Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.09.2015 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 SGG.
4Der Kläger wohnt in einer Wohnung seiner Mutter. Seit 2011 bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form der Regelleistung. Kosten für Unterkunft und Heizung übernimmt der Beklagte nicht.
5Laut einem Telefonvermerk vom 09.07.2014 gab der Kläger gegenüber einem Mitarbeiter des Beklagten an, dass Eigentümerin der Wohnung seine Mutter sei. Seine Mutter habe diese Wohnung als Kapitalanlage gekauft. Er habe keinen persönlichen Kontakt mehr zu seiner Mutter, das Verhältnis sei absolut zerrüttet. Sie mahne ihm gegenüber auch ständig (immer kurz vor Weihnachten) schriftlich die Miete an und fordere die Räumung der Wohnung. Laut Telefonvermerk wurde der Kläger gebeten, ein solches Schreiben vorzulegen. Im Schreiben vom 13.07.2014 gab der Kläger an, dass er seit 2005 in der Wohnung I-straße 00, N wohne. Eigentümerin dieser Wohnung sei seine Mutter. Diese verlange rechtmäßig Miete in Höhe von 370,- Euro pro Monat. Er habe dies gegenüber dem Beklagten durch einen gültigen Mietvertrag und durch ein Schreiben seitens seiner Mutter nachgewiesen. Seine Mutter sei auf die Zahlung der Miete angewiesen, da sie die Wohnung kreditfinanziert gekauft habe und mit der Miete die Raten bei der C habe abzahlen wollen. Außerdem habe sie durch die Nichtzahlung der Miete massive steuerrechtliche Nachteile, die den Erwerb dieser Wohnung zu einem Geldgrab und einem wirtschaftlichen Totalschaden werden ließen. Er wohne in dieser Wohnung nur noch, weil er geduldet werde. Seiner Mutter sei bekannt, dass er die größten Schwierigkeiten hätte, eine neue Wohnung zu bekommen. Er sei von Obdachlosigkeit bedroht. Seine Mutter bestehe auf die Zahlung der Miete. Falls er jemals Arbeit wieder finden würde, müsste er ihr den Fehlbetrag erstatten. Er setze dem Beklagten eine Frist von 14 Tagen, über die Nachzahlung und Fortzahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung zu entscheiden. Mit Schreiben vom 11.08.2014 forderte der Beklagte den Kläger u.a. auf, seinen Vortrag, dass seine Mutter ihn auf Zahlung dränge, durch Vorlage von Unterlagen, z.B. durch Mahnungen, Nebenkosten- Heizkostenabrechnung, nachzuweisen. Mit Schreiben vom 20.08.2014 teilte der Kläger, vertreten durch die Rechtsanwälte C & L mit, sei es unverständlich, dass ein Nachweis verlangt werde, dass seine Mutter auf Zahlung der Miete dränge. Es bestehe ein Mietverhältnis. Der Kauf der Eigentumswohnung sei erfolgt, um im Alter abgesichert zu sein. Die Mieteinnahmen seien für die Finanzierung des Objekts eingeplant gewesen. Auf Grund der Tatsache, dass bereits längere Zeit die Unterkunftskosten nicht getragen wurden, habe sich in nachvollziehbarer Weise das Verhältnis zwischen ihm und den Eltern merklich abgekühlt. Insofern sei ihm bereits vor geraumer Zeit zu verstehen gegeben worden, dass man letztendlich auch vor einer Räumungsklage nicht zurückschrecken werde. Mit Bescheid vom 25.08.2014 lehnte der Beklagte die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 28.01.2014 ab. Seine Überprüfung habe ergeben, dass der Bewilligungsbescheid nicht zu beanstanden sei. Der Kläger habe in einem Telefonat angegeben, dass er von seiner Mutter fortwährend wegen rückständiger Mietforderungen schriftlich angemahnt werde und mit der jederzeitigen Räumung zu rechnen sei. Aufforderungen diese Schreiben vorzulegen, sei der Kläger nicht nachgekommen. Insoweit sei es anzunehmen, dass es sich bei dem vorgelegten Mietvertrag offenbar um eine nicht ernstgemeinte Zahlungsverpflichtung handele, welche auch nicht beigetrieben werden solle.
6Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch die Rechtsanwälte C & L Widerspruch ein. Die Bevollmächtigten wiederholten das Vorbringen aus dem Schreiben vom 20.08.2014. Durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
7Am 24.11.2014 hat der Kläger, vertreten durch die Rechtsanwälte C & L, Klage wegen "Sicherung des Lebensunterhaltes (Unterkunft)" gegen den Bescheid vom 25.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2014 erhoben. Die Prozessbevollmächtigten haben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Akteneinsicht beantragt. Der Klageschrift ist eine Kopie der angefochtenen Bescheide beigefügt gewesen. In der Klageschrift heißt es "Antrag und Begründung erfolgt mittels eines gesonderten Schriftsatzes". Die Klageschrift ist von Rechtsanwalt L, im Briefkopf als Sachbearbeiter geführt, unterzeichnet.
8Mit Verfügungen vom 26.11.2014, 23.01.2015 und 19.02.2015 hat das Sozialgericht die Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgefordert, die Klage zu begründen. Mit Verfügung vom 22.03.2015 hat das Sozialgericht unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 S. 2 und 2 SGG die Prozessbevollmächtigten aufgefordert, die Klage innerhalb von 3 Monaten zu begründen. Die Verfügung wurde am 24.03.2015 durch Postzustellungsurkunde zugestellt.
9Mit Schriftsatz vom 22.06.2015, eingegangen bei Gericht am 25.06.2015, ist die Klage durch Rechtsanwalt C begründet und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden. Durch Beschluss vom 26.06.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
10Nach einem Hinweis des Sozialgerichts, dass die Klage seit dem 24.06.2015 als zurückgenommen gilt, hat Rechtsanwalt C im Namen des Klägers die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Er hat vorgetragen, dass intern vereinbart worden sei, dass der Kollege, Herr Rechtsanwalt L, das Mandat bearbeiten solle. Der Kollege sei erkrankt und zwischenzeitlich aus der Kanzlei ausgeschieden. Er habe Mandantenakten mit nach Hause genommen, ohne diese zu bearbeiten. Nach mehrmaligen Aufforderungen seien die Akten von der Ehefrau des Kollegen in die Kanzlei verbracht worden. Dort habe er diese durchgearbeitet. Die Akte betreffend das Klageverfahren habe er am Wochenende 20./21. Juni bearbeitet. Er habe diese Akte sodann mit anderen Akten als Eilband der langjährigen Mitarbeiterin Frau L X an den Arbeitsplatz gelegt. Auf dem dazugehörigen Band sei Frau X ausdrücklich angewiesen worden, den Schriftsatz vom 22.06.2015 vorab per Telefax rauszuschicken. Dies sei unterlassen worden. Er habe sich darauf verlassen, dass seine Anweisungen ausgeführt werden. Bei der Mitarbeiterin L X habe er sich in den letzten 14 Jahren immer und zur vollsten Zufriedenheit verlassen können.
11Durch Beschluss vom 25.09.2015 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig. Bei der Frist nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGG handele es sich um eine Ausschlussfrist, in die eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht möglich sei. Der Kläger habe die Frist nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGG versäumt. Die materiell rechtlichen Voraussetzungen der Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGG seien vorliegend erfüllt. Im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung hätten hinreichende Tatsachen vorgelegen, welche die Annahme rechtfertigten, dass das Rechtschutzinteresse des Klägers an der Fortführung der Klage entfallen gewesen sei. Trotz mehrfacher Aufforderung habe der Kläger die Klage weder begründet, noch einen konkreten Klageantrag gestellt. Zwar sei die Nichteinreichung einer Klagebegründung grundsätzlich noch kein hinreichender Anhaltspunkt für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses. Das Gericht habe die Beteiligten aber insoweit heranzuziehen, wie sich aus § 103 S. 1 HS 2 SGG ergebe. Bei fehlendem Mitwirken sei das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben. Der Kläger hätte im Hinblick auf die mehrfache Aufforderung der Begründung auch erkennen können, dass ohne seine Mitwirkung eine sachdienliche Fortführung des Verfahrens nicht möglich gewesen sei. Die Versäumung der Ausschlussfrist sei unbeachtlich, wenn kein Fall von "höherer Gewalt" vorliege. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
12Gegen den ihm am 01.10.2015 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 02.11.2015 Beschwerde eingelegt.
13II.
14Die Beschwerde ist form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt worden und statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
15Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ein Antrag nach § 67 Abs. 1 SGG ist vorliegend aber wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die vom Sozialgericht angenommene Fristversäumnis hat weder die Unzulässigkeit noch die Erledigung der Klage zur Folge (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 12.10.2102 - L 19 AS 1437/12 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2009 - L 14 AS 1005/09 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.04.2011 - L 5 AS 172/10 B).
16Es liegt schon kein Versäumnis einer gesetzlichen Verfahrensfrist vor. Bei der Frist nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGG handelt es sich um eine Ausschlussfrist, in die eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 28.08.2015 - L 16 KR 224/15 B m.w.N. und vom 12.10.2102 - L 19 AS 1437/12 B; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 102 Rn. 12; a. A. Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, § 102 Rn. 27; vgl. auch zu § 92 Abs. 2 S.1 VwGO BVerwG, Beschlüsse und vom 06.07.2007 - 8 B 51.07 - und vom 25.11.2002 - 8 B 112/02 - m.w.N.).
17Die Versäumung von Ausschlussfristen ist aber unbeachtlich, wenn ein Fall "höherer Gewalt" vorliegt (vgl. BVerwG, Beschlüsse und vom 06.07.2007 - 8 B 51.07 - und vom 25.11.2002 - 8 B 112/02 - m.w.N; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 102 Rn. 9b). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2007 - 2 BvR 51/05, NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 10.12.2013 - 8 C 24/12- m.w.N.). Auch die durch ein Versehen des Büropersonals eines Rechtsanwalts herbeigeführte Fristversäumnis kann sich als Folge eines unabwendbaren Zufalls darstellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.07.2007 - 8 B 51/07). Insoweit spricht vieles dagegen, dass es sich bei der versehentlichen Versendung des Schriftsatzes vom 22.06.2015 nicht als Telefax sondern in Form eines einfachen Briefes unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle bei einer Telefaxübermittlung (vgl. hierzu BSG, Beschluss 09.02.2010 - B 11 AL 149/09 B m.w.N.; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 -XII ZB 255/14 m.w.N.) um die Folge eines unabwendbaren Zufalls handelt. Dies kann jedoch offenbleiben wie auch die Frage, ob die Postlaufzeit des Schreibens vom 22.06.2015 - nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten drei Tage - als höherer Gewalt anzusehen ist (höhere Gewalt bei unüblichen Postlaufzeiten bejahend Hessischer VGH, Urteil vom 30.05.2012 - 6 A 1017/11; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2001 - 17 U 93/00; vgl. aber BVerwG, Urteil vom 210.12.2013 - 8 C 24/12, wonach bei einer Postlaufzeit von zwei Tagen kein Fall der höheren Gewalt vorliegt). Denn die Rücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGG greift nicht ein (vgl. zur Entbehrlichkeit einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung in einem solchen Fall Beschluss des Senats vom 12.10.2012 - L 19 AS 1437/12 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2009 - L 14 AS 1005/09 B; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.04.2011 - L 5 AS 172/10 B).
18Gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 SGG gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG führt zur Beendigung des Rechtsschutzverfahrens mit möglicherweise irreversiblen Folgen, insbesondere wenn behördliche Ausgangsentscheidungen dadurch in Bestandskraft erwachsen, ohne dass der Kläger dies durch ausdrückliche Erklärung in bewusster Entscheidung herbeigeführt hätte. Die Handhabung eines solch scharfen prozessualen Instruments muss daher im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, verstanden als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Kläger oder Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren auch durchführen will. § 102 Abs. 2 SGG darf weder als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperativen Verhalten eines Beteiligten gedeutet oder eingesetzt werden noch stellt die Vorschrift ein Hilfsmittel zur Erledigung lästiger Verfahren oder zur vorsorglichen Sanktionierung prozessleitenden Verfügungen dar. Sie soll nur die Voraussetzungen für die Annahme eines weggefallenen Rechtsschutzinteresses festlegen und gesetzlich legitimieren (vgl. BSG, Urteile vom 01.07.2010 - B 13 R 58/09, BSGE 106, 254 und - B 13 R 74/09; zur Parallelvorschrift des § 92 Abs. 2 VwGO BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, NVwZ 2013, 136 m.w.N.; BVerwG ,Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2.01, NVwZ 2001, 918). Zum Zeitpunkt einer Betreibensaufforderung müssen sachlich begründete Anhaltspunkte vorliegen, die den späteren Eintritt der Fiktion als gerechtfertigt erscheinen lassen. Solche Anhaltspunkte sind insbesondere dann gegeben, wenn der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten nach § 103 SGG verletzt hat (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, NVwZ 2013, 136 m.w.N), wobei nur das Unterlassen solcher prozessualen Mitwirkungshandlungen erheblich ist, die für die Feststellung von entscheidungserheblichen Tatsachen bedeutsam sind (BSG, Urteile vom 01.07.2010 - B 13 R 58/09, BSGE 106, 254 und - B 13 R 74/09; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 167.04.2013 - L 5 KR 605/12, wonach prozessuale Folgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten dem Verhältnisgrundsatz unterliegen und der Grundsatz "Fristsetzung nach § 106a SGG vor Betreibensaufforderung" gilt sowie Hauck in Henning, SGG, § 102 Rn. 31, wonach die Nichterfüllung von vom Gericht nach § 106a Abs. 2 SGG verfügten konkreten Auflagen solche Anhaltspunkte darstellen können).
19Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt nicht der Beibringungs-, sondern der Amtsermittlungsgrundsatz. Gemäß § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) der Beteiligten, auch des Klägers, ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht und durch diese auch begrenzt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 167.04.2013 - L 5 KR 605/12). Allein aus der Nichtvorlage einer Klagebegründung kann in der Regel nicht auf das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses geschlossen werden, denn ein Kläger ist nach § 92 Abs. 1 S. 3 SGG nicht zur Vorlage einer Klagebegründung verpflichtet, sondern er soll die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel nur angeben (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2013 - L 5 KR 605/12; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.08.2011 - L 9 AS 61/10; Wehrhahn, a.a.O. Rn. 9; Müller, a.a.O., § 102 Rn. 22; vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, NVwZ 2001, 918, wonach in vermögensrechtlichen Streitigkeiten eine fehlende Klagebegründung nur ausnahmsweise auf ein weggefallenes Rechtsschutzinteresse schließen lässt; OVG Sachsen, Urteil vom 08.06.2015 - I A 73/15). § 102 Abs. 2 SGG bezweckt nicht, einen Kläger zur einer Substantiierung seines Klagebegehrens anzuhalten, sondern dient der Klärung der aufgekommenen Zweifel am Fortbestehen des Rechtschutzinteresses (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, NVwZ 2013, juris = Rn. 35).
20Soweit unter dem Gesichtspunkt, dass bei fehlender Mitwirkung ein Gericht nicht verpflichtet ist, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben, bei einer fehlenden Klagebegründung - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt - die Anwendbarkeit der Vorschriften übe die Rücknahmefiktion angenommen wird, sind diese Fälle dadurch gekennzeichnet, dass ein Kläger weder im außergerichtlichen noch im gerichtlichen Verfahren sein Begehren begründet hat und dem Gericht auch von Amts wegen keine Ansatzpunkte für eine sachgerechte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes aufdrängen (vgl. BSG, Urteile vom 01.07.2010 - B 13 R 58/09, BSGE 106, 254 und - B 13 R 74/09; VG Schwerin, Urteil vom 04.05.2015 - 4 A 1269/13 m.w.N.). Vorliegend genügt die Klageschrift den Formerfordernissen des § 92 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGG und ist mit der Vorlage des angefochtenen Bescheides der Streitstoff - Ablehnung des Überprüfungsantrags betreffend die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung für eine Wohnung, deren Eigentümerin die Mutter des Klägers ist - hinreichend bezeichnet. Aus dem Vorbringen des Klägers im außergerichtlichen Verfahren wird auch hinreichend deutlich, mit welchen Argumenten der Kläger sich gegen die Annahme des Beklagten, dass es sich bei dem Mietvertrag zwischen seiner Mutter und ihm um ein Scheingeschäft i.S.v. § 117 BGB handelt, wendet. Bei den sich unter Würdigung dieses Vortrages ergebenden Ansätzen zur Erforschung des Sachverhalts, wie z. B. Beiziehung des Mietvertrages, Aufforderung des Klägers zur Angabe der einer ladungsfähigen Adresse der Mutter bzw. der schon im Verwaltungsverfahren vom Beklagten angeforderten Unterlagen, handelt sich um keine Ermittlungen ins Blaue. Dass der Kläger im Verwaltungsverfahren die Vorlage von angeforderten Unterlagen zum Beleg seines Tatsachenvortrages unterlassen hat, kann zwar im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 193 SGG gewürdigt werden, lässt aber allein den Rückschluss auf ein fehlendes Rechtschutzinteresse zu.
21Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass das erstinstanzliche Klageverfahren prozessual noch nicht beendet ist. Bereits der Antrag auf Wiedereinsetzung ist als konkludenter Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu werten (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 28.08.2015 - L 16 KR 224/15 B m.w.N. und vom 12.10.2102 - L 19 AS 1437/12 B -, LSG Berlin-Brandenburg, ; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2009 - L 14 AS 1005/09 B). Besteht Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme, ist das Verfahren fortzuführen und vorrangig zu klären, ob Erledigung eingetreten ist (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 9b, 12; zur Qualifizierung des weiteren Verfahrens vor dem Sozialgericht vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 12.07.2011 - L 11 AS 582/10).
22Eine Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses ist nicht geboten, da das Sozialgericht zutreffend die Wiedereinsetzung abgelehnt hat (LSG NRW, Beschlüsse vom 12.10.2102 - L 19 AS 1437/12 B - und vom 28.08.2015 - L 16 KR 224/15 B m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.04.2011 - L 5 AS 172/10 B). Soweit in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird, die Klage sei durch (fiktive) Klagerücknahme erledigt, macht dies eine Aufhebung des Beschlusses nicht erforderlich.
23Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Bei dem Beschwerdeverfahren handelt es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren, über dessen Kosten im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 193 SGG im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist.
24Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.
(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.
(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen
- 1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, - 2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn - a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, - b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder - c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
- 3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193, - 4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.
(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 10.04.2015 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015, mit dem ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hinsichtlich der Dreimonatsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG) abgelehnt worden ist. Nachdem die Klägerin, rechtsanwaltlich vertreten, ihre am 10.02.2014 beim Sozialgericht Düsseldorf anhängig gemachte Klage trotz mehrfacher Aufforderung (zunächst unter Verweis auf eine Erkrankung des Bevollmächtigten) nicht begründet hatte, forderte das Sozialgericht die Klägerin bzw. deren bevollmächtigten Rechtsanwalt unter dem 29.10.2014 auf, das Verfahren durch Übersendung einer Klagebegründung zu betreiben. Die Klage gelte gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen, wenn das Verfahren trotz dieser Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate ab Zustellung dieser Verfügung nicht betrieben werde.
4Eine Zustellung an die Kanzleianschrift des Prozessbevollmächtigten scheiterte. Die Postzustellungsurkunde enthielt den Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen". Ausweislich eines Telefonvermerks vom 11.11.2014 teilte eine Mitarbeiterin der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten dem Sozialgericht mit, der Prozessbevollmächtigte sei nach C verzogen. Die Zustellung der Betreibensaufforderung erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 15.11.2014 unter der in diesem Telefonat mitgeteilten Adresse durch Niederlegung "in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung". Nachdem die Klägerin sich am 19.02.2015 persönlich beim Sozialgericht gemeldet hatte, wurde ihr mitgeteilt, die Klage gelte gemäß § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen. Eine Fortsetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht. Die maßgebliche Dreimonatsfrist sei am 15.02.2015 abgelaufen.
5Die Klägerin hat sodann beantragt,
6ihr für die Versäumung der Einreichung der Klagebegründung Wiedereinsetzung den vorigen Stand zu gewähren.
7Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe von der gerichtlichen Verfügung, der Betreibensaufforderung, vom 29.10.2014 keine Kenntnis erlangt. Sie hat zudem eine eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt, wonach dieser an seine bisherige Büroanschrift in E ein Schreiben vom 29.10.2014 nicht erhalten habe und demzufolge keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass vom Sozialgericht eine Frist zur Klagebegründung gesetzt worden sei.
8Mit Beschluss vom 17.03.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Die Klagebegründung sei erst am 19.02.2015 nach Ablauf der Dreimonatsfrist am 15.02.2015, in Gang gesetzt durch Zustellung der Betreibensaufforderung an die dem Gericht bekannt gewordene Berliner Anschrift am 15.11.2014, und damit verspätet eingegangen. Das Gericht könne nicht feststellen, dass die Dreimonatsfrist ohne Verschulden versäumt wurde. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei der Klägerin zuzurechnen. Der Bevollmächtigte habe das Gericht weder über eine Mandatsniederlegung, über die Benennung eines Vertreters noch über die Änderung seiner Adresse unterrichtet. Die gerichtliche Fortsetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht.
9Mit ihrer Beschwerde vom 10.04.2015 gegen den ihr am 20.03.2015 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts hält die Klägerin an ihrem Begehren fest. Ihr ehemaliger Prozessbevollmächtigter habe das gerichtliche Schreiben vom 29.10.2014 weder an seiner Büroanschrift inE noch an seiner Wohnanschrift in C erhalten. Sie hat eine weitere eidesstattliche Versicherung des seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten vom 09.04.2015 vorgelegt, mit der dieser ausführt, er habe das Schreiben vom 29.10.2014 nicht erhalten. Zudem weist er darauf hin, dass er im letzten Jahr an einem Burnout-Syndrom erkrankt gewesen sei, so dass eine Vertretung nicht mehr möglich gewesen sei.
10II. Die statthafte (§ 172 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
11Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
12Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Hier liegt jedoch schon kein Versäumnis einer gesetzlichen Verfahrensfrist vor.
13Bei der Frist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG handelt es sich vielmehr um eine Ausschlussfrist, in die eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 12.10.2012 - L 19 AS 1437/12 B, juris, Rn. 17; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 102 Rn. 12; vgl. auch zu § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO BVerwG, Beschluss vom 25.11.2002 - 8 B 112/02, juris, Rn. 2 m.w.N.).
14Zwar soll auch die Versäumung von Ausschlussfristen ausnahmsweise unbeachtlich sein können, wenn ein Fall "höherer Gewalt" vorliegt (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 12.10.2012 - L 19 AS 1437/12 B, juris, Rn. 18 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 25.11.2002 a.a.O.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 102 Rn. 9b). Jedenfalls sind hier keine Umstände ersichtlich, die einem solchen Fall "höherer Gewalt" gleichkommen.
15Einer Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses bedarf es nicht. Das Sozialgericht hat die Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Soweit lediglich in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird, die Klage sei durch (fiktive) Klagerücknahme erledigt, macht auch dies eine Aufhebung des Beschlusses nicht erforderlich (a.A. LSG Berlin-Brandenburg a.a.O. Rn. 18).
16Der Senat kann nach alledem dahinstehen lassen, ob hier die Voraussetzungen für eine Rücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorliegt (vgl. zu den grundsätzlichen Anforderungen vor allem in formeller Hinsicht BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 13 R 58/09 R = BSGE 106, 254-264, Rn. 49 ff.; vgl. eingehend auch Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 102 Rn. 21 ff.).
