechtlicher Natur und gilt gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 23 HBauO 1969 nicht mehr fort (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2012, 2 Bs 145/11, m.w.N.), so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche heute nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beurteilt. Mit einer Gebäudegrundfläche von 996 m2 ist das Gebäude aber mehr als doppelt so groß wie jedes andere Gebäude in dem Baublock, deren Gebäudefläche ganz überwiegend unter 300 m2 liegt.

55

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) vom 22.12.2015 gegen die der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 22.12.2015 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Gerichtskosten tragen die Antragsgegnerin zu vier Siebteln und die Antragsteller zu 5) bis 7) als Gesamtschuldner zu drei Siebteln. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1) bis 4) trägt die Antragsgegnerin in vollem Umfang. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen die Antragssteller zu 5) bis 7) zu drei Siebteln als Gesamtschuldner; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Streitwert wird auf 26.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZEA) auf dem knapp 32.000 m2 großen Gelände östlich der Straße Hinsenfeld und nordöstlich der Straße Fiersbarg (Flurstück 420 der Gemarkung Lemsahl-Mellingstedt). Auf dem Vorhabengrundstück befand sich bis vor einigen Jahren ein sog. „Pavillon-Dorf“ zur öffentlichen Unterbringung von Aussiedlern mit einer Höchstbelegungszahl von ca. 220 bis 240 Personen. Nach der Beseitigung der dazu gehörenden Gebäude war das Grundstück unbebaut, bis die Antragsgegnerin mit der Errichtung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Einrichtung begann. Diese soll aus 17 Gebäuden zur Unterbringung von Personen bestehen, welche in Container-Modulbauweise errichtet werden. Verwendet werden sollen hierzu 20‘-Wohncontainer mit Abmessungen von 6,055*2,435*2,89 m, die zu zweigeschossigen Blöcken gruppiert werden. Die Wohnblöcke werden dabei aus jeweils 14 Wohncontainern und 4 Sanitärcontainern bestehen (je Ebene 9 Container) und Außenabmessungen von 21,92*6,055*5,78 m aufweisen. Bei einer Belegung eines Wohncontainers mit bis zu 4 Personen errechnet sich eine Gesamtkapazität von bis zu 952 Personen. Neben den Wohnblöcken ist die Errichtung (ebenfalls in Modul-Containerbauweise) eines Verwaltungsgebäudes, zweier Kantinengebäude, eines Gebäudes zur Unterbringung einer Kindertagesstätte sowie eines als „Schulcontainer“ bezeichneten Gebäudes geplant bzw. erfolgt.

2

Die Zufahrt zum Vorhabengrundstück soll – wie schon zuvor die Zufahrt zum früheren „Pavillon-Dorf“ – über den südöstlichen Grundstücksbereich erfolgen. Dort sollen sich auch ein Pförtnergebäude sowie das Verwaltungsgebäude befinden. Die weiteren nicht zur Unterbringung genutzten Gebäude („Schulcontainer“, Kantinen, Kindertagesstätte) sollen weitgehend in der Mitte des Vorhabengrundstücks gruppiert, die Wohngebäude ringartig um diese herum angeordnet werden. Die Einrichtung soll vollständig gebäudenah umzäunt werden. Der Zugang zum Gelände der Einrichtung soll durch einen täglich 24 Stunden vor Ort befindlichen Wachdienst kontrolliert werden.

3

Der erste Bauabschnitt, bestehend aus neun der 17 geplanten Wohngebäude, sowie den Verwaltungseinheiten, den Kantineneinheiten und dem „Schulcontainer“ ist fertig gestellt. Die Grundvorbereitungen für den zweiten Bauabschnitt sind überwiegend abgeschlossen. Die Einrichtung soll nach dem Willen der Antragsgegnerin möglichst unmittelbar ihren Betrieb aufnehmen und belegt werden. Betreiber der Unterkunft soll die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. sein. Diese hat nach dem Vortrag der Antragsgegnerin für die Einrichtung eine sogenannte „Hausordnung“ entworfen, welche allen darin untergebrachten Personen zur Kenntnis gegeben werden soll. In der Einrichtung sollen u.a. Betreuer für die untergebrachten Personen sowie technisches Personal und Küchenpersonal tätig sein.

4

Die Antragsteller zu 1) bis 4) sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken, die jeweils östlich des Vorhabengrundstücks belegen sind und durch die XX-Straße erschlossen werden. Zwischen den Grundstücken dieser Antragsteller und der Vorhabenfläche befindet sich ein mit Bäumen bewachsener, ca. 20 bis 50 m breiter Grünstreifen. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) liegen wie das Vorhabengrundstück im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung über den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 vom 5.1.2015 (HmbGVBl. 2015, S. 11). Dieser weist die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) als reines Wohngebiet (WR) aus. Das Vorhabengrundstück wird ebenfalls größtenteils als reines Wohngebiet ausgewiesen, durchzogen von (bislang nicht verwirklichten) Planstraßen sowie privaten Grünflächen und einer Fläche für ein Regenrückhaltebecken, wobei ein Großteil der von der Antragsgegnerin geplanten und bereits errichteten Gebäude auf als reines Wohngebiet ausgewiesenen Flächen errichtet werden soll bzw. errichtet ist. Der Grünstreifen zwischen dem Vorhabengrundstück und der als reines Wohngebiet ausgewiesenen Fläche, in welcher die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) belegen sind, ist als „Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft – Artenreicher, gestufter Gehölzbestand“ festgesetzt.

5

Die Antragsteller zu 5) bis 7) sind Eigentümer von zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken, die jeweils südlich bzw. süd-westlich der Vorhabenfläche belegen sind und durch die Straße XY erschlossen werden. Diese Grundstücke liegen im räumlichen Geltungsbereich des Baustufenplans Lemsahl-Mellingstedt vom 16.9.1952, erneut festgestellt am 14.1.1955, welcher sie mit W 1o ausweist. In der Legende heißt es weiter:

6

„Das reine Wohngebiet ist gemäss § 10 Abs. 4 der BPVO für die Hansestadt Hamburg vom 8.6.1938 besonders geschützt. a) Gewerbliche und handwerkliche Betriebe, Läden und Werbeanlagen sind nicht zulässig. Für die Flächen am rot signierten Straßenrande der Wohngebiete gelten diese Einschränkungen nicht. ..."

7

Im Sommer 2015 begannen die Planungen der Antragsgegnerin zur Errichtung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Einrichtung. Mit Handzetteln vom 25.8.2015 wurden die Anwohner erstmalig über die geplante Unterkunft unterrichtet. Am 15.9.2015 stellte die Antragsgegnerin ihre Pläne für eine Erstaufnahmeeinrichtung mit 952 Plätzen im Rahmen einer Anwohner-Informationsveranstaltung der Öffentlichkeit vor. Anschließend begann die Antragsgegnerin mit der Errichtung der Einrichtung; hierzu gab sie an, sich auf § 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) zu stützen. Hiergegen ersuchten die Antragsteller um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nach § 123 VwGO. Mit Beschluss vom 15.12.2015 gab das erkennende Gericht der Antragsgegnerin auf, die Bauarbeiten für die Errichtung der streitbefangenen Einrichtung einstweilen einzustellen, die Innutzungnahme einstweilen zu unterlassen und ausführende Stellen entsprechend anzuhalten (7 E 6128/15). Ihre hiergegen mit Schriftsatz vom 29.12.2015 eingelegte Beschwerde nahm die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 18.1.2016 zurück. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht stellte das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom selben Tage ein (2 Bs 271/15).

8

Bereits unter dem 10.11.2015 hatte die Antragsgegnerin (vertreten durch die Behörde für Inneres und Sport) für die streitbefangene Einrichtung außerdem einen Antrag im Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO beim Bezirksamt Hamburg-Wandsbek eingereicht, verbunden mit einem Antrag auf Befreiung von u.a. den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich der Ausweisung des Flurstücks 420 als reines Wohngebiet und private Grünfläche. Der Bauantrag wurde im weiteren Verlauf näher bestimmt. So legte die Bauherrin unter dem 18.12.2015 eine Baubeschreibung vor, wonach die Anlage auf die Unterbringung von insgesamt 901 Personen ausgelegt sei und in jedem der 17 Wohnblöcke 53 Plätze vorgesehen seien; in einem Container würden 3 bis 4 Personen untergebracht. In den beiden Verwaltungsblöcken würden die Funktionen „Sozialberatung, Unterkunftsmanagement, Technischer Dienst, Wachschutz, Arztdienst mit Warteraum, Lager für Kleider und Koffer" sowie Waschmaschinen- und Trocknerraum untergebracht. Das Betreuungs- und Verwaltungspersonal sei in unterschiedlicher Besetzung von 4 bis 13 Personen täglich von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr vor Ort; das Wachpersonal sei mit einer Besetzung von 4 Personen täglich 24 Stunden vor Ort. Die Essensausgabe werde von einem Catering-Unternehmen betrieben; Speisen würden fertig zubereitet angefahren und in einem Dampfgarer aufgewärmt. Das Küchenpersonal bestehe in der Regel aus ca. 8 bis 10 Personen.

9

Mit Schreiben vom 21.12.2015 „konkretisierte“ die Behörde für Inneres und Sport der Antragsgegnerin ihren Bauantrag gegenüber dem Bezirksamt Hamburg-Wandsbek dahingehend, dass nunmehr die Errichtung und Innutzungnahme der Einrichtung entsprechend der Bauantragsunterlagen befristet auf längstens drei Jahre beantragt wurde sowie die Zulassung für die Nutzung der Einrichtung zur Unterbringung von höchstens 252 Personen „bis zum Nachweis des Brandschutzes für die darüber hinausgehende Nutzung“.

10

Am 22.12.2015 erteilte das Bezirksamt Hamburg-Wandsbek hierauf eine „Befristete Genehmigung“ nach § 62 HBauO für „Temporäre Containerunterkünfte zur Erstaufnahme von max. 252 Flüchtlingen und Asylbewerbern“, befristet bis zum 22.12.2018 und verbunden mit der Bestimmung, nach Ablauf der Befristung sei die Nutzung der baulichen Anlage innerhalb eines Monats ohne Entschädigungsansprüche einzustellen. Ausdrücklich gestützt auf § 31 Abs. 2 i.V.m. § 246 Abs. 12 BauGB enthält die Baugenehmigung außerdem Befreiungen (Nr. 2 der Baugenehmigung) für das Errichten von Containerzeilen auf privater Grünfläche, für das Abweichen von der zulässigen Art der baulichen Nutzung (Anlage für soziale Zwecke) im reinen Wohngebiet, für das Überschreiten der Zahl der Vollgeschosse der nördlichen Containerzeilen, für die Errichtung von Containerzeilen teilweise auf ausgewiesenen Straßenverkehrsflächen und „für das Errichten aller Container teilweise ganz außerhalb der Baugrenzen". Weiterhin enthält die Baugenehmigung einen Passus (Nr. 4 der Baugenehmigung), wonach jede Erhöhung der Belegungsanzahl die vorherige Durchführung eines gesonderten Genehmigungsverfahrens erfordere. Zu den Anlagen, die der Bescheid ausdrücklich umfasst, gehören "immissionsschutzrechtliche Auflagen und Hinweise"; in dem Abschnitt "Auflagen" werden hier Bestimmungen getroffen zu den Bereichen „Lärmschutz", „Geruchsimmissionen", „Lichtimmissionen" und „Abfall". Für die im reinen Wohngebiet verursachten Geräuschimmissionen werden „unter Berücksichtigung der Vorbelastung" die Grenzwerte (am Beurteilungsort) tagsüber, in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22:00 Uhr, von 50 dB(A) und nachts, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, von 35 dB(A) festgelegt. Die Einhaltung der Lärmgrenzwerte sei mittels Schalltechnischer Untersuchung nachzuweisen, wenn die Anliefer- oder Betriebszeit der Kantine in die Nachtzeit fallen sollte. Die sich gegebenenfalls aus der Untersuchung ergebenden Schallschutzmaßnahmen seien vor Inbetriebnahme umzusetzen.

11

Gegen diese Baugenehmigung legte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 22.12.2015 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schriftsatz vom 23.12.2015 haben die Antragsteller um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht und dieses Ersuchen umfangreich begründet.

12

Die Antragsteller beantragen,

13

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 22.12.2015 gegen die der Beizuladenden erteilte Baugenehmigung vom 22.12.2015 (Az: W/WBZ/14401/2015) anzuordnen.

14

Die Antragsgegnerin beantragt,

15

den Antrag abzulehnen,

16

und trägt zur Begründung ebenfalls umfassend vor.

17

Nachdem sich in den Morgenstunden des 23.12.2015 Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Belegung der streitbefangenen Einrichtung ergeben hatten, hat das erkennende Gericht auf Antrag der Antragsteller am selben Tag eine Zwischenverfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist, bis zum Ende der Anhängigkeit des vorliegenden Eilantrags in erster Instanz die streitbefangene Unterkunft nicht in Nutzung zu nehmen, insbesondere nicht zu belegen, bereits begonnene Nutzungen einzustellen bzw. zu unterbinden und ausführende Stellen entsprechend anzuhalten. Die hiergegen von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23.12.2015 zurückgewiesen (2 Bs 263/15).

18

Mit Schreiben vom 28.12.2015 hat das Gericht aufgrund von Presseberichten über allgemeines Vergleichsinteresse der Antragsgegnerin bei den Beteiligten angefragt, ob eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits möglich sei und Bedarf für weitere gerichtliche Initiativen gesehen werde. Auf die entsprechenden Interessebekundungen hat die Kammer am 8.1.2016 mit den Beteiligten Möglichkeiten einer umfassenden Einigung erörtert; die Antragsteller haben dazu Eckpunkte eines aus ihrer Sicht möglichen, hinsichtlich der Belegungszahl über den unmittelbaren Streitgegenstand hinausgehenden Vergleichs benannt. Mit Schriftsatz vom 15.1.2016 hat die Antragsgegnerin erklärt, dass sie sich nicht in der Lage sehe, einen Vergleich mit den Antragstellern zu schließen.

19

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten, jeweils zuletzt vom 9.2.2016, sowie auf die Sachakte der Antragsgegnerin und die Planaufstellungsunterlagen zum Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 verwiesen, die dem Gericht bei seiner Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

B.

20

Das Gericht kann über den Antrag wirksam entscheiden, obwohl die Inhaberin der Baugenehmigung als solche nicht beigeladen worden ist. Zwar handelt es sich bei einer Anfechtungsklage, die auf die Aufhebung einer durch die Bauaufsichtsbehörde einem Bauherrn erteilten Baugenehmigung gerichtet ist, um einen typischen Fall der notwendigen Beiladung iSv. § 65 Abs. 2 VwGO, da das entsprechende Gestaltungsurteil nur einheitlich, nämlich sowohl gegenüber dem Hoheitsträger wie auch gegenüber dem Bauherrn, ergehen kann. Entsprechendes gilt für das zugehörige Eilverfahren. Ist aber, wie hier, der genehmigende Hoheitsträger (die Freie und Hansestadt Hamburg) zugleich Bauherr, so wird diese Rechtsperson bereits durch ihre Verfahrensrolle als Antragsgegnerin hinreichend am Verfahren beteiligt.

21

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80a VwGO hat in Bezug auf die Antragsteller zu 1) bis 4) Erfolg; im Übrigen bleibt er erfolglos. Er ist zulässig, aber nur bezogen auf die Antragsteller zu 1) bis 4) begründet.

22

Der Antrag ist gemäß §§ 80a Absätze 1 und 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Bei dem angegriffenen Baugenehmigungsbescheid handelt es sich trotz des Umstands, dass Begünstigte der Genehmigung die Antragsgegnerin selbst ist, um einen Verwaltungsakt. Das allein fragliche Merkmal der Außenwirkung ist hier im Verhältnis zu den Antragstellern schon dadurch erfüllt, dass die Baugenehmigung auch ihnen als am Genehmigungsverfahren beteiligte Nachbarn gegenüber zur verbindlichen Regelung der Zulässigkeit des Bauvorhabens bestimmt und entsprechend bekannt gegeben worden ist (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 15.12.1981, Bs II 32/81 – BRS 38 Nr. 174).

23

Der Zulässigkeit des Antrags steht bezogen auf die Antragsteller zu 3) und 4) nicht entgegen, dass diese nicht Grundeigentümer, sondern Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft sind. Auch Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft, die gemäß § 10 Abs. 6 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz, WEG) vom 15.3.1951 m. spät. Änd. (BGBl. I S. 175, ber. S. 209) selbst rechts- und parteifähig ist, sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt (vgl. nur VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2015, 7 E 6128/15).

24

In Bezug auf die Antragsteller zu 1) bis 4) ist der Antrag außerdem auch begründet (hierzu unter I.); in Bezug auf die Antragsteller zu 5) bis 7) ist er hingegen unbegründet (hierzu unter II.).

25

Im Rahmen des Eilverfahrens sind die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Der Gegensatz zwischen dem Interesse der Antragsgegnerin einerseits, von der erteilten Baugenehmigung Gebrauch zu machen, und dem Interesse der Antragsteller als Drittbetroffene andererseits zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, kann in der Regel – und so auch hier – angemessen nur in der Weise gelöst werden, dass jeweils den Interessen desjenigen Beteiligten der Vorrang eingeräumt wird, der aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren obsiegen wird.

26

Im vorliegenden Fall überwiegen bei dieser Abwägung die Interessen der Antragsteller zu 1) bis 4) diejenigen der Antragsgegnerin, nicht jedoch überwiegen die Interessen der Antragsteller zu 5) bis 7) die Interessen der Antragsgegnerin. Die angefochtene Baugenehmigung vom 22.12.2015 wird nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich nur wegen der Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller zu 1) bis 4) aufzuheben sein. Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, 4 C 8/84, NVwZ 1987, 409; OVG Hamburg, Beschluss vom 7.5.1990, Bs II 65/90, HmbJVBl 1991, 7). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden.

I.

27

Die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Einrichtung verletzt die Antragsteller zu 1) bis 4) in ihrem Gebietserhaltungsanspruch. Inwieweit eine Verletzung sonstiger von diesen Antragstellern geltend gemachter Rechtspositionen vorliegt, ist vor diesem Hintergrund nicht zu entscheiden.

28

Der Gebietserhaltungsanspruch steht nur den Grundstückseigentümern und sonstig dinglich Berechtigten innerhalb eines durch Bebauungsplan festgesetzten oder faktischen Baugebiets zu, da nur in diesem Falle die Nachbarn denselben rechtlichen Bindungen unterliegen (näher dazu sogl.). Zu den sonstig dinglich Berechtigten, denen der Gebietserhaltungsanspruch zustehen kann, zählen dabei auch einzelne Wohnungseigentümer wie die Antragsteller zu 3) und 4). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, den Gebietserhaltungsanspruch nur der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzer zuzubilligen und den einzelnen Sondereigentümer von diesem Anspruch auszunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich hervorgehoben, dass für Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz Nachbarschutz „in gleicher Weise“ wie für Eigentum an Wohngrundstücken besteht (BVerwG, Beschluss vom 20.8.1992, 4 B 92/92, juris, Rn. 10; vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 13.2.2015, 1 B 355/14, juris, Rn. 23 f.).

29

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts hat die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Art der baulichen Nutzung durch einen Bebauungsplan nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (BVerwG, Urteil vom 16.9.1993, 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151; OVG Hamburg, u.a. Beschluss vom 22.9.2014, 2 Bs 168/14). Ein Nachbar im Baugebiet soll sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden können, wenn er durch sie nach den gröberen Maßstäben des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Der Gebietserhaltungsanspruch beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, Urteil vom 11.5.1989, 4 C 1/88, BVerwGE 82, 61). Durch die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer (nach der Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts) „rechtlichen Schicksalsgemeinschaft" verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer in der gleich ausgewiesenen Nachbarschaft diesen Beschränkungen unterworfen sind (BVerwG, Urteil vom 16.9.1993, 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151). Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können (BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Rn. 5).

30

Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) liegen in demselben Baugebiet wie das Vorhaben (hierzu unter 1.). Mit der Errichtung und dem Betrieb der geplanten Einrichtung wäre ein Eindringen einer gebietsfremden Nutzung in dieses Baugebiet verbunden. Die Beeinträchtigung des Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) wird auch nicht durch die nach § 246 Abs. 12 BauGB erteilte Befreiung von der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung unbeachtlich (hierzu unter 2.).

31

1. Die betreffenden Grundstücke liegen - wie die Kammer bereits in ihrem rechtskräftigen Beschluss zu dem polizeirechtlichen Vorhaben der Antragsgegnerin auf demselben Grundstück ausgeführt hat (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2015, 7 E 6128/15, S. 8 ff.) - in „demselben Baugebiet". Diese Feststellung gilt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags der Antragsgegnerin hierzu fort.

32

Für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruchs bedarf es der Klärung, dass die an dem Nachbarrechtsstreit beteiligten Grundstücke in „demselben Baugebiet" liegen. Wären die Berechtigten der Grundstücke nicht gemeinsam hinsichtlich der Nutzungsart denselben rechtlichen Bindungen unterworfen – so, wenn der Bebauungsplan unterschiedliche Nutzungsarten ausweist bzw. aus sonstigen Gründen als getrennt zu verstehende Baugebiete –, würde die Grundlage für den Gebietserhaltungsanspruch fehlen. Denn es reicht hierfür nicht aus, dass sich das Grundstück im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans befindet. Notwendig ist eine Belegenheit sowohl des Vorhabengrundstücks wie auch des Grundstücks, von dem aus der Gebietserhaltungsanspruch geltend gemacht wird, innerhalb „desselben Baugebiets" (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14; OVG Münster, Beschluss vom 28.11.2002, 10 B 1618/02, juris, Rn. 5 ff.; VGH München, Beschluss vom 2.10.2003, 1 CS 03.1785, NVwZ-RR 2004, S. 248 f.; OVG Bremen, Urteil vom 13.2.2015, 1 B 355/14, juris, Rn. 29; VG Minden, Urteil vom 29.9.2915, 1 K 2703/14, juris, Rn. 20 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 3.12.2014, AN 9 K 12.01753, juris, Rn. 76; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 5.5.2011, 10 L 358/11, juris, Rn. 26; Schröer, NZBau 2008, 169 f.). Die Frage, ob in diesem Sinne von einem einheitlichen Baugebiet oder unterschiedlichen Baugebieten auszugehen ist, ist dabei anhand des Bebauungsplans zu beantworten und nicht allein anhand schlichter geographischer oder sonstiger tatsächlicher Gegebenheiten (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Entscheidend ist, ob bei normativer Betrachtung davon auszugehen ist, dass der Plangeber die betroffenen Grundstückseigentümer zu einer Schicksalsgemeinschaft in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung ihrer Grundstücke verbinden oder aber eine Trennung zwischen unterschiedlichen Baugebieten vorsehen wollte (OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Zur Klärung dieser Frage ist insbesondere auf die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplans sowie auf dessen Begründung zurückzugreifen (vgl. auch Schröer, NZBau 2008, S. 169 f.).

33

Die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) sind hiernach nicht nur innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs desselben Bebauungsplans wie das Vorhabengrundstück belegen, sondern auch innerhalb eines insgesamt einheitlichen reinen Wohngebiets. Für die verbindende Bedeutung der Festsetzung spricht zunächst schlicht der Umstand, dass die identische Ausweisung der Nutzungsart („WR") hier nicht nur benachbarte (sogar unmittelbar aneinandergrenzende) Flurstücke betrifft, sondern alle in dem - überdies mit ca. 5 ha vergleichsweise kleinen - Plangebiet überhaupt zur baulichen Nutzung vorgesehenen Flächen erfasst. Trifft m.a.W. der Plangeber im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung für das Plangebiet eine einheitliche Festsetzung, ist im Zweifel auch von einer Einheitlichkeit des entsprechenden Baugebiets nach der Art der baulichen Nutzung auszugehen.

34

Für diese maßgebliche Identität der Ausweisung ist nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, unerheblich, dass der Bebauungsplan hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der überbaubaren Grundflächen sowie der Bauweise innerhalb des reinen Wohngebietes durchaus unterschiedliche Festsetzungen trifft. Auf diese sonstigen Festsetzungen kommt es für den Gebietserhaltungsanspruch nicht an, eben weil sich das für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruchs maßgebliche Austauschverhältnis zwischen den betroffenen Grundstücken allein aus der Art der baulichen Nutzung ergibt, welche als solche durch (unterschiedliche) Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nicht verändert wird (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Ebenso wenig gebietet - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - die Tatsache, dass die in der Fläche westlich des Grünstreifens festgesetzten Teilflächen des dortigen reinen Wohngebiets in der Planzeichnung nummeriert sind, die Annahme, dass der Plangeber bei Aufstellung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unterschiedliche Baugebiete schaffen wollte, obwohl er die betroffenen Grundeigentümer in dieser Hinsicht denselben rechtlichen Regelungen unterwarf. Bei der Nummerierung der einzelnen Flächen handelt es sich schon ausweislich der Legende zur Planzeichnung um bloße Ordnungsnummern ohne eigenen normativen Gehalt. Die Nummerierung dient wiederum nicht der Zuordnung unterschiedlicher Arten der baulichen Nutzung – sämtliche Grundstücke sind als reines Wohngebiet festgesetzt –, sondern der Feingliederung des Baugebiets im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung und die Bauweise. Unterschiedliche Festsetzungen in dieser Hinsicht lassen indes keinen Schluss auf die Festsetzung unterschiedlicher Baugebiete im Sinne des Gebietserhaltungsanspruchs zu (vgl.o.). Vor diesem Hintergrund, dass allein die Festsetzungen des Bebauungsplans nach der Art der baulichen Nutzung über die Frage des Bestehens eines einheitlichen Baugebiets i.S.d. Gebietserhaltungsanspruchs entscheidend sind, sind darüber hinaus auch die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Faktoren wie die verkehrliche Erschließung der Grundstücke der Antragssteller zu 1) bis 4) und des Vorhabengrundstücks, aus denen sie das Fehlen einer Wechselbezüglichkeit i.S.d. Gebietserhaltungsanspruchs ableitet, unbeachtlich.

35

Der Annahme der Festsetzung eines einheitlichen reinen Wohngebiets, in welchem sowohl das Vorhabengrundstück als auch die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) belegen sind, steht auch nicht entgegen, dass sowohl in der Planverordnung als auch in der Planbegründung teilweise die Pluralform „Wohngebiete“, nicht aber die Formulierung „Wohngebiet“ verwendet wird (vgl. § 2 Nr. 3, 7 und 15 der Planverordnung, S. 24 ff. der Planbegründung). Diesem Umstand fehlt es schon deshalb an Aussagekraft für eine Systematik, weil Singular und Plural in Bezug auf den Begriff „Wohngebiet" in der Planbegründung uneinheitlich verwendet werden. Im Inhaltsverzeichnis der Planbegründung findet sich unter Punkt 5.1 auch die singularische Formulierung „Reines Wohngebiet“ und im Text der Planverordnung wird der Plural für solche Teile auf dem westlichen Flurstück verwendet, die lediglich nach dem Maß der baulichen Nutzung unterschiedlich ausgewiesen werden. Überdies ergibt die bloße Verwendung eines solchen Plurals im Rahmen der zur Beurteilung dieser Frage gebotenen normativen Betrachtung schon als solche keine verlässliche Auskunft über die Intention des Plangebers, ob er hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unterschiedliche Baugebiete i.S.d. Gebietserhaltungsanspruchs oder ein einheitliches Baugebiet festsetzen wollte. Auch wenn in einem Bebauungsplan Flächen als „Baugebiete“ bezeichnet werden, können sie dennoch im Rechtssinne des Gebietserhaltungsanspruchs in demselben Baugebiet belegen sein (so OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14).

36

Der Umstand, dass nach der Planzeichnung zwischen den farblich (der WR-Ausweisung entsprechend) gleich unterlegten Flächen im Osten und auf dem Vorhabengrundstück (und insoweit allein auf dem Vorhabengrundstück gelegen) in Weiß ein polygonal geschnittener, länglicher Streifen als „Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft" von jedenfalls etwa 20m Breite ausgewiesen ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Diese anderweitige Funktionszuweisung einer Teilfläche (die im Übrigen ihre Entsprechung am westlichen Rand des Plangebiets findet) bedeutet - zumal Unterschiede in der Ausweisung zum Maß der baulichen Nutzung insoweit unerheblich sind (vgl.o.) - nicht, dass der Plangeber bei der Überplanung des kompakten, lediglich ein Karree bildenden Gesamtgebiets im Januar 2015 die Intention verfolgt hätte, zwar sowohl östlich als auch westlich des von baulicher Nutzung freizuhaltenden Naturstreifens jeweils dieselbe Art der baulichen Nutzung festzusetzen, das kleine Plangebiet aber dennoch auch in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung in unterschiedliche Baugebiete aufzuteilen, obwohl die Grundeigentümer in beiden Flächen denselben rechtlichen Regelungen unterworfen werden. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass der Plangeber sich gerade nicht darauf beschränkt hat, die im östlichen Bereich vorgefundene Bestandsbebauung lediglich zu erfassen, sondern (auch) den auf der Fläche östlich des Grünstreifens belegenen Grundstücken bewusst bauliche Entwicklungsmöglichkeiten in Richtung auf die Fläche westlich des Grünstreifens zugebilligt hat: Durch die Festsetzung der Baugrenze in unmittelbarer Nähe zum Grünstreifen bzw. zur Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft hat der Plangeber die Möglichkeit zu einer Nachverdichtung der Bebauung dieser Grundstücke im rückwärtigen Bereich eröffnet. Hierdurch sollte eine „maßvolle städtebauliche Entwicklung, nicht zuletzt im Hinblick auf die übergeordneten Ziele der Stadt Hamburg, Flächen für den Wohnungsbau zu schaffen, erreicht werden.“ (S. 25 f. der Planbegründung). Die für die Fläche westlich des Grünstreifens durch den Bebauungsplan vorgesehene Wohnbebauung und die (weitere) Bebauung auf den (schon teilweise bebauten) Grundstücken östlich des Grünstreifens sollten sich mithin gleichsam aufeinander zu bewegen. Die Bestandsbebauung westlich der Lemsahler Landstraße sollte mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten „städtebaulich eingebunden werden“ (S. 25 der Planbegründung). Dies widerspricht unmittelbar einer auf Trennung zielenden Planung des Inhalts, mit dem Grünstreifen zum Ausdruck zu bringen, dass sich beide reinen Wohngebiete unabhängig voneinander entwickeln sollten, nämlich im Osten ausschließlich im Sinne einer Sicherung der Bestandsbebauung und im Westen als davon abzusondernde Neubeplanung der Freifläche. Beabsichtigt war vielmehr die „behutsame Weiterentwicklung“ des vorhandenen Wohnquartiers durch die neue Wohnbebauung (S. 24 der Planbegründung), was einer vereinheitlichenden, nicht einer getrennten Entwicklung der beiden Flächen westlich und östlich des Grünstreifens entspricht. Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Vorgeschichte der Planung legt kein anderes Ergebnis nahe. Dass ursprünglich ein größeres Plangebiet mit dem in Rede stehenden Bebauungsplan erfasst werden sollte, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der Plangeber in der Folge auf das festgesetzte Plangebiet und die getroffenen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 beschränkt und keine Unterteilung des reinen Wohngebietes vorgenommen hat. Auch insoweit ist auf den Begründungstext zu verweisen, wonach die bei Planaufstellung vorgefundene Bestandsbebauung westlich der Lemsahler Landstraße mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten „städtebaulich eingebunden werden“ sollte (S. 25).

37

Gegen eine besondere, auf Trennung zweier Wohngebiete zielende Regelungsintention bei Festsetzung des Naturstreifens spricht auch die Entstehungsgeschichte dieser Flächenausweisung. Die Grünzone war als solche mit naturschutzrechtlich beachtlichem Bestand an Flora und Fauna bei Aufstellung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 bereits vorhanden, stellte also eine räumliche Trennung beider Flächen, aber keine gezielt durch die Planung erst hervorgerufene (normative) Trennung dar. Einer schlichten Trennung zweier Flächen durch tatsächliche Gegebenheiten (Straßen etc.) lässt sich normativ nicht die Wertung entnehmen, dass dadurch die Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Nutzungsbeschränkungen aufgehoben werden sollte (so ausdrücklich OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Dass dem Fortbestand des bei Planaufstellung bereits vorhandenen Grünstreifens darüber hinaus seitens des Plangebers eine normative Bedeutung zur Aufhebung der Wechselbezüglichkeit der Wohnbauflächen beigemessen worden wäre, lässt sich auch weder den auf diese Teilfläche bezogenen Bestimmungen des Bebauungsplans bzw. der Planverordnung noch den Ausführungen in der Planbegründung entnehmen. Der Zweck des Fortbestands des Naturstreifens an seinem schon bei Planaufstellung vorgefundenem Standort besteht gemäß § 2 Nr. 11 der Planverordnung vielmehr in seiner Bedeutung als naturnahe Gehölzfläche. Gemäß § 2 Nr. 15 der Planverordnung dient der Erhalt des Streifens und seine Festsetzung als Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft mit dem Entwicklungsziel „Artenreiches, gestuftes Gehölz“ dem naturschutzrechtlichen Ausgleich. Ausgeglichen werden sollen hierdurch Beeinträchtigungen, die durch den Bebauungsplan an anderer Stelle hervorgerufen werden (S. 32 der Planbegründung); wäre der gewachsene Grünbestand auch an dieser Stelle einer Überbaubarkeit preisgegeben worden, hätte der Plan erheblichen weiteren Ausgleichsbedarf begründet. Die Entwicklung des Naturstreifens dient den Zielsetzungen des Artenschutzes zur Schaffung von Ersatzlebensräumen für potenzielle oder reale Vorkommen besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten und der übergeordneten Zielsetzung des Landschaftsprogramms zum Schutz des Landschaftsbildes (S. 32 der Planbegründung). Es soll sichergestellt werden, dass die Funktion u.a. dieses Streifens zwischen der Straße Fiersbarg und der nördlichen Plangebietsgrenze als Fledermaus-Flugroute (Orientierung und Nahrungssuche) auch künftig erhalten wird (S. 33 der Planbegründung). Die in der Planbegründung außerdem enthaltene Aussage, der Naturstreifen bewahre einen „Puffer zwischen dem neuen Bebauungsgebiet und der Bestandsbebauung“ (S. 32 der Planbegründung), hat keine abweichende, gesonderte Bedeutung. Zwar kann, je nach Kontext, eine Planaussage zu einer „Pufferfunktion“ einer Fläche nicht nur auf eine tatsächliche, sondern auch auf eine normative Wirkung zielen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 38). Eine normative Bedeutung im Sinne der Trennung zweier Flächen in unterschiedliche Baugebiete nach der Art der baulichen Nutzung ist dem hier zu betrachtenden Naturstreifen indes auch nicht vor dem Hintergrund dieser Formulierung in der Planbegründung beizumessen. Mit der Bezeichnung des Streifens als „Puffer“ zwischen den Flächen östlich und westlich davon stellt der Begründungstext keinen Bezug zu der Art der baulichen Nutzung her, auf die es jedoch allein für eine Einordnung der beiden Flächen als ein einheitliches Baugebiet im Sinne des Gebietserhaltungsanspruchs ankäme (vgl. wiederum OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Die für den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 dem Naturstreifen zugewiesene „Pufferfunktion“ bezieht sich allein auf naturschutzfachliche bzw. naturschutzrechtliche Aspekte. Dies lässt der Kontext der hierauf bezogenen Ausführungen in der Planbegründung ohne Weiteres erkennen (S. 32 der Planbegründung):

38

„Mit der Festsetzung wird zur Stabilisierung des bestehenden Biotoptyps als Lebensraum für Tiere und Pflanzen beigetragen. Gleichzeitig wird der Puffer zwischen dem neuen Bebauungsgebiet und der Bestandsbebauung bewahrt und die Funktion der Gehölzstruktur insgesamt sowohl als Fledermaus-Flugroute als auch für Brutvögel und besonders geschützte Artengruppen gestärkt.“

39

Nicht bezogen auf die Art der baulichen Nutzung soll danach ein „Puffer“ durch den Naturstreifen errichtet werden, sondern im Interesse der von der Planung betroffenen Fledermaus- und Vogelarten, denen ihre Flugrouten bzw. Brutplätze zwischen den hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung denselben rechtlichen Regelungen unterworfenen Flächen erhalten werden sollen, wird der Naturstreifen als „Puffer“ erhalten und entsprechend festgesetzt (so auch S. 33 der Planbegründung).

40

Eine rein faktisch abgrenzende Wirkung des Streifens – auf welche sich die Antragsgegnerin beruft – ist vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass die Beantwortung der bauplanungsrechtlichen Frage, inwieweit die von der Geltendmachung eines Gebietsschutzanspruchs betroffenen Grundstücke in demselben Baugebiet belegen sind, allein anhand normativer Kriterien zu beantworten ist (OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14).

