Oberlandesgericht München Beschluss, 27. Jan. 2016 - 2 Ws 79/16

bei uns veröffentlicht am27.01.2016
vorgehend
Landgericht München I, 25 Ns 111 Js 126317/13, 02.10.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 2 Ws 79/16

Beschluss

27.01.2016

2. Strafsenat

12 Ws GStA 78/16 Generalstaatsanwaltschaft München, 25 Ns 111 Js 126317/13 Landgericht München I, 111 Js 126317/13 Staatsanwaltschaft München I

Leitsatz

In dem Strafverfahren

...

Gegen

M. J. St., geboren am ... in ... Staatsangehörigkeit: ... wohnhaft: ...

wegen Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

hier: Beschwerde von Rechtsanwalt M. P. ,

gegen die Zurückweisung des Antrags auf Übersendung einer anonymisierten Urteilsabschrift

erlässt das Oberlandesgericht München - 2. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 27.01.2016 folgenden

Beschluss

Die Beschwerde von Rechtsanwalt M. P. gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 02.10.2015, Az. 25 Ns 111 Js 126317/13, wird kostenfällig als unbegründet verworfen.

Gründe:

I. Der Angeklagte M. St. wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 03.10.2014, Az. 844 Cs 111 Js 126317/13, wegen Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen verurteilt. Dem lag eine Veröffentlichung im Jahr 2013 zugrunde, in der der Angeklagte den Islam mit einem Krebsgeschwür verglichen haben soll. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft München I Berufung eingelegt. Das Verfahren ist derzeit bei der 25. Strafkammer des Landgerichts München I anhängig. Die Berufungsverhandlung wurde noch nicht durchgeführt, das Urteil des Amtsgerichts München ist nicht rechtskräftig.

Mit Schriftsätzen vom 12.06.2015 und vom 03.07.2015 beantragte Rechtsanwalt M. P. die Übersendung des anonymisierten Urteils mit der Begründung, er vertrete einen Mandanten, der in anderem Zusammenhang ebenfalls als „Krebsgeschwür“ bezeichnet und so verunglimpft worden sei. Insoweit bestehe berechtigtes Interesse an der Kenntnisnahme der rechtlichen Würdigung durch das Landgericht. Dieser Antrag wurde zunächst der Staatsanwaltschaft München I vorgelegt und von dort mit Verfügungen vom 01.07.2015 und 15.07.2015 unter Hinweis auf die mangelnde Rechtskraft des Urteils und die daraus folgende Unzuständigkeit der Staatsanwaltschaft abgelehnt und der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts München I zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 13.08.2015 beantragte Rechtsanwalt P. daraufhin gerichtliche Entscheidung gem. § 478 Abs. 3 StPO analog gegen die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft München I und führte zur Begründung aus, es bestehe immer dann eine Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gerichtsentscheidung, wenn ein öffentliches Interesse an dieser Entscheidung nicht völlig ausgeschlossen sei. Dies gelte auch schon vor Rechtskraft des Urteils. Angesichts des Tatvorwurfs bestehe hier ein offensichtlicher öffentlicher Anspruch auf Publikation, hinter dem die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten ersichtlich zurücktreten müssten.

Mit Beschluss des Landgerichts München I vom 02.10.2015 wurde der Antrag zurückgewiesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, ein berechtigtes Interesse an der Übersendung einer Abschrift des nicht rechtskräftigen Urteils sei nicht ausreichend dargetan. Die Wahrnehmung eines Mandats mit dem vorgebrachten Inhalt sei nicht ausreichend, insbesondere sei nicht dargetan, dass es ebenfalls um den Tatvorwurf des § 166 StGB gehe.

Gegen diese Entscheidung legte Rechtsanwalt P. mit Schriftsatz vom 20.10.2015 Beschwerde ein.

Entgegen der Auffassung des Gerichts liege ein Fall des § 475 Abs. 1 StPO nicht vor, weswegen die Prüfung des berechtigten Interesses für die begehrte Urteilsüberlassung rechtsfehlerhaft sei. Zwar stellten auch Urteile Aktenbestandteile dar, aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung seien sie aber Akten sui generis, deren Veröffentlichung gerade nicht am Maßstab des berechtigten Interesses i. S. des § 475 Abs. 1 StPO zu messen sei. I.Ü. bestehe aber auch ein berechtigtes Interesse, da der Beschwerdeführer einen Unterlassungsrechtsstreit gegen den ehemaligen Vorsitzenden des..., Herrn Dr. Z., führe, in dem es auch um die Bezeichnung als „Krebsgeschwür“ gehe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 20.10.2015 Bezug genommen.

Das Landgericht München I hat der Beschwerde mit Verfügung vom 08.01.2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 12.01.2016 zur Nichtabhilfeentscheidung Stellung genommen und sein Beschwerdevorbringen ergänzt. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Aktenvorlage beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 02.10.2015 ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich vorliegend nicht um einen Fall der Veröffentlichungspflicht einer Entscheidung nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung des BVerwG und des BVerfG. In den insoweit maßgeblichen Entscheidungen (BVerwG vom 26.02.1997, Az. 6 C 3/96, BVerwGE 104 ff.; BVerwG vom 01.10.2014, Az. 6 C 35/13, juris; BVerfG vom 14.09.2015, Az. 1 BvR 857/15, juris), in denen jeweils eine Veröffentlichungspflicht (freilich jeweils erst nach pflichtgemäßer Ermessenabwägung der in Anspruch genommenen Gerichte) bejaht wurde, handelte es sich jeweils um presserechtliche Auskunftsansprüche. Insoweit wurde in den genannten Entscheidungen auch das Grundrecht der Pressefreiheit gegen die Interessen des Betroffenen (hier also des Angeklagten) abgewogen und im Grundsatz zugunsten der Pressefreiheit entschieden. Bei der Abwägung haben BVerwG und BVerfG darauf verwiesen, dass unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot grundsätzlich eine Rechtspflicht der Justiz zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen, u. U. auch schon vor Rechtskraft des betroffenen Urteils, folge (vgl. BVerfG vom 14.09.2015, a. a. O.). Veröffentlichungswürdig seien nach der vorzitierten Rechtsprechung des BVerwG alle Entscheidungen, an denen die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann, um eine öffentliche Meinungsbildung über bestimmte Gesetze und deren Anwendung durch die Gerichte zu ermöglichen und auf diese Weise eine effektive Kontrolle der Dritten Gewalt im Rahmen der Gewaltenteilung und ggf. die Fortentwicklung oder Änderung des Rechts durch öffentliche Diskussion zu erreichen.

So liegt der Fall hier aber nicht. Weder ist der Beschwerdeführer Medienvertreter, noch begehrt er die Veröffentlichung einer Entscheidung. Vielmehr fordert er die Überlassung eines nicht rechtskräftigen strafrichterlichen Urteils, um daraus für ein von ihm betriebenes Zivilverfahren, das zu dem Strafurteil in keinerlei Zusammenhang steht, Erkenntnisse zu ziehen. Schon durch diese Begründung macht der Beschwerdeführer mithin deutlich, dass es ihm gerade nicht um Information der Öffentlichkeit im Sinne der vorgenannten Entscheidungen geht, sondern dass ausschließlich seine Partikularinteressen betroffen sind.

Zur Überzeugung des Senats sind jedoch auf einen solchen Fall die von BVerwG und BVerfG in den genannten Entscheidungen aufgestellten Grundsätze des weitgehend voraussetzungslosen Anspruchs auf Veröffentlichung eines Urteils gerade nicht anwendbar. Denn nicht die möglichst breite öffentliche Information ist Ziel des Beschwerdebegehrens, sondern die individuelle Information ausschließlich des Beschwerdeführers, die jedoch von einem etwaigen Veröffentlichungsanspruch ausdrücklich nicht geschützt wird.

Diese Überzeugung wird gerade im hier vorliegenden Fall, in dem es um die Überlassung eines nicht rechtskräftigen Strafurteils geht, aus Sicht des Senats noch von einer weiteren Überlegung gestützt: Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 14.09.2015 (a.a.O.) darauf verwiesen, dass die Frage des Umgangs mit dem überlassenen nicht rechtskräftigen Urteil durch die Medien grundsätzlich in deren eigener Verantwortung liege, und dass insoweit gesteigerte Sorgfaltspflichten bestehen könnten, die sich aus medienrechtlichen Grundsätzen ergeben, wie den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung oder der Pflicht zur Zurückhaltung bei Berichten, die die Resozialisierung von Straftätern beeinträchtigen.

Insoweit hat das BVerfG also klargestellt, dass die Überlassung von nicht rechtskräftigen Strafurteilen an Medienvertreter auch deshalb möglich ist, und eine Ermessensausübung daher regelmäßig zugunsten des Informationsanspruchs ausfallen kann, weil die Medien besondere Sorgfalt im Umgang mit den so erhaltenen Informationen walten lassen müssen. Diese Pflichten treffen freilich Privatleute nicht in gleicher Weise. Abgesehen von den für alle geltenden hohen Hürden des Strafrechts unterliegt der private Anspruchsteller keinen besonderen Beschränkungen bei der Verarbeitung und Weitergabe der erhaltenen Informationen. Namentlich in Fällen, in denen - wie hier - der Angeklagte dem Anspruchsteller namentlich bekannt ist, und in denen mithin auch eine Anonymisierung keine hinlängliche Datenschutzfunktion entfalten kann, ergeben sich daher gegenüber den höchstrichterlich entschiedenen Fallkonstellationen wesentliche Unterschiede, die aus Sicht des Senats die vorgenannten Entscheidungen des BVErfG und des BVerwG auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar machen.

2. Mithin ist die vom Beschwerdeführer begehrte Urteilsüberlassung auch aus Sicht des Senats am Maßstab des § 475 Abs. 1 StPO zu messen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch Urteile Aktenbestandteile sind und somit den Akteneinsichtsregelungen der §§ 474 ff. StPO unterliegen, soweit es nicht um den bereits unter Ziffer 1 verneinten Veröffentlichungsanspruch geht. Somit kommt eine Urteilsüberlassung vorliegend nur in Betracht, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse daran geltend machen kann. Ein solches besteht vorliegend jedoch nicht.

Der Beschwerdeführer bringt insoweit vor, er benötige die amtsgerichtliche Entscheidung, da er in einem anderen Verfahren die Q. F. A. vertrete, die einen Unterlassungsanspruch gegen den ehemaligen Vorsitzenden , Dr. Z., geltend mache, weil dieser im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2022 geäußert habe, Katar sei ein „Krebsgeschwür des Weltfußballs“. Schon aus diesem Vorbringen wird deutlich, dass ein berechtigtes Interesse an der nicht rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts München in einem strafrechtlichen Verfahren nicht bestehen kann. Denn weder geht es um einen Rechtsstreit zwischen ganz oder teilweise identischen Parteien, noch handelt es sich bei dem vom Beschwerdeführer angeführten Verfahren um einen (zivilrechtlichen) Ausfluss aus dem strafrechtlichen Verfahren, wie es etwa bejaht werden könnte, wenn die vom Beschwerdeführer vertretene Mandantin gegen den Angeklagten zivilrechtliche Schadenersatz- oder Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der erstinstanzlich abgeurteilten Straftat geltend machen würde.

Liegt somit schon ersichtlich kein persönlicher oder sachlicher Zusammenhang vor, ist im vorliegenden Fall aber sogar jede Vergleichbarkeit der Sachverhalte zu verneinen. Denn in dem vom Beschwerdeführer angeführten und von ihm vertretenen Fall geht es um einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen der Bezeichnung eines Sportverbandes als „Krebsgeschwür“, mithin also um eine Beleidigung. Dem amtsgerichtlichen Urteil lag hingegen die Bezeichnung einer Religion als „Krebsgeschwür“ zugrunde, was nach Auffassung des Amtsgerichts den Tatbestand des § 166 StGB erfüllt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 166 StGB sind jedoch von denen des § 185 StGB verschieden, insbesondere setzt § 166 StGB als Tathandlung ein „Beschimpfen“ voraus, während § 185 StGB bei Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines Anderen erfüllt ist. Mithin können aus der Beurteilung einer Äußerung als Beschimpfen im Sinne des § 166 StGB zur Überzeugung des Senats keine tragfähigen juristischen Argumente für einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen einer (behaupteten) Beleidigung abgeleitet werden, namentlich dann, wenn sowohl die Äußerungsformen als auch die von der Äußerung Betroffenen und die Situationen, in denen die Äußerung jeweils fiel, in den betreffenden Fallkonstellationen vollkommen verschieden sind und das einzige einende Element zwischen beiden Fällen die Bezeichnung „Krebsgeschwür“ ist.

Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Entscheidung, deren Überlassung beantragt wurde, um ein nicht rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts handelt, dessen Bewertung (selbst wenn sie, wie hier nicht, auf den Sachverhalt auch nur theoretisch anwendbar wäre) für das im Fall des Beschwerdeführers angerufene Gericht keinerlei Bindungswirkung hätte.

Nach alledem liegt ein berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers an der Überlassung der verfahrensgegenständlichen Entscheidung nicht vor.

Die Beschwerde erwies sich daher als unbegründet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 473 Abs. 1 StPO.

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Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in D. vom 1. Februar 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in D. zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, „dass die Vollzugsbehörde dem Verurteilten im zurückliegenden Zeitraum seit seiner Inhaftierung eine Betreuung angeboten hat, die den gesetzlichen Vorgaben des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nr. 1 StGB entspricht“. Ferner hat sie festgestellt, „dass auch die künftig vorgesehenen Betreuungsmaßnahmen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen“. Die Frist für die nächste gerichtliche Kontrolle nach § 119a StVollzG hat sie auf fünf Jahre festgesetzt.

2

Bereits zuvor am 13. März 2015 hatte die Strafvollstreckungskammer für den zurückliegenden Zeitraum eine im Ergebnis gleichlautende Entscheidung getroffen, die auf Antrag des Leiters der Vollzugsanstalt nach § 119a Absatz 2 StVollzG zustande gekommen war. Diesen Beschluss hatte der Senat am 15. Juni 2015 (2 Ws 194/15) im Beschwerdeverfahren nach Antragsrücknahme durch die zuständige Aufsichtsbehörde wegen Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung aufgehoben.

3

Daraufhin hatte der Leiter der Vollzugsanstalt die Sache am 18. Juli 2015 der Strafvollstreckungskammer erneut vorgelegt, dieses Mal „zur Prüfung von Amts wegen gemäß § 119a Absatz 1 StVollzG“.

4

Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu der Frage, „ob die im zurückliegenden Zeitraum von der Vollzugsbehörde angebotenen und die zukünftig von ihr vorgesehenen Betreuungsmaßnahmen den gesetzlichen Anforderungen des § 66c Absatz 2 StGB in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nr. 1 StGB entsprechen“, und Verzicht aller Verfahrensbeteiligten auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen traf die Strafvollstreckungskammer die angefochtene Entscheidung.

5

In den Gründen des Beschlusses wird zunächst der Schuld- und Rechtsfolgenausspruch der Anlassverurteilung durch das Schwurgericht des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29. Dezember 2006 mitgeteilt. Danach wurden gegen den damaligen Angeklagten eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Mordes verhängt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

6

Zum Vollstreckungsstand stellt die Kammer fest, dass 15 Jahre der lebenslangen Freiheitsstrafe am 23. Mai 2022 verbüßt sein werden und der Verurteilte sich im geschlossenen Vollzug der Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsanstalt D. befindet.

7

Nach Darstellung der Prozessgeschichte verweist die Kammer auf ihren in der Beschwerdeinstanz aufgehobenen Beschluss vom 13. März 2015 und nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug, wonach aufgrund der Behandlungsuntersuchung eine ausführliche Basisdiagnostik durch die Anstaltspsychologin der Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsanstalt D. erstellt und „auf Grundlage dieser Basisdiagnostik zielführende therapeutische Ansätze überprüft“ worden seien.

8

Weiter gibt die Kammer das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens wieder. Der Sachverständige habe nach ausführlicher Exploration des Verurteilten und Auswertung sämtlicher relevanten Aktenstücke ausgeführt, dass dem Verurteilten bislang eine adäquate Behandlung angeboten worden sei und auch die in die Zukunft gerichteten Behandlungsangebote geeignet seien, die Behandlungsmotivation und Änderungsbereitschaft des Verurteilten zu fördern.

9

Zur Behandlung wird in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass der Verurteilte derzeit, und zwar seit September 2014, den unspezifischen Teil des Behandlungsprogramms für Sexualstraftäter absolviere und im kommenden Frühjahr der spezifische Teil des Programms beginne. Im Anschluss daran soll die Erforderlichkeit einer Sozialtherapie geprüft werden.

10

Diese Maßnahmen, so die Kammer weiter, hätten die besondere Persönlichkeit des Verurteilten hinreichend berücksichtigt und seien „grundsätzlich individuell, intensiv und geeignet, die Behandlungsmotivation und Änderungsbereitschaft des Verurteilten zu fördern“. Über „weitere notwendige oder zumindest sinnvolle therapeutische und medizinische Maßnahmen“ könne, was auch der Sachverständige bestätigt habe, erst im weiteren Verlauf entschieden werden. Der Verurteilte befinde sich erst am Anfang einer langfristig angelegten Therapie.

11

In einer Gesamtschau könne damit festgestellt werden, „dass die Betreuung aktuell und künftig den gesetzlichen Vorgaben des § 66c StGB entspricht“.

12

Schließlich hat die Kammer die Frist für die nächste Prüfung gemäß § 119a Absatz 3 Satz 2 StVollzG im Hinblick auf die Dauer der vom Verurteilten noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe und seine langfristig angelegte Therapie auf fünf Jahre festgesetzt.

13

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Verbunden mit der Erklärung, das Rechtsmittel nicht auf einzelne Beschwerdepunkte beschränken zu wollen, beanstandet er ausdrücklich nur die Festsetzung der gesetzlichen Höchstfrist anstelle der zweijährigen Regelfrist gemäß § 119a Absatz 3 Satz 1 und 2 StVollzG für die nächste strafvollzugsbegleitende Kontrolle.

II.

1.

14

Die Beschwerde ist gemäß § 119a Absatz 5 StVollzG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist nach §§ 119a Absatz 6 Satz 3, 118 Absatz 1 Satz 1 StVollzG eingelegt worden. Damit sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Anders als bei der Rechtsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer nach § 116 StVollzG sieht das Gesetz für die Beschwerde der vorliegenden Art keine Begründungspflicht vor. § 119a Absatz 6 Satz 3 StVollzG verweist zwar auf die Form, Frist und Begründung der Rechtsbeschwerde regelnde Vorschrift des § 118 StVollzG, jedoch nur auf die einmonatige Einlegungsfrist nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung und nicht auf die weiteren Regelungen zur Rechtsmittelbegründung. Auch auf die für die Rechtsbeschwerde geltende Vorschrift des § 116 Absatz 1 StVollzG wird nicht verwiesen, so dass im Unterschied zur Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit nicht davon abhängt, ob es geboten ist, die Nachprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

2.

15

Die Beschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. Er verkennt, soweit er künftige Behandlungsmaßnahmen einbezieht, den gesetzlichen Kontrollumfang und leidet an grundlegenden Begründungsmängeln. Die Entscheidungsgründe entsprechen nicht den gesetzlichen Inhaltsanforderungen.

16

a) Auf Vorlage des Leiters der Vollzugsanstalt hatte die Kammer eine (erstmalige) Prüfung von Amts wegen nach § 119a Absatz 1 Nr. 1 StVollzG vorzunehmen. Diese bezieht sich nach dem Wortlaut des Gesetzes nur auf den zurückliegenden Zeitraum (retrograde Prüfung), der hier jedoch nicht, wie im Tenor des angefochtenen Beschlusses angegeben, bis zur „Inhaftierung“ des Verurteilten zurückreicht, sondern nach § 119a Absatz 3 Satz 1 StVollzG in Verbindung mit Art. 316f Abs. 3 Satz 2 EGStGB erst am 1. Juni 2013 zu laufen begonnen hat, da der Verurteilte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Strafhaft befand. Mit zukünftigen Betreuungsmaßnahmen hätte sich die Kammer im Verfahren von Amts wegen nur dann auseinandersetzen müssen, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Betreuung im zurückliegenden Zeitraum nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat. In diesem Fall wäre es gemäß § 119a Absatz 1 Nr. 2 StVollzG ihre Aufgabe gewesen festzustellen, welche bestimmten Maßnahmen die Vollzugsbehörde bei sich nicht wesentlich ändernder Sachlage künftig anzubieten hat, um den Anforderungen zu genügen.

17

Ein auf Feststellung einer vorschriftsmäßigen Betreuung in der Zukunft gerichteter Antrag der Vollzugsbehörde nach § 119a Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVollzG, der unter den dort genannten Voraussetzungen Anlass gegeben hätte, die im Vollzugsplan vorgesehenen Maßnahmen auf ihre Konformität mit den an eine gesetzmäßige Betreuung zu stellenden Anforderungen zu überprüfen (anterograde Prüfung), lag nicht vor. Der Leiter der Vollzugsbehörde hatte nach Rücknahme seines ursprünglich gestellten Antrags die Sache der Strafvollstreckungskammer ausdrücklich zur Prüfung von Amts wegen gemäß § 119a Absatz 1 StVollzG vorgelegt.

18

b) Soweit sich der angefochtene Beschluss mit der Betreuungsprüfung im Übrigen befasst, genügt seine Begründung bereits aus formalen Gründen nicht den gesetzlichen Vorschriften. Die wegen der Einzelheiten der durchgeführten Behandlungsuntersuchung und erstellten Basisdiagnostik sowie der auf dieser Grundlage geprüften therapeutischen Ansätze vorgenommene Verweisung auf den Beschluss der Kammer vom 13. März 2015 ist nicht zulässig. § 115 Absatz 1 Satz 3 StVollzG, der für die gerichtliche Entscheidung im Antragsverfahren nach § 109 StVollzG die Möglichkeit, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf bei den Akten befindliche Schriftstücke zu verweisen, ausdrücklich vorsieht, gilt im Kontrollverfahren nach § 119a StVollzG nicht. § 119a Absatz 6 Satz 3 StVollzG erklärt lediglich § 115 Absatz 1 Satz 1 und 2 StVollzG für entsprechend anwendbar. Auf eine Verweisungsmöglichkeit entsprechend § 115 Absatz 1 Satz 3 StVollzG hat der Gesetzgeber wegen der Bindungswirkung der gerichtlichen Kontrollentscheidungen nach § 119a Absatz 7 StVollzG bewusst verzichtet (BT-Drucksache 17/9874 S. 29).

19

Dem Kammerbeschluss vom 13. März 2015 kommt nicht mehr Bedeutung als einem sonstigen bei den Akten befindlichen Schriftstück zu. Er ist in der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden, so dass er keine über seinen Wortlaut hinausgehende Rechtskraft- oder Bindungswirkung besitzt.

20

c) Von der unzulässigen Verweisung abgesehen, entspricht die angefochtene Entscheidung auch sonst nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Gemäß §§ 119a Absatz 6 Satz 3, 115 Absatz 1 Satz 2 StVollzG hat der Beschluss der Strafvollstreckungskammer den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammenzustellen. Daran fehlt es vorliegend.

21

Die Begründungsanforderungen ergeben sich aus dem Umfang des gesetzlichen Prüfungsauftrags und den diesen Bereich ausfüllenden Vorschriften, ferner aus Sinn und Zweck des Kontrollverfahrens und der Wirkung der abschließenden Entscheidung.

22

aa) Gemäß § 119a Absatz 1 Nr. 1 StVollzG ist festzustellen, ob die Vollzugsbehörde dem Gefangenen eine Betreuung angeboten hat, die § 66c Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs entspricht. Nach § 66c Absatz 2 StGB ist dem Täter im vorliegenden Fall einer im Urteil angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von § 66c Absatz 1 Nr. 1 StGB, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) möglichst entbehrlich zu machen. Mit dieser Formulierung in § 66c Absatz 2 StGB wird Bezug genommen auf das Erfordernis einer umfassenden Behandlungsuntersuchung, eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans und einer individuellen und intensiven Betreuung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 der Vorschrift (BT-Drucksache 17/9874 S. 18).