17Bereits der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nämlich als konkludenter Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu werten (vgl. LSG NRW a.a.O. Rn. 27; LSG Berlin-Brandenburg a.a.O. Rn 17). Besteht Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme, ist das Verfahren fortzuführen und vorrangig zu klären, ob Erledigung eingetreten ist (vgl. nur LSG NRW a.a.O. Rn. 25 m.w.N.). Diese Prüfung obliegt dem Sozialgericht.
18Diese Prüfungspflicht erstreckt sich zum einen auf die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung der Betreibensaufforderung. Angesichts der Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Beschwerdebegründung dürfte insoweit jedoch feststehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, an dessen vormalige Geschäftsadresse eine Zustellung der Betreibensaufforderung gescheitert war, unter der C Anschrift, unter der die Zustellung am 15.11.2014 erfolgte, jedenfalls seinen Wohnsitz (vgl. § 178 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung) hatte.
19Zum anderen erstreckt sich die Prüfungspflicht auf die Frage des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses für die Klage. Die Klagerücknahmefiktion ist - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, juris, Rn. 28) - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anzuwenden, in denen Anlass zu der Annahme besteht, das Rechtsschutzinteresse des Klägers/der Klägerin sei entfallen (vgl. etwa Müller a.a.O. Rn. 21). Dabei wird es zum Teil u.a. unter Verweis auf die Regelungssystematik des § 92 SGG als problematisch angesehen, von der Nichtvorlage einer Klagebegründung auf das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses zu schließen (Müller a.a.O. Rn. 22). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass mangels einer Begründungspflicht für das Klagebegehren eine Betreibensaufforderung nicht - wie hier - schlicht auf eine fehlende Begründung der Klage gerichtet werden kann, sondern vielmehr konkrete Mitwirkungshandlungen zu bezeichnen sind, die zur Klärung des Sachverhalts und zur Ermöglichung einer Sachentscheidung unerlässlich sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2011 - L 13 SB 126/11 B PKH, juris, Rn. 9; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, Rn. 6, juris: " die Verwaltungsgerichtsordnung eine Klagebegründung nicht zwingend vorschreibt und die Kläger daher der Aufforderung zur Klagebegründung ohne weiteres allein durch den Hinweis auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren hätten Genüge tun können, fehlt es an jedem Anhaltspunkt für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses).
20Für eine entsprechend restriktive Handhabung könnte auch der Zweck der Regelung des § 102 Abs. 2 SGG sprechen. Dieser besteht - entsprechend dem Zweck des § 92 Abs. 2 VwGO - nicht darin, den Kläger zu einer Substantiierung seines Klagebegehrens anzuhalten, sondern in der Klärung der aufgekommenen Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses (vgl. zu § 92 Abs. 2 VwGO BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, juris, Rn. 35 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.05.1993 - 2 BvR 1972/92 = NVwZ 1994, S. 62 (63)).
21Soweit ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses naheliegen soll, wenn eine Klagebegründung angekündigt, dann aber nicht vorgelegt wird (so auch Müller a.a.O. Rn. 22; vgl. auch VG Schwerin, Urteil vom 04.05.2015 - 4 A 1269/13, juris), weist der Senat darauf hin, dass hier der Gegenstand des Klagebegehrens den Ausführungen des Klageschriftsatzes nebst Anlagen ohne Weiteres zu entnehmen war (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, Rn. 6, juris). Bereits im Widerspruchsverfahren waren (wenn auch knappe) rechtliche Ausführungen erfolgt (siehe zu diesem Aspekt auch VG Schwerin a.a.O.). Mit der Klageschrift war lediglich "weiterer Sachvortrag" nach erfolgter Akteneinsicht angekündigt worden. Dem Sozialgericht wäre die Bezeichnung konkreter Mitwirkungshandlungen - so für erforderlich gehalten - durchaus möglich gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt im Bereich vermögensrechtlicher Streitigkeiten eine fehlende Klagebegründung nur ausnahmsweise auf ein weggefallenes Rechtsschutzinteresse schließen (BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, Rn. 6, juris).
22Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. LSG NRW a.a.O. Rn. 26 m.w.N).
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Tatbestand
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Die Klägerin, ein in W. ansässiges Unternehmen zur Gewinnung von Kalk- und Gipsstein sowie Anhydrit und Dolomit, begehrt für das Jahr 2009 eine Begrenzung des Anteils der abzunehmenden Strommenge aus erneuerbaren Energien nach der besonderen Ausgleichsregelung des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz) i.d.F. des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918 - EEG 2004), mit Wirkung vom 1. Dezember 2006 geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - im Folgenden EEG 2004 -. Bei dem Betrieb der Klägerin handelt es sich um ein so genanntes stromintensives Unternehmen. Der Betrieb wird aufgrund eines Liefervertrages vom 18. Dezember 2000 durch die Beigeladene zu 1, die W. Stadtwerke AG (im Folgenden: WSW) mit Strom versorgt. Nach dem EEG ist die Klägerin zur Abnahme und Vergütung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms verpflichtet. Die damit verbundene Erhöhung der Stromendverbrauchspreise wird über einen bundesweiten Ausgleich der EEG-Strommengen unter den Übertragungsnetzbetreibern proportional zum Stromverbrauch im jeweiligen Bereich auf die Energieversorgungsunternehmen umgelegt und kann von diesen an die Letztverbraucher weitergegeben werden. Zur Entlastung so genannter stromintensiver Unternehmen des produzierenden Gewerbes sieht eine besondere Ausgleichsregelung im EEG einen Anspruch solcher Unternehmen auf Begrenzung des von ihnen abzunehmenden und zu vergütenden Strommengenanteils aus erneuerbaren Energien vor. Das Gesetz begründet einen Begrenzungsanspruch für das jeweils folgende Kalenderjahr, wenn das betreffende Unternehmen bis zum 30. Juni des laufenden Jahres einen Stromverbrauch von über 10 Gigawattstunden (GWh) jährlich und ein Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung von über 15 % anhand bestimmter Wirtschaftsdaten und Unterlagen für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr nachweist.
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Am 23. Juni 2008 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: Bundesamt), die durch die WSW nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 weitergeleitete Strommenge nach § 16 Abs. 1 EEG 2004 für den Begrenzungszeitraum 2009 zu begrenzen.
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Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 wies das Bundesamt die Klägerin darauf hin, dass ihr Antrag am 25. Juni 2008 eingegangen sei und bis zum 30. Juni 2008 (Ausschlussfrist) die vollständigen Unterlagen beim Bundesamt vorliegen müssten. Eine Fristverlängerung sei aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in keinem Falle möglich.
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Mit Kurzmitteilung vom 27. Juni 2008 reichte die Beigeladene zu 2 die gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 erforderliche Bescheinigung bezüglich der anteilig an das Unternehmen weitergereichten und von diesem selbst verbrauchten Strommenge und der hierfür von dem Unternehmen entrichteten Differenzkosten beim Bundesamt ein. Die Kurzmitteilung trägt den Eingangsstempel des Bundesamtes vom 1. Juli 2008, ebenso die beigefügte Bescheinigung der Beigeladenen zu 2 vom 27. Juni 2008.
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Nach Anhörung der Klägerin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 22. September 2008 den Antrag der Klägerin auf Strommengenbegrenzung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein solcher Antrag sei nach § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 bis zum 30. Juni 2008 zu stellen, und zwar einschließlich der vollständigen Antragsunterlagen, die für Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Absatz 2 der vorgenannten Vorschrift im Einzelnen aufgeführt seien. Danach sei zum Nachweis, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Begrenzung erfüllt seien, unter anderem die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers über die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens, gegliedert nach den einzelnen Formelbestandteilen, und den entsprechenden Angaben für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr vorzulegen. Eine solche Bescheinigung sei beim Bundesamt erst am 1. Juli 2008 eingegangen, so dass die Antragsfrist nicht gewahrt sei. Die Antragstellerin müsse sich das Versäumnis des Energieversorgungsunternehmens oder einer von diesem beauftragten Person zurechnen lassen.
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Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und begehrt, den Bescheid des Bundesamtes vom 22. September 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, über den Antrag vom 23. Juni 2008 auf Strommengenbegrenzung für das Jahr 2009 unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Form der Nachsichtgewährung zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Begrenzung der Strommenge, weil ihr Antrag verspätet gestellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil es sich bei der Frist des § 16 Abs. 6 EEG 2004 um eine materielle Ausschlussfrist handele. Eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung komme nur bei einem unabwendbaren Zufall in Betracht, der vorliegend nicht gegeben sei. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, die verspätete Zusendung abzuwenden. Im gewöhnlichen Postverkehr könnten die Beteiligten heutzutage nicht davon ausgehen, dass eine am Freitag zur Post gegebene Sendung definitiv am nächsten Werktag oder unmittelbar nach dem Wochenende beim Empfänger eingehe. Es sei durchaus noch als im Rahmen des Üblichen zu bewerten, wenn eine solche Postsendung erst am folgenden Dienstag eintreffe.
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Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Die allein auf die Nichteinhaltung der Frist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 gestützte Ablehnung des Ausgleichsantrags der Klägerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regele allerdings eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, so dass mit ihrem Verstreichen der Verlust der mit dem Antrag verfolgten materiellen Rechtsposition eintrete. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Die Frist sei im Gesetz ausdrücklich als Ausschlussfrist bestimmt und es lägen hinreichend gewichtige Gründe vor, die es rechtfertigten, das antragstellende Unternehmen bei Versäumung dieser Frist vom Begrenzungsanspruch auszuschließen. Die Ausschlussfrist diene dem Zweck, dem Bundesamt zu ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten, damit sie dann in den weiteren Ausgleich einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden könnten. Zu diesem Zeitpunkt sollten alle Anträge auf derselben Datenbasis entschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregelung sicherzustellen. Den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen solle Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden. Unternehmen, die die besondere Ausgleichsregel in Anspruch nähmen, würden gegenüber den sonstigen nichtprivilegierten Stromkunden bevorzugt. Dies rechtfertige es, diese Unternehmen in besonderem Maße mit dem Risiko eines Rechtsverlusts bei jeglicher Art der Fristversäumung zu belasten. Im vorliegenden Falle beruhe die Fristversäumung jedoch auf einer außergewöhnlichen Verzögerung der postalischen Beförderung der erforderlichen Bescheinigung und damit auf höherer Gewalt. In derartigen Fällen müsse das Bundesamt den Antrag so behandeln, als wäre er innerhalb der Frist gestellt worden. Dass die Postsendung erst am Dienstag, dem 1. Juli 2008, beim Bundesamt eingehen würde, sei für die Klägerin und die Beigeladene selbst bei Anlegung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Der Absender könne darauf vertrauen, dass ein von ihm ordnungsgemäß adressierter und frankierter, bei der Deutschen Post AG oder einem anderen Postuniversaldienstleistungsunternehmen als einfache Sendung aufgegebener Brief zumindest an dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugehe. Von dem Absender könne nicht verlangt werden, dass er den normalen Weg der Briefbeförderung verlasse und die Möglichkeiten einer Eil- oder Expresszustellung wähle oder die Sendung selbst zum Empfänger bringe.
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, dass § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 keine Ausnahme für den Fall höherer Gewalt vorsehe. Die Ausschlussfrist zum 30. Juni eines Antragsjahres sei sachgerecht, weil die Beklagte alle Anträge bis zum 31. Dezember des Antragsjahres bewilligen müsse. Eine Nachsichtgewährung scheide nach Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aus. Das diene der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prinzipien verböten es grundsätzlich, im Falle der Versäumung der Ausschlussfrist Ausnahmen zuzulassen. Auch die Voraussetzungen der höheren Gewalt seien nicht gegeben. Die Klägerin hätte noch am 30. Juni 2008 dafür sorgen können, dass der Beklagten eine Ausfertigung der Bescheinigung per Boten übermittelt werde.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2010 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse so behandelt werden, als habe sie ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Kalenderjahr 2009 fristgerecht gestellt, beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regelt eine materielle Ausschlussfrist (1.). Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen (2.). Eine Nachsichtgewährung wegen des Eingreifens höherer Gewalt kommt vorliegend nicht in Betracht (3.).