41

2. Das Vorhaben der Antragsgegnerin zielt auf eine gebietsfremde Nutzung. Zulässig nach Art der baulichen Nutzung sind in reinen Wohngebieten gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO regelhaft Wohngebäude sowie Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Ausnahmsweise können neben den hier nicht relevanten gewerblichen Anlagen i.S.v. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sonstige Anlagen für soziale Zwecke (sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kulturelle, gesundheitliche oder sportliche Zwecke) zugelassen werden. Die vorliegend in Rede stehende Einrichtung stellt keine Wohnnutzung dar (hierzu unter a). Sie ist auch nicht als soziale Einrichtung in einem reinen Wohngebiet zulässig (hierzu unter b). Ihre bauplanungsrechtliche Zulässigkeit folgt schließlich nicht aus der nach § 246 Abs. 12 BauGB erteilten Befreiung von den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung (hierzu unter c).

42

a) In der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, der sonstigen Oberverwaltungsgerichte sowie des Verwaltungsgerichts Hamburg ist geklärt, dass Anlagen zur öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in der Form der Erstaufnahmeeinrichtung keine Wohnnutzung darstellen, da es jedenfalls an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Diese Einrichtungen sind vielmehr – insbesondere in Ansehung der Residenzpflicht nach § 47 AsylG sowie der von der Einrichtung zu gewährleistenden zentralen Vollverpflegung und Versorgung mit sonstigen Sachleistungen – als Anlagen für soziale Zwecke einzuordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 30; Urteil vom 10.4.1997, Bf II 72/96, NordÖR 1999, 354; Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 22.1.2015, 9 E 4775/14; Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 59; Beschluss vom 6.11.2015, 7 E 5650/15, S. 17; VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88; vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 6.10.2015, 3 S 1695/15, juris, Rn. 12; VG Köln, Urteil vom 11.1.2012, 23 K 1277/11, juris; so auch BT-Drs. 18/6185, S. 87).

43

b) Das Vorhaben der Antragsgegnerin ist, wovon bereits die streitgegenständliche Baugenehmigung selbst zutreffend ausgeht, als nicht lediglich kleine Anlage für soziale Zwecke in dem reinen Wohngebiet nicht zulässig.

44

Für die Anwendbarkeit der Ausnahmemöglichkeit gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO müsste es sich bei einer Anlage für soziale Zwecke in einem reinen Wohngebiet um eine sogenannte kleine, gebietstypische Anlage handeln, die sich in die Zweckbestimmung des Baugebiets fügt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 39; Beschluss vom 28.11.2012, 2 Bs 210/12, NVwZ-RR 2013, 352, 354; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 3 BauNVO, Rn. 79). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten, insbesondere der reinen Wohnnutzung, schon der Umfang der Nutzung selbst ein typenbildendes Merkmal ist, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Diese Maßstäblichkeit gilt insbesondere auch für ausnahmsweise zulassungsfähige Nutzungen. Regelhaft erwartet werden in einem reinen Wohngebiet nur die beim privaten Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen, d.h. auch entsprechend dimensionierten Infrastruktureinrichtungen (vgl. VGH Mannheim zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber mit 26 Plätzen als Umnutzung eines Bestandsgebäudes, Beschluss vom 6.10.2015, 3 S 1695/15, NVwZ 2015, 1781 ff., bzw. VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88, 89, zu einer Einrichtung für 25 Personen). Für die Gebietsverträglichkeit geht es um die Frage, ob ein Vorhaben dieser Art aufgrund der typischerweise mit ihm verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung generell geeignet ist, das Wohnen in einem reinen Wohngebiet zu stören (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88), insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 41). Individuelle Besonderheiten der zu betrachtenden Einrichtung, des Verhaltens der darin untergebrachten Personen oder auch besondere individuelle Fähigkeiten des Betreibers zur Herabsetzung der Störungsintensität einer konkreten Einrichtung sind demgegenüber wegen des eine typisierende Betrachtung erfordernden Maßstabs des Gebietserhaltungsanspruchs nicht in die gerichtliche Prüfung einzubeziehen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88). Die Bewertung der Dimensionierung ergibt sich aus dem Vergleich mit der plangemäßen Bebauung, insoweit unter Berücksichtigung der Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 43); in durch geringe Verdichtung geprägten Gebieten können dementsprechend nur solche Anlagen ausnahmsweise zugelassen werden, die der Eigenart des konkreten Gebiets entsprechen (so, unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 BauNVO als ergänzender rechtlicher Maßstab, Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 3 BauNVO, Rn. 79).

45

Nach diesem Maßstab kann das Vorhaben nicht als eine in dem reinen Wohngebiet gebietsverträgliche, zulässige „kleine“, die Zweckbestimmung des Baugebiets nicht gefährdende (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 39; Beschluss vom 28.11.2012, 2 Bs 210/12, NVwZ-RR 2013, 352, 354; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 3 BauNVO, Rn. 79) Anlage für soziale Zwecke gewertet werden.

46

Mit seiner Erstreckung auf insgesamt 24 zumeist große Baukörper (mit insgesamt 238 Einheiten, die für jeweils 4 Personen nutzbar wären) bzw. Teilanlagen (vgl. Lageplan, Vorlage Nr. 7/21), der Ausrichtung auf (derzeit) 252 Nutzer zuzüglich Personal und der Ausdehnung über den gesamten westlichen Planbereich geht das Vorhaben weit über die in dem Bebauungsplan angelegte kleinteilige Wohngebietsausweisung hinaus: Durch den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 sollten insbesondere für das städtische Grundstück (Flurstück 420) am Fiersbarg die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau von insgesamt nur 40 bis 45 Wohneinheiten in Form von Einzel, Doppel- und Reihenhäusern sowie in (drei) Stadtvillen (diese mit bis zu 5 Wohneinheiten) geschaffen werden (vgl. Bebauungskonzept, Planbegründung S. 5). Hierfür wurden insgesamt für die bauliche Nutzung nur 17 Baufenster bestimmt und hierbei „die Baugrenzen ... baukörperscharf festgesetzt, um die Umsetzung des Bebauungskonzeptes zu gewährleisten" (S. 24 der Planbegründung). Die Reihenhauszeilen sollten aus je drei Einheiten bestehen (S. 25 der Planbegründung) und die höchstzulässige Zahl der Wohneinheiten in Wohngebäuden wurde „gemäß der im Bebauungskonzept vorgesehenen Gebäudetypen mit einer Wohnung in den Einzel- und Doppelhaustypen sowie in den Hausgruppen und mit 5 Wohnungen für die Stadtvillen festgesetzt" (S. 25 der Planbegründung).

47

Im Übrigen ist die Einrichtung bei der gebotenen typisierenden Betrachtung auch ihrer Zweckbestimmung nach in einem reinen Wohngebiet nicht gebietsverträglich (vgl. im Einzelnen Beschluss der Kammer vom 15.12.2015, 7 E 6128/15). Auch in der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist - für eine Folgeunterkunft, d.h. für eine Nutzung mit geringerer Belegungsdichte sowie durch Personen mit günstigerer Bleibeperspektive - geklärt, dass eine größere Einrichtung zur öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern bei typisierender Betrachtung als in einem reinen Wohngebiet gebietsunverträglich anzusehen ist (OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43 ff.). Dies muss erst recht für Einrichtungen wie die vorliegend zu betrachtende gelten, denn hierbei soll es sich um eine sogenannte zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) handeln, welche i.S.v. § 47 AsylG dazu dient, Ausländer unmittelbar nach Stellung ihres Asylauftrags, also unmittelbar nach ihrer Ankunft in Hamburg, für mindestens sechs Wochen, längstens sechs Monate (gemäß Absatz 1a der Vorschrift Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat allerdings auch länger), unterzubringen. Gerade solche Einrichtungen sind nach den spezifischen Belegungs- und Nutzungsbedingungen geeignet, typischerweise erhebliche Auswirkungen auf die Wohnruhe eines reinen Wohngebiets zu entfalten.

48

c) Bauplanungsrechtlich zulässig wird das Vorhaben auch nicht durch die Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB; die Befreiung ist rechtswidrig und nicht geeignet, die Verbindlichkeit der Ausweisung „reines Wohngebiet" wie auch des daraus folgenden Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) aufzuheben.

49

Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Befreiung nach § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB sind nicht erfüllt.

50

Nach dieser Vorschrift kann bis zum 31. Dezember 2019 für die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

51

Insoweit kann vorliegend dahingestellt bleiben, wie der Begriff der mobilen Anlage widerspruchsfrei abzugrenzen ist, d.h. ob es sich bei der Gesamtanlage wegen der Verwendung von Containern als wesentliche Bauelemente und trotz der erforderlichen Erschließungs- und Fundamentierungsarbeiten um eine im Rechtssinne mobile Unterkunft i.S.v. § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB handelt, bzw. wie der Umstand zu erklären ist, dass eine andere Behörde der Antragsgegnerin zu einer für einen anderen Standort vorgesehenen, ebenfalls wesentlich aus Containern gleicher Bauart zusammengesetzten, um Dachbauteile ergänzten Anlage eine „Fachbehördliche Entscheidung“ nach § 246 Abs. 14 BauGB vorgelegt hat, welche zur Begründung der Anwendung von § 246 Abs. 14 BauGB betont:

52

„Die Erteilung einer befristeten Zulassung nach Abs. 12 scheidet aus, da die zu errichtenden Anlagen keine 'mobilen Unterkünfte' im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind. Vielmehr werden von umfangreichen Erschließungsmaßnahmen begleitete, fest gegründete Bauten errichtet.“

53

Vorliegend ist entscheidend, dass die allgemeine Tatbestandsvoraussetzung nach § 246 Abs. 12 Satz 1 a.E. BauGB, wonach die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, nicht erfüllt ist.

54

Die Frage nach der Vereinbarkeit der Befreiung mit den öffentlichen Belangen ist im vorliegenden Nachbarstreitverfahren trotz seiner prozessrechtlichen Beschränkung auf die subjektiven Rechte der Antragsteller (vgl. o.) Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Betrifft die Erteilung einer Befreiung eine nachbarschützende Festsetzung – hier zur Art der baulichen Nutzung (s.o.) –, führt bereits das Fehlen der objektiven Befreiungsvoraussetzungen zu einer Verletzung von Nachbarrechten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, 4 C 8.84, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71, und Beschluss vom 8.7.1998, 4 B 64/98, NVwZ-RR 1999, 8).

55

Der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen steht hier entgegen, dass die Befreiung von der Art der baulichen Nutzung sich als Verletzung eines Grundzugs der Planung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 erweist. Zu den öffentlichen Belangen, mit denen ein Vorhaben gemäß § 246 Abs. 12 BauGB zu vereinbaren sein muss, gehört insbesondere die Beachtung der Grundzüge der Planung - jedenfalls dergestalt, dass sie durch die Befreiung nicht verletzt werden dürfen (hierzu unter aa)). Steht ein erheblicher öffentlicher Belang der Befreiung entgegen, ist sie ausgeschlossen; andere, für die Befreiung sprechende Belange sind dann unerheblich und insbesondere nicht im Wege einer Gesamtabwägung zur Geltung zu bringen (hierzu unter bb)).

56

aa) Die erteilte Befreiung von der Art der baulichen Nutzung ist schon deshalb nicht mit den öffentlichen Belangen im Sinne von § 246 Abs. 12 BauGB vereinbar, weil sie einen Grundzug der Planung verletzt.

57

aaa) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ermächtigt die Vorschrift nicht zu einer unbeschränkten Abweichung von den Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplans. Mit dem Gebot, dass die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, ist jedenfalls verbunden, dass die Grundzüge der Planung nicht verletzt werden dürfen.

58

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der öffentlichen Belange im Zusammenhang mit der bauplanungsrechtlichen Befreiung lässt sich dieser nicht allgemein randscharf abgrenzen, umfasst indes immer die Wahrung des wesentlichen Gehalts des Bebauungsplans (BVerwG, Urteil vom 19.9.2002, 4 C 13/01, BVerwGE 117, 50):

59

„Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt der Schluss, eine Befreiung sei mit den öffentlichen (bodenrechtlichen) Belangen nicht vereinbar, um so näher, je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht einer Planung eingreift. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht, so dass es bei unterstellter Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB nicht zugelassen werden dürfte (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78 f.>)."

60

In der angeführten Grundsatzentscheidung vom 9. Juni 1978 hatte das Bundesverwaltungsgericht die zentrale Bedeutung des Schutzes der Grundzüge der Planung für das System der bauplanungsrechtlichen Ordnung erläutert:

61

„Durch die Entgegensetzung von Regelfällen und Sonderfällen wird auch die Grenze zwischen der Befreiung und der etwa erforderlichen Planänderung markiert: Ist die Befreiung auf atypische Sonderfälle beschränkt, so folgt daraus, daß in allen übrigen (Regelfällen) Fällen zulässige Abweichungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nur mit Hilfe eines Planänderungsverfahrens bewirkt werden können. Diese Folgerung entspricht in dreifacher Hinsicht dem System des Bundesbaugesetzes: Zum einen dürfen die Festsetzungen eines Bebauungsplans - gemäß § 10 BBauG handelt es sich um Rechtssätze - nicht generell, insbesondere nicht in den vom Plan erfaßten Regelfällen, durch Verwaltungsakte "außer Kraft gesetzt" werden. Ferner obliegt die Änderung eines Bebauungsplans nach § 2 Abs 1 und Abs 7 BBauG 1976 der die Planungshoheit ausübenden Gemeinde und nicht der Baugenehmigungsbehörde. Außerdem ist für die Planung in § 2 Abs 5 und Abs 7, § 2a Abs 1 bis 6 BBauG 1976 ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Bürger vorgeschrieben. Würde die Baugenehmigungsbehörde gleichwohl in "Regelfällen" befreien, so würde sie damit die vom Bundesbaugesetz bestimmte Zuständigkeit und das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren umgehen.“

62

Spätere Änderungen der allgemeinen bauplanungsrechtlichen Befreiungsvorschrift, des § 31 Abs. 2 BauGB, mit denen das Verbot, mit einer Befreiung die Grundzüge der Planung zu berühren, in den Normtext eingefügt und tatbestandlich zugeordnet worden ist, sind angesichts der Systemnotwendigkeit einer die Grundentscheidungen des Plangebers schützenden Grenze für die Abweichungsentscheidung der Baugenehmigungsbehörde lediglich als (den Maßstab verfeinernde) Bestätigung dessen zu verstehen, was mit dem Begriff der „öffentlichen Belange" bereits vorgegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999, 4 B 5/99, ZfBR 1999, 283). In der Abfolge des Normwortlauts des § 31 Abs. 2 BauGB gegenüber der Bedingung, dass die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, vorgehende einzelne Tatbestandselemente bzw. einzelne Befreiungstatbestände können sich zwar bereits auf die Vereinbarkeit mit der Plankonzeption beziehen; dies ändert indes nichts daran, dass die Wahrung der Grundzüge des Bebauungsplans wesentlicher Gegenstand des Begriffs der öffentlichen Belange ist (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 55 ff.).

63

Die Bedingung, dass die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, hat in der speziellen Befreiungsnorm des § 246 Abs. 12 BauGB keine andere Bedeutung als im Rahmen der allgemeinen Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB. Insoweit sind nicht nur der Wortlaut und die systematische Stellung innerhalb der Norm identisch. Dasselbe Ergebnis folgt auch aus der gesamtsystematischen Betrachtung, insbesondere dem Abgleich mit höherrangigem Recht, sowie Sinn und Zweck der Vorschrift; das vorliegende Material über den Gesetzgebungsvorgang steht dem ebenfalls nicht entgegen.

64

Der verfassungsrechtliche Rahmen für die Möglichkeiten der Baugenehmigungsbehörde, von der - rechtssatzförmigen - Entscheidung des Plangebers über die bauliche Entwicklung des Plangebietes abzuweichen, ist für alle Vorschriften zur bauplanungsrechtlichen Befreiung gleich: Zulässiger Zweck der im Baugesetzbuch – auch vor Inkrafttreten des § 246 Abs. 12 BauGB im Zuge des sog. „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes“ am 24.10.2015 – bereits enthaltenen Bestimmungen, die es unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, von den Festsetzungen eines Bebauungsplans abzuweichen, ist es, durch eine gewisse Flexibilisierung planerischer Festsetzungen vor dem Hintergrund des Übermaßverbots Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 1). Abweichungsvorschriften, zu denen auch § 246 Abs. 12 BauGB zu zählen ist, stehen damit in einem Spannungsverhältnis zu anderen elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen bzw. grundgesetzlichen Garantien. Die Rechtssicherheit als ein i.S.d. Art. 20 GG wesentliches Element der Rechtsstaatsgarantie erfordert eine Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit der Rechtslage und der Rechtsanwendung (BVerfG, Beschluss vom 8.1.1981, 2 BvL 3/77, 9/77, BVerfGE 56, 1, 12; Beschluss vom 9.4.2003, 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01, BVerfGE 108, 52, 75; Beschluss vom 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 53 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 20, Rn. 58), die nur dann gewahrt bleibt, wenn die Möglichkeit zur Abweichung von planungsrechtlichen Festsetzungen durch gesetzlich normierte Voraussetzungen auf ein vertretbares Maß beschränkt wird (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 2).

65

Zu beachten ist zudem die Zuordnung der Befugnisse. Vor dem Hintergrund des Art. 28 Abs. 2 GG darf durch die Schaffung von Abweichungsvorschriften oder ihre Anwendung die Umgehung einer eigentlich erforderlichen Planänderung nicht ermöglicht werden (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 28). In die sachliche Reichweite der hierdurch geschützten und garantierten gemeindlichen Selbstverwaltung fällt als eine der sog. Gemeindehoheiten auch die Planungshoheit als Befugnis der Gemeinde zur Ordnung und Gestaltung des Gemeindegebiets im Sinne einer längerfristigen Entwicklung, namentlich in Ansehung der baulichen Nutzung (BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980, 2 BvR 584/76 et. al., BVerfGE 56, 298, 310, 317 f.; BVerwG, Urteil vom 16.12.1988, 4 C 40/83, BVerwGE 81, 95, 106; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28, Rn. 13; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Ed. 26, Stand: 9/2015, Art. 28, Rn. 40.5). Auch und gerade hieraus ergibt sich der Vorbehalt, nach dem der Bebauungsplan als Rechtsnorm grundsätzlich nur durch Änderung, Ergänzung oder Aufhebung in seinem Inhalt geändert werden kann, so dass Abweichungsvorschriften nicht dazu verwendet werden dürfen, den Bebauungsplan – wie es hier die Antragsgegnerin beabsichtigt – an geänderte tatsächliche Verhältnisse oder neue städtebauliche Vorstellungen anzupassen (BVerwG, Urteil vom 9.6.1978, 4 C 54.75; Beschluss vom 13.2.1996, 4 B 199.95; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 15), und es allein der Gemeinde vorbehalten ist, eine solche Anpassung durch Änderung des Bebauungsplans selbst herbeizuführen, nicht der Bauordnungsbehörde im Wege einer Abweichungsentscheidung (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 15). Zudem ist wegen der grundrechtsgestaltenden Wirkung der Planung von erheblicher Bedeutung, dass die nach den §§ 3 und 4 BauGB notwendige Beteiligung der Bürger und Träger öffentlicher Belange nicht im Wege behördlicher Abweichungsentscheidungen unterlaufen oder geradezu „aus den Angeln gehoben“ wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999, 4 B 5/99, NVwZ 1999, 1110; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 29). Dies gilt auch in der Einheitsgemeinde Hamburg, in der den Bezirksämtern sowohl die Bauaufsicht als auch die Aufstellung der Bebauungspläne übertragen ist (OVG Hamburg, Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13, S. 6); wird durch die Erteilung einer Befreiung eine an sich erforderliche Planänderung funktionell ersetzt, handelt es sich um einen Übergriff der Bauaufsicht in die Kompetenz der Bauleitplanung.

66

Ein von dem allgemeinen abweichendes Verständnis des Begriffs „öffentliche Belange" dergestalt, dass im Rahmen von § 246 Abs. 12 BauGB das Verhältnis zwischen dem durch Befreiung zu ermöglichenden Vorhaben und dem Konzept des Bebauungsplans unerheblich sein sollte, ist auch weder nach der Systematik der Vorschrift selbst anzunehmen, noch nach den sonstigen Zusammenhängen mit den übrigen Vorschriften des Baugesetzbuches. Zu beachten ist insoweit zunächst, dass der maßgebliche Normkontext darin besteht, dass die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen zu den Bedingungen für eine auch nur in das Ermessen der Baugenehmigungsbehörde gestellte Befreiung gehört. Schon dem Begriff der „Befreiung" ist der Ausnahmecharakter immanent, d.h. das Sonderverhältnis zu der Regel, die schlicht in der Beachtung des Bebauungsplans liegt (vgl. bereits oben, BVerwG, Urteil vom 9.6.1978, aaO.). Zielt das Gesetz demgegenüber selbst darauf, dem Bebauungsplan bzw. seinen Grundzügen die Maßgeblichkeit zu nehmen bzw. seine Regelungsaussage zu ändern, so bringt es dies - auch zur Wahrung des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit - unmittelbar zum Ausdruck und setzt die gewünschte Rechtsfolge selbst verbindlich (vgl. u.a. §§ 245a Abs. 1, 246 Abs. 11 BauGB). Vor diesem Hintergrund ist auch, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin, die Auslegung des § 246 Abs. 10 BauGB (durch den VGH Mannheim, Beschluss vom 11.3.2015, 8 S 492/15, juris), wonach dessen Zielrichtung, Unterkünfte auch in Gewerbegebieten zu ermöglichen, es verbiete, bei der Prüfung der entgegenstehenden öffentlichen Belange auf die Planfestsetzung zur Art der baulichen Nutzung abzustellen, nicht auf § 246 Abs. 12 BauGB zu übertragen. Das ergibt sich bereits daraus, dass es insoweit um Vorschriften maßgeblich unterschiedlicher Struktur geht: § 246 Abs. 10 BauGB setzt (als Bundesgesetz) allgemein bei dem planungsrechtlichen Bedeutungsgehalt der Gewerbegebietsausweisung an, während § 246 Abs. 12 BauGB die planerische Grundaussage selbst nicht regelt, sondern ihre Beachtung der Baugenehmigungsbehörde überantwortet.

67

Die intendierte Rücksichtnahme auf die besondere Stellung des Plangebers drückt sich in § 246 Abs. 12 BauGB weiter darin aus, dass Satz 2 der Vorschrift § 36 des Gesetzes für entsprechend anwendbar erklärt. Hiernach ist die für die Bebauungsplanung zuständige Gemeinde an dem Genehmigungsverfahren zu beteiligen, sie kann, wie § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB im Sinne eines Numerus Clausus, zugleich indes die Erheblichkeit der Grundzüge der Planung bestätigend anführt, das Einvernehmen wirksam u.a. aus den sich aus § 31 BauGB ergebenden Gründen versagen. Dementsprechend stellt sich der Umstand, dass § 246 Abs. 12 BauGB die besondere Befreiungsmöglichkeit nur mit einer Befristung auf (zunächst, vgl. Abs. 17 der Vorschrift) drei Jahre und nur für die Errichtung mobiler Unterkünfte (oder die Umnutzung von Baulichkeiten in besonderen Gebieten) eröffnet, lediglich als Einschränkung des Anwendungsbereichs dar. Begründet wird durch diese Einschränkungen nicht das Erfordernis einer eigenständigen Definition des Begriffs der öffentlichen Belange, sondern die Möglichkeit, dass sich im Einzelfall ein Vorhaben im Hinblick auch auf die konkrete zeitliche Befristung der Befreiung als für die Grundkonzeption des Bebauungsplans unerheblich erweist.

68

Auch der Abgleich der Regelungssystematik mit § 31 Abs. 2 BauGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar enthält § 246 Abs. 12 BauGB gerade nicht die dort gesondert von den öffentlichen Belangen angeführte Bedingung, dass die „Grundzüge der Planung nicht berührt werden". Hierbei handelt es sich nach der Begründung zu dem Entwurf der Bundesregierung, wonach eine Befreiung auch dann möglich sein soll, „wenn die Grundzüge der Planung berührt werden" (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 54), auch um eine bewusste Abweichung von der allgemeinen Befreiungsvorschrift. Ergebnis dieser Regelungstechnik ist indes nur, dass die besondere Grenze für Beeinträchtigungen der Grundzüge der Planung, die § 31 Abs. 2 BauGB mit „berührt" definiert, als solche nicht auf die Befreiungen nach § 246 Abs. 12 BauGB anzuwenden ist, während die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl.o.) in dem Begriff der öffentlichen Belange enthaltene, allgemeine, grundsätzliche Grenzziehung zugunsten der Verbindlichkeit des Bebauungsplans zu beachten bleibt. Auch der Satz in der Entwurfsbegründung (aaO., S. 54 u.) „Soweit sich im zeitlich befristeten Nutzungszeitraum der Flüchtlingseinrichtung ergibt, dass eine langfristige Nutzung erforderlich wird, wäre eine nachhaltige Bauleitplanung erforderlich", erfordert im Übrigen keine abweichende Auslegung des dort zugrunde liegenden Systemverständnisses. Denn auch in dem Fall, dass das durch Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB ermöglichte Vorhaben die Grundzüge der Planung iSv. § 31 Abs. 2 BauGB berührt, jedoch nicht in einer Weise verletzt, dass es mit den öffentlichen Belangen iSv. § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB unvereinbar wäre, ist nach Verfassungsrecht wie auch Systematik des Baugesetzbuches (vgl.o.) eine Auflösung des Widerspruchs zu dem Bebauungsplan durch eine Planänderung angemessen.

69

Nach allem hat die von § 31 Abs. 2 BauGB teilweise abweichende Formulierung der Befreiungsvorschrift in § 246 Abs. 12 BauG nur zur Folge, dass hier jener, mit „nicht berührt" besonders strenge Maßstab zur Wahrung der Grundzüge der Planung nicht anzuwenden ist. Die allgemeinen Anforderungen an das Verhältnis zwischen Einzelfallentscheidung der Baugenehmigungsbehörde und Planentscheidung des Plangebers verlangen demgegenüber weiterhin Beachtung. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 19.9.2002, 4 C 13/01, BVerwGE 117, 50) ist danach als unvereinbar mit öffentlichen Belangen eine Befreiung ausgeschlossen, „wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht, so dass es bei unterstellter Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB nicht zugelassen werden dürfte". Dieses Kriterium dürfte sachgerecht in der Formulierung zusammenzufassen sein, dass eine Befreiung mit den öffentlichen Belangen iSv. § 246 Abs. 12 BauGB insbesondere dann nicht vereinbar ist, wenn das Vorhaben die Grundzüge der Planung in diesem Sinne schwerwiegend beeinträchtigt, d.h. verletzt.

70

Die Bezugnahme nicht allein auf § 246 Abs. 12 BauGB, sondern zugleich auf § 31 Abs. 2 BauGB in dem Baugenehmigungsbescheid ergibt im Übrigen keinen anderen Maßstab für die Zulässigkeit der erteilten Befreiung. Insoweit handelt es sich lediglich, wie das die Nichtanwendbarkeit der Schranken in § 31 Abs. 2 BauGB betonende Vorbringen der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren bestätigt, um eine an die übliche Terminologie bei bauplanungsrechtlichen Befreiungsentscheidungen anknüpfende Formulierung. Rechtlich werden mit einer Berufung auch auf § 31 Abs. 2 BauGB indes keine über § 246 Abs. 12 BauGB hinausgehenden bzw. davon zugunsten des Vorhabens abweichenden Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet (vgl.o.).

71

bbb) Die von der Antragsgegnerin gemäß § 246 Abs. 12 BauGB erteilte Befreiung von der Art der baulichen Nutzung ist im Sinne des aufgezeigten Maßstabs nicht mit öffentlichen Belangen vereinbar. Sie steht in deutlichem Gegensatz zu dem Plankonzept des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 und verletzt damit die Grundzüge der Planung.

72

Das den Grundzügen der Planung zugrunde liegende Plankonzept beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Willen des Plangebers. Zu dessen Ermittlung ist neben zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Plans auch seine Begründung auszuwerten (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 36; Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand: 4/2015, § 31, Rn. 61).

73

Die Bestimmung insbesondere der Art der baulichen Nutzung gerade für die Fläche des Flurstücks 420 war wesentlicher Anlass für die Aufstellung sowie wesentlicher Gegenstand des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19; dies macht im Übrigen die Antragsgegnerin selbst, wenn auch in anderem Zusammenhang (nämlich als vermeintlicher Beleg für die normative Trennung der Flächen westlich und östlich des Naturstreifens), geltend.

74

Schon den zeichnerischen Festsetzungen ist die zentrale Bedeutung der „WR"-Ausweisung insbesondere des Flurstücks 420 zu entnehmen. Hiernach ist die reine Wohnnutzung die einzige eröffnete bauliche Nutzung, sind die Baufenster mit den unterschiedlichen Maßen der baulichen Nutzbarkeit aufeinander bezogen angeordnet und gruppieren sich die sonstigen Flächenausweisungen darum, die Wohnruhe und den Grünschutz begünstigend, herum.

75

Die Planbegründung bestätigt die entsprechende planerische Absicht. Hiernach war es ein besonderes Anliegen der Planaufstellung, im Plangebiet die Realisierung von Familienheimen und sonstiger kleinteiliger Wohnnutzung zu ermöglichen. Ausdrücklich für das nunmehr in Rede stehende Vorhabengrundstück sollten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau von 40 bis 45 Wohneinheiten in Form von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern sowie in Stadtvillen, davon 30 % öffentlich gefördert, geschaffen werden (S. 3 der Planbegründung), wodurch ein Beitrag zum dringend benötigten Wohnungsbau in Hamburg geleistet werden sollte (S. 3 der Planbegründung). Die neuen und bestehenden Bauflächen sollten für die Wohnnutzung bei entsprechender Wohnruhe gesichert werden, was durch die Festsetzung eines reinen Wohngebiets, insbesondere für das jetzige Vorhabengrundstück, geschehen sollte (S. 24 der Planbegründung). Ausdrücklich erkennt die Planbegründung dabei an, dass derartige Wohnlagen in Hamburg besonders nachgefragt und „unverzichtbares Segment des gesamtstädtischen Wohnungsmarktes“ seien (S. 24 der Planbegründung). Durch die eine solche Wohnbebauung ermöglichende Festsetzung sollte auch der Abwanderung in das Umland entgegengewirkt werden (S. 24 der Planbegründung).

76

Eine überdies gerade auch auf den Ausschluss anderer Nutzungsarten zielende Intention der Planentscheidung für die reine Wohnnutzung ergibt sich zudem daraus, dass die planerische Grundentscheidung zur Ausweisung des Vorhabengrundstücks als Teil eines reinen Wohngebiets von dem Plangeber gerade auch in bewusster Abkehr von einer vorherigen Nutzung der Fläche mit einer großen sozialen Einrichtung (sog. „Pavillon-Dorf“) erfolgte, obwohl seinerzeit (im Januar 2015) ein Bedarf an Schaffung von Unterkunftsplätzen bereits bestand und von der Antragsgegnerin für andere Standorte auch als dringlich geltend gemacht wurde.

77

Die erteilte Befreiung von der Art der baulichen Nutzung für das streitgegenständliche Vorhaben stellt sich hiernach als erhebliche Verletzung dieser Grundzüge der Planung dar, die einer Umplanung gleichkommt: Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die hierbei in Anspruch genommene Fläche - das Grundstück von rund 32.000 m2 wird der plangemäßen Bebaubarkeit für Wohngebäude vollständig entzogen -, und ihren hohen Anteil (von etwa drei Fünfteln) an der Gesamtfläche des Geltungsbereichs des Bebauungsplans.

78

Diese Verletzung der Grundzüge der Planung wird schließlich nicht dadurch unbeachtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung nur eine dreijährige Nutzungszeit für die geplante Einrichtung legalisiert. Allein aus der (gegenwärtigen) Befristung einer Genehmigung kann nicht gefolgert werden, dass Grundzüge der Planung durch diese nicht berührt werden (OVG Hamburg, Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13, juris, Rn. 11 ff.). Für die vorliegend festgestellte Verletzung der Grundzüge der Planung gilt nichts anderes. Ein Ausschluss der Planumsetzung für drei Jahre hat bereits erhebliches Gewicht. Überdies kann diese Befristung nicht damit gleichgesetzt werden, dass nach ihrem Ablauf die Fläche tatsächlich der plangemäßen Nutzung zur Verfügung stünde.

79

bb) Ist die Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB mit dem öffentlichen Belang, dass die Grundzüge der Planung nicht verletzt werden dürfen, nicht vereinbar, ist sie ausgeschlossen. Andere, gegebenenfalls für die Befreiung sprechende Belange sind insoweit nicht geeignet, die Verletzung der Grundzüge der Planung im Wege einer Gesamtabwägung zu kompensieren (vgl. Roeser, in: Berliner Kommentar BauGB, 3. Aufl. 2002, 7. EL., Stand: 9/2006, § 31, Rn. 18; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, 75. EL., Stand: 7/2010, § 31, Rn. 54). Auch dies ist Ausdruck der zu unterscheidenden Befugnisse der Baugenehmigungsbehörde einerseits (zur Einzelfallregelung in Umsetzung des Bebauungsplans) und des Plangebers andererseits (zur umfassenden Gestaltung der städtebaulichen Entwicklung). Die auf die seinerzeitige Normfassung bezogenen Erläuterungen des Bundesverwaltungsgerichts hierzu (Urteil vom 9.6.1978, IV C 54.75, BVerwGE 56, 71) gelten in der Sache unverändert:

80

„Eine Befreiung, mit der einem bestimmten öffentlichen Interesse Rechnung getragen werden soll, verbietet sich, wenn dadurch die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt würde. In Fällen dieser Art bedarf es eines Ausgleichs zwischen einander widerstreitenden - häufig zum Teil bodenrechtlich, zum anderen Teil nicht-bodenrechtlichen - Gemeininteressen. Ein solcher Ausgleich bedarf gleichsam der Einbettung in die gesamte Interessenlage. Die Befreiung ist nicht das geeignete und deshalb auch nicht das zugelassene Mittel, dies zu erreichen. Steht der Befreiung ein bodenrechtlicher Belang in beachtlicher Weise entgegen, so vermag sich gegen ihn weder der atypische - obschon vielleicht gewichtige - Gemeinwohlgrund durchzusetzen, noch ist eine "Kompensation" (Saldierung) aller betroffenen, für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange möglich. Für eine Kompensation oder Saldierung der öffentlichen Belange im Sinne einer Bevorzugung des einen Belanges unter Zurücksetzung anderer Belange läßt das Gesetz bei der Anwendung des § 31 Abs 2 BBauG so wenig Raum wie bei der Anwendung des § 35 BBauG (vgl Urteil vom 16. Februar 1973 - BVerwG IV C 61.70 - BVerwGE 42, 8 (15/16)) und des § 34 BBauG (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.76 -). Eine solche Saldierung widerstreitender Belange würde eine Abwägung im Sinne des § 1 Abs 7 BBauG 1976 voraussetzen. Eine derartige Abwägung ist gekennzeichnet durch die Gewichtung der einzelnen Belange und durch ihren - zur Gewichtigkeit der einzelnen Belange nicht außer Verhältnis stehenden - Ausgleich (Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG IV C 50.72 - aaO (S 314ff) unter Hinweis auf das Urteil vom 12. Dezember 1969 - BVerwG IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301). Sie erfordert notwendig den Einsatz einer spezifisch planerischen Gestaltungsfreiheit (vgl insbesondere Urteil vom 12. Dezember 1969 aaO S 309f). Eine derartige "planerische" Abwägung kann nach dem System des Bundesbaugesetzes nicht im Zuge einer von der Baugenehmigungsbehörde auszusprechenden Befreiung vorgenommen werden.“

II.

81

Die erteilte Baugenehmigung regelt die Errichtung und den Betrieb der Einrichtung mit einer Belegung mit 252 Personen in einer Weise, dass eigene Rechte der Antragsteller zu 5) bis 7) nicht verletzt werden. Weder können die Antragsteller zu 5) bis 7) einen Gebietserhaltungsanspruch bzw. Gebietsprägungserhaltungsanspruch geltend machen (hierzu unter 1.), noch verstößt die Baugenehmigung in Bezug auf die Antragsteller zu 5) bis 7) gegen das Rücksichtnahmegebot (hierzu unter 2.).

82

1. Die Verletzung eines Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 5) bis 7) scheitert bereits daran, dass die im Eigentum dieser Antragsteller stehenden Grundstücke nicht in demselben Baugebiet wie das Vorhabengrundstück belegen sind, sondern in dem Geltungsbereich eines anderen Plans, nämlich des Baustufenplans Lemsahl-Mellingstedt (vgl.o.).

