Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2016:0122.L19AS1863.15B.00
bei uns veröffentlicht am22.01.2016

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.09.2015 wird zurückgewiesen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 117 Scheingeschäft


(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdec

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 67


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stelle

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 173


Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist i

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 102


(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. (2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 92


(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertr

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106a


(1) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. (2) Der Vorsitzende kann einem Beteiligten unter Fristsetzung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht NRW Beschluss, 28. Aug. 2015 - L 16 KR 224/15 B

bei uns veröffentlicht am 28.08.2015

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015 wird zurückgewiesen. 1Gründe: 2I. 3Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 10.04.2015 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 04. Mai 2015 - 4 A 1269/13

bei uns veröffentlicht am 04.05.2015

Tenor Es wird festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gilt. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Tatbestand 1 Die Kläger begehren die Fortführung und Entscheidung des wegen fiktiver Klagerücknahme eingest

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2014 - XII ZB 255/14

bei uns veröffentlicht am 27.08.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 255/14 vom 27. August 2014 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Fd Zur Ausgangskontrolle bei der Telefaxversendung von fristgebundenen Schriftsätzen. BGH, Besch

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 10. Dez. 2013 - 8 C 24/12

bei uns veröffentlicht am 10.12.2013

Tatbestand 1 Die Klägerin, ein in W. ansässiges Unternehmen zur Gewinnung von Kalk- und Gipsstein sowie Anhydrit und Dolomit, begehrt für das Jahr 2009 eine Begrenzung d

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Apr. 2013 - L 5 KR 605/12

bei uns veröffentlicht am 17.04.2013

Tenor Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 wird aufgehoben. Das Klageverfahren des Klägers S 13 KR 1110/11 ist fortzuführen.Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Tatbestand  1
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Jan. 2016 - L 19 AS 1863/15 B.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Apr. 2017 - B 4 AS 2/16 R

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Belehrung über das Beschwerderecht ist auch mündlich möglich; sie ist dann aktenkundig zu machen.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015 wird zurückgewiesen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein in W. ansässiges Unternehmen zur Gewinnung von Kalk- und Gipsstein sowie Anhydrit und Dolomit, begehrt für das Jahr 2009 eine Begrenzung des Anteils der abzunehmenden Strommenge aus erneuerbaren Energien nach der besonderen Ausgleichsregelung des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz) i.d.F. des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918 - EEG 2004), mit Wirkung vom 1. Dezember 2006 geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - im Folgenden EEG 2004 -. Bei dem Betrieb der Klägerin handelt es sich um ein so genanntes stromintensives Unternehmen. Der Betrieb wird aufgrund eines Liefervertrages vom 18. Dezember 2000 durch die Beigeladene zu 1, die W. Stadtwerke AG (im Folgenden: WSW) mit Strom versorgt. Nach dem EEG ist die Klägerin zur Abnahme und Vergütung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms verpflichtet. Die damit verbundene Erhöhung der Stromendverbrauchspreise wird über einen bundesweiten Ausgleich der EEG-Strommengen unter den Übertragungsnetzbetreibern proportional zum Stromverbrauch im jeweiligen Bereich auf die Energieversorgungsunternehmen umgelegt und kann von diesen an die Letztverbraucher weitergegeben werden. Zur Entlastung so genannter stromintensiver Unternehmen des produzierenden Gewerbes sieht eine besondere Ausgleichsregelung im EEG einen Anspruch solcher Unternehmen auf Begrenzung des von ihnen abzunehmenden und zu vergütenden Strommengenanteils aus erneuerbaren Energien vor. Das Gesetz begründet einen Begrenzungsanspruch für das jeweils folgende Kalenderjahr, wenn das betreffende Unternehmen bis zum 30. Juni des laufenden Jahres einen Stromverbrauch von über 10 Gigawattstunden (GWh) jährlich und ein Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung von über 15 % anhand bestimmter Wirtschaftsdaten und Unterlagen für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr nachweist.

2

Am 23. Juni 2008 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: Bundesamt), die durch die WSW nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 weitergeleitete Strommenge nach § 16 Abs. 1 EEG 2004 für den Begrenzungszeitraum 2009 zu begrenzen.

3

Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 wies das Bundesamt die Klägerin darauf hin, dass ihr Antrag am 25. Juni 2008 eingegangen sei und bis zum 30. Juni 2008 (Ausschlussfrist) die vollständigen Unterlagen beim Bundesamt vorliegen müssten. Eine Fristverlängerung sei aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in keinem Falle möglich.

4

Mit Kurzmitteilung vom 27. Juni 2008 reichte die Beigeladene zu 2 die gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 erforderliche Bescheinigung bezüglich der anteilig an das Unternehmen weitergereichten und von diesem selbst verbrauchten Strommenge und der hierfür von dem Unternehmen entrichteten Differenzkosten beim Bundesamt ein. Die Kurzmitteilung trägt den Eingangsstempel des Bundesamtes vom 1. Juli 2008, ebenso die beigefügte Bescheinigung der Beigeladenen zu 2 vom 27. Juni 2008.

5

Nach Anhörung der Klägerin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 22. September 2008 den Antrag der Klägerin auf Strommengenbegrenzung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein solcher Antrag sei nach § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 bis zum 30. Juni 2008 zu stellen, und zwar einschließlich der vollständigen Antragsunterlagen, die für Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Absatz 2 der vorgenannten Vorschrift im Einzelnen aufgeführt seien. Danach sei zum Nachweis, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Begrenzung erfüllt seien, unter anderem die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers über die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens, gegliedert nach den einzelnen Formelbestandteilen, und den entsprechenden Angaben für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr vorzulegen. Eine solche Bescheinigung sei beim Bundesamt erst am 1. Juli 2008 eingegangen, so dass die Antragsfrist nicht gewahrt sei. Die Antragstellerin müsse sich das Versäumnis des Energieversorgungsunternehmens oder einer von diesem beauftragten Person zurechnen lassen.

6

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und begehrt, den Bescheid des Bundesamtes vom 22. September 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, über den Antrag vom 23. Juni 2008 auf Strommengenbegrenzung für das Jahr 2009 unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Form der Nachsichtgewährung zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Begrenzung der Strommenge, weil ihr Antrag verspätet gestellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil es sich bei der Frist des § 16 Abs. 6 EEG 2004 um eine materielle Ausschlussfrist handele. Eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung komme nur bei einem unabwendbaren Zufall in Betracht, der vorliegend nicht gegeben sei. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, die verspätete Zusendung abzuwenden. Im gewöhnlichen Postverkehr könnten die Beteiligten heutzutage nicht davon ausgehen, dass eine am Freitag zur Post gegebene Sendung definitiv am nächsten Werktag oder unmittelbar nach dem Wochenende beim Empfänger eingehe. Es sei durchaus noch als im Rahmen des Üblichen zu bewerten, wenn eine solche Postsendung erst am folgenden Dienstag eintreffe.

7

Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Die allein auf die Nichteinhaltung der Frist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 gestützte Ablehnung des Ausgleichsantrags der Klägerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regele allerdings eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, so dass mit ihrem Verstreichen der Verlust der mit dem Antrag verfolgten materiellen Rechtsposition eintrete. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Die Frist sei im Gesetz ausdrücklich als Ausschlussfrist bestimmt und es lägen hinreichend gewichtige Gründe vor, die es rechtfertigten, das antragstellende Unternehmen bei Versäumung dieser Frist vom Begrenzungsanspruch auszuschließen. Die Ausschlussfrist diene dem Zweck, dem Bundesamt zu ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten, damit sie dann in den weiteren Ausgleich einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden könnten. Zu diesem Zeitpunkt sollten alle Anträge auf derselben Datenbasis entschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregelung sicherzustellen. Den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen solle Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden. Unternehmen, die die besondere Ausgleichsregel in Anspruch nähmen, würden gegenüber den sonstigen nichtprivilegierten Stromkunden bevorzugt. Dies rechtfertige es, diese Unternehmen in besonderem Maße mit dem Risiko eines Rechtsverlusts bei jeglicher Art der Fristversäumung zu belasten. Im vorliegenden Falle beruhe die Fristversäumung jedoch auf einer außergewöhnlichen Verzögerung der postalischen Beförderung der erforderlichen Bescheinigung und damit auf höherer Gewalt. In derartigen Fällen müsse das Bundesamt den Antrag so behandeln, als wäre er innerhalb der Frist gestellt worden. Dass die Postsendung erst am Dienstag, dem 1. Juli 2008, beim Bundesamt eingehen würde, sei für die Klägerin und die Beigeladene selbst bei Anlegung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Der Absender könne darauf vertrauen, dass ein von ihm ordnungsgemäß adressierter und frankierter, bei der Deutschen Post AG oder einem anderen Postuniversaldienstleistungsunternehmen als einfache Sendung aufgegebener Brief zumindest an dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugehe. Von dem Absender könne nicht verlangt werden, dass er den normalen Weg der Briefbeförderung verlasse und die Möglichkeiten einer Eil- oder Expresszustellung wähle oder die Sendung selbst zum Empfänger bringe.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, dass § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 keine Ausnahme für den Fall höherer Gewalt vorsehe. Die Ausschlussfrist zum 30. Juni eines Antragsjahres sei sachgerecht, weil die Beklagte alle Anträge bis zum 31. Dezember des Antragsjahres bewilligen müsse. Eine Nachsichtgewährung scheide nach Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aus. Das diene der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prinzipien verböten es grundsätzlich, im Falle der Versäumung der Ausschlussfrist Ausnahmen zuzulassen. Auch die Voraussetzungen der höheren Gewalt seien nicht gegeben. Die Klägerin hätte noch am 30. Juni 2008 dafür sorgen können, dass der Beklagten eine Ausfertigung der Bescheinigung per Boten übermittelt werde.

9

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2010 zurückzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse so behandelt werden, als habe sie ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Kalenderjahr 2009 fristgerecht gestellt, beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regelt eine materielle Ausschlussfrist (1.). Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen (2.). Eine Nachsichtgewährung wegen des Eingreifens höherer Gewalt kommt vorliegend nicht in Betracht (3.).

14

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist die Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist am 30. Juni 2008 bestand, und nicht die während des Begrenzungszeitraums 2009 bestehende Rechtslage. Abzustellen ist damit auf § 16 Abs. 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918) i.d.F. des Ersten Änderungsgesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - EEG 2004 - und nicht auf § 43 EEG i.d.F. des Neuregelungsgesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074) - EEG 2009 -. Das folgt aus dem materiellen Recht; denn die Entscheidung bezüglich einer Strommengenbegrenzung hat spätestens zum Jahresende des Jahres der Antragstellung zu erfolgen und ist für alle Antragsteller auf der Grundlage der zum Stichtag vorzulegenden Nachweise zu treffen; sie wird zum 1. Januar des Folgejahres mit einer Geltungsdauer von einem Jahr wirksam (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 3 EEG 2004). Entscheidend ist damit der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht derjenige des Ablaufs der Begrenzungsperiode.

15

1. Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Frist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, die nach dem Gesetzeswortlaut für den Antrag und sämtliche Antragsunterlagen nach § 16 Abs. 2 EEG 2004 gilt, die bei dem Bundesamt einzureichen sind, also auch für die Angaben des Energieversorgungsunternehmens und des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004. Eine Eingrenzung der Fristbestimmung auf diejenigen Unterlagen, die nur von Antragstellerseite vorzulegen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht vorgenommen.

16

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist der Antrag auf Begrenzung der Strommenge aus erneuerbaren Energien (§ 16 Abs. 1 EEG 2004) einschließlich der vollständigen Unterlagen nach Absatz 2 jeweils zum 30. Juni des laufenden Jahres zu stellen. Die Begrenzung darf bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur erfolgen, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 anteilig an das Unternehmen weitergereicht und von diesem selbst verbraucht worden ist und das Unternehmen hierfür Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 entrichtet hat (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind auf Antrag des Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt unverzüglich die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Der Nachweis der Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 3 sowie der Differenzkosten erfolgt durch Vorlage der Bescheinigung (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 EEG 2004).

17

a) Bei der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 geregelten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Daraus folgt, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nach ihrem Ablauf nicht mehr wirksam gestellt oder vervollständigt werden kann, weil ein eventueller Anspruch erloschen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Regelung. Der Klammerzusatz "Ausschlussfrist" in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 verdeutlicht diese materielle Präklusion. Von der Einhaltung der Frist gibt es keine Ausnahmen. Die Behörde soll weder die Frist verlängern noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 52 und 16/8148 S. 67). Die Ausschlussfrist soll es dem Bundesamt ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten und vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn zu versenden, damit sie dann in den weiteren Ausgleich gemäß § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004 einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden können. Damit soll den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67 zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 43 Abs. 1 EEG 2009). Alle Anträge sollen zum selben Zeitpunkt auf derselben Datenbasis beschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregel sicherzustellen.

18

Sinn und Zweck der Vorschrift sind auch nicht mit der Aufhebung der so genannten Deckelungsregelung in § 16 Abs. 5 EEG 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 zum 1. Dezember 2006 entfallen. Auch wenn die EEG-Kosten im nichtprivilegierten Bereich seither um mehr als 10 % steigen durften (vgl. BTDrucks 16/7119 S. 99), muss gemäß § 16 Abs. 1 EEG 2004 weiter sichergestellt sein, dass die Begrenzung die Ziele des EEG nicht gefährdet und mit den Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher vereinbar ist (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009). Erforderlich ist damit nach wie vor eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der Gesamtheit aller Begrenzungsentscheidungen auf der Grundlage einer einheitlichen Datenbasis. Das ist nur mit einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist erreichbar, in die keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung möglich ist.

19

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst die Ausschlussfrist auch die von dem Energieversorgungsunternehmen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegenden Nachweise für die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig an das Unternehmen weitergereichte und von diesem selbstverbrauchte Strommenge und die hierfür entrichteten Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004, die durch die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu erbringen sind. Zur Erfüllung der Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ist das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, unverzüglich dem Bundesamt die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegen. Der Gesetzgeber differenziert damit zwischen der fristgebundenen Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens einerseits und der Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zur unverzüglichen Vorlage andererseits. Diese Letztere besteht nur dem antragstellenden Unternehmen, nicht jedoch dem Bundesamt gegenüber (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 51). Gehen die Nachweise aber verspätet ein, ist dies dem Antragsteller zuzurechnen.