23

Grundvoraussetzung einer Betreuung im Sinne von § 66c Absatz 1 Nr. 1 StGB ist danach ein Strafvollzug auf Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans. Im gerichtlichen Kontrollverfahren ist daher zunächst zu überprüfen und im Beschluss darzustellen, ob das in § 13 LJVollzG vorgeschriebene Diagnoseverfahren - bei Strafgefangenen mit angeordneter Sicherungsverwahrung von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation (§ 13 Abs. 2 Satz 2 LJVollzG) - durchgeführt und auf Grundlage des Ergebnisses form- und fristgerecht nach § 14 LJVollzG ein den Inhaltsanforderungen des § 15 Absatz 1 und 2 LJVollzG entsprechender Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt und fortgeschrieben worden ist. Fehlt es an diesen formalen Betreuungsgrundlagen, wird für den entsprechenden Zeitraum ein vorschriftsmäßiges Betreuungsangebot regelmäßig nicht festzustellen sein (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss 1 Ws 91/14 vom 04.09.2014 Rdn. 16, juris = BeckRS 2014, 19285 Rdn. 15; OLG Nürnberg, Beschluss 1 Ws 167/15 vom 06.08.2015 Rdn. 21, juris = BeckRS 2015, 14771 Rdn. 15 = NStZ-RR 2016, 127).

24

Die Meinung, ein nicht (oder nur unzureichend durchgeführtes) Diagnoseverfahren oder ein fehlender (oder fehlerhafter) Vollzugsplan führe grundsätzlich nicht zur Feststellung eines Betreuungsdefizits, wenn das Ziel, dem Strafgefangenen eine individuelle, intensive und geeignete Betreuung anzubieten, anderweitig (und sei es auch nur zufällig) erreicht worden ist (Peglau JR 2016, 45, 48), teilt der Senat nicht. Sie entspricht nicht dem Wortlaut des Gesetzes und wird weder dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 17/9874 a.a.O.) noch der in den Strafvollzug übernommenen Bedeutung des Diagnoseverfahrens (§ 13 Abs. 4 LJVollzG; vgl. BVerfG, Urteil 2 BvR 2365/09 u.a. vom 04.05.2011, juris = NJW 2011, 1931, 1938, jeweils Rdn. 113) und des Vollzugs- und Eingliederungsplans (§ 14 Abs. 1 LJVollzG; vgl. BVerfG a.a.O.; Beschluss 2 BvR 2132/05 vom 25.09.2006 Rdn. 16, juris = NStZ-RR 2008, 60/61; OLG Nürnberg a.a.O.) gerecht.

25

Ein Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers, in die Kontrolle nach § 119a StVollzG eine Überprüfung des vorgeschriebenen Diagnoseverfahrens und des Vollzugsplans mit einzubeziehen, ergibt sich auch aus der Regelung des Antragsverfahrens in § 119a Absatz 2 StVollzG. Auf einen Antrag nach § 119a Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVollzG (anterograde Überprüfung) hat das Gericht unabhängig von den Überprüfungsfristen nach Absatz 3 stets zugleich auch eine Überprüfung des zurückliegenden Zeitraums (retrograde Überprüfung) vorzunehmen (§ 119a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StVollzG) und zwar selbst dann, wenn der Vollzugsplan erstmals aufgestellt und im Entscheidungszeitpunkt noch nicht umgesetzt worden ist. Prüfungsgegenstand soll in diesem Fall der Zeitraum bis zur Aufstellung des Vollzugsplans einschließlich des Aufstellungsverfahrens sein (BT-Drucksache Seite 28). Daraus wird deutlich, dass sich nach Vorstellung des Gesetzgebers Betreuungsdefizite auch aus Mängeln der Vollzugsplanerstellung und des vorgeschalteten Diagnoseverfahrens ergeben können.

26

Im Einzelfall bedeutungslose oder nachträglich geheilte Form- oder Inhaltsmängel werden jedoch der Feststellung einer gesetzmäßigen Betreuung regelmäßig nicht entgegenstehen.

27

bb) Zur Zusammenstellung des Sach- und Streitstands gehört weiter die Vorstellung der Person des Verurteilten. Denn § 66c Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB sieht eine individuelle und intensive Betreuung vor, die insbesondere eine - erforderlichenfalls individuell zugeschnittene - psychiatrische, psycho- und sozialtherapeutische Behandlung umfassen und geeignet sein muss, die Mitwirkung des Gefangenen zu wecken und zu fördern (vgl. BT-Drucksache a.a.O.). Ziel der Betreuungsangebote muss es sein, die Gefährlichkeit des Täters so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann (§ 66c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StGB; vgl. BT-Drucksache a.a.O.). Diese Ausrichtung der Betreuung am verfassungsrechtlichen Individualisierungs- und Intensivierungsgebot (vgl. BVerfG, Urteil 2 BvR 2365/09 u.a. vom 04.05.2011 a.a.O., jeweils Rdn. 113) verlangt es, Feststellungen zur Person des Verurteilten in die Prüfung einzubeziehen und im Beschluss darzustellen, soweit sie für die Beurteilung der Behandlungsindikation und Therapieplanung erforderlich sind (OLG Karlsruhe, a.a.O. Rdn. 10, 23, juris; KG, Beschluss 2 Ws 154/15 - 141 AR 327/15 vom 19.08.2015 = BeckRS 2015, 15493, jeweils Rdn. 15). Dazu genügt es nicht, den Tenor der Anlassverurteilung wiederzugeben. Regelmäßig ist auch auf den Inhalt der Verurteilung, namentlich auf den dort festgestellten Werdegang des Verurteilten, die Anlasstat und die tatbedeutsamen Persönlichkeitsmerkmale des Täters einzugehen (OLG Karlsruhe, KG, jeweils a.a.O.; zu den gleichlautenden Anforderungen an einen Antrag nach § 119a Absatz 2 Satz 1 StVollzG: OLG Nürnberg a.a.O. Rdn. 20, juris; KG, Beschluss 2 Ws 18/16 - 141 AR 47/16 - vom 09.02.2016 = BeckRS 2016, 05033, jeweils Rdn. 8). Darüber hinaus ist der Vollzugsverlauf darzustellen (OLG Karlsruhe, KG, jeweils a.a.O.).

28

cc) Weiter sind die Ergebnisse des Diagnoseverfahrens (§ 13 LJVollzG) und der nachfolgenden Untersuchungen sowie die in dem für den Prüfungszeitraum maßgebenden Vollzugs- und

29

Eingliederungsplan und in seinen Fortschreibungen (§ 14 LJVollzG) vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen (§ 15 Abs. 1 LJVollzG) zu beschreiben. Dabei wird es vor allem auf die in § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 bis 12 LJVollzG aufgeführten Maßnahmen und bei angeordneter Sicherungsverwahrung auf die, nach § 15 Absatz 1 Satz 2 LJVollzG ebenfalls im Vollzugs- und Eingliederungsplan anzugebenden, individuellen Maßnahmen im Sinne des § 8 Absatz 3 Satz 2 LJVollzG ankommen. Denn diese Maßnahmen sind, wenn sie nach dem Ergebnis des Diagnoseverfahrens als zur Erreichung des Vollzugsziels zwingend erforderlich erachtet werden, als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor (§ 15 Abs. 2 Satz 1 LJVollzG). Andere Maßnahmen dürfen nicht gestattet werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach Satz 1 beeinträchtigen würden (§ 15 Abs. 2 Satz 2 LJVollzG).

30

dd) Anhand der von der Vollzugsbehörde zu erstellenden Dokumentationen (§ 14 Abs. 3 Satz 4 LJVollzG) ist aufzuzeigen, welche Behandlungsmaßnahmen im Prüfungszeitraum durchgeführt worden sind.

31

Werden im Vollzugsplan vorgesehene Maßnahmen, insbesondere die nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 bis 12 und Satz 2 LJVollzG, nicht angeboten oder angebotene Maßnahmen nicht durchgeführt, sind die Gründe hierfür zu benennen. In diesem Fall ist auch darzulegen, ob die Vollzugsbehörde andere, seien es auch weniger erfolgversprechende, Behandlungsalternativen geprüft und angeboten hat (OLG Karlsruhe a.a.O.; KG, Beschluss, 2 Ws 154/15 - 141 AR 327/15 vom 19.08.2015 = BeckRS 2015, 15493, jeweils Rdn. 15).

32

ee) Schließlich ist die der (positiven oder negativen) Feststellung nach § 119a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG zugrundeliegende Bewertung der Betreuungsangebote darzulegen. Die Gründe, die im Streitfall für die richterliche Überzeugungsbildung zum Sachverhalt und darüber hinaus für die Beurteilung der Angebote im Einzelnen maßgebend waren, sind nachvollziehbar wiederzugeben (KG, a.a.O. Rdn. 14). Da die Beurteilung der Angebote nicht auf eine Rechtsprüfung beschränkt ist, sondern im Wesentlichen eine Zweckmäßigkeitsprüfung nach psychiatrischen, psycho- und sozialtherapeutischen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung des Individualisierungs- und Intensivierungsgebots beinhaltet, muss erkennbar werden, worauf die Sachkunde des Gerichts beruht. Zwar hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, zur Vorbereitung einer Entscheidung nach § 119a Absatz 1 oder 2 StVollzG die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorzuschreiben, vielmehr die Entscheidung darüber in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt (BT-Drucksache a.a.O. Seite 29). Jedoch wird der Strafvollstreckungskammer, wenn die Vereinbarkeit der Betreuungsangebote mit den Anforderungen nach § 66c Absatz 1 Nr. 1 StGB fraglich ist, regelmäßig die erforderliche Sachkunde fehlen, so dass in diesem Fall auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht verzichtet werden kann. Gegebenenfalls sind das Ergebnis der Begutachtung und dessen tragende Gründe im Beschluss darzustellen.

33

ff) Das Erfordernis einer Zusammenstellung des Sach- und Streitstands im dargestellten Umfang folgt auch aus Sinn und Zweck des gerichtlichen Kontrollverfahrens nach § 119a StVollzG und der Bedeutung der abschließenden Entscheidung. Neben der Umsetzung des Ultima-Ratio-Prinzips soll die Regelung eine Abschichtung der bei angeordneter Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 67c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bewirken (BT-Drucksache a.a.O. Seite 28). Durch bindende Zwischenentscheidungen soll „Überraschungen“ bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgebeugt werden. Die Vollzugsbehörde kann für einen bestimmten Vollzugszeitraum gerichtlich festgestellte Betreuungsmängel zukünftig abstellen, um so bezogen auf den gesamten Vollzugsverlauf zu einer noch als ausreichend anzusehenden Betreuung zu gelangen (BT-Drucksache a.a.O.). Zur Erreichung des damit verfolgten Ziels, Rechtssicherheit bei den Beteiligten zu schaffen, ordnet § 119a Absatz 7 StVollzG unabhängig von der Rechtskraftwirkung von Beschlüssen an, dass alle Gerichte bei nachfolgenden

34

Entscheidungen an rechtskräftige Feststellungen nach § 119a Absatz 1 und Absatz 2 Satz 2 StVollzG gebunden sind.

35

Die Herbeiführung dieser Bindungswirkung ist maßgeblicher Sinn und Zweck des § 119a StVollzG (BT-Drucksache a.a.O. und Seite 29). Bei der späteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 67c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 StGB kann das Gericht die Betreuungsangebote in qualitativer und quantitativer Hinsicht nicht neu bewerten, wenn insoweit rechtskräftige Entscheidungen vorliegen. Vielmehr hat es - ausgehend von den rechtskräftigen Feststellungen gemäß § 119a Absatz 1 StVollzG - eine Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs vorzunehmen und zu entscheiden, ob dem Täter insgesamt, also unter Berücksichtigung sämtlicher Angebote und Maßnahmen während des Strafvollzugs, eine den Vorgaben des Gesetzes ausreichende Betreuung angeboten worden ist (BT-Drucksache a.a.O. Seite 20).