83

Auch für das Bestehen eines sogenannten gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 5) bis 7) ist nichts erkennbar. Einem außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, in welchem das umstrittene Vorhaben verwirklicht werden soll, ansässigen Nachbarn kommt im Grundsatz kraft Bundesrechts kein Gebietserhaltungsanspruch zu, da das „planungsrechtliche Austauschverhältnis“ begriffsnotwendig nur für die im Planungsverband zusammengeschlossenen Grundeigentümer in Frage kommt (BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Leitsatz 1). Das gilt auch für unmittelbar angrenzende, in einem anderen Bebauungsplangebiet liegende Grundstücke; wenn – wie vorliegend – zwischen den am Nachbarstreit beteiligten Grundstücken die Grenze der Bebauungspläne verläuft, steht dem außerhalb des Bebauungsplanes Ansässigen bundesrechtlich allenfalls der Schutz aus dem Rücksichtnahmegebot zu (so ausdr. Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 31. Ed., Stand: 10/2015, § 31, Rn. 78). Ein gebietsübergreifender Schutz eines Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen wäre m.a.W. nicht bundesrechtlich vorgegeben, sondern müsste durch den Bebauungsplan, der für das Vorhabengrundstück gilt, begründet werden. Dies setzt den erkennbaren Willen des Plangebers voraus, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 13.9.2013, 9 E 3452/13, juris, Leitsatz 1 und Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Koblenz, Beschluss vom 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9). Dies ist vorliegend hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 zur Art der baulichen Nutzung in Bezug auf die Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) nicht anzunehmen. Anlass der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung des Plangebiets – insbesondere des jetzigen Vorhabengrundstücks – als reines Wohngebiet war – wie ausgeführt – die von dem Plangeber beabsichtigte Schaffung zusätzlichen Wohnraums insbesondere für Familien mit sichergestellter entsprechender Wohnruhe (vgl. S. 24 der Planbegründung). Der Umstand, dass auch südlich des XY, dem Baustufenplan entsprechend, reine Wohnnutzung den Bestand prägt, hat den Plangeber des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 zwar in seiner auf den Schutz von Wohnruhe und aufgelockerter Bebauung zielenden Konzeption bestätigt (bzw. diese mit begründet), ihn jedoch nicht erkennbar dazu bewegt, die Schutzwirkung der „WR"-Ausweisung auch auf die Flächen jenseits der Plangebietsgrenzen auszuweiten. Die Planbegründung spricht insofern zwar auch von einem Planungsziel, eine für die angrenzende Wohnnutzung verträgliche Nutzung zu gewährleisten (S. 24 der Planbegründung). Hieraus folgt aber nicht, dass - über allgemein städtebauliche Erwägungen hinaus (vgl. auch § 50 BImSchG) - die Eigentümer dort belegener Grundstücke auch einen Anspruch auf Einhaltung des Gebietscharakters der Planflächen als reines Wohngebiet erhalten sollten. Schon objektiv-rechtlich wäre im Übrigen insoweit u.a. ein Nebeneinander von reinem und allgemeinem Wohngebiet zulässig, d.h. würde die genannten Anforderungen erfüllen.

84

Ebenso wenig steht den Antragstellern zu 5) bis 7) der sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch i.S.d. § 15 Abs.1 Satz 1 BauNVO zu. Auch dieser Anspruch kann lediglich von Nachbarn geltend gemacht werden, deren Grundstücke in demselben Plangebiet belegen sind wie das Vorhabengrundstück (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 15 BauNVO, Rn. 37 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Leitsatz 1).

85

2. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist in Bezug auf das genehmigte, eine Belegung mit 252 Personen betreffende Vorhaben nicht von einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zulasten der Antragsteller zu 5) bis 7) auszugehen.

86

Allgemeine, einheitliche Maßstäbe für die gebotene Rücksichtnahme bestehen nicht; welche konkreten Anforderungen sich aus dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme ergeben, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Nachbarn ist, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen; je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist m.a.W. darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, 4 C 1/04, juris; Urteil vom 25.1.2007, 4 C 1/06, BVerwGE 128, 118 ff.). Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind gegeneinander abzuwägen. Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau, insbesondere der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen. Für die Bewertung der widerstreitenden Belange im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass im Falle eines planwidrigen und daher einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 bzw. § 246 Abs. 12 BauGB bedürftigen Vorhabens den Belangen des Vorhabenträgers tendenziell ein geringeres Gewicht beizumessen ist als bei der Beurteilung eines plankonformen Vorhabens (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.7.2009, 2 Bs 67/09, juris m.w.N.). Insoweit kommt es auf eine Drittschutzwirkung der fraglichen Planfestsetzung nicht an und ist vorliegend im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die geplante Unterkunft insbesondere der Festsetzung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 hinsichtlich der auf der Vorhabenfläche zulässigen Nutzungsart widerspricht.

87

Auch vor diesem Hintergrund ist indes im Falle einer Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht von einer unzumutbaren Belastung der Antragsteller zu 5) bis 7) auszugehen und zwar - im maßgeblichen Betrachtungsrahmen (dazu a) - weder im Hinblick auf die von ihnen geltend gemachte Lärmbelästigung (hierzu unter b) noch im Hinblick auf die geltend gemachten Verkehrsauswirkungen bzw. sonstige Unruhe (hierzu unter c) oder aufgrund einer Gesamtabwägung sämtlicher zu berücksichtigender Aspekte (hierzu unter d).

88

a) Dem Vortrag der Antragsteller, die Rücksichtslosigkeit ergebe sich auch aus einer Minderung des Marktwertes ihrer Grundstücke aufgrund des Vorhabens, ist dabei nicht näher nachzugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 6.5.2015, 2 Bf 2/12) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 11.1.1999, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159) bezieht sich der bauplanungsrechtliche Abwehranspruch aufgrund von Rücksichtslosigkeit im Rechtssinne maßgeblich auf Nutzungsstörungen. Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung bilden demgegenüber für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht.

89

Soweit die Antragsteller ihren Vortrag auf die Erwartung beziehen, dass sie durch eine Mitnutzung der südlich der Straße XY und nordwestlich der Straße XYZ belegenen großen Freifläche (Flurstück 2385) durch Personen aus der geplanten Anlage gestört werden, ist nicht dargelegt, weshalb dies derzeit in die Betrachtung der Rücksichtslosigkeit der Baugenehmigung einzustellen wäre. Eine Nutzung dieser Fläche wird durch die streitgegenständliche Baugenehmigung weder vorgesehen noch legalisiert. Sie ist auch nicht in anderer Weise der geplanten Einrichtung erkennbar zugeordnet. Solange es sich um eine bloße Grünfläche handelt, die zudem nicht frei zugänglich ist, ist auch eine faktische Zuordnung nicht anzunehmen. Sollte die Antragsgegnerin hier eine Sportanlage einrichten, so wären deren Betriebsbedingungen gesondert zu regeln.

90

Nicht zu folgen ist schließlich dem Ansatz der Antragsteller, im Wesentlichen auf Auswirkungen einer kapazitätsausschöpfenden Nutzung der Anlage abzustellen. Im vorliegenden Rechtsstreit ist nicht bereits über die von ihnen geltend gemachte Rücksichtslosigkeit einer Anlagennutzung durch 952 Personen zu befinden. Insoweit hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass schon der Baugenehmigungsbescheid (unter 4., Seite 4 oben) die Beschränkung seiner Regelungswirkung mit dem Hinweis unmissverständlich klarstellt, dass es für eine Nutzung der Einrichtung mit mehr als 252 Personen eines gesonderten Genehmigungsverfahrens bedürfte.

91

b) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass mit der genehmigten Anlage in ihrer konkreten Form eine unzumutbare Lärmbelastung der Antragsteller verbunden wäre, sind nicht erkennbar. Die Schwelle der Rücksichtslosigkeit im bauplanungsrechtlichen Sinne überschreiten Lärmimmissionen (erst) dann, wenn sie das Maß schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG erreicht haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Betrieb der Einrichtung mit 252 Personen dies zur Folge haben wird. Vielmehr trifft die Baugenehmigung insoweit eine sachgerechte Regelung zur Konfliktbewältigung (aa), die auch in Bezug auf die Antragsteller zu 5) bis 7) zu beachten ist (bb) und deren Umsetzbarkeit im Betrieb der Einrichtung möglich erscheint (cc).

92

aa) Die Baugenehmigung sieht eine Immissionsbegrenzung vor, mit der eine rücksichtslose Lärmbelastung der Nachbargrundstücke vermieden wird. Ausweislich der Auflagen unter Nr. 8 der streitgegenständlichen Baugenehmigung soll insbesondere die Beurteilung der von der umstrittenen Anlage einschließlich aller Nebenanlagen erzeugten Geräusche nach der TA Lärm erfolgen und werden für die im reinen Wohngebiet verursachten Geräuschimmissionen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. e TA Lärm für reine Wohngebiete als Grenzwerte festgelegt. Zusätzlich hierzu müssen Verdichter von Klima- und Kühlaggregaten so im Gebäude untergebracht sein, dass der Schall nicht ungedämmt nach außen dringt. Gefordert wird schließlich, dass die Geräuschentwicklung der Kantine einschließlich ihres Zu- und Abfahrtsverkehrs nicht zu einer unzulässigen Lärmbelästigung führen darf.

93

Die Baugenehmigung leistet damit die gebotene Konfliktbewältigung; sie schließt die Regelungslücke hinsichtlich der Bestimmung des Maßes schädlicher Umwelteinwirkungen, die immissionsschutzrechtlich zunächst dadurch besteht, dass die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) nach ihrer Nr. 1 Abs. 2 Buchst. h auf Anlagen für soziale Zwecke nicht (unmittelbar) anwendbar ist. Insbesondere dadurch, dass die Baugenehmigung das Vorhaben in Bezug auf die Nachbarschaft auf die Einhaltung derjenigen Grenzwerte verpflichtet, die bei unmittelbarer Anwendung der TA Lärm gemäß deren Nr. 6 Abs. 1 Buchst. e) in reinen Wohngebieten als Richtwert das Maß für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen vorgeben, wird das Rücksichtnahmegebot gegenüber den Nachbarn gewahrt.

94

bb) Mit den Bestimmungen zum Lärmschutz wird auch auf die Antragsteller zu 5) bis 7) Rücksicht genommen. Auch sie werden von der Bestimmung erfasst, dass für die im reinen Wohngebiet verursachten Geräuschimmissionen die genannten Grenzwerte einzuhalten sind. Zwar sind ihre Grundstücke nicht durch einen Bebauungsplan mit „WR" ausgewiesen, sondern durch den Baustufenplan mit „W 1o", allerdings ergänzt durch weitere Einschränkungen zu Lasten möglicherweise störender Nutzungen als „besonders geschützt". Die Auflage ist vor diesem Hintergrund dahin zu verstehen, dass es auf die materielle bauplanungsrechtliche Situation ankommt und nicht auf die formale Ausweisung, welche ansonsten mit „WR" zu bezeichnen gewesen wäre. In der bauplanungsrechtlich materiellen Bewertung sind die Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) wegen der Bestimmungen zu ihrem besonderen Schutz in dem Baustufenplan als im Sinne der Immissionsschutzauflage in einem „reinen Wohngebiet" belegen zu verstehen. Dies ergibt sich aus der gebotenen und in der Praxis der Antragsgegnerin auch üblichen Parallelwertung zwischen der Systematik der Baupolizeiverordnung und derjenigen der Baunutzungsverordnung (vgl. u.a. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.11.2012, 2 Bs 210/12, NVwZ-RR 2013, 352).

95

cc) Die Bestimmungen zum Immissionsschutz erscheinen auch zur Konfliktbewältigung geeignet; ihre Einhaltung dürfte möglich sein.

96

Nach dem Grundriss der Gesamtanlage, der vermittels des einbezogenen Lageplans (Vorlage Nr. 7/21) Gegenstand der Baugenehmigung ist, sind die einzelnen Baulichkeiten sowie die für den Aufenthalt erheblichen Außenflächen so angeordnet, dass Lärmquellen sich im Wesentlichen in erheblichem Abstand zu den Grundstücken der Antragsteller zu 5) bis 7) befinden: So sind die Gebäude, die zur Unterbringung von Personen genutzt werden, um die Gebäude herum angeordnet, in welchen Nutzungen wie Kantine, Schule oder Kindertagesstätte stattfinden sollen. Die Unterbringungsgebäude stehen dabei in einem Winkel von ca. 45° zur Straße XY. Hierdurch ergibt sich innerhalb des Ringes aus Unterbringungsgebäuden im mittleren Teil des Vorhabengrundstücks eine insbesondere zur Straße XY hin durch die Unterbringungsgebäude abgeschirmte Fläche. Zumal auf dieser Fläche auch die für das soziale Leben der Bewohner wichtigen Gebäude aufgestellt werden (Kantine, Schule, Kindertagesstätte), ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die im Freien stattfindenden Aktivitäten der Bewohner in der wärmeren Jahreszeit sich vor allem auf diese Fläche innerhalb der Einrichtung konzentrieren werden. Dass nennenswert laute Aktivitäten auch auf den Flächen zwischen den Unterbringungsgebäuden und der Zaunanlage zu der Straße XY stattfinden werden, erscheint demgegenüber wenig wahrscheinlich, da diese Flächen vergleichsweise klein sind. Lautstarke Aktivitäten, die auf der - von den Grundstücken der Antragsteller jeweils gut 100 m entfernten - Fläche im Inneren der Einrichtung stattfinden, werden dabei außerdem nicht nur durch die Unterbringungsgebäude zur Straße XY und damit zu den Grundstücken der Antragsteller zu 5) bis 7) hin abgeschirmt, sondern auch durch den zwischen den Gebäuden und der Straße XY befindlichen Grünstreifen, welcher ca. 20 m breit und dicht mit Bäumen bestanden ist und lediglich durch die vergleichsweise schmale Zufahrt zum Einrichtungsgelände unterbrochen wird.

97

Unter Beachtung der Weitläufigkeit des Geländes sowie der geringen Belegungsdichte bei Nutzung mit 252 Personen ist vorliegend der Frage nicht weiter nachzugehen, ob durch die Baugenehmigung die zur Wahrung der Lärmgrenzwerte erforderlichen Modalitäten der Nutzung auch durch die Untergebrachten selbst hinreichend gesichert sind. Zwar ergibt sich aus der in dem Verfahren 7 E 6128/15 von der Antragsgegnerin informatorisch vorgelegten Hausordnung, die der künftige Betreiber verwenden wolle, dass die Einhaltung der Nachtruhe eingefordert werden soll. Diese Hausordnung ist jedoch weder in die Baugenehmigung einbezogen worden noch scheint - bei Betriebszeiten des allgemeinen Personals von 7:00 bis 16:00 Uhr und einer Besetzung des Wachtdienstes mit lediglich vier Personen (vgl. Nutzungsbeschreibung, Vorlage Nr. 7/20) - ihre Einhaltung strukturell abgesichert.

98

Insbesondere für das nahe der Einfahrt zu der Anlage gelegene Grundstück der Antragstellerin zu 7) bleibt allerdings der Lärm durch Ziel- und Quellverkehr mit Kraftfahrzeugen von Bedeutung. Im Tagesbetrieb der Einrichtung für 252 Personen dürfte es insoweit möglich sein, den Immissionsgrenzwert einzuhalten, zumal zu erwarten ist, dass einer im Vergleich zu einer plangemäßen Bebauung des Flurstücks möglicherweise erhöhten Belastung durch Lieferfahrzeuge eine geringere Belastung durch Individualverkehr gegenübersteht. Für Randzeiten trifft die Baugenehmigung die gebotene Vorsorge im Hinblick darauf, dass die Betriebsabläufe bzw. -zeiten nur teilweise über die Nutzungsbeschreibung (Vorlage Nr. 7/20) definiert sind: So ist gemäß Auflage Nr. 8 die Einhaltung der Lärmgrenzwerte mittels schalltechnischer Untersuchung nachzuweisen, wenn die Anliefer- oder Betriebszeit der Kantine in die Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, vgl. Nr. 6.4 Abs. 1 TA Lärm) fallen soll.

99

c) Die - neben der Lärmproblematik - geltend gemachten weiteren Verkehrsauswirkungen bzw. die angeführte sonstige „Unruhe" begründen ebenfalls nicht die Annahme, die Antragsteller zu 5) bis 7) würden durch das genehmigte Vorhaben in ihren Belangen übermäßig betroffen.

100

Im Hinblick auf eine mögliche Verschlechterung der Stellplatzsituation ist nicht von einer Unzumutbarkeit der Einrichtung im Sinne eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot zulasten der Antragsteller zu 5) bis 7) auszugehen. Zwar kann im Einzelfall die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen; dies kommt allerdings nur dann näher in Betracht, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarn – auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung ihrer Grundstücke – bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (OVG Schleswig, Beschluss vom 8.12.2014, 8 B 37/14, juris, Leitsatz 4, Rn. 23; vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 12.5.2003, 9 TG 2037/02, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 18.10.2002, 1 B 315/02, BauR 2003, 509; OVG Münster, Urteil vom 10.07.1998, 11 A 7238/95, NVwZ-RR 1999, 365). Hiervon ist für die Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) vorliegend nicht auszugehen. Eine Verschlechterung der Situation dahingehend, dass sie selbst keine Möglichkeit mehr hätten, in ihrem Eigentum stehende Fahrzeuge in zumutbarer Weise abzustellen, ist nicht zu befürchten. Bei den Grundstücken der Antragsteller zu 5) bis 7) handelt es sich nach Auswertung des zugänglichen Luftbildmaterials um Einfamilienhausgrundstücke mit auf den Grundstücken befindlichen eigenen Stellplätzen, die bei Inbetriebnahme der Einrichtung weiter genutzt werden könnten. Auch eine sonstige, den Antragstellern zu 5) bis 7) unzumutbare Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums aufgrund einer Überzahl dort abgestellter, dem Betrieb der geplanten Einrichtung zurechenbarer Fahrzeuge ist nicht zu befürchten. Da die Anlage ausweislich der streitgegenständlichen Baugenehmigung über 14 ausgewiesene Stellplätze verfügen soll (Vorlage Nr. 7/21) und zudem weitläufig genug ist, um Fläche für weitere Abstellbedarfe zu bieten, zeichnet sich eine in dem Betrieb der Einrichtung angelegte Überlastung des Straßenraums im XY nicht ab. Das gilt sowohl für die Parkbedarfe des regelhaft auf dem Gelände tätigen Personals (des Betreuers, des Caterers sowie des Wachdienstes) wie auch den unmittelbar mit den Nutzern zusammenhängenden Kraftfahrzeugverkehr (im Wesentlichen Busse bzw. Kleinbusse) bzw. sonstiger Besucher (insbesondere Handwerker, Lieferanten). Dabei ist zu erwarten, dass Anlieferungs- oder Abholungsvorgänge nicht auf der Straße XY stattfinden, sondern auf dem Gelände der Einrichtung selbst. Die Fahrer von Lieferanten- oder Entsorgungsfahrzeugen werden schon aufgrund der Verkürzung von Tragewegen ein erhebliches Interesse daran haben, mit ihren Fahrzeugen auf das Gelände der Einrichtung zu fahren und nicht auf der Straße davor halten zu müssen. Die Nutzer der Erstaufnahmeeinrichtung selbst werden, möglicherweise im Unterschied zu Nutzern von Folgeunterkünften, in aller Regel nicht über Kraftfahrzeuge verfügen. Schließlich werden auch Busse, die eine größere Anzahl Bewohner zur Einrichtung transportieren oder diese dort abholen, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht längerfristig vor der Einrichtung parken, sondern nach Möglichkeit auf das Gelände der Einrichtung fahren.

101

Dieser Einschätzung steht auch die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen. Weder hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (in dem Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43) einen für Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg maßgeblichen Stellplatzschlüssel dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vom 13.9.2012, 2 B 12.109, juris) entnommen, noch wird mit jenem Urteil zu einer Erstaufnahmeeinrichtung eine Aussage zugunsten eines strikten Stellplatzschlüssels für Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern von einem Stellplatz pro zehn Betten getroffen. Erkennbar ist dort nur, dass bei einem solchen Schlüssel nicht von einer Überbelegung der Einrichtung auszugehen sein soll (VGH München, aaO., Rn. 42).

102

Aus der Fachanweisung „Notwendige Stellplätze und notwendige Fahrradplätze“ vom 21.1.2013 sowie der Anlage 1 hierzu folgt nichts anderes. Gemäß Nr. 1.6 der Anlage 1 ist zwar für Heime und sonstige Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege von Personen (z.B. sozialtherapeutische Einrichtungen) je zehn Betten ein Stellplatz vorzuhalten. Schon allgemein ergibt sich hieraus aber nicht, dass eine Unterschreitung dieses Schlüssels stets und ohne weitere Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zu einer unzumutbaren Situation für benachbarte Grundstücke im Sinne einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots führen müsste. Die tatsächlichen Gegebenheiten des hier zu betrachtenden Falles lassen – wie ausgeführt – nicht auf eine unzumutbare Belastung der Antragsteller zu 5) bis 7) durch eine Verschlechterung der Stellplatzsituation schließen. Ohnehin ist nicht erkennbar, dass eine Anwendung von Nr. 1.6 der Anlage 1 zur Fachanweisung vom 21.1.2013 für Einrichtungen wie die hier in Rede stehende der sonstigen Praxis der Antragsgegnerin entsprechen würde bzw. überhaupt sachgerecht wäre, da hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse wesentliche Unterschiede bestehen dürften. Unter dem Begriff „Heim“ werden schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach vorrangig personalintensive Einrichtungen zur Pflege unterstützungsbedürftiger Personen verstanden, worauf auch die beispielhafte Nennung sozialtherapeutischer Einrichtungen in Nr. 1.6 der Anlage 1 schließen lässt. So definiert auch § 1 HeimG den Begriff „Heim“ als Einrichtung, die dem Zweck dient, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige u.a. aufzunehmen. Beschrieben werden damit Einrichtungen, mit denen regelhaft erhebliche Stellplatzbedarfe sowohl für das Personal wie auch für Besucher verbunden sind. Für Erstaufnahmeeinrichtungen kommt demgegenüber kaum Besucherverkehr in Betracht; der Personalschlüssel dürfte zudem deutlich geringer als bei einem Heim sein.

103

Die anzunehmenden tatsächlichen Gegebenheiten lassen nicht auf eine Unzumutbarkeit der Verkehrsbelastungen schließen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass gewerblicher Verkehr zeitlich außerhalb des allgemein üblichen Rahmens stattfindet. Das gilt für Versorgungstransporte wie für die Fahrten von Dienstleistern. Auch der Transport von Bewohnern zur bzw. von der Einrichtung wird sich aller Voraussicht nach auf wenige Fahrten am Tag beschränken. Neue Bewohner werden in der Regel nicht einzeln zu den Einrichtungen transportiert, denen sie zugewiesen sind, sondern durch Sammeltransporte mit Bussen, welche - schon mit Rücksicht auf die Lärmschutzverpflichtungen, aber auch im Hinblick auf die Dienstzeiten des Personals in den beteiligten Einrichtungen - in aller Regel tagsüber stattfinden dürften. Der Verkehr zur Abholung von Abfällen wird aufgrund der üblichen Arbeitszeiten solcher Betriebe ebenfalls vermutlich weitgehend tagsüber stattfinden und wohl insgesamt, d.h. in Bezug auf die Situation rund um den Eingangsbereich zu dem Einrichtungsgelände auch das Maß nicht wesentlich übersteigen, das bei Umsetzung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 erreicht würde. Auch in diesem Falle wäre in etwa mit einer „Belegung“ des Vorhabengrundstücks mit ca. 250 Personen zu rechnen gewesen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2015, 7 E 6128/15, S. 15 f.), die als Besitzer von Familienheimen ebenfalls Dienstleistungen wie Müllabfuhr, Handwerker etc. in Anspruch genommen hätten.

104

Soweit der Vortrag der Antragsteller zu 5) bis 7) zu der mit der Einrichtung verbundenen „Unruhe" dahin zu verstehen ist, dass sie über die Verkehrsbelastungen hinaus weitere Formen sozialer Umfeldauswirkungen der Einrichtung von unzumutbarer Intensität für ihre Grundstücke erwarten, erscheint auch dies nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht gerechtfertigt. So gilt schon grundsätzlich, dass negative soziale Umfeldauswirkungen einer bestimmten Grundstücksnutzung nur dann als unzumutbare, bodenrechtlich erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in Betracht kommen, wenn sie zum einen mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb einer Anlage der fraglichen Art typischerweise verbunden sind und zum anderen eine konkrete räumliche Wirkungsbeziehung zum betreffenden Nachbargrundstück aufweisen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 6.11.2015, 7 E 5650/15 und Beschluss vom 19.1.2015, 7 E 5893/14 m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 4.4.2011, 25 K 5561/10, juris).

105

Hinsichtlich der Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) ist nicht davon auszugehen, dass die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar weisen – im Sinne des den Antragstellern zu 5) bis 7) nicht zustehenden Gebietserhaltungsanspruchs – Einrichtungen wie die vorliegend zu betrachtende bei typisierender Betrachtung Eigenschaften auf, die eine im reinen Wohngebiet unzulässige Unruhe erzeugen können. Eine konkrete, im Sinne unzumutbarer Einwirkungen auf die Grundstücke gerade der Antragsteller zu 5) bis 7) bestehende Wirkungsbeziehung ist jedoch nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen nicht feststellbar. Insbesondere spricht entgegen der Annahme der Antragsteller zu 5) bis 7) wenig dafür, dass die Vorgärten ihrer Grundstücke von Nutzern der Einrichtung unbefugt in Anspruch genommen werden. Die Gestaltung der Einrichtung, der Umzäunung, der Toranlage sowie die weiteren Gegebenheiten in der Straße XY und Umgebung sind insbesondere nicht darauf angelegt, dass sich vor der Anlage erhebliche, gar die Zugänglichkeit der antragstellerischen Grundstücke einschränkenden Menschenansammlungen bilden würden. Wesentlicher Aufenthaltsraum ist vielmehr das Einrichtungsgelände selbst und der Ziel- und Quellverkehr von Fußgängern dürfte sich auf den kürzesten Weg zu den Bushaltestellen an der Lemsahler Landstraße konzentrieren.

106

d) Eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen von den Antragstellern geltend gemachten, vorangehend jeweils für sich gewürdigten Beeinträchtigungen führt zu keinem anderen Ergebnis; auch in der Gesamtgewichtung sind die absehbaren Auswirkungen des genehmigten Vorhabens nicht als unzumutbar zu bewerten. Dementsprechend bedarf es hier auch keiner näheren Erörterung, ob, den Rücksichtnahmeanspruch der Nachbarn mindernd, in die Belange des Bauherrn abstrakt das öffentliche Interesse an einer weiteren Einrichtung zur Erstaufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen iSv. § 44 AsylG einzustellen oder die Erforderlichkeit einer Neuerrichtung in dem konkreten tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der Antragsgegnerin näher zu prüfen wäre.

C.

107

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und berücksichtigt, dass nur die Antragsteller zu 1) bis 4) mit ihrem Antrag Erfolg haben.

D.

108

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zu der Bewertung baunachbarrechtlicher Rechtsschutzanliegen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Macht die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes erforderlich, von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen oder ist das Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 14 oder § 36 nicht erreicht worden, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde.

(2) Handelt es sich dabei um Vorhaben, die der Landesverteidigung, dienstlichen Zwecken der Bundespolizei oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dienen, ist nur die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich. Vor Erteilung der Zustimmung hat diese die Gemeinde zu hören. Versagt die höhere Verwaltungsbehörde ihre Zustimmung oder widerspricht die Gemeinde dem beabsichtigten Bauvorhaben, entscheidet das zuständige Bundesministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien und im Benehmen mit der zuständigen Obersten Landesbehörde.

(3) Entstehen der Gemeinde infolge der Durchführung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 Aufwendungen für Entschädigungen nach diesem Gesetzbuch, sind sie ihr vom Träger der Maßnahmen zu ersetzen. Muss infolge dieser Maßnahmen ein Bebauungsplan aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, sind ihr auch die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen.

(4) Sollen bauliche Anlagen auf Grundstücken errichtet werden, die nach dem Landbeschaffungsgesetz beschafft werden, sind in dem Verfahren nach § 1 Absatz 2 des Landbeschaffungsgesetzes alle von der Gemeinde oder der höheren Verwaltungsbehörde nach den Absätzen 1 und 2 zulässigen Einwendungen abschließend zu erörtern. Eines Verfahrens nach Absatz 2 bedarf es in diesem Falle nicht.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Macht die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes erforderlich, von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen oder ist das Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 14 oder § 36 nicht erreicht worden, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde.

(2) Handelt es sich dabei um Vorhaben, die der Landesverteidigung, dienstlichen Zwecken der Bundespolizei oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dienen, ist nur die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich. Vor Erteilung der Zustimmung hat diese die Gemeinde zu hören. Versagt die höhere Verwaltungsbehörde ihre Zustimmung oder widerspricht die Gemeinde dem beabsichtigten Bauvorhaben, entscheidet das zuständige Bundesministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien und im Benehmen mit der zuständigen Obersten Landesbehörde.

(3) Entstehen der Gemeinde infolge der Durchführung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 Aufwendungen für Entschädigungen nach diesem Gesetzbuch, sind sie ihr vom Träger der Maßnahmen zu ersetzen. Muss infolge dieser Maßnahmen ein Bebauungsplan aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, sind ihr auch die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen.

(4) Sollen bauliche Anlagen auf Grundstücken errichtet werden, die nach dem Landbeschaffungsgesetz beschafft werden, sind in dem Verfahren nach § 1 Absatz 2 des Landbeschaffungsgesetzes alle von der Gemeinde oder der höheren Verwaltungsbehörde nach den Absätzen 1 und 2 zulässigen Einwendungen abschließend zu erörtern. Eines Verfahrens nach Absatz 2 bedarf es in diesem Falle nicht.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Ausländer, die den Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben (§ 14 Abs. 1), sind verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung, längstens jedoch bis zu 18 Monate, bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern längstens jedoch bis zu sechs Monate, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor der Entscheidung des Bundesamtes entfallen. Abweichend von Satz 1 ist der Ausländer verpflichtet, über 18 Monate hinaus in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn er

1.
seine Mitwirkungspflichten nach § 15 Absatz 2 Nummer 4 bis 7 ohne genügende Entschuldigung verletzt oder die unverschuldet unterbliebene Mitwirkungshandlung nicht unverzüglich nachgeholt hat,
2.
wiederholt seine Mitwirkungspflicht nach § 15 Absatz 2 Nummer 1 und 3 ohne genügende Entschuldigung verletzt oder die unverschuldet unterbliebene Mitwirkungshandlung nicht unverzüglich nachgeholt hat,
3.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und gegenüber einer für den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Behörde fortgesetzt über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder fortgesetzt falsche Angaben macht oder
4.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und fortgesetzt zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen, insbesondere hinsichtlich der Identifizierung, der Vorlage eines Reisedokuments oder der Passersatzbeschaffung, nicht erfüllt.
Satz 3 findet keine Anwendung bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(1a) Abweichend von Absatz 1 sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 29a) verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a als offensichtlich unbegründet oder nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Satz 1 gilt nicht bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(1b) Die Länder können regeln, dass Ausländer abweichend von Absatz 1 verpflichtet sind, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet oder als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung, längstens jedoch für 24 Monate, zu wohnen. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(2) Sind Eltern eines minderjährigen ledigen Kindes verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, so kann auch das Kind in der Aufnahmeeinrichtung wohnen, auch wenn es keinen Asylantrag gestellt hat.

(3) Für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Ausländer verpflichtet, für die zuständigen Behörden und Gerichte erreichbar zu sein.

(4) Die Aufnahmeeinrichtung weist den Ausländer innerhalb von 15 Tagen nach der Asylantragstellung möglichst schriftlich und in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, auf seine Rechte und Pflichten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hin. Die Aufnahmeeinrichtung benennt in dem Hinweis nach Satz 1 auch, wer dem Ausländer Rechtsbeistand gewähren kann und welche Vereinigungen den Ausländer über seine Unterbringung und medizinische Versorgung beraten können.

(1) Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen.

(2) Eine Verpflichtung, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, endet, wenn das Bundesamt einen Ausländer als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, sofern durch den Ausländer eine anderweitige Unterkunft nachgewiesen wird und der öffentlichen Hand dadurch Mehrkosten nicht entstehen. Das Gleiche gilt, wenn das Bundesamt oder ein Gericht einem Ausländer internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt hat. In den Fällen der Sätze 1 und 2 endet die Verpflichtung auch für die Familienangehörigen im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 des Ausländers.

(3) § 44 Absatz 2a und 3 gilt entsprechend.

(1) Ausländer, die den Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben (§ 14 Abs. 1), sind verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung, längstens jedoch bis zu 18 Monate, bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern längstens jedoch bis zu sechs Monate, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor der Entscheidung des Bundesamtes entfallen. Abweichend von Satz 1 ist der Ausländer verpflichtet, über 18 Monate hinaus in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn er

1.
seine Mitwirkungspflichten nach § 15 Absatz 2 Nummer 4 bis 7 ohne genügende Entschuldigung verletzt oder die unverschuldet unterbliebene Mitwirkungshandlung nicht unverzüglich nachgeholt hat,
2.
wiederholt seine Mitwirkungspflicht nach § 15 Absatz 2 Nummer 1 und 3 ohne genügende Entschuldigung verletzt oder die unverschuldet unterbliebene Mitwirkungshandlung nicht unverzüglich nachgeholt hat,
3.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und gegenüber einer für den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Behörde fortgesetzt über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder fortgesetzt falsche Angaben macht oder
4.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und fortgesetzt zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen, insbesondere hinsichtlich der Identifizierung, der Vorlage eines Reisedokuments oder der Passersatzbeschaffung, nicht erfüllt.
Satz 3 findet keine Anwendung bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(1a) Abweichend von Absatz 1 sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 29a) verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a als offensichtlich unbegründet oder nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Satz 1 gilt nicht bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(1b) Die Länder können regeln, dass Ausländer abweichend von Absatz 1 verpflichtet sind, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet oder als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung, längstens jedoch für 24 Monate, zu wohnen. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(2) Sind Eltern eines minderjährigen ledigen Kindes verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, so kann auch das Kind in der Aufnahmeeinrichtung wohnen, auch wenn es keinen Asylantrag gestellt hat.

(3) Für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Ausländer verpflichtet, für die zuständigen Behörden und Gerichte erreichbar zu sein.

(4) Die Aufnahmeeinrichtung weist den Ausländer innerhalb von 15 Tagen nach der Asylantragstellung möglichst schriftlich und in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, auf seine Rechte und Pflichten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hin. Die Aufnahmeeinrichtung benennt in dem Hinweis nach Satz 1 auch, wer dem Ausländer Rechtsbeistand gewähren kann und welche Vereinigungen den Ausländer über seine Unterbringung und medizinische Versorgung beraten können.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die öffentliche-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in einem ehemaligen Kreiswehrersatzamt.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke S... x, M... y und A... z (...). Die drei Straßen bilden einen Baublock, in dem auch das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der S... xa (...) liegt. Dieses Gebäude wurde auf der Grundlage des Baugenehmigungsbescheides vom 6. Juni 1956 ursprünglich als dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit Staffelgeschoss für ein Mineralölunternehmen errichtet. Die Antragsteller nutzen ihre Gebäude jeweils zu Wohnzwecken. Der Antragsteller zu 1. betreibt daneben in seinem Gebäude eine GmbH für Unternehmensberatung. In dem Gebäude der Antragstellerin zu 3. ist auch ein Architektenbüro untergebracht. Alle betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Baustufenplans Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955 (HmbGVBl. S. 294). Danach gilt für sie die Ausweisung Wohngebiet (W 3 g) gemäß § 10 der Baupolizeiverordnung vom 8. Juni 1938 (BPVO) mit den Maßgaben: Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame. Das Bauvolumen von 1939 darf nicht vergrößert werden. Es darf nur an der Baulinie gebaut werden. Vor- und Hintergärten sind zu erhalten und von jeglicher Bebauung freizuhalten. Außerdem gilt die Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen in Harvestehude vom 26. April 1988 (HmbGVBl. S. 66).

3

Die Beigeladene, ein soziales Dienstleistungsunternehmen u.a. für die öffentlich geförderte Unterbringung von Wohnungslosen und Zuwanderern, stellte bei der Antragsgegnerin im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Umnutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes in eine öffentlich-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen. Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die „öffentlich-rechtliche Unterbringung in Wohneinheiten“ in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt auf dem 3.308 m2 großen Eckgrundstück S... xa. In dem Gebäude soll auf einer Bruttogeschossfläche von 4.479 m2 eine Wohnfläche von 2.453 m2 entstehen. Aus der Baubeschreibung der Beigeladenen, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, geht hervor, dass eine Umnutzung des Verwaltungsgebäudes zur temporären öffentlich-rechtlichen Unterbringung von bis zu 220 Personen in 23 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe (Wohnflächen von 50 m2 bis zu 240 m2) mit zwei, drei, vier, fünf oder acht Zimmern vorgesehen ist. Die Wohneinheiten würden jeweils mit Küche und Bad ausgestattet. Außerdem würden Gemeinschafts- und Sozialräume eingerichtet. In der ungenehmigten Betriebsbeschreibung (als Bauvorlage 86/14 wurde lediglich die „Betriebsbeschreibung für Arbeitsstätten“ genehmigt, während die „Betriebsbeschreibung“, die als weitere Bauvorlage 86/14 eingereicht wurde, den handschriftlichen Vermerk „Anlage nicht genehmigt“ trägt) der Beigeladenen heißt es ergänzend, die Wohnunterkunft solle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Wohnungslosen, Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dienen. Bewohner seien Familien mit Kindern und Alleinstehende. Geschlafen werde in Mehrbettzimmern in der Regel mit zwei bis vier Betten. Die Bewohner sollten sich in der Küche selbst versorgen. Die Unterbringung in den Wohneinheiten solle grundsätzlich familienweise oder - je nach Familien- bzw. Wohnungsgröße - mit mehreren Familien/Parteien i.S. einer Wohngemeinschaft erfolgen. Nach der Arbeitsstättenbeschreibung wird die Beigeladene in der Wohnunterkunft insgesamt vier Personen beschäftigen.

4

Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 gegen den Baugenehmigungsbescheid jeweils Widerspruch. Am selben Tag haben sie einen Eilantrag gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss 22. Januar 2015 entsprochen hat, indem es die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO angeordnet hat. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, weil diese in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sei. Denn die Antragsteller könnten sich auf den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch berufen und das genehmigte Vorhaben sei nach Art und Umfang der Nutzung objektiv-rechtlich nicht genehmigungsfähig.

5

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller ihre Grundstücke in einer den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zur Art der Nutzung widersprechenden Weise nutzten. Eine früher im Gebäude des Antragstellers zu 2. tätige Firma sei aus dem Handelsregister gelöscht worden. Der Antragsteller zu 1. betreibe zwar auf seinem Grundstück eine Unternehmensberatung und auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 3. befinde sich ein Architektenbüro, jedoch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Tätigkeiten in einem besonders geschützten Wohngebiet unzulässig seien. Denn grundsätzlich seien freiberufliche und diesen ähnliche Tätigkeiten in dem Rahmen, wie sie in einem reinen Wohngebiet nach § 13 BauNVO zulässig seien, auch in einem besonders geschützten Wohngebiet zulässig. Der Antragsteller zu 1. werde lediglich als „Einmann-Unternehmen“ in seiner Wohnung tätig.

6

Das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung in dem nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO besonders geschützten Wohngebiet nicht genehmigungsfähig. Der festgesetzte Ausschluss jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, von Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame sei nicht funktionslos geworden. Die Antragsgegnerin müsste durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen haben, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht mehr entspreche (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203). Daran fehle es, nachdem die genehmigte Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken endgültig aufgegeben worden sei. Zwar seien in dem streitbefangenen Baublock zahlreiche Gewerbeunternehmen angemeldet. Auch habe die Ortsbesichtigung ergeben, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Jedoch sei nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten von der Antragsgegnerin genehmigt worden seien.

7

Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet müssten Wohnbedürfnissen dienen. Die Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen sei aber keine Wohnnutzung, das Vorhaben sei vielmehr als Anlage für soziale Zwecke zu behandeln. Verbindliche Regelungen, dass in den einzelnen Wohneinheiten jeweils nur miteinander verwandte Personen oder solche Personen untergebracht werden dürften, die eine gemeinsame Unterbringung wünschten, enthalte die Baugenehmigung nicht. Sie ermögliche vielmehr auch die ausschließliche Unterbringung alleinstehender Flüchtlinge, Asylbegehrender und Wohnungsloser. Die Kriterien, nach denen zu beurteilen sei, ob eine Wohnnutzung vorliege, seien eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Bei der genehmigten Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen fehle es an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit und Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Personengruppen würden aus Notsituationen heraus und aufgrund des Umstandes, dass sie über keine eigene Wohnung verfügten, in Unterkünften untergebracht. In jedem Fall sei dies nicht auf Dauer angelegt, sondern solle durch Umzug in eine eigene Wohnung oder durch Beendigung des Aufenthalts beendet werden. Außerdem sei die genehmigte Unterbringung nicht auf eine das Wohnen ausmachende Häuslichkeit angelegt, die ein Mindestmaß an Intimität voraussetze. Die Baugenehmigung ermögliche die Unterbringung von einander fremden Personen in Mehrbettzimmern, die sich mit bis zu 16, u.U. sogar mehr Personen Küche und Bad teilen müssten. Daran ändere die Aufteilung des Gebäudes in Wohneinheiten nichts.

8

Daher sei das Vorhaben als Anlage für soziale Zwecke in dem genehmigten Umfang in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Bei der Bestimmung der in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO generell zulässigen Nutzungen seien die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen einschließlich der nach Absatz 3 Nr. 2 im Ausnahmewege zulässigen zu berücksichtigen. Allerdings müsse die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet würden oder mit ihm verträglich seien, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig seien. Das sei im Falle von Anlagen für soziale Zwecke regelmäßig nur dann sichergestellt, wenn es sich um eine „kleine“ Einrichtung handele. Dem liege zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstelle, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgingen. Mit der Anzahl der gemeinsam untergebrachten Personen jeden Alters, zu denen Alleinstehende und Familien unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an die Unterkunft und unterschiedlichen Lebensgewohnheiten gehören könnten, wachse die Möglichkeit sich auf das umgebende Wohngebiet störend auswirkender sozialer Spannungen. Nach diesen Maßstäben sei das Vorhaben nicht zulässig, weil es sich nicht um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handele. Zur Bestimmung, was i.S.d. Gebietsverträglichkeit als kleine soziale Einrichtung zur Unterbringung von Asylbegehrenden und Wohnungslosen anzusehen sei, sei auf die Festsetzungen des Baustufenplans für das konkrete Gebiet abzustellen. Diese sähen mit der Festsetzung einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung und einer damit nach der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO verbundenen bebaubaren Fläche von 5/10 eine bauliche Ausnutzbarkeit im oberen Bereich des für Wohngebiete Möglichen vor. Um bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wie groß eine Einrichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrende und Wohnungslosen sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, orientiere sich das Gericht daran, was in einem so ausgewiesenen Wohngebiet typischerweise an Wohnnutzung erwartet werden könne. Als Maßstab erscheine es sachgerecht, eine gedachte Bebauung mit öffentlich gefördertem Wohnraum zugrunde zu legen, was nach den Berechnungen der Antragsgegnerin bei einer Grundstücksgröße von 3.308 m2 zu Wohnraum für ca. 200 Personen führen würde. Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Größe sich eine Unterkunft für Flüchtlinge, Asylbegehrende und Wohnungslose der Wohnbebauung typischerweise noch unterordne, sei allerdings von der ermittelten Rechengröße ein erheblicher Abschlag vorzunehmen, weil von einer solchen Einrichtung mit zunehmender Größe Störungen für das Wohngebiet ausgingen, die die mit einer Wohnnutzung einhergehenden Auswirkungen auf das Plangebiet überstiegen. Wie hoch der Abschlag letztlich zu sein habe, um die Größe einer gebietsverträglichen Unterkunft zu bestimmen, bedürfe im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Klärung. Denn eine Einrichtung zur Unterbringung von 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in dem mit W 3 g ausgewiesenen Wohngebiet sei nicht gebietsverträglich. Die Zahl der genehmigten Unterbringungsplätze übersteige sogar die Zahl der Bewohner, die in dem Baugebiet bei der Größe des Vorhabengrundstücks und einer Wohnnutzung i.e.S. typisierend zu erwarten wären.

9

Die Frage, ob das Vorhaben im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnte, bedürfe schließlich keiner Klärung, weil die Antragsgegnerin eine Befreiung von den Festzungen des Baustufenplans zur Art der Nutzung nicht erteilt habe.

II.

10

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 und 2 VwGO zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerden sind unbegründet, weil die in ihnen dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, nicht rechtfertigen, den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und - wie von den Beschwerdeführerinnen jeweils beantragt - den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2014 abzulehnen. Die von den Beschwerdeführerinnen dargelegten Gründe gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts greifen nicht durch.

11

1. Das Verwaltungsgericht hat bei der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO gebotenen Interessenabwägung für die Prüfung der Begründetheit des Antrags der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid zu deren Gunsten angenommen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, weil das Vorhaben der Beigeladenen nach der Art der baulichen Nutzung in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die Antragsteller dadurch in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt sind, so dass der Baugenehmigungsbescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerinnen bleiben erfolglos.

12

In der Rechtsprechung ist (grundlegend BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 366 ff.; zustimmend OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 355 m.w.N.; seither ständige Rspr. des Beschwerdegerichts) geklärt, dass die Gebietsfestsetzung auch bei den gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleiteten Baustufenplänen drittschützende Wirkung hat. Für planerische Gebietsfestsetzungen sind die Wechselbezüglichkeit der Interessen und ein daraus abgeleitetes Austauschverhältnis kennzeichnend. Die „Baufreiheit“ wird aus städtebaulichen Gründen, aber auch zum Nutzen der Beteiligten wechselseitig beschränkt. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird in diesem Bereich sinnfällig dadurch ausgeglichen und i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlich auch gerechtfertigt, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Durch das Festlegen einer Fläche etwa zur Nutzung als Wohngebiet werden die Grundeigentümer als jeweilige Nachbarn innerhalb des festgelegten Gebietes zu einer Gemeinschaft verbunden. Bauplanerische Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung sind regelhaft darauf ausgerichtet, die davon betroffenen Grundeigentümer in ein Austauschverhältnis gerade wechselseitig rechtlich einzubinden. Das Ausgleichsverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht (so BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, a.a.O., 374 f.; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990, 993).

13

Der Grundstücksnachbar kann daher geltend machen, dass er bereits durch eine Verletzung der Baugebietsfestsetzungen in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Ein solcher Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch) besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen des Grundstücksnachbars durch die gebietsfremde Nutzung.

14

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955, der gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleitet wurde, nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO getroffene Wohngebietsfestsetzung, die vom Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame noch besonders geschützt worden ist, drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller als Grundstücksnachbarn hat. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid verletzt deshalb die Antragsteller in ihren Rechten, wenn er gemäß § 30 Abs. 1 und 3 BauGB rechtswidrig ist, weil die Flüchtlingsunterkunft, die der Aufnahme von bis zu 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen dient, in dem besonders geschützten Wohngebiet nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO dienen im Wohngebiet die Grundstücke den Wohnbedürfnissen.

15

a) Die Antragsgegnerin vertritt allerdings die Ansicht, die Antragsteller könnten sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch schon deshalb nicht berufen, weil sie ihre Grundstücke selbst nicht nur zu Wohnzwecken nutzten. Dort würden ungenehmigte gewerbliche bzw. freiberufliche Nutzungen ausgeübt. Diesem Einwand mangelt es an Überzeugungskraft, weil er unsubstantiiert bleibt und sich nicht in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

16

Da die Antragsteller auf ihren Grundstücken unstreitig wohnen, kann es nur um den Einwand gehen, dass die Grundstücke nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Antragstellers zu 2. nicht mehr existiert und dass die freiberuflichen bzw. diesen ähnlichen gewerblich ausgeübten Tätigkeiten auf den Grundstücken des Antragstellers zu 1. (Unternehmensberatung als „Einmann-Unternehmen“) und der Antragstellerin zu 3. (Architektenbüro) in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich zulässig sein dürften (vgl. dazu OVG Hamburg, Urt. v. 14.3.1985, HmbJVBl. 1985, 181, 182: die freiberufliche Betätigung ist im Wohngebiet des § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO insofern uneingeschränkt zulässig, als sie im Zusammenhang mit der Nutzung einer Wohnung als solcher steht).

17

Außerdem kommt es für die Frage, ob sich ein Grundstücksnachbar auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, nicht darauf an, ob eine gebietsfremde Nutzung, wenn sie materiell genehmigungsfähig ist, auch formell rechtmäßig ist. Für das Austauschverhältnis unter den Nachbarn ist vielmehr entscheidend, dass sie den gleichen materiellen Beschränkungen bei ihrer Grundstücksnutzung unterworfen sind. Auf das Vorliegen einer Baugenehmigung kommt es insoweit nicht an.

18

Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) bereits entschieden, dass von einer anspruchsvernichtenden Aufhebung des Austauschverhältnisses jedenfalls dann nicht auszugehen ist, wenn auf dem Nachbargrundstück zwar planwidrige Nutzungen ausgeübt werden, daneben aber auch plankonforme Nutzungen vorhanden sind. Dass aber auf den Grundstücken der Antragsteller überwiegend eine plankonforme Wohnnutzung ausgeübt wird, steht außer Streit.

19

b) Im Eilverfahren lässt sich auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsgegnerin nicht die Feststellung treffen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO getroffene Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet funktionslos geworden ist. Für Teile des Wohngebiets können nach dieser Vorschrift zum Schutze ihrer Eigenart als Wohngebiet besondere Vorschriften erlassen werden (Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften, Beschränkung der Wohnungszahl, Festsetzung von Mindestgrößen der Grundstücke und dgl.).

20

aa) Die Antragsgegnerin rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit einen falschen Maßstab angewandt, weil es räumlich nicht nur den Baublock, in dem das Vorhabengrundstück und die Grundstücke der Antragsteller liegen, hätte in den Blick nehmen müssen, sondern das gesamte Wohngebiet mit der Festsetzung von drei Geschossen und dem besonderen Schutz für das Wohngebiet. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nicht auf die tatsächlich vorhandenen Nutzungen abgestellt, sondern nur danach gefragt, ob sie - die Antragsgegnerin - durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen habe, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nicht mehr entspreche.

21

Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffenen Beschluss ausdrücklich von der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Urt. v. 28.2.2013, NordÖR 2013, 475, 476; v. 7.6.2012, DVBl 2013, 243, 248 m.w.N.; Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203, 205) ausgegangen, dass von der Funktionslosigkeit einer Festsetzung nur dann die Rede sein kann, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein dennoch in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.

22

Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist hier nicht, wie aus anderen Baustufenplänen bekannt, von einem größeren W 3 g-Gebiet auszugehen, das einheitlich unter den besonderen Schutz des § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO gestellt worden ist. Denn beim Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum hat der Plangeber eine Vielzahl kleinerer, wenn auch räumlich zusammenhängender, W 3 g-Gebiete festgesetzt, die er jeweils gesondert unter besonderen Schutz gestellt hat. Beweggrund für diese Vorgehensweise des Plangerbers mag gewesen sein, dass er nicht nur ein Verbot von jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame erlassen, sondern zudem bestimmt hat, dass das Bauvolumen von 1939 nicht vergrößert werden darf. Ziel der Erhaltung eines bestimmten Bauvolumens dürfte es gewesen sein, die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu schützen (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 3.11.2003, 2 Bs 487/03).

23

Der Antragsgegnerin kann nicht darin gefolgt werden, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht auf die tatsächlich im Wohngebiet vorhandenen gebietsfremden Nutzungen abgestellt. Denn das Gericht hat festgestellt (siehe S. 12 unten BA), dass die Ortsbesichtigung im Rahmen des Erörterungstermins ergeben habe, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Das Protokoll des Ortstermins vom 8. Januar 2015 zeigt zudem, dass das Verwaltungsgericht den Baublock M.../A.../ S... insgesamt in Augenschein genommen hat und dabei Feststellungen zu den vorhandenen freiberuflichen, gewerbeähnlichen oder gewerblichen Tätigkeiten getroffen hat. Wenn das Verwaltungsgericht dennoch nicht von einer Funktionslosigkeit des festgesetzten besonderen Schutzes für das Wohngebiet ausgegangen ist, kann dies nur darauf beruhen, dass es für das Gericht nicht offensichtlich war, dass die Verhältnisse in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung des besonderen Schutzes auf unabsehbare Zeit ausschließt. Dieses Ergebnis sah das Verwaltungsgericht dann lediglich dadurch bestätigt, dass auch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten seien von ihr genehmigt worden.

24

Dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin lassen sich nach wie vor keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet sei insgesamt funktionslos geworden. Gegen die Annahme einer offensichtlichen Gebietsverfremdung spricht, dass die Antragsgegnerin bei der Erteilung der streitbefangenen Baugenehmigung selbst von der Wirksamkeit der Festsetzung ausgegangen ist. Auch fehlen offenkundig Gewerbebetriebe, die bereits von außen als solche deutlich wahrnehmbar sind, und daher das Vertrauen auf den Fortbestand der Festsetzung erschüttern. Ob freiberufliche oder gewerbeähnliche Tätigkeiten in dem Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sind, lässt sich dagegen in der Regel nicht ohne weiteres feststellen.

25

bb) Die Antragsgegnerin rügt zudem, das Verwaltungsgericht hätte bei sachgerechter Prüfung zumindest für das Vorhabengrundstück, das mit seiner markanten Bebauung in Ecklage Anlass zu einer topographischen Trennung gebe, die Funktionslosigkeit der Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet feststellen müssen. Denn die Funktionslosigkeit der Festsetzung könne nicht mit dem Argument verneint werden, die Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken sei endgültig aufgegeben worden. Auf die alte Baugenehmigung vom 6. Juni 1956 sei weder verzichtet worden, noch könne eine einmal funktionslos gewordene Festsetzung durch einen Verzicht „wiederaufleben“.

26

Bei diesem Einwand lässt die Antragsgegnerin außer Acht, dass bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht gleichsam isolierend auf einzelne Grundstücke abgestellt, also die Betrachtung darauf beschränkt werden darf, ob die Festsetzung hier und dort noch einen Sinn ergibt. Zu würdigen ist vielmehr grundsätzlich die Festsetzung in ihrer ganzen Reichweite (siehe BVerwG, Urt. v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5, 11; OVG Hamburg, Urt. v. 28.2.2013, a.a.O., 476). Auch wenn das hier vorliegende Wohngebiet nur durch einen Baublock gebildet wird, umfasst dieser aber doch nicht nur so wenige Grundstücke, als dass es für die Wirksamkeit der Festsetzung ausnahmsweise allein auf die Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück ankäme. Das Vorhabengrundstück dominiert den Baublock auch nicht wegen seiner Größe.

27

c) Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Flüchtlingsunterkunft handele es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, weil der Aufenthalt dort kein Wohnen sei.

28

aa) Zurückzuweisen ist die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil die Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Begriffs des Wohnens im engeren Sinne vorlägen.

29

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.3.2004, BRS 67 Nr. 70) und im Schrifttum (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand 10/2014, § 3 BauNVO Rn. 11; Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 16 ff.; Vietmeier in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2014, § 3 Rn. 19; Schiller in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1510 ff.) geklärt. Zum Wohnen gehören danach eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Wohnen bedeutet die auf eine gewisse Dauer angelegte Nutzungsform des selbstbestimmt geführten Lebens "in den eigenen vier Wänden". Von diesem Begriffsverständnis ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

30

Gemessen an diesen Begriffsmerkmalen handelt es sich bei der streitbefangenen Flüchtlingsunterkunft schon deshalb um keine Wohnnutzung, weil es an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Der Aufenthalt in der Unterkunft erfolgt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Einweisung, die als Auflage zur Aufenthaltsgestattung gemäß §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ergeht. Danach sollen Ausländer, die einen Asylantrag - der das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes einschließt - gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die fehlende Möglichkeit, die Unterkunft frei zu wählen, setzt sich in der mangelnden Eigengestaltung des Aufenthalts dort fort. Der Aufenthalt in der Unterkunft unterliegt einem nicht unerheblichen Maß an Reglementierung durch die Mitarbeiter der Beigeladenen. Diese sollen u.a. für ein friedliches Miteinander in der Unterkunft sorgen und dabei helfen, dass sich die dort untergebrachten Ausländer im Lebensalltag in Deutschland zurechtfinden. In der Unterkunft wird das Mobiliar von der Beigeladenen gestellt und fehlt es an abgegrenzten Räumlichkeiten, die dem Einzelnen einen Rückzug in die Privatheit ermöglichen und über die er nach eigenen Vorstellungen frei verfügen kann. Lediglich Gemeinschaftsräume werden angeboten. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern beruht nur im Idealfall auf familiärer Verbundenheit. Denn das Nutzungskonzept der Beigeladenen schließt ein gemeinsames Schlafen mit Fremden in einem Zimmer nicht aus. Der insoweit von der Antragsgegnerin gezogene Vergleich zu einer Wohngemeinschaft ist verfehlt, weil sich deren Mitglieder freiwillig zusammengefunden haben und die Gemeinschaft auch jeder Zeit wieder verlassen können. Dies gilt für Asylbegehrende oder Flüchtlinge nicht. Ihr Aufenthalt in der Unterkunft ist abhängig von öffentlich-rechtlichen Weisungen.

31

bb) Ebenso wenig ist der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu folgen, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil von einem gewandelten gesellschaftlichen Verständnis des Wohnbegriffs auszugehen sei bzw. es um Wohnen im weiteren Sinne gehe. Häufige Wohnortwechsel seien heute keine Seltenheit mehr, so dass die Wohnsituation auf Dauerhaftigkeit von vornherein nicht angelegt sei. Ebenso sei es keine Seltenheit, dass sich etwa in Großfamilien oder Wohngemeinschaften eine Mehrzahl von Personen Bad und Küche teilten.

32

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens kann nicht ohne weiteres ausgedehnt werden, weil ihm auch die Funktion zukommt, diese Nutzungsform von anderen bauplanungsrechtlich relevanten Nutzungsformen, wie insbesondere der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke (vgl. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), abzugrenzen. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt, u.a. durch Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen (siehe Stock, a.a.O., § 4 Rn. 51 f.). Darunter fällt auch die Unterbringung von Menschen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992). Eine Anlage für soziale Zwecke wird gerade durch die Beschränkung der Eigenverantwortlichkeit der Lebensgestaltung, die nicht zuletzt in der Unfreiwilligkeit des Aufenthalts ihren Ausdruck findet, charakterisiert. Wie in einer Flüchtlingsunterkunft werden auch Betreuungsleistungen erbracht, die die Verweisung in bestehende Gesundheits- und Hilfesysteme und an die Krisenintervention umfassen können. Von daher ist für den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens spiegelbildlich an den Merkmalen der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts festzuhalten.

33

Zwar ist es zutreffend, dass das Verständnis dessen, was Wohnbedürfnissen dient, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegt. Jedoch erfolgt die insoweit notwendige Auslegung des Begriffs durch die Orientierung an den Nutzungsartenkatalogen der jeweils geltenden Baunutzungsverordnung (siehe BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE 108, 190, 199). Sie kann auch bei einem übergeleiteten Baustufenplan nicht darüber hinausgehen. Mit der Festsetzung als besonders geschütztes Wohngebiet wurde regelmäßig ein bereits vorhandener Gebietscharakter gesichert, der sich von dem eines nicht besonders geschützten Wohngebiets in ähnlicher Weise abhebt, wie nach dem neuen Bauplanungsrecht das reine Wohngebiet nach § 3 BauNVO gegenüber dem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Da im Nutzungsartenkatalog des § 3 BauNVO nach wie vor Flüchtlingsunterkünfte nicht vorkommen, verbleibt es damit bei der Aufgabe, das Wohnen von der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke abzugrenzen.

34

Das Argument der Beigeladenen, bei der Flüchtlingsunterkunft würde es sich um Wohnen im weiteren Sinne handeln, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 (a.a.O., 202) dies der Sache nach auch so gesehen habe, überzeugt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort ausgeführt,

35

„daß Asylbewerber untergebracht werden, weil ein spezielles Wohnbedürfnis befriedigt werden muß. Wenn dieses auch nicht dem Typ des Wohnens im allgemeinen Verständnis ( … ) entspricht, so ist die Nutzung jedoch zumindest dem Wohnen (im engeren Sinne) ähnlich und mit ihm verträglich; das hat das Berufungsgericht im einzelnen ausgeführt.“

36

Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Anschluss an die vom Vordergericht (OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354 ff.) getroffenen Feststellungen beziehen sich aber auf die Unterbringung von Asylbegehrenden in drei Wohngebäuden vom Typ eines Einfamilienhauses und damit auf einen nicht vergleichbaren Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist in dieser Entscheidung im Übrigen zu dem revisionsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Ergebnis gelangt, dass Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigungen nicht Wohngebäude seien, sondern eine Anlage für soziale Zwecke. Die Beigeladene übersieht bei ihrer Argumentation, dass die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke nicht ausschließt, trotzdem anzuerkennen, dass die Anlagen dem Wohnen ähnlich sind, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbegehrenden oder Flüchtlings sind (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992 m.w.N.).

37

e) Ebenso ohne Erfolg wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, in dem besonders geschützten Wohngebiet sei die Flüchtlingsunterkunft nur als kleine Anlage für soziale Zwecke bauplanungsrechtlich gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO allgemein zulässig.

38

Das Verwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts gelangt, die auch von den Beteiligten in diesem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt wird. Danach ist der Begriff der „Wohnbedürfnisse“ i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO weit auszulegen und umfasst über das „Wohnen“ im engeren Sinne hinaus auch solche Nutzungen, die in einem Wohngebiet erwartet werden oder mit ihm verträglich sind; dies gilt auch für „besonders geschützte Wohngebiete“ (z.B. OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.; v. 10.4.1997, a.a.O., 356). Gleichermaßen hat das Beschwerdegericht bereits entschieden, dass hierzu auch Nutzungsarten zählen können, die erstmals unter Anwendung der Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990 nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmeweg zugelassen werden können. Allerdings muss die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet werden oder mit ihm verträglich sind, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., 198). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit, damit eine klare Abgrenzung der von § 10 Abs. 4 BPVO unterschiedenen Baugebiete gewährleistet ist. Wollte man hiervon abrücken, würde die Überleitung der Baustufenpläne gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als Instrumente einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Frage gestellt. Die Bestimmung der Nutzungen, die in einem besonders geschützten Wohngebiet allgemein zulässig sind, kann deshalb nicht der Entscheidung der Antragsgegnerin im Einzelfall unterliegen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 9 BPVO ist gerade nicht durch das Bundesbaugesetz übergeleitet worden (so bereits BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 379).

39

Ohne das planerische Bedürfnis nach weiteren Steuerung sind in einem besonders geschützten Wohngebiet regelmäßig aber nur „kleine“ Anlagen allgemein zulässig (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 354). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstellt, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Dabei ist im Bereich der Baustufenpläne im Regelfall keine andersartige, ergänzende Steuerung der Gebietsverträglichkeit einer Nutzungsart möglich (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, NordÖR 2009, 68, 70 m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG; Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 413 f.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Plangeber des Baustufenplans hier mit dem ausdrücklichen Ausschluss aller gewerblichen Nutzungen, die nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auch in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmewege zugelassen werden könnten, deutlich gemacht hat, dass Nutzungen, die nicht dem Wohnen i.e.S. zugerechnet werden können, nur dann zulässig sein können, wenn sie sich dieser Nutzungsart ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, a.a.O.).

40

Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, dass von der genehmigten Flüchtlingsunterkunft entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gerade keine gebietsunverträglichen Störungen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele. Wohnen störe aber nicht Wohnen. Mit einer Zunahme des Umfangs der Nutzung der Unterkunft seien keine gebietsunverträglichen Störungen zu erwarten. Der vom Verwaltungsgericht insoweit befürchteten Möglichkeit sozialer Spannungen komme keine bodenrechtliche Relevanz zu und führe zu einem unzulässigen Milieuschutz. Daher müsse es sich bei der Flüchtlingsunterkunft auch nicht lediglich um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handeln.

41

Die Festsetzung eines besonderen Schutzes für ein Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO schließt die Zulassung einer Unterkunft für Asylbegehrende bzw. Flüchtlinge nicht grundsätzlich aus. Bereits aus der parallelen Wertung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ergibt sich aber, dass Anlagen für soziale Zwecke, die nicht gerade der (gebietsbezogenen) Kinderbetreuung dienen, nur „ausnahmsweise“ zugelassen werden können. Für nicht besonders geschützte Wohngebiete ergibt sich dagegen aus dem Vergleich zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, dass Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig sind. An die Zulässigkeit einer Flüchtlingsunterkunft in einem besonders geschützten Wohngebiet müssen daher strengere Anforderungen gestellt werden. Da in einem besonders geschützten Wohngebiet eine Flüchtlingsunterkunft neben dem Wohnen auch nicht allgemein erwartet wird, muss sie jedoch gebietsverträglich sein. Allgemein erwartet werden in einem besonders geschützten Wohngebiet nur die beim Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen Infrastruktureinrichtungen. Beim Wohnen entsteht aber kein Bedarf an Flüchtlingsunterkünften. Angesichts der Offenheit des Begriffs der Wohnbedürfnisse kann nicht jeder formal unter den Tatbestand fallender Vorhabentyp allgemein zulässig sein. Maßstab für die Zulässigkeit ist daher die Gebietsverträglichkeit, bei der es um die Frage geht, ob ein Vorhaben - unabhängig vom Einzelfall - mit der Eigenart des Gebiets städtebaulich verträglich ist. Das Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem besonders geschützten Wohngebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr, ausgehen. Entscheidend ist dabei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3. 2002, BVerwGE 116, 155, 160; Beschl. v. 28.2.2008, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19).

42

Der Hinweis der Antragsgegnerin - das Beschwerdegericht (Beschl. v. 12.1.2015, 2 Bs 247/14) habe festgestellt, dass von einer Flüchtlingsunterkunft mit 300 Plätzen typischerweise keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele - verfängt nicht. Denn der Maßstab für das dem besonders geschützten Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ würde deutlich verfehlt, wenn es erst auf das Überschreiten der Schwelle unzumutbarer Lärmimmissionen ankäme. Ebenso fehl geht der Einwand der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe versäumt, das konkrete Störpotenzial der Flüchtlingsunterkunft zu ermitteln. Denn bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit kommt es nur auf die Auswirkungen an, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Anders als bei der Prüfung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geht es nicht um die konkreten Auswirkungen des Vorhabens im Einzelfall.

43

Dagegen spricht für die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine nicht mehr „kleine“ Anlage für soziale Zwecke sei in einem besonders geschützten Wohngebiet gebietsunverträglich, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Abhängigkeit der Emissionen von der Belegungszahl bzw. dem räumlichen Umfang der Unterkunft besteht. Denn es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass eine große Flüchtlingsunterkunft mit einer entsprechend hohen Belegungszahl typischerweise einen verstärkten Ziel- und Quellverkehr auslöst, der die Verkehrsbelastung im Wohngebiet spürbar erhöht. Dass für die genehmigte Flüchtlingsunterkunft nur zwei Kfz-Stellplätze vorgesehen sind, weil die 220 Personen von 2,75 Vollzeitkräften betreut werden sollen, dürfte einen typischen Ziel- und Quellverkehr nur unvollständig abbilden. So wird in einer Entscheidung des VGH München (Urt. v. 13.9.2012, BayVBl. 2013, 241), bei der es um eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ging, ein Stellplatzschlüssel von einem Stellplatz je zehn Betten zugrunde gelegt. Nach diesem Maßstab wären hier 22 Kfz-Stellplätze zu erwarten. Zum typischen verkehrsauslösenden Betreuungsaufwand bei einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung dürfte auch gehören, dass die Bewohner mit Essen versorgt werden müssen. Wenn das Nutzungskonzept hier vorsieht, dass von den Bewohnern in den Küchen selbst gekocht werden soll, so heben die Antragsgegnerin und die Beigeladene dies gerade als Besonderheit hervor. Die typischerweise bestehende räumliche Enge in einer Flüchtlingsunterkunft wird zudem häufig dazu führen, dass sich die Bewohner nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern in größerer Zahl auch im Freien vor der Unterkunft aufhalten werden. Dies ist ebenfalls geeignet, eine Unruhe in das Gebiet zu bringen, die eine erhebliche Auswirkung auf die im besonders geschützten Wohngebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe darstellt, wie sie der Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Bei diesen Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft handelt es sich auch nicht bloß um wohnähnliche Störungen, die ungeeignet sind, in einem Wohngebiet eine Gebietsunverträglichkeit zu begründen. Denn die Auswirkungen beruhen auf den besonderen Verhältnissen in einer Flüchtlingsunterkunft, die in vergleichbarer Weise in einem Wohngebäude so regelmäßig nicht anzutreffen sind.

44

Schließlich bemessen sich die Störungen der Gebietsverträglichkeit nicht allein nach dem Maß der Lärmimmissionen, sondern auch an den sonstigen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB u.a. die Berücksichtigung der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gehört. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auch die Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft auf den sozialen Wohnfrieden in den Blick genommen, ohne dem allerdings ein maßgebliches Gewicht beizumessen. Flüchtlingsunterkünfte mit hoher Belegungsdichte weisen damit tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die dazu führen, dass das Vorhaben der Nutzungsänderung boden- bzw. bauplanungsrechtliche Relevanz hat (so auch VGH München, Urt. v. 13.9.2012, a.a.O., 242).

45

f) Die Einwände der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Einstufung der genehmigten Flüchtlingsunterkunft als nicht „kleine“ Anlage für soziale Zwecke greifen nicht durch.

46

Das Verwaltungsgericht hat für die Frage, wie groß eine Flüchtlingsunterkunft sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, als Orientierungsmaßstab eine gedachte Bebauung des 3.308 m2 großen Vorhabengrundstücks nach den Richtlinien zur Förderung des Wohnungsbaus im 1. Förderweg (Sozialwohnungsbau) zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene monieren, das Verwaltungsgericht habe von dem auf dieser Grundlage gefundenen Ergebnis von Wohnraum für ca. 200 Menschen keinen rechnerischen Abschlag in Ansatz bringen dürfen.

47

Das Gegenargument der Beigeladenen, der Plangeber habe mit einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung ein hohes Maß zulässiger Bebauung bestimmt, das auch ein hohes Maß an Immissionen für das Nachbargrundstück zumutbar mache, verfängt nicht, weil das Verwaltungsgericht ebenfalls von einer geschlossenen Bauweise bzw. einer baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke im oberen Bereich des für Wohngebiete nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO Möglichen ausgegangen ist. Entgegen dem Einwand der Antragsgegnerin lässt sich nicht feststellen, dass die vom Verwaltungsgericht zur Rechtfertigung angenommenen Störungen keine bodenrechtliche Relevanz hätten und sich die Nutzungsformen Wohngebäude und Flüchtlingsunterkunft im relevanten Störungspotenzial nicht unterschieden (siehe dazu bereits oben auf S. 17 ff.).

48

2. Entgegen den Darlegungen der Antragsgegnerin war das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller nicht gehalten, zu prüfen, ob die seiner Ansicht nach rechtswidrige Baugenehmigung durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB legalisiert werden kann.

49

Der Hinweis der Antragsgegnerin - in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 19.7.2001, 2 Bs 370/00, juris Rn. 16 ff.; v. 18.12.2006, 3 Bs 218/05, NordÖR 2007, 163 f.) sei für Verfahrensfehler eines Verwaltungsaktes anerkannt, dass eine im Widerspruchsverfahren zu erwartende Heilung nach § 45 VwVfG bei einer Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sei - greift zu kurz. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht von einem bloßen Verfahrensfehler ausgegangen, sondern hat die materielle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung festgestellt. Zudem wird in diesen ebenso wie in den übrigen von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.2.1996, juris Rn. 10; OVG Münster, Beschl. v. 14.11.2006, 1 B 1886/06, juris Rn. 23 ff.), die die Heilung von Ermessensfehlern betreffen, jeweils vorausgesetzt, dass sich im gerichtlichen Aussetzungsverfahren bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren lässt, dass der Verfahrens- oder Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren geheilt wird. Von einer solchen hohen Wahrscheinlichkeit für die Erteilung einer Befreiung ist aber nach den Darlegungen der Antragsgegnerin nicht auszugehen. Denn wenn die Antragsgegnerin ausführt, bei der Erteilung einer Befreiung für die Flüchtlingsunterkunft sei davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt würden, weil die Unterkunft keine relevanten bodenrechtlichen Spannungen auslösen würde und gebietsverträglich sei, so ist dies - wie oben auf S. 17 ff. dargelegt - unzutreffend. Angesichts ihrer Größe ist auch durch die vorgesehene Gestaltung im Einzelfall nicht offensichtlich, dass diese beachtlichen Spannungen auszuschließen sind.

50

3. Die beiden Beschwerden bleiben auch insoweit erfolglos, als mit ihnen die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht insgesamt angegriffen wird.

51

Mit der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass an der sofortigen Vollziehung einer aller Voraussicht nach rechtswidrigen Baugenehmigung weder ein privates noch ein öffentliches Interesse besteht. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen lässt sich nicht allein auf ihre Behauptung stützen, durch den weiteren Innenausbau der Unterkunft und eine Nutzungsaufnahme würden keine später nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen. Außerdem ist bei der Interessenabwägung einzustellen, dass der zu schützende Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller gerade ohne Rücksicht darauf besteht, ob ihnen durch die gebietsunverträgliche Nutzung konkrete Beeinträchtigungen erwachsen.

52

4. Schließlich war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller nur insoweit anzuordnen, als die Belegungszahl der Unterkunft die Kapazität einer kleinen Anlage für soziale Zwecke übersteigt.

53

Eine nur eingeschränkte Anordnung des Widerspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Vorhaben hinsichtlich der Größe des Gebäudes nicht teilbar ist. Die Überschreitung der zulässigen Größe der Unterkunft ergibt sich nicht nur, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, aus einer zu hohen Belegungszahl, sondern auch aus ihrem zu großen räumlichen Umfang. Denn für die Frage, wann eine Anlage für soziale Zwecke als klein zu bewerten ist, ist maßgeblich auch auf ihre äußere Erscheinungsform abzustellen (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 414). Obwohl die Beigeladene nur eine Nutzungsänderung erstrebt, ist das gemäß § 29 Abs. 1 BauGB von ihr zur Genehmigung gestellte „Vorhaben“ nicht das Gebäude des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes zuzüglich der neu zugedachten Nutzung als Flüchtlingsunterkunft, sondern die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 185, 188; v. 17.6.1993, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158). Dies erfordert es, dass auch der räumliche Umfang der Flüchtlingsunterkunft geprüft wird.

