Bundesgerichtshof Urteil, 24. Aug. 2016 - VIII ZR 182/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 1. August 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die dem Sohn ihres Verwalters, dem Zeugen H. , gestattete, unter der aus ihrem Gesellschaftsnamen abgeleiteten Bezeichnung "l. " ein Benutzerkonto auf der Internetplattform eBay einzurichten.
- 2
- Der Beklagte stellte Ende Januar 2012 ein gebrauchtes, mit Fünfganggetriebe und Kickstarter ausgestattetes Motorrad Yamaha für zehn Tage zur In- ternetauktion bei eBay mit einem Startpreis von 1 € ein. Als Artikelmerkmale trug er fälschlich "Dreiganggetriebe" und "Elektrostarter" ein. Am 26. Januar 2012 - neun Tage vor dem Ende der Auktion - nahm der Zeuge H. das Angebot unter dem Benutzernamen "l. " an, wobei er ein Maximalgebot von 1.234,57 € abgab. Wenige Minuten später brach der Beklagte die Auktion ab und strich das Angebot der Klägerin, die die einzige Bieterin war. Der Beklagte korrigierte die Artikelmerkmale und stellte das Motorrad nach wenigen Stunden erneut bei eBay ein.
- 3
- Mit Anwaltsschreiben vom 5. Juli 2012 verlangte die Klägerin vergeblich die Übereignung des Motorrades, das der Beklagte zwischenzeitlich anderweitig veräußert hatte.
- 4
- Mit der Behauptung, das Motorrad sei 4.900 € wert gewesen, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 4.899 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch. Am 15. August 2012 - vor der am 31. August 2012 erfolgten Zustellung der Klage - trat die Klägerin dem Zeugen H. ihre Ansprüche aus den von ihm vorgenommenen eBay-Geschäften unentgeltlich ab.
- 5
- Das Amtsgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Der Klägerin, die unbeschadet der vor Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgten Abtretung der erhobenen Forderung an den Zeugen H. in gewillkürter Prozessstandschaft berechtigt sei, die abgetretene Forderung weiter zu verfolgen , stehe kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu.
- 9
- Das Schadensersatzverlangen sei, wie sich aus den Gesamtumständen des hier vorliegenden Ausnahmefalles ergebe, rechtsmissbräuchlich. Der Zeuge H. sei als sogenannter "Abbruchjäger" tätig geworden; ihm sei es vor allem darum gegangen, dass der Beklagte sein Angebot frühzeitig abbreche, um Schadensersatzforderungen gegen diesen geltend machen zu können. Dies sei der Klägerin analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
- 10
- Der Zeuge H. , der sich in der Vergangenheit noch nicht hinter der von seinem Vater verwalteten Klägerin "versteckt" habe, habe nach den Feststellungen des Landgerichts Passau in seinem Urteil vom 6. Oktober 2014 (4 O 933/13; nicht veröffentlicht) im Sommer 2011 bei eBay Gebote in Höhe von 215.000 € abgegeben und vier Gerichtsverfahren eingeleitet, in denen er Pro- zesskostenhilfe beantragt habe. Zwar sei das Urteil des Landgerichts Passau in zweiter Instanz abgeändert worden (OLG München, Urteil vom 9. April 2015 - 8 U 3969/14; nicht veröffentlicht); hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen habe das Oberlandesgericht jedoch auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
- 11
- Zwar begründe die einem "Abbruchjäger" eigene Absicht allein noch keinen Rechtsmissbrauch. Im gegebenen Fall komme jedoch hinzu, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, ihr Gebot zu wiederholen, nachdem der Beklagte das Motorrad zum zweiten Mal zum Verkauf bei eBay eingestellt habe. Der Zeuge H. habe bestätigt, davon Kenntnis erlangt zu haben. Durch einen Neuerwerb hätte die Klägerin der - naheliegenden - Wahrscheinlichkeit entgegengewirkt , dass der Beklagte das Motorrad einem Dritten übereigne.
