Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 21. Juli 2017 - 1 Ws 73/17

bei uns veröffentlicht am21.07.2017

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 18. Juli 2017 abgeändert soweit darin der Vollzug des Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 8. Juli 2017 ausgesetzt worden ist. Der Haftbefehl bleibt in Vollzug.

Gründe

I.

1

Gegen den heranwachsenden Beschuldigten hat das Amtsgericht am 8. Juli 2017 im Zusammenhang mit den Ausschreitungen anlässlich des „G-20-Gipfels“ in Hamburg wegen des dringenden Tatverdachts des mittäterschaftlich begangenen Landfriedensbruchs (§ 125 Abs. 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 105 JGG) Untersuchungshaft angeordnet. Auf die Beschwerde des Beschuldigten hat das Landgericht den Haftbefehl mit Beschluss vom 18. Juli 2017 zwar entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft teilweise erweitert, den Vollzug jedoch gegen eine Kaution von 10.000 € mit Weisungen außer Vollzug gesetzt. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 19. Juli 2017 Beschwerde eingelegt. Zudem hat die Staatsanwaltschaft die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nach § 307 Abs. 2 StPO sowohl beim Landgericht als auch beim Senat beantragt. Mit Beschluss vom 19. Juli 2017 hat der Senat die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Landgerichts nach § 307 Abs. 2 StPO bis zur Entscheidung des Senats ausgesetzt, soweit darin der Vollzug des Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 8. Juli 2017 ausgesetzt worden ist.

2

Nunmehr ist - nach Nichtabhilfe durch das Landgericht - über die Beschwerde in der Hauptsache zu entscheiden.

II.

3

Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig (§ 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und begründet. Gegen den Beschuldigten ist Untersuchungshaft zu vollziehen. Die Voraussetzungen für den Erlass und den Vollzug des Haftbefehls liegen vor (§§ 105, 109 Abs. 2 JGG i.V.m. § 112 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO).

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1. Die erforderlichen dringenden Verdachtsgründe sind gegeben (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO).

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a) Dringender Tatverdacht besteht, wenn aufgrund bestimmter, im Zeitpunkt der Entscheidung aktenkundiger Tatsachen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Beschuldigten im Erkenntnisverfahren besteht (vgl. nur KK-StPO/Graf, 7. Aufl., § 112 Rn. 6 ff.).

6

b) In diesem Sinne ist nach derzeitigem Erkenntnisstand von folgendem Geschehen auszugehen:

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(1) Am 6. Juli 2017 um 17:50 Uhr reiste der zur Tatzeit achtzehneinhalbjährige Beschuldigte - naheliegend um an den im Zusammenhang mit dem „G-20-Gipfel“ befürchteten Ausschreitungen aktiv teilzunehmen - mit der Fluggesellschaft Ryanair aus Italien nach Hamburg ein. Bei seiner Festnahme am nächsten Tag konnte bei ihm szene-typische Vermummung (schwarze Gore-Tex-Jacke, schwarz-weißer Schal, vgl. Bl. 31 d.A.) sichergestellt werden. Im Übrigen war er - wiederum szene-typisch - mit dunklen Turnschuhen bekleidet (vgl. Bl. 29 d.A.).

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(2) Alsbald nach seiner Ankunft in Hamburg begab sich der Beschuldigte in das - von der Polizei mit 300 Schlafplätzen genehmigte - „Protestcamp“ im Volkspark, in dem mehrere Hundert Personen in Zelten übernachteten. Hier schloss er sich in Kenntnis aller Umstände einer hochgewaltbereiten Gruppe schwerbewaffneter (vgl. besonders eindrucksvoll die Art und Menge der später sichergestellten Waffen und Werkzeuge, Bl. 7-27 d.A.: Hammer, Sägen, Seitenschneider, Meißel, Schraubendreher, Zwillen, Feuerlöscher, Fackeln, Rauchkörper, Signalmunition, Metalldraht, etc.) Straftäter an, die - in vollständiger Desavouierung des berechtigten friedlichen Protestes gegen „G-20“ und unter eklatantem Missbrauch des Versammlungsrechts - ersichtlich nichts anderes als gewalttätige Ausschreitungen planten.

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(3) Am 7. Juli 2017 gegen 06:00 Uhr setzte sich - unter aktiver Beteiligung des Beschuldigten - ein einheitlich dunkel gekleideter, vermummter, ca. 200 Personen umfassender und schwer bewaffneter „schwarzer Block“ vom Volkspark aus in Richtung Innenstadt in Bewegung. Hierüber wurde gegen 06:15 Uhr die Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft der Bundespolizeidirektion Blumberg von der polizeilichen Einsatzleitung unterrichtet.

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(4) Gegen 06:27 Uhr erreichte der „schwarze Block“ die Gegend im Bereich der Straße Rondenbarg 20 in 22525 Hamburg und gelang damit in den Blick der ca. 100 Meter weiter stadteinwärts positionierten Polizeibeamten der Bundespolizei. Die Polizeibeamten formierten sich - als „Polizeikette“ - vor ihren Fahrzeugen und errichteten solcherart eine Absperrung gegen den heranrückenden „schwarzen Block“. Die den „schwarzen Block“ bildenden Personen bewegten sich sehr dicht aneinandergereiht, agressiv und bedrohlich laut schreiend auf die Polizeibeamten zu.

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(5) Ab einer Entfernung von ca. 50 Metern wurden die - behelmten und mit Schutzkleidung ausgestatteten - Polizeibeamten massiv und gezielt mit Steinen, Glasflaschen, Böllern, Pyrotechnik und „Bengalos“ beworfen, um die Polizeikette zu „sprengen“ und den Weg in die Innenstadt ungehindert fortsetzen zu können. Die Wurfmunition traf sowohl die Polizeibeamten als auch die hinter ihnen abgestellten Polizeifahrzeuge. Dank der Schutzausrüstung blieben die Polizeibeamten unverletzt.

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(6) Um die Angriffe aus dem „schwarzen Block“ abzuwehren, liefen die Polizeibeamten - unter fortgesetztem Dauerbewurf mit Steinen und anderen gefährlichen Gegenständen - auf den „schwarzen Block“ zu. Bei den sich anschließenden Auseinandersetzungen flüchteten mehrere Personen aus dem „schwarzen Block“ über ein Geländer auf das angrenzende Gelände der Firma „Transthermos“. Hier verletzten sich mehrere Personen als ein Teil des Geländers abbrach.

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(7) Im Zuge des Tatgeschehens konnte der Beschuldigte unmittelbar, nämlich um 06.28 Uhr (Bl. 32 d.A.), festgenommen werden. Einzelne eigenhändige Gewalthandlungen lassen sich dem Beschuldigten nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht zuordnen. Umfangreich hergestelltes Videomaterial wird derzeit von der Polizei ausgewertet.

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c) Dieser Sachverhalt wird sich in einer Hauptverhandlung hochwahrscheinlich erweisen lassen.

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(1) Der Beschuldigte hat sich zum Tatgeschehen bisher nicht eingelassen.

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(2) Der Plan des Beschuldigten, sich bewaffneten Ausschreitungen in Hamburg anlässlich des „G-20-Gipfels“ aktiv anzuschließen wird durch die Zeit und die Art und Weise seiner Anreise sowie durch die bei ihm sichergestellte, bzw. von ihm getragene szene-typische Kleidung hinreichend belegt. Das gilt namentlich für das Mitführen eines Schals, der witterungsbedingt weder in Italien noch in Hamburg Verwendung finden konnte, sondern erkennbar allein der Vermummung dienen sollte. Diese bereits für sich sehr starken Indizien werden durch sein szene-typisches Verhalten im Zusammenhang mit seiner Festnahme ergänzt: Obgleich dies erkennbar nicht von seinem Recht auf Aussageverweigerung gedeckt ist, verweigerte er selbst die Unterschrift unter die ihm In italienischer Sprache schriftlich vorgelegte Beschuldigtenbelehrung.

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(3) Seine Beteiligung am „schwarzen Block“ am Rondenbarg - und damit rückblickend sein Anschluss an militante Autonome im „Protestcamp“ Volkspark - ergibt sich unmittelbar aus der Festnahmesituation aus dem „schwarzen Block“ heraus.

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(4) Durchführung und Ablauf der militanten Ausschreitungen aus dem „schwarzen Block“ am Rondenbarg sowie das Ausmaß der Bewaffnung der im „schwarzen Block“ zu gemeinsamer Straftatbegehung verbundenen Personen ergeben sich aus den detaillierten Berichten der Polizeibeamten R und S sowie den Sicherstellungsprotokollen und den aktenkundigen Fotographien. Weitere Erkenntnisse sind aus der bereits begonnen Auswertung des Videomaterials der Polizei zu erwarten. Die planvollen Vorbereitungen der eskalierenden Gewalt werden darüber hinaus anschaulich belegt durch die Auswertungen von Interneteinträgen und sonstigen Veröffentlichungen, die die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Hamburg ihrem Beschluss vom 27. Juni 2017 (Az,: 16 E 6288/17, dort UA S. 20 ff.) zugrunde gelegt hat.

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Im Übrigen wird - da ein hinreichender Verdacht einer Katalogtat nach § 100g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b) vorliegt (dazu sogleich unten) - eine Auswertung des sichergestellten Samsung-Handy des Beschuldigten möglicherweise genauere Erkenntnisse zu seinem Bewegungsprofil vor und während der Tat erbringen.

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d) Folgende Straftatbestände stehen in Mitten:

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(1) Der vorstehende Sachverhalt erfüllt in der Person des Beschuldigten nach derzeitigem Stand zunächst die bereits im angefochtenen Beschluss des Landgerichts zutreffend erörterten und bejahten Straftatbestände des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (in einem besonders schweren Fall) nach § 114 Abs. 1 und 2. i.V.m. § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 25 Abs. 2 StGB, sowie des Landfriedensbruchs nach § 125 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB.

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(2) Darüber hinaus liegt es bereits nach jetzigem Erkenntnisstand nahe, dass die Strafe für den Landfriedensbruch aus dem Strafrahmen des § 125a StGB zu entnehmen sein wird. Zutreffend stellt das Landgericht zwar darauf ab, dass die benannten besonders schweren Fälle nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht in der Person des Beschuldigten erfüllt sind, weil insoweit ein eigenhändiges Verwirklichen der Regelbeispiele erforderlich ist. Gleichwohl werden sich - unabhängig davon, ob die Videoauswertung nähere Erkenntnisse zu eigenhändigen Taten des Beschuldigten erbringt - die Voraussetzungen eines unbenannten besonders schweren Falls aufdrängen: Ein besonders schwerer Fall kommt namentlich dann in Betracht, wenn die öffentliche Sicherheit in besonders schwerwiegender Weise gestört wurde (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 125a Rn. 9). Eine solche schwerwiegende Störung der öffentlichen Sicherheit liegt hier angesichts des besonders bedenkenlosen und brutalen Vorgehens des „schwarzen Blocks“ erkennbar nahe. Im Übrigen liegt die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls schon dann nahe, wenn bei einer mittäterschaftlich begangenen Tat ein Teil der (anderen) Mittäter Regelbeispiele (eigenhändig) verwirklicht haben (vgl. zu § 125a StGB a.F. BGH, Beschl. v. 9. September 1997 - 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240).

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(3) Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt darüber hinaus das tateinheitlich verwirklichte Delikt des Bildens bewaffneter Gruppen nach § 127 StGB in der Variante des Sich-Anschließens.

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(4) Schließlich ist in den Blick zu nehmen, dass der Beschuldigte durch seine bewusst einheitlich gewählte Vermummung in der Gruppe den Straftatbestand des § 3 Abs. 1, § 28 VersammlG verwirklicht hat. Hiernach macht sich strafbar, wer öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck politischer Gesinnung zum Zwecke der Einschüchterung trägt (vgl. Senat, Beschl. v. 10. Mai 2016 - 1 Rev 70/15).

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2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Fluchtgefahr ist anzunehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen bei Würdigung sämtlicher bestimmender Umstände des Einzelfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich dem gegen ihn geführten Strafverfahren entziehen, als für die Erwartung, er werde sich dem Verfahren zur Verfügung halten (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 112 Rn. 17; KK-StPO/Graf, a.a.O., Rn. 16 jeweils m.w.N.). In die anzustellende Gesamtschau sind namentlich der Fluchtanreiz, die soziale Verwurzelung des Angeklagten und damit die ihn treffenden nachteiligen Folgen eines Untertauchens einzustellen. Gemessen hieran steht derzeit hochwahrscheinlich zu besorgen, dass der Beschuldigte sich dem weiteren Verfahren entziehen wird.

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a) Die absehbar empfindliche Freiheitsstrafe erweist sich als besonderer Fluchtanreiz.

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aa) Die hochwahrscheinlich dem § 125a StGB zu entnehmende - und nach Erwachsenenstrafrecht zu bemessende - Freiheitsstrafe wird ohne signifikant milderndes Nachtatverhalten nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können (§ 56 Abs. 2 und Abs. 3 StGB). Der Beschuldigte hat sich massiv und nachhaltig gegen die Rechtsordnung aufgelehnt. Er hat sich - mindestens - bewusst und das erwartbare Geschehen billigend und unterstützend einer Gruppe angeschlossen, die sinnlose Gewalt ausgeübt und mit besonders eindrucksvoller Gleichgültigkeit - absichtlich - die Verletzung der eingesetzten Polizeikräfte erstrebt hat. Der Beschuldigte hat damit die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Hamburg mitverursacht. Fundamentale Garantien der deutschen Rechtsordnung - Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Eigentum - sind für den Beschuldigten erkennbar ohne jede Bedeutung (§§ 125, 125a StGB). Dass ihm daher die Anordnungen der Polizeikräfte gleichgültig sind, versteht sich von selbst (§§ 114, 113 StGB).

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bb) Selbst wenn sich die Anwendung von Jugendstrafrecht im weiteren Verlauf des Verfahrens als notwendig erweisen sollte, wofür derzeit angesichts der offenbar festen Arbeitstätigkeit des Beschuldigten und seines in der Tat zum Ausdruck kommenden selbständigen planerischen Organisationsvermögens trotz Wohnsitz im elterlichen Haushalt nichts spricht - kommt als Sanktionsart hier allein die Jugendstrafe in Betracht (§§ 17, 18 JGG). Diese ist nach §§ 105, 17 Abs. 2 JGG zu verhängen, wenn wegen schädlicher Neigungen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

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(1) Die Jugendstrafe ist bereits wegen der Schwere der Schuld geboten. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. BGH, Urt. v. 20. April 2016 - 2 StR 320/16, NJW 2016, 2050, 2051) zu bestimmende Schwere der Schuld ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 4. August 2016 - 4 StR 142/16, NStZ-RR 2016, 325; Urt. v. 20. April 2016 - 2 StR 320/1, NJW 2016, 2050, 2051 m.w.N.; Beschl. v. 14. August 2012 - 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290; ferner bereits BGH, Urt. v. 29. September 1961 - 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; Urt. v. 11. November 1960 - 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226).

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Vor diesem Hintergrund kommt der erkennbar rücksichtslosen und auf eine tiefsitzende Gewaltbereitschaft schließen lassenden Tatausführung besondere Bedeutung zu. Er hat sich - geplant und organisiert und mit Blick auf die notwendigen Reisevorbereitungen erkennbar nicht etwa dem Eindruck gruppendynamischer Prozesse geschuldet - an schwersten Ausschreitungen beteiligt. Bereits dies verdeutlicht eine charakterliche Haltung, welche die Annahme der Schwere der Schuld rechtfertigt.

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(2) Die Jugendstrafe ist auch voraussichtlich wegen vorhandener schädlicher Neigungen des Beschuldigten geboten. Hierbei handelt es sich um erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie müssen schon vor der Tat angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen; es müssen deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sein (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287; Beschl. v. 26. Januar 2016 - 3 StR 473/15, BeckRS 2016, 5427, jeweils m.w.N.).

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(3) Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwiegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154; Beschl. v. 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 m.w.N.). Das gilt namentlich auch dann, wenn - wie hier - die Jugendstrafe in erster Linie wegen der Schwere der Schuld zu verhängen ist (vgl. BGH, Urt. v. 4. August 2016 - 4 StR 142/16, NStZ-RR 2016, 325, 326). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urt. v. 23. März 2010- 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.).

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b) Diesem Fluchtanreiz begegnen keine hinreichend tragfähigen familiären, sozialen oder aber beruflichen Bindungen. Zwar hat der Beschuldigte im elterlichen Haushalt in Italien (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 112 StPO, Rn. 20a) einen polizeilich gemeldeten Wohnsitz und geht - eigenen Angaben zufolge - einer festen Arbeit nach. Die Art der Tatausführung belegt aber, dass er jederzeit bereit und in der Lage ist, sich - auch in anderen Staaten und fremden Kulturen - kriminellen Strukturen unmittelbar anzuschließen und in ihnen unterzutauchen. Eindrucksvoll belegt wird seine Einbindung u.a. auch dadurch, dass bereits seit dem 20. Juli 2017 (16:46 Uhr) auf der Webseite https://linksunten.indymedia.org ein Unterstützungsschreiben unter Nennung des vollständigen Namens, des Geburtsdatums und der derzeitigen postalischen Erreichbarkeit (JVA Hahnöfersand) des Beschuldigten veröffentlicht wurde, in dem es auszugsweise heißt: „Die jungen Genoss*innen sind immer noch ohne Gerichtsverfahren in einem Gefängnis in Hamburg ... in Haft...“

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3. Mildere Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft kommen entgegen der Auffassung des Landgerichts bei dieser Sachlage derzeit nicht in Betracht. Es fehlt für eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls an einer ausreichenden Vertrauensgrundlage in der Person des Angeklagten. Dieser hat bereits bewiesen, dass er spontan international mobil ist und staatlichen Anordnungen mit erschreckender Gleichgültigkeit gegenübersteht. Eine wirtschaftlich erkennbar aus fremden Mitteln gestellte Kaution - auch in Höhe von 10.000 € - wird nicht hinreichend stabilisierend und fluchthemmend wirken können.

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4. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht entgegen. Insbesondere ist das in Haftsachen geltende besondere Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Es verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfG, Beschl. v. 3. Mai 1966 - 1 BvR 58/66, BVerfGE 20, 45, 50 und Beschl. v. 17. Januar 2013- 2 BvR 2098/12, StV 2013, 640, 642; BGH, Beschl. v. 23. Februar 2017 — StB 4/17). Eine der Strafverfolgungsbehörde oder den Strafgerichten anzulastende vermeidbare Verfahrensverzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Die Strafverfolgungsbehörden werden auch - ohne das Zügigkeitsgebot zu verletzen - vor Anklageerhebung das umfangreiche Videomaterial auswerten können. Denn nur auf diese Weise ist gesichert, dass der Schuldgehalt der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat hinreichend tatgerichtlich gewürdigt werden kann. Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht damit derzeit ersichtlich auch nicht außer Verhältnis zu dem mit der Verfahrenssicherung verbundenen Grundrechtseingriff.

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(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende


(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

Strafgesetzbuch - StGB | § 113 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte


(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 18 Dauer der Jugendstrafe


(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 17 Form und Voraussetzungen


(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder

Strafprozeßordnung - StPO | § 310 Weitere Beschwerde


(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie 1. eine Ver

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 109 Verfahren


(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz

Strafgesetzbuch - StGB | § 125 Landfriedensbruch


(1) Wer sich an 1. Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder2. Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Tä

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 2 Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts


(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfah

Strafprozeßordnung - StPO | § 307 Keine Vollzugshemmung


(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt. (2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß

Strafgesetzbuch - StGB | § 125a Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs


In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schußwaffe bei sich führt,2. eine andere Waffe oder ein ande

Strafgesetzbuch - StGB | § 127 Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet


(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat ni

Strafgesetzbuch - StGB | § 114 Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte


(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Mo

Versammlungsgesetz - VersammlG | § 3


(1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen. (2) Jugendverbänden, die sich vorwiegend der Jugendpflege widmen,

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 25 Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers


Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt. Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach § 24 Abs. 3 Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröblic

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Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in Kraft.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 4/17 vom 23. Februar 2017 in dem Strafverfahren gegen wegen Beihilfe zum Mord hier: Haftbeschwerde des Angeklagten ECLI:DE:BGH:2017:230217BSTB4.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des.

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Aug. 2016 - 4 StR 142/16

bei uns veröffentlicht am 04.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 142/16 vom 4. August 2016 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:040816U4STR142.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August 20

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2016 - 3 StR 473/15

bei uns veröffentlicht am 26.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 473/15 vom 26. Januar 2016 in dem Strafverfahren gegen wegen Beihilfe zum räuberischen Diebstahl u.a. ECLI:DE:BGH:2016:260116B3STR473.15.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwer

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 3 StR 581/14

bei uns veröffentlicht am 08.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 5 8 1 / 1 4 vom 8. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. Jan. 2013 - 2 BvR 2098/12

bei uns veröffentlicht am 17.01.2013

Tenor Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 - 4b Ws 42/12 - und der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 - 4 KLs 211 Js 28184/12 Hw. - verletzen den Be
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Landgericht Traunstein Urteil, 30. Nov. 2018 - KLs 450 Js 12135/18 jug

bei uns veröffentlicht am 30.11.2018

Tenor I. Die Angeklagten sind schuldig 1. des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, 2. der versuchten schweren Brandstiftung in Tateinheit mit vorsätzlichem un

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 07. Aug. 2018 - 4 So 24/18

bei uns veröffentlicht am 07.08.2018

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen. Gründe I.

Referenzen

Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in Kraft.

(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.

(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt. Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach § 24 Abs. 3 Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten teilt er dem Richter mit.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt.

(2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist.

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

1.
eine Verhaftung,
2.
eine einstweilige Unterbringung oder
3.
einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20 000 Euro
betreffen.

(2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.

(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1.
Verbrechen,
2.
Vergehen nach
a)
den §§ 86, 86a, 91, 130, 147 und 148 Absatz 1 Nummer 3, den §§ 149, 152a und 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 180 Absatz 2, § 184b Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3, den §§ 202a, 202b, 202c, 202d, 232 und 232a Absatz 1, 2, 5 und 6, nach § 232b Absatz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 232a Absatz 5, nach den §§ 233, 233a, 236, 259 und 260, nach § 261 Absatz 1 und 2 unter den in § 261 Absatz 5 Satz 2 genannten Voraussetzungen sowie nach den §§ 263, 263a, 267, 269, 275, 276, 303a und 303b,
b)
§ 4 Absatz 1 bis 3 des Anti-Doping-Gesetzes,
c)
§ 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, sowie Absatz 2 und 3 des Betäubungsmittelgesetzes,
d)
§ 19 Absatz 1 bis 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes,
e)
§ 4 Absatz 1 und 2 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes,
f)
§ 95 Absatz 1 bis 3 des Arzneimittelgesetzes,
g)
§ 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe b und c, Absatz 2 und 3 Nummer 1 und 7 sowie Absatz 5 und 6 des Waffengesetzes,
h)
§ 40 Absatz 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes,
i)
§ 13 des Ausgangsstoffgesetzes,
j)
§ 83 Absatz 1 Nummer 4 und 5 sowie Absatz 4 des Kulturgutschutzgesetzes,
k)
den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie
l)
den §§ 51 und 65 des Designgesetzes.

(2) Handelsplattform im Internet im Sinne dieser Vorschrift ist jede virtuelle Infrastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer im Fall des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer bei der Begehung einer Tat nach Absatz 1 beabsichtigt oder weiß, dass die Handelsplattform im Internet den Zweck hat, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern.

(1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.

(2) Jugendverbänden, die sich vorwiegend der Jugendpflege widmen, ist auf Antrag für ihre Mitglieder eine Ausnahmegenehmigung von dem Verbot des Absatzes 1 zu erteilen. Zuständig ist bei Jugendverbänden, deren erkennbare Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, sonst die oberste Landesbehörde. Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat ist im Bundesanzeiger und im Gemeinsamen Ministerialblatt, die der obersten Landesbehörden in ihren amtlichen Mitteilungsblättern bekanntzumachen.

Wer der Vorschrift des § 3 zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) § 113 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) § 113 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 142/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816U4STR142.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenkläger, Die Nebenklägerin in Person - in der Verhandlung - , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. November 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es der Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihren Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren und neun Monaten festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Mit ihrem ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung mit dem Ziel der Verhängung einer höheren Jugendstrafe.
2
Das Rechtsmittel, das ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift der Staatsanwaltschaft über die ausdrückliche Beschränkungs- erklärung hinaus wirksam auf den Strafausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09), bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war die Angeklagte am Sonntag, den 17. August 2014, mit dem Pkw ihrer Mutter auf der Fahrt zu ihrem Wohnort. Als sie gegen 7.40 Uhr an einer Rotlicht zeigenden Ampel anhalten musste, nahm sie ihr bei Fahrtantritt in der Mittelkonsole des Fahrzeugs abgelegtes Mobiltelefon in die Hand, um nach der Uhrzeit zu schauen, wobei sie bemerkte, dass in der vorangegangenen Nacht zwei Nachrichten über den Nachrichtendienst WhatsApp eingegangen waren. Während sie weiter an der Ampel wartete, begann sie, die Nachrichten zu beantworten. Am Ende der Rotlichtphase war sie damit noch nicht fertig und hatte noch keine Nachricht versandt. Sie unterbrach daraufhin das Schreiben der Textnachrichten, fuhr los und bog mit ihrem Fahrzeug in die Bundesstraße ein, wo sie auf eine Geschwindigkeit von höchstens 70 km/h beschleunigte. Sodann machte sich die Angeklagte daran, die erhaltenen Textnachrichten weiter zu beantworten. Sie schrieb auf ihrem Mobiltelefon kurz hintereinander zwei Nachrichten, die sie über den Nachrichtendienst WhatsApp verschickte.
4
Zur selben Zeit waren auf der in diesem Bereich geradlinig verlaufenden Bundesstraße die späteren Tatopfer G. und P. als Radfahrer unterwegs. Beide fuhren in Fahrtrichtung der Angeklagten mit ihren Rennrädern in sehr engem Abstand hintereinander. Durch das Schreiben und Absenden der Textnachrichten war die Angeklagte so abgelenkt, dass sie die Radfahrer nicht wahrnahm, obwohl sich diese mindestens 9 Sekunden lang in ihrem Blickfeld befanden. Ohne auszuweichen, was auf der ansonsten freien Straße bereits durch eine leichte Lenkbewegung möglich gewesen wäre, fuhr die Angeklagte geradlinig und ungebremst mit der rechten Fahrzeugfront zunächst auf P. und unmittelbar darauf auf G. auf, wodurch beide Opfer und deren Rennräder in die rechts der Fahrbahn gelegene Wiese geschleudert wurden. Die schnell hintereinander erfolgten Aufpralle nahm die Angeklagte, die möglicherweise die Radfahrer und die Fahrräder nicht mehr sehen konnte, als sie ihren Blick aufrichtete, als nur einen Schlag wahr. Infolge der Zusammenstöße war die Windschutzscheibe des Pkws auf der rechten Seite großflächig gesplittert, der rechte Seitenspiegel abgerissen, der rechte vordere Reifen luftleer und der rechte Frontbereich des Fahrzeugs so beschädigt , dass sich das Fahrzeug nur noch mit einer Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h fahren und erschwert lenken ließ.
5
Die Angeklagte bremste das Fahrzeug in einem normalen Bremsvorgang bis zum Stillstand ab und sah sich seitlich und zumindest über den Rückspiegel nach hinten um. Aufgrund des starken Aufprallgeräuschs, der Schäden am Fahrzeug, der Abwesenheit eines anderen Fahrzeugs und der örtlichen Gegebenheiten war ihr klar, dass es gerade zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen war, den sie durch ihre Unaufmerksamkeit verursacht hatte und bei dem mutmaßlich ein Mensch schwer verletzt worden war, der irgendwo abseits der Fahrbahn liegen musste. Statt entweder auszusteigen und das Gelände abzusuchen oder nach Zurücksetzen des Fahrzeugs vom Fahrzeug aus nach dem Verletzten zu schauen und anschließend Hilfe zu holen und entgegen der ihr bekannten Verpflichtung, nach einem Unfall solange vor Ort zu bleiben, bis die erforderlichen Feststellungen zur Person der Unfallbeteiligten und der Art ihrer Beteiligung am Unfall getroffen werden können, fuhr sie – einer augenblicklichen Entscheidung folgend – vom Unfallort weg, um sich allen Feststel- lungen zu entziehen und ihre Beteiligung an dem Unfall zu verschleiern. Dabei rechnete sie damit und nahm es hin, dass der von ihr mutmaßlich angefahrene Mensch schwer verletzt liegen bleiben und versterben könnte. Ihr kam es darauf an, für den Unfall nicht verantwortlich gemacht zu werden.
6
Während der Geschädigte P. , der einen Berstungsbruch des 1. Lendenwirbels , eine tiefe Riss-Quetschwunde am linken Unterschenkel und zahlreiche Schürfwunden erlitten hatte, einige Minuten nach dem Zusammenprall wieder das Bewusstsein erlangte und es ihm gelang, einen Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, trug G. so schwere Kopfverletzungen davon, dass er auf dem Transport ins Krankenhaus verstarb. Wegen der Schwere der Verletzungen wäre sein Tod auch dann nicht vermeidbar gewesen , wenn die Angeklagte noch am Unfallort einen Notruf abgesetzt hätte.
7
Das Landgericht hat auf die zur Tatzeit 19 Jahre und elf Monate alte Angeklagte Jugendstrafrecht angewandt, gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen Schwere der Schuld auf Jugendstrafe erkannt und diese auf zwei Jahre bemessen. Die Vollstreckung der Jugendstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
9
1. Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86,BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127).
10
2. Bei Zugrundelegung dieses beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs weist der Strafausspruch des angefochtenen Urteils Rechtsfehler weder zu Gunsten der Angeklagten noch – für § 301 StPO bedeutsam – zu ihrem Nachteil auf.
11
a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 NJW 2016, 2050, 2051; Radtke in MüKo, 2. Aufl., § 17 JGG Rn. 58, 70) zu bestimmende Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung , die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 aaO mwN; Beschluss vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290; Urteile vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Von diesem rechtlichen Maßstab ausgehend hat das Landgericht zutreffend das gesamte Tatgeschehen in seine Schuldbewertung einbezogen und ist mit Blick auf die in dem Verhalten nach dem Unfall deutlich gewordene charakterliche Haltung der Angeklagten zur Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG gelangt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei allein fahrlässigen Straftaten im Straßenverkehr die Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG in Betracht kommt (vgl. OLG Braunschweig, NZV 2002, 194 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1997, 241 f.; BayObLG, VRS 67, 121, 122; Radtke aaO Rn. 71; Dölling in Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 16; Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 32b; Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 17 Rn. 26), bedarf daher keiner näheren Erörterung.
12
b) Auch die Bemessung der Jugendstrafe ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
aa) Der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke ist auch dann vorrangig zu berücksichtigen, wenn eineJugendstrafe – wiehier – ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urteile vom 23. März 2010 – 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.; vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95, NStZ-RR 1996, 120; vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598, 599).
14
bb) Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung über die Bemessung der Jugendstrafe nicht nur die erforderliche erzieherische Einwirkung auf die Angeklagte , sondern auch die Belange eines gerechten Schuldausgleichs in den Blick genommen. Sie hat die für den bestehenden Erziehungsbedarf als auch das Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten relevanten Umstände umfassend gewürdigt und auch die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafandrohungen des Allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, in ihre Überlegungen miteinbezogen. Gegen das auf dieser Grundlage gefundene Ergebnis ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Dass die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs - auch unter Berücksichtigung der in grob fahrlässiger Weise herbeigeführten schweren Folgen - in unangemessener Weise nicht mehr gerecht wird und damit zugleich ihre erzieherischen Zwecke verfehlt (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95 aaO; vom 7. September 1993 – 5 StR 455/93, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 3), vermag der Senat nicht festzustellen.
15
cc) Die Ausführungen zur Bemessung der verhängten Jugendstrafe lassen schließlich nicht besorgen, dass das Landgericht gegen das auch bei Anwendung von Jugendstrafrecht geltende Gebot, die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15 Rn. 20; vom 20. November 2012 – 1 StR 428/12, NStZ 2013, 288; Beschluss vom 12. März2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke aaO § 21 JGG Rn. 3 mwN), verstoßen hat. Die ausführlichen Darlegungen der Strafkammer zu den für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblichen Gesichtspunkten lassen eine solche rechtlich unzulässige Vermengung von Strafzumessung und Bewährungsentscheidung nicht erkennen. Anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - weder aus der im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten erfolgten Berücksichtigung des auf eine „nicht notwendigerweise im nicht mehr bewährungsfähigen Bereich“ liegende Jugendstrafe gerichteten Schlussantrags der als Nebenklägerin am Verfahren beteiligten Witwe des Tatopfers , noch aus der abschließenden, das Ergebnis der Zumessungsüberlegungen zusammenfassenden Formulierung der Strafkammer, wonach auf eine Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren erkannt werde, „mithin eine Strafe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann“.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer
Bender Quentin
5 StR 318/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. August 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. August 2012

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 12. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die beiden zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten sowie einen erwachsenen, nichtrevidierenden Mittäter wegen unerlaubter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Gegen den Angeklagten R. hat es eine Freiheitsstrafe, gegen den Angeklagten T. eine Jugendstrafe von jeweils zwei Jahren und vier Monaten verhängt. Die Revisionen der Angeklagten haben im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen führten die Angeklagten und der Nichtrevident im April 2011 aus Tschechien ca. 106 g Crystal (Wirkstoffgehalt: mindestens 75,4 g Methamphetamin-Base) ein, wobei sie in dem von T. ge- lenkten Pkw eine von ihm ebenfalls in Tschechien erworbene Machete dabei hatten; in seiner Hosentasche hatte T. überdies ein Einhandspringmesser, von dem die beiden anderen Mittäter nichts wussten.
3
2. Während die Schuldsprüche frei von Rechtsfehlern zum Nachteil der Angeklagten sind, halten die Strafaussprüche der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
4
a) Die Anwendung allgemeinen Strafrechts auf den zur Tatzeit 19 Jahre und fünf Monate alten Angeklagten R. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
Ob der Täter bei seiner Tat im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG noch einem Jugendlichen gleichstand, ist im Wesentlichen Tatfrage, wobei dem Jugendgericht ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht (BGH, Urteil vom 7. November 1988 – 1 StR 620/88, BGHSt 36, 37, 38 mwN). Den dabei anzulegenden Maßstab hat die Jugendkammer bei ihrer Entscheidung indes verkannt. Sie hat darauf abgestellt, dass „Reifeverzögerungen zum Zeitpunkt der Tat, die einen Umfang von etwa 1 ½ Jahren gehabt haben müssten, um die Gleichstellung mit einem Jugendlichen zu rechtfertigen“, nicht zu erkennen seien (UA S. 14). Maßstab für die Reifebeurteilung nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG ist jedoch nicht das Zurückbleiben hinter einem imaginären Durchschnitt von 17-jährigen Jugendlichen (vgl. Eisenberg, Jugendgerichtsgesetz , 15. Aufl., § 105 Rn. 8). Ein bestimmter, sicher abgrenzbarer Typ des Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, mit dem der Heranwachsende verglichen werden könnte, ist nicht feststellbar (BGH aaO).
6
Maßgebend ist vielmehr, ob sich der einzelne Heranwachsende noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet. Für die Gleichstellung eines heranwachsenden Täters mit einem Jugendlichen ist deshalb entscheidend, ob in dem Täter noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind; ob er das Bild eines noch nicht 18-Jährigen bietet, ist demgegenüber nicht ausschlaggebend (BGH aaO und Urteil vom 29. Mai 2002 – 2 StR 2/02, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Entwicklungsstand

8).


7
Diesen Maßstab hat die Jugendkammer nicht berücksichtigt. Darüber hinaus hat sie bei der Beurteilung der Reife des Angeklagten ausschließlich auf seine äußerlich verselbständigte Lebensführung abgestellt, ohne deren indizielle Bedeutung für seine „sittliche und geistige Entwicklung“ (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) hinreichend deutlich darzulegen.
8
b) Im Falle des Angeklagten T. sind die Verhängung und die Bemessung der Jugendstrafe nicht ausreichend begründet.
9
aa) Das Landgericht bejaht zum einen schädliche Neigungen des Angeklagten (§ 17 Abs. 2 1. Alt. JGG). Es stützt diese Beurteilung alleine auf den Umstand, dass „infolge der mangelnden Wirkung dreier Sanktionen in- nerhalb eines Zeitraums von nur 1 ½ Jahren – die letzte sogar noch etwa einen Monat vor der Tat – “ von „nachhaltigen Persönlichkeitsdefiziten“ auszugehen sei, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten begründeten (UA S. 16). Ohne Mitteilung der näheren Umstände der Taten lassen indes weder die verhängten Sanktionen (in zwei Fällen Arbeitsleistungen, in einem Fall eine geringfügige Geldstrafe) noch die mitgeteilten Bezeichnungen der Taten (in einem Fall Beihilfe zur Sachbeschädigung, in zwei Fällen Diebstahl) ohne Weiteres den Schluss auf Anlage- oder Entwicklungsschäden zu, die so schwer sind, dass deren Beseitigung sinnvoll nur in einem länger dauernden Strafvollzug versucht werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281).
10
bb) Zum anderen stützt das Landgericht die Verhängung einer Jugendstrafe auch auf den Gesichtspunkt der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 2. Alt. JGG), die jedenfalls in ihrem Ausmaß nicht ausreichend belegt ist.
Seine Begründung, dass die Verhängung der Jugendstrafe „unter Beachtung des einschlägigen Strafrahmens nach allgemeinem Strafrecht gemäß § 30a BtMG“ erforderlich sei (UA S. 16), ist rechtsfehlerhaft. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung nach allgemeinem Strafrecht keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281 mwN). Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser. Das wird mit dem Hinweis der Jugendkammer, dass bei dem Angeklagten T. im Gegensatz zu seinen Mittätern ein minder schwerer Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG nicht vorgelegen hätte, nur unzureichend dargelegt. Denn die von der Jugendkammer hierfür alleine genannte Begründung, dass T. neben der allen Angeklagten bekannten Machete, deren Mitführung die Qualifikation des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erst begründete, auch ein den anderen verborgenes Springmesser dabei hatte, hätte die Ablehnung eines minder schweren Falles – auch im Hinblick auf die Beurteilung des erheblich vorbestraften Nichtrevidenten – nicht getragen.
Basdorf Raum Schneider Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 238/12
vom
17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. Juli
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2012, soweit es ihn betrifft , im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Jugendstrafe ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Landgericht hat auf den zur Tatzeit 18 Jahre alten Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet. Jedoch halten weder die Begründung schädlicher Neigungen des Angeklagten noch die Ausführungen der Jugendkammer zur Strafhöhe sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
3
1. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5).
4
Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. Soweit das Landgericht auf die von ihm für bestimmend erachteten konkreten Strafzumessungsgesichtspunkte abstellt, betreffen diese überwiegend das objektive Tatunrecht; sie sind deshalb für das Vorliegen schädlicher Neigungen weitgehend unergiebig. Bei den von der Jugendkammer daneben angeführten Vorbelastungen des Angeklagten handelt es sich lediglich um zwei Verfahren wegen Diebstahls bzw. Sachbeschädigung, bei denen gemäß § 45 Abs. 1 bzw. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen bzw. das Verfahren nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurde. In einem dritten Verfahren wurde der Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen, weil er sich im Rahmen einer Identitätsfeststellung gegen einen Polizeibeamten gewehrt und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Fuck the Police" gezeigt hatte. Die ihm deswegen auferlegten Arbeitsstunden hat der Angeklagte abgeleistet. Aus diesen Sachverhalten ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte für das Vor- liegen schädlicher Neigungen; sie belegen vielmehr lediglich vergleichsweise geringfügige, jugendtypische Verfehlungen.
5
2. Gemäß § 18 Abs. 2 JGG bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN).
6
Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht. Das Landgericht hat zunächst auf das weitgehende Geständnis des Angeklagten, dessen Vorbelastungen sowie die objektiven Tatumstände abgestellt. Daneben hat es ausgeführt, die Strafe müsse in angemessener Relation zu der nach Erwachsenenstrafrecht zugemessenen Strafe eines Mittäters stehen. Der Erziehungsgedanke findet sodann Erwähnung lediglich in der nicht näher substantiierten Wendung, die verhängte Strafe sei "erzieherisch geboten" und eine geringer bemessene Strafe sei nicht geeignet, "dem Nacherziehungsbedarf des Angeklagten wirksam Rechnung zu tragen". Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281). Eine Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Strafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten fehlt ebenfalls.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 473/15
vom
26. Januar 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum räuberischen Diebstahl u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:260116B3STR473.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2015, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum räuberischen Diebstahl in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
2
Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO); der Strafausspruch hält hingegen der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
3
Die Strafkammer hat zwar rechtsfehlerfrei gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten Angeklagten angewendet. Die Begründungen, mit denen sie die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 JGG bejaht und gemäß § 18 Abs. 2 JGG die Höhe der Jugendstrafe bemessen hat, begegnen indes durchgreifenden Bedenken. Die Rechtsfolgebestimmung bedarf deshalb umfassend neuer Prüfung und Entscheidung. Im Einzelnen:
4
1. Das Landgericht ist zunächst im Ansatz zutreffend davon ausgegangen , dass schädliche Neigungen als Voraussetzung für die Verhängung von Jugendstrafe dann vorliegen, wenn bei dem Täter erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel zu beobachten sind, die ohne eine längere Gesamterziehung die Gefahr weiterer Straftaten begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154). Nicht erkennbar bedacht hat es indes , dass schädliche Neigungen in der Regel nur bejaht werden können, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat - wenn auch gegebenenfalls verdeckt - angelegt waren und im Zeitpunkt des Urteils noch gegeben sind und deshalb weitere Straftaten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN). Die Strafkammer hat das Vorliegen schädlicher Neigungen vielmehr allein damit begründet , dass bei dem Angeklagten - obwohl bisher nicht vorbestraft - eine deutliche Neigung zu erkennen sei, "die Rechtsordnung zu missachten und aus einer in seiner Persönlichkeit wurzelnden falschen Triebrichtung zu handeln". Dies ergebe sich daraus, dass er sich ohne Weiteres bereitgefunden habe, an der verfahrensgegenständlichen Tat mitzuwirken, die im Zeitpunkt seines Hinzutretens bereits von einer gewissen Brutalität gegenüber dem Opfer gekennzeichnet gewesen sei.
5
Aus dieser pauschalen Formulierung wird nicht erkennbar, ob bei dem Angeklagten nach Auffassung des Landgerichts bereits vor der Tat Persönlichkeitsmängel bestanden haben sollen, die die Annahme schädlicher Neigungen rechtfertigen könnten. Dagegen spricht der Umstand seiner Unbestraftheit. Entgegenstehende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen ; vielmehr führt nach der Argumentation der Strafkammer schon allein die Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat im Ergebnis zur Annahme schädlicher Neigungen. Dies genügt den aufgezeigten Maßgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ersichtlich nicht.
6
Zudem hat das Landgericht nicht dargelegt, dass etwaige Persönlichkeitsmängel des Angeklagten im Urteilszeitpunkt noch vorgelegen haben. Soweit es ausgeführt hat, die Verhängung einer Jugendstrafe sei trotz des Zeitablaufs von fünf Monaten seit der Tat und der seitdem gegen den Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft immer noch unabdingbar, lassen sich auch dieser Urteilspassage keine konkreten Umstände entnehmen, die die Entscheidung gerade mit Blick auf den Angeklagten plausibel machen würden; vielmehr beschränkt sich die Jugendkammer auch insoweit auf formelhafte Aussagen etwa dergestalt, dass der Angeklagte durch eine längerfristige Einwirkung "zu entsprechenden Überlegungen anzuhalten und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben [sei], aus eigener Einsicht und eigenverantwortlich seiner kriminellen Fehlentwicklung entgegenzutreten." Dies ist ebenfalls nicht hinreichend, um den dargelegten Begründungsanforderungen zu genügen, zumal angesichts der fehlenden Vorstrafen auch insoweit unklar bleibt, worin - über die konkrete Tatbegehung hinaus - eine "kriminelle Fehlentwicklung" zu beobachten sein soll.
7
2. Die Verhängung der Jugendstrafe kann auch nicht deshalb Bestand haben, weil das Landgericht ihre Erforderlichkeit wegen Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 JGG) ausreichend begründet hätte. Hierzu hat es ausgeführt, der Angeklagte habe sich "keineswegs unter dem Druck seiner Lebensverhältnisse, etwa im Rahmen einer ihm ausweglos erscheinenden Lebenssituation, sondern frei und selbstverantwortlich gegen das Recht und für das Unrecht entschieden". Damit hat es im Ergebnis auch diese Voraussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe wesentlich mit der Tatbegehung an sich begründet. Dies vermag vorliegend auch mit Blick auf die verwirklichten Delikte (Beihilfe zu dem - nach allgemeinem Strafrecht - Verbrechen des räuberischen Diebstahls und Vergehen der gefährlichen Körperverletzung) die Annahme der Schwere der Schuld nicht zu tragen, zumal sich die Jugendkammer nicht mit der naheliegenden Frage befasst hat, inwiefern sich die Tat - der Angeklagte half seinem Freund, ein von diesem gestohlenes Mobiltelefon in Besitz zu halten - gegebenenfalls als situativ bedingter Ausdruck gruppendynamischer Prozesse darstellte, was bei der Bestimmung der Schwere der Schuld zu berücksichtigen sein kann (vgl. Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 31).
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 8 1 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
8. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. Mai 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung zur Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ohne weitere Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist aufgrund der fehlenden Angaben der den Mangel enthaltenden Tatsachen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand:
4
Das Landgericht hat bei dem zu den Tatzeiten zwanzig Jahre und vier Monate bzw. zwanzig Jahre und acht Monate alten Angeklagten aufgrund seines Werdegangs Reifeverzögerungen angenommen und deshalb auf ihn gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendrecht angewandt. Zur Begründung der Verhängung von Jugendstrafe hat es lediglich ausgeführt, dass bereits in den zurückliegenden Verurteilungen aus den Jahren 2010 und 2011 der jeweilige Tatrichter von dem Vorliegen schädlicher Neigungen ausgegangen sei und die nunmehr abzuurteilenden Taten dies erneut belegen würden.
5
Diese knappen Wendungen reichen zur Begründung schädlicher Neigungen nicht aus. Um solche handelt es sich bei erheblichen Anlage- oder Erziehungsmängeln , die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie müssen schon vor der Tat angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen; es müssen deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sein (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN). Hier fehlen insbesondere sämtliche Angaben dazu, dass auch im Zeitpunkt der Urteilsfindung bei dem Angeklagten noch schädliche Neigungen bestanden. Ausführungen dazu waren auch nicht entbehrlich, weil zwischen den Taten und dem Urteil zwölf bzw. acht Monate lagen und der mittlerweile 21-jährige Angeklagte in der Untersuchungshaft an einer (weiteren) berufsvorbereitenden Maßnahme mit Besuch der Berufsschule teilgenommen hat.
6
Auch im Übrigen genügt die Strafzumessung nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 JGG an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Ju- gendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 mwN). Das Landgericht hat demgegenüber vorrangig auf die Vorbelastungen des Angeklagten abgestellt und für zwei der drei Taten jeweils einen entlastenden Gesichtspunkt genannt. Daneben hat es weitere dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie die Rückfallgeschwindigkeit , die Begehung der Tat unter Führungsaufsicht sowie den Schuldausgleich und den Sühnegedanken berücksichtigt. Der Erziehungsgedanke findet Erwähnung nur insoweit, als die Strafkammer "von einem Gesamterziehungsbedarf" ausgeht, "der die Verhängung einer zur Bewährung aussetzbaren Strafe ausschließt." Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 15/12
vom
28. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
28. Februar 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12. September 2011 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision.
2
Nach den Feststellungen hielt der Angeklagte die sich wehrende Geschädigte , mit der er zuvor einvernehmlichen vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte, mit den Händen fest, drückte sie auf das Bett und führte gegen ihren Willen den Analverkehr durch.
3
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
4
Die Strafkammer hat gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten Angeklagten rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet und einen minder schweren Fall der Vergewaltigung (gemeint ist ein Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB) verneint. Zur Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe und deren Dauer hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Angeklagte habe das Vertrauen der Geschädigten ausgenutzt , sie mit der Ausübung des Analverkehrs in besonderem Maße erniedrigt und bei ihr schwere psychische Schäden hervorgerufen. Die Verhängung einer Jugendstrafe sei auch aus erzieherischen Gesichtspunkten geboten, weil er durch die Tatbegehung Defizite in der Bereitschaft gezeigt habe, ein normgerechtes Leben zu führen. Eine Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sei unter Abwägung aller für (Abstand zur Tat von zwei Jahren; nicht ausschließbare alkoholische Enthemmung) und gegen (konkrete Tatausführung, Tatfolgen, Vorahndungen, Verwirklichung von zwei Delikten) den Angeklagten sprechenden Umstände schuldangemessen.
5
Diese Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat die Jugendkammer unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe im Ergebnis noch ausreichend dargelegt, dass wegen der Schuldschwere die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist. Ihre Ausführungen zur Strafhöhe begründen jedoch die Besorgnis, sie habe nicht bedacht, dass sich auch bei einer wegen Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe gemäß § 18 Abs. 2 JGG deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichts- punkten bemisst (BGH, Beschluss vom 21. Juli 1995 - 2 StR 309/95, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10; Beschluss vom 18. August 1992 - 4 StR 313/92, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8; Eisenberg, JGG, 15. Aufl., § 18 Rn. 13, 20 f.). Den Erziehungsgedanken hat sie lediglich bei der Begründung der Schuldschwere pauschal mit den durch die Tatbegehung hervorgetretenen Defiziten in der Bereitschaft, ein normgerechtes Leben zu führen, angesprochen. Da solche Defizite regelmäßig bei der Begehung einer Straftat hervortreten , ist diese Begründung nicht geeignet, den erforderlichen Erziehungsbedarf ausreichend zu begründen. Bei der konkreten Strafzumessung verhalten sich die Urteilsgründe zum Erziehungsgedanken überhaupt nicht und stellen - wie bei einem Erwachsenen - ausschließlich auf das Gewicht des Tatunrechts und die Tatfolgen ab. Ob und welche Erziehungsdefizite zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung , die fast zwei Jahre nach der Tat stattfand, vorlagen, lässt sich den Ausführungen des Landgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Zudem fehlt die erforderliche Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Jugendstrafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 11. April 1989 - 1 StR 108/89, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3; BGH, Beschluss vom 14. Januar 1992 - 5 StR 657/91, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 7).
6
Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 142/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816U4STR142.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenkläger, Die Nebenklägerin in Person - in der Verhandlung - , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. November 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es der Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihren Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren und neun Monaten festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Mit ihrem ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung mit dem Ziel der Verhängung einer höheren Jugendstrafe.
2
Das Rechtsmittel, das ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift der Staatsanwaltschaft über die ausdrückliche Beschränkungs- erklärung hinaus wirksam auf den Strafausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09), bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war die Angeklagte am Sonntag, den 17. August 2014, mit dem Pkw ihrer Mutter auf der Fahrt zu ihrem Wohnort. Als sie gegen 7.40 Uhr an einer Rotlicht zeigenden Ampel anhalten musste, nahm sie ihr bei Fahrtantritt in der Mittelkonsole des Fahrzeugs abgelegtes Mobiltelefon in die Hand, um nach der Uhrzeit zu schauen, wobei sie bemerkte, dass in der vorangegangenen Nacht zwei Nachrichten über den Nachrichtendienst WhatsApp eingegangen waren. Während sie weiter an der Ampel wartete, begann sie, die Nachrichten zu beantworten. Am Ende der Rotlichtphase war sie damit noch nicht fertig und hatte noch keine Nachricht versandt. Sie unterbrach daraufhin das Schreiben der Textnachrichten, fuhr los und bog mit ihrem Fahrzeug in die Bundesstraße ein, wo sie auf eine Geschwindigkeit von höchstens 70 km/h beschleunigte. Sodann machte sich die Angeklagte daran, die erhaltenen Textnachrichten weiter zu beantworten. Sie schrieb auf ihrem Mobiltelefon kurz hintereinander zwei Nachrichten, die sie über den Nachrichtendienst WhatsApp verschickte.
4
Zur selben Zeit waren auf der in diesem Bereich geradlinig verlaufenden Bundesstraße die späteren Tatopfer G. und P. als Radfahrer unterwegs. Beide fuhren in Fahrtrichtung der Angeklagten mit ihren Rennrädern in sehr engem Abstand hintereinander. Durch das Schreiben und Absenden der Textnachrichten war die Angeklagte so abgelenkt, dass sie die Radfahrer nicht wahrnahm, obwohl sich diese mindestens 9 Sekunden lang in ihrem Blickfeld befanden. Ohne auszuweichen, was auf der ansonsten freien Straße bereits durch eine leichte Lenkbewegung möglich gewesen wäre, fuhr die Angeklagte geradlinig und ungebremst mit der rechten Fahrzeugfront zunächst auf P. und unmittelbar darauf auf G. auf, wodurch beide Opfer und deren Rennräder in die rechts der Fahrbahn gelegene Wiese geschleudert wurden. Die schnell hintereinander erfolgten Aufpralle nahm die Angeklagte, die möglicherweise die Radfahrer und die Fahrräder nicht mehr sehen konnte, als sie ihren Blick aufrichtete, als nur einen Schlag wahr. Infolge der Zusammenstöße war die Windschutzscheibe des Pkws auf der rechten Seite großflächig gesplittert, der rechte Seitenspiegel abgerissen, der rechte vordere Reifen luftleer und der rechte Frontbereich des Fahrzeugs so beschädigt , dass sich das Fahrzeug nur noch mit einer Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h fahren und erschwert lenken ließ.
5
Die Angeklagte bremste das Fahrzeug in einem normalen Bremsvorgang bis zum Stillstand ab und sah sich seitlich und zumindest über den Rückspiegel nach hinten um. Aufgrund des starken Aufprallgeräuschs, der Schäden am Fahrzeug, der Abwesenheit eines anderen Fahrzeugs und der örtlichen Gegebenheiten war ihr klar, dass es gerade zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen war, den sie durch ihre Unaufmerksamkeit verursacht hatte und bei dem mutmaßlich ein Mensch schwer verletzt worden war, der irgendwo abseits der Fahrbahn liegen musste. Statt entweder auszusteigen und das Gelände abzusuchen oder nach Zurücksetzen des Fahrzeugs vom Fahrzeug aus nach dem Verletzten zu schauen und anschließend Hilfe zu holen und entgegen der ihr bekannten Verpflichtung, nach einem Unfall solange vor Ort zu bleiben, bis die erforderlichen Feststellungen zur Person der Unfallbeteiligten und der Art ihrer Beteiligung am Unfall getroffen werden können, fuhr sie – einer augenblicklichen Entscheidung folgend – vom Unfallort weg, um sich allen Feststel- lungen zu entziehen und ihre Beteiligung an dem Unfall zu verschleiern. Dabei rechnete sie damit und nahm es hin, dass der von ihr mutmaßlich angefahrene Mensch schwer verletzt liegen bleiben und versterben könnte. Ihr kam es darauf an, für den Unfall nicht verantwortlich gemacht zu werden.
6
Während der Geschädigte P. , der einen Berstungsbruch des 1. Lendenwirbels , eine tiefe Riss-Quetschwunde am linken Unterschenkel und zahlreiche Schürfwunden erlitten hatte, einige Minuten nach dem Zusammenprall wieder das Bewusstsein erlangte und es ihm gelang, einen Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, trug G. so schwere Kopfverletzungen davon, dass er auf dem Transport ins Krankenhaus verstarb. Wegen der Schwere der Verletzungen wäre sein Tod auch dann nicht vermeidbar gewesen , wenn die Angeklagte noch am Unfallort einen Notruf abgesetzt hätte.
7
Das Landgericht hat auf die zur Tatzeit 19 Jahre und elf Monate alte Angeklagte Jugendstrafrecht angewandt, gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen Schwere der Schuld auf Jugendstrafe erkannt und diese auf zwei Jahre bemessen. Die Vollstreckung der Jugendstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
9
1. Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86,BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127).
10
2. Bei Zugrundelegung dieses beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs weist der Strafausspruch des angefochtenen Urteils Rechtsfehler weder zu Gunsten der Angeklagten noch – für § 301 StPO bedeutsam – zu ihrem Nachteil auf.
11
a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 NJW 2016, 2050, 2051; Radtke in MüKo, 2. Aufl., § 17 JGG Rn. 58, 70) zu bestimmende Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung , die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 aaO mwN; Beschluss vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290; Urteile vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Von diesem rechtlichen Maßstab ausgehend hat das Landgericht zutreffend das gesamte Tatgeschehen in seine Schuldbewertung einbezogen und ist mit Blick auf die in dem Verhalten nach dem Unfall deutlich gewordene charakterliche Haltung der Angeklagten zur Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG gelangt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei allein fahrlässigen Straftaten im Straßenverkehr die Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG in Betracht kommt (vgl. OLG Braunschweig, NZV 2002, 194 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1997, 241 f.; BayObLG, VRS 67, 121, 122; Radtke aaO Rn. 71; Dölling in Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 16; Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 32b; Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 17 Rn. 26), bedarf daher keiner näheren Erörterung.
12
b) Auch die Bemessung der Jugendstrafe ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
aa) Der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke ist auch dann vorrangig zu berücksichtigen, wenn eineJugendstrafe – wiehier – ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urteile vom 23. März 2010 – 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.; vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95, NStZ-RR 1996, 120; vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598, 599).
14
bb) Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung über die Bemessung der Jugendstrafe nicht nur die erforderliche erzieherische Einwirkung auf die Angeklagte , sondern auch die Belange eines gerechten Schuldausgleichs in den Blick genommen. Sie hat die für den bestehenden Erziehungsbedarf als auch das Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten relevanten Umstände umfassend gewürdigt und auch die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafandrohungen des Allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, in ihre Überlegungen miteinbezogen. Gegen das auf dieser Grundlage gefundene Ergebnis ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Dass die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs - auch unter Berücksichtigung der in grob fahrlässiger Weise herbeigeführten schweren Folgen - in unangemessener Weise nicht mehr gerecht wird und damit zugleich ihre erzieherischen Zwecke verfehlt (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95 aaO; vom 7. September 1993 – 5 StR 455/93, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 3), vermag der Senat nicht festzustellen.
15
cc) Die Ausführungen zur Bemessung der verhängten Jugendstrafe lassen schließlich nicht besorgen, dass das Landgericht gegen das auch bei Anwendung von Jugendstrafrecht geltende Gebot, die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15 Rn. 20; vom 20. November 2012 – 1 StR 428/12, NStZ 2013, 288; Beschluss vom 12. März2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke aaO § 21 JGG Rn. 3 mwN), verstoßen hat. Die ausführlichen Darlegungen der Strafkammer zu den für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblichen Gesichtspunkten lassen eine solche rechtlich unzulässige Vermengung von Strafzumessung und Bewährungsentscheidung nicht erkennen. Anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - weder aus der im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten erfolgten Berücksichtigung des auf eine „nicht notwendigerweise im nicht mehr bewährungsfähigen Bereich“ liegende Jugendstrafe gerichteten Schlussantrags der als Nebenklägerin am Verfahren beteiligten Witwe des Tatopfers , noch aus der abschließenden, das Ergebnis der Zumessungsüberlegungen zusammenfassenden Formulierung der Strafkammer, wonach auf eine Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren erkannt werde, „mithin eine Strafe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann“.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 178/13
vom
6. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: sexueller Nötigung u.a.
zu 2.: Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 20. Dezember 2012 unter Erstreckung auf die Mitangeklagte J. dahingehend abgeändert, dass
a) die Angeklagte N. der gefährlichen Körperverletzung und der sexuellen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) die Mitangeklagte J. der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision der Angeklagten und die Revision des Angeklagten R. werden verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die Angeklagte N. und die nicht revidierende Mitangeklagte J. aufgrund verschiedener Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin u.a. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen verurteilt. Den Schuldsprüchen wegen dieses Delikts in den Fällen III.B.3. und III.B.4. der Urteilsgründe liegt folgendes tatsächliche Geschehen zugrunde:
2
1. Nachdem beide im Zusammenwirken mit dem Angeklagten R. und einem weiteren nicht revidierenden Mitangeklagten die Nebenklägerin über mehrere Stunden misshandelt und gedemütigt hatten, zwangen diese die Nebenklägerin unter Androhung von Schlägen, sich nackt in eine Badewanne zu stellen. Dort führte ihr die Mitangeklagte J. in Anwesenheit und mit Billigung der Angeklagten N. einen mit Gleitgel versehenen Vibrator in den Anus ein. Auf die dadurch hervorgerufenen Schmerzensschreie der Nebenklägerin reagierten sie mit lautem Gelächter (Fall III.B.3. der Urteilsgründe). Einige Zeit später brachten beide die Nebenklägerin unter Drohung mit Schlägen dazu, bei dem Angeklagten R. für einige Minuten den Oralverkehr auszuführen. Da sich bei diesem jedoch keine Erektion einstellte, wurde der weitere Vollzug abgebrochen (Fall III.B.4. der Urteilsgründe).
3
2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. April 2013 zutreffend ausgeführt hat, belegen diese Feststellungen den Schuldspruch gegen die Angeklagte N. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen nicht. Nach der wesentlich auf den Wortlaut „der Täter“ in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB abstellenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirklicht das genannte, eigenständig zu tenorierende Regelbeispiel nur derjenige Tatbe- teiligte, der in eigener Person eine der in der Vorschrift genannten sexuellen Handlungen verwirklicht (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2000 - 2 StR 635/99, NStZ-RR 2000, 326 und vom 21. April 2009 - 4 StR 531/08, NStZ-RR 2009, 278). Tatbeteiligte, bei denen diese eigenhändige Verwirklichung nicht vorliegt, können nicht als Mittäter einer Vergewaltigung verurteilt werden (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45). Die Angeklagte N. hat in keinem der beiden Fälle ein von den Sexualhandlungen der Vergewaltigung erfasstes Verhalten in eigener Person vollzogen.
4
Da jedoch nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen die Voraussetzungen einer sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB jeweils erfüllt waren, war der Schuldspruch entsprechend zu berichtigen. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil die vollumfänglich geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
5
Angesichts der nach den festgestellten Gesamtumständen der sich über rund 24 Stunden erstreckenden Misshandlungen, Demütigungen und Erniedrigungen der Nebenklägerin ungewöhnlich niedrigen Strafe schließt der Senat aus, dass das Tatgericht zu einer noch geringeren Jugendstrafe gelangt wäre, wenn es in den Fällen III.B.3. und 4. der Urteilsgründe von sexuellen Nötigungen gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB statt von Vergewaltigungen gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen wäre.
6
3. Dass die Angeklagte N. im Fall III.B.3. der Urteilsgründe nicht zusätzlich wegen Nötigung gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB verurteilt worden ist, weil sie gemeinsam mit der Mitangeklagten J. die Nebenklägerin durch Drohung mit Misshandlungen dazu gezwungen hat, sich zeitlich vor der analen Penetration durch die Mitangeklagte J. den Vibrator selbst vaginal einzuführen, hat sich nicht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt.
7
4. Die Angriffe der Revision der Angeklagten N. gegen die Verhängung einer Jugendstrafe und deren Bemessung dringen nicht durch.
8
a) Der Senat teilt insbesondere nicht die Auffassung der Revision, der Anordnungsgrund der „Schwere der Schuld“ in § 17Abs. 2 JGG könne grund- sätzlich lediglich bei „Kapitalstrafsachen“ in Betracht kommen. Dies entspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch außerhalb dessen bei besonders schweren Straftaten, zu denen gravierende Sexualdelikte gehören können (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 - 3 StR 404/09, NStZ-RR 2010, 56 f. und vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StV 2011, 588 f.), die Verhängung einer allein auf die Schwere der Schuld gegründeten Jugendstrafe zugelassen hat (etwa BGH, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 StR 656/97, StV 1998, 332, 333; weit. Nachw. bei Radtke in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., 2013, Band 6, JGG § 17 Rn. 67).
9
b) Im Übrigen neigt der Senat dazu, bereits das Vorliegen eines gewissen Schuldausmaßes allein als Anordnungsgrund einer auf das Merkmal der „Schwere der Schuld“ gestützten Jugendstrafe ohne eine faktische Erziehungs- fähigkeit und -bedürftigkeit des jugendlichen oder heranwachsenden Täters genügen zu lassen. Weder der Wortlaut von § 17 Abs. 2 JGG noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. I/3264 S. 40 re. Spalte/S. 41 li. Spalte) deuten auf ein kumulatives Erfordernis eines solchen Erziehungsbedürfnisses als Anordnungsvoraussetzung der Jugendstrafe hin. Die in § 18 Abs. 2 JGG enthaltene Vorgabe, bei der Bemessung der Jugendstrafe die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich zu machen, betrifft unmittelbar lediglich die Festsetzung der Dauer einer Jugendstrafe, nicht aber die vorgelagerte, in § 17 Abs. 2 JGG (in Verbindung mit § 5 und § 13 Abs. 1 JGG) geregelte Auswahl der jugendstrafrechtlichen Sanktion. Es entspricht zudem ohnehin der gefestig- ten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, im Rahmen der Strafbemessung der Jugendstrafe gemäß § 18 Abs. 2 JGG neben der Erziehungswirksamkeit auch andere Strafzwecke, bei schweren Straftaten vor allem das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs, zu berücksichtigen (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 1981 - 1 StR 634/81, StV 1982, 121; vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95, NStZ 1996, 232 f.; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - 5 StR 486/97; Beschluss vom 23. März 2010 - 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290, 291). Dem Gedanken des Schuldausgleichs ist insbesondere bei fünf Jahre übersteigenden Jugendstrafen Bedeutung zugemessen worden, weil bei derartigen Verbüßungszeiträumen eine (weitere) erzieherische Wirkung bezweifelt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95, NStZ 1996, 232 f. und vom 20. März 1996 - 3 StR 10/96, StV 1998, 344; siehe aber auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 StR 182/96, NStZ 1996, 496 f.).
10
c) Ob faktische Erziehungsfähigkeit und rechtliche Erziehungsberechtigung (bei Heranwachsenden) notwendige Anordnungsvoraussetzungen der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld sind, bedarf vorliegend allerdings keiner Entscheidung, weil das Tatgericht ohne Rechtsfehler ein Erziehungsbedürfnis bei der Angeklagten festgestellt hat.
11
d) Die Annahme der „Schwere der Schuld“ ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Gerade weil in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dieses Merkmal nicht anhand des äußeren Unrechtsgehalts der Tat, sondern der charakterlichen Haltung, der Persönlichkeit und der Tatmotivation des bzw. der Jugendlichen oder Heranwachsenden beurteilt werden soll (etwa BGH, Beschluss vom 14. August 2012 - 5 StR 318/12, StraFo 2012, 469 f.), versteht sich das Vorliegen dieses Anordnungsgrundes des § 17 Abs. 2 JGG angesichts der getroffenen Feststellungen geradezu von selbst.
12
5. Im Fall III.B.4. der Urteilsgründe ist die Berichtigung des Schuldspruchs gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf die nicht revidierende Mitangeklagte J. zu erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45). Diese hat lediglich im Fall III.B.3. der Urteilsgründe durch das anale Einführen des Vibrators in eigener Person eine der in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB genannten Handlungen vorgenommen, nicht aber im Fall III.B.4. der Urteilsgründe. Die Erstreckung ist auch dann vorzunehmen , wenn sich die Schuldspruchberichtigung nicht auf den Rechtsfolgenausspruch auswirkt (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 385/03 mwN).

II.


13
Die Revision des Angeklagten R. bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 4. April 2013 ohne Erfolg.
Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng
5 StR 556/09

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23. März 2010, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Brause als Vorsitzender,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 15. September 2009 wird verworfen.
2. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Aussetzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Der mit der Sachrüge geführten Revision der Angeklagten bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Näherer Betrachtung bedarf nur der Ausspruch über die Höhe der verhängten Jugendstrafe.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts liefen die zur Tatzeit 14 Jahre alte, stark alkoholisierte Angeklagte und die Geschädigte zusammen mit mehreren Freunden an einem kalten Abend des Januar 2009 eine Bundesstraße entlang. In der Nähe einer Bushaltestelle führte die Angeklagte die Gruppe auf einen kleinen Feldweg, der an ein großes brach liegendes Feld grenzte.
3
Die Angeklagte begann die Geschädigte, ihre ehemals beste Freundin J. , von den anderen wegzudrängen und machte ihr Vorwürfe, sie habe Lügengeschichten, vor allem, was ihr Verhältnis zu Jungen angeht, verbreitet. J. bestritt dies. Im weiteren Verlauf schubste die Angeklagte die Geschädigte, brachte sie zu Fall, schlug und trat nach ihr und warf ihr schließlich Schnee ins Gesicht. J. wehrte sich zunächst nicht und hielt alles für einen groben Spaß. Als die Geschädigte aufstand, brachte die Angeklagte sie erneut zu Fall und setzte sich rittlings auf sie.
4
Während die Angeklagte massiv auf J. einschlug, verließen zwei Personen die Gruppe; lediglich die bereits rechtskräftig verurteilten L. und K. blieben etwa 10 Meter entfernt stehen und unterhielten sich. Obwohl die Geschädigte vor Schmerzen schrie und die beiden Jungen um Hilfe bat, schritten sie nicht ein. Vielmehr ging K. mehrmals zur Angeklagten , um ihr während des fortdauernden Schlagens und Tretens eine Flasche Bier zum Trinken zu bringen. Die Angeklagte schüttete einen Teil des Bieres der Geschädigten ins Gesicht und schlug ihr dann mit der leeren Flasche mehrfach auf Kopf und Körper. Nachdem es J. gelungen war, kurzzeitig aufzustehen und in Richtung der beiden Jungen zu laufen, um noch einmal um Hilfe zu bitten, riss die Angeklagte sie an den Haaren zurück , warf sie erneut zu Boden und misshandelte sie weiter.
5
Nach etwa einer halben Stunde zwang die Angeklagte die Geschädigte sich nackt auszuziehen, um sie in Gegenwart der Jungen weiter zu demütigen. Jedes einzelne Kleidungsstück, das J. ihr gab, warf sie weit von sich auf das Feld. Anschließend trat und schlug, wiederum mit einer Bierflasche, die Angeklagte erneut auf die – bei einer Lufttemperatur von minus zwei Grad Celsius und starkem Wind – nackt auf dem Boden liegende Geschädigte ein. Auf erneute Hilferufe reagierte die Angeklagte mit den Worten : „Hier wird Dir keiner helfen“ (UA S. 16). Als L. gehen wollte, um noch etwas zum Trinken zu kaufen, sagte die Angeklagte, dass sie das hier in Ruhe zu Ende bringen wolle und noch fünf Minuten brauche.
6
Gegen 21.40 Uhr forderte sie L. auf, mit seinem Handy einen früheren Freund anzurufen, und erkundigte sich sodann bei diesem, ob J. sie bei ihm schlecht gemacht habe, was dieser Freund jedoch verneinte. Während des folgenden zwanzig Minuten dauernden Telefonats wurde das Telefon mehrfach hin- und hergereicht, und L. berichtete dem Angerufenen über die weitere Entwicklung des Geschehens; er sagte unter anderem, dass er eigentlich noch Durst habe, aber die Angeklagte nicht mitkommen wolle und sie deshalb noch dableiben müssten. Die Angeklagte schrie dabei: „Du hast meine Beziehungen alle kaputt gemacht. Dafür musst Du jetzt büßen“ (UA S. 17).
7
Als die Angeklagte genug hatte und dem Drängen der beiden Jungen nachgab, den Ort zu verlassen, rechneten alle drei mit der nahe liegenden Möglichkeit, dass J. nicht mehr in der Lage sein würde, selbständig Hilfe zu holen. Dennoch entschieden sie sich, die Geschädigte alleine auf dem Feld zurückzulassen und gemeinsam zur Bushaltestelle zu gehen. Kurz vor Erreichen der Haltestelle kehrte die Gruppe auf Veranlassung der Angeklagten um, weil sie noch einmal nach der Geschädigten sehen wollten. Die Angeklagte setzte um 22.38 Uhr einen Notruf ab und kauerte sich hinter J. , um sie wieder aufzuwärmen.
8
Als die Geschädigte gegen 22.50 Uhr aufgefunden wurde, war sie nicht mehr ansprechbar. An ihrem Körper gab es keine Stelle, die nicht verletzt war. Im Krankenhaus wurde um 0.20 Uhr eine Körperkerntemperatur von 23,8 Grad Celsius gemessen. Die Überlebenschance der Geschädigten betrug weniger als zehn Prozent. Sie wurde noch drei Wochen im Krankenhaus behandelt.
9
2. Die Jugendkammer hat die Grundlagen für die Verhängung von Jugendstrafe – in der Tat zum Ausdruck gekommene schädliche Neigungen und die Schwere der Schuld der Angeklagten (§ 17 Abs. 2 JGG) – rechtsfeh- lerfrei angenommen. Auch die Bemessung der – freilich hohen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 JGG) – Jugendstrafe hält revisionsgerichtlicher Prüfung noch stand.
10
a) Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen namentlich das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs, zu beachten. Das Gewicht des Tatunrechts muss auch gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Verurteilten abgewogen werden. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen regelmäßig nicht im Widerspruch. Zumeist – und so auch hier – stehen sie miteinander im Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis , sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 120; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 – 5 StR 486/97).
11
Das Landgericht hat hiernach rechtlich zutreffend erzieherischen Gesichtspunkten den Vorrang vor dem Schuldausgleich eingeräumt (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 4 und Schwere der Schuld 1; § 18 Abs. 2 Tatumstände 2; Eisenberg, JGG 13. Aufl. § 18 Rdn. 13, 22).
12
b) Nach der Urteilsbegründung ist die Angeklagte schon im strafunmündigen Alter mehrfach wegen Verdachts des Diebstahls und der Körperverletzung polizeilich in Erscheinung getreten. In den letzten fünf Monaten vor der Tat kam es zu einer vollständigen Schulverweigerung. Sie verbrachte „die Werktage meist zu Hause, schlief bis 10 oder 11 Uhr und beschäftigte sich dann etwa vier bis fünf Stunden täglich mit Computerspielen oder Internetaktivitäten. In den frühen Abendstunden traf sie sich dann mit Bekannten … Ebenso verliefen die Wochenenden, wobei es hier verstärkt zum Alkoholkonsum kam.“ In den letzten beiden Monaten vor der Tat wurde sie vier- mal in alkoholisiertem Zustand (Atemalkoholkonzentration zwischen 1,0 und 1,56 ‰) von der Polizei aufgegriffen und nach Hause gebracht. Bemühungen des Jugendamtes, sie in verschiedene Präventionsprojekte zu integrieren, blieben ebenso erfolglos wie der Einsatz einer Familienhelferin. Nach der Tat befand sie sich zunächst für rund fünf Wochen in Untersuchungshaft. Anschließend wurde sie nach § 71 Abs. 2 JGG in einer Einrichtung zur Untersuchungshaftvermeidung untergebracht, musste aber nach zwei Monaten, weil sie sich der pädagogischen Einzelbetreuung entzog und zunehmend die Regel- und Rahmenbedingungen verletzte, in einem Kinder- und Jugendheim untergebracht werden. Nachdem sie dort dreimal entwichen war, wurde sie erneut in Untersuchungshaft genommen.
13
Die Jugendkammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, dass bei der Angeklagten zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar kein krankhafter psychischer Zustand vorliege. Allerdings gebe es deutliche Merkmale in der Persönlichkeit der Angeklagten, die, wenn nicht entsprechend konsequent und nachhaltig erzieherisch entgegengewirkt werde, die Entwicklung zu einer dissozialen Persönlichkeit befürchten ließen. Grenzen sowie die Notwendigkeit der Einhaltung gewisser Regeln und Normen seien ihr bislang ebenso wenig vermittelt worden wie das Bestehen von Pflichten. Diese Erziehungsversäumnisse seien letztlich mitursächlich für die Tat. Die Aggressionsschwelle sei bei der Angeklagten sehr niedrig. Prognostisch erschwerend seien auch die kaum wahrnehmbare Reue der Angeklagten und ihre emotionale Unberührtheit.
14
Bei der Strafzumessung sind zugunsten der Angeklagten gewertet worden ihr umfassendes Geständnis, ihr Versuch, sich bei der Geschädigten zu entschuldigen, dass sie den Notruf abgesetzt und versucht hat, die Geschädigte warm zu halten, erst 14 Jahre alt war und durch Alkohol ihre Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Straferschwerend wurden die erheblichen Verletzungen und die Demütigung der Geschädigten gewertet.
15
Entscheidendes Gewicht hat die Jugendkammer dem erheblichen Erziehungsbedarf beigemessen. Das Landgericht folgt der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen, dass die Angeklagte in ein System von hoher Strukturierung und strikten Regeln überführt werden müsse. Sie benötige daneben unbedingt psychotherapeutische Behandlung, um eine „Mentalisierung und ein Interesse an anderen Mitmenschen bei ihr zu initialisieren“ (UA S. 51). Dies alles könne auch mittelfristig nicht unter ambulanten oder Heimbedingungen erreicht werden. Nach Überzeugung der Jugendkammer bestehe – auch belegt durch die fehlende Bereitschaft der Angeklagten, sich den Bedingungen von zwei Einrichtungen zur Vermeidung von Untersuchungshaft zu unterwerfen – ein erheblicher langjähriger Erziehungsbedarf unter Jugendhaftbedingungen. Es werde bereits geraume Zeit in Anspruch nehmen, bis die Angeklagte begreife, dass sie an sich arbeiten müsse und Regeln einzuhalten habe. Erst wenn sie dazu bereit sei, könne mit der eigentlichen Aufarbeitung ihrer Defizite begonnen werden. Auch müsse ein langfristiger Schulbesuch gewährleistet werden.
16
c) Der Senat entnimmt diesen Darlegungen eine noch ausreichende, den Anforderungen des § 54 JGG entsprechende Gesamtwürdigung der Angeklagten (vgl. BGH StV 1993, 531 [3 StR 591/92]; Schoreit in Diemer /Schoreit/Sonnen, JGG 5. Aufl. § 54 Rdn. 25; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 18 Rdn. 7a).
17
Der Senat besorgt ferner nicht, dass in dem hier vorliegenden Fall der sogar zunächst nicht gegebenen Erziehungsfähigkeit der Angeklagten die festgesetzte hohe Jugendstrafe den Zeitraum sinnvoll anzuwendender pädagogischer Mittel des Jugendstrafvollzugs überschreiten könnte (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 258, 259).
18
d) Die in der Tat deutlich gewordene Fehlentwicklung der Persönlichkeit der Angeklagten begründet offensichtlich hohen Therapie- und damit einhergehend hohen Erziehungsbedarf. Der Jugendstrafvollzug wird gefor- dert sein, wirksame therapeutische Maßnahmen zur Beeinflussung der Persönlichkeit der Angeklagten zu finden und anzuwenden, um möglichst zeitnah die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 88 Abs. 1 JGG zu schaffen.
Brause Raum Schaal Schneider Bellay

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 - 4b Ws 42/12 - und der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 - 4 KLs 211 Js 28184/12 Hw. - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwie-sen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweili-gen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung der gegen ihn angeordneten Untersuchungshaft.

I.

2

1. Das Amtsgericht Stuttgart erließ am 20. Dezember 2011 gegen den im Februar 1992 geborenen Beschwerdeführer einen Haftbefehl. Danach war dieser dringend verdächtig, in zwei versuchten und drei vollendeten Fällen gewerbsmäßige Betrugstaten begangen und dabei als Mitglied einer Bande gehandelt zu haben, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugstaten verbunden habe. Der Beschwerdeführer habe bei den vollendeten Taten Beträge von 500 €, 1000 € und 1.500 € erlangt und ferner versucht je einmal 500 € und 1.000 € zu erbeuten.

3

Der Beschwerdeführer wurde am 29. Dezember 2011 in Haft genommen.

4

2. Am 4. April 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen den nicht vorbestraften Beschwerdeführer und fünf weitere Angeschuldigte. Sie listete in drei Komplexen insgesamt 28 Taten aus den Bereichen der Betäubungs- und Arzneimitteldelikte und der Spielautomatenmanipulation sowie Taten im Zusammenhang mit Erpressungen und Körperverletzungen auf. Dem Beschwerdeführer wurden, im Wesentlichen entsprechend den Vorwürfen aus dem Haftbefehl, fünf banden- und gewerbsmäßige Betrugstaten aus dem Komplex der Spielautomatenmanipulation, davon in einem Fall als Versuch, zur Last gelegt.

5

3. Am 16. April 2012 wies die Strafkammervorsitzende die Verteidiger darauf hin, dass vorbehaltlich der Eröffnung des Hauptverfahrens der Hauptverhandlungsbeginn für den 25. Mai 2012 geplant sei. Weitere Termine sollten am 12., 14., 19., 20., 22., 25. und 28. Juni 2012, am 4., 5. und 10. Juli 2012 sowie anschließend ganztägig jeweils Dienstag und Donnerstag stattfinden.

6

4. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 beantragte der Bevollmächtigte, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer abzutrennen und vor dem Jugendrichter oder Jugendschöffengericht zu eröffnen. Eine gemeinsame Verhandlung gegen alle in der Anklageschrift genannten Angeschuldigten sei mit dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden Prinzip des Erziehungsgedankens nicht in Einklang zu bringen; es handele sich zudem weit überwiegend um Straftaten, die den Beschwerdeführer nicht beträfen.

7

5. Mit Beschluss vom 10. Mai 2012 eröffnete die Strafkammer das Hauptverfahren, ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu und ordnete die Aufrechterhaltung der gegen alle sechs Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft an.

8

Die Hauptverhandlung sollte - wie angekündigt - am 25. Mai 2012 beginnen. Für die Zeit bis zum 2. August 2012 wurden 13 Folgetermine anberaumt; ab dem 30. August sollte jeweils am Dienstag und Donnerstag verhandelt werden.

9

6. Nachdem zum Prozessauftakt am 25. Mai 2012 die Anklage verlesen worden war und im Folgetermin zwei Mitangeklagte Angaben zur Sache gemacht hatten, gab der Beschwerdeführer am dritten Verhandlungstag über seinen Bevollmächtigten eine Erklärung zur Sache ab. Es wurden drei vollendete Tathandlungen eingeräumt, die weiteren Anklagepunkte sowie eine bandenmäßige Begehung hingegen in Abrede gestellt.

10

7. Am 29. Mai 2012 erhielt das Landgericht einen unter dem 4. Mai 2012 erstellten Bericht der Jugendgerichtshilfe über den Beschwerdeführer. Darin wurde die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen. Der Beschwerdeführer wohne gemeinsam mit anderen Geschwistern noch bei seinen Eltern, die ihn auch im Umgang mit Behörden unterstützten. Es habe noch keine Verselbständigung und Ablösung vom Elternhaus stattgefunden. Sein Auftreten zeige, dass er nach seiner Entwicklung einem Erwachsenen noch nicht gleichgesetzt werden könne.

11

8. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2012 beantragte der Bevollmächtigte, den Haftbefehl aufzuheben. Nach den Ausführungen im Bericht der Jugendgerichtshilfe könne keine Fluchtgefahr angenommen werden.

12

9. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. Juni 2012 hielt die Strafkammer den Haftbefehl aufrecht und lehnte den Abtrennungsantrag ab. Es bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Auch wenn der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft sei, habe er wegen der zur Last gelegten Taten bei vorläufiger Bewertung mit einer empfindlichen, möglicherweise zu vollstreckenden Jugend- oder Freiheitsstrafe zu rechnen. Mildere Maßnahmen im Sinne von § 116 Abs. 1 StPO kämen nicht in Betracht. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Belastungen für einen Heranwachsenden unverhältnismäßig. Der Beschwerdeführer befinde sich zwar seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft, die Kammer habe aber die Haftbedingungen gelockert, so dass für den Beschwerdeführer nunmehr die Gelegenheit bestehe, die begonnene Ausbildung fortzuführen und an den Abschlussprüfungen teilzunehmen.

13

Im Interesse der Wahrheitsfindung, der Prozessökonomie und der Beschleunigung sei es geboten, die Tatvorwürfe in einem einheitlichen Verfahren aufzuklären. Es sei nicht ersichtlich, dass eine weitere gemeinsame Verhandlung eine erziehungsschädliche Wirkung haben könnte.

14

10. Am 23. Juli 2012 bestimmte die Vorsitzende für die Zeit vom 3. September bis zum 29. November 2012 weitere 13 Termine. Im Anschluss sollte jeden Dienstag und Donnerstag verhandelt werden.

15

11. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2012 legte der Bevollmächtigte Beschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung ein. Die bisherige Beweisaufnahme habe das Bestehen einer Bande nicht belegen können. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Bei dem heranwachsenden Beschwerdeführer komme mit hoher Wahrscheinlichkeit Jugendstrafrecht zur Anwendung. Der das Jugendrecht beherrschende Erziehungsgedanke dürfe nicht hinter prozessökonomischen Gesichtspunkten zurücktreten.

16

Nach Erhalt der weiteren Terminplanung vom 23. Juli 2012 ergänzte der Bevollmächtigte am 27. Juli 2012 das Beschwerdevorbringen und rügte eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes. Den Beschwerdeführer betreffe nur ein kleiner Teil der angeklagten Taten samt der dazugehörigen Beweisaufnahme. Nach der weiteren Planung komme es zwischen Anfang September und Ende November nur zu einer Verhandlung pro Woche, was nicht nur dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts, sondern auch dem Beschleunigungsgebot widerspreche.

17

Mit einem Schriftsatz vom selben Tag wurde das Landgericht um Mitteilung gebeten, an welchen Tagen im Zeitraum von September bis November die Strafkammer Hauptverhandlungstermine in anderen Verfahren festgesetzt habe und ob es sich dabei um Haftsachen handele.

18

12. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragte unter dem 30. Juli 2012, die Beschwerde zu verwerfen.

19

13. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2012 wies das Oberlandesgericht Stuttgart die Haftbeschwerde zurück. Es bestehe Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer habe mit einer empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Trotz der Ausführungen im Bericht der Jugendgerichtshilfe halte es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Haftentlassung dem weiteren Verfahren entziehen werde. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei auch verhältnismäßig. Dabei verkenne der Senat nicht, dass sich das Freiheitsinteresse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößere und der Vollzug für den erst 20-jährigen und in Berufsausbildung befindlichen Beschwerdeführer besondere Belastungen mit sich bringe. Dieser sei zwar seit dem 29. Dezember 2011 in Haft, was aber in Ansehung der beschleunigten Handhabung durch die Kammer - so habe die Hauptverhandlung bereits sieben Wochen nach Eingang der Anklage begonnen - weiterhin zumutbar sei.

20

Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liege nicht vor. Die Kammer habe seit Verhandlungsbeginn bereits 14 Termine durchgeführt und beabsichtige nunmehr nach § 229 Abs. 2 StPO aus nachvollziehbaren Gründen eine einmonatige Unterbrechung. Die ab dem 3. September geplante Terminierung mit 13 Terminen bis zum 29. November lasse keine unzureichende Beschleunigung besorgen, da sich eine isolierte Betrachtung bestimmter Verhandlungszeiträume verbiete. Es komme daher nicht darauf an, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt die Strafkammer die Anfrage des Bevollmächtigten zu sonstigen Verhandlungen beantworte.

21

Diese Entscheidung ging am 13. August 2012 beim Bevollmächtigten ein.

22

14. Bis zum 14. Hauptverhandlungstag am 2. August 2012 erstreckte sich bei der Hälfte der Termine die Sitzungsdauer auf eine bis maximal vier Stunden. In der Zeit vom 3. August bis zum 3. September 2012 wurde die Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 2 StPO für einen Monat unterbrochen, um den Berufsrichtern und den Schöffen einen Urlaub zu ermöglichen.

23

15. Am 9. August 2012 erhielt der Bevollmächtigte die erbetene Aufstellung zu den weiteren Verhandlungen der Strafkammer übersandt. Danach sollte an zwei Tagen im Oktober in einer anderen Nichthaftsache verhandelt werden. Im November konnte an vier Tagen keine Terminierung erfolgen, weil die auch einer anderen Strafkammer zugewiesene Beisitzerin dort an einer Hauptverhandlung in einer Haftsache teilnehmen sollte.

24

16. Unter dem 15. August 2012 wies der Bevollmächtigte im Wege der Gegenvorstellung den Strafsenat unter Bezugnahme auf die Auskunft der Strafkammer darauf hin, dass trotz 32 freier Arbeitstage zwischen September und November in 26 Wochen lediglich an 27 Tagen und davon an mehreren Tagen nur halbtags verhandelt werden sollte.

25

17. Das Oberlandesgericht wies die Gegenvorstellung am 17. August 2012 als unzulässig zurück. Die verhandlungsfreien Tage könnten keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründen, da ein Spruchkörper auch außerhalb von Hauptverhandlungen umfangreiche Arbeiten zu erledigen habe.

26

18. Am 13. September 2012 bestimmte die Strafkammervorsitzende für den Monat November drei weitere Sitzungstermine.

27

19. Nachdem das Landgericht den Beschwerdeführer und dessen Bevollmächtigten am 25. September 2012 zu den möglichen Modalitäten einer Haftverschonung angehört hatte, beschloss es am 2. Oktober 2012, den Haftbefehl gegen Auflagen und Weisungen außer Vollzug zu setzen. Es bestehe weiterhin Fluchtgefahr, da der Beschwerdeführer mit einer Verurteilung zu einer fühlbaren Jugend- oder Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen habe. Angesichts der bisherigen erheblichen Dauer der Untersuchungshaft sowie der Straferwartung und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit könne der Fluchtgefahr aber durch Weisungen und Auflagen begegnet werden.

II.

28

Mit seiner am 13. September 2012 eingegangenen Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

29

Die Anordnung der Untersuchungshaft verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere unter Beachtung des Beschleunigungsgebots. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne allein die Schwere der Tat und die daraus folgende Straferwartung bei erheblichen Verfahrensverzögerungen eine ohnehin schon lang andauernde Untersuchungshaft nicht rechtfertigen. Bei dem hier nicht besonders schwerwiegenden Tatvorwurf gegen einen Heranwachsenden, bei dem voraussichtlich Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen werde, müsse die Abwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen.

30

Die Strafkammer erfülle nicht die Anforderungen, die das Beschleunigungsgebot in umfangreichen Verfahren an eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als einem Verhandlungstag pro Woche stelle. Von Beginn der Hauptverhandlung seien bis zum letzten bislang festgesetzten Termin in 26 Wochen lediglich 27 Verhandlungstage anberaumt worden; dies entspreche einem wöchentlichen Durchschnitt von 1,04 Sitzungstagen. Von den bis zum 11. September 2012 durchgeführten Verhandlungen seien sieben nur von halbtägiger oder stundenweiser Dauer gewesen. Die angegriffenen Entscheidungen verhielten sich auch nicht zu der Frage, ob das Landgericht zur Beschleunigung des Verfahrens alles Zumutbare unternommen habe. Es sei mangels entgegenstehender Erkenntnisse davon auszugehen, dass die Kammer an mindestens zwei Tagen pro Woche hätte verhandeln können.

31

Es fehle auch an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates. Insbesondere fehle jede Abwägung zwischen der Dauer der Untersuchungshaft und der zu erwartenden Rechtsfolge. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer Heranwachsender und bislang nicht vorbestraft sei. Gerade das Fehlen von Vorstrafen sei bei erstmaliger Verhängung von Jugendstrafe ein deutliches Indiz für eine Strafaussetzung zur Bewährung oder jedenfalls eine Reststrafenaussetzung. Hierzu verhielten sich die angegriffenen Entscheidungen nicht, weshalb es auch an der für Haftfortdauerentscheidungen notwendigen Begründungstiefe fehle.

III.

32

1. Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

33

2. Die Strafkammervorsitzende teilte unter dem 19. Oktober 2012 mit, das Gericht habe seit dem Prozessauftakt an 20 Sitzungstagen verhandelt. Bis zum 29. November 2012 seien acht weitere Termine anberaumt. Eine mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 teilzeitbeschäftigte Beisitzerin sei aufgrund eines Präsidiumsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart seit dem 1. August 2012 nur noch mit einem Anteil von 0,2 der Strafkammer und im Übrigen einer anderen Schwurgerichtskammer zugewiesen. Ferner habe die Kammer als Schwurgericht parallel zum streitgegenständlichen Verfahren weitere vier Haftverfahren, teilweise mit bis zu vier Angeklagten, an 18 Verhandlungstagen sowie an weiteren Sitzungstagen Berufungen verhandelt.

34

3. Der Beschwerdeführer teilte mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2012 mit, im Oktober sei an den drei Sitzungstagen jeweils halbtags verhandelt worden.

35

4. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

36

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 und des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 wendet, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Ent-scheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits ent-schieden.

37

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach der Entscheidung der Strafkammer vom 2. Oktober 2012 derzeit vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont ist (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris).

38

Die gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2011 gerichtete Verfassungsbeschwerde nimmt die Kammer nicht zur Entscheidung an. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

I.

39

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>).

40

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 <49 f.>). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 17, 517 <522>).

41

Das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. BVerfGE 46, 194 <195>) verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; 7, 140 <157>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 52). Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 17, 517 <523>).

42

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrem Gewicht verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>). Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich (vgl. BVerfGK 7, 421 <428>), die es dem Bundesverfassungsgericht ermöglicht, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen zu prüfen (vgl. BVerfGK 17, 517 <524>).

43

Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB - das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe (vgl. BVerfGK 8, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12 -, juris Rn. 25).

44

Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprü-fung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>).

II.

45

Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen des Landge-richts Stuttgart vom 25. Juni 2012 und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 2012 nicht gerecht.

46

Die Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass die Gerichte bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts ausreichend berücksichtigt haben. Insoweit weisen beide Entscheidungen nicht die für eine Haftfortdauerentscheidung erforderliche Begründungstiefe auf.

47

1. Das Landgericht geht bei seiner Entscheidung zwar davon aus, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten zur "Verhängung einer empfindlichen, möglicherweise zu vollstreckenden Jugend- oder Freiheitsstrafe" führen können. Die Kammer lässt jedoch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens außer Betracht und nimmt insbesondere unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung nach § 57 StGB (zum Halbstrafen- oder 2/3 Termin) oder nach § 88 JGG (nach sechs Monaten oder bei mehr als einem Jahr Jugendstrafe nach einem Drittel) nicht das hypothetische Ende einer möglicherweise zu verhängenden Freiheits- oder Jugendstrafe in den Blick. Für eine solche Betrachtung bestand aber insbesondere deshalb gesteigerter Anlass, weil der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft und soweit ersichtlich erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen sein würde sowie nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe vom 4. Mai 2012 für den Fall einer Verurteilung die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen wird.

48

Das Oberlandesgericht legt seinen Ausführungen lediglich die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe mit einer "empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe" zu rechnen ohne zu berücksichtigen, die Strafkammer als urteilender Spruchkörper auch die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht zieht. Der Strafsenat berücksichtigt im Weiteren zwar die bis zu seiner Entscheidung seit annähernd sieben Monaten vollzogene Freiheitsentziehung, ohne aber - wie es geboten gewesen wäre - weitergehend eine Abwägung vorzunehmen, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft angesichts des hypothetischen Endes der Freiheitsentziehung noch verhältnismäßig erscheint.

49

2. Das Landgericht hat sich nicht mit den aus dem Beschleunigungsgebot folgenden Anforderungen befasst, was in Anbetracht der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung erst seit wenigen Wochen dauernden Verhandlung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Selbst der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zunächst auf andere Umstände gestützt.

50

Demgegenüber hat sich das Oberlandesgericht zwar mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen auseinander gesetzt, sich in diesem Zusammenhang aber auf die Feststellung beschränkt, dass die Strafkammer seit dem Beginn der Hauptverhandlung am 25. Mai 2012 14 Termine durchgeführt, für August eine einmonatige Unterbrechung angeordnet und bis zum 29. November 2012 weitere 13 Sitzungstage anberaumt habe. Dies lasse keine unzureichende Beschleunigung der Sache besorgen.

51

Bei dieser Bewertung berücksichtigt der Strafsenat nicht alle relevanten Umstände des Einzelfalls. Die Strafkammer hat nach der Mitteilung ihrer Vorsitzenden bis zur am 2. August 2012 erfolgten einmonatigen Unterbrechung im Zeitraum von zehn Wochen an 14 Terminstagen verhandelt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts waren für die Zeit nach der am 3. September 2012 endenden Pause bis zum 29. November 2012 weitere 13 Sitzungstage geplant. Dies entsprach bei einem Zeitraum von 27 Wochen und 27 Terminen einer Verhandlungsdichte von (nur) 1,00 Terminstagen pro Woche außerhalb der Unterbrechungszeit. Wenn die vierwöchige Unterbrechungszeit wegen Urlaubs unberücksichtigt bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 53), liegt die Verhandlungsdichte bei 1,17 Sitzungen pro Woche.

52

Mit der Anberaumung von (knapp) mehr als durchschnittlich einem Sitzungstag pro Woche allein ist der verfassungsrechtlichen Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer Hauptverhandlung indes noch nicht genügt. Das Oberlandesgericht geht nicht darauf ein, dass an einer nennenswerten Zahl von Sitzungstagen nur stundenweise oder halbtags verhandelt worden ist, ohne dass ersichtlich würde, weshalb die Strafkammer von ihrer ursprünglichen Absicht, an zwei (vollen) Tagen in der Woche zu verhandeln, Abstand genommen hat oder nehmen musste. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen kann auch dadurch verletzt werden, dass an den jeweiligen Sitzungstagen nur kurze, den Sitzungstag nicht ausschöpfende Zeit verhandelt und das Verfahren dadurch nicht entscheidend gefördert wird (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 Ws 383/10 -, juris, Rn. 16, 23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2011 - III 1 Ws 260/11 -, juris, Rn. 6).

53

Das Oberlandesgericht hätte in diesem Zusammenhang insbesondere prüfen müssen, ob die Strafkammer ihrer Aufgabe einer vorausschauenden straffen Hauptverhandlungsplanung bei - wie hier - umfangreichen Verfahren hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGK 7, 21 <46>; 7, 140 <158>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris Rn. 54). Dazu hätte angesichts der gegebenen Terminfrequenz besonderer Anlass bestanden.

III.

54

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG durch das Oberlandesgericht wie auch durch das Landgericht festzustellen.

55

In Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Haftsache ist es angezeigt, nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BverfGG nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Es liegt im Interesse des Beschwerdeführers, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BverfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 25. Juni 2012 herbeizuführen.

56

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BverfGG. Da der nicht zur Entscheidung angenommene Teil der Verfassungsbe-schwerde von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Auslagen in vollem Umfang zu erstatten (vgl. BverfGE 86, 90 <122>).

IV.

57

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 4/17
vom
23. Februar 2017
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
hier: Haftbeschwerde des Angeklagten
ECLI:DE:BGH:2017:230217BSTB4.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 23. Februar 2017 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 21. Dezember 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.


1
Der Angeklagte wurde am 29. November 2011 festgenommen aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2011 (3 BGs 97/11), neu gefasst durch dessen Beschluss vom 15. Mai 2012 (3 BGs 169/12) und abgeändert durch Senatsbeschluss vom 14. Juni 2012 (AK 18/12). Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der Senat hat in der letztgenannten Entscheidung deren Fortdauer über sechs Monate hinaus und durch Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 (AK 30/12), vom 8. Januar 2013 (AK 36/12) und vom 11. April 2013 (AK 9/13) deren Fortdauer auch über neun, zwölf und fünfzehn Monate hinaus angeordnet. Zum Tatvorwurf nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 14. Juni 2012 (AK 18/12) und auf die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 5. November 2012. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und vier Mitangeklagte hat am 6. Mai 2013 vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München begonnen; sie dauert weiter an.
2
Die Beschwerde des Angeklagten gegen einen die Haftfortdauer anordnenden Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Dezember 2014 hat der Senat am 5. Februar 2015 verworfen (StB 1/15). Ebenso ist er verfahren mit der Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 24. Februar 2016, mit dem dieses seine Anträge vom 18. Januar 2016 auf Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise auf Außervollzugsetzung abgelehnt und wiederum Haftfortdauer angeordnet hatte; diese hat der Senat mit Beschluss vom 14. Juli 2016 (StB 20/16) verworfen.
3
Nunmehr hat die Verteidigung des Angeklagten am 1. Dezember 2016 erneut beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise, diesen außer Vollzug zu setzen. Das Oberlandesgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 21. Dezember 2016 abgelehnt und wiederum Haftfortdauer angeordnet. Hiergegen richtet sich die neuerliche Beschwerde des Angeklagten. Das Oberlandesgericht hat dieser mit Beschluss vom 30. Januar 2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.


4
Die Beschwerde ist unbegründet.
5
1. Es besteht weiterhin der dringende Tatverdacht, dass der Angeklagte Beihilfe zu neun Fällen des Mordes leistete, indem er den untergetauchten B. und M. eine von diesen bestellte Pistole über den Mitan- geklagten S. verschaffte, und zwar die jeweils als Tatwaffe verwendete Pistole Ceska 83 Kal. 7,65 mm, Waffennummer 034678, nebst Schalldämpfer, die S. auf Vermittlung des Angeklagten bei dem Zeugen Sch. erwarb und anschließend an B. und M. übergab.
6
Das Oberlandesgericht hat in dem Beschluss vom 21. Dezember 2016 und in dem Nichtabhilfebeschluss vom 30. Januar 2017 hinreichend dargelegt, dass und aufgrund welcher Beweismittel die Beweisaufnahme den dringenden Tatverdacht im Sinne des im Haftbefehl beschriebenen Tatvorwurfs nach vorläufiger Würdigung bestätigt hat.
7
Die Begründung durch das Oberlandesgericht, die auch auf die zahlreichen in dieser Sache ergangenen Haftentscheidungen des Oberlandesgerichts (Beschlüsse vom 25. Juni und vom 22. Dezember 2014, vom 24. Februar und vom 8. Juni 2016) und des Senats (Beschlüsse vom 14. Juni 2012 - AK 18/12, vom 4. Oktober 2012 - AK 30/12, vom 8. Januar 2013 - AK 36/12, vom 11. April 2013 - AK 9/13 und vom 14. Juli 2016 - StB 20/16) Bezug nimmt, ist nach der Rechtsprechung des Senats, wonach die Beurteilung des dringenden Tatverdachts , die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vorzunehmen hat, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217 mwN), nicht zu beanstanden.
8
2. Zutreffend ist das Oberlandesgericht auch davon ausgegangen, dass der Haftgrund der Schwerkriminalität weiterhin besteht (§ 112 Abs. 3 StPO); durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Hierzu und zum auch insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts verweist der Senat - erneut - auf seinen Beschluss vom 5. Februar 2015 (StB 1/15, juris Rn. 7, insoweit nicht abgedruckt in BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3). An der Gültigkeit der Erwägungen, die das Oberlandesgericht in der dort in Bezug genommenen Entscheidung vom 25. Juni 2014 angestellt hatte, hat sich nach dessen erneuter Bewertung im angefochtenen Beschluss und in der Nichtabhilfeentscheidung auch in der Zwischenzeit nichts geändert.
9
3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der nunmehr über fünf Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - fortzudauern. Ihr weiterer Vollzug steht angesichts der gegebenen Besonderheiten auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
10
a) Dies gilt auch mit Blick auf das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit. Danach ist der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen wegen der Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig. Den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen muss - unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt in diesem Zusammenhang auch, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen, aber auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zunehmen (BGH aaO, S. 217 f. mwN).
11
Das damit angesprochene Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt , dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Planung der Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn. 39 ff.; BGH, aaO).
12
Gemessen an diesen Anforderungen ist das Verfahren und insbesondere die Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Wie das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2016 im Einzelnen dargelegt hat, wird die Hauptverhandlung weiterhin in aller Regel an drei Verhandlungstagen pro Woche durchgeführt und betrifft nahezu durchgängig auch den Angeklagten. Auch die weiteren Einwände gegen die Verhandlungsführung (Ladung nur eines Zeugen pro Verhandlungstag , zu geringe Verhandlungszeit pro Sitzungstag) verfangen aus den Gründen des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 21. Dezember 2016, die der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel auch nicht angreift, nicht.
13
Im Übrigen verweist der Senat zum Umfang und zu den Schwierigkeiten des Verfahrens auf seine Beschwerdeentscheidung vom 5. Februar 2015 (StB 1/15, juris Rn. 8) und hält daran fest, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen isolierter Betrachtung nicht zugänglich sind; ein gesondertes Urteil im Verfahren gegen den Angeklagten scheidet deshalb nach wie vor aus.
14
b) Wie der Senat zuletzt im Beschluss vom 14. Juli 2016 ausgeführt hat, stellt sich das aufzuklärende Tatgeschehen nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine erhebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Umständen schwer. Die im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartende und zu verbüßende Strafe wird deshalb bis auf Weiteres die Untersuchungshaft nicht nur unwesentlich übersteigen. Soweit der Beschwerdeführer meinen sollte, die Vollziehung von Untersuchungshaft über fünf Jahre hinaus stelle sich bei einem Gehilfen aus grundsätzlichen Erwägungen als unverhältnismäßig dar, könnte der Senat dem nicht folgen. Gerade die Ver- hältnismäßigkeitsprüfung erfordert vielmehr eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
Becker Gericke Tiemann