20

Dass die Ausschlussfrist sämtliche Antragsunterlagen erfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nachweisführung bestätigt. Die Vorgängerregelung in § 11a Abs. 2 Satz 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1459) verpflichtete die Energieversorgungsunternehmen, den erforderlichen Nachweis gegenüber dem antragstellenden Unternehmen zu erbringen. Diese Verpflichtung wurde mit der Neuregelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 durch die Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens ersetzt, die erforderliche Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers unmittelbar an das Bundesamt weiterzuleiten. Damit sollte die Nachweispflicht nicht auf die Elektrizitätsunternehmen verlagert, sondern nur verhindert werden, dass das antragstellende Unternehmen anhand der Bescheinigung Einblick in die Kalkulationsunterlagen des Energieversorgungsunternehmens erhält und dieses Geschäftsgeheimnisse preisgeben muss (vgl. Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, Aufl. 2006, § 16 Rn. 123; Posser/Altenschmidt, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), EEG, Aufl. 2010, § 43 Rn. 5).

21

2. Die Ausgestaltung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 als materielle Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Norm verstößt nicht gegen die Berufs- und die Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), auf die sich die Klägerin als juristische Person des Privatrechts im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

22

a) Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Sie schützen weder gegen rechtliche Regeln, die diese Bedingungen herstellen, ausgestalten und sichern, noch gegen Beeinflussung wettbewerbsrelevanter Faktoren. Zwar kann ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegen, wenn eine Regelung die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu Lasten bestimmter am Wettbewerb teilnehmender Adressaten verändert und dadurch deren berufliche Betätigung erheblich beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <265>; Urteile vom 17. Dezember 2001 - 1 BvL 28, 29, 30/95 - BVerfGE 106, 275 <298 f., 303 f.> und vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00 - BVerfGE 110, 274 <288>; BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <193> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11). Das trifft auf § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 aber nicht zu. Die materielle Ausschlussfrist definiert Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, indem sie die Privilegierung stromintensiv produzierender Unternehmen gegenüber den sonstigen Endverbrauchern an verfahrensrechtliche Voraussetzungen knüpft. Innerhalb der Gruppe der Privilegierten gewährleistet sie die Wettbewerbsneutralität der Begrenzungsentscheidungen.

23

b) Die Regelung der Ausschlussfrist ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benachteiligung von Antragstellern, die die Frist versäumt haben, gegenüber Antragstellern, deren Anträge und Nachweise fristgerecht vollständig vorgelegt wurden, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig.

24

Die mit der materiellrechtlichen Ausschlussfrist einhergehende Benachteiligung von stromintensiven Unternehmen, die nicht innerhalb der Frist die erforderlichen Unterlagen einreichen, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, denen außerhalb des Regelungsbereichs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, ist wegen besonderer Gründe sachlich gerechtfertigt. Wie bereits (unter 1.a) dargelegt, soll die Ausschlussfrist gewährleisten, dass alle Anträge vor Jahresende auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet werden. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen bezüglich der Entlastung durch die besondere Ausgleichsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67) und für die Übertragungsnetzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen Rechtssicherheit hergestellt. Zeitliche Verschiebungen, die infolge einer Prüfung von Wiedereinsetzungsanträgen aufträten, und spätere Begrenzungsentscheidungen hätten auch eine Beeinträchtigung des horizontalen Belastungsausgleichs der Übertragungsnetzbetreiber untereinander zur Folge (vgl. § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004).

25

Die materiellrechtliche Ausschlussfrist ist geeignet und erforderlich, um die mit der Begrenzungsentscheidung verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die nur überschritten ist, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03 - BVerfGE 111, 126 <255>; Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - juris Rn. 18, 21 m.w.N.). Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen (BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 - BVerfGE 122, 151 <182>). Ein ebenso wirksames, weniger eingreifendes Mittel, die verfolgten Ziele zu erreichen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, eine zeitgerechte Bescheidung aller Anträge auf einheitlicher Datengrundlage und eine rechtzeitige Beurteilung der Folgen der Begrenzungen sei auch mit einer wiedereinsetzungsfähigen Verwaltungsfrist zu gewährleisten. Ließe man in den Fällen einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu, würde dies zu zeitlichen Verzögerungen führen, die infolge der Prüfung der Wiedereinsetzungsanträge unausweichlich wären, und eine einheitliche Entscheidung zum Jahresende auf einer insgesamt gewonnenen Datenbasis wäre nicht möglich.

26

Die Ausschlussfrist in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist den privilegierten Unternehmen schließlich auch zumutbar. Zwar geht die materielle Rechtsposition infolge der versäumten Frist verloren, selbst wenn den Antragsteller kein Verschulden trifft. Da den Antragstellern ausreichend Zeit zur Verfügung steht - auch zur Beauftragung der vorlagepflichtigen Energieversorgungsunternehmen - ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Erfordernis abschließender Entscheidung im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit und Rechtssicherheit größeres Gewicht beigemessen hat.

27

3. Der Klägerin ist keine Nachsicht in Form von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der verspätete Zugang der Bescheinigung der Beigeladenen vom 19./27. Juni 2008 beim Bundesamt am 1. Juli 2008 beruhe auf höherer Gewalt und könne der Klägerin nicht angelastet werden, teilt der Senat nicht.

28

a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur in Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen (BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2). Für den Bereich des Vermögensrechts bei Versäumung der materiellen Ausschlussfristen des § 30a Abs. 1 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ausnahme angenommen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (Urteil vom 28. März 1996 a.a.O.). Ein behördliches Fehlverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Beklagte hat in dem der Klägerin bekannten Merkblatt auf die Ausschlussfrist und die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Dieser Hinweis bezog sich auf sämtliche Unterlagen, also auch auf solche, die dem Antrag noch nicht beigefügt oder noch von dritter Seite beizubringen waren. Die Behörde macht zudem in ihrem Internetauftritt und in den Antragsformularen auf die Ausschlussfrist aufmerksam. Hinzu kommt, dass der Klägerin die Besonderheiten des Antragsverfahrens und die beizubringenden Unterlagen aus früheren Verfahren bekannt sein mussten.

29

b) Die Klägerin kann einen Anspruch auf Nachsichtgewährung auch nicht aus der Rechtsprechung zur Fristversäumnis aufgrund "höherer Gewalt" herleiten (zu dieser vgl. Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 27.03 - BVerwGE 121, 10 <13> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 196; Beschluss vom 24. April 2013 - BVerwG 8 B 81.12 - juris Rn. 12; § 60 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VwGO, § 32 Abs. 3 VwVfG). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. Urteile vom 11. Juni 1961 - BVerwG 6 C 56.65 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54, vom 24. Februar 1966 - BVerwG 2 C 45.64 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1, vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 100 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106 und vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6). Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2). Diese Anforderungen sind hier nicht schon wegen der Verzögerung der üblichen Postlaufzeit um zwei Werktage erfüllt.

30

Die Versendung der Nachweise mit einfachem, am 27. Juni 2008 zur Post gegebenen Brief wahrte nicht diejenige Sorgfalt, die wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Begrenzungsentscheidung für die Klägerin und des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs der Ausschlussfrist als äußerste Sorgfalt vernünftigerweise zu erwarten war. Bei der Konkretisierung der größten vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt ist die Bedeutung der Fristwahrung für den Antragsteller in Rechnung zu stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je weiter eine Frist ausgenutzt wird (BGH, Urteil vom 18. März 1953 - II ZR 182/52 - BGHZ 9, 118 <120 ff.> = juris Rn. 11). Hier hatte die rechtzeitige Zustellung der Unterlagen für die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versäumen der Ausschlussfrist verlor sie einen etwaigen Anspruch auf Strommengenbegrenzung in sechsstelliger Höhe und erlitt schwerwiegende Wettbewerbsnachteile. Schon deshalb war von ihr bei größter Sorgfalt zu erwarten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fristgerechten Zugang der Nachweise sicherzustellen. Gleiches gilt für das Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Wirtschaftsprüfergesellschaft, die jeweils zur Erfüllung der Nachweispflicht der Klägerin handelten und deren Verhalten ihr insoweit zuzurechnen war (vgl. Salje, EEG, 4. Aufl. 2007, § 16 Rn. 137). Wegen der Bedeutung der Fristwahrung und wegen des gesetzlichen Ausschlusses einer Wiedereinsetzung waren bei Anwendung größter Sorgfalt Vorkehrungen dagegen zu erwarten, dass Hindernisse, mit denen nach Lage der Dinge zu rechnen war, die Fristwahrung vereitelten. Als Hindernisse waren auch mögliche Postlaufverzögerungen unmittelbar vor Fristablauf in Betracht zu ziehen, da zum Fristende - wie die Feststellungen der Vorinstanz zur unübersehbaren Menge der Eingänge bestätigen - mit einem Vielfachen des üblichen Postaufkommens bei der Beklagten zu rechnen war. Verzögerungen gegenüber der sonst üblichen Postlaufzeit um ein bis zwei Werktage waren unter diesen Umständen auch bei ordnungsgemäß adressierten und frankierten Sendungen nicht auszuschließen. Der Absender der Nachweise durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass diese der Beklagten bei Versendung als einfacher Brief am Freitag, dem 27. Juni 2008, innerhalb der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Werktagen bis spätestens Montag, den 30. Juni 2008 zugehen würden.

31

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr. 3 der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I S. 2418) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1976), auf die sich die Klägerin beruft. § 2 Nr. 3 Satz 2 PUDLV verpflichtet die Universaldienstleister im Bereich der Briefbeförderung, von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auszuliefern. Ein Restbestand von 5 % ist ausgenommen für - vom Dienstleister - nicht vorhersehbare und vermeidbare Verzögerungen des Postlaufs. Bei diesen Zielvorgaben handelt es sich schon wegen der Restquote von 5 % weder um eine Garantie, noch wird gegenüber dem Kunden ein Vertrauenstatbestand geschaffen.

32

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Postlaufverzögerungen betrifft keine materielle Ausschlussfrist und ist deshalb nicht einschlägig. Ob bei dem Verlust der Nachweise auf dem Postweg ein Fall höherer Gewalt vorläge (vgl. Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17), ist hier nicht zu entscheiden, da die Unterlagen der Beklagten zugegangen sind.

33

Wären die nach den Umständen zu erwartenden Vorkehrungen gegen eine geringfügige Verzögerung der üblichen Postlaufzeit für einfache Schreiben getroffen worden, wäre die Fristversäumnis vermeidbar gewesen. So hätten die Nachweise ohne Weiteres per Expresssendung oder noch am 30. Juni 2008, als die Beklagte den rechtzeitigen Eingang nicht bestätigen konnte, vor Fristablauf per Boten übermittelt werden können. Bei keiner der beiden Alternativen standen die erforderlichen Aufwendungen außer Verhältnis zur Abwendung des drohenden Anspruchsverlusts und seiner wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 255/14
vom
27. August 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle bei der Telefaxversendung von fristgebundenen Schriftsätzen.
BGH, Beschluss vom 27. August 2014 - XII ZB 255/14 - OLG Hamburg
AG Hamburg-Harburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2014 durch
die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und
Guhling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 25. März 2014 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Wert: 13.126 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 28. Oktober 2013 verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen. Gegen den am 30. Oktober 2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 2. Dezember 2013 (Montag) Beschwerde eingelegt. Der an das Oberlandesgericht adressierte Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 30. Dezember 2013 ist am gleichen Tage um 16:06 Uhr an das Amtsgericht gefaxt worden. Das Original dieses Schriftsatzes ist am 31. Dezember 2013, der von dem Amtsgericht weitergeleitete Telefaxausdruck am 7. Januar 2014 bei der gemeinsamen Annahmestelle der Hamburger Justizbehörden eingegangen.
2
Auf den vom Oberlandesgericht erteilten Hinweis auf die Fristversäumung hat der Antragsgegner durch Schriftsatz vom 31. Januar 2014 mit folgen- der Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt: Die Beschwerdebegründung sei versehentlich an das Amtsgericht gefaxt worden. Mit der Überwachung des Fristablaufes und der Sicherstellung der rechtzeitigen Übermittlung des Schriftsatzes sei in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners die langjährig beschäftigte und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin G. betraut worden, die eigens ihren Urlaub unterbrochen habe, um den Fristablauf am 30. Dezember 2013 bearbeiten und überwachen zu können. Der zuvor diktierte Beschwerdebegründungsschriftsatz sei an diesem Tag von der Mitarbeiterin geschrieben und korrekt an das Oberlandesgericht adressiert worden. Die Verfahrensbevollmächtigte habe den ihr vorgelegten Schriftsatz auf inhaltliche Richtigkeit und korrekte Adressenangabe überprüft. Bei der Auswahl der auf dem Schriftsatz vermerkten Telefaxnummer sei der Mitarbeiterin G. ein bislang noch nie vorgekommener Fehler unterlaufen, weil sie versehentlich die Telefaxnummer des Amtsgerichts "aus dem PC gezogen" habe. Der Sendebericht sei darauf kontrolliert worden, ob sämtliche Seiten korrekt übermittelt worden seien, was der Fall gewesen sei. Der Sendebericht sei daraufhin in der Handakte abgeheftet und der Originalschriftsatz zur Post gegeben worden.
3
Das Oberlandesgericht hat die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Beschwerde des Antragsgegners verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil der Antragsgegner nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es liegt keine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor und die Entscheidung des Beschwerdegerichts verletzt auch den verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht.
5
1. Die Beschwerdebegründung ist erst am 31. Dezember 2013 und damit nach Ablauf der am 30. Dezember 2013 endenden Frist zur Begründung der Beschwerde bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
6
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor, denn der Antragsgegner hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass das Versäumnis jedenfalls auf einem Organisationsverschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten hinsichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze beruht, welches sich der Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen, sondern der Abgleich hat anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu erfolgen, um auch etwaige Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können (vgl. BGH Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12 - NJW 2014, 1390 Rn. 8; vom 10. September 2013 - VI ZB 61/12 - NJW-RR 2013, 1467 Rn. 7; vom 7. November 2012 - IV ZB 20/12 - NJW-RR 2013, 305 Rn. 9; vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811 Rn. 11 und vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09 - VersR 2011, 1543 Rn. 14, jeweils mit weiteren Nachweisen).
8
Das Beschwerdegericht konnte dem Vorbringen des Antragsgegners in seinem Wiedereinsetzungsgesuch und der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin G. lediglich entnehmen, dass der Sendebericht nach erfolgter Absendung des Telefaxes daraufhin zu kontrollieren war, ob sämtliche Seiten korrekt übermittelt worden sind. Die Rechtsbeschwerde macht schon selbst nicht geltend, dass in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eine darüber hinausgehende organisatorische Regelung bestand, die einen nochmaligen selbständigen Abgleich der im Sendebericht ausgedruckten Telefaxnummer mit einer zuverlässigen Quelle vorsah.
9
b) Allerdings kann dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen Fehler bei der Ermittlung der Telefaxnummer auszuschließen, auch mit einer Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der auf dem versendeten Schriftstück niedergelegten Faxnummer zu vergleichen , wenn die schriftlich niedergelegte Faxnummer ihrerseits aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12 - NJW 2014, 1390 Rn. 8 und vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811 Rn. 14).
10
Auch dieser Gesichtspunkt vermag der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, wobei es unentschieden bleiben kann, ob eine "aus dem PC gezogene" Telefaxnummer ohne nähere Darlegungen generell die Gewähr dafür bietet, aus einer zuverlässigen Ausgangsquelle zu stammen. Denn auch wenn die Telefaxnummer zunächst einer zuverlässigen Quelle entnommen und auf dem Schriftsatz niedergelegt worden ist, ist ein Abgleich zwischen Sendebericht und zuverlässiger Ausgangsquelle nach der Versendung nur dann entbehrlich , wenn darüber hinaus die generelle Anordnung besteht, die erste Ermittlung der auf dem Schriftsatz niedergelegten Telefaxnummer vor der Versendung nochmals auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BGH Beschlüsse vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12 - NJW 2014, 1390 Rn. 8 und vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08 - NJW 2010, 2811 Rn. 14; vgl. auch Toussaint FD-ZVR 2014, 354392). Eine solche Büroorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsgegner in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargelegt. Das Vorbringen des Antragsgegners, wonach die Mitarbeiterin G. von seiner Verfahrensbevollmächtigten "mit der Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax und der Überwachung des ordnungsgemäßen Sendeberichts beauftragt worden" sei, rechtfertigt auch nicht die Annahme, dass eine auf Überprüfung der Richtigkeit der auf dem Schriftsatz vermerkten Telefaxnummer zielende Einzelanweisung erteilt worden sein könnte (vgl. dazu BGH Beschluss vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09 - VersR 2011, 1543 Rn. 16 f.).
Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 28.10.2013 - 635 F 206/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 25.03.2014 - 12 UF 233/13 -

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 wird aufgehoben. Das Klageverfahren des Klägers S 13 KR 1110/11 ist fortzuführen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die gerichtliche Feststellung der Klagerücknahme (Rücknahmefiktion).
Der (1957 geborene) Kläger, Mitglied der Beklagten, begehrt in der Sache die Gewährung eines den einschlägigen Festbetrag übersteigenden (mehrkostenpflichtigen) Hörgeräts. Nach erfolglosem Verwaltungsverfahren (Ablehnungsbescheid vom 11.11.2009, Widerspruchsbescheid vom 4.11.2010) erhob er am 5.11.2010 Klage beim Sozialgericht Ulm (Verfahren S 13 KR 1110/11); außerdem beantragte er Prozesskostenhilfe. In der (per Fax) übersandten Klageschrift führte er aus, die Begründung erfolge nach Akteneinsicht.
Das Sozialgericht gab die Klageschrift zunächst an die Beklagte zurück, weil der Kläger die Klageschrift in deren Betreff als „Widerspruch“ bezeichnet hatte. Mit Schreiben vom 1.2.2011 sandte die Beklagte die Klageschrift an das Sozialgericht zurück; diese sei als Klage und nicht als Widerspruch zu werten.
Mit Verfügung vom 4.5.2011 bat das Sozialgericht den Kläger um Mitteilung binnen dreier Wochen, ob er sich ein Hörgerät angeschafft habe; ggf. möge er die Rechnung vorlegen. Dem Schreiben war offenbar das Formular zur Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht (Schweigepflichtentbindungserklärung) beigefügt. Mit Verfügung vom 21.7.2011 erinnerte das Sozialgericht den Kläger an die Beantwortung der Anfrage vom 4.5.2011. Hierfür wurde eine Frist bis 15.8.2011 gesetzt. Am 22.7.2011 teilte der Kläger dem Sozialgericht telefonisch mit, ihm liege das Schreiben des Gerichts vom 4.5.2011 nicht vor. Mit Verfügung vom 2.8.2011 übersandte das Sozialgericht dem Kläger eine Mehrfertigung der Verfügung vom 4.5.2011 und bat um Stellungnahme bis 15.8.2011.
Am 1.9.2011 ging beim Sozialgericht ein Fax des Klägers ein. Dieses enthält eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung. Angegeben ist ein Arzt (Dr. M.); die Unterschrift des Klägers fehlt.
Mit Verfügung vom 2.9.2011 teilte das Sozialgericht dem Kläger mit, er habe die Schweigepflichtentbindungserklärung nur unvollständig übersandt, insbesondere ohne Unterschrift. Damit habe er keine rechtsgültige Erklärung abgegeben. Es werde gebeten, dies binnen drei Monaten nach Erhalt dieses Schreibens nachzuholen. Außerdem fehle die Antwort auf die Anfrage vom 4.5.2011 und ggf. Übersendung der Rechnung. Ohne diese Angaben und Nachweise könne der Rechtsstreit nicht entschieden werden. Der Verfügung ist abschließend folgender Hinweis beigefügt: Wenn Sie sich innerhalb der Frist nicht äußern und meine Fragen vollständig beantworten und die Entbindungserklärung sowie ggf. die Rechnung in Kopie übersenden, gehe ich davon aus, dass Sie kein Interesse an der Fortführung des Rechtsstreits haben und die Klage damit gemäß § 102 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gilt. Die Verfügung ist von der zuständigen Richterin handschriftlich verfasst und mit deren (vollständigen) Nachnamen unterschrieben. Die Verfügung wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 3.9.2011 zugestellt.
Mit Beschluss vom 12.12.2011 lehnte das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte es aus, das Klageverfahren sei bereits durch fiktive Klagerücknahme beendet. Nach Abschluss des Verfahrens könne Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr bewilligt werden. Das Gericht habe die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht verzögert. Entscheidungsreife sei mangels Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht eingetreten.
Mit Verfügung vom 13.12.2011 wurde dem Kläger der im Prozesskostenhilfeverfahren ergangene Beschluss vom 12.12.2011 übersandt. In der Verfügung ist außerdem ausgeführt: Nachdem Sie der Aufforderung vom 2.9.2011, das Verfahren binnen drei Monaten weiterzubetreiben, nicht gefolgt sind, gilt die Klage gemäß § 102 SGG als zurückgenommen. Damit ist der Rechtsstreit erledigt. Die Verfügung trägt den Vermerk „auf richterliche Anordnung“ und den Namen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Dieser hat die Verfügung auch mit seiner Paraphe abgezeichnet. Eine der Verfügung vom 13.12.2011 zu Grunde liegende richterliche Verfügung ist in der Gerichtsakte nicht vorhanden.
Mit am 15.12.2011 beim Sozialgericht eingegangenem (Fax-)Schreiben suchte der Kläger erneut um Rechtsschutz nach (Verfahren S 13 KR 4255/11). In dem unter Angabe des Aktenzeichens S 13 KR 1110/11 an das „SG Ulm“ adressierten Schreiben heißt es, es werde Beschwerde und Widerspruch eingelegt. Die Begründung erfolge nach Akteneinsicht. Außerdem werde Prozesskostenhilfe beantragt.
10 
Mit Verfügung vom 10.1.2012 teilte das Sozialgericht dem Kläger mit, das Schreiben vom 15.12.2011 werde als Antrag auf Fortsetzung des Klageverfahrens S 13 KR 1110/11 angesehen. Gründe für eine Fortsetzung des Verfahrens seien jedoch weder ersichtlich noch geltend gemacht. Es sei beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden. Es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.1.2012.
11 
Mit Gerichtsbescheid vom 3.12.2012 stellte das Sozialgericht fest, dass der Rechtsstreit S 13 KR 1110/11 in der Hauptsache durch Rücknahme der Klage erledigt ist. Zur Begründung führte es aus, der Rechtsstreit S 13 KR 1110/11 sei durch Rücknahme der Klage erledigt, weshalb eine Sachentscheidung über das Begehren des Klägers, das dieser immer noch nicht konkretisiert habe, nicht mehr getroffen werden könne. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gelte die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Der Kläger sei aufgefordert worden, das Verfahren zu betreiben. Ihm sei mit der ihm am 3.9.2011 zugestellten Verfügung aufgegeben worden, die Schweigepflichtentbindungserklärung vollständig und unterzeichnet vorzulegen, und zu erklären, ob er ein Hörgerät angeschafft habe; ggf. solle er die Rechnung vorlegen. Er sei auch auf die Rechtsfolgen des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG (Rücknahmefiktion) hingewiesen worden. Der Kläger habe sich innerhalb der Dreimonatsfrist nicht geäußert, weshalb von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses auszugehen sei (BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 -). Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestünden, da der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten verletzt habe, indem er weder eine Schweigepflichtentbindungserklärung vorgelegt noch sich auf die gerichtliche Anfrage vom 4.5.2011 geäußert oder die Klage begründet habe.
12 
Mit Beschluss (ebenfalls) vom 3.2.2012 lehnte das Sozialgericht (auch) den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ab. Zur Begründung wiederholte es die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids vom gleichen Tag.
13 
Auf den ihm am 7.2.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit (Fax-)Schreiben vom 8.2.2012 Berufung (als „Widerspruch“ bezeichnet) eingelegt. Das Berufungsschreiben, in dem das Aktenzeichen S 13 KR 4255/11 angegeben ist, ist beim Sozialgericht am 8.2.2012 eingegangen.
14 
Am 6.3.2012 ging beim Sozialgericht (erneut) eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung des Klägers ein.
15 
Mit Beschluss vom 28.6.2012 ist dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., O. (zu den Bedingungen eines im Bezirk des Landessozialgerichts ansässigen Rechtsanwalts) gewährt worden. Der Kläger hat trotz mehrfacher Nachfrage bislang nicht mitgeteilt, ob er Rechtsanwalt K. mit der Prozessvertretung beauftragt hat. Auch eine Berufungsbegründung ist nicht vorgelegt worden.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 aufzuheben und das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzusetzen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 für beendet.
21 
Mit an das Sozialgericht gerichtetem Schreiben vom 21.5.2012 erhob der Kläger erneut Klage mit dem Begehren, das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzusetzen, und stellte die Erfüllung der Mitwirkungspflicht in Aussicht (Verfahren S 8 KR 1648/12). Mit Urteil vom 9.1.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit des Streitgegenstands unzulässig. Die Fortführung des Klageverfahrens S 13 KR 1110/11 sei Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens (L 5 KR 605/02).
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
23 
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten ist; der Kläger begehrt in der Sache offenbar die Gewährung eines mehrkostenpflichtigen Hörgeräts (als Sachleistung) bzw. die Übernahme der den einschlägigen Festbetrag übersteigenden Kosten eines solchen Hörgeräts (als Geldleistung). § 144 SGG ist vorliegend nicht anwendbar. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die im angefochtenen Gerichtsbescheid getroffene Feststellung, dass das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 beendet ist, und nicht die vom Kläger letztendlich begehrte Sach- oder Geldleistung (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30.8.2012, - L 2 AS 132/12 -). Eine vermögensrechtliche Streitigkeit (von geringem Wert) - bei der die Berufung auch im Fall der Untätigkeitsklage nach Maßgabe des § 144 SGG zulassungspflichtig wäre (BSG, Beschl. v. 6.10.2011, - B 9 SB 45/11 B -) liegt daher nicht vor (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -).
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 102 Abs.2 Satz 1 SGG unter denen die Klage als zurückgenommen gilt, sind nicht erfüllt. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Das Sozialgericht wird das bei ihm anhängig gebliebene Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzuführen haben.
1.)
25 
Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt. In der Betreibens-aufforderung ist der Kläger auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG und ggf. aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegt formellen, materiellen und inhaltlichen Anforderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht Grundlage der Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sein kann.
a.)
26 
In formeller Hinsicht muss wegen der einschneidenden Folgen der Rücknahmefiktion sichergestellt sein, dass es sich bei der Betreibensaufforderung nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Richter nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deswegen muss die Betreibensaufforderung nach der Rechtsprechung des BSG vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht. Auch die gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift der Betreibensaufforderung muss diesen Umstand erkennen lassen, d. h. durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -).
b.)
27 
In materieller Hinsicht setzt das Ergehen einer Betreibensaufforderung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG voraus, dass sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen.
28 
Die Regelung des § 102 SGG über die Fiktion der Klagrücknahme hat die entsprechenden Vorschriften in § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO (vgl. zum Berufungsverfahren § 126 Abs. 2 VwGO bzw. § 156 Abs. 2 SGG) zum Vorbild. Diese Vorschriften regeln die Fiktion der Klagerücknahme für das Verfahrensrecht des Asylprozesses bzw. des allgemeinen Verwaltungsprozesses. Das Gesetz unterstellt, dass das Rechtsschutzinteresse an der Klage weggefallen ist, wenn der Kläger über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in hinreichendem Maße tätig geworden ist.
29 
Die Fiktion der Klagrücknahme greift in das (Prozess-)Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. in die entsprechenden Verfahrensgehalte der im Einzelfall betroffenen materiellen Grundrechte ein. Das ist grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschl. v. 27.10.1998, - 2 BvR 2662/95 - zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO; auch Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -) darf ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgehen, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Die hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels Sachbescheidungsinteresses ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das BVerfG hat zugleich aber entschieden, dass Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG, a. a. O.; auch BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - m. w. N.). Demzufolge ist in den einschlägigen Gesetzesmaterialien auch ausgeführt, dass „die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen“ darf (BT-Drs. 16/7716 S. 19 zu Nummer 17 <§ 102>). Die Anwendung der Rücknahmefiktion kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.5.1993, - 2 BvR 1972/92 -; BSG, 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -). Angesichts der gravierenden, den Rechtsschutz jedenfalls im konkreten Verfahren ohne Sachprüfung abschneidenden Wirkung der Rücknahmefiktion gebietet Art. 19 Abs. 4 GG eine strenge Prüfung der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch das BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 - zu § 92 Abs. 2 VwGO).
30 
Sachlich begründbare Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses können sich insbesondere aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten des Klägers ergeben. Insoweit ist aber zu beachten, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG keine Sanktion für prozessuales Fehlverhalten darstellt (vgl. etwa BVerfG Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -). Außerdem gilt (auch) für den Sozialgerichtsprozess nicht der Beibringungs-, sondern der Untersuchungsgrundsatz (Amtsermittlungsgrundsatz). Gem. § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) der Beteiligten, auch des Klägers, ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht (NK-VwGO/Rixen, § 86 Rdnr. 63) und durch diese auch begrenzt. Insbesondere kann auf das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht schon (allein) deshalb geschlossen werden, weil der Kläger eine Klagebegründung nicht vorlegt, zumal er dazu gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG nicht verpflichtet ist, sondern die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel nur angeben „soll“ (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 30.8.2011, - L 9 AS 61/10 -). Allerdings muss das Gericht Ermittlungen auch nicht „ins Blaue“ anstellen (so BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - zum Fehlen von Widerspruchs, Klage- und Berufungsbegründung). Prozessuale Folgerungen aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht unterliegen schließlich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb muss das Gericht ggf. zunächst von den Befugnissen nach § 106a SGG Gebrauch machen und etwa dem Kläger eine Frist zum Vortrag von Tatsachen oder zur Vorlage von Urkunden setzen und verspätetes Vorbringen von Erklärungen oder Beweismitteln unter den Voraussetzungen des § 106a Abs. 3 SGG zurückweisen, gleichwohl aber eine Sachentscheidung treffen; insoweit gilt der Grundsatz „Fristsetzung“ (nach § 106a SGG) vor Betreibensaufforderung“ (NK-VwGO/Schmid § 92, Rdnr. 31). Das Gericht kann je nach Fallgestaltung auch auf die Grundsätze der objektiven Beweislast und der Beweisvereitelung (dazu etwa MünchKomm-ZPO/Prütting § 286 Rdnr. 80 ff. m. w. N.) hinweisen oder nach diesen Grundsätzen eine Sachentscheidung treffen. Eine Betreibensaufforderung, die ergeht, ohne dass zuvor die nach Lage der Dinge vorrangigen prozessualen Handlungsmittel angewendet worden sind, oder die sich nicht auf hinreichend begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an einer gerichtlichen Sachentscheidung stützen kann, ist unzulässig; sie kann nicht Grundlage der in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgesehenen Rücknahmefiktion sein.
c.)
31 
In inhaltlicher Hinsicht muss die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG einen bestimmten Inhalt haben. Dem Kläger muss klar und unzweifelhaft deutlich gemacht werden, welche Verfahrenshandlung er vornehmen muss, um die Fiktion der Rücknahme seiner Klage abzuwenden. Die Handlungen zum (hinreichenden) Betreiben des Verfahrens müssen - abhängig vom Stand des Verfahrens - möglichst konkret bezeichnet werden; allgemeine Aufforderungen zum Tätigwerden genügen grundsätzlich nicht (vgl. Meyer/Ladewig, SGG § 102 Rdnr. 8c; NK-VwGO/Schmid § 92 Rdnr. 33; LSG Baden-Württemberg Urt. v. 12.7.2011 - L 11 KR 1429/11 -).
2.)
32 
Davon ausgehend kann der angefochtene Gerichtsbescheid keinen Bestand haben. Die - im Verfahren S 13 KR 1110/11 erhobene - Klage des Klägers gilt nicht als zurückgenommen. Die in diesem Verfahren ergangene Betreibensaufforderung vom 2.9.2011 gibt dafür keine Grundlage, da sie zu Unrecht ergangen ist. Hinreichende Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an gerichtlichem Rechtsschutz lagen nicht vor. Außerdem hätte das Sozialgericht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Erlass einer Betreibensaufforderung zunächst andere (mildere) prozessuale Handlungsmittel ergreifen und auch über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entscheiden müssen.
33 
Der Kläger hat zwar eine Klagebegründung nicht vorgelegt. Dazu war er aber gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG auch nicht verpflichtet. Außerdem ist sein Begehren ohne Weiteres den vom Sozialgericht beigezogenen Verwaltungsakten, namentlich dem Widerspruchsbescheid vom 4.11.2010, zu entnehmen. Der Kläger hat die Vorlage einer Klagebegründung nach der in der Klageschrift zugleich beantragten Akteneinsicht angekündigt. Akteneinsicht ist dem Kläger allerdings nicht gewährt worden, obwohl er gem. § 120 SGG darauf Anspruch hat, etwa durch Einsichtnahme in die Akten auf der Geschäftsstelle des Sozialgerichts. Dies ist ihm auch nicht angeboten worden. Das Ausbleiben einer Klagebegründung rechtfertigt die Annahme, der Kläger habe kein Interesse an einer Sachentscheidung mehr, daher nicht. Der Kläger hat außerdem die Frage des Sozialgerichts nach einer etwaigen (Selbst-)Beschaffung eines Hörgeräts nicht beantwortet. Auch deswegen hat eine Betreibensaufforderung aber nicht ergehen dürfen. Geht es, wie hier, um die Angabe bestimmter Tatsachen, ist regelmäßig zunächst eine Frist nach § 106a SGG zu setzen. Erst nach fruchtloser Anwendung dieses Handlungsmittels kommt ggf. eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Frage, wobei freilich zu bedenken ist, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG nicht der Sanktionierung nachlässiger Prozessführung oder unzureichender Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts dient, sondern nur in Betracht kommt, wenn das Prozessverhalten insgesamt zu der Annahme berechtigt, der Kläger habe das Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts verloren. Das Sozialgericht hat den Kläger schließlich zur Erforschung des Sachverhalts gem. § 103 SGG herangezogen, indem es ihm aufgegeben hat, eine Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, damit behandelnde Ärzte, etwa zur Erforderlichkeit eines (bestimmten) Hörgeräts, befragt werden können. Der Kläger ist dem nur unzureichend nachgekommen, indem er dem Sozialgericht nur eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung hat zukommen lassen. Die Weigerung des Klägers, in zumutbarer Weise an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, bspw. die Befragung behandelnder Ärzte zu ermöglichen oder sich einer Begutachtung zu unterziehen, gibt aber regelmäßig Veranlassung - zunächst - auf die objektive Beweislast des Klägers für die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Leistungsanspruchs und die Möglichkeit einer ihm nachteiligen Beweislastentscheidung hinzuweisen. Außerdem kann die Weigerung eines Klägers zur Mitwirkung an der medizinischen Sachaufklärung unterschiedliche, und sei es auch meist nicht berechtigte, Gründe haben; diese müssen nicht darin bestehen, dass ein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht (mehr) besteht.
34 
Schließlich hat der Kläger mit der Klageerhebung zugleich Prozesskostenhilfe beantragt, und damit erreichen wollen, dass ihm der Rechtsschutz durch das Sozialgericht und damit das Betreiben eines sozialgerichtlichen Verfahrens zugänglich gemacht wird (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011, - 1 BvR 1403/09 -); das lässt sein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts zusätzlich hervortreten. Über den Prozesskostenhilfeantrag hat das Sozialgericht erst entschieden, als - nach seiner unzutreffenden Rechtsauffassung - die in der Hauptsache erhobene Klage schon als zurückgenommen galt. Im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe, den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, ist es aber grundsätzlich nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag zu befinden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.2.2013, - L 5 KR 2366/12 B -). Das gilt auch für die Anwendung der Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme. Ist der Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entscheidungsreif, muss ggf. zuerst Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (i. V. m. 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) gesetzt werden zur Glaubhaftmachung der Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder zur Beantwortung bestimmter Fragen des Gerichts; bei fruchtlosem Verstreichen der Frist ist der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen. Vor der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag kann dem Kläger, der sich ohne die Hilfe eines beigeordneten Rechtsanwalts (zur Anwaltsbeiordnung als alleinigem Antragsziel in gerichtskostenfreien Verfahren Meyer/Ladewig, SGG § 73a Rdnr. 9) offenbar zur Rechtsverfolgung vor Gericht außerstande sieht, das Betreiben des Gerichtsverfahrens nicht aufgegeben werden.
35 
Insgesamt durfte das Sozialgericht daher eine Betreibensaufforderung (noch) nicht erlassen. Die gleichwohl mit Verfügung vom 2.9.2011 ergangene Betreibensaufforderung kann die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht auslösen.
III.
36 
Da das Sozialgericht zu Unrecht festgestellt hat, dass die im Verfahren S 13 KR 1110/13 erhobene Klage des Klägers als zurückgenommen gilt, ist sein Gerichtsbescheid auf die Berufung des Klägers aufzuheben. Der Senat braucht die Sache nicht gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Sie ist dort nach wie vor anhängig und beim Landessozialgericht durch die Berufung des Klägers nicht anhängig geworden. Das Sozialgericht wird das Klageverfahren daher fortzuführen haben (so auch LSG Bayern, Urt. v. 12.7.2011, - L 11 AS 582/ 10 -; anders etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.07.2011, - L 11 KR 1429/11 -, LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.7.2012, - L 7 AS 776/11 -; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.6.2010, - L 5 AS 217/10 -: Zurückverweisung der Sache).
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
38 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
I.
23 
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten ist; der Kläger begehrt in der Sache offenbar die Gewährung eines mehrkostenpflichtigen Hörgeräts (als Sachleistung) bzw. die Übernahme der den einschlägigen Festbetrag übersteigenden Kosten eines solchen Hörgeräts (als Geldleistung). § 144 SGG ist vorliegend nicht anwendbar. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die im angefochtenen Gerichtsbescheid getroffene Feststellung, dass das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 beendet ist, und nicht die vom Kläger letztendlich begehrte Sach- oder Geldleistung (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30.8.2012, - L 2 AS 132/12 -). Eine vermögensrechtliche Streitigkeit (von geringem Wert) - bei der die Berufung auch im Fall der Untätigkeitsklage nach Maßgabe des § 144 SGG zulassungspflichtig wäre (BSG, Beschl. v. 6.10.2011, - B 9 SB 45/11 B -) liegt daher nicht vor (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -).
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 102 Abs.2 Satz 1 SGG unter denen die Klage als zurückgenommen gilt, sind nicht erfüllt. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Das Sozialgericht wird das bei ihm anhängig gebliebene Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzuführen haben.
1.)
25 
Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt. In der Betreibens-aufforderung ist der Kläger auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG und ggf. aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegt formellen, materiellen und inhaltlichen Anforderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht Grundlage der Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sein kann.
a.)
26 
In formeller Hinsicht muss wegen der einschneidenden Folgen der Rücknahmefiktion sichergestellt sein, dass es sich bei der Betreibensaufforderung nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Richter nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deswegen muss die Betreibensaufforderung nach der Rechtsprechung des BSG vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht. Auch die gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift der Betreibensaufforderung muss diesen Umstand erkennen lassen, d. h. durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -).
b.)
27 
In materieller Hinsicht setzt das Ergehen einer Betreibensaufforderung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG voraus, dass sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen.
28 
Die Regelung des § 102 SGG über die Fiktion der Klagrücknahme hat die entsprechenden Vorschriften in § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO (vgl. zum Berufungsverfahren § 126 Abs. 2 VwGO bzw. § 156 Abs. 2 SGG) zum Vorbild. Diese Vorschriften regeln die Fiktion der Klagerücknahme für das Verfahrensrecht des Asylprozesses bzw. des allgemeinen Verwaltungsprozesses. Das Gesetz unterstellt, dass das Rechtsschutzinteresse an der Klage weggefallen ist, wenn der Kläger über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in hinreichendem Maße tätig geworden ist.
29 
Die Fiktion der Klagrücknahme greift in das (Prozess-)Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. in die entsprechenden Verfahrensgehalte der im Einzelfall betroffenen materiellen Grundrechte ein. Das ist grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschl. v. 27.10.1998, - 2 BvR 2662/95 - zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO; auch Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -) darf ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgehen, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Die hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels Sachbescheidungsinteresses ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das BVerfG hat zugleich aber entschieden, dass Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG, a. a. O.; auch BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - m. w. N.). Demzufolge ist in den einschlägigen Gesetzesmaterialien auch ausgeführt, dass „die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen“ darf (BT-Drs. 16/7716 S. 19 zu Nummer 17 <§ 102>). Die Anwendung der Rücknahmefiktion kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.5.1993, - 2 BvR 1972/92 -; BSG, 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -). Angesichts der gravierenden, den Rechtsschutz jedenfalls im konkreten Verfahren ohne Sachprüfung abschneidenden Wirkung der Rücknahmefiktion gebietet Art. 19 Abs. 4 GG eine strenge Prüfung der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch das BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 - zu § 92 Abs. 2 VwGO).
30 
Sachlich begründbare Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses können sich insbesondere aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten des Klägers ergeben. Insoweit ist aber zu beachten, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG keine Sanktion für prozessuales Fehlverhalten darstellt (vgl. etwa BVerfG Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -). Außerdem gilt (auch) für den Sozialgerichtsprozess nicht der Beibringungs-, sondern der Untersuchungsgrundsatz (Amtsermittlungsgrundsatz). Gem. § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) der Beteiligten, auch des Klägers, ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht (NK-VwGO/Rixen, § 86 Rdnr. 63) und durch diese auch begrenzt. Insbesondere kann auf das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht schon (allein) deshalb geschlossen werden, weil der Kläger eine Klagebegründung nicht vorlegt, zumal er dazu gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG nicht verpflichtet ist, sondern die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel nur angeben „soll“ (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 30.8.2011, - L 9 AS 61/10 -). Allerdings muss das Gericht Ermittlungen auch nicht „ins Blaue“ anstellen (so BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - zum Fehlen von Widerspruchs, Klage- und Berufungsbegründung). Prozessuale Folgerungen aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht unterliegen schließlich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb muss das Gericht ggf. zunächst von den Befugnissen nach § 106a SGG Gebrauch machen und etwa dem Kläger eine Frist zum Vortrag von Tatsachen oder zur Vorlage von Urkunden setzen und verspätetes Vorbringen von Erklärungen oder Beweismitteln unter den Voraussetzungen des § 106a Abs. 3 SGG zurückweisen, gleichwohl aber eine Sachentscheidung treffen; insoweit gilt der Grundsatz „Fristsetzung“ (nach § 106a SGG) vor Betreibensaufforderung“ (NK-VwGO/Schmid § 92, Rdnr. 31). Das Gericht kann je nach Fallgestaltung auch auf die Grundsätze der objektiven Beweislast und der Beweisvereitelung (dazu etwa MünchKomm-ZPO/Prütting § 286 Rdnr. 80 ff. m. w. N.) hinweisen oder nach diesen Grundsätzen eine Sachentscheidung treffen. Eine Betreibensaufforderung, die ergeht, ohne dass zuvor die nach Lage der Dinge vorrangigen prozessualen Handlungsmittel angewendet worden sind, oder die sich nicht auf hinreichend begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an einer gerichtlichen Sachentscheidung stützen kann, ist unzulässig; sie kann nicht Grundlage der in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgesehenen Rücknahmefiktion sein.
c.)
31 
In inhaltlicher Hinsicht muss die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG einen bestimmten Inhalt haben. Dem Kläger muss klar und unzweifelhaft deutlich gemacht werden, welche Verfahrenshandlung er vornehmen muss, um die Fiktion der Rücknahme seiner Klage abzuwenden. Die Handlungen zum (hinreichenden) Betreiben des Verfahrens müssen - abhängig vom Stand des Verfahrens - möglichst konkret bezeichnet werden; allgemeine Aufforderungen zum Tätigwerden genügen grundsätzlich nicht (vgl. Meyer/Ladewig, SGG § 102 Rdnr. 8c; NK-VwGO/Schmid § 92 Rdnr. 33; LSG Baden-Württemberg Urt. v. 12.7.2011 - L 11 KR 1429/11 -).
2.)
32 
Davon ausgehend kann der angefochtene Gerichtsbescheid keinen Bestand haben. Die - im Verfahren S 13 KR 1110/11 erhobene - Klage des Klägers gilt nicht als zurückgenommen. Die in diesem Verfahren ergangene Betreibensaufforderung vom 2.9.2011 gibt dafür keine Grundlage, da sie zu Unrecht ergangen ist. Hinreichende Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an gerichtlichem Rechtsschutz lagen nicht vor. Außerdem hätte das Sozialgericht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Erlass einer Betreibensaufforderung zunächst andere (mildere) prozessuale Handlungsmittel ergreifen und auch über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entscheiden müssen.
33 
Der Kläger hat zwar eine Klagebegründung nicht vorgelegt. Dazu war er aber gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG auch nicht verpflichtet. Außerdem ist sein Begehren ohne Weiteres den vom Sozialgericht beigezogenen Verwaltungsakten, namentlich dem Widerspruchsbescheid vom 4.11.2010, zu entnehmen. Der Kläger hat die Vorlage einer Klagebegründung nach der in der Klageschrift zugleich beantragten Akteneinsicht angekündigt. Akteneinsicht ist dem Kläger allerdings nicht gewährt worden, obwohl er gem. § 120 SGG darauf Anspruch hat, etwa durch Einsichtnahme in die Akten auf der Geschäftsstelle des Sozialgerichts. Dies ist ihm auch nicht angeboten worden. Das Ausbleiben einer Klagebegründung rechtfertigt die Annahme, der Kläger habe kein Interesse an einer Sachentscheidung mehr, daher nicht. Der Kläger hat außerdem die Frage des Sozialgerichts nach einer etwaigen (Selbst-)Beschaffung eines Hörgeräts nicht beantwortet. Auch deswegen hat eine Betreibensaufforderung aber nicht ergehen dürfen. Geht es, wie hier, um die Angabe bestimmter Tatsachen, ist regelmäßig zunächst eine Frist nach § 106a SGG zu setzen. Erst nach fruchtloser Anwendung dieses Handlungsmittels kommt ggf. eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Frage, wobei freilich zu bedenken ist, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG nicht der Sanktionierung nachlässiger Prozessführung oder unzureichender Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts dient, sondern nur in Betracht kommt, wenn das Prozessverhalten insgesamt zu der Annahme berechtigt, der Kläger habe das Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts verloren. Das Sozialgericht hat den Kläger schließlich zur Erforschung des Sachverhalts gem. § 103 SGG herangezogen, indem es ihm aufgegeben hat, eine Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, damit behandelnde Ärzte, etwa zur Erforderlichkeit eines (bestimmten) Hörgeräts, befragt werden können. Der Kläger ist dem nur unzureichend nachgekommen, indem er dem Sozialgericht nur eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung hat zukommen lassen. Die Weigerung des Klägers, in zumutbarer Weise an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, bspw. die Befragung behandelnder Ärzte zu ermöglichen oder sich einer Begutachtung zu unterziehen, gibt aber regelmäßig Veranlassung - zunächst - auf die objektive Beweislast des Klägers für die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Leistungsanspruchs und die Möglichkeit einer ihm nachteiligen Beweislastentscheidung hinzuweisen. Außerdem kann die Weigerung eines Klägers zur Mitwirkung an der medizinischen Sachaufklärung unterschiedliche, und sei es auch meist nicht berechtigte, Gründe haben; diese müssen nicht darin bestehen, dass ein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht (mehr) besteht.
34 
Schließlich hat der Kläger mit der Klageerhebung zugleich Prozesskostenhilfe beantragt, und damit erreichen wollen, dass ihm der Rechtsschutz durch das Sozialgericht und damit das Betreiben eines sozialgerichtlichen Verfahrens zugänglich gemacht wird (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011, - 1 BvR 1403/09 -); das lässt sein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts zusätzlich hervortreten. Über den Prozesskostenhilfeantrag hat das Sozialgericht erst entschieden, als - nach seiner unzutreffenden Rechtsauffassung - die in der Hauptsache erhobene Klage schon als zurückgenommen galt. Im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe, den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, ist es aber grundsätzlich nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag zu befinden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.2.2013, - L 5 KR 2366/12 B -). Das gilt auch für die Anwendung der Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme. Ist der Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entscheidungsreif, muss ggf. zuerst Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (i. V. m. 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) gesetzt werden zur Glaubhaftmachung der Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder zur Beantwortung bestimmter Fragen des Gerichts; bei fruchtlosem Verstreichen der Frist ist der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen. Vor der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag kann dem Kläger, der sich ohne die Hilfe eines beigeordneten Rechtsanwalts (zur Anwaltsbeiordnung als alleinigem Antragsziel in gerichtskostenfreien Verfahren Meyer/Ladewig, SGG § 73a Rdnr. 9) offenbar zur Rechtsverfolgung vor Gericht außerstande sieht, das Betreiben des Gerichtsverfahrens nicht aufgegeben werden.
35 
Insgesamt durfte das Sozialgericht daher eine Betreibensaufforderung (noch) nicht erlassen. Die gleichwohl mit Verfügung vom 2.9.2011 ergangene Betreibensaufforderung kann die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht auslösen.
III.
36 
Da das Sozialgericht zu Unrecht festgestellt hat, dass die im Verfahren S 13 KR 1110/13 erhobene Klage des Klägers als zurückgenommen gilt, ist sein Gerichtsbescheid auf die Berufung des Klägers aufzuheben. Der Senat braucht die Sache nicht gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Sie ist dort nach wie vor anhängig und beim Landessozialgericht durch die Berufung des Klägers nicht anhängig geworden. Das Sozialgericht wird das Klageverfahren daher fortzuführen haben (so auch LSG Bayern, Urt. v. 12.7.2011, - L 11 AS 582/ 10 -; anders etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.07.2011, - L 11 KR 1429/11 -, LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.7.2012, - L 7 AS 776/11 -; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.6.2010, - L 5 AS 217/10 -: Zurückverweisung der Sache).
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
38 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt.