- 12
- Der Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe nicht entgegen, dass die Klägerin zunächst Herausgabe des Motorrades und erst anschließend Schadensersatz verlangt habe. Vielmehr habe sie - in der Annahme, der Beklagte werde das Motorrad zwischenzeitlich anderweitig veräußern - bis zur gerichtlichen Inanspruchnahme mehr als ein halbes Jahr gewartet.
II.
- 13
- Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum aufgrund einer Häufung aussagekräftiger Indizien ohne erkennbaren Rechtsfehler bejahten Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) nicht an.
- 14
- Die Klage ist bereits als unzulässig abzuweisen, weil die nach § 51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozessführungsbefugnis der Klägerin nicht gegeben ist. Dem steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2000 - III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 331; vom 22. Januar 1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713 unter II 3; vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, NJW-RR 2006, 138 unter II; vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, NJW-RR 2014, 653 Rn. 29).
- 15
- 1. Da die Abtretung der Ansprüche vor der Zustellung der Klage erfolgt ist, greift die gesetzliche Prozessführungsbefugnis des § 265 ZPO nicht ein.
- 16
- 2. Die Klägerin ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - auch nicht kraft gewillkürter Prozessstandschaft befugt, die an den Zeugen H. abgetretenen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.
- 17
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine gewillkürte Prozessstandschaft eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung voraus. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage hat, und kann auch wirtschaftlicher Natur sein (vgl. BGH, Urteile vom 23. September 1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242; vom 24. Februar 1994 - VII ZR 34/93, BGHZ 125, 196, 199; vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98, NJW 2000, 738 unter II 1; vom 13. November 2001 - X ZR 134/00, BGHZ 145, 165, 167 f.; vom 13. Februar 2008 - VIII ZR 105/07, NJW 2008, 1218 Rn. 13; vom 27. November 2014 - I ZR 124/11, GRUR 2015, 672 Rn. 87; vom 11. Mai 2016 - XII ZR 147/14, WM 2016, 1302 Rn. 16).
- 18
- b) Diese Sachurteilsvoraussetzungen, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen sind (BGH, Urteile vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98, aaO; vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, aaO unter II 1; vom 21. September 2011 - VIII ZR 118/10, NZG 2011, 1305 Rn. 13; vom 11. Mai 2016 - XII ZR 147/14, aaO Rn. 16 mwN), sind im Streitfall nicht erfüllt. Auch wenn der Zeuge H. , der mit der Prozessführung durch die Klägerin ersichtlich einverstanden ist, diese durch konkludentes Handeln dazu ermächtigt haben mag, fehlt es an einem rechtsschutzwürdigen Eigeninteresse der Klägerin an der Prozessführung. Zwar kann auch der Verkäufer einer Forderung ein eigenes berechtigtes Interesse daran haben, die abgetretene Forderung gerichtlich geltend zu machen (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1978 - I ZR 150/76, NJW 1979, 924 unter II 2; vom 23. September 1993 - III ZR 54/92, NVwZ 1994, 405 unter I; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., Vor § 50 Rn. 49). Die Klägerin hat dem Zeugen H. ihre Rechte aus vorgenommenen eBay-Geschäften jedoch nicht verkauft, sondern unentgeltlich übertragen.
- 19
- Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Prozessführung ergibt sich auch nicht, wie das Berufungsgericht möglicherweise gemeint hat, aus der von ihr in erster Instanz erklärten Bereitschaft zu einem Klägerwechsel, sofern der Beklagte dem zustimme. Auch wenn es nicht zu einem von der Klägerin unter Umständen beabsichtigten Parteiwechsel auf Klägerseite gekommen ist, begründet eine bloße technische Erleichterung ihrer weiteren Prozessführung noch kein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - III ZR 164/08, NJW 2009, 1213 Rn. 21, insoweit in BGHZ 179, 329 nicht abgedruckt). Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
AG Bautzen, Entscheidung vom 21.11.2014 - 20 C 701/12 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 29.07.2015 - 2 S 213/14 -
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Annotations
(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.
(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.
(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.
(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.
(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.
(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.
(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.
(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.
(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten.
(2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so ist § 69 nicht anzuwenden.
(3) Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urteil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, dass er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei.