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| Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe eines Equidenpasses. |
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| Im Mai 2014 vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten, dass dieser versuchen soll, den in ihrem Eigentum stehenden Wallach für sie zu verkaufen. Zu diesem Zweck übergab die Klägerin dem Beklagten nicht nur das Pferd, sondern auch den zu dem Pferd gehörenden Equidenpass. Die Einzelheiten der Vereinbarungen der Parteien, insbesondere hinsichtlich eines zu erzielenden Verkaufspreises und einer dem Beklagten im Verkaufsfalle zustehenden Vergütung, sind zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte stellte das Pferd anschließend in einen von ihm genutzten Stall ein, beritt bzw. trainierte es und stellte es auf Turnieren vor. Immer wieder kam es nach der Überlassung des Pferdes zwischen dem Beklagten und dem Verlobten der Klägerin … zu Gesprächen, deren Inhalt jedoch überwiegend streitig sind. Nach einem - hinsichtlich des Inhalts ebenfalls streitigen - Telefonat zwischen dem Verlobten … und dem Beklagten, holte dieser mit der Klägerin und ihrem Vater … am späten Abend des 16.10.2014 das Pferd aus dem Stall des Beklagten ab, ohne dass hierbei der Beklagte anwesend war oder zuvor auf die Abholung gesondert aufmerksam gemacht worden wäre. Vielmehr hinterließ die Klägerin vor Ort eine schriftliche Notiz, dass sie das Pferd abgeholt hat. In der Folgezeit verkaufte die Klägerin das Pferd für 45.000,00 EUR an einen Interessenten. |
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| Der Beklagte weigerte sich im Anschluss an die Abholung des Pferdes - auch auf Anwaltsschreiben hin (Anlage K 1) -, den Equidenpass an die Klägerin herauszugeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.10.2014 (Anlage K 2) berechnete der Beklagte der Klägerin einen ihm entstandenen Schaden in Höhe von 53.000,00 EUR und bot der Klägerin im Vergleichswege eine Gesamterledigung der Angelegenheit gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 25.000,00 EUR an, worauf sich die Klägerin jedoch nicht einließ. Eine von der Klägerin beim Landgericht Ellwangen am 05.11.2014 beantragte einstweilige Verfügung, gerichtet auf Herausgabe des Equidenpasses, wurde mit Urteil vom 28.11.2014 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorgelegene Akte des Landgerichts Ellwangen zum Az.: 2 O 391/14 Bezug genommen. |
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| Im Verlaufe des Rechtsstreits wurde der Klägerin durch den zuständigen Verband eine Zweitschrift des Equidenpasses ausgestellt. |
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| Die Klägerin hat in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen, dass sie mit dem Beklagten im Mai 2014 vereinbart habe, dass das Pferd für einen Preis von mindestens 45.000,00 EUR verkauft werden solle und der Beklagte einen überschießenden Verkaufserlös für sich behalten dürfe. Nachdem dieser das Pferd jedoch nicht habe verkaufen können, sei in dem Telefonat zwischen ihrem Verlobten … und dem Beklagten im Vorfeld der Abholung des Pferdes am 16.10.2014 vereinbart worden, dass das Pferd abgeholt werden soll. Der zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestandene Maklervertrag sei hierdurch konkludent gekündigt worden, er habe spätestens mit der Abholung des Pferdes geendet. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten hätte der Maklervertrag jedenfalls mit Ablauf des 31.12.2014 sein Ende gefunden. Auch gegenüber dem Käufer des Pferdes, Herrn … sei die Klägerin verpflichtet, diesem den zum Pferd gehörenden Equidenpass zu übergeben. Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten bestünde mangels berechtigter Ansprüche des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht. Im Übrigen scheitere ein Zurückbehaltungsrecht bereits an der Rechtsnatur des Equidenpasses, nachdem ein fehlender Equidenpass die Verkehrsfähigkeit des Pferdes in Gänze aufhebe. Zudem verstoße die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Grundsätze von Treu und Glauben sowie gegen das Schikaneverbot. Ein Zurückbehaltungsrecht könne auch deshalb nicht bestehen, da der Beklagte den Equidenpass, selbst wenn man ihm das Pferd wieder zurückbringen würde, dieses sogleich mit dem Equidenpass wieder herausgeben müsste. Die auf Herausgabe des Equidenpasses gerichtete Klage sei daher begründet. |