54

Das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück wurde aber schon seinerzeit nur unter rechtlichen Bedenken und Erteilung einer speziellen für nicht Wohnzwecken dienenden Gebäude geregelten Ausnahme für die Überschreitung der gemäß § 11 Abs. 1 BPVO i.V.m. Spalte 6 der Baustufentafel zulässigen Bautiefe von maximal 12 m genehmigt. Tatsächlich beträgt die Bautiefe des Gebäudes 22 m bzw. bis zu 28 m. Die in Spalte 6 der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO enthaltene Regelung zur Bautiefe war zwar bauordnungsrechtlicher Natur und gilt gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 23 HBauO 1969 nicht mehr fort (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2012, 2 Bs 145/11, m.w.N.), so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche heute nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beurteilt. Mit einer Gebäudegrundfläche von 996 m2 ist das Gebäude aber mehr als doppelt so groß wie jedes andere Gebäude in dem Baublock, deren Gebäudefläche ganz überwiegend unter 300 m2 liegt.

55

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) vom 22.12.2015 gegen die der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 22.12.2015 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Gerichtskosten tragen die Antragsgegnerin zu vier Siebteln und die Antragsteller zu 5) bis 7) als Gesamtschuldner zu drei Siebteln. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1) bis 4) trägt die Antragsgegnerin in vollem Umfang. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen die Antragssteller zu 5) bis 7) zu drei Siebteln als Gesamtschuldner; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Streitwert wird auf 26.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZEA) auf dem knapp 32.000 m2 großen Gelände östlich der Straße Hinsenfeld und nordöstlich der Straße Fiersbarg (Flurstück 420 der Gemarkung Lemsahl-Mellingstedt). Auf dem Vorhabengrundstück befand sich bis vor einigen Jahren ein sog. „Pavillon-Dorf“ zur öffentlichen Unterbringung von Aussiedlern mit einer Höchstbelegungszahl von ca. 220 bis 240 Personen. Nach der Beseitigung der dazu gehörenden Gebäude war das Grundstück unbebaut, bis die Antragsgegnerin mit der Errichtung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Einrichtung begann. Diese soll aus 17 Gebäuden zur Unterbringung von Personen bestehen, welche in Container-Modulbauweise errichtet werden. Verwendet werden sollen hierzu 20‘-Wohncontainer mit Abmessungen von 6,055*2,435*2,89 m, die zu zweigeschossigen Blöcken gruppiert werden. Die Wohnblöcke werden dabei aus jeweils 14 Wohncontainern und 4 Sanitärcontainern bestehen (je Ebene 9 Container) und Außenabmessungen von 21,92*6,055*5,78 m aufweisen. Bei einer Belegung eines Wohncontainers mit bis zu 4 Personen errechnet sich eine Gesamtkapazität von bis zu 952 Personen. Neben den Wohnblöcken ist die Errichtung (ebenfalls in Modul-Containerbauweise) eines Verwaltungsgebäudes, zweier Kantinengebäude, eines Gebäudes zur Unterbringung einer Kindertagesstätte sowie eines als „Schulcontainer“ bezeichneten Gebäudes geplant bzw. erfolgt.

2

Die Zufahrt zum Vorhabengrundstück soll – wie schon zuvor die Zufahrt zum früheren „Pavillon-Dorf“ – über den südöstlichen Grundstücksbereich erfolgen. Dort sollen sich auch ein Pförtnergebäude sowie das Verwaltungsgebäude befinden. Die weiteren nicht zur Unterbringung genutzten Gebäude („Schulcontainer“, Kantinen, Kindertagesstätte) sollen weitgehend in der Mitte des Vorhabengrundstücks gruppiert, die Wohngebäude ringartig um diese herum angeordnet werden. Die Einrichtung soll vollständig gebäudenah umzäunt werden. Der Zugang zum Gelände der Einrichtung soll durch einen täglich 24 Stunden vor Ort befindlichen Wachdienst kontrolliert werden.

3

Der erste Bauabschnitt, bestehend aus neun der 17 geplanten Wohngebäude, sowie den Verwaltungseinheiten, den Kantineneinheiten und dem „Schulcontainer“ ist fertig gestellt. Die Grundvorbereitungen für den zweiten Bauabschnitt sind überwiegend abgeschlossen. Die Einrichtung soll nach dem Willen der Antragsgegnerin möglichst unmittelbar ihren Betrieb aufnehmen und belegt werden. Betreiber der Unterkunft soll die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. sein. Diese hat nach dem Vortrag der Antragsgegnerin für die Einrichtung eine sogenannte „Hausordnung“ entworfen, welche allen darin untergebrachten Personen zur Kenntnis gegeben werden soll. In der Einrichtung sollen u.a. Betreuer für die untergebrachten Personen sowie technisches Personal und Küchenpersonal tätig sein.

4

Die Antragsteller zu 1) bis 4) sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken, die jeweils östlich des Vorhabengrundstücks belegen sind und durch die XX-Straße erschlossen werden. Zwischen den Grundstücken dieser Antragsteller und der Vorhabenfläche befindet sich ein mit Bäumen bewachsener, ca. 20 bis 50 m breiter Grünstreifen. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) liegen wie das Vorhabengrundstück im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung über den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 vom 5.1.2015 (HmbGVBl. 2015, S. 11). Dieser weist die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) als reines Wohngebiet (WR) aus. Das Vorhabengrundstück wird ebenfalls größtenteils als reines Wohngebiet ausgewiesen, durchzogen von (bislang nicht verwirklichten) Planstraßen sowie privaten Grünflächen und einer Fläche für ein Regenrückhaltebecken, wobei ein Großteil der von der Antragsgegnerin geplanten und bereits errichteten Gebäude auf als reines Wohngebiet ausgewiesenen Flächen errichtet werden soll bzw. errichtet ist. Der Grünstreifen zwischen dem Vorhabengrundstück und der als reines Wohngebiet ausgewiesenen Fläche, in welcher die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) belegen sind, ist als „Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft – Artenreicher, gestufter Gehölzbestand“ festgesetzt.

5

Die Antragsteller zu 5) bis 7) sind Eigentümer von zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken, die jeweils südlich bzw. süd-westlich der Vorhabenfläche belegen sind und durch die Straße XY erschlossen werden. Diese Grundstücke liegen im räumlichen Geltungsbereich des Baustufenplans Lemsahl-Mellingstedt vom 16.9.1952, erneut festgestellt am 14.1.1955, welcher sie mit W 1o ausweist. In der Legende heißt es weiter:

6

„Das reine Wohngebiet ist gemäss § 10 Abs. 4 der BPVO für die Hansestadt Hamburg vom 8.6.1938 besonders geschützt. a) Gewerbliche und handwerkliche Betriebe, Läden und Werbeanlagen sind nicht zulässig. Für die Flächen am rot signierten Straßenrande der Wohngebiete gelten diese Einschränkungen nicht. ..."

7

Im Sommer 2015 begannen die Planungen der Antragsgegnerin zur Errichtung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Einrichtung. Mit Handzetteln vom 25.8.2015 wurden die Anwohner erstmalig über die geplante Unterkunft unterrichtet. Am 15.9.2015 stellte die Antragsgegnerin ihre Pläne für eine Erstaufnahmeeinrichtung mit 952 Plätzen im Rahmen einer Anwohner-Informationsveranstaltung der Öffentlichkeit vor. Anschließend begann die Antragsgegnerin mit der Errichtung der Einrichtung; hierzu gab sie an, sich auf § 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) zu stützen. Hiergegen ersuchten die Antragsteller um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nach § 123 VwGO. Mit Beschluss vom 15.12.2015 gab das erkennende Gericht der Antragsgegnerin auf, die Bauarbeiten für die Errichtung der streitbefangenen Einrichtung einstweilen einzustellen, die Innutzungnahme einstweilen zu unterlassen und ausführende Stellen entsprechend anzuhalten (7 E 6128/15). Ihre hiergegen mit Schriftsatz vom 29.12.2015 eingelegte Beschwerde nahm die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 18.1.2016 zurück. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht stellte das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom selben Tage ein (2 Bs 271/15).

8

Bereits unter dem 10.11.2015 hatte die Antragsgegnerin (vertreten durch die Behörde für Inneres und Sport) für die streitbefangene Einrichtung außerdem einen Antrag im Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO beim Bezirksamt Hamburg-Wandsbek eingereicht, verbunden mit einem Antrag auf Befreiung von u.a. den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich der Ausweisung des Flurstücks 420 als reines Wohngebiet und private Grünfläche. Der Bauantrag wurde im weiteren Verlauf näher bestimmt. So legte die Bauherrin unter dem 18.12.2015 eine Baubeschreibung vor, wonach die Anlage auf die Unterbringung von insgesamt 901 Personen ausgelegt sei und in jedem der 17 Wohnblöcke 53 Plätze vorgesehen seien; in einem Container würden 3 bis 4 Personen untergebracht. In den beiden Verwaltungsblöcken würden die Funktionen „Sozialberatung, Unterkunftsmanagement, Technischer Dienst, Wachschutz, Arztdienst mit Warteraum, Lager für Kleider und Koffer" sowie Waschmaschinen- und Trocknerraum untergebracht. Das Betreuungs- und Verwaltungspersonal sei in unterschiedlicher Besetzung von 4 bis 13 Personen täglich von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr vor Ort; das Wachpersonal sei mit einer Besetzung von 4 Personen täglich 24 Stunden vor Ort. Die Essensausgabe werde von einem Catering-Unternehmen betrieben; Speisen würden fertig zubereitet angefahren und in einem Dampfgarer aufgewärmt. Das Küchenpersonal bestehe in der Regel aus ca. 8 bis 10 Personen.

9

Mit Schreiben vom 21.12.2015 „konkretisierte“ die Behörde für Inneres und Sport der Antragsgegnerin ihren Bauantrag gegenüber dem Bezirksamt Hamburg-Wandsbek dahingehend, dass nunmehr die Errichtung und Innutzungnahme der Einrichtung entsprechend der Bauantragsunterlagen befristet auf längstens drei Jahre beantragt wurde sowie die Zulassung für die Nutzung der Einrichtung zur Unterbringung von höchstens 252 Personen „bis zum Nachweis des Brandschutzes für die darüber hinausgehende Nutzung“.

10

Am 22.12.2015 erteilte das Bezirksamt Hamburg-Wandsbek hierauf eine „Befristete Genehmigung“ nach § 62 HBauO für „Temporäre Containerunterkünfte zur Erstaufnahme von max. 252 Flüchtlingen und Asylbewerbern“, befristet bis zum 22.12.2018 und verbunden mit der Bestimmung, nach Ablauf der Befristung sei die Nutzung der baulichen Anlage innerhalb eines Monats ohne Entschädigungsansprüche einzustellen. Ausdrücklich gestützt auf § 31 Abs. 2 i.V.m. § 246 Abs. 12 BauGB enthält die Baugenehmigung außerdem Befreiungen (Nr. 2 der Baugenehmigung) für das Errichten von Containerzeilen auf privater Grünfläche, für das Abweichen von der zulässigen Art der baulichen Nutzung (Anlage für soziale Zwecke) im reinen Wohngebiet, für das Überschreiten der Zahl der Vollgeschosse der nördlichen Containerzeilen, für die Errichtung von Containerzeilen teilweise auf ausgewiesenen Straßenverkehrsflächen und „für das Errichten aller Container teilweise ganz außerhalb der Baugrenzen". Weiterhin enthält die Baugenehmigung einen Passus (Nr. 4 der Baugenehmigung), wonach jede Erhöhung der Belegungsanzahl die vorherige Durchführung eines gesonderten Genehmigungsverfahrens erfordere. Zu den Anlagen, die der Bescheid ausdrücklich umfasst, gehören "immissionsschutzrechtliche Auflagen und Hinweise"; in dem Abschnitt "Auflagen" werden hier Bestimmungen getroffen zu den Bereichen „Lärmschutz", „Geruchsimmissionen", „Lichtimmissionen" und „Abfall". Für die im reinen Wohngebiet verursachten Geräuschimmissionen werden „unter Berücksichtigung der Vorbelastung" die Grenzwerte (am Beurteilungsort) tagsüber, in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22:00 Uhr, von 50 dB(A) und nachts, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, von 35 dB(A) festgelegt. Die Einhaltung der Lärmgrenzwerte sei mittels Schalltechnischer Untersuchung nachzuweisen, wenn die Anliefer- oder Betriebszeit der Kantine in die Nachtzeit fallen sollte. Die sich gegebenenfalls aus der Untersuchung ergebenden Schallschutzmaßnahmen seien vor Inbetriebnahme umzusetzen.

11

Gegen diese Baugenehmigung legte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 22.12.2015 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schriftsatz vom 23.12.2015 haben die Antragsteller um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht und dieses Ersuchen umfangreich begründet.

12

Die Antragsteller beantragen,

13

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 22.12.2015 gegen die der Beizuladenden erteilte Baugenehmigung vom 22.12.2015 (Az: W/WBZ/14401/2015) anzuordnen.

14

Die Antragsgegnerin beantragt,

15

den Antrag abzulehnen,

16

und trägt zur Begründung ebenfalls umfassend vor.

17

Nachdem sich in den Morgenstunden des 23.12.2015 Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Belegung der streitbefangenen Einrichtung ergeben hatten, hat das erkennende Gericht auf Antrag der Antragsteller am selben Tag eine Zwischenverfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist, bis zum Ende der Anhängigkeit des vorliegenden Eilantrags in erster Instanz die streitbefangene Unterkunft nicht in Nutzung zu nehmen, insbesondere nicht zu belegen, bereits begonnene Nutzungen einzustellen bzw. zu unterbinden und ausführende Stellen entsprechend anzuhalten. Die hiergegen von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23.12.2015 zurückgewiesen (2 Bs 263/15).

18

Mit Schreiben vom 28.12.2015 hat das Gericht aufgrund von Presseberichten über allgemeines Vergleichsinteresse der Antragsgegnerin bei den Beteiligten angefragt, ob eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits möglich sei und Bedarf für weitere gerichtliche Initiativen gesehen werde. Auf die entsprechenden Interessebekundungen hat die Kammer am 8.1.2016 mit den Beteiligten Möglichkeiten einer umfassenden Einigung erörtert; die Antragsteller haben dazu Eckpunkte eines aus ihrer Sicht möglichen, hinsichtlich der Belegungszahl über den unmittelbaren Streitgegenstand hinausgehenden Vergleichs benannt. Mit Schriftsatz vom 15.1.2016 hat die Antragsgegnerin erklärt, dass sie sich nicht in der Lage sehe, einen Vergleich mit den Antragstellern zu schließen.

19

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten, jeweils zuletzt vom 9.2.2016, sowie auf die Sachakte der Antragsgegnerin und die Planaufstellungsunterlagen zum Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 verwiesen, die dem Gericht bei seiner Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

B.

20

Das Gericht kann über den Antrag wirksam entscheiden, obwohl die Inhaberin der Baugenehmigung als solche nicht beigeladen worden ist. Zwar handelt es sich bei einer Anfechtungsklage, die auf die Aufhebung einer durch die Bauaufsichtsbehörde einem Bauherrn erteilten Baugenehmigung gerichtet ist, um einen typischen Fall der notwendigen Beiladung iSv. § 65 Abs. 2 VwGO, da das entsprechende Gestaltungsurteil nur einheitlich, nämlich sowohl gegenüber dem Hoheitsträger wie auch gegenüber dem Bauherrn, ergehen kann. Entsprechendes gilt für das zugehörige Eilverfahren. Ist aber, wie hier, der genehmigende Hoheitsträger (die Freie und Hansestadt Hamburg) zugleich Bauherr, so wird diese Rechtsperson bereits durch ihre Verfahrensrolle als Antragsgegnerin hinreichend am Verfahren beteiligt.

21

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80a VwGO hat in Bezug auf die Antragsteller zu 1) bis 4) Erfolg; im Übrigen bleibt er erfolglos. Er ist zulässig, aber nur bezogen auf die Antragsteller zu 1) bis 4) begründet.

22

Der Antrag ist gemäß §§ 80a Absätze 1 und 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Bei dem angegriffenen Baugenehmigungsbescheid handelt es sich trotz des Umstands, dass Begünstigte der Genehmigung die Antragsgegnerin selbst ist, um einen Verwaltungsakt. Das allein fragliche Merkmal der Außenwirkung ist hier im Verhältnis zu den Antragstellern schon dadurch erfüllt, dass die Baugenehmigung auch ihnen als am Genehmigungsverfahren beteiligte Nachbarn gegenüber zur verbindlichen Regelung der Zulässigkeit des Bauvorhabens bestimmt und entsprechend bekannt gegeben worden ist (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 15.12.1981, Bs II 32/81 – BRS 38 Nr. 174).

23

Der Zulässigkeit des Antrags steht bezogen auf die Antragsteller zu 3) und 4) nicht entgegen, dass diese nicht Grundeigentümer, sondern Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft sind. Auch Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft, die gemäß § 10 Abs. 6 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz, WEG) vom 15.3.1951 m. spät. Änd. (BGBl. I S. 175, ber. S. 209) selbst rechts- und parteifähig ist, sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt (vgl. nur VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2015, 7 E 6128/15).

24

In Bezug auf die Antragsteller zu 1) bis 4) ist der Antrag außerdem auch begründet (hierzu unter I.); in Bezug auf die Antragsteller zu 5) bis 7) ist er hingegen unbegründet (hierzu unter II.).

25

Im Rahmen des Eilverfahrens sind die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Der Gegensatz zwischen dem Interesse der Antragsgegnerin einerseits, von der erteilten Baugenehmigung Gebrauch zu machen, und dem Interesse der Antragsteller als Drittbetroffene andererseits zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, kann in der Regel – und so auch hier – angemessen nur in der Weise gelöst werden, dass jeweils den Interessen desjenigen Beteiligten der Vorrang eingeräumt wird, der aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren obsiegen wird.

26

Im vorliegenden Fall überwiegen bei dieser Abwägung die Interessen der Antragsteller zu 1) bis 4) diejenigen der Antragsgegnerin, nicht jedoch überwiegen die Interessen der Antragsteller zu 5) bis 7) die Interessen der Antragsgegnerin. Die angefochtene Baugenehmigung vom 22.12.2015 wird nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich nur wegen der Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller zu 1) bis 4) aufzuheben sein. Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, 4 C 8/84, NVwZ 1987, 409; OVG Hamburg, Beschluss vom 7.5.1990, Bs II 65/90, HmbJVBl 1991, 7). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden.

I.

27

Die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Einrichtung verletzt die Antragsteller zu 1) bis 4) in ihrem Gebietserhaltungsanspruch. Inwieweit eine Verletzung sonstiger von diesen Antragstellern geltend gemachter Rechtspositionen vorliegt, ist vor diesem Hintergrund nicht zu entscheiden.

28

Der Gebietserhaltungsanspruch steht nur den Grundstückseigentümern und sonstig dinglich Berechtigten innerhalb eines durch Bebauungsplan festgesetzten oder faktischen Baugebiets zu, da nur in diesem Falle die Nachbarn denselben rechtlichen Bindungen unterliegen (näher dazu sogl.). Zu den sonstig dinglich Berechtigten, denen der Gebietserhaltungsanspruch zustehen kann, zählen dabei auch einzelne Wohnungseigentümer wie die Antragsteller zu 3) und 4). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, den Gebietserhaltungsanspruch nur der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzer zuzubilligen und den einzelnen Sondereigentümer von diesem Anspruch auszunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich hervorgehoben, dass für Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz Nachbarschutz „in gleicher Weise“ wie für Eigentum an Wohngrundstücken besteht (BVerwG, Beschluss vom 20.8.1992, 4 B 92/92, juris, Rn. 10; vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 13.2.2015, 1 B 355/14, juris, Rn. 23 f.).

29

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts hat die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Art der baulichen Nutzung durch einen Bebauungsplan nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (BVerwG, Urteil vom 16.9.1993, 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151; OVG Hamburg, u.a. Beschluss vom 22.9.2014, 2 Bs 168/14). Ein Nachbar im Baugebiet soll sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden können, wenn er durch sie nach den gröberen Maßstäben des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Der Gebietserhaltungsanspruch beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, Urteil vom 11.5.1989, 4 C 1/88, BVerwGE 82, 61). Durch die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer (nach der Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts) „rechtlichen Schicksalsgemeinschaft" verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer in der gleich ausgewiesenen Nachbarschaft diesen Beschränkungen unterworfen sind (BVerwG, Urteil vom 16.9.1993, 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151). Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können (BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Rn. 5).

30

Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) liegen in demselben Baugebiet wie das Vorhaben (hierzu unter 1.). Mit der Errichtung und dem Betrieb der geplanten Einrichtung wäre ein Eindringen einer gebietsfremden Nutzung in dieses Baugebiet verbunden. Die Beeinträchtigung des Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) wird auch nicht durch die nach § 246 Abs. 12 BauGB erteilte Befreiung von der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung unbeachtlich (hierzu unter 2.).

31

1. Die betreffenden Grundstücke liegen - wie die Kammer bereits in ihrem rechtskräftigen Beschluss zu dem polizeirechtlichen Vorhaben der Antragsgegnerin auf demselben Grundstück ausgeführt hat (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2015, 7 E 6128/15, S. 8 ff.) - in „demselben Baugebiet". Diese Feststellung gilt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags der Antragsgegnerin hierzu fort.

32

Für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruchs bedarf es der Klärung, dass die an dem Nachbarrechtsstreit beteiligten Grundstücke in „demselben Baugebiet" liegen. Wären die Berechtigten der Grundstücke nicht gemeinsam hinsichtlich der Nutzungsart denselben rechtlichen Bindungen unterworfen – so, wenn der Bebauungsplan unterschiedliche Nutzungsarten ausweist bzw. aus sonstigen Gründen als getrennt zu verstehende Baugebiete –, würde die Grundlage für den Gebietserhaltungsanspruch fehlen. Denn es reicht hierfür nicht aus, dass sich das Grundstück im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans befindet. Notwendig ist eine Belegenheit sowohl des Vorhabengrundstücks wie auch des Grundstücks, von dem aus der Gebietserhaltungsanspruch geltend gemacht wird, innerhalb „desselben Baugebiets" (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14; OVG Münster, Beschluss vom 28.11.2002, 10 B 1618/02, juris, Rn. 5 ff.; VGH München, Beschluss vom 2.10.2003, 1 CS 03.1785, NVwZ-RR 2004, S. 248 f.; OVG Bremen, Urteil vom 13.2.2015, 1 B 355/14, juris, Rn. 29; VG Minden, Urteil vom 29.9.2915, 1 K 2703/14, juris, Rn. 20 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 3.12.2014, AN 9 K 12.01753, juris, Rn. 76; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 5.5.2011, 10 L 358/11, juris, Rn. 26; Schröer, NZBau 2008, 169 f.). Die Frage, ob in diesem Sinne von einem einheitlichen Baugebiet oder unterschiedlichen Baugebieten auszugehen ist, ist dabei anhand des Bebauungsplans zu beantworten und nicht allein anhand schlichter geographischer oder sonstiger tatsächlicher Gegebenheiten (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Entscheidend ist, ob bei normativer Betrachtung davon auszugehen ist, dass der Plangeber die betroffenen Grundstückseigentümer zu einer Schicksalsgemeinschaft in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung ihrer Grundstücke verbinden oder aber eine Trennung zwischen unterschiedlichen Baugebieten vorsehen wollte (OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Zur Klärung dieser Frage ist insbesondere auf die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplans sowie auf dessen Begründung zurückzugreifen (vgl. auch Schröer, NZBau 2008, S. 169 f.).

33

Die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) sind hiernach nicht nur innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs desselben Bebauungsplans wie das Vorhabengrundstück belegen, sondern auch innerhalb eines insgesamt einheitlichen reinen Wohngebiets. Für die verbindende Bedeutung der Festsetzung spricht zunächst schlicht der Umstand, dass die identische Ausweisung der Nutzungsart („WR") hier nicht nur benachbarte (sogar unmittelbar aneinandergrenzende) Flurstücke betrifft, sondern alle in dem - überdies mit ca. 5 ha vergleichsweise kleinen - Plangebiet überhaupt zur baulichen Nutzung vorgesehenen Flächen erfasst. Trifft m.a.W. der Plangeber im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung für das Plangebiet eine einheitliche Festsetzung, ist im Zweifel auch von einer Einheitlichkeit des entsprechenden Baugebiets nach der Art der baulichen Nutzung auszugehen.

34

Für diese maßgebliche Identität der Ausweisung ist nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, unerheblich, dass der Bebauungsplan hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der überbaubaren Grundflächen sowie der Bauweise innerhalb des reinen Wohngebietes durchaus unterschiedliche Festsetzungen trifft. Auf diese sonstigen Festsetzungen kommt es für den Gebietserhaltungsanspruch nicht an, eben weil sich das für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruchs maßgebliche Austauschverhältnis zwischen den betroffenen Grundstücken allein aus der Art der baulichen Nutzung ergibt, welche als solche durch (unterschiedliche) Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nicht verändert wird (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Ebenso wenig gebietet - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - die Tatsache, dass die in der Fläche westlich des Grünstreifens festgesetzten Teilflächen des dortigen reinen Wohngebiets in der Planzeichnung nummeriert sind, die Annahme, dass der Plangeber bei Aufstellung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unterschiedliche Baugebiete schaffen wollte, obwohl er die betroffenen Grundeigentümer in dieser Hinsicht denselben rechtlichen Regelungen unterwarf. Bei der Nummerierung der einzelnen Flächen handelt es sich schon ausweislich der Legende zur Planzeichnung um bloße Ordnungsnummern ohne eigenen normativen Gehalt. Die Nummerierung dient wiederum nicht der Zuordnung unterschiedlicher Arten der baulichen Nutzung – sämtliche Grundstücke sind als reines Wohngebiet festgesetzt –, sondern der Feingliederung des Baugebiets im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung und die Bauweise. Unterschiedliche Festsetzungen in dieser Hinsicht lassen indes keinen Schluss auf die Festsetzung unterschiedlicher Baugebiete im Sinne des Gebietserhaltungsanspruchs zu (vgl.o.). Vor diesem Hintergrund, dass allein die Festsetzungen des Bebauungsplans nach der Art der baulichen Nutzung über die Frage des Bestehens eines einheitlichen Baugebiets i.S.d. Gebietserhaltungsanspruchs entscheidend sind, sind darüber hinaus auch die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Faktoren wie die verkehrliche Erschließung der Grundstücke der Antragssteller zu 1) bis 4) und des Vorhabengrundstücks, aus denen sie das Fehlen einer Wechselbezüglichkeit i.S.d. Gebietserhaltungsanspruchs ableitet, unbeachtlich.

35

Der Annahme der Festsetzung eines einheitlichen reinen Wohngebiets, in welchem sowohl das Vorhabengrundstück als auch die Grundstücke der Antragsteller zu 1) bis 4) belegen sind, steht auch nicht entgegen, dass sowohl in der Planverordnung als auch in der Planbegründung teilweise die Pluralform „Wohngebiete“, nicht aber die Formulierung „Wohngebiet“ verwendet wird (vgl. § 2 Nr. 3, 7 und 15 der Planverordnung, S. 24 ff. der Planbegründung). Diesem Umstand fehlt es schon deshalb an Aussagekraft für eine Systematik, weil Singular und Plural in Bezug auf den Begriff „Wohngebiet" in der Planbegründung uneinheitlich verwendet werden. Im Inhaltsverzeichnis der Planbegründung findet sich unter Punkt 5.1 auch die singularische Formulierung „Reines Wohngebiet“ und im Text der Planverordnung wird der Plural für solche Teile auf dem westlichen Flurstück verwendet, die lediglich nach dem Maß der baulichen Nutzung unterschiedlich ausgewiesen werden. Überdies ergibt die bloße Verwendung eines solchen Plurals im Rahmen der zur Beurteilung dieser Frage gebotenen normativen Betrachtung schon als solche keine verlässliche Auskunft über die Intention des Plangebers, ob er hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unterschiedliche Baugebiete i.S.d. Gebietserhaltungsanspruchs oder ein einheitliches Baugebiet festsetzen wollte. Auch wenn in einem Bebauungsplan Flächen als „Baugebiete“ bezeichnet werden, können sie dennoch im Rechtssinne des Gebietserhaltungsanspruchs in demselben Baugebiet belegen sein (so OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14).

36

Der Umstand, dass nach der Planzeichnung zwischen den farblich (der WR-Ausweisung entsprechend) gleich unterlegten Flächen im Osten und auf dem Vorhabengrundstück (und insoweit allein auf dem Vorhabengrundstück gelegen) in Weiß ein polygonal geschnittener, länglicher Streifen als „Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft" von jedenfalls etwa 20m Breite ausgewiesen ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Diese anderweitige Funktionszuweisung einer Teilfläche (die im Übrigen ihre Entsprechung am westlichen Rand des Plangebiets findet) bedeutet - zumal Unterschiede in der Ausweisung zum Maß der baulichen Nutzung insoweit unerheblich sind (vgl.o.) - nicht, dass der Plangeber bei der Überplanung des kompakten, lediglich ein Karree bildenden Gesamtgebiets im Januar 2015 die Intention verfolgt hätte, zwar sowohl östlich als auch westlich des von baulicher Nutzung freizuhaltenden Naturstreifens jeweils dieselbe Art der baulichen Nutzung festzusetzen, das kleine Plangebiet aber dennoch auch in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung in unterschiedliche Baugebiete aufzuteilen, obwohl die Grundeigentümer in beiden Flächen denselben rechtlichen Regelungen unterworfen werden. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass der Plangeber sich gerade nicht darauf beschränkt hat, die im östlichen Bereich vorgefundene Bestandsbebauung lediglich zu erfassen, sondern (auch) den auf der Fläche östlich des Grünstreifens belegenen Grundstücken bewusst bauliche Entwicklungsmöglichkeiten in Richtung auf die Fläche westlich des Grünstreifens zugebilligt hat: Durch die Festsetzung der Baugrenze in unmittelbarer Nähe zum Grünstreifen bzw. zur Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft hat der Plangeber die Möglichkeit zu einer Nachverdichtung der Bebauung dieser Grundstücke im rückwärtigen Bereich eröffnet. Hierdurch sollte eine „maßvolle städtebauliche Entwicklung, nicht zuletzt im Hinblick auf die übergeordneten Ziele der Stadt Hamburg, Flächen für den Wohnungsbau zu schaffen, erreicht werden.“ (S. 25 f. der Planbegründung). Die für die Fläche westlich des Grünstreifens durch den Bebauungsplan vorgesehene Wohnbebauung und die (weitere) Bebauung auf den (schon teilweise bebauten) Grundstücken östlich des Grünstreifens sollten sich mithin gleichsam aufeinander zu bewegen. Die Bestandsbebauung westlich der Lemsahler Landstraße sollte mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten „städtebaulich eingebunden werden“ (S. 25 der Planbegründung). Dies widerspricht unmittelbar einer auf Trennung zielenden Planung des Inhalts, mit dem Grünstreifen zum Ausdruck zu bringen, dass sich beide reinen Wohngebiete unabhängig voneinander entwickeln sollten, nämlich im Osten ausschließlich im Sinne einer Sicherung der Bestandsbebauung und im Westen als davon abzusondernde Neubeplanung der Freifläche. Beabsichtigt war vielmehr die „behutsame Weiterentwicklung“ des vorhandenen Wohnquartiers durch die neue Wohnbebauung (S. 24 der Planbegründung), was einer vereinheitlichenden, nicht einer getrennten Entwicklung der beiden Flächen westlich und östlich des Grünstreifens entspricht. Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Vorgeschichte der Planung legt kein anderes Ergebnis nahe. Dass ursprünglich ein größeres Plangebiet mit dem in Rede stehenden Bebauungsplan erfasst werden sollte, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der Plangeber in der Folge auf das festgesetzte Plangebiet und die getroffenen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 beschränkt und keine Unterteilung des reinen Wohngebietes vorgenommen hat. Auch insoweit ist auf den Begründungstext zu verweisen, wonach die bei Planaufstellung vorgefundene Bestandsbebauung westlich der Lemsahler Landstraße mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten „städtebaulich eingebunden werden“ sollte (S. 25).

37

Gegen eine besondere, auf Trennung zweier Wohngebiete zielende Regelungsintention bei Festsetzung des Naturstreifens spricht auch die Entstehungsgeschichte dieser Flächenausweisung. Die Grünzone war als solche mit naturschutzrechtlich beachtlichem Bestand an Flora und Fauna bei Aufstellung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 bereits vorhanden, stellte also eine räumliche Trennung beider Flächen, aber keine gezielt durch die Planung erst hervorgerufene (normative) Trennung dar. Einer schlichten Trennung zweier Flächen durch tatsächliche Gegebenheiten (Straßen etc.) lässt sich normativ nicht die Wertung entnehmen, dass dadurch die Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Nutzungsbeschränkungen aufgehoben werden sollte (so ausdrücklich OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Dass dem Fortbestand des bei Planaufstellung bereits vorhandenen Grünstreifens darüber hinaus seitens des Plangebers eine normative Bedeutung zur Aufhebung der Wechselbezüglichkeit der Wohnbauflächen beigemessen worden wäre, lässt sich auch weder den auf diese Teilfläche bezogenen Bestimmungen des Bebauungsplans bzw. der Planverordnung noch den Ausführungen in der Planbegründung entnehmen. Der Zweck des Fortbestands des Naturstreifens an seinem schon bei Planaufstellung vorgefundenem Standort besteht gemäß § 2 Nr. 11 der Planverordnung vielmehr in seiner Bedeutung als naturnahe Gehölzfläche. Gemäß § 2 Nr. 15 der Planverordnung dient der Erhalt des Streifens und seine Festsetzung als Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft mit dem Entwicklungsziel „Artenreiches, gestuftes Gehölz“ dem naturschutzrechtlichen Ausgleich. Ausgeglichen werden sollen hierdurch Beeinträchtigungen, die durch den Bebauungsplan an anderer Stelle hervorgerufen werden (S. 32 der Planbegründung); wäre der gewachsene Grünbestand auch an dieser Stelle einer Überbaubarkeit preisgegeben worden, hätte der Plan erheblichen weiteren Ausgleichsbedarf begründet. Die Entwicklung des Naturstreifens dient den Zielsetzungen des Artenschutzes zur Schaffung von Ersatzlebensräumen für potenzielle oder reale Vorkommen besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten und der übergeordneten Zielsetzung des Landschaftsprogramms zum Schutz des Landschaftsbildes (S. 32 der Planbegründung). Es soll sichergestellt werden, dass die Funktion u.a. dieses Streifens zwischen der Straße Fiersbarg und der nördlichen Plangebietsgrenze als Fledermaus-Flugroute (Orientierung und Nahrungssuche) auch künftig erhalten wird (S. 33 der Planbegründung). Die in der Planbegründung außerdem enthaltene Aussage, der Naturstreifen bewahre einen „Puffer zwischen dem neuen Bebauungsgebiet und der Bestandsbebauung“ (S. 32 der Planbegründung), hat keine abweichende, gesonderte Bedeutung. Zwar kann, je nach Kontext, eine Planaussage zu einer „Pufferfunktion“ einer Fläche nicht nur auf eine tatsächliche, sondern auch auf eine normative Wirkung zielen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 38). Eine normative Bedeutung im Sinne der Trennung zweier Flächen in unterschiedliche Baugebiete nach der Art der baulichen Nutzung ist dem hier zu betrachtenden Naturstreifen indes auch nicht vor dem Hintergrund dieser Formulierung in der Planbegründung beizumessen. Mit der Bezeichnung des Streifens als „Puffer“ zwischen den Flächen östlich und westlich davon stellt der Begründungstext keinen Bezug zu der Art der baulichen Nutzung her, auf die es jedoch allein für eine Einordnung der beiden Flächen als ein einheitliches Baugebiet im Sinne des Gebietserhaltungsanspruchs ankäme (vgl. wiederum OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14). Die für den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 dem Naturstreifen zugewiesene „Pufferfunktion“ bezieht sich allein auf naturschutzfachliche bzw. naturschutzrechtliche Aspekte. Dies lässt der Kontext der hierauf bezogenen Ausführungen in der Planbegründung ohne Weiteres erkennen (S. 32 der Planbegründung):

38

„Mit der Festsetzung wird zur Stabilisierung des bestehenden Biotoptyps als Lebensraum für Tiere und Pflanzen beigetragen. Gleichzeitig wird der Puffer zwischen dem neuen Bebauungsgebiet und der Bestandsbebauung bewahrt und die Funktion der Gehölzstruktur insgesamt sowohl als Fledermaus-Flugroute als auch für Brutvögel und besonders geschützte Artengruppen gestärkt.“

39

Nicht bezogen auf die Art der baulichen Nutzung soll danach ein „Puffer“ durch den Naturstreifen errichtet werden, sondern im Interesse der von der Planung betroffenen Fledermaus- und Vogelarten, denen ihre Flugrouten bzw. Brutplätze zwischen den hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung denselben rechtlichen Regelungen unterworfenen Flächen erhalten werden sollen, wird der Naturstreifen als „Puffer“ erhalten und entsprechend festgesetzt (so auch S. 33 der Planbegründung).