(2) Der Vorsitzende kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 wird aufgehoben. Das Klageverfahren des Klägers S 13 KR 1110/11 ist fortzuführen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die gerichtliche Feststellung der Klagerücknahme (Rücknahmefiktion).
Der (1957 geborene) Kläger, Mitglied der Beklagten, begehrt in der Sache die Gewährung eines den einschlägigen Festbetrag übersteigenden (mehrkostenpflichtigen) Hörgeräts. Nach erfolglosem Verwaltungsverfahren (Ablehnungsbescheid vom 11.11.2009, Widerspruchsbescheid vom 4.11.2010) erhob er am 5.11.2010 Klage beim Sozialgericht Ulm (Verfahren S 13 KR 1110/11); außerdem beantragte er Prozesskostenhilfe. In der (per Fax) übersandten Klageschrift führte er aus, die Begründung erfolge nach Akteneinsicht.
Das Sozialgericht gab die Klageschrift zunächst an die Beklagte zurück, weil der Kläger die Klageschrift in deren Betreff als „Widerspruch“ bezeichnet hatte. Mit Schreiben vom 1.2.2011 sandte die Beklagte die Klageschrift an das Sozialgericht zurück; diese sei als Klage und nicht als Widerspruch zu werten.
Mit Verfügung vom 4.5.2011 bat das Sozialgericht den Kläger um Mitteilung binnen dreier Wochen, ob er sich ein Hörgerät angeschafft habe; ggf. möge er die Rechnung vorlegen. Dem Schreiben war offenbar das Formular zur Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht (Schweigepflichtentbindungserklärung) beigefügt. Mit Verfügung vom 21.7.2011 erinnerte das Sozialgericht den Kläger an die Beantwortung der Anfrage vom 4.5.2011. Hierfür wurde eine Frist bis 15.8.2011 gesetzt. Am 22.7.2011 teilte der Kläger dem Sozialgericht telefonisch mit, ihm liege das Schreiben des Gerichts vom 4.5.2011 nicht vor. Mit Verfügung vom 2.8.2011 übersandte das Sozialgericht dem Kläger eine Mehrfertigung der Verfügung vom 4.5.2011 und bat um Stellungnahme bis 15.8.2011.
Am 1.9.2011 ging beim Sozialgericht ein Fax des Klägers ein. Dieses enthält eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung. Angegeben ist ein Arzt (Dr. M.); die Unterschrift des Klägers fehlt.
Mit Verfügung vom 2.9.2011 teilte das Sozialgericht dem Kläger mit, er habe die Schweigepflichtentbindungserklärung nur unvollständig übersandt, insbesondere ohne Unterschrift. Damit habe er keine rechtsgültige Erklärung abgegeben. Es werde gebeten, dies binnen drei Monaten nach Erhalt dieses Schreibens nachzuholen. Außerdem fehle die Antwort auf die Anfrage vom 4.5.2011 und ggf. Übersendung der Rechnung. Ohne diese Angaben und Nachweise könne der Rechtsstreit nicht entschieden werden. Der Verfügung ist abschließend folgender Hinweis beigefügt: Wenn Sie sich innerhalb der Frist nicht äußern und meine Fragen vollständig beantworten und die Entbindungserklärung sowie ggf. die Rechnung in Kopie übersenden, gehe ich davon aus, dass Sie kein Interesse an der Fortführung des Rechtsstreits haben und die Klage damit gemäß § 102 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gilt. Die Verfügung ist von der zuständigen Richterin handschriftlich verfasst und mit deren (vollständigen) Nachnamen unterschrieben. Die Verfügung wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 3.9.2011 zugestellt.
Mit Beschluss vom 12.12.2011 lehnte das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte es aus, das Klageverfahren sei bereits durch fiktive Klagerücknahme beendet. Nach Abschluss des Verfahrens könne Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr bewilligt werden. Das Gericht habe die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht verzögert. Entscheidungsreife sei mangels Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht eingetreten.
Mit Verfügung vom 13.12.2011 wurde dem Kläger der im Prozesskostenhilfeverfahren ergangene Beschluss vom 12.12.2011 übersandt. In der Verfügung ist außerdem ausgeführt: Nachdem Sie der Aufforderung vom 2.9.2011, das Verfahren binnen drei Monaten weiterzubetreiben, nicht gefolgt sind, gilt die Klage gemäß § 102 SGG als zurückgenommen. Damit ist der Rechtsstreit erledigt. Die Verfügung trägt den Vermerk „auf richterliche Anordnung“ und den Namen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Dieser hat die Verfügung auch mit seiner Paraphe abgezeichnet. Eine der Verfügung vom 13.12.2011 zu Grunde liegende richterliche Verfügung ist in der Gerichtsakte nicht vorhanden.
Mit am 15.12.2011 beim Sozialgericht eingegangenem (Fax-)Schreiben suchte der Kläger erneut um Rechtsschutz nach (Verfahren S 13 KR 4255/11). In dem unter Angabe des Aktenzeichens S 13 KR 1110/11 an das „SG Ulm“ adressierten Schreiben heißt es, es werde Beschwerde und Widerspruch eingelegt. Die Begründung erfolge nach Akteneinsicht. Außerdem werde Prozesskostenhilfe beantragt.
10 
Mit Verfügung vom 10.1.2012 teilte das Sozialgericht dem Kläger mit, das Schreiben vom 15.12.2011 werde als Antrag auf Fortsetzung des Klageverfahrens S 13 KR 1110/11 angesehen. Gründe für eine Fortsetzung des Verfahrens seien jedoch weder ersichtlich noch geltend gemacht. Es sei beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden. Es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.1.2012.
11 
Mit Gerichtsbescheid vom 3.12.2012 stellte das Sozialgericht fest, dass der Rechtsstreit S 13 KR 1110/11 in der Hauptsache durch Rücknahme der Klage erledigt ist. Zur Begründung führte es aus, der Rechtsstreit S 13 KR 1110/11 sei durch Rücknahme der Klage erledigt, weshalb eine Sachentscheidung über das Begehren des Klägers, das dieser immer noch nicht konkretisiert habe, nicht mehr getroffen werden könne. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gelte die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Der Kläger sei aufgefordert worden, das Verfahren zu betreiben. Ihm sei mit der ihm am 3.9.2011 zugestellten Verfügung aufgegeben worden, die Schweigepflichtentbindungserklärung vollständig und unterzeichnet vorzulegen, und zu erklären, ob er ein Hörgerät angeschafft habe; ggf. solle er die Rechnung vorlegen. Er sei auch auf die Rechtsfolgen des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG (Rücknahmefiktion) hingewiesen worden. Der Kläger habe sich innerhalb der Dreimonatsfrist nicht geäußert, weshalb von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses auszugehen sei (BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 -). Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestünden, da der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten verletzt habe, indem er weder eine Schweigepflichtentbindungserklärung vorgelegt noch sich auf die gerichtliche Anfrage vom 4.5.2011 geäußert oder die Klage begründet habe.
12 
Mit Beschluss (ebenfalls) vom 3.2.2012 lehnte das Sozialgericht (auch) den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ab. Zur Begründung wiederholte es die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids vom gleichen Tag.
13 
Auf den ihm am 7.2.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit (Fax-)Schreiben vom 8.2.2012 Berufung (als „Widerspruch“ bezeichnet) eingelegt. Das Berufungsschreiben, in dem das Aktenzeichen S 13 KR 4255/11 angegeben ist, ist beim Sozialgericht am 8.2.2012 eingegangen.
14 
Am 6.3.2012 ging beim Sozialgericht (erneut) eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung des Klägers ein.
15 
Mit Beschluss vom 28.6.2012 ist dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., O. (zu den Bedingungen eines im Bezirk des Landessozialgerichts ansässigen Rechtsanwalts) gewährt worden. Der Kläger hat trotz mehrfacher Nachfrage bislang nicht mitgeteilt, ob er Rechtsanwalt K. mit der Prozessvertretung beauftragt hat. Auch eine Berufungsbegründung ist nicht vorgelegt worden.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3.2.2012 aufzuheben und das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzusetzen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 für beendet.
21 
Mit an das Sozialgericht gerichtetem Schreiben vom 21.5.2012 erhob der Kläger erneut Klage mit dem Begehren, das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzusetzen, und stellte die Erfüllung der Mitwirkungspflicht in Aussicht (Verfahren S 8 KR 1648/12). Mit Urteil vom 9.1.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit des Streitgegenstands unzulässig. Die Fortführung des Klageverfahrens S 13 KR 1110/11 sei Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens (L 5 KR 605/02).
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
23 
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten ist; der Kläger begehrt in der Sache offenbar die Gewährung eines mehrkostenpflichtigen Hörgeräts (als Sachleistung) bzw. die Übernahme der den einschlägigen Festbetrag übersteigenden Kosten eines solchen Hörgeräts (als Geldleistung). § 144 SGG ist vorliegend nicht anwendbar. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die im angefochtenen Gerichtsbescheid getroffene Feststellung, dass das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 beendet ist, und nicht die vom Kläger letztendlich begehrte Sach- oder Geldleistung (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30.8.2012, - L 2 AS 132/12 -). Eine vermögensrechtliche Streitigkeit (von geringem Wert) - bei der die Berufung auch im Fall der Untätigkeitsklage nach Maßgabe des § 144 SGG zulassungspflichtig wäre (BSG, Beschl. v. 6.10.2011, - B 9 SB 45/11 B -) liegt daher nicht vor (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -).
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 102 Abs.2 Satz 1 SGG unter denen die Klage als zurückgenommen gilt, sind nicht erfüllt. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Das Sozialgericht wird das bei ihm anhängig gebliebene Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzuführen haben.
1.)
25 
Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt. In der Betreibens-aufforderung ist der Kläger auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG und ggf. aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegt formellen, materiellen und inhaltlichen Anforderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht Grundlage der Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sein kann.
a.)
26 
In formeller Hinsicht muss wegen der einschneidenden Folgen der Rücknahmefiktion sichergestellt sein, dass es sich bei der Betreibensaufforderung nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Richter nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deswegen muss die Betreibensaufforderung nach der Rechtsprechung des BSG vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht. Auch die gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift der Betreibensaufforderung muss diesen Umstand erkennen lassen, d. h. durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -).
b.)
27 
In materieller Hinsicht setzt das Ergehen einer Betreibensaufforderung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG voraus, dass sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen.
28 
Die Regelung des § 102 SGG über die Fiktion der Klagrücknahme hat die entsprechenden Vorschriften in § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO (vgl. zum Berufungsverfahren § 126 Abs. 2 VwGO bzw. § 156 Abs. 2 SGG) zum Vorbild. Diese Vorschriften regeln die Fiktion der Klagerücknahme für das Verfahrensrecht des Asylprozesses bzw. des allgemeinen Verwaltungsprozesses. Das Gesetz unterstellt, dass das Rechtsschutzinteresse an der Klage weggefallen ist, wenn der Kläger über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in hinreichendem Maße tätig geworden ist.
29 
Die Fiktion der Klagrücknahme greift in das (Prozess-)Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. in die entsprechenden Verfahrensgehalte der im Einzelfall betroffenen materiellen Grundrechte ein. Das ist grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschl. v. 27.10.1998, - 2 BvR 2662/95 - zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO; auch Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -) darf ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgehen, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Die hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels Sachbescheidungsinteresses ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das BVerfG hat zugleich aber entschieden, dass Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG, a. a. O.; auch BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - m. w. N.). Demzufolge ist in den einschlägigen Gesetzesmaterialien auch ausgeführt, dass „die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen“ darf (BT-Drs. 16/7716 S. 19 zu Nummer 17 <§ 102>). Die Anwendung der Rücknahmefiktion kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.5.1993, - 2 BvR 1972/92 -; BSG, 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -). Angesichts der gravierenden, den Rechtsschutz jedenfalls im konkreten Verfahren ohne Sachprüfung abschneidenden Wirkung der Rücknahmefiktion gebietet Art. 19 Abs. 4 GG eine strenge Prüfung der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch das BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 - zu § 92 Abs. 2 VwGO).
30 
Sachlich begründbare Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses können sich insbesondere aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten des Klägers ergeben. Insoweit ist aber zu beachten, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG keine Sanktion für prozessuales Fehlverhalten darstellt (vgl. etwa BVerfG Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -). Außerdem gilt (auch) für den Sozialgerichtsprozess nicht der Beibringungs-, sondern der Untersuchungsgrundsatz (Amtsermittlungsgrundsatz). Gem. § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) der Beteiligten, auch des Klägers, ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht (NK-VwGO/Rixen, § 86 Rdnr. 63) und durch diese auch begrenzt. Insbesondere kann auf das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht schon (allein) deshalb geschlossen werden, weil der Kläger eine Klagebegründung nicht vorlegt, zumal er dazu gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG nicht verpflichtet ist, sondern die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel nur angeben „soll“ (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 30.8.2011, - L 9 AS 61/10 -). Allerdings muss das Gericht Ermittlungen auch nicht „ins Blaue“ anstellen (so BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - zum Fehlen von Widerspruchs, Klage- und Berufungsbegründung). Prozessuale Folgerungen aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht unterliegen schließlich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb muss das Gericht ggf. zunächst von den Befugnissen nach § 106a SGG Gebrauch machen und etwa dem Kläger eine Frist zum Vortrag von Tatsachen oder zur Vorlage von Urkunden setzen und verspätetes Vorbringen von Erklärungen oder Beweismitteln unter den Voraussetzungen des § 106a Abs. 3 SGG zurückweisen, gleichwohl aber eine Sachentscheidung treffen; insoweit gilt der Grundsatz „Fristsetzung“ (nach § 106a SGG) vor Betreibensaufforderung“ (NK-VwGO/Schmid § 92, Rdnr. 31). Das Gericht kann je nach Fallgestaltung auch auf die Grundsätze der objektiven Beweislast und der Beweisvereitelung (dazu etwa MünchKomm-ZPO/Prütting § 286 Rdnr. 80 ff. m. w. N.) hinweisen oder nach diesen Grundsätzen eine Sachentscheidung treffen. Eine Betreibensaufforderung, die ergeht, ohne dass zuvor die nach Lage der Dinge vorrangigen prozessualen Handlungsmittel angewendet worden sind, oder die sich nicht auf hinreichend begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an einer gerichtlichen Sachentscheidung stützen kann, ist unzulässig; sie kann nicht Grundlage der in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgesehenen Rücknahmefiktion sein.
c.)
31 
In inhaltlicher Hinsicht muss die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG einen bestimmten Inhalt haben. Dem Kläger muss klar und unzweifelhaft deutlich gemacht werden, welche Verfahrenshandlung er vornehmen muss, um die Fiktion der Rücknahme seiner Klage abzuwenden. Die Handlungen zum (hinreichenden) Betreiben des Verfahrens müssen - abhängig vom Stand des Verfahrens - möglichst konkret bezeichnet werden; allgemeine Aufforderungen zum Tätigwerden genügen grundsätzlich nicht (vgl. Meyer/Ladewig, SGG § 102 Rdnr. 8c; NK-VwGO/Schmid § 92 Rdnr. 33; LSG Baden-Württemberg Urt. v. 12.7.2011 - L 11 KR 1429/11 -).
2.)
32 
Davon ausgehend kann der angefochtene Gerichtsbescheid keinen Bestand haben. Die - im Verfahren S 13 KR 1110/11 erhobene - Klage des Klägers gilt nicht als zurückgenommen. Die in diesem Verfahren ergangene Betreibensaufforderung vom 2.9.2011 gibt dafür keine Grundlage, da sie zu Unrecht ergangen ist. Hinreichende Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an gerichtlichem Rechtsschutz lagen nicht vor. Außerdem hätte das Sozialgericht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Erlass einer Betreibensaufforderung zunächst andere (mildere) prozessuale Handlungsmittel ergreifen und auch über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entscheiden müssen.
33 
Der Kläger hat zwar eine Klagebegründung nicht vorgelegt. Dazu war er aber gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG auch nicht verpflichtet. Außerdem ist sein Begehren ohne Weiteres den vom Sozialgericht beigezogenen Verwaltungsakten, namentlich dem Widerspruchsbescheid vom 4.11.2010, zu entnehmen. Der Kläger hat die Vorlage einer Klagebegründung nach der in der Klageschrift zugleich beantragten Akteneinsicht angekündigt. Akteneinsicht ist dem Kläger allerdings nicht gewährt worden, obwohl er gem. § 120 SGG darauf Anspruch hat, etwa durch Einsichtnahme in die Akten auf der Geschäftsstelle des Sozialgerichts. Dies ist ihm auch nicht angeboten worden. Das Ausbleiben einer Klagebegründung rechtfertigt die Annahme, der Kläger habe kein Interesse an einer Sachentscheidung mehr, daher nicht. Der Kläger hat außerdem die Frage des Sozialgerichts nach einer etwaigen (Selbst-)Beschaffung eines Hörgeräts nicht beantwortet. Auch deswegen hat eine Betreibensaufforderung aber nicht ergehen dürfen. Geht es, wie hier, um die Angabe bestimmter Tatsachen, ist regelmäßig zunächst eine Frist nach § 106a SGG zu setzen. Erst nach fruchtloser Anwendung dieses Handlungsmittels kommt ggf. eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Frage, wobei freilich zu bedenken ist, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG nicht der Sanktionierung nachlässiger Prozessführung oder unzureichender Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts dient, sondern nur in Betracht kommt, wenn das Prozessverhalten insgesamt zu der Annahme berechtigt, der Kläger habe das Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts verloren. Das Sozialgericht hat den Kläger schließlich zur Erforschung des Sachverhalts gem. § 103 SGG herangezogen, indem es ihm aufgegeben hat, eine Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, damit behandelnde Ärzte, etwa zur Erforderlichkeit eines (bestimmten) Hörgeräts, befragt werden können. Der Kläger ist dem nur unzureichend nachgekommen, indem er dem Sozialgericht nur eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung hat zukommen lassen. Die Weigerung des Klägers, in zumutbarer Weise an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, bspw. die Befragung behandelnder Ärzte zu ermöglichen oder sich einer Begutachtung zu unterziehen, gibt aber regelmäßig Veranlassung - zunächst - auf die objektive Beweislast des Klägers für die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Leistungsanspruchs und die Möglichkeit einer ihm nachteiligen Beweislastentscheidung hinzuweisen. Außerdem kann die Weigerung eines Klägers zur Mitwirkung an der medizinischen Sachaufklärung unterschiedliche, und sei es auch meist nicht berechtigte, Gründe haben; diese müssen nicht darin bestehen, dass ein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht (mehr) besteht.
34 
Schließlich hat der Kläger mit der Klageerhebung zugleich Prozesskostenhilfe beantragt, und damit erreichen wollen, dass ihm der Rechtsschutz durch das Sozialgericht und damit das Betreiben eines sozialgerichtlichen Verfahrens zugänglich gemacht wird (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011, - 1 BvR 1403/09 -); das lässt sein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts zusätzlich hervortreten. Über den Prozesskostenhilfeantrag hat das Sozialgericht erst entschieden, als - nach seiner unzutreffenden Rechtsauffassung - die in der Hauptsache erhobene Klage schon als zurückgenommen galt. Im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe, den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, ist es aber grundsätzlich nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag zu befinden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.2.2013, - L 5 KR 2366/12 B -). Das gilt auch für die Anwendung der Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme. Ist der Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entscheidungsreif, muss ggf. zuerst Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (i. V. m. 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) gesetzt werden zur Glaubhaftmachung der Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder zur Beantwortung bestimmter Fragen des Gerichts; bei fruchtlosem Verstreichen der Frist ist der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen. Vor der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag kann dem Kläger, der sich ohne die Hilfe eines beigeordneten Rechtsanwalts (zur Anwaltsbeiordnung als alleinigem Antragsziel in gerichtskostenfreien Verfahren Meyer/Ladewig, SGG § 73a Rdnr. 9) offenbar zur Rechtsverfolgung vor Gericht außerstande sieht, das Betreiben des Gerichtsverfahrens nicht aufgegeben werden.
35 
Insgesamt durfte das Sozialgericht daher eine Betreibensaufforderung (noch) nicht erlassen. Die gleichwohl mit Verfügung vom 2.9.2011 ergangene Betreibensaufforderung kann die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht auslösen.
III.
36 
Da das Sozialgericht zu Unrecht festgestellt hat, dass die im Verfahren S 13 KR 1110/13 erhobene Klage des Klägers als zurückgenommen gilt, ist sein Gerichtsbescheid auf die Berufung des Klägers aufzuheben. Der Senat braucht die Sache nicht gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Sie ist dort nach wie vor anhängig und beim Landessozialgericht durch die Berufung des Klägers nicht anhängig geworden. Das Sozialgericht wird das Klageverfahren daher fortzuführen haben (so auch LSG Bayern, Urt. v. 12.7.2011, - L 11 AS 582/ 10 -; anders etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.07.2011, - L 11 KR 1429/11 -, LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.7.2012, - L 7 AS 776/11 -; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.6.2010, - L 5 AS 217/10 -: Zurückverweisung der Sache).
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
38 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
I.
23 
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten ist; der Kläger begehrt in der Sache offenbar die Gewährung eines mehrkostenpflichtigen Hörgeräts (als Sachleistung) bzw. die Übernahme der den einschlägigen Festbetrag übersteigenden Kosten eines solchen Hörgeräts (als Geldleistung). § 144 SGG ist vorliegend nicht anwendbar. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die im angefochtenen Gerichtsbescheid getroffene Feststellung, dass das Klageverfahren S 13 KR 1110/11 beendet ist, und nicht die vom Kläger letztendlich begehrte Sach- oder Geldleistung (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30.8.2012, - L 2 AS 132/12 -). Eine vermögensrechtliche Streitigkeit (von geringem Wert) - bei der die Berufung auch im Fall der Untätigkeitsklage nach Maßgabe des § 144 SGG zulassungspflichtig wäre (BSG, Beschl. v. 6.10.2011, - B 9 SB 45/11 B -) liegt daher nicht vor (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -).
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 102 Abs.2 Satz 1 SGG unter denen die Klage als zurückgenommen gilt, sind nicht erfüllt. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Das Sozialgericht wird das bei ihm anhängig gebliebene Klageverfahren S 13 KR 1110/11 fortzuführen haben.
1.)
25 
Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt. In der Betreibens-aufforderung ist der Kläger auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG und ggf. aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegt formellen, materiellen und inhaltlichen Anforderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht Grundlage der Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sein kann.
a.)
26 
In formeller Hinsicht muss wegen der einschneidenden Folgen der Rücknahmefiktion sichergestellt sein, dass es sich bei der Betreibensaufforderung nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Richter nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deswegen muss die Betreibensaufforderung nach der Rechtsprechung des BSG vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht. Auch die gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift der Betreibensaufforderung muss diesen Umstand erkennen lassen, d. h. durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -).
b.)
27 
In materieller Hinsicht setzt das Ergehen einer Betreibensaufforderung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG voraus, dass sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen.
28 
Die Regelung des § 102 SGG über die Fiktion der Klagrücknahme hat die entsprechenden Vorschriften in § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO (vgl. zum Berufungsverfahren § 126 Abs. 2 VwGO bzw. § 156 Abs. 2 SGG) zum Vorbild. Diese Vorschriften regeln die Fiktion der Klagerücknahme für das Verfahrensrecht des Asylprozesses bzw. des allgemeinen Verwaltungsprozesses. Das Gesetz unterstellt, dass das Rechtsschutzinteresse an der Klage weggefallen ist, wenn der Kläger über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in hinreichendem Maße tätig geworden ist.
29 
Die Fiktion der Klagrücknahme greift in das (Prozess-)Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. in die entsprechenden Verfahrensgehalte der im Einzelfall betroffenen materiellen Grundrechte ein. Das ist grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschl. v. 27.10.1998, - 2 BvR 2662/95 - zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs. 2 VwGO; auch Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -) darf ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgehen, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Die hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels Sachbescheidungsinteresses ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das BVerfG hat zugleich aber entschieden, dass Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme Ausnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu beachten ist (BVerfG, a. a. O.; auch BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - m. w. N.). Demzufolge ist in den einschlägigen Gesetzesmaterialien auch ausgeführt, dass „die Auslegung und Anwendung der Norm nur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen“ darf (BT-Drs. 16/7716 S. 19 zu Nummer 17 <§ 102>). Die Anwendung der Rücknahmefiktion kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.5.1993, - 2 BvR 1972/92 -; BSG, 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R -; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.8.2012, - L 3 AS 133/12 -). Angesichts der gravierenden, den Rechtsschutz jedenfalls im konkreten Verfahren ohne Sachprüfung abschneidenden Wirkung der Rücknahmefiktion gebietet Art. 19 Abs. 4 GG eine strenge Prüfung der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch das BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 - zu § 92 Abs. 2 VwGO).
30 
Sachlich begründbare Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses können sich insbesondere aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten des Klägers ergeben. Insoweit ist aber zu beachten, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG keine Sanktion für prozessuales Fehlverhalten darstellt (vgl. etwa BVerfG Beschl. v. 17.9.2012, - 1 BvR 2254/11 -). Außerdem gilt (auch) für den Sozialgerichtsprozess nicht der Beibringungs-, sondern der Untersuchungsgrundsatz (Amtsermittlungsgrundsatz). Gem. § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; es hat dabei die Beteiligten heranzuziehen. Die Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) der Beteiligten, auch des Klägers, ist danach Teil der gerichtlichen Sacherforschungspflicht (NK-VwGO/Rixen, § 86 Rdnr. 63) und durch diese auch begrenzt. Insbesondere kann auf das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht schon (allein) deshalb geschlossen werden, weil der Kläger eine Klagebegründung nicht vorlegt, zumal er dazu gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG nicht verpflichtet ist, sondern die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel nur angeben „soll“ (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 30.8.2011, - L 9 AS 61/10 -). Allerdings muss das Gericht Ermittlungen auch nicht „ins Blaue“ anstellen (so BSG, Urt. v. 1.7.2010, - B 13 R 58/09 R - zum Fehlen von Widerspruchs, Klage- und Berufungsbegründung). Prozessuale Folgerungen aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht unterliegen schließlich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb muss das Gericht ggf. zunächst von den Befugnissen nach § 106a SGG Gebrauch machen und etwa dem Kläger eine Frist zum Vortrag von Tatsachen oder zur Vorlage von Urkunden setzen und verspätetes Vorbringen von Erklärungen oder Beweismitteln unter den Voraussetzungen des § 106a Abs. 3 SGG zurückweisen, gleichwohl aber eine Sachentscheidung treffen; insoweit gilt der Grundsatz „Fristsetzung“ (nach § 106a SGG) vor Betreibensaufforderung“ (NK-VwGO/Schmid § 92, Rdnr. 31). Das Gericht kann je nach Fallgestaltung auch auf die Grundsätze der objektiven Beweislast und der Beweisvereitelung (dazu etwa MünchKomm-ZPO/Prütting § 286 Rdnr. 80 ff. m. w. N.) hinweisen oder nach diesen Grundsätzen eine Sachentscheidung treffen. Eine Betreibensaufforderung, die ergeht, ohne dass zuvor die nach Lage der Dinge vorrangigen prozessualen Handlungsmittel angewendet worden sind, oder die sich nicht auf hinreichend begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an einer gerichtlichen Sachentscheidung stützen kann, ist unzulässig; sie kann nicht Grundlage der in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgesehenen Rücknahmefiktion sein.
c.)
31 
In inhaltlicher Hinsicht muss die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG einen bestimmten Inhalt haben. Dem Kläger muss klar und unzweifelhaft deutlich gemacht werden, welche Verfahrenshandlung er vornehmen muss, um die Fiktion der Rücknahme seiner Klage abzuwenden. Die Handlungen zum (hinreichenden) Betreiben des Verfahrens müssen - abhängig vom Stand des Verfahrens - möglichst konkret bezeichnet werden; allgemeine Aufforderungen zum Tätigwerden genügen grundsätzlich nicht (vgl. Meyer/Ladewig, SGG § 102 Rdnr. 8c; NK-VwGO/Schmid § 92 Rdnr. 33; LSG Baden-Württemberg Urt. v. 12.7.2011 - L 11 KR 1429/11 -).
2.)
32 
Davon ausgehend kann der angefochtene Gerichtsbescheid keinen Bestand haben. Die - im Verfahren S 13 KR 1110/11 erhobene - Klage des Klägers gilt nicht als zurückgenommen. Die in diesem Verfahren ergangene Betreibensaufforderung vom 2.9.2011 gibt dafür keine Grundlage, da sie zu Unrecht ergangen ist. Hinreichende Anhaltspunkte für den Wegfall des Interesses des Klägers an gerichtlichem Rechtsschutz lagen nicht vor. Außerdem hätte das Sozialgericht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Erlass einer Betreibensaufforderung zunächst andere (mildere) prozessuale Handlungsmittel ergreifen und auch über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entscheiden müssen.
33 
Der Kläger hat zwar eine Klagebegründung nicht vorgelegt. Dazu war er aber gem. § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG auch nicht verpflichtet. Außerdem ist sein Begehren ohne Weiteres den vom Sozialgericht beigezogenen Verwaltungsakten, namentlich dem Widerspruchsbescheid vom 4.11.2010, zu entnehmen. Der Kläger hat die Vorlage einer Klagebegründung nach der in der Klageschrift zugleich beantragten Akteneinsicht angekündigt. Akteneinsicht ist dem Kläger allerdings nicht gewährt worden, obwohl er gem. § 120 SGG darauf Anspruch hat, etwa durch Einsichtnahme in die Akten auf der Geschäftsstelle des Sozialgerichts. Dies ist ihm auch nicht angeboten worden. Das Ausbleiben einer Klagebegründung rechtfertigt die Annahme, der Kläger habe kein Interesse an einer Sachentscheidung mehr, daher nicht. Der Kläger hat außerdem die Frage des Sozialgerichts nach einer etwaigen (Selbst-)Beschaffung eines Hörgeräts nicht beantwortet. Auch deswegen hat eine Betreibensaufforderung aber nicht ergehen dürfen. Geht es, wie hier, um die Angabe bestimmter Tatsachen, ist regelmäßig zunächst eine Frist nach § 106a SGG zu setzen. Erst nach fruchtloser Anwendung dieses Handlungsmittels kommt ggf. eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Frage, wobei freilich zu bedenken ist, dass die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG nicht der Sanktionierung nachlässiger Prozessführung oder unzureichender Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts dient, sondern nur in Betracht kommt, wenn das Prozessverhalten insgesamt zu der Annahme berechtigt, der Kläger habe das Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts verloren. Das Sozialgericht hat den Kläger schließlich zur Erforschung des Sachverhalts gem. § 103 SGG herangezogen, indem es ihm aufgegeben hat, eine Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, damit behandelnde Ärzte, etwa zur Erforderlichkeit eines (bestimmten) Hörgeräts, befragt werden können. Der Kläger ist dem nur unzureichend nachgekommen, indem er dem Sozialgericht nur eine unvollständige Kopie der Schweigepflichtentbindungserklärung hat zukommen lassen. Die Weigerung des Klägers, in zumutbarer Weise an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, bspw. die Befragung behandelnder Ärzte zu ermöglichen oder sich einer Begutachtung zu unterziehen, gibt aber regelmäßig Veranlassung - zunächst - auf die objektive Beweislast des Klägers für die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten Leistungsanspruchs und die Möglichkeit einer ihm nachteiligen Beweislastentscheidung hinzuweisen. Außerdem kann die Weigerung eines Klägers zur Mitwirkung an der medizinischen Sachaufklärung unterschiedliche, und sei es auch meist nicht berechtigte, Gründe haben; diese müssen nicht darin bestehen, dass ein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht (mehr) besteht.
34 
Schließlich hat der Kläger mit der Klageerhebung zugleich Prozesskostenhilfe beantragt, und damit erreichen wollen, dass ihm der Rechtsschutz durch das Sozialgericht und damit das Betreiben eines sozialgerichtlichen Verfahrens zugänglich gemacht wird (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011, - 1 BvR 1403/09 -); das lässt sein Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts zusätzlich hervortreten. Über den Prozesskostenhilfeantrag hat das Sozialgericht erst entschieden, als - nach seiner unzutreffenden Rechtsauffassung - die in der Hauptsache erhobene Klage schon als zurückgenommen galt. Im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe, den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, ist es aber grundsätzlich nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag zu befinden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.2.2013, - L 5 KR 2366/12 B -). Das gilt auch für die Anwendung der Vorschriften über die Fiktion der Klagerücknahme. Ist der Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entscheidungsreif, muss ggf. zuerst Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (i. V. m. 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) gesetzt werden zur Glaubhaftmachung der Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder zur Beantwortung bestimmter Fragen des Gerichts; bei fruchtlosem Verstreichen der Frist ist der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen. Vor der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag kann dem Kläger, der sich ohne die Hilfe eines beigeordneten Rechtsanwalts (zur Anwaltsbeiordnung als alleinigem Antragsziel in gerichtskostenfreien Verfahren Meyer/Ladewig, SGG § 73a Rdnr. 9) offenbar zur Rechtsverfolgung vor Gericht außerstande sieht, das Betreiben des Gerichtsverfahrens nicht aufgegeben werden.
35 
Insgesamt durfte das Sozialgericht daher eine Betreibensaufforderung (noch) nicht erlassen. Die gleichwohl mit Verfügung vom 2.9.2011 ergangene Betreibensaufforderung kann die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht auslösen.
III.
36 
Da das Sozialgericht zu Unrecht festgestellt hat, dass die im Verfahren S 13 KR 1110/13 erhobene Klage des Klägers als zurückgenommen gilt, ist sein Gerichtsbescheid auf die Berufung des Klägers aufzuheben. Der Senat braucht die Sache nicht gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Sie ist dort nach wie vor anhängig und beim Landessozialgericht durch die Berufung des Klägers nicht anhängig geworden. Das Sozialgericht wird das Klageverfahren daher fortzuführen haben (so auch LSG Bayern, Urt. v. 12.7.2011, - L 11 AS 582/ 10 -; anders etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.07.2011, - L 11 KR 1429/11 -, LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.7.2012, - L 7 AS 776/11 -; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.6.2010, - L 5 AS 217/10 -: Zurückverweisung der Sache).
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
38 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gilt.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Fortführung und Entscheidung des wegen fiktiver Klagerücknahme eingestellten Verfahrens zur Anfechtung eines Kostenerstattungsbescheids.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks in A-Stadt.