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Rechtssicherheit durch bindende Zwischenentscheidungen kann jedoch nur entstehen, wenn die im Kontrollverfahren ergehenden Beschlüsse den jeweiligen Prüfungsgegenstand vollständig erfassen und zusammenstellen. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, der gerade wegen der gesetzlichen Bindungswirkung von der Möglichkeit einer Verweisung auf bei den Akten befindliche Schriftstücke in den Entscheidungsgründen entsprechend § 115 Absatz 1 Satz 3 StVollzG bewusst Abstand genommen hat (BT-Drucksache a.a.O. Seite 29; vgl. auch KG a.a.O. Rdn. 13). Ob und inwieweit einem Beschluss nach § 119a StVollzG, der den Prüfungsgegenstand nicht oder nur unvollständig erkennen lässt, überhaupt Bindungswirkung zukommt, kann dahinstehen. Jedenfalls kann er seiner Funktion, bindender Bestandteil einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach 67c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu sein, nicht gerecht werden.

37

gg) Die Darstellung des Sach- und Streitstands im angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer entspricht den aufgezeigten Anforderungen nicht. Weder wird auf den Gegenstand der Anlassverurteilung, die Person des Verurteilten und den Vollzugsverlauf eingegangen, noch werden die Ergebnisse des Diagnoseverfahrens (§ 13 LJVollzG) und etwaiger nachfolgender Untersuchungen, noch der maßgebliche Inhalt des für den Prüfungszeitraum erstellten Vollzugs- und Eingliederungsplans mitgeteilt. Konkret wird als Betreuungsmaßnahme lediglich das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter angesprochen, das der Verurteilte derzeit absolviere, und - für die vorzunehmende retrograde Prüfung irrelevant - festgestellt, „dass die Betreuung aktuell und künftig den gesetzlichen Vorgaben des § 66c StGB entspreche“. Den zur Überprüfung gestellten zurückliegenden Zeitraum erfasst die Darstellung nur insoweit, als angegeben wird, dass die Teilnahme am Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter im September 2014 begonnen habe. Welche sonstigen Maßnahmen im Prüfungszeitraum (ab 01.06.2013) angeboten und durchgeführt oder nicht durchgeführt worden sind, ist nicht erkennbar. Näheres ergibt sich auch nicht aus der Erörterung des eingeholten Sachverständigengutachtens, die über die Wiedergabe des Gutachtenergebnisses hinaus keinen weiteren Erkenntnisgewinn ermöglicht.

38

Damit ist die Darstellung nicht nur im Wesentlichen unvollständig, sondern sie verfehlt auch den gesetzlichen Prüfungsgegenstand.

3.

39

Wegen dieser Mängel hebt der Senat den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer auf und verweist die Sache zu erneuter Entscheidung an die Kammer zurück.

40

Zwar verfügt der Senat nach der Gesetzeslage grundsätzlich über eine eigene Ermittlungs- und Sachentscheidungskompetenz. Bei dem Rechtsmittel nach § 119a Abs. 5 StVollzG handelt es sich konzeptionell weder um eine „einfache“ noch um eine sofortige Beschwerde im strafprozessualen Sinne (§§ 304 ff. StPO beziehungsweise § 311 StPO), sondern um eine verwaltungsprozessrechtlich determinierte Beschwerde sui generis, auf die zunächst die besonderen Bestimmungen nach Absatz 6 und ergänzend gemäß § 120 Absatz 1 Satz 2 StVollzG die Vorschriften der StPO zur Anwendung kommen (BT-Drucksache a.a.O. Seite 29). Da die Verweisung in § 119a Absatz 6 Satz 3 StVollzG auf entsprechend anzuwendende Rechtsbeschwerdevorschriften sich nicht auf die Beschränkung des Prüfungsumfangs im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 119 Absatz 2 StVollzG und die dort nach § 119 Absatz 4 Satz 3 StVollzG bestehende Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer zur neuen Entscheidung bezieht, ist im Beschwerdeverfahren nach § 119a Absatz 5 StVollzG von einer Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts entsprechend § 308 Absatz 2 und § 309 Absatz 2 StPO auszugehen. Danach ist es befugt, selbst zu ermitteln und eigene Feststellungen zu treffen; ist die Beschwerde ganz oder teilweise begründet, erlässt es die in der Sache gebotene Entscheidung grundsätzlich selbst (OLG Karlsruhe, Beschluss 1 Ws 190/15 vom 11.05.2016 juris = BeckRS 2016, 11357, jeweils Rdn. 13; KG, Beschluss 2 Ws 18/16 - 141 AR 47/16 vom 09.02.2016 Rdn. 31, juris = BeckRS 2016, 05033 Rdn. 16 ; OLG Hamm, Beschluss III-1 Vollz (Ws) 525, 526/15 vom 26.11.2015, juris = BeckRS 2016, 03070, jeweils Rdn. 7; OLG Celle, Beschluss 1 Ws 353/15 (StrVollz) vom 09.09.2015, juris = BeckRS 2015, 19041, jeweils Rdn. 7; Bachmann in LNNV Abschn. P Rdn. 126; Peglau, jurisPR-StrafR 9/2016 Anm.2; JR 2016, 45, 52). Das steht im Einklang mit den Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung. Ist die Beschwerde ganz oder teilweise begründet, trifft auch im Verwaltungsgerichtsverfahren das Beschwerdegericht die erforderliche Sachentscheidung regelmäßig selbst (§ 150 VwGO; Eyermannn/Hupp § 150 Rdn. 1).

41

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Im strafprozessualen Beschwerdeverfahren kann das Vorliegen eines schweren Verfahrensfehlers eine Zurückverweisung der Sache anstelle der an sich gebotenen Sachentscheidung rechtfertigen (vgl. hierzu SK-StPO/Frisch § 309 Rdn. 24 m.w.N.). Ein derart gravierender Mangel wird in der Rechtsprechung unter anderem dann angenommen, wenn das Erstgericht sich nicht mit dem entscheidungserheblichen Sachverhalt beschäftigt, sondern lediglich formal entschieden oder unter Annahme eines falschen rechtlichen Ausgangspunkts den entscheidungserheblichen Sachverhalt überhaupt nicht ermittelt hat (vgl. die Rechtsprechungshinweise in SK-StPO/Frisch a.a.O.).

42

Ein damit vergleichbarer Verfahrensmangel liegt im Kontrollverfahren nach § 119a StVollzG vor, wenn der angefochtene Beschluss die gesetzlichen Begründungsanforderungen noch nicht ansatzweise erfüllt und offen bleibt, ob die Strafvollstreckungskammer den zu überprüfenden Verfahrensgegenstand überhaupt erfasst hat (OLG Hamm, a.a.O., jeweils Rdn. 4-8).

43

So verhält es sich vorliegend. Die Darstellung des Sach- und Streitstands im angefochtenen Beschluss ist nicht nur in wesentlichen Teilen unvollständig, sondern verfehlt auch den gesetzlichen Prüfungsgegenstand. Zur Beseitigung der Mängel sind Ergänzungen und Korrekturen nicht ausreichend. Vielmehr ist der Sach- und Streitstand von Grund auf zu ermitteln, darzustellen und zu bewerten. Eine in diesem Sinn erstmalige Sachentscheidung durch den Senat als Beschwerdegericht stellte eine Missachtung des gesetzlichen Instanzenzugs dar (vgl. OLG Hamm, a.a.O., jeweils Rdn. 8). Sie hätte zur Folge, dass gerade in einer Entscheidung, die der Gesetzgeber wegen ihrer Bedeutung für die spätere Prüfung einer Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung nach § 67c Absatz 1 Satz 1 StGB als besonders schwerwiegend eingestuft und deswegen der Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit drei Richtern zugewiesen hat (BT-Drucksache a.a.O. Seite 28), die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der Strafvollstreckungskammer auf dem Gebiet des Strafvollzugs (vgl. Siolek in Löwe-Rosenberg GVG vor § 78a Rdn. 11) nicht zur Geltung kämen.

44

In diesem Fall bedeutete eine eigene Sachentscheidung des Beschwerdegerichts daher über den Instanzverlust hinaus eine Umgehung der gesetzlichen Zuständigkeitszuweisung, so dass es der Senat für geboten hält, die Sache zur Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

45

Eine solche Entscheidung ist auch dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht fremd. Entsprechend § 130 VwGO kann auch dort in dafür geeigneten Fällen eine Zurückverweisung der Sache durch das Beschwerdegericht an die Vorinstanz erfolgen (Eyermannn/Hupp a.a.O.).

46

Die Sache ist daher zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

Tatbestand

1

Im Streit ist der Umfang des Presseauskunftsrechts in Bezug auf die Namen von Personen, die an einem strafgerichtlichen Verfahren mitgewirkt haben.

2

Der Kläger ist Redakteur der juristischen Fachzeitschrift „Anwaltsnachrichten Ausländer- und Asylrecht“ (ANA-ZAR). Er wurde durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2010 auf ein Strafurteil des Amtsgerichts Nürtingen - Jugendschöffengericht - vom 2. Juli 2009 aufmerksam, mit dem ein afghanischer Staatsangehöriger zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. In den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2010, das die Ausweisung des Verurteilten betraf, war das Strafurteil als rechtsfehlerhaft bezeichnet worden.

3

Der Kläger bat den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen um Übersendung einer Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 zwecks Publikation in den ANA-ZAR. Er erhielt eine anonymisierte Urteilsabschrift. Mitgeteilt wurde ihm später der Name der Berufsrichterin. Mit Schreiben vom 25. Mai 2010 lehnte der Direktor des Amtsgerichts das Ersuchen des Klägers ab, ihm eine hinsichtlich der Personen, die berufsmäßig am Verfahren mitgewirkt haben, nicht anonymisierte Urteilsabschrift zu übersenden. Sinngemäß hieß es in dem Schreiben, die Belange der Schöffen, des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und des Verteidigers seien bei Abwägung gegen die Belange der Presse als vorrangig einzustufen. Der Kläger legte Widerspruch ein. Der Präsident des Landgerichts Stuttgart wertete diesen als Dienstaufsichtsbeschwerde und teilte dem Kläger mit, er sehe keine Veranlassung für Maßnahmen der Dienstaufsicht.

4

Der Kläger hat daraufhin Klage mit dem Begehren erhoben, unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 den Beklagten zu verpflichten, durch Übersendung einer nur hinsichtlich des Verurteilten anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen der Personen zu erteilen, die an dem Strafverfahren beteiligt waren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Verweis auf vorrangige schutzwürdige private Interessen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG) dieser Personen abgewiesen.

5

Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat er mitgeteilt, das Strafurteil vom 2. Juli 2009 in den ANA-ZAR 2010, 32 unter Erwähnung des Namens der Berufsrichterin und des Verteidigers besprochen zu haben. Den Namen des Verteidigers habe er anderweitig erfahren. Hinsichtlich der Auskunft über den Namen der Berufsrichterin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat daraufhin vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und festzustellen, dass die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 rechtswidrig war, soweit keine Auskunft über den Namen des Verteidigers erteilt worden ist, sowie den Beklagten unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 zu verpflichten, dem Kläger durch Übersendung einer - mit Ausnahme der Angaben zum Verurteilten, zur Berufsrichterin und zum Verteidiger - nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen der Personen zu erteilen, die an dem Strafverfahren beteiligt waren.