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| Der Beklagte, der Klagabweisung begehrt hat, hat in erster Instanz im Wesentlichen geltend gemacht, dass mit der Klägerin vereinbart worden sei, dass er die Unterbringung, Ausbildung, Beritt und Turniervorstellung des Pferdes auf eigene Kosten durchführe, die Klägerin im Falle eines Verkaufs 27.000,00 EUR erhalten und ihm ein Mehrerlös zustehen solle. Es läge kein Maklervertrag, sondern ein Kommissionsvertrag vor. Die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung solle bis 31.12.2014 gelten, wobei er allein entscheiden dürfe, wann, an wen und für welchen Kaufpreis das Pferd veräußert werde. Der Beklagte behauptet, dass es ihm Anfang Oktober 2014 gelungen sei, das Pferd zu einem Preis von 80.000,00 EUR an … zu verkaufen. Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung der Klägerin, es sei besprochen gewesen, dass das Pferd abgeholt werden könne, unzutreffend. Dieses sei vielmehr ohne sein Wissen und seine Zustimmung von der Klägerin abgeholt worden. Da er deshalb den Kaufvertrag mit dem Käufer nicht mehr habe erfüllen können, habe dieser von dem Kaufvertrag Abstand genommen. Der Beklagte meint, dass ihm im Hinblick auf die getroffene Vereinbarung mit der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 53.000,00 EUR zustehe, welcher ein Zurückbehaltungsrecht begründe. Dieses sei auch nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die Klägerin habe sich das Pferd durch verbotene Eigenmacht verschafft, weshalb ihr Herausgabeverlangen bezüglich des Equidenpasses treuwidrig und rechtsmissbräuchlich sei. Mit der Abholung des Pferdes habe die Klägerin ihn um seinen Lohn bringen wollen. Diese habe erkannt, dass das Pferd während der Zeit des Aufenthaltes bei dem Beklagten eine erhebliche Wertsteigerung erfahren habe. |
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| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des dortigen Urteils verwiesen. |
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| Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 12.08.2016 nach Vernehmung der Zeugen … stattgegeben. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Herausgabe des Equidenpasses aus § 667 BGB zu. Auf die rechtliche Einordnung des zwischen den Parteien zu Grunde liegenden Vertrages komme es nicht an. Nachdem der Beklagte selbst vorträgt, dass der Verkaufsauftrag zum 31.12.2014 befristet worden sei, könne dieser aus der vertraglichen Abrede über den Verkauf des Pferdes ein Recht zum Behaltendürfen des Equidenpasses nicht ableiten. Diesem stehe auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Insoweit habe der Beklagte die Voraussetzungen eines ihm zustehenden Schadensersatzanspruches gegen die Klägerin nicht beweisen können. Vor diesem Hintergrund komme es auch nicht darauf an, welche konkreten Vereinbarungen die Parteien in Bezug auf den Verkauf des Pferdes getroffen haben, ob der Beklagte mit einer Abholung des Pferdes durch die Klägerin einverstanden war und ob sich der Equidenpass prinzipiell als Objekt eines Zurückbehaltungsrechts eignet. |
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| Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen. |
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| Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, dass das Landgericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von ihm zur Begründung des Zurückbehaltungsrechts gemachten Schadensersatzanspruch vorgenommen habe. Dieses hätte nach der durchgeführten Beweisaufnahme insbesondere zum Ergebnis kommen müssen, dass er das Pferd für 80.000,00 EUR an den vom Landgericht vernommenen Zeugen … veräußert habe. Der Beklagte wendet weiter ein, dass der Klägerin zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Klage gefehlt habe. Diese habe nach dem Verkauf des Pferdes an der Herausgabe des Equidenpasses kein Interesse mehr, nachdem sich die Klägerin mit dem Käufer abschließend geeinigt habe. Die Einigung sei entgegen dem Vortrag der Klägerin bereits im Juni 2016 erfolgt. Auch der Käufer habe an der Herausgabe des Equidenpasses kein Interesse mehr, nachdem zwischenzeitlich durch den ausstellenden Verband eine Zweitschrift ausgestellt wurde. Das Original des Equidenpasses werde daher nicht mehr benötigt, zumal das Pferd offensichtlich auch mit der Zweitschrift an internationalen Turnieren teilgenommen habe. Aufgrund des Umstands, dass sich die Klägerin im Wege der verbotenen Eigenmacht den Besitz am Pferd verschafft habe, könne sie nicht damit gehört werden, durch Ausüben des Zurückbehaltungsrechts zu Verstößen gegen die Viehverkehrsverordnung genötigt zu werden. Dies sei vielmehr allein dem von der Klägerin selbst zu verantwortenden Umstand geschuldet, dass sie das Pferd ohne den zum Pferd gehörenden Equidenpass aus dem Stall des Beklagten ohne dessen Einverständnis geholt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Klägerin nicht schutzbedürftig. Soweit die Klägerin im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft auch einen Herausgabeanspruch des Käufers des Pferdes geltend mache, sei dies prozessual unzulässig, der in diesem Zusammenhang von der Klägerin gehaltene Vortrag werde bestritten. |