40

Eine rein faktisch abgrenzende Wirkung des Streifens – auf welche sich die Antragsgegnerin beruft – ist vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass die Beantwortung der bauplanungsrechtlichen Frage, inwieweit die von der Geltendmachung eines Gebietsschutzanspruchs betroffenen Grundstücke in demselben Baugebiet belegen sind, allein anhand normativer Kriterien zu beantworten ist (OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2015, 2 Bs 165/15, S. 14).

41

2. Das Vorhaben der Antragsgegnerin zielt auf eine gebietsfremde Nutzung. Zulässig nach Art der baulichen Nutzung sind in reinen Wohngebieten gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO regelhaft Wohngebäude sowie Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Ausnahmsweise können neben den hier nicht relevanten gewerblichen Anlagen i.S.v. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sonstige Anlagen für soziale Zwecke (sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kulturelle, gesundheitliche oder sportliche Zwecke) zugelassen werden. Die vorliegend in Rede stehende Einrichtung stellt keine Wohnnutzung dar (hierzu unter a). Sie ist auch nicht als soziale Einrichtung in einem reinen Wohngebiet zulässig (hierzu unter b). Ihre bauplanungsrechtliche Zulässigkeit folgt schließlich nicht aus der nach § 246 Abs. 12 BauGB erteilten Befreiung von den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung (hierzu unter c).

42

a) In der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, der sonstigen Oberverwaltungsgerichte sowie des Verwaltungsgerichts Hamburg ist geklärt, dass Anlagen zur öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in der Form der Erstaufnahmeeinrichtung keine Wohnnutzung darstellen, da es jedenfalls an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Diese Einrichtungen sind vielmehr – insbesondere in Ansehung der Residenzpflicht nach § 47 AsylG sowie der von der Einrichtung zu gewährleistenden zentralen Vollverpflegung und Versorgung mit sonstigen Sachleistungen – als Anlagen für soziale Zwecke einzuordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 30; Urteil vom 10.4.1997, Bf II 72/96, NordÖR 1999, 354; Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 22.1.2015, 9 E 4775/14; Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15, juris, Rn. 59; Beschluss vom 6.11.2015, 7 E 5650/15, S. 17; VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88; vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 6.10.2015, 3 S 1695/15, juris, Rn. 12; VG Köln, Urteil vom 11.1.2012, 23 K 1277/11, juris; so auch BT-Drs. 18/6185, S. 87).

43

b) Das Vorhaben der Antragsgegnerin ist, wovon bereits die streitgegenständliche Baugenehmigung selbst zutreffend ausgeht, als nicht lediglich kleine Anlage für soziale Zwecke in dem reinen Wohngebiet nicht zulässig.

44

Für die Anwendbarkeit der Ausnahmemöglichkeit gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO müsste es sich bei einer Anlage für soziale Zwecke in einem reinen Wohngebiet um eine sogenannte kleine, gebietstypische Anlage handeln, die sich in die Zweckbestimmung des Baugebiets fügt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 39; Beschluss vom 28.11.2012, 2 Bs 210/12, NVwZ-RR 2013, 352, 354; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 3 BauNVO, Rn. 79). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten, insbesondere der reinen Wohnnutzung, schon der Umfang der Nutzung selbst ein typenbildendes Merkmal ist, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Diese Maßstäblichkeit gilt insbesondere auch für ausnahmsweise zulassungsfähige Nutzungen. Regelhaft erwartet werden in einem reinen Wohngebiet nur die beim privaten Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen, d.h. auch entsprechend dimensionierten Infrastruktureinrichtungen (vgl. VGH Mannheim zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber mit 26 Plätzen als Umnutzung eines Bestandsgebäudes, Beschluss vom 6.10.2015, 3 S 1695/15, NVwZ 2015, 1781 ff., bzw. VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88, 89, zu einer Einrichtung für 25 Personen). Für die Gebietsverträglichkeit geht es um die Frage, ob ein Vorhaben dieser Art aufgrund der typischerweise mit ihm verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung generell geeignet ist, das Wohnen in einem reinen Wohngebiet zu stören (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88), insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 41). Individuelle Besonderheiten der zu betrachtenden Einrichtung, des Verhaltens der darin untergebrachten Personen oder auch besondere individuelle Fähigkeiten des Betreibers zur Herabsetzung der Störungsintensität einer konkreten Einrichtung sind demgegenüber wegen des eine typisierende Betrachtung erfordernden Maßstabs des Gebietserhaltungsanspruchs nicht in die gerichtliche Prüfung einzubeziehen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 18.9.2015, 3 B 1518/15, NVwZ 2016, 88). Die Bewertung der Dimensionierung ergibt sich aus dem Vergleich mit der plangemäßen Bebauung, insoweit unter Berücksichtigung der Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 43); in durch geringe Verdichtung geprägten Gebieten können dementsprechend nur solche Anlagen ausnahmsweise zugelassen werden, die der Eigenart des konkreten Gebiets entsprechen (so, unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 BauNVO als ergänzender rechtlicher Maßstab, Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 3 BauNVO, Rn. 79).

45

Nach diesem Maßstab kann das Vorhaben nicht als eine in dem reinen Wohngebiet gebietsverträgliche, zulässige „kleine“, die Zweckbestimmung des Baugebiets nicht gefährdende (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 39; Beschluss vom 28.11.2012, 2 Bs 210/12, NVwZ-RR 2013, 352, 354; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL, Stand: 8/2015, § 3 BauNVO, Rn. 79) Anlage für soziale Zwecke gewertet werden.

46

Mit seiner Erstreckung auf insgesamt 24 zumeist große Baukörper (mit insgesamt 238 Einheiten, die für jeweils 4 Personen nutzbar wären) bzw. Teilanlagen (vgl. Lageplan, Vorlage Nr. 7/21), der Ausrichtung auf (derzeit) 252 Nutzer zuzüglich Personal und der Ausdehnung über den gesamten westlichen Planbereich geht das Vorhaben weit über die in dem Bebauungsplan angelegte kleinteilige Wohngebietsausweisung hinaus: Durch den Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 sollten insbesondere für das städtische Grundstück (Flurstück 420) am Fiersbarg die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau von insgesamt nur 40 bis 45 Wohneinheiten in Form von Einzel, Doppel- und Reihenhäusern sowie in (drei) Stadtvillen (diese mit bis zu 5 Wohneinheiten) geschaffen werden (vgl. Bebauungskonzept, Planbegründung S. 5). Hierfür wurden insgesamt für die bauliche Nutzung nur 17 Baufenster bestimmt und hierbei „die Baugrenzen ... baukörperscharf festgesetzt, um die Umsetzung des Bebauungskonzeptes zu gewährleisten" (S. 24 der Planbegründung). Die Reihenhauszeilen sollten aus je drei Einheiten bestehen (S. 25 der Planbegründung) und die höchstzulässige Zahl der Wohneinheiten in Wohngebäuden wurde „gemäß der im Bebauungskonzept vorgesehenen Gebäudetypen mit einer Wohnung in den Einzel- und Doppelhaustypen sowie in den Hausgruppen und mit 5 Wohnungen für die Stadtvillen festgesetzt" (S. 25 der Planbegründung).

47

Im Übrigen ist die Einrichtung bei der gebotenen typisierenden Betrachtung auch ihrer Zweckbestimmung nach in einem reinen Wohngebiet nicht gebietsverträglich (vgl. im Einzelnen Beschluss der Kammer vom 15.12.2015, 7 E 6128/15). Auch in der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist - für eine Folgeunterkunft, d.h. für eine Nutzung mit geringerer Belegungsdichte sowie durch Personen mit günstigerer Bleibeperspektive - geklärt, dass eine größere Einrichtung zur öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern bei typisierender Betrachtung als in einem reinen Wohngebiet gebietsunverträglich anzusehen ist (OVG Hamburg, Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43 ff.). Dies muss erst recht für Einrichtungen wie die vorliegend zu betrachtende gelten, denn hierbei soll es sich um eine sogenannte zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) handeln, welche i.S.v. § 47 AsylG dazu dient, Ausländer unmittelbar nach Stellung ihres Asylauftrags, also unmittelbar nach ihrer Ankunft in Hamburg, für mindestens sechs Wochen, längstens sechs Monate (gemäß Absatz 1a der Vorschrift Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat allerdings auch länger), unterzubringen. Gerade solche Einrichtungen sind nach den spezifischen Belegungs- und Nutzungsbedingungen geeignet, typischerweise erhebliche Auswirkungen auf die Wohnruhe eines reinen Wohngebiets zu entfalten.

48

c) Bauplanungsrechtlich zulässig wird das Vorhaben auch nicht durch die Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB; die Befreiung ist rechtswidrig und nicht geeignet, die Verbindlichkeit der Ausweisung „reines Wohngebiet" wie auch des daraus folgenden Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 1) bis 4) aufzuheben.

49

Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Befreiung nach § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB sind nicht erfüllt.

50

Nach dieser Vorschrift kann bis zum 31. Dezember 2019 für die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

51

Insoweit kann vorliegend dahingestellt bleiben, wie der Begriff der mobilen Anlage widerspruchsfrei abzugrenzen ist, d.h. ob es sich bei der Gesamtanlage wegen der Verwendung von Containern als wesentliche Bauelemente und trotz der erforderlichen Erschließungs- und Fundamentierungsarbeiten um eine im Rechtssinne mobile Unterkunft i.S.v. § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB handelt, bzw. wie der Umstand zu erklären ist, dass eine andere Behörde der Antragsgegnerin zu einer für einen anderen Standort vorgesehenen, ebenfalls wesentlich aus Containern gleicher Bauart zusammengesetzten, um Dachbauteile ergänzten Anlage eine „Fachbehördliche Entscheidung“ nach § 246 Abs. 14 BauGB vorgelegt hat, welche zur Begründung der Anwendung von § 246 Abs. 14 BauGB betont:

52

„Die Erteilung einer befristeten Zulassung nach Abs. 12 scheidet aus, da die zu errichtenden Anlagen keine 'mobilen Unterkünfte' im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind. Vielmehr werden von umfangreichen Erschließungsmaßnahmen begleitete, fest gegründete Bauten errichtet.“

53

Vorliegend ist entscheidend, dass die allgemeine Tatbestandsvoraussetzung nach § 246 Abs. 12 Satz 1 a.E. BauGB, wonach die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, nicht erfüllt ist.

54

Die Frage nach der Vereinbarkeit der Befreiung mit den öffentlichen Belangen ist im vorliegenden Nachbarstreitverfahren trotz seiner prozessrechtlichen Beschränkung auf die subjektiven Rechte der Antragsteller (vgl. o.) Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Betrifft die Erteilung einer Befreiung eine nachbarschützende Festsetzung – hier zur Art der baulichen Nutzung (s.o.) –, führt bereits das Fehlen der objektiven Befreiungsvoraussetzungen zu einer Verletzung von Nachbarrechten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, 4 C 8.84, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71, und Beschluss vom 8.7.1998, 4 B 64/98, NVwZ-RR 1999, 8).

55

Der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen steht hier entgegen, dass die Befreiung von der Art der baulichen Nutzung sich als Verletzung eines Grundzugs der Planung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 erweist. Zu den öffentlichen Belangen, mit denen ein Vorhaben gemäß § 246 Abs. 12 BauGB zu vereinbaren sein muss, gehört insbesondere die Beachtung der Grundzüge der Planung - jedenfalls dergestalt, dass sie durch die Befreiung nicht verletzt werden dürfen (hierzu unter aa)). Steht ein erheblicher öffentlicher Belang der Befreiung entgegen, ist sie ausgeschlossen; andere, für die Befreiung sprechende Belange sind dann unerheblich und insbesondere nicht im Wege einer Gesamtabwägung zur Geltung zu bringen (hierzu unter bb)).

56

aa) Die erteilte Befreiung von der Art der baulichen Nutzung ist schon deshalb nicht mit den öffentlichen Belangen im Sinne von § 246 Abs. 12 BauGB vereinbar, weil sie einen Grundzug der Planung verletzt.

57

aaa) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ermächtigt die Vorschrift nicht zu einer unbeschränkten Abweichung von den Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplans. Mit dem Gebot, dass die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, ist jedenfalls verbunden, dass die Grundzüge der Planung nicht verletzt werden dürfen.

58

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der öffentlichen Belange im Zusammenhang mit der bauplanungsrechtlichen Befreiung lässt sich dieser nicht allgemein randscharf abgrenzen, umfasst indes immer die Wahrung des wesentlichen Gehalts des Bebauungsplans (BVerwG, Urteil vom 19.9.2002, 4 C 13/01, BVerwGE 117, 50):

59

„Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt der Schluss, eine Befreiung sei mit den öffentlichen (bodenrechtlichen) Belangen nicht vereinbar, um so näher, je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht einer Planung eingreift. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht, so dass es bei unterstellter Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB nicht zugelassen werden dürfte (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78 f.>)."

60

In der angeführten Grundsatzentscheidung vom 9. Juni 1978 hatte das Bundesverwaltungsgericht die zentrale Bedeutung des Schutzes der Grundzüge der Planung für das System der bauplanungsrechtlichen Ordnung erläutert:

61

„Durch die Entgegensetzung von Regelfällen und Sonderfällen wird auch die Grenze zwischen der Befreiung und der etwa erforderlichen Planänderung markiert: Ist die Befreiung auf atypische Sonderfälle beschränkt, so folgt daraus, daß in allen übrigen (Regelfällen) Fällen zulässige Abweichungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nur mit Hilfe eines Planänderungsverfahrens bewirkt werden können. Diese Folgerung entspricht in dreifacher Hinsicht dem System des Bundesbaugesetzes: Zum einen dürfen die Festsetzungen eines Bebauungsplans - gemäß § 10 BBauG handelt es sich um Rechtssätze - nicht generell, insbesondere nicht in den vom Plan erfaßten Regelfällen, durch Verwaltungsakte "außer Kraft gesetzt" werden. Ferner obliegt die Änderung eines Bebauungsplans nach § 2 Abs 1 und Abs 7 BBauG 1976 der die Planungshoheit ausübenden Gemeinde und nicht der Baugenehmigungsbehörde. Außerdem ist für die Planung in § 2 Abs 5 und Abs 7, § 2a Abs 1 bis 6 BBauG 1976 ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Bürger vorgeschrieben. Würde die Baugenehmigungsbehörde gleichwohl in "Regelfällen" befreien, so würde sie damit die vom Bundesbaugesetz bestimmte Zuständigkeit und das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren umgehen.“

62

Spätere Änderungen der allgemeinen bauplanungsrechtlichen Befreiungsvorschrift, des § 31 Abs. 2 BauGB, mit denen das Verbot, mit einer Befreiung die Grundzüge der Planung zu berühren, in den Normtext eingefügt und tatbestandlich zugeordnet worden ist, sind angesichts der Systemnotwendigkeit einer die Grundentscheidungen des Plangebers schützenden Grenze für die Abweichungsentscheidung der Baugenehmigungsbehörde lediglich als (den Maßstab verfeinernde) Bestätigung dessen zu verstehen, was mit dem Begriff der „öffentlichen Belange" bereits vorgegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999, 4 B 5/99, ZfBR 1999, 283). In der Abfolge des Normwortlauts des § 31 Abs. 2 BauGB gegenüber der Bedingung, dass die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, vorgehende einzelne Tatbestandselemente bzw. einzelne Befreiungstatbestände können sich zwar bereits auf die Vereinbarkeit mit der Plankonzeption beziehen; dies ändert indes nichts daran, dass die Wahrung der Grundzüge des Bebauungsplans wesentlicher Gegenstand des Begriffs der öffentlichen Belange ist (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 55 ff.).

63

Die Bedingung, dass die Befreiung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, hat in der speziellen Befreiungsnorm des § 246 Abs. 12 BauGB keine andere Bedeutung als im Rahmen der allgemeinen Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB. Insoweit sind nicht nur der Wortlaut und die systematische Stellung innerhalb der Norm identisch. Dasselbe Ergebnis folgt auch aus der gesamtsystematischen Betrachtung, insbesondere dem Abgleich mit höherrangigem Recht, sowie Sinn und Zweck der Vorschrift; das vorliegende Material über den Gesetzgebungsvorgang steht dem ebenfalls nicht entgegen.

64

Der verfassungsrechtliche Rahmen für die Möglichkeiten der Baugenehmigungsbehörde, von der - rechtssatzförmigen - Entscheidung des Plangebers über die bauliche Entwicklung des Plangebietes abzuweichen, ist für alle Vorschriften zur bauplanungsrechtlichen Befreiung gleich: Zulässiger Zweck der im Baugesetzbuch – auch vor Inkrafttreten des § 246 Abs. 12 BauGB im Zuge des sog. „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes“ am 24.10.2015 – bereits enthaltenen Bestimmungen, die es unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, von den Festsetzungen eines Bebauungsplans abzuweichen, ist es, durch eine gewisse Flexibilisierung planerischer Festsetzungen vor dem Hintergrund des Übermaßverbots Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 1). Abweichungsvorschriften, zu denen auch § 246 Abs. 12 BauGB zu zählen ist, stehen damit in einem Spannungsverhältnis zu anderen elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen bzw. grundgesetzlichen Garantien. Die Rechtssicherheit als ein i.S.d. Art. 20 GG wesentliches Element der Rechtsstaatsgarantie erfordert eine Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit der Rechtslage und der Rechtsanwendung (BVerfG, Beschluss vom 8.1.1981, 2 BvL 3/77, 9/77, BVerfGE 56, 1, 12; Beschluss vom 9.4.2003, 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01, BVerfGE 108, 52, 75; Beschluss vom 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 53 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 20, Rn. 58), die nur dann gewahrt bleibt, wenn die Möglichkeit zur Abweichung von planungsrechtlichen Festsetzungen durch gesetzlich normierte Voraussetzungen auf ein vertretbares Maß beschränkt wird (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 2).

65

Zu beachten ist zudem die Zuordnung der Befugnisse. Vor dem Hintergrund des Art. 28 Abs. 2 GG darf durch die Schaffung von Abweichungsvorschriften oder ihre Anwendung die Umgehung einer eigentlich erforderlichen Planänderung nicht ermöglicht werden (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 28). In die sachliche Reichweite der hierdurch geschützten und garantierten gemeindlichen Selbstverwaltung fällt als eine der sog. Gemeindehoheiten auch die Planungshoheit als Befugnis der Gemeinde zur Ordnung und Gestaltung des Gemeindegebiets im Sinne einer längerfristigen Entwicklung, namentlich in Ansehung der baulichen Nutzung (BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980, 2 BvR 584/76 et. al., BVerfGE 56, 298, 310, 317 f.; BVerwG, Urteil vom 16.12.1988, 4 C 40/83, BVerwGE 81, 95, 106; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28, Rn. 13; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Ed. 26, Stand: 9/2015, Art. 28, Rn. 40.5). Auch und gerade hieraus ergibt sich der Vorbehalt, nach dem der Bebauungsplan als Rechtsnorm grundsätzlich nur durch Änderung, Ergänzung oder Aufhebung in seinem Inhalt geändert werden kann, so dass Abweichungsvorschriften nicht dazu verwendet werden dürfen, den Bebauungsplan – wie es hier die Antragsgegnerin beabsichtigt – an geänderte tatsächliche Verhältnisse oder neue städtebauliche Vorstellungen anzupassen (BVerwG, Urteil vom 9.6.1978, 4 C 54.75; Beschluss vom 13.2.1996, 4 B 199.95; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 15), und es allein der Gemeinde vorbehalten ist, eine solche Anpassung durch Änderung des Bebauungsplans selbst herbeizuführen, nicht der Bauordnungsbehörde im Wege einer Abweichungsentscheidung (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 15). Zudem ist wegen der grundrechtsgestaltenden Wirkung der Planung von erheblicher Bedeutung, dass die nach den §§ 3 und 4 BauGB notwendige Beteiligung der Bürger und Träger öffentlicher Belange nicht im Wege behördlicher Abweichungsentscheidungen unterlaufen oder geradezu „aus den Angeln gehoben“ wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999, 4 B 5/99, NVwZ 1999, 1110; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31, Rn. 29). Dies gilt auch in der Einheitsgemeinde Hamburg, in der den Bezirksämtern sowohl die Bauaufsicht als auch die Aufstellung der Bebauungspläne übertragen ist (OVG Hamburg, Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13, S. 6); wird durch die Erteilung einer Befreiung eine an sich erforderliche Planänderung funktionell ersetzt, handelt es sich um einen Übergriff der Bauaufsicht in die Kompetenz der Bauleitplanung.

66

Ein von dem allgemeinen abweichendes Verständnis des Begriffs „öffentliche Belange" dergestalt, dass im Rahmen von § 246 Abs. 12 BauGB das Verhältnis zwischen dem durch Befreiung zu ermöglichenden Vorhaben und dem Konzept des Bebauungsplans unerheblich sein sollte, ist auch weder nach der Systematik der Vorschrift selbst anzunehmen, noch nach den sonstigen Zusammenhängen mit den übrigen Vorschriften des Baugesetzbuches. Zu beachten ist insoweit zunächst, dass der maßgebliche Normkontext darin besteht, dass die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen zu den Bedingungen für eine auch nur in das Ermessen der Baugenehmigungsbehörde gestellte Befreiung gehört. Schon dem Begriff der „Befreiung" ist der Ausnahmecharakter immanent, d.h. das Sonderverhältnis zu der Regel, die schlicht in der Beachtung des Bebauungsplans liegt (vgl. bereits oben, BVerwG, Urteil vom 9.6.1978, aaO.). Zielt das Gesetz demgegenüber selbst darauf, dem Bebauungsplan bzw. seinen Grundzügen die Maßgeblichkeit zu nehmen bzw. seine Regelungsaussage zu ändern, so bringt es dies - auch zur Wahrung des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit - unmittelbar zum Ausdruck und setzt die gewünschte Rechtsfolge selbst verbindlich (vgl. u.a. §§ 245a Abs. 1, 246 Abs. 11 BauGB). Vor diesem Hintergrund ist auch, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin, die Auslegung des § 246 Abs. 10 BauGB (durch den VGH Mannheim, Beschluss vom 11.3.2015, 8 S 492/15, juris), wonach dessen Zielrichtung, Unterkünfte auch in Gewerbegebieten zu ermöglichen, es verbiete, bei der Prüfung der entgegenstehenden öffentlichen Belange auf die Planfestsetzung zur Art der baulichen Nutzung abzustellen, nicht auf § 246 Abs. 12 BauGB zu übertragen. Das ergibt sich bereits daraus, dass es insoweit um Vorschriften maßgeblich unterschiedlicher Struktur geht: § 246 Abs. 10 BauGB setzt (als Bundesgesetz) allgemein bei dem planungsrechtlichen Bedeutungsgehalt der Gewerbegebietsausweisung an, während § 246 Abs. 12 BauGB die planerische Grundaussage selbst nicht regelt, sondern ihre Beachtung der Baugenehmigungsbehörde überantwortet.

67

Die intendierte Rücksichtnahme auf die besondere Stellung des Plangebers drückt sich in § 246 Abs. 12 BauGB weiter darin aus, dass Satz 2 der Vorschrift § 36 des Gesetzes für entsprechend anwendbar erklärt. Hiernach ist die für die Bebauungsplanung zuständige Gemeinde an dem Genehmigungsverfahren zu beteiligen, sie kann, wie § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB im Sinne eines Numerus Clausus, zugleich indes die Erheblichkeit der Grundzüge der Planung bestätigend anführt, das Einvernehmen wirksam u.a. aus den sich aus § 31 BauGB ergebenden Gründen versagen. Dementsprechend stellt sich der Umstand, dass § 246 Abs. 12 BauGB die besondere Befreiungsmöglichkeit nur mit einer Befristung auf (zunächst, vgl. Abs. 17 der Vorschrift) drei Jahre und nur für die Errichtung mobiler Unterkünfte (oder die Umnutzung von Baulichkeiten in besonderen Gebieten) eröffnet, lediglich als Einschränkung des Anwendungsbereichs dar. Begründet wird durch diese Einschränkungen nicht das Erfordernis einer eigenständigen Definition des Begriffs der öffentlichen Belange, sondern die Möglichkeit, dass sich im Einzelfall ein Vorhaben im Hinblick auch auf die konkrete zeitliche Befristung der Befreiung als für die Grundkonzeption des Bebauungsplans unerheblich erweist.

68

Auch der Abgleich der Regelungssystematik mit § 31 Abs. 2 BauGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar enthält § 246 Abs. 12 BauGB gerade nicht die dort gesondert von den öffentlichen Belangen angeführte Bedingung, dass die „Grundzüge der Planung nicht berührt werden". Hierbei handelt es sich nach der Begründung zu dem Entwurf der Bundesregierung, wonach eine Befreiung auch dann möglich sein soll, „wenn die Grundzüge der Planung berührt werden" (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 54), auch um eine bewusste Abweichung von der allgemeinen Befreiungsvorschrift. Ergebnis dieser Regelungstechnik ist indes nur, dass die besondere Grenze für Beeinträchtigungen der Grundzüge der Planung, die § 31 Abs. 2 BauGB mit „berührt" definiert, als solche nicht auf die Befreiungen nach § 246 Abs. 12 BauGB anzuwenden ist, während die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl.o.) in dem Begriff der öffentlichen Belange enthaltene, allgemeine, grundsätzliche Grenzziehung zugunsten der Verbindlichkeit des Bebauungsplans zu beachten bleibt. Auch der Satz in der Entwurfsbegründung (aaO., S. 54 u.) „Soweit sich im zeitlich befristeten Nutzungszeitraum der Flüchtlingseinrichtung ergibt, dass eine langfristige Nutzung erforderlich wird, wäre eine nachhaltige Bauleitplanung erforderlich", erfordert im Übrigen keine abweichende Auslegung des dort zugrunde liegenden Systemverständnisses. Denn auch in dem Fall, dass das durch Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB ermöglichte Vorhaben die Grundzüge der Planung iSv. § 31 Abs. 2 BauGB berührt, jedoch nicht in einer Weise verletzt, dass es mit den öffentlichen Belangen iSv. § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB unvereinbar wäre, ist nach Verfassungsrecht wie auch Systematik des Baugesetzbuches (vgl.o.) eine Auflösung des Widerspruchs zu dem Bebauungsplan durch eine Planänderung angemessen.

69

Nach allem hat die von § 31 Abs. 2 BauGB teilweise abweichende Formulierung der Befreiungsvorschrift in § 246 Abs. 12 BauG nur zur Folge, dass hier jener, mit „nicht berührt" besonders strenge Maßstab zur Wahrung der Grundzüge der Planung nicht anzuwenden ist. Die allgemeinen Anforderungen an das Verhältnis zwischen Einzelfallentscheidung der Baugenehmigungsbehörde und Planentscheidung des Plangebers verlangen demgegenüber weiterhin Beachtung. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 19.9.2002, 4 C 13/01, BVerwGE 117, 50) ist danach als unvereinbar mit öffentlichen Belangen eine Befreiung ausgeschlossen, „wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht, so dass es bei unterstellter Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB nicht zugelassen werden dürfte". Dieses Kriterium dürfte sachgerecht in der Formulierung zusammenzufassen sein, dass eine Befreiung mit den öffentlichen Belangen iSv. § 246 Abs. 12 BauGB insbesondere dann nicht vereinbar ist, wenn das Vorhaben die Grundzüge der Planung in diesem Sinne schwerwiegend beeinträchtigt, d.h. verletzt.

70

Die Bezugnahme nicht allein auf § 246 Abs. 12 BauGB, sondern zugleich auf § 31 Abs. 2 BauGB in dem Baugenehmigungsbescheid ergibt im Übrigen keinen anderen Maßstab für die Zulässigkeit der erteilten Befreiung. Insoweit handelt es sich lediglich, wie das die Nichtanwendbarkeit der Schranken in § 31 Abs. 2 BauGB betonende Vorbringen der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren bestätigt, um eine an die übliche Terminologie bei bauplanungsrechtlichen Befreiungsentscheidungen anknüpfende Formulierung. Rechtlich werden mit einer Berufung auch auf § 31 Abs. 2 BauGB indes keine über § 246 Abs. 12 BauGB hinausgehenden bzw. davon zugunsten des Vorhabens abweichenden Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet (vgl.o.).

71

bbb) Die von der Antragsgegnerin gemäß § 246 Abs. 12 BauGB erteilte Befreiung von der Art der baulichen Nutzung ist im Sinne des aufgezeigten Maßstabs nicht mit öffentlichen Belangen vereinbar. Sie steht in deutlichem Gegensatz zu dem Plankonzept des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 und verletzt damit die Grundzüge der Planung.

72

Das den Grundzügen der Planung zugrunde liegende Plankonzept beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Willen des Plangebers. Zu dessen Ermittlung ist neben zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Plans auch seine Begründung auszuwerten (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 31, Rn. 36; Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand: 4/2015, § 31, Rn. 61).

73

Die Bestimmung insbesondere der Art der baulichen Nutzung gerade für die Fläche des Flurstücks 420 war wesentlicher Anlass für die Aufstellung sowie wesentlicher Gegenstand des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19; dies macht im Übrigen die Antragsgegnerin selbst, wenn auch in anderem Zusammenhang (nämlich als vermeintlicher Beleg für die normative Trennung der Flächen westlich und östlich des Naturstreifens), geltend.

74

Schon den zeichnerischen Festsetzungen ist die zentrale Bedeutung der „WR"-Ausweisung insbesondere des Flurstücks 420 zu entnehmen. Hiernach ist die reine Wohnnutzung die einzige eröffnete bauliche Nutzung, sind die Baufenster mit den unterschiedlichen Maßen der baulichen Nutzbarkeit aufeinander bezogen angeordnet und gruppieren sich die sonstigen Flächenausweisungen darum, die Wohnruhe und den Grünschutz begünstigend, herum.

75

Die Planbegründung bestätigt die entsprechende planerische Absicht. Hiernach war es ein besonderes Anliegen der Planaufstellung, im Plangebiet die Realisierung von Familienheimen und sonstiger kleinteiliger Wohnnutzung zu ermöglichen. Ausdrücklich für das nunmehr in Rede stehende Vorhabengrundstück sollten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau von 40 bis 45 Wohneinheiten in Form von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern sowie in Stadtvillen, davon 30 % öffentlich gefördert, geschaffen werden (S. 3 der Planbegründung), wodurch ein Beitrag zum dringend benötigten Wohnungsbau in Hamburg geleistet werden sollte (S. 3 der Planbegründung). Die neuen und bestehenden Bauflächen sollten für die Wohnnutzung bei entsprechender Wohnruhe gesichert werden, was durch die Festsetzung eines reinen Wohngebiets, insbesondere für das jetzige Vorhabengrundstück, geschehen sollte (S. 24 der Planbegründung). Ausdrücklich erkennt die Planbegründung dabei an, dass derartige Wohnlagen in Hamburg besonders nachgefragt und „unverzichtbares Segment des gesamtstädtischen Wohnungsmarktes“ seien (S. 24 der Planbegründung). Durch die eine solche Wohnbebauung ermöglichende Festsetzung sollte auch der Abwanderung in das Umland entgegengewirkt werden (S. 24 der Planbegründung).

76

Eine überdies gerade auch auf den Ausschluss anderer Nutzungsarten zielende Intention der Planentscheidung für die reine Wohnnutzung ergibt sich zudem daraus, dass die planerische Grundentscheidung zur Ausweisung des Vorhabengrundstücks als Teil eines reinen Wohngebiets von dem Plangeber gerade auch in bewusster Abkehr von einer vorherigen Nutzung der Fläche mit einer großen sozialen Einrichtung (sog. „Pavillon-Dorf“) erfolgte, obwohl seinerzeit (im Januar 2015) ein Bedarf an Schaffung von Unterkunftsplätzen bereits bestand und von der Antragsgegnerin für andere Standorte auch als dringlich geltend gemacht wurde.

77

Die erteilte Befreiung von der Art der baulichen Nutzung für das streitgegenständliche Vorhaben stellt sich hiernach als erhebliche Verletzung dieser Grundzüge der Planung dar, die einer Umplanung gleichkommt: Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die hierbei in Anspruch genommene Fläche - das Grundstück von rund 32.000 m2 wird der plangemäßen Bebaubarkeit für Wohngebäude vollständig entzogen -, und ihren hohen Anteil (von etwa drei Fünfteln) an der Gesamtfläche des Geltungsbereichs des Bebauungsplans.

78

Diese Verletzung der Grundzüge der Planung wird schließlich nicht dadurch unbeachtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung nur eine dreijährige Nutzungszeit für die geplante Einrichtung legalisiert. Allein aus der (gegenwärtigen) Befristung einer Genehmigung kann nicht gefolgert werden, dass Grundzüge der Planung durch diese nicht berührt werden (OVG Hamburg, Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13, juris, Rn. 11 ff.). Für die vorliegend festgestellte Verletzung der Grundzüge der Planung gilt nichts anderes. Ein Ausschluss der Planumsetzung für drei Jahre hat bereits erhebliches Gewicht. Überdies kann diese Befristung nicht damit gleichgesetzt werden, dass nach ihrem Ablauf die Fläche tatsächlich der plangemäßen Nutzung zur Verfügung stünde.

79

bb) Ist die Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB mit dem öffentlichen Belang, dass die Grundzüge der Planung nicht verletzt werden dürfen, nicht vereinbar, ist sie ausgeschlossen. Andere, gegebenenfalls für die Befreiung sprechende Belange sind insoweit nicht geeignet, die Verletzung der Grundzüge der Planung im Wege einer Gesamtabwägung zu kompensieren (vgl. Roeser, in: Berliner Kommentar BauGB, 3. Aufl. 2002, 7. EL., Stand: 9/2006, § 31, Rn. 18; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, 75. EL., Stand: 7/2010, § 31, Rn. 54). Auch dies ist Ausdruck der zu unterscheidenden Befugnisse der Baugenehmigungsbehörde einerseits (zur Einzelfallregelung in Umsetzung des Bebauungsplans) und des Plangebers andererseits (zur umfassenden Gestaltung der städtebaulichen Entwicklung). Die auf die seinerzeitige Normfassung bezogenen Erläuterungen des Bundesverwaltungsgerichts hierzu (Urteil vom 9.6.1978, IV C 54.75, BVerwGE 56, 71) gelten in der Sache unverändert:

80

„Eine Befreiung, mit der einem bestimmten öffentlichen Interesse Rechnung getragen werden soll, verbietet sich, wenn dadurch die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt würde. In Fällen dieser Art bedarf es eines Ausgleichs zwischen einander widerstreitenden - häufig zum Teil bodenrechtlich, zum anderen Teil nicht-bodenrechtlichen - Gemeininteressen. Ein solcher Ausgleich bedarf gleichsam der Einbettung in die gesamte Interessenlage. Die Befreiung ist nicht das geeignete und deshalb auch nicht das zugelassene Mittel, dies zu erreichen. Steht der Befreiung ein bodenrechtlicher Belang in beachtlicher Weise entgegen, so vermag sich gegen ihn weder der atypische - obschon vielleicht gewichtige - Gemeinwohlgrund durchzusetzen, noch ist eine "Kompensation" (Saldierung) aller betroffenen, für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange möglich. Für eine Kompensation oder Saldierung der öffentlichen Belange im Sinne einer Bevorzugung des einen Belanges unter Zurücksetzung anderer Belange läßt das Gesetz bei der Anwendung des § 31 Abs 2 BBauG so wenig Raum wie bei der Anwendung des § 35 BBauG (vgl Urteil vom 16. Februar 1973 - BVerwG IV C 61.70 - BVerwGE 42, 8 (15/16)) und des § 34 BBauG (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.76 -). Eine solche Saldierung widerstreitender Belange würde eine Abwägung im Sinne des § 1 Abs 7 BBauG 1976 voraussetzen. Eine derartige Abwägung ist gekennzeichnet durch die Gewichtung der einzelnen Belange und durch ihren - zur Gewichtigkeit der einzelnen Belange nicht außer Verhältnis stehenden - Ausgleich (Urteil vom 5. Juli 1974 - BVerwG IV C 50.72 - aaO (S 314ff) unter Hinweis auf das Urteil vom 12. Dezember 1969 - BVerwG IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301). Sie erfordert notwendig den Einsatz einer spezifisch planerischen Gestaltungsfreiheit (vgl insbesondere Urteil vom 12. Dezember 1969 aaO S 309f). Eine derartige "planerische" Abwägung kann nach dem System des Bundesbaugesetzes nicht im Zuge einer von der Baugenehmigungsbehörde auszusprechenden Befreiung vorgenommen werden.“

II.

81

Die erteilte Baugenehmigung regelt die Errichtung und den Betrieb der Einrichtung mit einer Belegung mit 252 Personen in einer Weise, dass eigene Rechte der Antragsteller zu 5) bis 7) nicht verletzt werden. Weder können die Antragsteller zu 5) bis 7) einen Gebietserhaltungsanspruch bzw. Gebietsprägungserhaltungsanspruch geltend machen (hierzu unter 1.), noch verstößt die Baugenehmigung in Bezug auf die Antragsteller zu 5) bis 7) gegen das Rücksichtnahmegebot (hierzu unter 2.).

82

1. Die Verletzung eines Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 5) bis 7) scheitert bereits daran, dass die im Eigentum dieser Antragsteller stehenden Grundstücke nicht in demselben Baugebiet wie das Vorhabengrundstück belegen sind, sondern in dem Geltungsbereich eines anderen Plans, nämlich des Baustufenplans Lemsahl-Mellingstedt (vgl.o.).

83

Auch für das Bestehen eines sogenannten gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller zu 5) bis 7) ist nichts erkennbar. Einem außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, in welchem das umstrittene Vorhaben verwirklicht werden soll, ansässigen Nachbarn kommt im Grundsatz kraft Bundesrechts kein Gebietserhaltungsanspruch zu, da das „planungsrechtliche Austauschverhältnis“ begriffsnotwendig nur für die im Planungsverband zusammengeschlossenen Grundeigentümer in Frage kommt (BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Leitsatz 1). Das gilt auch für unmittelbar angrenzende, in einem anderen Bebauungsplangebiet liegende Grundstücke; wenn – wie vorliegend – zwischen den am Nachbarstreit beteiligten Grundstücken die Grenze der Bebauungspläne verläuft, steht dem außerhalb des Bebauungsplanes Ansässigen bundesrechtlich allenfalls der Schutz aus dem Rücksichtnahmegebot zu (so ausdr. Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 31. Ed., Stand: 10/2015, § 31, Rn. 78). Ein gebietsübergreifender Schutz eines Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen wäre m.a.W. nicht bundesrechtlich vorgegeben, sondern müsste durch den Bebauungsplan, der für das Vorhabengrundstück gilt, begründet werden. Dies setzt den erkennbaren Willen des Plangebers voraus, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 13.9.2013, 9 E 3452/13, juris, Leitsatz 1 und Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Koblenz, Beschluss vom 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9). Dies ist vorliegend hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 zur Art der baulichen Nutzung in Bezug auf die Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) nicht anzunehmen. Anlass der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung des Plangebiets – insbesondere des jetzigen Vorhabengrundstücks – als reines Wohngebiet war – wie ausgeführt – die von dem Plangeber beabsichtigte Schaffung zusätzlichen Wohnraums insbesondere für Familien mit sichergestellter entsprechender Wohnruhe (vgl. S. 24 der Planbegründung). Der Umstand, dass auch südlich des XY, dem Baustufenplan entsprechend, reine Wohnnutzung den Bestand prägt, hat den Plangeber des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 zwar in seiner auf den Schutz von Wohnruhe und aufgelockerter Bebauung zielenden Konzeption bestätigt (bzw. diese mit begründet), ihn jedoch nicht erkennbar dazu bewegt, die Schutzwirkung der „WR"-Ausweisung auch auf die Flächen jenseits der Plangebietsgrenzen auszuweiten. Die Planbegründung spricht insofern zwar auch von einem Planungsziel, eine für die angrenzende Wohnnutzung verträgliche Nutzung zu gewährleisten (S. 24 der Planbegründung). Hieraus folgt aber nicht, dass - über allgemein städtebauliche Erwägungen hinaus (vgl. auch § 50 BImSchG) - die Eigentümer dort belegener Grundstücke auch einen Anspruch auf Einhaltung des Gebietscharakters der Planflächen als reines Wohngebiet erhalten sollten. Schon objektiv-rechtlich wäre im Übrigen insoweit u.a. ein Nebeneinander von reinem und allgemeinem Wohngebiet zulässig, d.h. würde die genannten Anforderungen erfüllen.

84

Ebenso wenig steht den Antragstellern zu 5) bis 7) der sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch i.S.d. § 15 Abs.1 Satz 1 BauNVO zu. Auch dieser Anspruch kann lediglich von Nachbarn geltend gemacht werden, deren Grundstücke in demselben Plangebiet belegen sind wie das Vorhabengrundstück (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL., Stand: 8/2015, § 15 BauNVO, Rn. 37 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Leitsatz 1).

85

2. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist in Bezug auf das genehmigte, eine Belegung mit 252 Personen betreffende Vorhaben nicht von einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zulasten der Antragsteller zu 5) bis 7) auszugehen.

86

Allgemeine, einheitliche Maßstäbe für die gebotene Rücksichtnahme bestehen nicht; welche konkreten Anforderungen sich aus dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme ergeben, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Nachbarn ist, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen; je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist m.a.W. darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, 4 C 1/04, juris; Urteil vom 25.1.2007, 4 C 1/06, BVerwGE 128, 118 ff.). Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind gegeneinander abzuwägen. Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau, insbesondere der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen. Für die Bewertung der widerstreitenden Belange im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass im Falle eines planwidrigen und daher einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 bzw. § 246 Abs. 12 BauGB bedürftigen Vorhabens den Belangen des Vorhabenträgers tendenziell ein geringeres Gewicht beizumessen ist als bei der Beurteilung eines plankonformen Vorhabens (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.7.2009, 2 Bs 67/09, juris m.w.N.). Insoweit kommt es auf eine Drittschutzwirkung der fraglichen Planfestsetzung nicht an und ist vorliegend im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die geplante Unterkunft insbesondere der Festsetzung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 hinsichtlich der auf der Vorhabenfläche zulässigen Nutzungsart widerspricht.

87

Auch vor diesem Hintergrund ist indes im Falle einer Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht von einer unzumutbaren Belastung der Antragsteller zu 5) bis 7) auszugehen und zwar - im maßgeblichen Betrachtungsrahmen (dazu a) - weder im Hinblick auf die von ihnen geltend gemachte Lärmbelästigung (hierzu unter b) noch im Hinblick auf die geltend gemachten Verkehrsauswirkungen bzw. sonstige Unruhe (hierzu unter c) oder aufgrund einer Gesamtabwägung sämtlicher zu berücksichtigender Aspekte (hierzu unter d).

88

a) Dem Vortrag der Antragsteller, die Rücksichtslosigkeit ergebe sich auch aus einer Minderung des Marktwertes ihrer Grundstücke aufgrund des Vorhabens, ist dabei nicht näher nachzugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 6.5.2015, 2 Bf 2/12) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 11.1.1999, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159) bezieht sich der bauplanungsrechtliche Abwehranspruch aufgrund von Rücksichtslosigkeit im Rechtssinne maßgeblich auf Nutzungsstörungen. Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung bilden demgegenüber für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht.

89

Soweit die Antragsteller ihren Vortrag auf die Erwartung beziehen, dass sie durch eine Mitnutzung der südlich der Straße XY und nordwestlich der Straße XYZ belegenen großen Freifläche (Flurstück 2385) durch Personen aus der geplanten Anlage gestört werden, ist nicht dargelegt, weshalb dies derzeit in die Betrachtung der Rücksichtslosigkeit der Baugenehmigung einzustellen wäre. Eine Nutzung dieser Fläche wird durch die streitgegenständliche Baugenehmigung weder vorgesehen noch legalisiert. Sie ist auch nicht in anderer Weise der geplanten Einrichtung erkennbar zugeordnet. Solange es sich um eine bloße Grünfläche handelt, die zudem nicht frei zugänglich ist, ist auch eine faktische Zuordnung nicht anzunehmen. Sollte die Antragsgegnerin hier eine Sportanlage einrichten, so wären deren Betriebsbedingungen gesondert zu regeln.

90

Nicht zu folgen ist schließlich dem Ansatz der Antragsteller, im Wesentlichen auf Auswirkungen einer kapazitätsausschöpfenden Nutzung der Anlage abzustellen. Im vorliegenden Rechtsstreit ist nicht bereits über die von ihnen geltend gemachte Rücksichtslosigkeit einer Anlagennutzung durch 952 Personen zu befinden. Insoweit hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass schon der Baugenehmigungsbescheid (unter 4., Seite 4 oben) die Beschränkung seiner Regelungswirkung mit dem Hinweis unmissverständlich klarstellt, dass es für eine Nutzung der Einrichtung mit mehr als 252 Personen eines gesonderten Genehmigungsverfahrens bedürfte.

91

b) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass mit der genehmigten Anlage in ihrer konkreten Form eine unzumutbare Lärmbelastung der Antragsteller verbunden wäre, sind nicht erkennbar. Die Schwelle der Rücksichtslosigkeit im bauplanungsrechtlichen Sinne überschreiten Lärmimmissionen (erst) dann, wenn sie das Maß schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG erreicht haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Betrieb der Einrichtung mit 252 Personen dies zur Folge haben wird. Vielmehr trifft die Baugenehmigung insoweit eine sachgerechte Regelung zur Konfliktbewältigung (aa), die auch in Bezug auf die Antragsteller zu 5) bis 7) zu beachten ist (bb) und deren Umsetzbarkeit im Betrieb der Einrichtung möglich erscheint (cc).

92

aa) Die Baugenehmigung sieht eine Immissionsbegrenzung vor, mit der eine rücksichtslose Lärmbelastung der Nachbargrundstücke vermieden wird. Ausweislich der Auflagen unter Nr. 8 der streitgegenständlichen Baugenehmigung soll insbesondere die Beurteilung der von der umstrittenen Anlage einschließlich aller Nebenanlagen erzeugten Geräusche nach der TA Lärm erfolgen und werden für die im reinen Wohngebiet verursachten Geräuschimmissionen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. e TA Lärm für reine Wohngebiete als Grenzwerte festgelegt. Zusätzlich hierzu müssen Verdichter von Klima- und Kühlaggregaten so im Gebäude untergebracht sein, dass der Schall nicht ungedämmt nach außen dringt. Gefordert wird schließlich, dass die Geräuschentwicklung der Kantine einschließlich ihres Zu- und Abfahrtsverkehrs nicht zu einer unzulässigen Lärmbelästigung führen darf.

93

Die Baugenehmigung leistet damit die gebotene Konfliktbewältigung; sie schließt die Regelungslücke hinsichtlich der Bestimmung des Maßes schädlicher Umwelteinwirkungen, die immissionsschutzrechtlich zunächst dadurch besteht, dass die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) nach ihrer Nr. 1 Abs. 2 Buchst. h auf Anlagen für soziale Zwecke nicht (unmittelbar) anwendbar ist. Insbesondere dadurch, dass die Baugenehmigung das Vorhaben in Bezug auf die Nachbarschaft auf die Einhaltung derjenigen Grenzwerte verpflichtet, die bei unmittelbarer Anwendung der TA Lärm gemäß deren Nr. 6 Abs. 1 Buchst. e) in reinen Wohngebieten als Richtwert das Maß für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen vorgeben, wird das Rücksichtnahmegebot gegenüber den Nachbarn gewahrt.

94

bb) Mit den Bestimmungen zum Lärmschutz wird auch auf die Antragsteller zu 5) bis 7) Rücksicht genommen. Auch sie werden von der Bestimmung erfasst, dass für die im reinen Wohngebiet verursachten Geräuschimmissionen die genannten Grenzwerte einzuhalten sind. Zwar sind ihre Grundstücke nicht durch einen Bebauungsplan mit „WR" ausgewiesen, sondern durch den Baustufenplan mit „W 1o", allerdings ergänzt durch weitere Einschränkungen zu Lasten möglicherweise störender Nutzungen als „besonders geschützt". Die Auflage ist vor diesem Hintergrund dahin zu verstehen, dass es auf die materielle bauplanungsrechtliche Situation ankommt und nicht auf die formale Ausweisung, welche ansonsten mit „WR" zu bezeichnen gewesen wäre. In der bauplanungsrechtlich materiellen Bewertung sind die Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) wegen der Bestimmungen zu ihrem besonderen Schutz in dem Baustufenplan als im Sinne der Immissionsschutzauflage in einem „reinen Wohngebiet" belegen zu verstehen. Dies ergibt sich aus der gebotenen und in der Praxis der Antragsgegnerin auch üblichen Parallelwertung zwischen der Systematik der Baupolizeiverordnung und derjenigen der Baunutzungsverordnung (vgl. u.a. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.11.2012, 2 Bs 210/12, NVwZ-RR 2013, 352).

95

cc) Die Bestimmungen zum Immissionsschutz erscheinen auch zur Konfliktbewältigung geeignet; ihre Einhaltung dürfte möglich sein.

96

Nach dem Grundriss der Gesamtanlage, der vermittels des einbezogenen Lageplans (Vorlage Nr. 7/21) Gegenstand der Baugenehmigung ist, sind die einzelnen Baulichkeiten sowie die für den Aufenthalt erheblichen Außenflächen so angeordnet, dass Lärmquellen sich im Wesentlichen in erheblichem Abstand zu den Grundstücken der Antragsteller zu 5) bis 7) befinden: So sind die Gebäude, die zur Unterbringung von Personen genutzt werden, um die Gebäude herum angeordnet, in welchen Nutzungen wie Kantine, Schule oder Kindertagesstätte stattfinden sollen. Die Unterbringungsgebäude stehen dabei in einem Winkel von ca. 45° zur Straße XY. Hierdurch ergibt sich innerhalb des Ringes aus Unterbringungsgebäuden im mittleren Teil des Vorhabengrundstücks eine insbesondere zur Straße XY hin durch die Unterbringungsgebäude abgeschirmte Fläche. Zumal auf dieser Fläche auch die für das soziale Leben der Bewohner wichtigen Gebäude aufgestellt werden (Kantine, Schule, Kindertagesstätte), ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die im Freien stattfindenden Aktivitäten der Bewohner in der wärmeren Jahreszeit sich vor allem auf diese Fläche innerhalb der Einrichtung konzentrieren werden. Dass nennenswert laute Aktivitäten auch auf den Flächen zwischen den Unterbringungsgebäuden und der Zaunanlage zu der Straße XY stattfinden werden, erscheint demgegenüber wenig wahrscheinlich, da diese Flächen vergleichsweise klein sind. Lautstarke Aktivitäten, die auf der - von den Grundstücken der Antragsteller jeweils gut 100 m entfernten - Fläche im Inneren der Einrichtung stattfinden, werden dabei außerdem nicht nur durch die Unterbringungsgebäude zur Straße XY und damit zu den Grundstücken der Antragsteller zu 5) bis 7) hin abgeschirmt, sondern auch durch den zwischen den Gebäuden und der Straße XY befindlichen Grünstreifen, welcher ca. 20 m breit und dicht mit Bäumen bestanden ist und lediglich durch die vergleichsweise schmale Zufahrt zum Einrichtungsgelände unterbrochen wird.

97

Unter Beachtung der Weitläufigkeit des Geländes sowie der geringen Belegungsdichte bei Nutzung mit 252 Personen ist vorliegend der Frage nicht weiter nachzugehen, ob durch die Baugenehmigung die zur Wahrung der Lärmgrenzwerte erforderlichen Modalitäten der Nutzung auch durch die Untergebrachten selbst hinreichend gesichert sind. Zwar ergibt sich aus der in dem Verfahren 7 E 6128/15 von der Antragsgegnerin informatorisch vorgelegten Hausordnung, die der künftige Betreiber verwenden wolle, dass die Einhaltung der Nachtruhe eingefordert werden soll. Diese Hausordnung ist jedoch weder in die Baugenehmigung einbezogen worden noch scheint - bei Betriebszeiten des allgemeinen Personals von 7:00 bis 16:00 Uhr und einer Besetzung des Wachtdienstes mit lediglich vier Personen (vgl. Nutzungsbeschreibung, Vorlage Nr. 7/20) - ihre Einhaltung strukturell abgesichert.

98

Insbesondere für das nahe der Einfahrt zu der Anlage gelegene Grundstück der Antragstellerin zu 7) bleibt allerdings der Lärm durch Ziel- und Quellverkehr mit Kraftfahrzeugen von Bedeutung. Im Tagesbetrieb der Einrichtung für 252 Personen dürfte es insoweit möglich sein, den Immissionsgrenzwert einzuhalten, zumal zu erwarten ist, dass einer im Vergleich zu einer plangemäßen Bebauung des Flurstücks möglicherweise erhöhten Belastung durch Lieferfahrzeuge eine geringere Belastung durch Individualverkehr gegenübersteht. Für Randzeiten trifft die Baugenehmigung die gebotene Vorsorge im Hinblick darauf, dass die Betriebsabläufe bzw. -zeiten nur teilweise über die Nutzungsbeschreibung (Vorlage Nr. 7/20) definiert sind: So ist gemäß Auflage Nr. 8 die Einhaltung der Lärmgrenzwerte mittels schalltechnischer Untersuchung nachzuweisen, wenn die Anliefer- oder Betriebszeit der Kantine in die Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, vgl. Nr. 6.4 Abs. 1 TA Lärm) fallen soll.

99

c) Die - neben der Lärmproblematik - geltend gemachten weiteren Verkehrsauswirkungen bzw. die angeführte sonstige „Unruhe" begründen ebenfalls nicht die Annahme, die Antragsteller zu 5) bis 7) würden durch das genehmigte Vorhaben in ihren Belangen übermäßig betroffen.

100

Im Hinblick auf eine mögliche Verschlechterung der Stellplatzsituation ist nicht von einer Unzumutbarkeit der Einrichtung im Sinne eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot zulasten der Antragsteller zu 5) bis 7) auszugehen. Zwar kann im Einzelfall die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen; dies kommt allerdings nur dann näher in Betracht, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarn – auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung ihrer Grundstücke – bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (OVG Schleswig, Beschluss vom 8.12.2014, 8 B 37/14, juris, Leitsatz 4, Rn. 23; vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 12.5.2003, 9 TG 2037/02, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 18.10.2002, 1 B 315/02, BauR 2003, 509; OVG Münster, Urteil vom 10.07.1998, 11 A 7238/95, NVwZ-RR 1999, 365). Hiervon ist für die Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) vorliegend nicht auszugehen. Eine Verschlechterung der Situation dahingehend, dass sie selbst keine Möglichkeit mehr hätten, in ihrem Eigentum stehende Fahrzeuge in zumutbarer Weise abzustellen, ist nicht zu befürchten. Bei den Grundstücken der Antragsteller zu 5) bis 7) handelt es sich nach Auswertung des zugänglichen Luftbildmaterials um Einfamilienhausgrundstücke mit auf den Grundstücken befindlichen eigenen Stellplätzen, die bei Inbetriebnahme der Einrichtung weiter genutzt werden könnten. Auch eine sonstige, den Antragstellern zu 5) bis 7) unzumutbare Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums aufgrund einer Überzahl dort abgestellter, dem Betrieb der geplanten Einrichtung zurechenbarer Fahrzeuge ist nicht zu befürchten. Da die Anlage ausweislich der streitgegenständlichen Baugenehmigung über 14 ausgewiesene Stellplätze verfügen soll (Vorlage Nr. 7/21) und zudem weitläufig genug ist, um Fläche für weitere Abstellbedarfe zu bieten, zeichnet sich eine in dem Betrieb der Einrichtung angelegte Überlastung des Straßenraums im XY nicht ab. Das gilt sowohl für die Parkbedarfe des regelhaft auf dem Gelände tätigen Personals (des Betreuers, des Caterers sowie des Wachdienstes) wie auch den unmittelbar mit den Nutzern zusammenhängenden Kraftfahrzeugverkehr (im Wesentlichen Busse bzw. Kleinbusse) bzw. sonstiger Besucher (insbesondere Handwerker, Lieferanten). Dabei ist zu erwarten, dass Anlieferungs- oder Abholungsvorgänge nicht auf der Straße XY stattfinden, sondern auf dem Gelände der Einrichtung selbst. Die Fahrer von Lieferanten- oder Entsorgungsfahrzeugen werden schon aufgrund der Verkürzung von Tragewegen ein erhebliches Interesse daran haben, mit ihren Fahrzeugen auf das Gelände der Einrichtung zu fahren und nicht auf der Straße davor halten zu müssen. Die Nutzer der Erstaufnahmeeinrichtung selbst werden, möglicherweise im Unterschied zu Nutzern von Folgeunterkünften, in aller Regel nicht über Kraftfahrzeuge verfügen. Schließlich werden auch Busse, die eine größere Anzahl Bewohner zur Einrichtung transportieren oder diese dort abholen, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht längerfristig vor der Einrichtung parken, sondern nach Möglichkeit auf das Gelände der Einrichtung fahren.

101

Dieser Einschätzung steht auch die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen. Weder hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (in dem Beschluss vom 28.5.2015, 2 Bs 23/15, juris, Rn. 43) einen für Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg maßgeblichen Stellplatzschlüssel dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vom 13.9.2012, 2 B 12.109, juris) entnommen, noch wird mit jenem Urteil zu einer Erstaufnahmeeinrichtung eine Aussage zugunsten eines strikten Stellplatzschlüssels für Anlagen zur Unterbringung von Asylbewerbern von einem Stellplatz pro zehn Betten getroffen. Erkennbar ist dort nur, dass bei einem solchen Schlüssel nicht von einer Überbelegung der Einrichtung auszugehen sein soll (VGH München, aaO., Rn. 42).

102

Aus der Fachanweisung „Notwendige Stellplätze und notwendige Fahrradplätze“ vom 21.1.2013 sowie der Anlage 1 hierzu folgt nichts anderes. Gemäß Nr. 1.6 der Anlage 1 ist zwar für Heime und sonstige Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege von Personen (z.B. sozialtherapeutische Einrichtungen) je zehn Betten ein Stellplatz vorzuhalten. Schon allgemein ergibt sich hieraus aber nicht, dass eine Unterschreitung dieses Schlüssels stets und ohne weitere Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zu einer unzumutbaren Situation für benachbarte Grundstücke im Sinne einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots führen müsste. Die tatsächlichen Gegebenheiten des hier zu betrachtenden Falles lassen – wie ausgeführt – nicht auf eine unzumutbare Belastung der Antragsteller zu 5) bis 7) durch eine Verschlechterung der Stellplatzsituation schließen. Ohnehin ist nicht erkennbar, dass eine Anwendung von Nr. 1.6 der Anlage 1 zur Fachanweisung vom 21.1.2013 für Einrichtungen wie die hier in Rede stehende der sonstigen Praxis der Antragsgegnerin entsprechen würde bzw. überhaupt sachgerecht wäre, da hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse wesentliche Unterschiede bestehen dürften. Unter dem Begriff „Heim“ werden schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach vorrangig personalintensive Einrichtungen zur Pflege unterstützungsbedürftiger Personen verstanden, worauf auch die beispielhafte Nennung sozialtherapeutischer Einrichtungen in Nr. 1.6 der Anlage 1 schließen lässt. So definiert auch § 1 HeimG den Begriff „Heim“ als Einrichtung, die dem Zweck dient, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige u.a. aufzunehmen. Beschrieben werden damit Einrichtungen, mit denen regelhaft erhebliche Stellplatzbedarfe sowohl für das Personal wie auch für Besucher verbunden sind. Für Erstaufnahmeeinrichtungen kommt demgegenüber kaum Besucherverkehr in Betracht; der Personalschlüssel dürfte zudem deutlich geringer als bei einem Heim sein.

103

Die anzunehmenden tatsächlichen Gegebenheiten lassen nicht auf eine Unzumutbarkeit der Verkehrsbelastungen schließen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass gewerblicher Verkehr zeitlich außerhalb des allgemein üblichen Rahmens stattfindet. Das gilt für Versorgungstransporte wie für die Fahrten von Dienstleistern. Auch der Transport von Bewohnern zur bzw. von der Einrichtung wird sich aller Voraussicht nach auf wenige Fahrten am Tag beschränken. Neue Bewohner werden in der Regel nicht einzeln zu den Einrichtungen transportiert, denen sie zugewiesen sind, sondern durch Sammeltransporte mit Bussen, welche - schon mit Rücksicht auf die Lärmschutzverpflichtungen, aber auch im Hinblick auf die Dienstzeiten des Personals in den beteiligten Einrichtungen - in aller Regel tagsüber stattfinden dürften. Der Verkehr zur Abholung von Abfällen wird aufgrund der üblichen Arbeitszeiten solcher Betriebe ebenfalls vermutlich weitgehend tagsüber stattfinden und wohl insgesamt, d.h. in Bezug auf die Situation rund um den Eingangsbereich zu dem Einrichtungsgelände auch das Maß nicht wesentlich übersteigen, das bei Umsetzung des Bebauungsplans Lemsahl-Mellingstedt 19 erreicht würde. Auch in diesem Falle wäre in etwa mit einer „Belegung“ des Vorhabengrundstücks mit ca. 250 Personen zu rechnen gewesen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2015, 7 E 6128/15, S. 15 f.), die als Besitzer von Familienheimen ebenfalls Dienstleistungen wie Müllabfuhr, Handwerker etc. in Anspruch genommen hätten.

104

Soweit der Vortrag der Antragsteller zu 5) bis 7) zu der mit der Einrichtung verbundenen „Unruhe" dahin zu verstehen ist, dass sie über die Verkehrsbelastungen hinaus weitere Formen sozialer Umfeldauswirkungen der Einrichtung von unzumutbarer Intensität für ihre Grundstücke erwarten, erscheint auch dies nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht gerechtfertigt. So gilt schon grundsätzlich, dass negative soziale Umfeldauswirkungen einer bestimmten Grundstücksnutzung nur dann als unzumutbare, bodenrechtlich erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in Betracht kommen, wenn sie zum einen mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb einer Anlage der fraglichen Art typischerweise verbunden sind und zum anderen eine konkrete räumliche Wirkungsbeziehung zum betreffenden Nachbargrundstück aufweisen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 6.11.2015, 7 E 5650/15 und Beschluss vom 19.1.2015, 7 E 5893/14 m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 4.4.2011, 25 K 5561/10, juris).

105

Hinsichtlich der Grundstücke der Antragsteller zu 5) bis 7) ist nicht davon auszugehen, dass die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar weisen – im Sinne des den Antragstellern zu 5) bis 7) nicht zustehenden Gebietserhaltungsanspruchs – Einrichtungen wie die vorliegend zu betrachtende bei typisierender Betrachtung Eigenschaften auf, die eine im reinen Wohngebiet unzulässige Unruhe erzeugen können. Eine konkrete, im Sinne unzumutbarer Einwirkungen auf die Grundstücke gerade der Antragsteller zu 5) bis 7) bestehende Wirkungsbeziehung ist jedoch nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen nicht feststellbar. Insbesondere spricht entgegen der Annahme der Antragsteller zu 5) bis 7) wenig dafür, dass die Vorgärten ihrer Grundstücke von Nutzern der Einrichtung unbefugt in Anspruch genommen werden. Die Gestaltung der Einrichtung, der Umzäunung, der Toranlage sowie die weiteren Gegebenheiten in der Straße XY und Umgebung sind insbesondere nicht darauf angelegt, dass sich vor der Anlage erhebliche, gar die Zugänglichkeit der antragstellerischen Grundstücke einschränkenden Menschenansammlungen bilden würden. Wesentlicher Aufenthaltsraum ist vielmehr das Einrichtungsgelände selbst und der Ziel- und Quellverkehr von Fußgängern dürfte sich auf den kürzesten Weg zu den Bushaltestellen an der Lemsahler Landstraße konzentrieren.

106

d) Eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen von den Antragstellern geltend gemachten, vorangehend jeweils für sich gewürdigten Beeinträchtigungen führt zu keinem anderen Ergebnis; auch in der Gesamtgewichtung sind die absehbaren Auswirkungen des genehmigten Vorhabens nicht als unzumutbar zu bewerten. Dementsprechend bedarf es hier auch keiner näheren Erörterung, ob, den Rücksichtnahmeanspruch der Nachbarn mindernd, in die Belange des Bauherrn abstrakt das öffentliche Interesse an einer weiteren Einrichtung zur Erstaufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen iSv. § 44 AsylG einzustellen oder die Erforderlichkeit einer Neuerrichtung in dem konkreten tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der Antragsgegnerin näher zu prüfen wäre.

C.

107

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und berücksichtigt, dass nur die Antragsteller zu 1) bis 4) mit ihrem Antrag Erfolg haben.

D.

108

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zu der Bewertung baunachbarrechtlicher Rechtsschutzanliegen.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die öffentliche-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in einem ehemaligen Kreiswehrersatzamt.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke S... x, M... y und A... z (...). Die drei Straßen bilden einen Baublock, in dem auch das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der S... xa (...) liegt. Dieses Gebäude wurde auf der Grundlage des Baugenehmigungsbescheides vom 6. Juni 1956 ursprünglich als dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit Staffelgeschoss für ein Mineralölunternehmen errichtet. Die Antragsteller nutzen ihre Gebäude jeweils zu Wohnzwecken. Der Antragsteller zu 1. betreibt daneben in seinem Gebäude eine GmbH für Unternehmensberatung. In dem Gebäude der Antragstellerin zu 3. ist auch ein Architektenbüro untergebracht. Alle betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Baustufenplans Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955 (HmbGVBl. S. 294). Danach gilt für sie die Ausweisung Wohngebiet (W 3 g) gemäß § 10 der Baupolizeiverordnung vom 8. Juni 1938 (BPVO) mit den Maßgaben: Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame. Das Bauvolumen von 1939 darf nicht vergrößert werden. Es darf nur an der Baulinie gebaut werden. Vor- und Hintergärten sind zu erhalten und von jeglicher Bebauung freizuhalten. Außerdem gilt die Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen in Harvestehude vom 26. April 1988 (HmbGVBl. S. 66).

3

Die Beigeladene, ein soziales Dienstleistungsunternehmen u.a. für die öffentlich geförderte Unterbringung von Wohnungslosen und Zuwanderern, stellte bei der Antragsgegnerin im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Umnutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes in eine öffentlich-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen. Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die „öffentlich-rechtliche Unterbringung in Wohneinheiten“ in dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt auf dem 3.308 m2 großen Eckgrundstück S... xa. In dem Gebäude soll auf einer Bruttogeschossfläche von 4.479 m2 eine Wohnfläche von 2.453 m2 entstehen. Aus der Baubeschreibung der Beigeladenen, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, geht hervor, dass eine Umnutzung des Verwaltungsgebäudes zur temporären öffentlich-rechtlichen Unterbringung von bis zu 220 Personen in 23 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe (Wohnflächen von 50 m2 bis zu 240 m2) mit zwei, drei, vier, fünf oder acht Zimmern vorgesehen ist. Die Wohneinheiten würden jeweils mit Küche und Bad ausgestattet. Außerdem würden Gemeinschafts- und Sozialräume eingerichtet. In der ungenehmigten Betriebsbeschreibung (als Bauvorlage 86/14 wurde lediglich die „Betriebsbeschreibung für Arbeitsstätten“ genehmigt, während die „Betriebsbeschreibung“, die als weitere Bauvorlage 86/14 eingereicht wurde, den handschriftlichen Vermerk „Anlage nicht genehmigt“ trägt) der Beigeladenen heißt es ergänzend, die Wohnunterkunft solle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Wohnungslosen, Flüchtlingen und Asylbegehrenden, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer (Erst-)Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dienen. Bewohner seien Familien mit Kindern und Alleinstehende. Geschlafen werde in Mehrbettzimmern in der Regel mit zwei bis vier Betten. Die Bewohner sollten sich in der Küche selbst versorgen. Die Unterbringung in den Wohneinheiten solle grundsätzlich familienweise oder - je nach Familien- bzw. Wohnungsgröße - mit mehreren Familien/Parteien i.S. einer Wohngemeinschaft erfolgen. Nach der Arbeitsstättenbeschreibung wird die Beigeladene in der Wohnunterkunft insgesamt vier Personen beschäftigen.

4

Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 gegen den Baugenehmigungsbescheid jeweils Widerspruch. Am selben Tag haben sie einen Eilantrag gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss 22. Januar 2015 entsprochen hat, indem es die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO angeordnet hat. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, weil diese in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sei. Denn die Antragsteller könnten sich auf den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch berufen und das genehmigte Vorhaben sei nach Art und Umfang der Nutzung objektiv-rechtlich nicht genehmigungsfähig.

5

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller ihre Grundstücke in einer den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zur Art der Nutzung widersprechenden Weise nutzten. Eine früher im Gebäude des Antragstellers zu 2. tätige Firma sei aus dem Handelsregister gelöscht worden. Der Antragsteller zu 1. betreibe zwar auf seinem Grundstück eine Unternehmensberatung und auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 3. befinde sich ein Architektenbüro, jedoch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Tätigkeiten in einem besonders geschützten Wohngebiet unzulässig seien. Denn grundsätzlich seien freiberufliche und diesen ähnliche Tätigkeiten in dem Rahmen, wie sie in einem reinen Wohngebiet nach § 13 BauNVO zulässig seien, auch in einem besonders geschützten Wohngebiet zulässig. Der Antragsteller zu 1. werde lediglich als „Einmann-Unternehmen“ in seiner Wohnung tätig.

6

Das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung in dem nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO besonders geschützten Wohngebiet nicht genehmigungsfähig. Der festgesetzte Ausschluss jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, von Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame sei nicht funktionslos geworden. Die Antragsgegnerin müsste durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen haben, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht mehr entspreche (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203). Daran fehle es, nachdem die genehmigte Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken endgültig aufgegeben worden sei. Zwar seien in dem streitbefangenen Baublock zahlreiche Gewerbeunternehmen angemeldet. Auch habe die Ortsbesichtigung ergeben, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Jedoch sei nach summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten von der Antragsgegnerin genehmigt worden seien.

7

Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet müssten Wohnbedürfnissen dienen. Die Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen sei aber keine Wohnnutzung, das Vorhaben sei vielmehr als Anlage für soziale Zwecke zu behandeln. Verbindliche Regelungen, dass in den einzelnen Wohneinheiten jeweils nur miteinander verwandte Personen oder solche Personen untergebracht werden dürften, die eine gemeinsame Unterbringung wünschten, enthalte die Baugenehmigung nicht. Sie ermögliche vielmehr auch die ausschließliche Unterbringung alleinstehender Flüchtlinge, Asylbegehrender und Wohnungsloser. Die Kriterien, nach denen zu beurteilen sei, ob eine Wohnnutzung vorliege, seien eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Bei der genehmigten Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen fehle es an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit und Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Personengruppen würden aus Notsituationen heraus und aufgrund des Umstandes, dass sie über keine eigene Wohnung verfügten, in Unterkünften untergebracht. In jedem Fall sei dies nicht auf Dauer angelegt, sondern solle durch Umzug in eine eigene Wohnung oder durch Beendigung des Aufenthalts beendet werden. Außerdem sei die genehmigte Unterbringung nicht auf eine das Wohnen ausmachende Häuslichkeit angelegt, die ein Mindestmaß an Intimität voraussetze. Die Baugenehmigung ermögliche die Unterbringung von einander fremden Personen in Mehrbettzimmern, die sich mit bis zu 16, u.U. sogar mehr Personen Küche und Bad teilen müssten. Daran ändere die Aufteilung des Gebäudes in Wohneinheiten nichts.

8

Daher sei das Vorhaben als Anlage für soziale Zwecke in dem genehmigten Umfang in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Bei der Bestimmung der in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO generell zulässigen Nutzungen seien die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen einschließlich der nach Absatz 3 Nr. 2 im Ausnahmewege zulässigen zu berücksichtigen. Allerdings müsse die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet würden oder mit ihm verträglich seien, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig seien. Das sei im Falle von Anlagen für soziale Zwecke regelmäßig nur dann sichergestellt, wenn es sich um eine „kleine“ Einrichtung handele. Dem liege zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstelle, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgingen. Mit der Anzahl der gemeinsam untergebrachten Personen jeden Alters, zu denen Alleinstehende und Familien unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an die Unterkunft und unterschiedlichen Lebensgewohnheiten gehören könnten, wachse die Möglichkeit sich auf das umgebende Wohngebiet störend auswirkender sozialer Spannungen. Nach diesen Maßstäben sei das Vorhaben nicht zulässig, weil es sich nicht um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handele. Zur Bestimmung, was i.S.d. Gebietsverträglichkeit als kleine soziale Einrichtung zur Unterbringung von Asylbegehrenden und Wohnungslosen anzusehen sei, sei auf die Festsetzungen des Baustufenplans für das konkrete Gebiet abzustellen. Diese sähen mit der Festsetzung einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung und einer damit nach der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO verbundenen bebaubaren Fläche von 5/10 eine bauliche Ausnutzbarkeit im oberen Bereich des für Wohngebiete Möglichen vor. Um bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wie groß eine Einrichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbegehrende und Wohnungslosen sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, orientiere sich das Gericht daran, was in einem so ausgewiesenen Wohngebiet typischerweise an Wohnnutzung erwartet werden könne. Als Maßstab erscheine es sachgerecht, eine gedachte Bebauung mit öffentlich gefördertem Wohnraum zugrunde zu legen, was nach den Berechnungen der Antragsgegnerin bei einer Grundstücksgröße von 3.308 m2 zu Wohnraum für ca. 200 Personen führen würde. Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Größe sich eine Unterkunft für Flüchtlinge, Asylbegehrende und Wohnungslose der Wohnbebauung typischerweise noch unterordne, sei allerdings von der ermittelten Rechengröße ein erheblicher Abschlag vorzunehmen, weil von einer solchen Einrichtung mit zunehmender Größe Störungen für das Wohngebiet ausgingen, die die mit einer Wohnnutzung einhergehenden Auswirkungen auf das Plangebiet überstiegen. Wie hoch der Abschlag letztlich zu sein habe, um die Größe einer gebietsverträglichen Unterkunft zu bestimmen, bedürfe im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Klärung. Denn eine Einrichtung zur Unterbringung von 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen in dem mit W 3 g ausgewiesenen Wohngebiet sei nicht gebietsverträglich. Die Zahl der genehmigten Unterbringungsplätze übersteige sogar die Zahl der Bewohner, die in dem Baugebiet bei der Größe des Vorhabengrundstücks und einer Wohnnutzung i.e.S. typisierend zu erwarten wären.

9

Die Frage, ob das Vorhaben im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnte, bedürfe schließlich keiner Klärung, weil die Antragsgegnerin eine Befreiung von den Festzungen des Baustufenplans zur Art der Nutzung nicht erteilt habe.

II.

10

Die gemäß §§ 146 Abs. 4, 147 Abs. 1 und 2 VwGO zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerden sind unbegründet, weil die in ihnen dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, nicht rechtfertigen, den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern und - wie von den Beschwerdeführerinnen jeweils beantragt - den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2014 abzulehnen. Die von den Beschwerdeführerinnen dargelegten Gründe gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts greifen nicht durch.

11

1. Das Verwaltungsgericht hat bei der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 VwGO gebotenen Interessenabwägung für die Prüfung der Begründetheit des Antrags der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Baugenehmigungsbescheid zu deren Gunsten angenommen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, weil das Vorhaben der Beigeladenen nach der Art der baulichen Nutzung in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die Antragsteller dadurch in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt sind, so dass der Baugenehmigungsbescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerinnen bleiben erfolglos.

12

In der Rechtsprechung ist (grundlegend BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 366 ff.; zustimmend OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 355 m.w.N.; seither ständige Rspr. des Beschwerdegerichts) geklärt, dass die Gebietsfestsetzung auch bei den gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleiteten Baustufenplänen drittschützende Wirkung hat. Für planerische Gebietsfestsetzungen sind die Wechselbezüglichkeit der Interessen und ein daraus abgeleitetes Austauschverhältnis kennzeichnend. Die „Baufreiheit“ wird aus städtebaulichen Gründen, aber auch zum Nutzen der Beteiligten wechselseitig beschränkt. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird in diesem Bereich sinnfällig dadurch ausgeglichen und i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlich auch gerechtfertigt, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Durch das Festlegen einer Fläche etwa zur Nutzung als Wohngebiet werden die Grundeigentümer als jeweilige Nachbarn innerhalb des festgelegten Gebietes zu einer Gemeinschaft verbunden. Bauplanerische Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung sind regelhaft darauf ausgerichtet, die davon betroffenen Grundeigentümer in ein Austauschverhältnis gerade wechselseitig rechtlich einzubinden. Das Ausgleichsverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht (so BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, a.a.O., 374 f.; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990, 993).

13

Der Grundstücksnachbar kann daher geltend machen, dass er bereits durch eine Verletzung der Baugebietsfestsetzungen in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Ein solcher Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch) besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen des Grundstücksnachbars durch die gebietsfremde Nutzung.

14

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum vom 6. September 1955, der gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 übergeleitet wurde, nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO getroffene Wohngebietsfestsetzung, die vom Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame noch besonders geschützt worden ist, drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller als Grundstücksnachbarn hat. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid verletzt deshalb die Antragsteller in ihren Rechten, wenn er gemäß § 30 Abs. 1 und 3 BauGB rechtswidrig ist, weil die Flüchtlingsunterkunft, die der Aufnahme von bis zu 220 Flüchtlingen, Asylbegehrenden und Wohnungslosen dient, in dem besonders geschützten Wohngebiet nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO dienen im Wohngebiet die Grundstücke den Wohnbedürfnissen.

15

a) Die Antragsgegnerin vertritt allerdings die Ansicht, die Antragsteller könnten sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch schon deshalb nicht berufen, weil sie ihre Grundstücke selbst nicht nur zu Wohnzwecken nutzten. Dort würden ungenehmigte gewerbliche bzw. freiberufliche Nutzungen ausgeübt. Diesem Einwand mangelt es an Überzeugungskraft, weil er unsubstantiiert bleibt und sich nicht in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

16

Da die Antragsteller auf ihren Grundstücken unstreitig wohnen, kann es nur um den Einwand gehen, dass die Grundstücke nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gewerbebetrieb auf dem Grundstück des Antragstellers zu 2. nicht mehr existiert und dass die freiberuflichen bzw. diesen ähnlichen gewerblich ausgeübten Tätigkeiten auf den Grundstücken des Antragstellers zu 1. (Unternehmensberatung als „Einmann-Unternehmen“) und der Antragstellerin zu 3. (Architektenbüro) in einem besonders geschützten Wohngebiet bauplanungsrechtlich zulässig sein dürften (vgl. dazu OVG Hamburg, Urt. v. 14.3.1985, HmbJVBl. 1985, 181, 182: die freiberufliche Betätigung ist im Wohngebiet des § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO insofern uneingeschränkt zulässig, als sie im Zusammenhang mit der Nutzung einer Wohnung als solcher steht).

17

Außerdem kommt es für die Frage, ob sich ein Grundstücksnachbar auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, nicht darauf an, ob eine gebietsfremde Nutzung, wenn sie materiell genehmigungsfähig ist, auch formell rechtmäßig ist. Für das Austauschverhältnis unter den Nachbarn ist vielmehr entscheidend, dass sie den gleichen materiellen Beschränkungen bei ihrer Grundstücksnutzung unterworfen sind. Auf das Vorliegen einer Baugenehmigung kommt es insoweit nicht an.

18

Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) bereits entschieden, dass von einer anspruchsvernichtenden Aufhebung des Austauschverhältnisses jedenfalls dann nicht auszugehen ist, wenn auf dem Nachbargrundstück zwar planwidrige Nutzungen ausgeübt werden, daneben aber auch plankonforme Nutzungen vorhanden sind. Dass aber auf den Grundstücken der Antragsteller überwiegend eine plankonforme Wohnnutzung ausgeübt wird, steht außer Streit.

19

b) Im Eilverfahren lässt sich auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsgegnerin nicht die Feststellung treffen, dass die im Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO getroffene Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet funktionslos geworden ist. Für Teile des Wohngebiets können nach dieser Vorschrift zum Schutze ihrer Eigenart als Wohngebiet besondere Vorschriften erlassen werden (Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften, Beschränkung der Wohnungszahl, Festsetzung von Mindestgrößen der Grundstücke und dgl.).

20

aa) Die Antragsgegnerin rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit einen falschen Maßstab angewandt, weil es räumlich nicht nur den Baublock, in dem das Vorhabengrundstück und die Grundstücke der Antragsteller liegen, hätte in den Blick nehmen müssen, sondern das gesamte Wohngebiet mit der Festsetzung von drei Geschossen und dem besonderen Schutz für das Wohngebiet. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nicht auf die tatsächlich vorhandenen Nutzungen abgestellt, sondern nur danach gefragt, ob sie - die Antragsgegnerin - durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen habe, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nicht mehr entspreche.

21

Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffenen Beschluss ausdrücklich von der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Urt. v. 28.2.2013, NordÖR 2013, 475, 476; v. 7.6.2012, DVBl 2013, 243, 248 m.w.N.; Beschl. v. 15.10.2008, BauR 2009, 203, 205) ausgegangen, dass von der Funktionslosigkeit einer Festsetzung nur dann die Rede sein kann, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein dennoch in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.

22

Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist hier nicht, wie aus anderen Baustufenplänen bekannt, von einem größeren W 3 g-Gebiet auszugehen, das einheitlich unter den besonderen Schutz des § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 3 BPVO gestellt worden ist. Denn beim Baustufenplan Harvestehude-Rotherbaum hat der Plangeber eine Vielzahl kleinerer, wenn auch räumlich zusammenhängender, W 3 g-Gebiete festgesetzt, die er jeweils gesondert unter besonderen Schutz gestellt hat. Beweggrund für diese Vorgehensweise des Plangerbers mag gewesen sein, dass er nicht nur ein Verbot von jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften sowie Leuchtreklame erlassen, sondern zudem bestimmt hat, dass das Bauvolumen von 1939 nicht vergrößert werden darf. Ziel der Erhaltung eines bestimmten Bauvolumens dürfte es gewesen sein, die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zu schützen (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 3.11.2003, 2 Bs 487/03).

23

Der Antragsgegnerin kann nicht darin gefolgt werden, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht auf die tatsächlich im Wohngebiet vorhandenen gebietsfremden Nutzungen abgestellt. Denn das Gericht hat festgestellt (siehe S. 12 unten BA), dass die Ortsbesichtigung im Rahmen des Erörterungstermins ergeben habe, dass ein Großteil der Gewerbebetriebe noch vorhanden zu sein scheine und dass einzelne neue Gewerbe dazu gekommen seien. Das Protokoll des Ortstermins vom 8. Januar 2015 zeigt zudem, dass das Verwaltungsgericht den Baublock M.../A.../ S... insgesamt in Augenschein genommen hat und dabei Feststellungen zu den vorhandenen freiberuflichen, gewerbeähnlichen oder gewerblichen Tätigkeiten getroffen hat. Wenn das Verwaltungsgericht dennoch nicht von einer Funktionslosigkeit des festgesetzten besonderen Schutzes für das Wohngebiet ausgegangen ist, kann dies nur darauf beruhen, dass es für das Gericht nicht offensichtlich war, dass die Verhältnisse in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung des besonderen Schutzes auf unabsehbare Zeit ausschließt. Dieses Ergebnis sah das Verwaltungsgericht dann lediglich dadurch bestätigt, dass auch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, die vorgefundenen gewerblichen Tätigkeiten seien von ihr genehmigt worden.

24

Dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin lassen sich nach wie vor keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet sei insgesamt funktionslos geworden. Gegen die Annahme einer offensichtlichen Gebietsverfremdung spricht, dass die Antragsgegnerin bei der Erteilung der streitbefangenen Baugenehmigung selbst von der Wirksamkeit der Festsetzung ausgegangen ist. Auch fehlen offenkundig Gewerbebetriebe, die bereits von außen als solche deutlich wahrnehmbar sind, und daher das Vertrauen auf den Fortbestand der Festsetzung erschüttern. Ob freiberufliche oder gewerbeähnliche Tätigkeiten in dem Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sind, lässt sich dagegen in der Regel nicht ohne weiteres feststellen.

25

bb) Die Antragsgegnerin rügt zudem, das Verwaltungsgericht hätte bei sachgerechter Prüfung zumindest für das Vorhabengrundstück, das mit seiner markanten Bebauung in Ecklage Anlass zu einer topographischen Trennung gebe, die Funktionslosigkeit der Festsetzung des besonderen Schutzes für das Wohngebiet feststellen müssen. Denn die Funktionslosigkeit der Festsetzung könne nicht mit dem Argument verneint werden, die Nutzung des Vorhabengrundstücks zu Verwaltungszwecken sei endgültig aufgegeben worden. Auf die alte Baugenehmigung vom 6. Juni 1956 sei weder verzichtet worden, noch könne eine einmal funktionslos gewordene Festsetzung durch einen Verzicht „wiederaufleben“.

26

Bei diesem Einwand lässt die Antragsgegnerin außer Acht, dass bei der Prüfung der Funktionslosigkeit nicht gleichsam isolierend auf einzelne Grundstücke abgestellt, also die Betrachtung darauf beschränkt werden darf, ob die Festsetzung hier und dort noch einen Sinn ergibt. Zu würdigen ist vielmehr grundsätzlich die Festsetzung in ihrer ganzen Reichweite (siehe BVerwG, Urt. v. 29.4.1977, BVerwGE 54, 5, 11; OVG Hamburg, Urt. v. 28.2.2013, a.a.O., 476). Auch wenn das hier vorliegende Wohngebiet nur durch einen Baublock gebildet wird, umfasst dieser aber doch nicht nur so wenige Grundstücke, als dass es für die Wirksamkeit der Festsetzung ausnahmsweise allein auf die Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück ankäme. Das Vorhabengrundstück dominiert den Baublock auch nicht wegen seiner Größe.

27

c) Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Flüchtlingsunterkunft handele es sich um eine Anlage für soziale Zwecke, weil der Aufenthalt dort kein Wohnen sei.

28

aa) Zurückzuweisen ist die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil die Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Begriffs des Wohnens im engeren Sinne vorlägen.

29

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 25.3.2004, BRS 67 Nr. 70) und im Schrifttum (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand 10/2014, § 3 BauNVO Rn. 11; Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 16 ff.; Vietmeier in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2014, § 3 Rn. 19; Schiller in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1510 ff.) geklärt. Zum Wohnen gehören danach eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Wohnen bedeutet die auf eine gewisse Dauer angelegte Nutzungsform des selbstbestimmt geführten Lebens "in den eigenen vier Wänden". Von diesem Begriffsverständnis ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

30

Gemessen an diesen Begriffsmerkmalen handelt es sich bei der streitbefangenen Flüchtlingsunterkunft schon deshalb um keine Wohnnutzung, weil es an der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt. Der Aufenthalt in der Unterkunft erfolgt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Einweisung, die als Auflage zur Aufenthaltsgestattung gemäß §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ergeht. Danach sollen Ausländer, die einen Asylantrag - der das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes einschließt - gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die fehlende Möglichkeit, die Unterkunft frei zu wählen, setzt sich in der mangelnden Eigengestaltung des Aufenthalts dort fort. Der Aufenthalt in der Unterkunft unterliegt einem nicht unerheblichen Maß an Reglementierung durch die Mitarbeiter der Beigeladenen. Diese sollen u.a. für ein friedliches Miteinander in der Unterkunft sorgen und dabei helfen, dass sich die dort untergebrachten Ausländer im Lebensalltag in Deutschland zurechtfinden. In der Unterkunft wird das Mobiliar von der Beigeladenen gestellt und fehlt es an abgegrenzten Räumlichkeiten, die dem Einzelnen einen Rückzug in die Privatheit ermöglichen und über die er nach eigenen Vorstellungen frei verfügen kann. Lediglich Gemeinschaftsräume werden angeboten. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern beruht nur im Idealfall auf familiärer Verbundenheit. Denn das Nutzungskonzept der Beigeladenen schließt ein gemeinsames Schlafen mit Fremden in einem Zimmer nicht aus. Der insoweit von der Antragsgegnerin gezogene Vergleich zu einer Wohngemeinschaft ist verfehlt, weil sich deren Mitglieder freiwillig zusammengefunden haben und die Gemeinschaft auch jeder Zeit wieder verlassen können. Dies gilt für Asylbegehrende oder Flüchtlinge nicht. Ihr Aufenthalt in der Unterkunft ist abhängig von öffentlich-rechtlichen Weisungen.

31

bb) Ebenso wenig ist der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu folgen, der Aufenthalt der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft diene Wohnbedürfnissen i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO, weil von einem gewandelten gesellschaftlichen Verständnis des Wohnbegriffs auszugehen sei bzw. es um Wohnen im weiteren Sinne gehe. Häufige Wohnortwechsel seien heute keine Seltenheit mehr, so dass die Wohnsituation auf Dauerhaftigkeit von vornherein nicht angelegt sei. Ebenso sei es keine Seltenheit, dass sich etwa in Großfamilien oder Wohngemeinschaften eine Mehrzahl von Personen Bad und Küche teilten.

32

Der bauplanungsrechtliche Begriff des Wohnens kann nicht ohne weiteres ausgedehnt werden, weil ihm auch die Funktion zukommt, diese Nutzungsform von anderen bauplanungsrechtlich relevanten Nutzungsformen, wie insbesondere der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke (vgl. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), abzugrenzen. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt, u.a. durch Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen (siehe Stock, a.a.O., § 4 Rn. 51 f.). Darunter fällt auch die Unterbringung von Menschen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992). Eine Anlage für soziale Zwecke wird gerade durch die Beschränkung der Eigenverantwortlichkeit der Lebensgestaltung, die nicht zuletzt in der Unfreiwilligkeit des Aufenthalts ihren Ausdruck findet, charakterisiert. Wie in einer Flüchtlingsunterkunft werden auch Betreuungsleistungen erbracht, die die Verweisung in bestehende Gesundheits- und Hilfesysteme und an die Krisenintervention umfassen können. Von daher ist für den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens spiegelbildlich an den Merkmalen der Eigengestaltung und Freiwilligkeit des Aufenthalts festzuhalten.

33

Zwar ist es zutreffend, dass das Verständnis dessen, was Wohnbedürfnissen dient, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegt. Jedoch erfolgt die insoweit notwendige Auslegung des Begriffs durch die Orientierung an den Nutzungsartenkatalogen der jeweils geltenden Baunutzungsverordnung (siehe BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE 108, 190, 199). Sie kann auch bei einem übergeleiteten Baustufenplan nicht darüber hinausgehen. Mit der Festsetzung als besonders geschütztes Wohngebiet wurde regelmäßig ein bereits vorhandener Gebietscharakter gesichert, der sich von dem eines nicht besonders geschützten Wohngebiets in ähnlicher Weise abhebt, wie nach dem neuen Bauplanungsrecht das reine Wohngebiet nach § 3 BauNVO gegenüber dem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Da im Nutzungsartenkatalog des § 3 BauNVO nach wie vor Flüchtlingsunterkünfte nicht vorkommen, verbleibt es damit bei der Aufgabe, das Wohnen von der Unterbringung in einer Anlage für soziale Zwecke abzugrenzen.

34

Das Argument der Beigeladenen, bei der Flüchtlingsunterkunft würde es sich um Wohnen im weiteren Sinne handeln, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 (a.a.O., 202) dies der Sache nach auch so gesehen habe, überzeugt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort ausgeführt,

35

„daß Asylbewerber untergebracht werden, weil ein spezielles Wohnbedürfnis befriedigt werden muß. Wenn dieses auch nicht dem Typ des Wohnens im allgemeinen Verständnis ( … ) entspricht, so ist die Nutzung jedoch zumindest dem Wohnen (im engeren Sinne) ähnlich und mit ihm verträglich; das hat das Berufungsgericht im einzelnen ausgeführt.“

36

Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Anschluss an die vom Vordergericht (OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354 ff.) getroffenen Feststellungen beziehen sich aber auf die Unterbringung von Asylbegehrenden in drei Wohngebäuden vom Typ eines Einfamilienhauses und damit auf einen nicht vergleichbaren Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist in dieser Entscheidung im Übrigen zu dem revisionsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Ergebnis gelangt, dass Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigungen nicht Wohngebäude seien, sondern eine Anlage für soziale Zwecke. Die Beigeladene übersieht bei ihrer Argumentation, dass die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke nicht ausschließt, trotzdem anzuerkennen, dass die Anlagen dem Wohnen ähnlich sind, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbegehrenden oder Flüchtlings sind (so bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 992 m.w.N.).

37

e) Ebenso ohne Erfolg wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, in dem besonders geschützten Wohngebiet sei die Flüchtlingsunterkunft nur als kleine Anlage für soziale Zwecke bauplanungsrechtlich gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W Satz 1 BPVO allgemein zulässig.

38

Das Verwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis auf der Grundlage der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts gelangt, die auch von den Beteiligten in diesem Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt wird. Danach ist der Begriff der „Wohnbedürfnisse“ i.S.v. § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO weit auszulegen und umfasst über das „Wohnen“ im engeren Sinne hinaus auch solche Nutzungen, die in einem Wohngebiet erwartet werden oder mit ihm verträglich sind; dies gilt auch für „besonders geschützte Wohngebiete“ (z.B. OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.; v. 10.4.1997, a.a.O., 356). Gleichermaßen hat das Beschwerdegericht bereits entschieden, dass hierzu auch Nutzungsarten zählen können, die erstmals unter Anwendung der Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990 nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmeweg zugelassen werden können. Allerdings muss die Bestimmung der Nutzungsarten, die in einem besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet werden oder mit ihm verträglich sind, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., 198). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit, damit eine klare Abgrenzung der von § 10 Abs. 4 BPVO unterschiedenen Baugebiete gewährleistet ist. Wollte man hiervon abrücken, würde die Überleitung der Baustufenpläne gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 als Instrumente einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Frage gestellt. Die Bestimmung der Nutzungen, die in einem besonders geschützten Wohngebiet allgemein zulässig sind, kann deshalb nicht der Entscheidung der Antragsgegnerin im Einzelfall unterliegen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 9 BPVO ist gerade nicht durch das Bundesbaugesetz übergeleitet worden (so bereits BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 364, 379).

39

Ohne das planerische Bedürfnis nach weiteren Steuerung sind in einem besonders geschützten Wohngebiet regelmäßig aber nur „kleine“ Anlagen allgemein zulässig (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 354). Dem liegt zugrunde, dass bei zahlreichen Nutzungsarten der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstellt, weil von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang gebietsunverträgliche Störungen ausgehen. Dabei ist im Bereich der Baustufenpläne im Regelfall keine andersartige, ergänzende Steuerung der Gebietsverträglichkeit einer Nutzungsart möglich (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, NordÖR 2009, 68, 70 m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG; Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 413 f.). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Plangeber des Baustufenplans hier mit dem ausdrücklichen Ausschluss aller gewerblichen Nutzungen, die nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auch in einem reinen Wohngebiet im Ausnahmewege zugelassen werden könnten, deutlich gemacht hat, dass Nutzungen, die nicht dem Wohnen i.e.S. zugerechnet werden können, nur dann zulässig sein können, wenn sie sich dieser Nutzungsart ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordnen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008, a.a.O.).

40

Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, dass von der genehmigten Flüchtlingsunterkunft entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gerade keine gebietsunverträglichen Störungen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele. Wohnen störe aber nicht Wohnen. Mit einer Zunahme des Umfangs der Nutzung der Unterkunft seien keine gebietsunverträglichen Störungen zu erwarten. Der vom Verwaltungsgericht insoweit befürchteten Möglichkeit sozialer Spannungen komme keine bodenrechtliche Relevanz zu und führe zu einem unzulässigen Milieuschutz. Daher müsse es sich bei der Flüchtlingsunterkunft auch nicht lediglich um eine kleine Anlage für soziale Zwecke handeln.

41

Die Festsetzung eines besonderen Schutzes für ein Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO schließt die Zulassung einer Unterkunft für Asylbegehrende bzw. Flüchtlinge nicht grundsätzlich aus. Bereits aus der parallelen Wertung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ergibt sich aber, dass Anlagen für soziale Zwecke, die nicht gerade der (gebietsbezogenen) Kinderbetreuung dienen, nur „ausnahmsweise“ zugelassen werden können. Für nicht besonders geschützte Wohngebiete ergibt sich dagegen aus dem Vergleich zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, dass Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig sind. An die Zulässigkeit einer Flüchtlingsunterkunft in einem besonders geschützten Wohngebiet müssen daher strengere Anforderungen gestellt werden. Da in einem besonders geschützten Wohngebiet eine Flüchtlingsunterkunft neben dem Wohnen auch nicht allgemein erwartet wird, muss sie jedoch gebietsverträglich sein. Allgemein erwartet werden in einem besonders geschützten Wohngebiet nur die beim Wohnen üblichen bzw. zweckmäßigen Infrastruktureinrichtungen. Beim Wohnen entsteht aber kein Bedarf an Flüchtlingsunterkünften. Angesichts der Offenheit des Begriffs der Wohnbedürfnisse kann nicht jeder formal unter den Tatbestand fallender Vorhabentyp allgemein zulässig sein. Maßstab für die Zulässigkeit ist daher die Gebietsverträglichkeit, bei der es um die Frage geht, ob ein Vorhaben - unabhängig vom Einzelfall - mit der Eigenart des Gebiets städtebaulich verträglich ist. Das Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem besonders geschützten Wohngebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang, der Art und Weise der Nutzung und dem vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr, ausgehen. Entscheidend ist dabei nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3. 2002, BVerwGE 116, 155, 160; Beschl. v. 28.2.2008, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19).

42

Der Hinweis der Antragsgegnerin - das Beschwerdegericht (Beschl. v. 12.1.2015, 2 Bs 247/14) habe festgestellt, dass von einer Flüchtlingsunterkunft mit 300 Plätzen typischerweise keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgingen, weil es sich um eine wohnähnliche Nutzung handele - verfängt nicht. Denn der Maßstab für das dem besonders geschützten Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ würde deutlich verfehlt, wenn es erst auf das Überschreiten der Schwelle unzumutbarer Lärmimmissionen ankäme. Ebenso fehl geht der Einwand der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe versäumt, das konkrete Störpotenzial der Flüchtlingsunterkunft zu ermitteln. Denn bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit kommt es nur auf die Auswirkungen an, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Anders als bei der Prüfung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geht es nicht um die konkreten Auswirkungen des Vorhabens im Einzelfall.

43

Dagegen spricht für die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine nicht mehr „kleine“ Anlage für soziale Zwecke sei in einem besonders geschützten Wohngebiet gebietsunverträglich, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Abhängigkeit der Emissionen von der Belegungszahl bzw. dem räumlichen Umfang der Unterkunft besteht. Denn es entspricht einer allgemeinen Erfahrungstatsache, dass eine große Flüchtlingsunterkunft mit einer entsprechend hohen Belegungszahl typischerweise einen verstärkten Ziel- und Quellverkehr auslöst, der die Verkehrsbelastung im Wohngebiet spürbar erhöht. Dass für die genehmigte Flüchtlingsunterkunft nur zwei Kfz-Stellplätze vorgesehen sind, weil die 220 Personen von 2,75 Vollzeitkräften betreut werden sollen, dürfte einen typischen Ziel- und Quellverkehr nur unvollständig abbilden. So wird in einer Entscheidung des VGH München (Urt. v. 13.9.2012, BayVBl. 2013, 241), bei der es um eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ging, ein Stellplatzschlüssel von einem Stellplatz je zehn Betten zugrunde gelegt. Nach diesem Maßstab wären hier 22 Kfz-Stellplätze zu erwarten. Zum typischen verkehrsauslösenden Betreuungsaufwand bei einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung dürfte auch gehören, dass die Bewohner mit Essen versorgt werden müssen. Wenn das Nutzungskonzept hier vorsieht, dass von den Bewohnern in den Küchen selbst gekocht werden soll, so heben die Antragsgegnerin und die Beigeladene dies gerade als Besonderheit hervor. Die typischerweise bestehende räumliche Enge in einer Flüchtlingsunterkunft wird zudem häufig dazu führen, dass sich die Bewohner nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, sondern in größerer Zahl auch im Freien vor der Unterkunft aufhalten werden. Dies ist ebenfalls geeignet, eine Unruhe in das Gebiet zu bringen, die eine erhebliche Auswirkung auf die im besonders geschützten Wohngebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe darstellt, wie sie der Plangeber durch das Verbot jeder Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Bei diesen Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft handelt es sich auch nicht bloß um wohnähnliche Störungen, die ungeeignet sind, in einem Wohngebiet eine Gebietsunverträglichkeit zu begründen. Denn die Auswirkungen beruhen auf den besonderen Verhältnissen in einer Flüchtlingsunterkunft, die in vergleichbarer Weise in einem Wohngebäude so regelmäßig nicht anzutreffen sind.

44

Schließlich bemessen sich die Störungen der Gebietsverträglichkeit nicht allein nach dem Maß der Lärmimmissionen, sondern auch an den sonstigen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist darauf hinzuweisen, dass zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB u.a. die Berücksichtigung der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen gehört. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auch die Auswirkungen einer Flüchtlingsunterkunft auf den sozialen Wohnfrieden in den Blick genommen, ohne dem allerdings ein maßgebliches Gewicht beizumessen. Flüchtlingsunterkünfte mit hoher Belegungsdichte weisen damit tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die dazu führen, dass das Vorhaben der Nutzungsänderung boden- bzw. bauplanungsrechtliche Relevanz hat (so auch VGH München, Urt. v. 13.9.2012, a.a.O., 242).

45

f) Die Einwände der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Einstufung der genehmigten Flüchtlingsunterkunft als nicht „kleine“ Anlage für soziale Zwecke greifen nicht durch.

46

Das Verwaltungsgericht hat für die Frage, wie groß eine Flüchtlingsunterkunft sein könne, die sich der gebietstypischen Wohnnutzung noch ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters unterordne, als Orientierungsmaßstab eine gedachte Bebauung des 3.308 m2 großen Vorhabengrundstücks nach den Richtlinien zur Förderung des Wohnungsbaus im 1. Förderweg (Sozialwohnungsbau) zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene monieren, das Verwaltungsgericht habe von dem auf dieser Grundlage gefundenen Ergebnis von Wohnraum für ca. 200 Menschen keinen rechnerischen Abschlag in Ansatz bringen dürfen.

47

Das Gegenargument der Beigeladenen, der Plangeber habe mit einer geschlossenen dreigeschossigen Bebauung ein hohes Maß zulässiger Bebauung bestimmt, das auch ein hohes Maß an Immissionen für das Nachbargrundstück zumutbar mache, verfängt nicht, weil das Verwaltungsgericht ebenfalls von einer geschlossenen Bauweise bzw. einer baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke im oberen Bereich des für Wohngebiete nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO Möglichen ausgegangen ist. Entgegen dem Einwand der Antragsgegnerin lässt sich nicht feststellen, dass die vom Verwaltungsgericht zur Rechtfertigung angenommenen Störungen keine bodenrechtliche Relevanz hätten und sich die Nutzungsformen Wohngebäude und Flüchtlingsunterkunft im relevanten Störungspotenzial nicht unterschieden (siehe dazu bereits oben auf S. 17 ff.).

48

2. Entgegen den Darlegungen der Antragsgegnerin war das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller nicht gehalten, zu prüfen, ob die seiner Ansicht nach rechtswidrige Baugenehmigung durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB legalisiert werden kann.

49

Der Hinweis der Antragsgegnerin - in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 19.7.2001, 2 Bs 370/00, juris Rn. 16 ff.; v. 18.12.2006, 3 Bs 218/05, NordÖR 2007, 163 f.) sei für Verfahrensfehler eines Verwaltungsaktes anerkannt, dass eine im Widerspruchsverfahren zu erwartende Heilung nach § 45 VwVfG bei einer Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sei - greift zu kurz. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht von einem bloßen Verfahrensfehler ausgegangen, sondern hat die materielle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung festgestellt. Zudem wird in diesen ebenso wie in den übrigen von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.2.1996, juris Rn. 10; OVG Münster, Beschl. v. 14.11.2006, 1 B 1886/06, juris Rn. 23 ff.), die die Heilung von Ermessensfehlern betreffen, jeweils vorausgesetzt, dass sich im gerichtlichen Aussetzungsverfahren bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren lässt, dass der Verfahrens- oder Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren geheilt wird. Von einer solchen hohen Wahrscheinlichkeit für die Erteilung einer Befreiung ist aber nach den Darlegungen der Antragsgegnerin nicht auszugehen. Denn wenn die Antragsgegnerin ausführt, bei der Erteilung einer Befreiung für die Flüchtlingsunterkunft sei davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt würden, weil die Unterkunft keine relevanten bodenrechtlichen Spannungen auslösen würde und gebietsverträglich sei, so ist dies - wie oben auf S. 17 ff. dargelegt - unzutreffend. Angesichts ihrer Größe ist auch durch die vorgesehene Gestaltung im Einzelfall nicht offensichtlich, dass diese beachtlichen Spannungen auszuschließen sind.

50

3. Die beiden Beschwerden bleiben auch insoweit erfolglos, als mit ihnen die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht insgesamt angegriffen wird.

51

Mit der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O., 993) ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass an der sofortigen Vollziehung einer aller Voraussicht nach rechtswidrigen Baugenehmigung weder ein privates noch ein öffentliches Interesse besteht. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen lässt sich nicht allein auf ihre Behauptung stützen, durch den weiteren Innenausbau der Unterkunft und eine Nutzungsaufnahme würden keine später nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen geschaffen. Außerdem ist bei der Interessenabwägung einzustellen, dass der zu schützende Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller gerade ohne Rücksicht darauf besteht, ob ihnen durch die gebietsunverträgliche Nutzung konkrete Beeinträchtigungen erwachsen.

52

4. Schließlich war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller nur insoweit anzuordnen, als die Belegungszahl der Unterkunft die Kapazität einer kleinen Anlage für soziale Zwecke übersteigt.

53

Eine nur eingeschränkte Anordnung des Widerspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Vorhaben hinsichtlich der Größe des Gebäudes nicht teilbar ist. Die Überschreitung der zulässigen Größe der Unterkunft ergibt sich nicht nur, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, aus einer zu hohen Belegungszahl, sondern auch aus ihrem zu großen räumlichen Umfang. Denn für die Frage, wann eine Anlage für soziale Zwecke als klein zu bewerten ist, ist maßgeblich auch auf ihre äußere Erscheinungsform abzustellen (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, a.a.O., 414). Obwohl die Beigeladene nur eine Nutzungsänderung erstrebt, ist das gemäß § 29 Abs. 1 BauGB von ihr zur Genehmigung gestellte „Vorhaben“ nicht das Gebäude des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes zuzüglich der neu zugedachten Nutzung als Flüchtlingsunterkunft, sondern die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, BVerwGE 47, 185, 188; v. 17.6.1993, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158). Dies erfordert es, dass auch der räumliche Umfang der Flüchtlingsunterkunft geprüft wird.

54

Das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück wurde aber schon seinerzeit nur unter rechtlichen Bedenken und Erteilung einer speziellen für nicht Wohnzwecken dienenden Gebäude geregelten Ausnahme für die Überschreitung der gemäß § 11 Abs. 1 BPVO i.V.m. Spalte 6 der Baustufentafel zulässigen Bautiefe von maximal 12 m genehmigt. Tatsächlich beträgt die Bautiefe des Gebäudes 22 m bzw. bis zu 28 m. Die in Spalte 6 der Baustufentafel zu § 11 Abs. 1 BPVO enthaltene Regelung zur Bautiefe war zwar bauordnungsrechtlicher Natur und gilt gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 23 HBauO 1969 nicht mehr fort (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2012, 2 Bs 145/11, m.w.N.), so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche heute nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beurteilt. Mit einer Gebäudegrundfläche von 996 m2 ist das Gebäude aber mehr als doppelt so groß wie jedes andere Gebäude in dem Baublock, deren Gebäudefläche ganz überwiegend unter 300 m2 liegt.

55

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) In den Ländern Berlin und Hamburg entfallen die in § 6 Absatz 1, § 10 Absatz 2 und § 190 Absatz 1 vorgesehenen Genehmigungen oder Zustimmungen; das Land Bremen kann bestimmen, dass diese Genehmigungen oder Zustimmungen entfallen.

(1a) Die Länder können bestimmen, dass Bebauungspläne, die nicht der Genehmigung bedürfen, und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1, § 35 Absatz 6 und § 165 Absatz 6 vor ihrem Inkrafttreten der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen sind; dies gilt nicht für Bebauungspläne nach § 13. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Absatz 2 rechtfertigen würde, innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige geltend zu machen. Der Bebauungsplan und die Satzungen dürfen nur in Kraft gesetzt werden, wenn die höhere Verwaltungsbehörde die Verletzung von Rechtsvorschriften nicht innerhalb der in Satz 2 bezeichneten Frist geltend gemacht hat.

(2) Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle der in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg können eine von § 10 Absatz 3, § 16 Absatz 2, § 22 Absatz 2, § 143 Absatz 1, § 162 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 165 Absatz 8 abweichende Regelung treffen.

(3) § 171f ist auch auf Rechtsvorschriften der Länder anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind.

(4) Die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Zuständigkeit von Behörden dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

(5) Das Land Hamburg gilt für die Anwendung dieses Gesetzbuchs auch als Gemeinde.

(6) § 9 Absatz 2d gilt entsprechend für Pläne, die gemäß § 173 Absatz 3 Satz 1 des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 233 Absatz 3 als Bebauungspläne fortgelten.

(7) Die Länder können bestimmen, dass § 34 Absatz 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist. Wird durch eine Regelung nach Satz 1 die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert, ist § 238 entsprechend anzuwenden.

(8) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt § 34 Absatz 3a Satz 1 entsprechend für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, und für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung.

(9) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll.

(10) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

(11) Soweit in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, gilt § 31 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, dort bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in der Regel zugelassen werden sollen. Satz 1 gilt entsprechend für in übergeleiteten Plänen festgesetzte Baugebiete, die den in Satz 1 genannten Baugebieten vergleichbar sind.

(12) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 kann für die auf längstens drei Jahre zu befristende

1.
Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende
von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend. § 36 gilt entsprechend.

(13) Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für

1.
die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende,
2.
die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung.
Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend. Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 4 entfällt, wenn eine nach Satz 5 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

(13a) Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

(14) Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz und Satz 3 entsprechend. Absatz 13 Satz 5 gilt entsprechend. Die Rückbauverpflichtung nach Satz 5 entfällt, wenn eine nach Satz 6 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 5 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Wenn Vorhabenträger ein Land oder in dessen Auftrag ein Dritter ist, gilt § 37 Absatz 3 entsprechend; im Übrigen findet § 37 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 auf Vorhaben nach Satz 1 keine Anwendung.

(15) In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, gilt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 das Einvernehmen abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 (auch in Verbindung mit Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

(16) Bei Vorhaben nach den Absätzen 9 und 13 sowie bei Vorhaben nach Absatz 14 im Außenbereich gilt § 18 Absatz 3 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entsprechend.

(17) Die Befristung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 in den Absätzen 8 bis 13 sowie 14 bis 16 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.