6

Im Umfang der Erledigungserklärung der Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt und das erstinstanzliche Urteil für unwirksam erklärt. Er hat ferner den Beklagten verpflichtet, dem Kläger Auskunft über die Namen der an dem Strafverfahren mitwirkenden Schöffen zu erteilen, und die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 insoweit aufgehoben. Die Klage im Übrigen hat er abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt:

7

Die Klage sei hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen des Verteidigers unbegründet. Der Auskunftserteilung hätten schutzwürdige private Interessen des Verteidigers (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG) entgegengestanden, die das Informationsinteresse des Klägers überwogen hätten. Bei Anwendung von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG bedürfe es der grundrechtlichen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Betroffener. Das Gewicht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verteidigers werde in der vorliegenden Konstellation durch den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (§ 169 GVG) gemindert. Ein Verteidiger müsse sich grundsätzlich auf die Beobachtung seines beruflichen Verhaltens und eine in der Öffentlichkeit verbreitete Kritik unter Namensnennung einstellen. Das Informationsinteresse des Klägers habe im Ausgangspunkt ein erhebliches Gewicht, da es eine Frage betreffe - ob nämlich der im Strafverfahren Verurteilte eine unangemessen harte Bestrafung erfahren habe -, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehe. Es sei zudem nicht mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen gewesen, dass die namentliche Benennung des Verteidigers in einer Veröffentlichung des Klägers eine unzulässige Pranger- oder Stigmatisierungswirkung erzeugt hätte. Dem Informationsinteresse des Klägers sei jedoch durch die Übersendung der anonymisierten Urteilsabschrift sowie die Nennung des Namens der Berufsrichterin bereits ganz überwiegend nachgekommen worden. Der Kläger habe so den Kern der die Öffentlichkeit angehenden Frage, ob der Verurteilte unangemessen hart bestraft worden sei, in der Fachzeitschrift hinreichend erörtern können. Der Name des Verteidigers sei für das Verständnis des Falls nicht wesentlich gewesen. Dieser trage unmittelbar keine Verantwortung für das Strafurteil. Das Informationsinteresse des Klägers sei daher als sehr gering und folglich nachrangig gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Verteidigers einzustufen.

8

Die Klage sei begründet, soweit der Kläger Auskunft über die Namen der an dem Strafverfahren beteiligten Schöffen verlange. Die Namen der Schöffen hätten im Unterschied zum Namen des Verteidigers eigenen Informationswert für die Erörterung der Frage nach einer etwaigen unangemessen harten Bestrafung des Verurteilten. Die Schöffen verantworteten das Urteil in gleicher Weise wie ein Berufsrichter.

9

Die Klage sei im Hinblick auf die begehrte Auskunft über die Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unbegründet. Insoweit würden, wie im Fall des Verteidigers, überwiegende schutzwürdige Interessen in Gestalt der Persönlichkeitsrechte dieser Personen der Auskunftserteilung entgegenstehen. Auch ihre Namen besäßen keinen eigenen Informationswert für die Erörterung der Frage nach einer etwaigen unangemessen harten Bestrafung. Staatsanwalt und Urkundsbeamtin trügen keine unmittelbare Verantwortung für das Strafurteil.

10

Die Revision des Klägers richtet sich gegen das Berufungsurteil, soweit hiermit seiner Klage nicht stattgegeben worden ist. Sein bereits in der Vorinstanz anhängig gemachtes Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Hinblick auf die unterbliebene Auskunftserteilung zum Namen des Verteidigers verfolgt der Kläger unverändert weiter. Nachdem das Amtsgericht Nürtingen dem Kläger mit Schreiben vom 20. März 2014 eine vollständig ungeschwärzte Ablichtung des Strafurteils vom 2. Juli 2009 übermittelt hatte, hat er auch hinsichtlich der Auskunftserteilung zu den Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren durch ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ersetzt.

11

Der Kläger trägt in der Sache im Wesentlichen vor, die Presse müsse keine Gründe für ein Verlangen angeben, Informationen zu einem ihr bekannt gewordenen Strafverfahren zu erhalten. Ohne Kenntnis der Namen der am Verfahren Beteiligten seien bestimmte weitergehende Recherchen nicht möglich. Der Verwaltungsgerichtshof gehe fehl, wenn er dem Verteidiger und dem Staatsanwalt eine Mitverantwortung für den Verfahrensausgang abspreche. Das Gewicht ihres Persönlichkeitsrechts sei durch die Öffentlichkeit der Verhandlung erheblich gemindert.

12

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen sei verpflichtet gewesen, ihm durch Überlassung einer insoweit ungeschwärzten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts zu erteilen, die an dem betreffenden Strafverfahren mitgewirkt haben. In Bezug auf die verweigerte Auskunft über den Namen der mitwirkenden Urkundsbeamtin ist die Revision unbegründet. Da der Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).

14

1. Die Revision des Klägers richtet sich gegen das Berufungsurteil im Hinblick auf die Auskunftsansprüche zu allen drei genannten Personen. Unschädlich ist, dass der Kläger in der Revisionsbegründung vom 2. Januar 2014 den Auskunftsanspruch hinsichtlich des Verteidigers nicht in dem dort formulierten Antrag aufgeführt hat. In den weiteren Ausführungen der Revisionsbegründung hat er hinreichend deutlich gemacht, das Berufungsurteil auch im Hinblick auf die Verneinung eines Auskunftsanspruchs zum Namen des Verteidigers für fehlerhaft zu halten und daher angreifen zu wollen; bereits bei Einlegung der Revision hatte er angegeben, das Berufungsurteil zur revisionsgerichtlichen Überprüfung stellen zu wollen, „soweit der Klage nicht stattgegeben wurde“ (Schriftsatz vom 24. Oktober 2013). Damit ist den aus § 139 Abs. 3 VwGO folgenden Anforderungen an die Bestimmung des Revisionsgegenstandes innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Genüge getan (vgl. Urteil vom 27. August 2008 - BVerwG 6 C 32.07 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38 Rn. 19). Der Revisionsbegründung kann ferner entnommen werden, dass es dem Kläger nicht nur um die Auskunftserteilung als solche geht, sondern auch um ihre spezifische Modalität in Gestalt der Überlassung einer nicht anonymisierten Urteilsabschrift.

15

2. Die Klage ist mit dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren, das nunmehr die Auskunftsansprüche zu den Namen aller drei Personen einschließt, zulässig.

16

a. Der Beklagte hat während des Revisionsverfahrens den Klageanspruch nicht anerkannt. Die Übermittlung einer ungeschwärzten Ablichtung der ersten Seite des Strafurteils vom 2. Juli 2009 mit Schreiben des Amtsgerichts Nürtingen an den Kläger vom 20. März 2014 erfüllt nicht die Anforderungen an ein Anerkenntnis im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO.

17

b. Der Rechtsstreit ist nicht im Nachgang zu der genannten Übermittlung aufgrund übereinstimmender Erklärung der Erledigung der Hauptsache beendet worden. Zwar sind dahingehende Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 18. Juni 2014 sowie im Schriftsatz des Klägers vom 14. Juli 2014 enthalten. Aus dem letztgenannten Schriftsatz ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass es dem Kläger in Wahrheit nicht um eine Beendigung des Rechtsstreits gegangen ist, sondern er - nachdem durch die Übermittlung ein erledigendes Ereignis eingetreten war - die Absicht gefasst hat, nunmehr die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der früheren Auskunftsverweigerung zu erwirken. Der Übergang zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO schließt es aus, gleichzeitig eine Erledigungserklärung nach § 161 Abs. 2 VwGO abzugeben (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1981 - BVerwG 8 C 39.80 - Buchholz 448.0 § 9 WPflG Nr. 7 S. 2). Da hinsichtlich des wahren Willens des Klägers kein Zweifel besteht, kann sein auf eine Erledigungserklärung weisendes Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 14. Juli 2014 als unbeachtlich gewertet werden.

18

c. Die im Revisionsverfahren auch hinsichtlich der Auskunft zu den Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin erfolgte Umstellung der Klage auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist statthaft. Da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, handelt es sich hierbei nicht um eine im Revisionsverfahren unzulässige (§ 142 Abs. 1 VwGO) Klageänderung (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO; vgl. etwa Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17 <19 f.> = Buchholz 406.252 § 7 UIG Nr. 1 S. 3). Das entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse liegt unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr vor. Es besteht die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen in künftigen vergleichbaren Fällen ein Auskunftsbegehren des Klägers abschlägig bescheiden wird. An der Gefahr einer Wiederholung fehlt es entgegen dem Beklagten nicht deshalb, weil der Entscheidung über entsprechende Auskunftsbegehren stets eine am Einzelfall orientierte Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse der Presse und dem Persönlichkeitsrecht betroffener Personen voraus zu gehen hat. Eine solche Abwägung folgt, auch wenn sie Gegebenheiten des Einzelfalls einbezieht, bestimmten abstrakten Kriterien. Es ist denkbar, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen zukünftig gerade aufgrund der Kriterien, auf die er sich im vorliegenden Fall gestützt hat, dem Kläger eine Auskunft über die Namen von Personen verwehrt, die an Gerichtsverfahren mitwirken.

19

3. Das Feststellungsbegehren ist hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts begründet. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht in Gestalt der Pressefreiheit des Klägers gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG137 Abs. 1 VwGO). Dass sich das Berufungsurteil insoweit aus anderen Gründen als richtig darstellen könnte (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist für den Senat nicht ersichtlich.

20

a. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung, schutzwürdige private Interessen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG hätten der Auskunftserteilung entgegen gestanden, mit der Annahme begründet, dass die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte dieser Personen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unter den vorliegend gegebenen Umständen das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Auskunftsinteresse des Klägers überwogen hätten. Insoweit beruht seine Anwendung der irrevisiblen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG auf einer bestimmten Gewichtung und Abwägung revisiblen Rechts. Ein Instanzgericht wendet revisibles Recht auch insoweit an, als es sich bei der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts durch revisibles Recht gebunden sieht (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 160 S. 96).

21

b. Mit der genannten Annahme hat der Verwaltungsgerichtshof die in Rede stehenden grundrechtlichen Positionen fehlerhaft abgewogen. Die Persönlichkeitsrechte des Verteidigers und des Staatsanwalts standen der Auskunftserteilung an den Kläger nicht entgegen, da dessen Auskunftsinteresse unter den gegebenen Umständen Vorrang zukam.

22

aa. Dem vom Kläger verfolgten Auskunftsinteresse kam im vorliegenden Fall hohes Gewicht bei.

23

(1) Das Auskunftsbegehren unterfiel dem Schutzbereich der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

24

Der Schutz der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. Der publizistischen Vorbereitungstätigkeit ist besonderes Gewicht beizulegen. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen. Das gilt auch im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren. Die Pressefreiheit umschließt auch das Recht der im Pressewesen tätigen Personen, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu informieren (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1994 - 1 BvR 1595, 1606/92 - BVerfGE 91, 125 <134>). Auch die Recherche über Gerichtsverfahren, in denen keine öffentliche Verhandlung stattfindet, ist von der Pressefreiheit umfasst.

25

(2) Das Auskunftsinteresse hatte unter den gegebenen Umständen hohes Gewicht.

26

Die Pressefreiheit ist grundrechtlich im Hinblick darauf besonders geschützt, dass eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte Presse ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für eine Demokratie unentbehrlich ist (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <174>; Beschluss vom 6. November 1979 - 1 BvR 81/76 - BVerfGE 52, 283 <296>). Der Presse kommt neben einer Informationsfunktion insbesondere auch eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 - DVBl 2009, 1166 Rn. 62; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 = Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 12). Beide Funktionen sind berührt, wenn ein Pressevertreter zum Zwecke der Berichterstattung über ein gerichtliches Strafverfahren recherchiert. In diesem Verfahren wird staatliche Gewalt - überdies in besonders einschneidender Weise - ausgeübt. Der Schutz der Pressefreiheit reicht hier weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt (vgl. zu dieser Abstufung BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - BVerfGE 34, 269 <283>; Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <391>).

27

Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse in Bezug auf Gerichtsverfahren erstreckt sich auch auf Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an einem Gerichtsverfahren mitwirken. Sie erschöpft sich nicht in der Berichterstattung zu sachlichen Verfahrensinhalten.

28

(3) Das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers war nicht deshalb gemindert, weil es sich auf eine Gerichtsverhandlung bezog, an der er selbst nicht als Zuschauer teilgenommen hatte. Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse greift gleichermaßen bei Verhandlungen, denen ein Pressevertreter beigewohnt hat, wie bei Verhandlungen, denen ein Pressevertreter nicht beigewohnt hat. Sie greift auch in Bezug auf Verfahren, in denen keine öffentliche Verhandlung stattfindet.