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| Der Beklagte beantragt gemäß seiner Berufungsbegründung vom 22.11.2016: |
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| Das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 12. August 2016 - AZ: 2 O 44/15 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen. |
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| Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen. |
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| Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vertiefend vor, dass sie erst Anfang November 2016 mit dem Käufer des Pferdes eine Vereinbarung über die Zahlung des restlichen Kaufpreises und die Herausgabe der Eigentumsurkunde erzielt habe. So habe der Käufer erst an diesem Tag eine weitere Kaufpreisrate in Höhe von 10.000,00 EUR an sie bezahlt. Im Gegenzug habe sie an den Käufer die Eigentumsurkunde des Pferdes ausgehändigt, weshalb erst damit der Kaufvertrag vollzogen worden sei. Weiter hätte die Klägerin mit dem Käufer vereinbart, dass sie in Prozessstandschaft das hiesige Verfahren weiterführe und sich der Käufer verpflichte, im Falle der Übertragung des Eigentums an dem Pferd auch einen weiteren Käufer zu verpflichten, die Klägerin zu beauftragen, auch für ihn dieses Verfahren in Prozessstandschaft weiterzuführen (Anlage K 9). Soweit eine Zweitschrift des Equidenpasses ausgestellt wurde, trete diese nicht an die Stelle des Originals. So habe sich die Klägerin gegenüber dem ausstellenden Deutschen Sportpferdeverbund für den nationalen Pass und für den internationalen Equidenpass sowie auch gegenüber der Fédération Equestre Internationale (FEI) verpflichtet, das Original auszuhändigen, damit die Zweitschrift volle Gültigkeit erhalte. Hierzu habe sie eine notarielle eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass sie dies im Gegenzug zur Aushändigung der Zweitschrift tun würde (Anlage K 10). Vor diesem Hintergrund habe sie weiterhin persönlich ein Interesse an der Herausgabe des Equidenpasses. Gleichzeitig könne sie aber in Prozessstandschaft das Verfahren für den Käufer und neuen Eigentümer des Pferdes … weiterführen. Sie führe das vorliegende Verfahren sowohl im eigenen Namen aufgrund ihrer Verpflichtungen aus der eidesstattlichen Versicherung und aus gewillkürter Prozessstandschaft für den neuen Eigentümer weiter. Abgesehen hiervon stehe dem Beklagten, selbst wenn er einen berechtigten Anspruch gegen die Klägerin hätte, ein Zurückbehaltungsrecht am Pferdepass nicht zu. Insoweit verweist die Klägerin auf ihren in erster Instanz gehaltenen Sach- und Rechtsvortrag. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. |
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| Ergänzend wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 16.03.2017. |
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| Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. |
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| Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Herausgabe des Equidenpasses an die Klägerin verurteilt. |
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| I. Zulässigkeit der Klage |
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| 1. Der von der Klägerin gestellte Herausgabeantrag ist zulässig, insbesondere ist nicht - auch nicht mit Blick auf den Vortrag in der Berufungserwiderung - von einer fehlenden Bestimmtheit des Klagegrundes auszugehen. |
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| Soweit die Klägerin in der Berufungserwiderung ausführt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin persönlich gegeben sei, „gleichzeitig“ könne sie aber in Prozessstandschaft das Verfahren für den neuen Eigentümer … weiterführen, bzw. dass sie das vorliegende Verfahren „sowohl im eigenen Namen“ aufgrund ihrer Verpflichtungen aus der Eidesstattlichen Versicherung „und aus gewillkürter Prozessstandschaft für den neuen Eigentümer“ weiter führe, hat der Senat mit Verfügung vom 22.02.2017 darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, dass sie in erster Linie einen eigenen Anspruch und lediglich hilfsweise eine fremden Anspruch in gewillkürter Prozessstandschaft geltend mache. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen und sogar im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.03.2017 ausdrücklich diese Reihenfolge der Geltendmachung bekräftigt. |
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| Damit liegt eine - prozessual unzulässige - alternative Klagehäufung, bei der dem Gericht die Auswahl überlassen wird, auf welchen der beiden unterschiedlichen Klagegründe es die Verurteilung stützen soll, nicht vor (vgl. nur BGH, Urteil vom 12.01.2017, I ZR 253/14 - juris Rn. 27 f. m.w.N.). |
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| 2. Die Klägerin ist hinsichtlich ihres gestellten Hauptantrages, mit dem sie einen eigenen Anspruch auf Herausgabe des Equidenpasses geltend macht, unzweifelhaft prozessführungsbefugt (vgl. nur Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 13. A. 2016, § 51 Rn. 16 f. m.w.N.). |
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| Nachdem, was noch auszuführen sein wird (vgl. B II.), eine Entscheidung über den klägerseits gestellten Hilfsantrag nicht zu ergehen hat, sind Ausführungen zur Prozessführungsbefugnis im Hinblick auf den Hilfsantrag, insbesondere zu den Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft, nicht veranlasst (vgl. zu diesen zuletzt etwa BGH, Urteil vom 24.08.2016, VIII ZR 182/15 - juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 25/15 - juris Rn. 20, jeweils m.w.N.; vgl. ausführlich auch Weth in: Musielak/Voit, a.a.O., § 51 Rn. 26 ff. mw.N.) |
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| 3. Schließlich mangelt es der Klage auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis. |
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| Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für ihre Herausgabeklage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infolge der Weiterveräußerung des Pferdes entfallen. Auf die Einzelheiten der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Käufer des Pferdes kommt es daher nicht an. |
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| Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage fehlt nur bei objektiv sinnlosen Klagen, mithin wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies ist nur unter ganz besonderen Umständen der Fall, nachdem grundsätzlich jeder Rechtssuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden (Greger in: Zöller, ZPO, 31. A. 2016, vor § 253 Rn. 18; Becker-Eberhard, Müko-ZPO, 5. A. 2016, vor § 253 Rn. 25; Foerste in: Musielak/Voit, a.a.O., vor § 253 Rn. 7 f.). |
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| Ausgehend hiervon kann der Klägerin unabhängig davon, dass sie das Pferd weiterveräußert hat, ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Herausgabeklage bezüglich des Equidenpasses nicht abgesprochen werden. Insbesondere stellt sich die Weiterverfolgung ihres Herausgabebegehrens weder als rechtsmissbräuchlich dar noch ist die Klägerin bereits im Besitz eines auf Herausgabe des Equidenpasses lautenden Vollstreckungstitels noch steht der Klägerin ein einfacherer und billigerer Weg zur Erreichung ihres Rechtsschutzziels zur Verfügung. |
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| II. Begründetheit der Klage |
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| Der Klägerin steht trotz der zwischenzeitlich erfolgten Weiterveräußerung des Pferdes ein eigener Anspruch auf Herausgabe des zum Pferd gehörenden Equidenpasses zu. Dieser ergibt sich unabhängig von der rechtlichen Einordnung und dem konkreten Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen entweder aus § 667 BGB oder aus einer dem mit dem Beklagten geschlossenen Vertrag immanenten Nebenpflicht. |
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| a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte von der Klägerin beauftragt wurde, Tätigkeiten zu entfalten, das streitgegenständliche Pferd für diese zu veräußern. Zu diesem Zweck hat der Beklagte nicht nur das Pferd, sondern auch den zum Pferd gehörenden Equidenpass (vgl. § 44a ViehVerkV in der bis zum 07.09.2015 gültigen Fassung) übergeben bekommen. Ebenso steht nicht im Streit, dass der Beklagte bis zu einer Weiterveräußerung das Pferd in Obhut nehmen und es Kaufinteressenten vorstellen sollte. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kam es dieser auch nicht auf eine eigene Auswahlentscheidung bei der Person des Käufers an, der Beklagte hatte lediglich einen bestimmten Mindestkaufpreis zu erzielen, um das Pferd veräußern zu dürfen. Die Parteien streiten sich somit im Wesentlichen nur darüber, zu welchem Mindestpreis der Beklagte das Pferd verkaufen durfte und welche konkrete Gegenleistung die Klägerin im Falle eines Verkaufs an den Beklagten zu erbringen hätte. |
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| b) Bei der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung handelt es sich um einen Vertrag sui generis. |
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| Er enthält - den wechselseitigen Vortrag der Parteien unabhängig von den streitigen Einzelheiten zugrunde gelegt - Elemente eines Verwahrungs-, eines Dienst-, eines Makler-, eines Kommissions- bzw. eines Geschäftsbesorgungsvertrags. |
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| Soweit es bei der hier im Streit stehenden Herausgabeverpflichtung hinsichtlich des Equidenpasses schwerpunktmäßig auf die vom Beklagten vorzunehmende Geschäftsbesorgung hinsichtlich des erstrebten Verkaufs des Pferdes, zu deren Vornahme das Pferd samt Equidenpass an den Beklagten übergeben wurde, ankommt, folgt ein Herausgabeanspruch der Klägerin nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus § 675 Abs. 1 BGB i.V.m. § 667 Alt. 1 BGB. |
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| aa) Gem. § 44b Satz 1 ViehVerkV darf ein Tierhalter einen Einhufer in seinen Bestand nur übernehmen, soweit der Einhufer von einem Equidenpass begleitet wird. Nachdem der Beklagte das Pferd unstreitig unterbringen, versorgen und zur Entfaltung von Verkaufsbemühungen auch transportieren sollte, hat er den Equidenpass zur Ausführung seines „Auftrags“ erhalten. |
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| bb) Fällig ist der Herausgabeanspruch hinsichtlich des zur Ausführung des Auftrags Erhaltenen spätestens mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses (vgl. nur Sprau in: Palandt, BGB, 76. A. 2017, § 667 Rn. 8 m.w.N.). |
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| Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses liegt hier unzweifelhaft vor. |
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| Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Beklagte - wie von der Klägerin behauptet - sich im Vorfeld der Abholung des Pferdes am 16.10.2014 mit dieser einverstanden gezeigt hat bzw. sich sogar mit der Klägerin einvernehmlich auf die Abholung des Pferdes verständigt hat. Feststellungen des Senats hierzu bedarf es bereits aus Rechtsgründen nicht. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten sollte nämlich die von ihm behauptete Vereinbarung mit der Klägerin nur „bis zum 31. Dezember 2014 gelten“ und ist daher zwischenzeitlich - längst - abgelaufen. |
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| c) Jedenfalls ist es nach dem wechselseitig gehaltenen Vortrag der Parteien den getroffenen Vereinbarungen als immanent anzusehen, dass der Beklagte spätestens nach Beendigung der vertraglichen Beziehung mit der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist, den zur Vornahme seiner Verkaufsbemühungen übergebenen Equidenpass an diese wieder herauszugeben, sofern er nicht seinerseits im Zusammenhang mit einem den vertraglichen Vereinbarungen entsprechenden Verkauf des Pferdes verpflichtet sein sollte, den Equidenpass an den Käufer des Pferdes zu übergeben. |
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| Letzteres ist vorliegend - unstreitig - nicht der Fall. |
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| Zwar behauptet der Beklagte, das Pferd an den erstinstanzlich vernommenen Zeugen verkauft zu haben. Eine weiterhin bestehende vertragliche Verpflichtung auf Erfüllung dieses Kaufvertrages, insbesondere hinsichtlich einer Übergabe des Equidenpasses an diesen, macht der Beklagte jedoch gerade nicht geltend. |
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| d) Soweit der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht an dem Equidenpass geltend macht, steht ihm ein solches Zurückbehaltungsrecht bereits aus Rechtsgründen nicht zu. |
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| aa) Ein Zurückbehaltungsrecht gewährt dem Schuldner das Recht, die von ihm geschuldete Leistung zu verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, § 273 Abs. 1 BGB. |
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| Voraussetzung für ein Zurückbehaltungsrecht wäre, dass dem Herausgabeverlangen der Klägerin und dem vom Beklagten reklamierten Schadensersatzanspruch ein einheitliches Lebensverhältnis zugrunde läge, so dass es im Sinne eines inneren natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte (vgl. nur Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 273 Rn. 9 m.w.N.). |
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| Würde dem Beklagten der von ihm behauptete Schadensersatzanspruch tatsächlich zustehen, dürfte eine solche Konnexität mit dem Herausgabeanspruch der Klägerin unschwer zu bejahen sein. |
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| bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Beklagten kommt es jedoch auf einen tatsächlich bestehenden Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin aus Rechtsgründen gar nicht an, weshalb der Senat weder eigene Feststellungen zu einem solchen Schadensersatzanspruch zu treffen hat noch sich mit der Frage auseinandersetzen muss, ob den vom Landgericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen Bindungswirkung zukommt oder nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). |
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| In vorliegendem Fall scheitert ein Zurückbehaltungsrecht an dem Equidenpass nämlich bereits daran, dass dieser sich nach seiner Eigenart und Rechtsnatur nicht als Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts eignet. |
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| Das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Vorbehalt, dass sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, § 273 Abs. 1 BGB. Die Besonderheiten des Schuldverhältnisses sind mithin zu beachten, diese können durch gesetzliche Spezialvorschriften bestimmt sein, auf vertraglicher Vereinbarung beruhen oder sich aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Auch aus Gründen von Treu und Glauben können sich Besonderheiten ergeben, welche die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ausschließen (Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 273 Rn. 12 ff; Krüger in: MüKo-BGB, 7. A. 2016, § 273 Rn. 42 ff., jeweils m.w.N.). |
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| Bei einem Equidenpass („Pferdepass“) ist zu berücksichtigen, dass dieser als europäische Tierzuchtbescheinigung ein Identifikationsdokument für Pferde ist, der vielfältige Funktionen zu erfüllen hat und stets mit dem Pferd zu führen ist (vgl. ausführlich Bemmann, RdL 2004, 285 ff. sowie OLG Hamm, Urteil vom 16.04.2015, 5 U 99/14 - juris Rn. 66 ff.). Der Equidenpass gibt als Urkunde mit öffentlich-rechtlicher Zweckbestimmung (vgl. hierzu Bemmann, RdL 2004, 309) insbesondere Auskunft über die persönlichen Daten des Pferdes, er hat sofort und stets zur Verfügung zu stehen (OLG Hamm, Urteil vom 16.04.2015, 5 U 99/14 - juris Rn. 85). Gem. § 44b Satz 1 ViehVerkV darf ein Tierhalter einen Einhufer in seinen Bestand - wie bereits ausgeführt - nur mit einem solchen Equidenpass übernehmen, anderenfalls er sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht (§ 46 Abs. 1 Ziff. 24 ViehVerkV - vgl. auch OLG Thüringen, Beschluss vom 10.08.2009, 1 Ss 203/09 - juris). Ohne Equidenpass - dem „Personalausweis“ eines Pferdes - ist ein Pferd in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr als verkehrsfähig anzusehen (zutreffend Bemmann, RdL 2004, 309, 312). |
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| Vor diesem Hintergrund kommt dem Pferdeeigentümer zu Lebzeiten des Tieres auch das automatische Besitzrecht an dem Equidenpass zu, ein vom Pferd losgelöstes Recht an der Urkunde - mithin auch ein Zurückbehaltungsrecht - kann nicht begründet werden (OLG Hamm, Urteil vom 16.04.2015, 5 U 99/14 - juris Rn. 86; OLG Hamm, Urteil vom 08.04.2015, 5 W 42/15 - juris Rn. 16; LG Karlsruhe, Urteil vom 28.12.1979, 9 S 224/79 - juris; AG Bad Iburg, Urteil vom 19.12.2008, 4 C 972/08 - juris; Bemmann, RdL 2004, 309, 311; vgl. zur vergleichbaren Situation bei einem Führerschein oder Pass bzw. einer Lebenslaufakte eines Flugzeugs Grüneberg in: Palandt, a.a.O, § 273 Rn. 15, Krüger in: MüKo-BGB, a.a.O., § 273 Rn. 47 und 64; Artz in: Erman, BGB, 14. A. 2014, § 273 Rn. 21, jeweils m.w.N.). |
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| cc) Dies zugrunde legend, vermag der Beklagte bereits aus Rechtsgründen ein Zurückbehaltungsrecht an dem Equidenpass nicht zu begründen. Es kommt damit weder darauf an, ob dem Beklagten - in welcher Höhe auch immer - ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zusteht noch auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin dem Beklagten den Besitz am Pferd durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) entzogen hat, als sie dieses am 16.10.2014 abholte. |
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| Dem Beklagten ist insoweit zwar durchaus zuzugeben, dass im Falle einer Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht manche Gründe dafür sprechen würden, der Klägerin einen Herausgabeanspruch nur Zug um Zug gegen Erfüllung des - unterstellt bestehenden - Schadensersatzanspruches des Beklagten zu gewähren (vgl. § 274 Abs. 1 BGB). |
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| Indes vermag diese ausschließlich aus Billigkeitsgesichtspunkten herrührende Überlegung nichts an der Eigenart des Equidenpasses zu ändern, welche ein vom Pferd losgelöstes Recht an der Urkunde schlechterdings ausschließt. |
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| Berücksichtigt man zudem, dass der Beklagte in vorliegendem Fall nunmehr seit deutlich über zwei Jahren die Herausgabe des Equidenpasses verweigert, obwohl das Vertragsverhältnis mit der Klägerin nach seinem eigenem Vortrag jedenfalls mit Ablauf des 31.12.2014 geendet hat, der Beklagte zudem den von ihm behaupteten Schadensersatzanspruch auch jederzeit selbst hätte gerichtlich einklagen können, führt die Versagung eines Zurückbehaltungsrechts auch nicht zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis, welches nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hätte korrigiert werden müssen. |
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| e) Soweit im Verlaufe des Rechtsstreits unstreitig eine Zweitschrift des Equidenpasses ausgestellt wurde, hindert dieser Umstand einen Herausgabeanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht. Dieser Umstand kann - unabhängig von den Gründen der Ausstellung der Zweitschrift und einer ggf. der Klägerin obliegenden Verpflichtung, das Original nach Herausgabe an sie dem ausstellenden Verband zurückzugeben - nicht dem Beklagten zugutekommen. |
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| f) Auch der Umstand, dass der streitgegenständliche Wallach zwischenzeitlich einen anderen Eigentümer gefunden hat, vermag an dem vertraglichen Herausgabeanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten nichts zu ändern. Dieser ist von der Eigentumslage am Pferd bzw. am Equidenpass rechtlich unabhängig. |
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| Ob die Klägerin neben ihrem vertraglichen Anspruch auch einen (sachenrechtlichen) Anspruch des neuen Eigentümers auf Herausgabe des Equidenpasses im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft hätte geltend machen können, erfordert keine Ausführungen des Senats, nachdem eine Entscheidung über den Hilfsantrag infolge des Erfolgs des Hauptantrags nicht zu ergehen hat. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Umstand, dass die Klägerin in zweiter Instanz ihren Klageantrag vor dem Hintergrund der Weiterveräußerung des Pferdes als Haupt- und Hilfsantrag gestellt hat (vgl. B I. 1.), wirkt sich auf die Kostenentscheidung nicht aus, nachdem die Klage bereits mit dem Hauptantrag Erfolg hat (vgl. Schulz in: MüKo-ZPO, a.a.O., § 92 Rn. 8). |
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| Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts. |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist auf 45.000,00 EUR festzusetzen. |
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| Der Streitwert des klagegegenständlichen Herausgabeanspruchs bemisst sich - mit dem Landgericht - nach dem Wert des Pferdes (vgl. zutreffend Bemmann, RdL 2004, 309, 312 sowie allgemein für die Herausgabe von Urkunden, deren Besitz unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, Monschau in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. A. 2016, Rn. 3045 ), welcher angesichts des von der Klägerin vorgenommenen Verkaufs des Pferdes mit 45.000,00 EUR zu schätzen ist. Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag ist bereits deshalb nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, nachdem eine Entscheidung über ihn nicht erging, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. |
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