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist die Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist am 30. Juni 2008 bestand, und nicht die während des Begrenzungszeitraums 2009 bestehende Rechtslage. Abzustellen ist damit auf § 16 Abs. 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918) i.d.F. des Ersten Änderungsgesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - EEG 2004 - und nicht auf § 43 EEG i.d.F. des Neuregelungsgesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074) - EEG 2009 -. Das folgt aus dem materiellen Recht; denn die Entscheidung bezüglich einer Strommengenbegrenzung hat spätestens zum Jahresende des Jahres der Antragstellung zu erfolgen und ist für alle Antragsteller auf der Grundlage der zum Stichtag vorzulegenden Nachweise zu treffen; sie wird zum 1. Januar des Folgejahres mit einer Geltungsdauer von einem Jahr wirksam (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 3 EEG 2004). Entscheidend ist damit der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht derjenige des Ablaufs der Begrenzungsperiode.
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1. Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Frist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, die nach dem Gesetzeswortlaut für den Antrag und sämtliche Antragsunterlagen nach § 16 Abs. 2 EEG 2004 gilt, die bei dem Bundesamt einzureichen sind, also auch für die Angaben des Energieversorgungsunternehmens und des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004. Eine Eingrenzung der Fristbestimmung auf diejenigen Unterlagen, die nur von Antragstellerseite vorzulegen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht vorgenommen.
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Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist der Antrag auf Begrenzung der Strommenge aus erneuerbaren Energien (§ 16 Abs. 1 EEG 2004) einschließlich der vollständigen Unterlagen nach Absatz 2 jeweils zum 30. Juni des laufenden Jahres zu stellen. Die Begrenzung darf bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur erfolgen, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 anteilig an das Unternehmen weitergereicht und von diesem selbst verbraucht worden ist und das Unternehmen hierfür Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 entrichtet hat (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind auf Antrag des Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt unverzüglich die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Der Nachweis der Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 3 sowie der Differenzkosten erfolgt durch Vorlage der Bescheinigung (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 EEG 2004).
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a) Bei der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 geregelten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Daraus folgt, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nach ihrem Ablauf nicht mehr wirksam gestellt oder vervollständigt werden kann, weil ein eventueller Anspruch erloschen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Regelung. Der Klammerzusatz "Ausschlussfrist" in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 verdeutlicht diese materielle Präklusion. Von der Einhaltung der Frist gibt es keine Ausnahmen. Die Behörde soll weder die Frist verlängern noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 52 und 16/8148 S. 67). Die Ausschlussfrist soll es dem Bundesamt ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten und vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn zu versenden, damit sie dann in den weiteren Ausgleich gemäß § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004 einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden können. Damit soll den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67 zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 43 Abs. 1 EEG 2009). Alle Anträge sollen zum selben Zeitpunkt auf derselben Datenbasis beschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregel sicherzustellen.
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Sinn und Zweck der Vorschrift sind auch nicht mit der Aufhebung der so genannten Deckelungsregelung in § 16 Abs. 5 EEG 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 zum 1. Dezember 2006 entfallen. Auch wenn die EEG-Kosten im nichtprivilegierten Bereich seither um mehr als 10 % steigen durften (vgl. BTDrucks 16/7119 S. 99), muss gemäß § 16 Abs. 1 EEG 2004 weiter sichergestellt sein, dass die Begrenzung die Ziele des EEG nicht gefährdet und mit den Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher vereinbar ist (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009). Erforderlich ist damit nach wie vor eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der Gesamtheit aller Begrenzungsentscheidungen auf der Grundlage einer einheitlichen Datenbasis. Das ist nur mit einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist erreichbar, in die keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung möglich ist.
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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst die Ausschlussfrist auch die von dem Energieversorgungsunternehmen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegenden Nachweise für die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig an das Unternehmen weitergereichte und von diesem selbstverbrauchte Strommenge und die hierfür entrichteten Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004, die durch die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu erbringen sind. Zur Erfüllung der Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ist das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, unverzüglich dem Bundesamt die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegen. Der Gesetzgeber differenziert damit zwischen der fristgebundenen Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens einerseits und der Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zur unverzüglichen Vorlage andererseits. Diese Letztere besteht nur dem antragstellenden Unternehmen, nicht jedoch dem Bundesamt gegenüber (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 51). Gehen die Nachweise aber verspätet ein, ist dies dem Antragsteller zuzurechnen.
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Dass die Ausschlussfrist sämtliche Antragsunterlagen erfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nachweisführung bestätigt. Die Vorgängerregelung in § 11a Abs. 2 Satz 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1459) verpflichtete die Energieversorgungsunternehmen, den erforderlichen Nachweis gegenüber dem antragstellenden Unternehmen zu erbringen. Diese Verpflichtung wurde mit der Neuregelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 durch die Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens ersetzt, die erforderliche Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers unmittelbar an das Bundesamt weiterzuleiten. Damit sollte die Nachweispflicht nicht auf die Elektrizitätsunternehmen verlagert, sondern nur verhindert werden, dass das antragstellende Unternehmen anhand der Bescheinigung Einblick in die Kalkulationsunterlagen des Energieversorgungsunternehmens erhält und dieses Geschäftsgeheimnisse preisgeben muss (vgl. Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, Aufl. 2006, § 16 Rn. 123; Posser/Altenschmidt, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), EEG, Aufl. 2010, § 43 Rn. 5).
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2. Die Ausgestaltung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 als materielle Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Norm verstößt nicht gegen die Berufs- und die Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), auf die sich die Klägerin als juristische Person des Privatrechts im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.
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a) Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Sie schützen weder gegen rechtliche Regeln, die diese Bedingungen herstellen, ausgestalten und sichern, noch gegen Beeinflussung wettbewerbsrelevanter Faktoren. Zwar kann ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegen, wenn eine Regelung die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu Lasten bestimmter am Wettbewerb teilnehmender Adressaten verändert und dadurch deren berufliche Betätigung erheblich beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <265>; Urteile vom 17. Dezember 2001 - 1 BvL 28, 29, 30/95 - BVerfGE 106, 275 <298 f., 303 f.> und vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00 - BVerfGE 110, 274 <288>; BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <193> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11). Das trifft auf § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 aber nicht zu. Die materielle Ausschlussfrist definiert Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, indem sie die Privilegierung stromintensiv produzierender Unternehmen gegenüber den sonstigen Endverbrauchern an verfahrensrechtliche Voraussetzungen knüpft. Innerhalb der Gruppe der Privilegierten gewährleistet sie die Wettbewerbsneutralität der Begrenzungsentscheidungen.
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b) Die Regelung der Ausschlussfrist ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benachteiligung von Antragstellern, die die Frist versäumt haben, gegenüber Antragstellern, deren Anträge und Nachweise fristgerecht vollständig vorgelegt wurden, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig.
- 24
-
Die mit der materiellrechtlichen Ausschlussfrist einhergehende Benachteiligung von stromintensiven Unternehmen, die nicht innerhalb der Frist die erforderlichen Unterlagen einreichen, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, denen außerhalb des Regelungsbereichs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, ist wegen besonderer Gründe sachlich gerechtfertigt. Wie bereits (unter 1.a) dargelegt, soll die Ausschlussfrist gewährleisten, dass alle Anträge vor Jahresende auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet werden. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen bezüglich der Entlastung durch die besondere Ausgleichsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67) und für die Übertragungsnetzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen Rechtssicherheit hergestellt. Zeitliche Verschiebungen, die infolge einer Prüfung von Wiedereinsetzungsanträgen aufträten, und spätere Begrenzungsentscheidungen hätten auch eine Beeinträchtigung des horizontalen Belastungsausgleichs der Übertragungsnetzbetreiber untereinander zur Folge (vgl. § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004).
- 25
-
Die materiellrechtliche Ausschlussfrist ist geeignet und erforderlich, um die mit der Begrenzungsentscheidung verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die nur überschritten ist, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03 - BVerfGE 111, 126 <255>; Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - juris Rn. 18, 21 m.w.N.). Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen (BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 - BVerfGE 122, 151 <182>). Ein ebenso wirksames, weniger eingreifendes Mittel, die verfolgten Ziele zu erreichen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, eine zeitgerechte Bescheidung aller Anträge auf einheitlicher Datengrundlage und eine rechtzeitige Beurteilung der Folgen der Begrenzungen sei auch mit einer wiedereinsetzungsfähigen Verwaltungsfrist zu gewährleisten. Ließe man in den Fällen einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu, würde dies zu zeitlichen Verzögerungen führen, die infolge der Prüfung der Wiedereinsetzungsanträge unausweichlich wären, und eine einheitliche Entscheidung zum Jahresende auf einer insgesamt gewonnenen Datenbasis wäre nicht möglich.
- 26
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Die Ausschlussfrist in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist den privilegierten Unternehmen schließlich auch zumutbar. Zwar geht die materielle Rechtsposition infolge der versäumten Frist verloren, selbst wenn den Antragsteller kein Verschulden trifft. Da den Antragstellern ausreichend Zeit zur Verfügung steht - auch zur Beauftragung der vorlagepflichtigen Energieversorgungsunternehmen - ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Erfordernis abschließender Entscheidung im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit und Rechtssicherheit größeres Gewicht beigemessen hat.
- 27
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3. Der Klägerin ist keine Nachsicht in Form von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der verspätete Zugang der Bescheinigung der Beigeladenen vom 19./27. Juni 2008 beim Bundesamt am 1. Juli 2008 beruhe auf höherer Gewalt und könne der Klägerin nicht angelastet werden, teilt der Senat nicht.
- 28
-
a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur in Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen (BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2). Für den Bereich des Vermögensrechts bei Versäumung der materiellen Ausschlussfristen des § 30a Abs. 1 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ausnahme angenommen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (Urteil vom 28. März 1996 a.a.O.). Ein behördliches Fehlverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Beklagte hat in dem der Klägerin bekannten Merkblatt auf die Ausschlussfrist und die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Dieser Hinweis bezog sich auf sämtliche Unterlagen, also auch auf solche, die dem Antrag noch nicht beigefügt oder noch von dritter Seite beizubringen waren. Die Behörde macht zudem in ihrem Internetauftritt und in den Antragsformularen auf die Ausschlussfrist aufmerksam. Hinzu kommt, dass der Klägerin die Besonderheiten des Antragsverfahrens und die beizubringenden Unterlagen aus früheren Verfahren bekannt sein mussten.
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b) Die Klägerin kann einen Anspruch auf Nachsichtgewährung auch nicht aus der Rechtsprechung zur Fristversäumnis aufgrund "höherer Gewalt" herleiten (zu dieser vgl. Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 27.03 - BVerwGE 121, 10 <13> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 196; Beschluss vom 24. April 2013 - BVerwG 8 B 81.12 - juris Rn. 12; § 60 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VwGO, § 32 Abs. 3 VwVfG). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. Urteile vom 11. Juni 1961 - BVerwG 6 C 56.65 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54, vom 24. Februar 1966 - BVerwG 2 C 45.64 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1, vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 100 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106 und vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6). Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2). Diese Anforderungen sind hier nicht schon wegen der Verzögerung der üblichen Postlaufzeit um zwei Werktage erfüllt.
- 30
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Die Versendung der Nachweise mit einfachem, am 27. Juni 2008 zur Post gegebenen Brief wahrte nicht diejenige Sorgfalt, die wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Begrenzungsentscheidung für die Klägerin und des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs der Ausschlussfrist als äußerste Sorgfalt vernünftigerweise zu erwarten war. Bei der Konkretisierung der größten vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt ist die Bedeutung der Fristwahrung für den Antragsteller in Rechnung zu stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je weiter eine Frist ausgenutzt wird (BGH, Urteil vom 18. März 1953 - II ZR 182/52 - BGHZ 9, 118 <120 ff.> = juris Rn. 11). Hier hatte die rechtzeitige Zustellung der Unterlagen für die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versäumen der Ausschlussfrist verlor sie einen etwaigen Anspruch auf Strommengenbegrenzung in sechsstelliger Höhe und erlitt schwerwiegende Wettbewerbsnachteile. Schon deshalb war von ihr bei größter Sorgfalt zu erwarten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fristgerechten Zugang der Nachweise sicherzustellen. Gleiches gilt für das Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Wirtschaftsprüfergesellschaft, die jeweils zur Erfüllung der Nachweispflicht der Klägerin handelten und deren Verhalten ihr insoweit zuzurechnen war (vgl. Salje, EEG, 4. Aufl. 2007, § 16 Rn. 137). Wegen der Bedeutung der Fristwahrung und wegen des gesetzlichen Ausschlusses einer Wiedereinsetzung waren bei Anwendung größter Sorgfalt Vorkehrungen dagegen zu erwarten, dass Hindernisse, mit denen nach Lage der Dinge zu rechnen war, die Fristwahrung vereitelten. Als Hindernisse waren auch mögliche Postlaufverzögerungen unmittelbar vor Fristablauf in Betracht zu ziehen, da zum Fristende - wie die Feststellungen der Vorinstanz zur unübersehbaren Menge der Eingänge bestätigen - mit einem Vielfachen des üblichen Postaufkommens bei der Beklagten zu rechnen war. Verzögerungen gegenüber der sonst üblichen Postlaufzeit um ein bis zwei Werktage waren unter diesen Umständen auch bei ordnungsgemäß adressierten und frankierten Sendungen nicht auszuschließen. Der Absender der Nachweise durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass diese der Beklagten bei Versendung als einfacher Brief am Freitag, dem 27. Juni 2008, innerhalb der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Werktagen bis spätestens Montag, den 30. Juni 2008 zugehen würden.
- 31
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Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr. 3 der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I S. 2418) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1976), auf die sich die Klägerin beruft. § 2 Nr. 3 Satz 2 PUDLV verpflichtet die Universaldienstleister im Bereich der Briefbeförderung, von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auszuliefern. Ein Restbestand von 5 % ist ausgenommen für - vom Dienstleister - nicht vorhersehbare und vermeidbare Verzögerungen des Postlaufs. Bei diesen Zielvorgaben handelt es sich schon wegen der Restquote von 5 % weder um eine Garantie, noch wird gegenüber dem Kunden ein Vertrauenstatbestand geschaffen.
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Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Postlaufverzögerungen betrifft keine materielle Ausschlussfrist und ist deshalb nicht einschlägig. Ob bei dem Verlust der Nachweise auf dem Postweg ein Fall höherer Gewalt vorläge (vgl. Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17), ist hier nicht zu entscheiden, da die Unterlagen der Beklagten zugegangen sind.
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Wären die nach den Umständen zu erwartenden Vorkehrungen gegen eine geringfügige Verzögerung der üblichen Postlaufzeit für einfache Schreiben getroffen worden, wäre die Fristversäumnis vermeidbar gewesen. So hätten die Nachweise ohne Weiteres per Expresssendung oder noch am 30. Juni 2008, als die Beklagte den rechtzeitigen Eingang nicht bestätigen konnte, vor Fristablauf per Boten übermittelt werden können. Bei keiner der beiden Alternativen standen die erforderlichen Aufwendungen außer Verhältnis zur Abwendung des drohenden Anspruchsverlusts und seiner wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Wert: 13.126 €
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 28. Oktober 2013 verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen. Gegen den am 30. Oktober 2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 2. Dezember 2013 (Montag) Beschwerde eingelegt. Der an das Oberlandesgericht adressierte Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 30. Dezember 2013 ist am gleichen Tage um 16:06 Uhr an das Amtsgericht gefaxt worden. Das Original dieses Schriftsatzes ist am 31. Dezember 2013, der von dem Amtsgericht weitergeleitete Telefaxausdruck am 7. Januar 2014 bei der gemeinsamen Annahmestelle der Hamburger Justizbehörden eingegangen.
- 2
- Auf den vom Oberlandesgericht erteilten Hinweis auf die Fristversäumung hat der Antragsgegner durch Schriftsatz vom 31. Januar 2014 mit folgen- der Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt: Die Beschwerdebegründung sei versehentlich an das Amtsgericht gefaxt worden. Mit der Überwachung des Fristablaufes und der Sicherstellung der rechtzeitigen Übermittlung des Schriftsatzes sei in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners die langjährig beschäftigte und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin G. betraut worden, die eigens ihren Urlaub unterbrochen habe, um den Fristablauf am 30. Dezember 2013 bearbeiten und überwachen zu können. Der zuvor diktierte Beschwerdebegründungsschriftsatz sei an diesem Tag von der Mitarbeiterin geschrieben und korrekt an das Oberlandesgericht adressiert worden. Die Verfahrensbevollmächtigte habe den ihr vorgelegten Schriftsatz auf inhaltliche Richtigkeit und korrekte Adressenangabe überprüft. Bei der Auswahl der auf dem Schriftsatz vermerkten Telefaxnummer sei der Mitarbeiterin G. ein bislang noch nie vorgekommener Fehler unterlaufen, weil sie versehentlich die Telefaxnummer des Amtsgerichts "aus dem PC gezogen" habe. Der Sendebericht sei darauf kontrolliert worden, ob sämtliche Seiten korrekt übermittelt worden seien, was der Fall gewesen sei. Der Sendebericht sei daraufhin in der Handakte abgeheftet und der Originalschriftsatz zur Post gegeben worden.
- 3
- Das Oberlandesgericht hat die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Beschwerde des Antragsgegners verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil der Antragsgegner nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es liegt keine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor und die Entscheidung des Beschwerdegerichts verletzt auch den verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht.
- 5
- 1. Die Beschwerdebegründung ist erst am 31. Dezember 2013 und damit nach Ablauf der am 30. Dezember 2013 endenden Frist zur Begründung der Beschwerde bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
- 6
- 2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor, denn der Antragsgegner hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass das Versäumnis jedenfalls auf einem Organisationsverschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten hinsichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze beruht, welches sich der Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
- 7
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen, sondern der Abgleich hat anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu erfolgen, um auch etwaige Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können (vgl. BGH Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12 - NJW 2014, 1390 Rn. 8; vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12 - NJW-RR 2013, 1467 Rn. 7; vom 7. November 2012 - IV ZB 20/12 - NJW-RR 2013, 305 Rn. 9; vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811 Rn. 11 und vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09 - VersR 2011, 1543 Rn. 14, jeweils mit weiteren Nachweisen).
- 8
- Das Beschwerdegericht konnte dem Vorbringen des Antragsgegners in seinem Wiedereinsetzungsgesuch und der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin G. lediglich entnehmen, dass der Sendebericht nach erfolgter Absendung des Telefaxes daraufhin zu kontrollieren war, ob sämtliche Seiten korrekt übermittelt worden sind. Die Rechtsbeschwerde macht schon selbst nicht geltend, dass in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eine darüber hinausgehende organisatorische Regelung bestand, die einen nochmaligen selbständigen Abgleich der im Sendebericht ausgedruckten Telefaxnummer mit einer zuverlässigen Quelle vorsah.
- 9
- b) Allerdings kann dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen Fehler bei der Ermittlung der Telefaxnummer auszuschließen, auch mit einer Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der auf dem versendeten Schriftstück niedergelegten Faxnummer zu vergleichen , wenn die schriftlich niedergelegte Faxnummer ihrerseits aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12 - NJW 2014, 1390 Rn. 8 und vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811 Rn. 14).
- 10
- Auch dieser Gesichtspunkt vermag der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, wobei es unentschieden bleiben kann, ob eine "aus dem PC gezogene" Telefaxnummer ohne nähere Darlegungen generell die Gewähr dafür bietet, aus einer zuverlässigen Ausgangsquelle zu stammen. Denn auch wenn die Telefaxnummer zunächst einer zuverlässigen Quelle entnommen und auf dem Schriftsatz niedergelegt worden ist, ist ein Abgleich zwischen Sendebericht und zuverlässiger Ausgangsquelle nach der Versendung nur dann entbehrlich , wenn darüber hinaus die generelle Anordnung besteht, die erste Ermittlung der auf dem Schriftsatz niedergelegten Telefaxnummer vor der Versendung nochmals auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BGH Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12 - NJW 2014, 1390 Rn. 8 und vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811 Rn. 14; vgl. auch Toussaint FD-ZVR 2014, 354392). Eine solche Büroorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsgegner in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargelegt. Das Vorbringen des Antragsgegners, wonach die Mitarbeiterin G. von seiner Verfahrensbevollmächtigten "mit der Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax und der Überwachung des ordnungsgemäßen Sendeberichts beauftragt worden" sei, rechtfertigt auch nicht die Annahme, dass eine auf Überprüfung der Richtigkeit der auf dem Schriftsatz vermerkten Telefaxnummer zielende Einzelanweisung erteilt worden sein könnte (vgl. dazu BGH Beschluss vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09 - VersR 2011, 1543 Rn. 16 f.).
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 28.10.2013 - 635 F 206/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 25.03.2014 - 12 UF 233/13 -
(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 wird aufgehoben. Das Klageverfahren des Klägers S 13 KR 1110/11 ist fortzuführen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
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(1) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt.
(2) Der Vorsitzende kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 wird aufgehoben. Das Klageverfahren des Klägers S 13 KR 1110/11 ist fortzuführen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
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(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.
(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.
(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gilt.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
- 1
Die Kläger begehren die Fortführung und Entscheidung des wegen fiktiver Klagerücknahme eingestellten Verfahrens zur Anfechtung eines Kostenerstattungsbescheids.
- 2
Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks in A-Stadt.
- 3
Die Beklagte machte gegenüber den Klägern mit Kostenerstattungsbescheid vom 22. Februar 2013 einen entsprechenden Anspruch zur Abdeckung des bei der Änderung der Hausanschlussleitung (von der Grundstücksgrenze bis einschließlich Wassermesseinrichtung) entstandenen tatsächlichen Aufwands einen Betrag in Höhe von 585,96 € geltend.
- 4
Den dagegen mit anwaltlichem Schreiben vom 7. März 2013 erhobenen Widerspruch, der trotz Ankündigung - auch im Folgenden - nicht näher begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2013 zurück.
- 5
Am 23. August 2013 haben die Kläger daraufhin Klage erhoben.
- 6
In der Klageschrift wurde eine „ausführliche“ Klagebegründung mit gesondertem Schriftsatz angekündigt. In der gerichtlichen Eingangsverfügung vom 27. August 2013 ist um Übersendung der Begründung der Klage binnen eines Monats gebeten worden, in der weiteren Verfügung vom 18. November 2014 wurde zur Vorlage der Klagebegründung binnen drei Wochen aufgefordert.
- 7
Nachdem keine Reaktion der Kläger erfolgt ist, hat das Gericht mit Verfügung vom 18. Dezember 2014 die Kläger über ihre anwaltlichen Prozessvertreter aufgefordert,
- 8
„… das Verfahren weiter zu betreiben und binnen zwei Monaten nach Zustellung dieser Verfügung der gerichtlichen Verfügung vom 27.08.2014 nachzukommen.
- 9
Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens ist nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO angezeigt, weil ernstliche Zweifel bestehen, ob ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht.
- 10
Die Kläger haben auf die gerichtlichen Verfügungen vom 27.08.2013 und 18.11.2014 nicht reagiert.
- 11
Die Kläger haben ihre Klage trotz eigener Ankündigung und Aufforderung des Gerichts nicht begründet. Geht die Erklärung nicht fristgerecht bei Gericht ein, gilt die Klage als zurückgenommen. Die Kläger haben dann die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 92 Abs. 3, 155 Abs. 2 VwGO).“
- 12
In der gerichtlichen Verfügung, die mit vollständiger Unterschrift des Berichterstatters unterzeichnet ist, ist das erstgenannte Datum (korrekt) mit dem „27.8.2013“ bezeichnet worden. Die Betreibensaufforderung ist den Klägervertretern am 23. Dezember 2014 zugestellt worden.
- 13
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 haben die Klägervertreter um Übersendung der Verwaltungsvorgänge für drei Tage gebeten, die sie am 3. Februar 2015 erhalten und am 4. Februar 2015 zurückgesandt haben.
- 14
Am 23. Februar 2015 haben die Kläger(vertreter) per Telefax mit Schriftsatz von diesem Tag die Klage begründet. U. a. wird darin vorgetragen und näher dargelegt, dass die der Festsetzung des Beitrags zugrunde liegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen über die öffentliche Einrichtung zur Trinkwasserversorgung vom 25. April 2012 unwirksam sei, insbesondere sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation im Hinblick auf über Gebühren vereinnahmte Abschreibungen, die aufwandsmindernd zu berücksichtigen seien, fehlerhaft.
- 15
Das Gericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Februar 2015 eingestellt, da die Klage als zurückgenommen gelte. In den Gründen wird dazu ausgeführt:
- 16
„… Nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Verfahren mit der sich aus den §§ 155 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO ergebenden Kostenfolge einzustellen.
- 17
Die Klage gilt nach § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen, da die Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate seit Zustellung der Aufforderung nicht betrieben haben. Sie haben ihre Klage gegen den Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2013 nicht begründet.
- 18
Die Betreibensaufforderung vom 18. Dezember 2014 ist wegen ernstlicher Zweifel, ob ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht, angezeigt gewesen. Sie ist den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger am 23. Dezember 2014 zugestellt worden.
- 19
Bereits in der Klageschrift vom 23. August 2013 war eine 'ausführliche Klagebegründung' mit gesondertem Schriftsatz angekündigt worden. Die Kläger haben auf die gerichtliche Bitte in der Eingangsverfügung vom 27. August 2013, binnen eines Monats die Begründung der Klage zu übersenden, allerdings nicht reagiert, auch nicht auf die Aufforderung des nunmehr zuständigen Berichterstatters vom 18. November 2014, also über ein Jahr später, die Klagebegründung (nunmehr) binnen drei Wochen vorzulegen. Zur Vorbereitung einer 'ergänzenden' (?) Klagebegründung haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 um Übersendung der Verwaltungsvorgänge zur Akteneinsicht gebeten, die ihnen mit Schreiben vom 28. Januar 2015 übersandt und am 3. Februar 2015 zugestellt wurden. Auch im Vorverfahren, in dem die anwaltlichen Bevollmächtigten der Kläger bereits tätig waren, wurde keine Begründung des Widerspruchs vorgelegt, sondern lediglich angekündigt.
- 20
Am 23. Februar 2015 ist zwar eine dreiseitige Klagebegründung der anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger gemäß Schriftsatz von diesem Tag eingegangen. Selbst bei großzügigster Auslegung kann darin aber keine Begründung zur Frage der Rechtswidrigkeit des hier angegriffenen Kostenerstattungsbescheids vom 22. März 2013 wegen einer Änderung des Hausanschlusses gesehen werden, der sich auf die Trinkwasserhausanschlusskostenerstattungssatzung vom 31. August 2011 stützt. Vorgelegt wurde eine Klagebegründung, die sich mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen über die öffentliche Einrichtung zur Trinkwasserversorgung bzw. der vorgetragenen Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Beitragssatzes befasst. Darum geht es hier aber nicht. Es wird in der vorliegenden Klage kein Anschlussbeitrag zur öffentlichen Einrichtung der Trinkwasserversorgung des Zweckverbands Wismar angefochten, sondern ein davon zu unterscheidender Kostenerstattungsanspruch betreffend die Änderung eines Hausanschlusses.
- 21
Ein Verfahren wird im Hinblick auf die eigens angekündigte und zudem vom Gericht geforderte Klagebegründung aber nicht bereits dann betrieben, wenn nach ca. anderthalb Jahren überhaupt 'irgendeine' Klagebegründung fristgerecht vorgelegt wird. Es darf zwar nicht verkannt werden, dass in diesem Stadium noch keine Entscheidung i. S. eines Urteils zur Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage getroffen werden darf. Dennoch ist es erforderlich, die o. g. Zweifel am Interesse an der Fortführung der Klage dadurch zu zerstreuen, dass bezogen auf den Streitgegenstand mindestens rudimentärer Vortrag erfolgt, warum der angefochtene (hier: Kostenerstattungs-)Bescheid rechtswidrig sein soll. Das ist mit Blick und bei Würdigung des vorgelegten Schriftsatzes vom 23. Februar 2015 aber nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Offenbar wurden hier zwei unterschiedliche Streitgegenstände durcheinander gebracht. Eine insoweit 'fremde' Klagebegründung genügt nicht, vielmehr muss sie wenigstens ansatzweise zum Streitgegenstand 'passen' …“
- 22
Mit Schriftsatz vom 6. März 2015 ist die Klage dann „vorläufig“ begründet worden, allerdings wiederum mit der Prämisse, dass hier ein Beitragsbescheid vom 8. November 2010 über einen Betrag in Höhe von 8.884,60 € vorliege, der u. a. verjährt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug genommen. Mit späterem Schriftsatz vom 25. März 2015 baten die Kläger, den Schriftsatz vom 6. März 2015 als gegenstandslos zu betrachten.
- 23
Nachdem das Gericht mit Schreiben vom 16. März 2015 auf den Beschluss vom 25. Februar 2015 verwiesen und mitgeteilt hat, dass die Klage als zurückgenommen gelte, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 17. März 2015 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.
- 24
Die Kläger tragen vor:
- 25
Zu Recht weise das Gericht zwar darauf hin, dass inhaltlich die Ausführungen im Schriftsatz vom 23. Februar 2015 die Beitragserhebung der Beklagten beträfen, nicht die hier streitgegenständliche Forderung von Grundstücksanschlusskosten.
- 26
Gleichwohl sei die Feststellung der fiktiven Klagerücknahme durch Beschluss vorliegend unwirksam.
- 27
Der Kläger sei im Rahmen der Betreibensaufforderung vom 18. Dezember 2014 aufgefordert worden, die Klagebegründung nachzuholen, um die Zweifel an dem Interesse der Fortführung des Verfahrens auszuräumen. Vorliegend sei dem Gericht eine umfangreiche Klagebegründung und somit eine Darlegung des Interesses an der Fortführung des Rechtsstreits innerhalb der gesetzten Frist zugegangen. Damit seien die berechtigterweise aufgekommenen Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses entkräftet worden.
- 28
Es könne nicht darauf ankommen, ob die inhaltlichen Darlegungen die Begründetheit der Klage tatsächlich untermauerten. Vielmehr sei durch die – wenn auch unstreitig „fremde“ Klagebegründung – doch deutlich dokumentiert, dass Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens bestehe. Insbesondere sei mit dem Schriftsatz vom 23. Februar 2015 gleichwohl der Betreibensaufforderung Folge geleistet worden, nämlich der „gerichtlichen Verfügung vom 27.08.2014 nachzukommen“.
- 29
Sinn und Zweck der Betreibensaufforderung i. S. von § 92 Abs. 2 VwGO sei nicht, den Kläger zu einem Vortrag zu bewegen, der eine Entscheidungsreife herbeiführe, sondern „nur“ die Beseitigung des vermuteten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses.
- 30
In der Sache werde vorgetragen, dass sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 (KAG M-V) die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs für Haus- und Grundstücksanschlüsse auf die erstmalige Herstellung bzw. die Kostenerstattung weiterer Anschlussleitungen (§ 10 Abs. 3 KAG M-V) beschränke. Bereits dem Wortlaut der angefochtenen Verfügung sei zu entnehmen, dass Gegenstand des angefochtenen Kostenerstattungsbescheids weder die „Herstellung“ noch die Herstellung eines „weiteren“ Hausanschlusses, sondern stattdessen der Aufwand für die „Änderung“ des Hausanschlusses geltend gemacht werde. Für die „Änderung“ von Haus- und Grundstücksanschlüssen scheide jedoch die Festsetzung von Kostenersatz nach § 10 KAG M-V aus.
- 31
Die Kläger beantragen,
- 32
unter Aufhebung des Beschlusses des Gerichts vom 25. Februar 2015 das Verfahren fortzusetzen und den Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2013 und ihren Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2013 aufzuheben.
- 33
Die Beklagte beantragt,
- 34
festzustellen, dass die Klage als zurückgenommen gilt,
- 35
hilfsweise,
- 36
die Klage abzuweisen,
- 37
und trägt dazu vor:
- 38
Auch wenn die Vorlage einer Klagebegründung keine zwingende Voraussetzung für die wirksame Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage sei, gehöre es zu den prozessualen Mitwirkungspflichten der Kläger, die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Dazu könne auch aufgrund von § 82 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 sowie § 86 Abs. 4 VwGO vom Gericht unter Fristsetzung aufgefordert werden.
- 39
Eine Aufforderung nach § 92 Abs. 2 VwGO sei nach allgemeiner Auffassung jedenfalls immer dann gerechtfertigt, wenn ein anwaltlich vertretener Kläger – wie hier - die Einrichtung einer Begründung selbst angekündigt habe.
- 40
Nachdem daraufhin über einen Zeitraum von rund 1 ½ Jahren nichts passiert sei und auch zwei gerichtliche Verfügungen zur Begründung der Klage ohne Antwort geblieben seien, sei die gerichtliche Aufforderung vom 18. Dezember 2014 zur Begründung der Klage zu Recht ergangen.
- 41
Innerhalb der gesetzlichen Frist sei auch keine Klagebegründung vorgelegt worden. Hier hätte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger so substantiiert äußern müssen, dass Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses beseitigt worden wären und der äußere Anschein einer Vernachlässigung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten entfallen wäre. An einem danach erforderlichen, ansatzweise substantiierten Vorbringen fehle es hier jedoch. Den Klägern, die im vorliegenden Fall durch einen im Kommunalabgabenrecht äußerst erfahrenen Rechtsanwalt, der zugleich Fachanwalt für Verwaltungsrecht sei, vertreten seien, wäre es ohne weiteres zumutbar gewesen, binnen der gesetzlichen Frist das Fortbestehen ihres Rechtsschutzbedürfnisses deutlich zu machen und dieses substantiiert zu begründen. Dass dies nicht erfolgt sei, müssten sie sich nach §§ 173 VwGO, 51 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
- 42
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31. März 2015 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
- 43
Die Klage hat keinen Erfolg.
- 44
Entsteht nach erfolgter (lediglich deklaratorischer) Einstellung des Verfahrens nach § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Streit über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme, einer so vom Gericht gewerteten Erklärung oder - wie hier - einer Klagerücknahmefiktion gemäß § 92 Abs. 2 VwGO, hat das Gericht das Verfahren auf Antrag fortzusetzen und über die Frage der Beendigung des Verfahrens aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 92 Rn. 28 m. w. N.; Schmid, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 92 Rn. 42; VG B-Stadt, nicht rechtskräftiges Urt. v. 31. August 2012 – 4 A 658/12 –, juris, Rn. 42).
- 45
Eine Fortsetzung des Verfahrens scheitert daran, dass die Klage nach § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen gilt, so dass das Verfahren beendet ist.
- 46
I. Die gerichtliche Aufforderung an die Kläger zur Begründung der Klage ist zu Recht ergangen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung waren erfüllt.
- 47
1. Eine fiktive Klagerücknahme nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG -) voraus, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestanden haben. Dieses in ständiger Rechtsprechung zu den entsprechenden asylverfahrensrechtlichen Regelungen entwickelte, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal gilt auch für die dem Asylverfahrensrecht nachgebildete und in das allgemeine Verwaltungsprozessrecht eingeführte Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Stets muss sich aus dem fallbezogenen Verhalten des Klägers, z. B. aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten, der Schluss auf den Wegfall des Rechtsschutzinteresses, also auf ein Desinteresse des Klägers an der weiteren Verfolgung seines Begehrens ableiten lassen. Denn § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist kein Hilfsmittel zur bequemen Erledigung lästiger Verfahren oder zur vorsorglichen Sanktionierung prozessleitender Verfügungen (so BVerwG, Beschl. v. 12. April 2001 - 8 B 2/01 -, NVwZ 2001, 918, hier zitiert aus juris, Rn. 5; VG B-Stadt, Urt. v. 30. August 2011 - 3 A 491/07 -).
- 48
Anhaltspunkte für die Annahme fehlenden Interesses an der Verfahrensfortsetzung können sich namentlich aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten ergeben, jedoch muss deren Erfüllung nach Lage des Falls vom Kläger zu erwarten sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. etwa Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: März 2015, § 92 Rn. 46 f.). Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses reichen aus; es ist insoweit nicht ein sicherer, über begründete Zweifel hinausgehender Schluss geboten (BVerwG, Beschl. v. 7. Juli 2005 - 10 BN 1/05 -, juris, Rn. 4; OVG Lüneburg, Beschl. v. 23. Jan. 2012 - 11 ME 420/11 -, juris, Rn. 7; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 2011, § 92 Rn. 19).
- 49
Danach war vorliegend von Zweifeln an einem Interesse der Kläger an der Fortführung des Klageverfahrens auszugehen, da sie ihre Klage weder in der Klageschrift vom 23. August 2013 noch nach dortiger – wenngleich zeitlich unbestimmter - Ankündigung (“Die ausführliche Klagebegründung erfolgt mit gesondertem Schriftsatz.“) und entsprechender Bitte zur Übersendung der Begründung der Klage binnen einen Monats in der gerichtlichen Eingangsverfügung vom 27. August 2013 noch nach weiterer gerichtlicher Aufforderung gemäß Verfügung vom 18. November 2014 begründet haben. Neben der eigenen Ankündigung im Klageverfahren war insoweit zu beachten, dass die Kläger auch nicht etwa im Vorverfahren, dort ebenfalls trotz entsprechender ausdrücklicher Ankündigung im Widerspruchsschreiben vom 7. März 2013, den Widerspruch begründet haben.
- 50
Ob dabei die fehlende – nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht zwingend vorgeschriebene - Klagebegründung als solche bereits für eine Betreibensaufforderung ausreicht (dazu BVerwG, Beschl. v. 12. April 2001, a. a. O., juris, Rn. 6), muss nicht abschließend entschieden werden, ebenso wenig, ob es generell eine „Schonfrist“ zur Vorlage einer Klagebegründung bei Gerichten mit (leider) langen Verfahrenslaufzeiten gibt.
- 51
Vorliegend kommt jedenfalls hinzu, dass die Kläger eine „ausführliche“ Begründung ihrer (zuvor allerdings nicht einmal ansatzweise begründeten) Klage ausdrücklich angekündigt hatten und zwei entsprechende gerichtliche Aufforderungen dazu in mehr als genügendem Abstand vorlagen, es bis hin zum Vorverfahren aber noch keinen Ansatz einer Begründung für die mögliche Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids gegeben hat und sich schließlich auch für das Gericht nicht von Amts wegen Ansatzpunkte für eine sachgerechte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bzw. den erkennbar fortwährenden Willen der Kläger zum Festhalten an ihrer Klage aufgedrängt haben. Zumindest in einem solchen Fall kann dann aus dem Ausbleiben einer solchen angekündigten Klagebegründung der Rückschluss auf Zweifel an einem Klagefortführungsinteresse gezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. Jan. 1987 - 9 C 259/86 -, juris, Rn. 11; VG Hamburg, Urteil vom 11. April 2012 – 4 K 411/10 –, juris Rn. 24 m. w. N.; Clausing, a. a. O., § 92 Rn. 46 m. w. N.; Bamberger, a. a. O, § 92 Rn. 21). So liegen die Dinge hier.
- 52
Unzutreffend ist auch die recht häufige anwaltliche Formulierung einer vorbehaltenen „weiteren“ oder – wie hier – „ausführlichen“ Begründung der Klage, bei der die Klageschrift allerdings lediglich aus der mehr oder wenig umfangreichen Mitteilung des Verwaltungs- und Vorverfahrens besteht. Darin ist nicht einmal ansatzweise die Begründung der Klage, also die Darlegung der tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründe, aus denen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids folgen soll, enthalten. Vielmehr wird lediglich der Gang des bisherigen Verfahrens dargelegt. Die mag anders zu werten sein, wenn diese Darstellung offenkundig vom gesetzlich vorgeschriebenen Gang abweicht und deshalb schon aus sich selbst heraus Zweifel an der Rechtmäßigkeit mindestens des Verfahrens bei Erlass des Ausgangs- und/oder Widerspruchsbescheids hervorbringen, allerdings liegen die Dinge hier nicht so.
- 53
Dem entgegen halten zu wollen, dass verwaltungsgerichtliche Entscheidungen (erfahrungsgemäß) auch sehr lange bräuchten, und deshalb womöglich zu einem frühen Zeitpunkt eine Begründung, warum der Kläger den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig hält, für entbehrlich zu halten, stellte die Dinge von den Beinen auf den Kopf. Ohne dass ein Kläger offen- und darlegt, aus welchen (mehr oder weniger kurzen tatsächlichen und/oder rechtlichen) Erwägungen heraus er meint, der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig, kann auch der Beklagte nicht dazu Stellung nehmen und ggf. auch dem Anfechtungsbegehren von sich aus durch teilweise oder vollständige Aufhebung seines Bescheids nachkommen. Ebenso wenig kann das Gericht beurteilen, ob es noch weitere Akten beiziehen muss, eine Beweisaufnahme (ggf. mit Zeugen) durchzuführen haben wird oder sonstige Entscheidungen und Handlungen im vorbereitenden Verfahren treffen bzw. vornehmen muss (vgl. § 87 VwGO), aber auch, ob ein Verfahren abweichend vom bloßen Datum seines Eingangs bei Gerichts zeitlich früher als andere „ältere“ Verfahren terminiert wird usw.
- 54
2. Der Rechtmäßigkeit der Betreibensaufforderung steht auch der (geringfügige) Fehler in der Ausfertigung nicht entgegen, in dem ein falsches Jahresdatum der vorangegangenen gerichtlichen Verfügung („27.8.2014“ statt zutreffend „27.8.2013“) aufgeführt ist, zumal dann im weiteren Text das korrekte Datum (u. a.) dieser gerichtlichen Verfügung genannt wird.
- 55
II. Die Kläger haben ihre Klage innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Betreibensaufforderung des Gerichts am 23. Dezember 2014 nicht, wie gerichtlich gefordert und zuvor selbst angekündigt, begründet.
- 56
Der in diesem Verfahren unter Bezug auf die gerichtliche Verfügung vom 18. Dezember 2014 am 23. Februar 2015 per Telefax eingegangene anwaltliche Schriftsatz vom gleichen Tag erfüllt nicht die Voraussetzungen der geforderten Handlung.
- 57
Selbst bei großzügigster Auslegung kann darin, wie bereits im Einstellungsbeschluss ausgeführt, keine Begründung zur Frage der Rechtswidrigkeit des hier angegriffenen Kostenerstattungsbescheids der Beklagten vom 22. März 2013 wegen einer Änderung des Hausanschlusses gesehen werden, der sich auf die Trinkwasserhausanschlusskostenerstattungssatzung des Zweckverbands vom 31. August 2011 stützt. Vorgelegt wurde vielmehr eine Klagebegründung, die sich mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen über die öffentliche Einrichtung zur Trinkwasserversorgung bzw. der vorgetragenen Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Beitragssatzes befasst. Darum geht es hier aber nicht. Es wird in der vorliegenden Klage kein Anschlussbeitrag zur öffentlichen Einrichtung der Trinkwasserversorgung des Zweckverbands Wismar angefochten, sondern ein davon grundlegend zu unterscheidender Kostenerstattungsanspruch betreffend die (vermeintliche) Änderung eines Hausanschlusses.
- 58
Ein Verfahren wird im Hinblick auf die eigens angekündigte und zudem vom Gericht geforderte Klagebegründung aber nicht bereits dann betrieben, wenn bis zum Ablauf der Frist zum Betreiben des Klageverfahrens überhaupt 'irgendeine' Klagebegründung fristgerecht vorgelegt wird. Es darf zwar nicht verkannt werden, dass in diesem Stadium noch keine Entscheidung i. S. eines Urteils zur Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage getroffen werden darf oder kann und deshalb nicht etwa verlangt werden kann, dass ein Kläger die entscheidungsrelevanten Probleme des streitigen Bescheids darlegt oder gar einen – später dann im Urteil bewerteten – „Treffer“ landet, der zur teilweisen oder vollständigen Aufhebung des Verwaltungsakts führen wird. So wäre von einer in diesem Sinne „hinreichenden“ Klagebegründung auch etwa dann auszugehen, wenn der angefochtene Bescheid seinem Inhalt nach erkannt wird, aber mit „abwegigen“ oder nicht vertretbaren Argumenten tatsächlicher und/oder rechtlicher Art zum „Einsturz“ gebracht werden soll. Dennoch ist es erforderlich, die o. g. gerichtlichen Zweifel am Interesse an der Fortführung der Klage dadurch zu zerstreuen, dass der Streitgegenstand durch die Kläger hinreichend erkannt worden ist und darauf bezogen mindestens rudimentärer Vortrag zur Klagebegründung erfolgt, mag er sich aus den verschiedensten Gründen nicht als tragfähig erweisen. Dieses Erkennen des (selbst und zutreffend mit der Klageschrift geschaffenen) Streitgegenstands und den im dargestellten Sinne hinreichenden Bezug zu diesem (erkannten) Streitgegenstand ist mit Blick und bei Würdigung des vorgelegten Schriftsatzes vom 23. Februar 2015 aber nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Hier wurde der Streitgegenstand offenbar zwischenzeitlich vollständig aus den Augen verloren und zu einem vermeintlichen (in Wahrheit aber anderen) Streitgegenstand juristisch vorgetragen. Eine insoweit völlig 'fremde' Klagebegründung genügt nicht, vielmehr muss sie erkennbar zumindest den korrekten Streitgegenstand im Blick haben und wenigstens ansatzweise insoweit dazu 'passen'. Man kann nicht später „Nieder mit den Äpfeln, sie haben Würmer“ vortragen, wenn man doch eingangs „Birnen“ vernichten wollte.
- 59
Auch sonst gibt es keine Anhaltspunkte, aus denen während der laufenden Frist erkennbar wäre, dass die Kläger entgegen im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung bestehender Zweifel ein rechtliches Interesse an der Fortführung ihrer Anfechtungsklage gegen den Kostenerstattungsbescheid der Beklagten haben.
- 60
II. Gründe, die Kläger in die versäumte Frist wiedereinzusetzen bzw. insoweit Nachsicht zu gewähren, liegen nicht vor.
- 61
Bei der (sog. uneigentlichen) gesetzlichen Frist nach § 92 Abs. 2 VwGO handelt es sich um eine Ausschlussfrist, bei der weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung des § 60 Abs. 1 VwGO stattfindet (BVerwG, Urt. v. 23. April 1985 - 9 C 7/85 -, juris, Rn. 14 zur entsprechenden Vorschrift des § 33 AsylVfG; VG Berlin, Urt. v. 15. Juni 2010 – 19 K 198.09 -, juris, Rn. 24; Kopp/Schenke, a. a. O., § 92 Rn. 22 m. w. N.).
- 62
Eine im Ergebnis einer Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gleichkommende sog. Nachsichtgewährung ist allerdings im Falle höherer Gewalt analog §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO vorzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 25. Nov. 2002 – 8 B 112/02 -, juris, Rn. 4 m. w. N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4. Febr. 2010 – 10 N 44.07 -, juris, Rn. 11; Kopp/Schenke, a. a. O., § 92 Rn. 22 m. w. N.). Ein solcher Fall höherer Gewalt ist hier weder dargetan noch von Amts wegen ersichtlich.
- 63
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet es der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. insoweit vorliegend Art. 19 Abs. 4 GG), die Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften zu überspannen (BVerfG, Beschl. v. 27. Sept. 2012 - 2 BvR 1766/12 -, juris, Rn. 13 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 20. Nov. 2011 - VI ZB 28/11 -, juris, Rn. 6 m. w. N.). Dies gilt ebenso bei der Beurteilung von Sachverhalten, die eine Nachsichtgewährung einer gesetzlichen Ausschlussfrist ermöglichen können.
- 64
Der in der Verwaltungsgerichtsordnung verwendete Begriff der höheren Gewalt ist zwar enger als der Begriff "ohne Verschulden" in § 60 Abs. 1 VwGO. Jedoch setzt er kein von außen kommendes Ereignis voraus. Unter höherer Gewalt ist ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falls vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerwG, Urt. v. 23. April 1985, a. a. O., juris, Rn. 16; VG Ansbach, Beschl. v. 13. Jan. 2010 - AN 14 K 09.01998 -, juris, Rn. 12 m. w. N.; VG Berlin, Urt. v. 15. Juni 2010, a. a. O., juris, Rn. 24).
- 65
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine durch Versehen des Büropersonals eines Rechtsanwalts herbeigeführte Fristversäumung sich als Folge eines unabwendbaren Zufalls bzw. als Fall höherer Gewalt darstellen kann. Rechtsanwälte haben zwar Fristsachen mit der größten Peinlichkeit und Genauigkeit zu behandeln, aber andererseits sind die Anwälte gezwungen, gewisse einfache Verrichtungen, die keine besondere Geistesarbeit oder juristische Schulung verlangen, ihrem Büro zu überlassen, damit sie im Stande sind, ihre eigentlichen Berufspflichten zu erfüllen (BVerwG, Urt. v. 23. April 1985, a. a. O., juris, Rn. 16). Deshalb darf der anwaltliche Prozessbevollmächtigte die Übersendung von Briefsendungen an ein Gericht seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten zuverlässigen Büropersonal überlassen. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Versehen des Büropersonals einen unabwendbaren Zufall (dazu sogleich) und höhere Gewalt darstellen.
- 66
Ein solches Versehen des (nicht anwaltlichen) Personals in der Kanzlei der anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger steht hier aber nicht in Rede. Selbst wenn bei der Erstellung des Schriftsatzes zur Klagebegründung ein inhaltlich unzutreffender Text bzw. falsche Textbausteine eingefügt worden sein sollten, entbindet und entpflichtet dies nicht den anwaltlichen Unterzeichner des Schriftsatzes von der Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit des Schriftsatzes; dies ist vielmehr „ureigene“ Aufgabe des Rechtsanwalts, dessen Fehler sich die Kläger zwar nicht, wie die Beklagte meint, nach § 51 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 173 VwGO, wohl aber nach § 85 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 173 VwGO zurechnen lassen müssen.
- 67
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
- 68
Von Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens sieht das Gericht ab (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO), da auf Beklagtenseite ein insolvenzunfähiger Zweckverband und damit ein kraft Gesetzes stets zahlungsfähiger Schuldner steht.
- 69
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.
(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 10.04.2015 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015, mit dem ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hinsichtlich der Dreimonatsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG) abgelehnt worden ist. Nachdem die Klägerin, rechtsanwaltlich vertreten, ihre am 10.02.2014 beim Sozialgericht Düsseldorf anhängig gemachte Klage trotz mehrfacher Aufforderung (zunächst unter Verweis auf eine Erkrankung des Bevollmächtigten) nicht begründet hatte, forderte das Sozialgericht die Klägerin bzw. deren bevollmächtigten Rechtsanwalt unter dem 29.10.2014 auf, das Verfahren durch Übersendung einer Klagebegründung zu betreiben. Die Klage gelte gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen, wenn das Verfahren trotz dieser Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate ab Zustellung dieser Verfügung nicht betrieben werde.
4Eine Zustellung an die Kanzleianschrift des Prozessbevollmächtigten scheiterte. Die Postzustellungsurkunde enthielt den Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen". Ausweislich eines Telefonvermerks vom 11.11.2014 teilte eine Mitarbeiterin der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten dem Sozialgericht mit, der Prozessbevollmächtigte sei nach C verzogen. Die Zustellung der Betreibensaufforderung erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 15.11.2014 unter der in diesem Telefonat mitgeteilten Adresse durch Niederlegung "in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung". Nachdem die Klägerin sich am 19.02.2015 persönlich beim Sozialgericht gemeldet hatte, wurde ihr mitgeteilt, die Klage gelte gemäß § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen. Eine Fortsetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht. Die maßgebliche Dreimonatsfrist sei am 15.02.2015 abgelaufen.
5Die Klägerin hat sodann beantragt,
6ihr für die Versäumung der Einreichung der Klagebegründung Wiedereinsetzung den vorigen Stand zu gewähren.
7Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe von der gerichtlichen Verfügung, der Betreibensaufforderung, vom 29.10.2014 keine Kenntnis erlangt. Sie hat zudem eine eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt, wonach dieser an seine bisherige Büroanschrift in E ein Schreiben vom 29.10.2014 nicht erhalten habe und demzufolge keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass vom Sozialgericht eine Frist zur Klagebegründung gesetzt worden sei.
8Mit Beschluss vom 17.03.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Die Klagebegründung sei erst am 19.02.2015 nach Ablauf der Dreimonatsfrist am 15.02.2015, in Gang gesetzt durch Zustellung der Betreibensaufforderung an die dem Gericht bekannt gewordene Berliner Anschrift am 15.11.2014, und damit verspätet eingegangen. Das Gericht könne nicht feststellen, dass die Dreimonatsfrist ohne Verschulden versäumt wurde. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei der Klägerin zuzurechnen. Der Bevollmächtigte habe das Gericht weder über eine Mandatsniederlegung, über die Benennung eines Vertreters noch über die Änderung seiner Adresse unterrichtet. Die gerichtliche Fortsetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht.
9Mit ihrer Beschwerde vom 10.04.2015 gegen den ihr am 20.03.2015 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts hält die Klägerin an ihrem Begehren fest. Ihr ehemaliger Prozessbevollmächtigter habe das gerichtliche Schreiben vom 29.10.2014 weder an seiner Büroanschrift inE noch an seiner Wohnanschrift in C erhalten. Sie hat eine weitere eidesstattliche Versicherung des seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten vom 09.04.2015 vorgelegt, mit der dieser ausführt, er habe das Schreiben vom 29.10.2014 nicht erhalten. Zudem weist er darauf hin, dass er im letzten Jahr an einem Burnout-Syndrom erkrankt gewesen sei, so dass eine Vertretung nicht mehr möglich gewesen sei.
10II. Die statthafte (§ 172 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
11Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
12Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Hier liegt jedoch schon kein Versäumnis einer gesetzlichen Verfahrensfrist vor.
13Bei der Frist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG handelt es sich vielmehr um eine Ausschlussfrist, in die eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 12.10.2012 - L 19 AS 1437/12 B, juris, Rn. 17; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 102 Rn. 12; vgl. auch zu § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO BVerwG, Beschluss vom 25.11.2002 - 8 B 112/02, juris, Rn. 2 m.w.N.).
14Zwar soll auch die Versäumung von Ausschlussfristen ausnahmsweise unbeachtlich sein können, wenn ein Fall "höherer Gewalt" vorliegt (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 12.10.2012 - L 19 AS 1437/12 B, juris, Rn. 18 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 25.11.2002 a.a.O.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 102 Rn. 9b). Jedenfalls sind hier keine Umstände ersichtlich, die einem solchen Fall "höherer Gewalt" gleichkommen.
15Einer Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses bedarf es nicht. Das Sozialgericht hat die Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Soweit lediglich in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird, die Klage sei durch (fiktive) Klagerücknahme erledigt, macht auch dies eine Aufhebung des Beschlusses nicht erforderlich (a.A. LSG Berlin-Brandenburg a.a.O. Rn. 18).
16Der Senat kann nach alledem dahinstehen lassen, ob hier die Voraussetzungen für eine Rücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorliegt (vgl. zu den grundsätzlichen Anforderungen vor allem in formeller Hinsicht BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 13 R 58/09 R = BSGE 106, 254-264, Rn. 49 ff.; vgl. eingehend auch Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 102 Rn. 21 ff.).
17Bereits der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nämlich als konkludenter Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu werten (vgl. LSG NRW a.a.O. Rn. 27; LSG Berlin-Brandenburg a.a.O. Rn 17). Besteht Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme, ist das Verfahren fortzuführen und vorrangig zu klären, ob Erledigung eingetreten ist (vgl. nur LSG NRW a.a.O. Rn. 25 m.w.N.). Diese Prüfung obliegt dem Sozialgericht.
18Diese Prüfungspflicht erstreckt sich zum einen auf die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung der Betreibensaufforderung. Angesichts der Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Beschwerdebegründung dürfte insoweit jedoch feststehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, an dessen vormalige Geschäftsadresse eine Zustellung der Betreibensaufforderung gescheitert war, unter der C Anschrift, unter der die Zustellung am 15.11.2014 erfolgte, jedenfalls seinen Wohnsitz (vgl. § 178 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung) hatte.
19Zum anderen erstreckt sich die Prüfungspflicht auf die Frage des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses für die Klage. Die Klagerücknahmefiktion ist - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, juris, Rn. 28) - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anzuwenden, in denen Anlass zu der Annahme besteht, das Rechtsschutzinteresse des Klägers/der Klägerin sei entfallen (vgl. etwa Müller a.a.O. Rn. 21). Dabei wird es zum Teil u.a. unter Verweis auf die Regelungssystematik des § 92 SGG als problematisch angesehen, von der Nichtvorlage einer Klagebegründung auf das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses zu schließen (Müller a.a.O. Rn. 22). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass mangels einer Begründungspflicht für das Klagebegehren eine Betreibensaufforderung nicht - wie hier - schlicht auf eine fehlende Begründung der Klage gerichtet werden kann, sondern vielmehr konkrete Mitwirkungshandlungen zu bezeichnen sind, die zur Klärung des Sachverhalts und zur Ermöglichung einer Sachentscheidung unerlässlich sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2011 - L 13 SB 126/11 B PKH, juris, Rn. 9; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, Rn. 6, juris: " die Verwaltungsgerichtsordnung eine Klagebegründung nicht zwingend vorschreibt und die Kläger daher der Aufforderung zur Klagebegründung ohne weiteres allein durch den Hinweis auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren hätten Genüge tun können, fehlt es an jedem Anhaltspunkt für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses).
20Für eine entsprechend restriktive Handhabung könnte auch der Zweck der Regelung des § 102 Abs. 2 SGG sprechen. Dieser besteht - entsprechend dem Zweck des § 92 Abs. 2 VwGO - nicht darin, den Kläger zu einer Substantiierung seines Klagebegehrens anzuhalten, sondern in der Klärung der aufgekommenen Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses (vgl. zu § 92 Abs. 2 VwGO BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2254/11, juris, Rn. 35 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.05.1993 - 2 BvR 1972/92 = NVwZ 1994, S. 62 (63)).
21Soweit ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses naheliegen soll, wenn eine Klagebegründung angekündigt, dann aber nicht vorgelegt wird (so auch Müller a.a.O. Rn. 22; vgl. auch VG Schwerin, Urteil vom 04.05.2015 - 4 A 1269/13, juris), weist der Senat darauf hin, dass hier der Gegenstand des Klagebegehrens den Ausführungen des Klageschriftsatzes nebst Anlagen ohne Weiteres zu entnehmen war (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, Rn. 6, juris). Bereits im Widerspruchsverfahren waren (wenn auch knappe) rechtliche Ausführungen erfolgt (siehe zu diesem Aspekt auch VG Schwerin a.a.O.). Mit der Klageschrift war lediglich "weiterer Sachvortrag" nach erfolgter Akteneinsicht angekündigt worden. Dem Sozialgericht wäre die Bezeichnung konkreter Mitwirkungshandlungen - so für erforderlich gehalten - durchaus möglich gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt im Bereich vermögensrechtlicher Streitigkeiten eine fehlende Klagebegründung nur ausnahmsweise auf ein weggefallenes Rechtsschutzinteresse schließen (BVerwG, Beschluss vom 12.04.2001 - 8 B 2/01, Rn. 6, juris).
22Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. LSG NRW a.a.O. Rn. 26 m.w.N).
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.