29

(4) Das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers war ferner nicht deshalb gemindert, weil es sich auf eine frühere Gerichtsverhandlung bezog. Zum Zeitpunkt der Anfrage des Klägers lag der Erlass des Strafurteils weniger als ein Jahr zurück und war daher weiterhin von aktuellem Interesse.

30

bb. Die Persönlichkeitsrechte eines Verteidigers und eines Staatsanwalts, nach deren Namen die Presse wegen ihrer Verfahrensmitwirkung fragt, sind infolge des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen in ihrem grundrechtlichen Gewicht gemindert.

31

Der einfachgesetzlich in § 169 Satz 1 GVG normierte Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen besitzt als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 622/99 - BVerfGE 103, 44 <63>). Die Verfassung setzt damit als Regelfall voraus, dass die Mitwirkung des Verteidigers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft bei einer Gerichtsverhandlung unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet und so ihre Namen öffentlich bekannt werden können.

32

Der Gesetzgeber ist zwar befugt, die Öffentlichkeit auf die im Raum der Verhandlung Anwesenden zu beschränken; von dieser Befugnis hat er in § 169 Satz 1 GVG Gebrauch gemacht. Eine derart beschränkte Öffentlichkeit genügt dem rechtsstaatlichen Interesse der öffentlichen Kontrolle des Gerichtsverfahrens sowie dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 65 f.). Wie anderen Personen ist aber auch Pressevertretern der Zugang zum Gerichtssaal eröffnet. Pressevertreter können so an Gerichtsverhandlungen teilnehmen und anschließend über sie berichten. Hierin wird berücksichtigt, dass Informationen in erster Linie über die Presse an die Öffentlichkeit vermittelt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 66). Ohne diese mediale Vermittlungsmöglichkeit würde der Kontroll- und Informationszweck des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatzes unzureichend umgesetzt werden. Bürger, die nicht selbst an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen, sind auf Presseberichterstattung angewiesen, um sich ein Bild von der Verhandlung machen und das Verfahren würdigen zu können. Die Zugänglichkeit der Gerichtsverhandlung gerade für Pressevertreter ist daher verfassungsrechtlich von besonderem Gewicht. Wenn die Verfassung voraussetzt, dass die Mitwirkung des Verteidigers sowie des Staatsanwalts bei einer Gerichtsverhandlung regelmäßig unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet, rechnet sie ein, dass es sich hierbei potentiell um eine Medienöffentlichkeit handelt, d.h. die Namen der genannten Personen auch Vertretern der Presse bekannt werden können.

33

Die Möglichkeit des (presse-)öffentlichen Bekanntwerdens der namentlichen Identität von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege in Gerichtsverhandlungen mitwirken, wird von der Verfassung nicht lediglich als tatsächliche Konsequenz des Öffentlichkeitsgrundsatzes bloß hingenommen, sondern sie entspricht der normativen Stoßrichtung dieses Grundsatzes. Das Bedürfnis, die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen, erstreckt sich auch auf die Identität der hieran mitwirkenden nichtrichterlichen, aber in weitem Umfang unabhängig handelnden Funktionsträger. Die Öffentlichkeit der Verhandlung soll unter anderem auch die Möglichkeit eröffnen, personelle Zurechnungszusammenhänge deutlich zu machen und so persönliche Verantwortlichkeiten zu markieren. Die mitwirkenden Funktionsträger sollen für die Art und Weise der Mitwirkung öffentlich einstehen.

34

Hieraus erschließt sich, dass das Gewicht der Persönlichkeitsrechte mitwirkender Verteidiger oder Staatsanwälte nicht nach dem Zeitpunkt variieren kann, zu dem ein Auskunftsbegehren gestellt wird, das auf die Kenntnis ihrer namentlichen Identität gerichtet ist. Fragt ein Pressevertreter erst nach Abschluss einer Gerichtsverhandlung, an der er selbst nicht teilgenommen hat, nach den Namen des mitwirkenden Verteidigers bzw. des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, ist das Gewicht ihrer Persönlichkeitsrechte nicht höher einzustufen als in dem Fall, dass ein Pressevertreter ihre Namen aufgrund eigener Sitzungsteilnahme erfährt. Das rechtsstaatliche Bedürfnis, persönliche Verantwortlichkeiten für Akte der dritten Gewalt transparent zu machen, besteht im einen wie im anderen Fall gleichermaßen. Es kommt konsequenterweise auch nicht darauf an, ob im Einzelfall überhaupt eine Verhandlung bzw. eine öffentliche Verhandlung stattfindet. Die dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz innewohnende Wertung, amtliche Funktionsträger in gerichtlichen Verfahren hätten ebenso wie mitwirkende nichtamtliche Organe der Rechtspflege für ihre Mitwirkung öffentlich einzustehen, gilt unabhängig davon, welche Regelungen die Prozessordnungen über die Möglichkeit von Entscheidungen im schriftlichen Verfahren oder über den Ausschluss der Öffentlichkeit treffen.

35

cc. Aus dem Vorstehenden folgt als Ergebnis, dass in einer Konstellation wie der Vorliegenden die Persönlichkeitsrechte von Staatsanwälten und Verteidigern das publizistische Informations- und Verbreitungsinteresse regelmäßig nicht überwiegen. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich von Streitfällen entschieden, in denen die Zulässigkeit der Erstellung und Verbreitung von Bild- und Tonaufnahmen vor und nach gerichtlichen Verhandlungen oder in Sitzungspausen in Frage stand. Es hat hierbei ausgesprochen, dass Richter, Verteidiger und Staatsanwälte kraft des ihnen übertragenen Amtes bzw. ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege anlässlich ihrer Teilnahme an Gerichtsverhandlungen im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen und ein berechtigtes Interesse dieser Personen, nur durch die in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen zu werden, angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren regelmäßig nicht anzunehmen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. Juli 2000 - 1 BvQ 17/00 - DVBl 2000, 1778 <1779> und vom 7. Juni 2007 - 1 BvR 1438/07 - NJW-RR 2007, 1416; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 620/07 - BVerfGE 119, 309 <323 f.>; Kammerbeschluss vom 30. März 2012 - 1 BvR 711/12 - NJW 2012, 2178 <2179>). Diese auf das Recht am eigenen Bild bezogene Rechtsprechung kann auf den Fall, dass das Recht am eigenen Namen betroffen ist, übertragen werden.

36

Etwaigen persönlichkeitsrechtlichen Risiken sind die genannten Personen hierdurch nicht schutzlos ausgesetzt. Die Rechtsordnung gibt ihnen Instrumente an die Hand, um sich gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Seiten der Presse angemessen zur Wehr setzen zu können. Die Offenbarung ihres Namens an die Presse entbindet diese nicht davon, beim weiteren Umgang mit der erlangten Information ihre Persönlichkeitsrechte zu wahren. Auch öffentliche Amtsträger sind - auch hinsichtlich ihrer Amtstätigkeit - in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts einbezogen (vgl. Urteil vom 23. Juni 2004 - BVerwG 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <125 f.> = Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 49 S. 89).

37

dd. Ein Vorrang der Persönlichkeitsrechte von mitwirkenden Verteidigern und Staatsanwälten gegenüber dem Informationsinteresse der Presse ist bei Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen, sofern diese Personen erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter zu befürchten haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 a.a.O. S. 324; Kammerbeschluss vom 21. Juli 2000 a.a.O.). Für solche Befürchtungen bestand nach dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt jedoch kein Grund. Dies gilt auch für die - hier maßgebliche - Erkenntnislage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts über das Auskunftsersuchen des Klägers.

38

ee. Der Verwaltungsgerichtshof durfte dem Auskunftsinteresse des Klägers nicht aufgrund der Erwägung Nachrang gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Verteidigers und des Staatsanwalts einräumen, diese trügen keine unmittelbare Verantwortung für das Strafurteil vom 2. Juli 2009, so dass die Kenntnis ihrer Namen für das Verständnis des Falles nicht bedeutsam gewesen sei.

39

(1) Mit dieser Erwägung lässt sich zum einen nicht begründen, dass das grundrechtliche Gewicht der Persönlichkeitsrechte des Verteidigers und des Staatsanwalts höher als vorstehend ausgeführt zu veranschlagen wäre. Zwar ist ihre Verantwortung für Verlauf und Ausgang des gerichtlichen Verfahrens nicht dieselbe wie bei Mitgliedern des gerichtlichen Spruchkörpers. Jedoch verfügen Verteidiger und Staatsanwalt über eigene Verfahrensrechte und haben hierüber substantiellen Einfluss auf die gerichtliche Wahrheits- und Entscheidungsfindung. Die Informations- und Kontrollzwecke des Öffentlichkeitsgrundsatzes greifen aus diesem Grund auch ihnen gegenüber.

40

(2) Die genannte Erwägung rechtfertigt zum anderen nicht, das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers geringer als vorstehend ausgeführt zu veranschlagen.

41

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse wäre es nicht vereinbar, wenn die Durchsetzung ihres Informationsinteresses von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhinge. Die Presse muss nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>; Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>). Diese Maßgaben, die sich als Gebot staatlicher Inhaltsneutralität verstehen lassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 a.a.O. S. 506), sind nicht nur für das Stadium der Publikation, sondern auch für das vorgelagerte Stadium der Recherche von Belang. Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Staatlichen Stellen dürfen sich keine Möglichkeiten bieten, über den Informationswert bestimmter Gegebenheiten mit zu entscheiden und auf diese Weise mittelbar auf den Publikationsinhalt Einfluss zu nehmen. Dem Einwand fehlender Eignung einer Information für die Aufbereitung eines bestimmten Themas steht darüber hinaus entgegen, dass die Bedeutung einer Information vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden kann. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit journalistischer Freiräume im Rahmen von Informationsanfragen und hier insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen werden staatliche Stellen grundsätzlich nicht gerecht, wenn sie das grundrechtliche Gewicht eines von der Presse geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig machen. Sie würden hiermit auf einen Maßstab zugreifen, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ihnen, sondern der Presse überantwortet.

42

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Presse im Rahmen der Recherche zu Gerichtsverfahren auch solche personenbezogenen Informationen herausverlangen dürfte, denen selbst bei Anlegung eines großzügigen, den besonderen Funktionsbedürfnissen und Arbeitsweisen der Presse vollauf Rechnung tragenden Maßstabs jede erkennbare materielle Bedeutung im Zusammenhang mit dem verlautbarten Thema der Recherche bzw. der ins Auge gefassten Berichterstattung abgeht. Das Auskunftsinteresse der Presse genießt keinen Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht eines an einem Gerichtsverfahren mitwirkenden nichtrichterlichen Funktionsträgers, wenn es speziell in Bezug auf diese Person im Dunkeln bleibt und so die Vermutung naheliegen muss, das Informationsverlangen erfolge insoweit „ins Blaue“ hinein oder besitze jedenfalls keinen ernsthaften sachlichen Hintergrund. Verweigert eine staatliche Stelle aus diesen Gründen die Herausgabe einer personenbezogenen Information und erläutert die Presse daraufhin nicht zumindest ansatzweise die von ihr zugrunde gelegte Einschätzung des Werts dieser Information für ihre Recherche bzw. die ins Auge gefasste Berichterstattung, muss die staatliche Stelle davon ausgehen, dass dem Informationsverlangen ein ernsthafter Hintergrund fehlt, und ist sie daher ausnahmsweise nicht zur Informationsherausgabe verpflichtet.

43

Richtet sich wie hier das Informationsverlangen darauf, bei Überlassung einer Urteilsabschrift zu Publikationszwecken auch die Namen des mitwirkenden Verteidigers und des mitwirkenden Staatsanwalts zu erfahren, kann in Anbetracht der dargelegten Stellung dieser Personen im Rahmen des Gerichtsverfahrens indes schon den äußeren Umständen nach nicht davon ausgegangen werden, das Verlangen erfolge „ins Blaue“ hinein oder ihm fehle ein ernsthafter sachlicher Hintergrund. Der Kläger war folglich insoweit nicht gehalten, gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts nähere Erläuterungen vorzunehmen.

44

(3) Keiner Erörterung bedarf im vorliegenden Zusammenhang die Frage, in welchem Umfang der Presse bei Auskunftsverlangen gegenüber staatlichen Stellen, die sich auf nicht frei zugängliche Informationen beziehen, vorgelagert die Spezifizierung des von ihr anvisierten Recherche- bzw. Publikationsthemas obliegt, um die staatliche Stelle überhaupt erst in den Stand zu versetzen, eine Abwägung mit etwaigen entgegenstehenden Rechtspositionen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts angegeben, es gehe ihm um eine mögliche Publikation in einer juristischen Fachzeitschrift. Zu hierüber hinausgehenden Angaben war er nicht gehalten.

45

c. Der Kläger besaß einen Anspruch darauf, dass ihm die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts im Wege der Überlassung einer hinsichtlich dieser Personen nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 mitgeteilt werden. Insoweit genügt der Hinweis auf das Berufungsurteil, mit dem der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung der landesrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 1 LPresseG hinsichtlich der Namen der mitwirkenden Schöffen der Verpflichtungsklage des Klägers stattgegeben hat. Diese Entscheidung ist mangels entgegenstehender Hinweise in den Entscheidungsgründen so zu verstehen, dass sie - entsprechend dem ausdrücklich hierauf abzielenden Klagebegehren - den Beklagten zur Nennung der Namen der Schöffen speziell im Wege der Urteilsüberlassung verpflichtet hat. Für den Anspruch auf Auskunft über den Namen von Verteidiger und Staatsanwalt kann im Hinblick auf diese Modalität der Auskunftserteilung landesrechtlich nichts anderes gelten.

46

4. Das Feststellungsbegehren ist hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen der Urkundsbeamtin unbegründet. Ihr Persönlichkeitsrecht überwog im vorliegenden Fall das Auskunftsinteresse des Klägers. Insoweit verstößt das Berufungsurteil im Ergebnis nicht gegen revisibles Recht.

47

Es kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass der Urkundsbeamtin eine vergleichsweise untergeordnete Funktion im Rahmen der gerichtlichen Wahrheits- und Entscheidungsfindung zukommt. Jedenfalls musste für den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen hinsichtlich ihrer Person im Dunkeln bleiben, welches Informationsinteresse der Kläger mit seinem Auskunftsverlangen verfolgte. Weder im Rahmen eines bloßen Urteilsabdrucks, noch im Rahmen einer Urteilsbesprechung entspricht es auch nur annähernd einer geläufigen journalistischen Praxis, auf die Person des Urkundsbeamten einzugehen oder gar dessen Namen zu publizieren. Der Verdacht, dass insoweit dem Auskunftsverlangen des Klägers ein ernsthafter sachlicher Hintergrund fehlte, lag daher nahe. Ausgehend von den oben dargelegten Maßstäben hätte es bei dieser Sachlage dem Kläger oblegen, sein Auskunftsinteresse zumindest ansatzweise zu substantiieren, nachdem ihm von Seiten des Amtsgerichtsdirektors die Einschätzung mitgeteilt worden war, der Name der Urkundsbeamtin sei „ohne Belang“. Zu diesem Schritt hat sich der Kläger jedoch nicht bereitgefunden.

48

5. Kein anderes Ergebnis ergibt sich im Lichte sonstiger Vorschriften.

49

a. Dies gilt zum einen für § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO, sofern man diese Vorschrift hier überhaupt für anwendbar halten sollte. Gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO sind Auskünfte zu erteilen, soweit hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Gemäß § 475 Abs. 1 Satz 2 StPO sind sie zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Bei Anwendung dieser Maßgaben gelangt man jeweils zu den gleichen Erwägungen, wie sie vorstehend ausgeführt worden sind.

50

b. Für einen Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 GG bestand schon in Anbetracht der abschließenden, die verfassungsrechtliche Position der Presse hinreichend berücksichtigenden gesetzlichen Regelungen in § 4 LPresseG kein Raum.

51

c. Der Senat hat in einem Urteil vom 26. Februar 1997 - BVerwG 6 C 3.96 - (BVerwGE 104, 105 ff. = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 155) aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährleistungspflicht, dem Demokratiegebot sowie dem Grundsatz der Gewaltenteilung einen Verfassungsauftrag aller Gerichte hergeleitet, die Entscheidungen ihrer Spruchkörper der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Urteil vom 26. Februar 1997 a.a.O. S. 108 f. bzw. 8 f.). Hierzu seien zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses auf einer ersten Stufe herausgabefähige, insbesondere anonymisierte und neutralisierte Fassungen der zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen herzustellen (Urteil vom 26. Februar 1997 a.a.O. S. 111 f. bzw. 10 f.). Für das vorliegende Verfahren kann dieses Urteil außer Betracht bleiben. Die danach bestehende verfassungsunmittelbare Herausgabepflicht reicht nicht weiter als die Herausgabepflicht nach der gesetzlichen Vorschrift des § 4 LPresseG, die gegenüber jener Anwendungsvorrang genießt. Auf der anderen Seite hat der Senat mit diesem Urteil ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen wollen, es sei unter jeglichen Umständen verfassungsrechtlich geboten, Gerichtsentscheidungen Dritten, insbesondere auch Pressevertretern, ausschließlich bei Anonymisierung sämtlicher am Gerichtsverfahren mitwirkenden Personen zugänglich zu machen.

52

6. Das im Berufungsurteil hervorgehobene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 14. November 2002 in der Sache „Wirtschafts-Trend“ Zeitschriften-Verlagsgesellschaft mbH gegen Österreich - Nr. 62746/00 - (Slg. 2002-X, 281 ff.) steht nicht im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung. Zu entscheiden war dort über einen Pressebericht zu einem Abschiebungsversuch, der mit dem Tod des Abzuschiebenden endete. In dem Pressebericht waren Details aus strafrechtlichen Vorermittlungen gegen drei die Abschiebung begleitende Polizeibeamte sowie der Name eines dieser Beamten veröffentlicht worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil das Persönlichkeitsrecht des namentlich erwähnten Polizeibeamten höher gewichtet als das Auskunftsinteresse der Presse und es hiervon ausgehend für vereinbar mit Art. 10 EMRK gehalten, dass das Presseunternehmen zur Schadensersatzleistung gegenüber dem Polizeibeamten verurteilt worden war. Er hat sich hierbei mit auf die Erwägung gestützt, die Offenlegung des Namens des Polizeibeamten hätte keinen zusätzlichen Informationswert von derartigem Gewicht gehabt, dass er das Interesse dieses Beamten an der Nichtoffenlegung seiner Identität überwogen hätte („The disclosure of his full name did not add anything of public interest to the information already given in the article that could have outweighed the interests of the person concerned in non-disclosure of his identity“). Der Gerichtshof hat sich allerdings zusätzlich auf weitere Erwägungen gestützt, insbesondere darauf, dass sich die strafrechtlichen Vorermittlungen noch in einem frühen Stadium befunden hatten und dass das Privatleben des benannten Polizeibeamten durch die Veröffentlichung tatsächlich beeinträchtigt worden war. Der im hier zu entscheidenden Fall zentrale Gesichtspunkt, dass das Persönlichkeitsrecht von Verteidigern und Staatsanwälten, die an gerichtlichen Verhandlungen mitwirken, infolge des Öffentlichkeitsgrundsatzes in seinem Gewicht gemindert ist, konnte in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall nicht zum Tragen kommen. Mit Rücksicht auf diese Umstände ist die genannte Erwägung des Gerichtshofs zum fehlenden Informationswert des offengelegten Namens des Polizeibeamten auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

53

7. Die Kostenentscheidung, in die der rechtskräftig gewordene Teil der vorinstanzlichen Kostenentscheidung einzubeziehen ist, beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Tenor

1. Der Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 13. März 2015 - 1 EO 128/15 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Der Freistaat Thüringen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Verfassungsbeschwerde liegt ein verwaltungsgerichtliches Eilrechtsschutzverfahren zugrunde, in welchem um die Übersendung einer anonymisierten Abschrift eines Strafurteils an die Beschwerdeführerin gestritten wurde.

2

1. Die Beschwerdeführerin, eine Zeitungs-Verlagsgruppe, begehrte Auskunft über die schriftlichen Urteilsgründe des in einem Strafverfahren vor dem Landgericht gegen den beigeladenen ehemaligen Innenminister des Freistaates T. und Beigeordneten der Stadt E. ergangenen Urteils durch die Übersendung einer anonymisierten Kopie des Urteils.

3

Nach Durchführung einer sechstägigen Hauptverhandlung mit umfänglicher, Namen und Straftaten nennender Medienbegleitung wurde mit diesem Urteil der Beigeladene im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Beigeordneter sowie als Stadtratsmitglied wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen und Abgeordnetenbestechung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen weiteren Beschuldigten wurde bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs zurückgestellt. Eine weitere Person wird gesondert verfolgt. Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt E. wegen Beihilfe zur Vorteilsannahme lehnte das Landgericht ab.

4

2. Die Beschwerdeführerin beantragte beim Präsidenten des Landgerichts (im Folgenden: Antragsgegner) die Übersendung einer Kopie des Strafurteils. Der Antragsgegner lehnte dies ab. Durch Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft über die schriftlichen Urteilsgründe des ergangenen Urteils durch Übersendung einer anonymisierten Kopie des vollständigen Urteils zu erteilen.

5

3. Auf die Beschwerde des Beigeladenen änderte das Oberverwaltungsgericht mit angefochtenem Beschluss die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab und lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin auf Auskunftserteilung ab.

6

Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. § 4 Abs. 1 ThürPrG gewähre der Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf die Übersendung eines anonymisierten vollständigen Urteils. Nach dieser Vorschrift seien Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 ThürPrG dürfe die Auskunft verweigert werden, wenn die sachgemäße Durchführung eines Strafverfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könne. Bei der Auslegung der Norm sei zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen könne. Allerdings verpflichte § 4 Abs. 1 ThürPrG die Behörden lediglich zur Erteilung einer Auskunft. Eine besondere Form der Auskunft sei nicht vorgegeben. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG lasse sich kein Anspruch auf Einsichtnahme in Behördenakten herleiten. Lediglich in Ausnahmefällen könne das Auswahlermessen dahingehend reduziert sein, dass die Herausgabe einer Urteilskopie verlangt werden dürfe. Eine derartige Ermessensreduzierung sei jedoch nicht gegeben. Sie lasse sich nicht bereits aus der allgemeinen Verpflichtung der Justiz zur Veröffentlichung gerichtlicher, die Öffentlichkeit interessierender Entscheidungen herleiten. Bei der Veröffentlichung müssten die Gerichte neben den Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten und dem Datenschutz die ihnen auferlegten Neutralitätspflichten beachten. Diese Verpflichtung der Gerichte zu unbedingter Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand sei zentraler Bestandteil der rechtsstaatlichen Grundkonzeption und habe Einfluss auf die mit Verfassungsrang ausgestattete Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege. Sie dürfe und müsse im Rahmen der Veröffentlichung von Entscheidungen durch die Justiz berücksichtigt werden. Ein Anspruch auf Erteilung einer Auskunft gerade durch Übersendung eines die Presse interessierenden Urteils bestehe jedenfalls dann nicht, wenn einer der Versagungsgründe des § 4 Abs. 2 ThürPrG vorliege, insbesondere wenn dadurch die sachgemäße Durchführung eines Strafverfahrens gefährdet werden könne.

7

Dies sei hier der Fall. Angesichts des - im Zeitpunkt des Auskunftsbegehrens noch laufenden - Revisionsverfahrens sei die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werde und gegebenenfalls die Beweisaufnahme nochmals durchgeführt werden müsse. Darüber hinaus sei bisher noch nicht abschließend über die Eröffnung der Hauptverhandlung in den Verfahren derjenigen Personen entschieden worden, die bei der Verurteilung des Beigeladenen wegen Abgeordnetenbestechung (§ 108e Abs. 1 StGB) und Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) die jeweils spiegelbildlichen Tatbestände verwirklicht haben könnten. Bei einer Veröffentlichung des Urteils im Wortlaut bestehe die Möglichkeit, dass Zeugen beeinflusst würden. Die Durchführung der Beweisaufnahme in der öffentlichen Hauptverhandlung und die Verlesung des Urteils seien nicht mit einer Veröffentlichung des genauen Wortlauts gleichzusetzen. Der möglichen Gefährdung der weiteren Gerichtsverfahren lasse sich nicht mit einer Anonymisierung entgegensteuern, da sich die Beteiligten und die Zeugen ohne größere Mühen wiederfinden könnten. Unabhängig von der Frage, ob im Hinblick auf die Erörterung des Schriftverkehrs in der Hauptverhandlung, der dort erfolgten Zeugenvernehmungen sowie deren Bewertung in der Urteilsbegründung der Straftatbestand des § 353d Nr. 3 StGB nicht mehr erfüllt werden könne, lasse sich eine Gefährdung von Strafverfahren hier nicht von der Hand weisen. Veröffentlichungen amtlicher Schriftstücke im Wortlaut stellten eine größere Gefahr für die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten und die von dem Verfahren Betroffenen dar als lediglich inhaltlich berichtende Veröffentlichungen in nicht wörtlicher Rede, da sie eine besondere Überzeugungs- und Beweiskraft besäßen und den Eindruck amtlicher Authentizität erweckten. Diese Folgen seien bei der Beurteilung der Frage, ob der Antragsgegner hier gehalten sei, die begehrte Auskunft gerade durch Übersendung einer Urteilskopie zu erfüllen, zu berücksichtigen. Die Auskunft gebende Stelle müsse alle möglichen Auswirkungen der Freigabe der begehrten Information umfassend in den Blick nehmen, denn nach der Herausgabe einer entsprechenden Urteilskopie habe sie keinen Einfluss mehr darauf, ob die Urteilskopie vollständig veröffentlicht werde, nur Teile daraus zitiert würden oder sie überhaupt keine Verwendung finde. Entscheidend sei, dass die Information in der Hand Anderer geeignet sein könne, entsprechend bekannt zu werden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände müsse sich die Beschwerdeführerin darauf verweisen lassen, konkrete Auskunftsbegehren - beispielsweise zu den Gründen der Strafzumessung - an das Landgericht zu richten.

8

Ein Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bestehe in Anbetracht der abschließenden, die verfassungsrechtliche Position der Presse hinreichend berücksichtigenden gesetzlichen Regelung in den landesrechtlichen Pressegesetzen nicht. Dies gelte im gleichen Maße im Hinblick auf Art. 10 EMRK.

9

4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 (Pressefreiheit) und aus Art. 19 Abs. 4 GG (effektiver Rechtsschutz) geltend.

10

5. Dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zu der Reichweite presserechtlicher Auskunftsansprüche bereits entschieden (vgl. BVerfGE 50, 234 <240>; 91, 125 <134>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 1988 - 1 BvR 155/85 u. a. -, NJW 1989, S. 382; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 -, NJW 2001, S. 503 <503 f.>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 -, NJW 2014, S. 3711 <3712>).

12

1. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 19 Abs. 4 GG beruft, zulässig. Der Rüge steht insbesondere nicht der Grundsatz der Subsidiarität entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entgegen.

13

Das in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität fordert, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Rechts-wegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder zu verhindern (vgl. BVerfGE 74, 102 <113>). Das bedeutet, dass auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein kann, wenn sich dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen. Die Notwendigkeit vorab das Klageverfahren zu betreiben, fehlt allerdings, wenn dies für den Beschwerdeführer nicht zumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 77, 381 <401 f.> m.w.N.; 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>).

14

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Entscheidung hängt von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung ab. Verwiese man den Beschwerdeführer auf den Rechtsweg in der Hauptsache, würde dies einen schweren und unabwendbaren Nachteil darstellen, da auch mit Blick auf die Aktualität der Berichterstattung in einer Tageszeitung bei einem Erfolg in der Hauptsache eine Verwertung der Urteilsabschrift wegen des Zeitablaufs voraussichtlich nicht mehr in Betracht kommen würde.

15

2. Die angegriffene Entscheidung verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

16

a) Bei einer Eilentscheidung über einen presserechtlichen Auskunftsanspruch ist stets die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten. Dies gilt auch in Bezug auf Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden einschließlich der Gerichte (vgl. BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 -, NJW 2014, S. 3711 <3712>), wobei zu berücksichtigen ist, dass der Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit selbst Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist (vgl. BVerfGE 103, 44 <63>) und eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen allgemein anerkannt ist (vgl. BVerwGE 104, 105 <108 f.> m.w.N.). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommenden Funktionen wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 50, 234 <240>; 91, 125 <134>). Der Presse kommt neben einer Informations- insbesondere eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 -, NJW-RR 2010, S. 470 <471>). Beide Funktionen sind berührt, wenn ein Pressevertreter zum Zwecke der Berichterstattung über ein gerichtliches Strafverfahren recherchiert. In diesem Verfahren geht es - überdies in besonders einschneidender Weise - um die Ausübung staatlicher Gewalt. Der Schutz der Pressefreiheit reicht hier weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35/13 -, NJW 2015, S. 807 <809>, unter Verweis auf BVerfGE 34, 269 <283>; 101, 361 <391>). Grundsätzlich entscheidet die Presse danach in den Grenzen des Rechts selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>; 107, 299 <329>).

17

b) Die Pressefreiheit ist durch die Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 1 und 2 ThürPrG durch das Oberverwaltungsgericht verletzt worden.

18

aa) Im Ausgangspunkt hat das Oberverwaltungsgericht die Vorschrift allerdings in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, dass den auskunftspflichtigen Stellen - auch unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - grundsätzlich ein Ermessensspielraum bei der Frage nach Art und Umfang der Auskunft zusteht. In keinem der Landespressegesetze - so auch nicht in Thüringen - wird der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs näher präzisiert. Es wird lediglich bestimmt, dass die Behörden sowie die der Aufsicht des Landes unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet sind, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Bei der Erfüllung des Anspruchs wird den Behörden ein Ermessensspielraum zugestanden, der sich lediglich im Einzelfall zu einem Anspruch auf Akteneinsicht verdichten soll (vgl. Soehring, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 22b).

19

Bei der Bestimmung der konkreten Tragweite des Auskunftsanspruchs im Einzelfall ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen (vgl. BVerfGE 35, 202 <233>). Das danach maßgebliche öffentliche Informationsinteresse ist anhand des Gegenstands des Auskunftsersuchens und damit der beabsichtigten Berichterstattung zu bestimmen. Dabei besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einsicht in Behördenakten.

20

bb) Für die Auskunft über Gerichtsentscheidungen gelten jedoch Besonderheiten, die das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet hat. Es ist weithin anerkannt, dass aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen folgt (vgl. BVerwGE 104, 105 <108 f.> m.w.N.). Diese Veröffentlichungspflicht erstreckt sich nicht nur auf rechtskräftige Entscheidungen, sondern kann bereits vor Rechtskraft greifen (vgl. Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, S. 1777 <1778>). Sie bezieht sich auf die Entscheidungen als solche in ihrem amtlichen Wortlaut. Hiermit korrespondiert ein presserechtlicher Auskunftsanspruch von Medienvertretern.

21

cc) Der Zugang zu Gerichtsentscheidungen ist allerdings nicht unbegrenzt. So sind die Entscheidungen etwa hinsichtlich persönlicher Angaben und Umstände in der Regel zu anonymisieren. Dies ändert an der grundsätzlichen Öffentlichkeit solcher Entscheidungen nichts.

22

Unberührt von der grundsätzlichen Zugänglichkeit von Gerichtsentscheidungen bleiben auch die allgemeinen gesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Anforderungen an den weiteren Umgang der Medien mit den Entscheidungen. Äußerungen und Publikationen können, wie etwa nach den Grundsätzen zur Verdachtsberichterstattung (vgl. BVerfGE 12, 113 <130 f.>; 114, 339 <354>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 -, NJW-RR 2010, S. 470 <473>; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 -, NJW 2014, S. 2029 <2032>) oder zur Zurückhaltung bei Berichten über zurückliegende Straftaten, die die Resozialisierung von Straftätern beeinträchtigen (BVerfGE 35, 202 <233 ff.>), Grenzen unterliegen. Die Medien haben insoweit gesteigerte Sorgfaltspflichten zu beachten. Die Verantwortung für die Beachtung dieser Pflichten liegt dabei grundsätzlich bei den Medien selbst. Diese Sorgfaltspflichten können nicht schon generell zum Maßstab für das Zugänglichmachen der gerichtlichen Entscheidungen seitens der Gerichtsverwaltung gemacht werden.

23

dd) Wieweit die Beeinträchtigung des weiteren oder anderer Gerichtsverfahren der Zugänglichmachung von Gerichtsentscheidungen Grenzen setzen kann und Entscheidungen deshalb auch als Ganze zurückgehalten werden können, kann hier offenbleiben. Denn jedenfalls tragen die in dem angegriffenen Beschluss angeführten Gründe eine Zurückhaltung der in Frage stehenden Entscheidungen nicht.

24

Der Beschluss verweist ohne nähere Darlegungen auf eine bloß mögliche Gefährdung des noch nicht rechtskräftigen Verfahrens des Beigeladenen sowie weiterer Strafverfahren im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 1 ThürPrG, namentlich die potentielle Beeinträchtigung von Zeugen, die im Falle einer Berichterstattung mit anonymisierter Urteilsabschrift drohen könnte. Dies genügt zur Ablehnung eines auf Herausgabe der Urteilsabschrift gerichteten Auskunftsanspruchs nicht. Jedenfalls angesichts des Umstands, dass es sich bei dem Beigeladenen um eine Person des öffentlichen Lebens handelt und es um strafrechtliche Vorwürfe geht, die aufgrund der geschützten Rechtsgüter - die Sachlichkeit des Abstimmungsverhaltens und damit die Funktionsfähigkeit des repräsentativen Systems einerseits (§ 108e StGB) sowie die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes (§ 331 StGB) andererseits - im öffentlichen Interesse liegen, können die begehrten Entscheidungen allenfalls dann vollständig unter Verschluss gehalten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr einer Vereitelung, Erschwerung, Verzögerung oder Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 1 ThürPrG unmittelbar und dringend nahelegen.

25

Hierfür sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Auch drängt sich in keiner Weise auf, dass die Beschwerdeführerin ihr obliegende Sorgfaltspflichten und die Rechte Dritter nicht respektieren wird. Vielmehr erweist sich gerade in dem zugrundeliegenden Verfahren, dass die grundsätzliche Zugänglichkeit von Gerichtsentscheidungen und ein entsprechender Auskunftsanspruch in die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens unmittelbar eingebunden sind. So war vorliegend das Strafverfahren mit einer öffentlichen, sechs Verhandlungstage umfassenden Hauptverhandlung von einer umfangreichen Presseberichterstattung begleitet; die Pressemitteilungen des Landgerichts nannten die Beigeladenen, die ihnen vorgeworfenen Straftaten, die Wertungen des Landgerichts sowie die im Revisionsverfahren zu beurteilenden Fragen. Entsprechend geht das Verfahrensrecht davon aus, dass die Berichterstattung auch über Einzelheiten des Verfahrens grundsätzlich hinzunehmen ist und hierdurch das Strafverfahren nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dies für die Gerichtsentscheidungen selbst grundsätzlich anders zu beurteilen ist. Dass die Kenntnis des Strafurteils, anders als die öffentliche Ausgestaltung des Strafverfahrens selbst, im konkreten Fall zu einer Voreingenommenheit von Zeugen und Schöffen oder zu einer Anpassung des Vorbringens des Betroffenen führen müsste, in Folge derer die Wahrheitsfindung gefährdet und kein gerechtes Urteil mehr erwartet werden könnte, ist jedenfalls hier nicht hinreichend dargetan.

26

3. Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf dem Grundrechtsverstoß. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).

27

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.