3

Die Beklagte machte gegenüber den Klägern mit Kostenerstattungsbescheid vom 22. Februar 2013 einen entsprechenden Anspruch zur Abdeckung des bei der Änderung der Hausanschlussleitung (von der Grundstücksgrenze bis einschließlich Wassermesseinrichtung) entstandenen tatsächlichen Aufwands einen Betrag in Höhe von 585,96 € geltend.

4

Den dagegen mit anwaltlichem Schreiben vom 7. März 2013 erhobenen Widerspruch, der trotz Ankündigung - auch im Folgenden - nicht näher begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2013 zurück.

5

Am 23. August 2013 haben die Kläger daraufhin Klage erhoben.

6

In der Klageschrift wurde eine „ausführliche“ Klagebegründung mit gesondertem Schriftsatz angekündigt. In der gerichtlichen Eingangsverfügung vom 27. August 2013 ist um Übersendung der Begründung der Klage binnen eines Monats gebeten worden, in der weiteren Verfügung vom 18. November 2014 wurde zur Vorlage der Klagebegründung binnen drei Wochen aufgefordert.

7

Nachdem keine Reaktion der Kläger erfolgt ist, hat das Gericht mit Verfügung vom 18. Dezember 2014 die Kläger über ihre anwaltlichen Prozessvertreter aufgefordert,

8

„… das Verfahren weiter zu betreiben und binnen zwei Monaten nach Zustellung dieser Verfügung der gerichtlichen Verfügung vom 27.08.2014 nachzukommen.

9

Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens ist nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO angezeigt, weil ernstliche Zweifel bestehen, ob ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht.

10

Die Kläger haben auf die gerichtlichen Verfügungen vom 27.08.2013 und 18.11.2014 nicht reagiert.

11

Die Kläger haben ihre Klage trotz eigener Ankündigung und Aufforderung des Gerichts nicht begründet. Geht die Erklärung nicht fristgerecht bei Gericht ein, gilt die Klage als zurückgenommen. Die Kläger haben dann die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 92 Abs. 3, 155 Abs. 2 VwGO).“

12

In der gerichtlichen Verfügung, die mit vollständiger Unterschrift des Berichterstatters unterzeichnet ist, ist das erstgenannte Datum (korrekt) mit dem „27.8.2013“ bezeichnet worden. Die Betreibensaufforderung ist den Klägervertretern am 23. Dezember 2014 zugestellt worden.

13

Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 haben die Klägervertreter um Übersendung der Verwaltungsvorgänge für drei Tage gebeten, die sie am 3. Februar 2015 erhalten und am 4. Februar 2015 zurückgesandt haben.

14

Am 23. Februar 2015 haben die Kläger(vertreter) per Telefax mit Schriftsatz von diesem Tag die Klage begründet. U. a. wird darin vorgetragen und näher dargelegt, dass die der Festsetzung des Beitrags zugrunde liegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen über die öffentliche Einrichtung zur Trinkwasserversorgung vom 25. April 2012 unwirksam sei, insbesondere sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation im Hinblick auf über Gebühren vereinnahmte Abschreibungen, die aufwandsmindernd zu berücksichtigen seien, fehlerhaft.

15

Das Gericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Februar 2015 eingestellt, da die Klage als zurückgenommen gelte. In den Gründen wird dazu ausgeführt:

16

„… Nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Verfahren mit der sich aus den §§ 155 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO ergebenden Kostenfolge einzustellen.

17

Die Klage gilt nach § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen, da die Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate seit Zustellung der Aufforderung nicht betrieben haben. Sie haben ihre Klage gegen den Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2013 nicht begründet.

18

Die Betreibensaufforderung vom 18. Dezember 2014 ist wegen ernstlicher Zweifel, ob ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht, angezeigt gewesen. Sie ist den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger am 23. Dezember 2014 zugestellt worden.

19

Bereits in der Klageschrift vom 23. August 2013 war eine 'ausführliche Klagebegründung' mit gesondertem Schriftsatz angekündigt worden. Die Kläger haben auf die gerichtliche Bitte in der Eingangsverfügung vom 27. August 2013, binnen eines Monats die Begründung der Klage zu übersenden, allerdings nicht reagiert, auch nicht auf die Aufforderung des nunmehr zuständigen Berichterstatters vom 18. November 2014, also über ein Jahr später, die Klagebegründung (nunmehr) binnen drei Wochen vorzulegen. Zur Vorbereitung einer 'ergänzenden' (?) Klagebegründung haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 um Übersendung der Verwaltungsvorgänge zur Akteneinsicht gebeten, die ihnen mit Schreiben vom 28. Januar 2015 übersandt und am 3. Februar 2015 zugestellt wurden. Auch im Vorverfahren, in dem die anwaltlichen Bevollmächtigten der Kläger bereits tätig waren, wurde keine Begründung des Widerspruchs vorgelegt, sondern lediglich angekündigt.

20

Am 23. Februar 2015 ist zwar eine dreiseitige Klagebegründung der anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger gemäß Schriftsatz von diesem Tag eingegangen. Selbst bei großzügigster Auslegung kann darin aber keine Begründung zur Frage der Rechtswidrigkeit des hier angegriffenen Kostenerstattungsbescheids vom 22. März 2013 wegen einer Änderung des Hausanschlusses gesehen werden, der sich auf die Trinkwasserhausanschlusskostenerstattungssatzung vom 31. August 2011 stützt. Vorgelegt wurde eine Klagebegründung, die sich mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen über die öffentliche Einrichtung zur Trinkwasserversorgung bzw. der vorgetragenen Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Beitragssatzes befasst. Darum geht es hier aber nicht. Es wird in der vorliegenden Klage kein Anschlussbeitrag zur öffentlichen Einrichtung der Trinkwasserversorgung des Zweckverbands Wismar angefochten, sondern ein davon zu unterscheidender Kostenerstattungsanspruch betreffend die Änderung eines Hausanschlusses.

21

Ein Verfahren wird im Hinblick auf die eigens angekündigte und zudem vom Gericht geforderte Klagebegründung aber nicht bereits dann betrieben, wenn nach ca. anderthalb Jahren überhaupt 'irgendeine' Klagebegründung fristgerecht vorgelegt wird. Es darf zwar nicht verkannt werden, dass in diesem Stadium noch keine Entscheidung i. S. eines Urteils zur Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage getroffen werden darf. Dennoch ist es erforderlich, die o. g. Zweifel am Interesse an der Fortführung der Klage dadurch zu zerstreuen, dass bezogen auf den Streitgegenstand mindestens rudimentärer Vortrag erfolgt, warum der angefochtene (hier: Kostenerstattungs-)Bescheid rechtswidrig sein soll. Das ist mit Blick und bei Würdigung des vorgelegten Schriftsatzes vom 23. Februar 2015 aber nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Offenbar wurden hier zwei unterschiedliche Streitgegenstände durcheinander gebracht. Eine insoweit 'fremde' Klagebegründung genügt nicht, vielmehr muss sie wenigstens ansatzweise zum Streitgegenstand 'passen' …“

22

Mit Schriftsatz vom 6. März 2015 ist die Klage dann „vorläufig“ begründet worden, allerdings wiederum mit der Prämisse, dass hier ein Beitragsbescheid vom 8. November 2010 über einen Betrag in Höhe von 8.884,60 € vorliege, der u. a. verjährt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug genommen. Mit späterem Schriftsatz vom 25. März 2015 baten die Kläger, den Schriftsatz vom 6. März 2015 als gegenstandslos zu betrachten.

23

Nachdem das Gericht mit Schreiben vom 16. März 2015 auf den Beschluss vom 25. Februar 2015 verwiesen und mitgeteilt hat, dass die Klage als zurückgenommen gelte, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 17. März 2015 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.

24

Die Kläger tragen vor:

25

Zu Recht weise das Gericht zwar darauf hin, dass inhaltlich die Ausführungen im Schriftsatz vom 23. Februar 2015 die Beitragserhebung der Beklagten beträfen, nicht die hier streitgegenständliche Forderung von Grundstücksanschlusskosten.

26

Gleichwohl sei die Feststellung der fiktiven Klagerücknahme durch Beschluss vorliegend unwirksam.

27

Der Kläger sei im Rahmen der Betreibensaufforderung vom 18. Dezember 2014 aufgefordert worden, die Klagebegründung nachzuholen, um die Zweifel an dem Interesse der Fortführung des Verfahrens auszuräumen. Vorliegend sei dem Gericht eine umfangreiche Klagebegründung und somit eine Darlegung des Interesses an der Fortführung des Rechtsstreits innerhalb der gesetzten Frist zugegangen. Damit seien die berechtigterweise aufgekommenen Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses entkräftet worden.

28

Es könne nicht darauf ankommen, ob die inhaltlichen Darlegungen die Begründetheit der Klage tatsächlich untermauerten. Vielmehr sei durch die – wenn auch unstreitig „fremde“ Klagebegründung – doch deutlich dokumentiert, dass Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens bestehe. Insbesondere sei mit dem Schriftsatz vom 23. Februar 2015 gleichwohl der Betreibensaufforderung Folge geleistet worden, nämlich der „gerichtlichen Verfügung vom 27.08.2014 nachzukommen“.

29

Sinn und Zweck der Betreibensaufforderung i. S. von § 92 Abs. 2 VwGO sei nicht, den Kläger zu einem Vortrag zu bewegen, der eine Entscheidungsreife herbeiführe, sondern „nur“ die Beseitigung des vermuteten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses.

30

In der Sache werde vorgetragen, dass sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 (KAG M-V) die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs für Haus- und Grundstücksanschlüsse auf die erstmalige Herstellung bzw. die Kostenerstattung weiterer Anschlussleitungen (§ 10 Abs. 3 KAG M-V) beschränke. Bereits dem Wortlaut der angefochtenen Verfügung sei zu entnehmen, dass Gegenstand des angefochtenen Kostenerstattungsbescheids weder die „Herstellung“ noch die Herstellung eines „weiteren“ Hausanschlusses, sondern stattdessen der Aufwand für die „Änderung“ des Hausanschlusses geltend gemacht werde. Für die „Änderung“ von Haus- und Grundstücksanschlüssen scheide jedoch die Festsetzung von Kostenersatz nach § 10 KAG M-V aus.

31

Die Kläger beantragen,

32

unter Aufhebung des Beschlusses des Gerichts vom 25. Februar 2015 das Verfahren fortzusetzen und den Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2013 und ihren Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2013 aufzuheben.

33

Die Beklagte beantragt,

34

festzustellen, dass die Klage als zurückgenommen gilt,

35

hilfsweise,

36

die Klage abzuweisen,

37

und trägt dazu vor:

38

Auch wenn die Vorlage einer Klagebegründung keine zwingende Voraussetzung für die wirksame Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage sei, gehöre es zu den prozessualen Mitwirkungspflichten der Kläger, die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Dazu könne auch aufgrund von § 82 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 sowie § 86 Abs. 4 VwGO vom Gericht unter Fristsetzung aufgefordert werden.

39

Eine Aufforderung nach § 92 Abs. 2 VwGO sei nach allgemeiner Auffassung jedenfalls immer dann gerechtfertigt, wenn ein anwaltlich vertretener Kläger – wie hier - die Einrichtung einer Begründung selbst angekündigt habe.

40

Nachdem daraufhin über einen Zeitraum von rund 1 ½ Jahren nichts passiert sei und auch zwei gerichtliche Verfügungen zur Begründung der Klage ohne Antwort geblieben seien, sei die gerichtliche Aufforderung vom 18. Dezember 2014 zur Begründung der Klage zu Recht ergangen.

41

Innerhalb der gesetzlichen Frist sei auch keine Klagebegründung vorgelegt worden. Hier hätte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger so substantiiert äußern müssen, dass Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses beseitigt worden wären und der äußere Anschein einer Vernachlässigung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten entfallen wäre. An einem danach erforderlichen, ansatzweise substantiierten Vorbringen fehle es hier jedoch. Den Klägern, die im vorliegenden Fall durch einen im Kommunalabgabenrecht äußerst erfahrenen Rechtsanwalt, der zugleich Fachanwalt für Verwaltungsrecht sei, vertreten seien, wäre es ohne weiteres zumutbar gewesen, binnen der gesetzlichen Frist das Fortbestehen ihres Rechtsschutzbedürfnisses deutlich zu machen und dieses substantiiert zu begründen. Dass dies nicht erfolgt sei, müssten sie sich nach §§ 173 VwGO, 51 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

42

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31. März 2015 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

43

Die Klage hat keinen Erfolg.

44

Entsteht nach erfolgter (lediglich deklaratorischer) Einstellung des Verfahrens nach § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Streit über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme, einer so vom Gericht gewerteten Erklärung oder - wie hier - einer Klagerücknahmefiktion gemäß § 92 Abs. 2 VwGO, hat das Gericht das Verfahren auf Antrag fortzusetzen und über die Frage der Beendigung des Verfahrens aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 92 Rn. 28 m. w. N.; Schmid, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 92 Rn. 42; VG B-Stadt, nicht rechtskräftiges Urt. v. 31. August 2012 – 4 A 658/12 –, juris, Rn. 42).

45

Eine Fortsetzung des Verfahrens scheitert daran, dass die Klage nach § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen gilt, so dass das Verfahren beendet ist.

46

I. Die gerichtliche Aufforderung an die Kläger zur Begründung der Klage ist zu Recht ergangen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung waren erfüllt.

47

1. Eine fiktive Klagerücknahme nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG -) voraus, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestanden haben. Dieses in ständiger Rechtsprechung zu den entsprechenden asylverfahrensrechtlichen Regelungen entwickelte, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal gilt auch für die dem Asylverfahrensrecht nachgebildete und in das allgemeine Verwaltungsprozessrecht eingeführte Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Stets muss sich aus dem fallbezogenen Verhalten des Klägers, z. B. aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten, der Schluss auf den Wegfall des Rechtsschutzinteresses, also auf ein Desinteresse des Klägers an der weiteren Verfolgung seines Begehrens ableiten lassen. Denn § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist kein Hilfsmittel zur bequemen Erledigung lästiger Verfahren oder zur vorsorglichen Sanktionierung prozessleitender Verfügungen (so BVerwG, Beschl. v. 12. April 2001 - 8 B 2/01 -, NVwZ 2001, 918, hier zitiert aus juris, Rn. 5; VG B-Stadt, Urt. v. 30. August 2011 - 3 A 491/07 -).

48

Anhaltspunkte für die Annahme fehlenden Interesses an der Verfahrensfortsetzung können sich namentlich aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten ergeben, jedoch muss deren Erfüllung nach Lage des Falls vom Kläger zu erwarten sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. etwa Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: März 2015, § 92 Rn. 46 f.). Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses reichen aus; es ist insoweit nicht ein sicherer, über begründete Zweifel hinausgehender Schluss geboten (BVerwG, Beschl. v. 7. Juli 2005 - 10 BN 1/05 -, juris, Rn. 4; OVG Lüneburg, Beschl. v. 23. Jan. 2012 - 11 ME 420/11 -, juris, Rn. 7; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 2011, § 92 Rn. 19).

49

Danach war vorliegend von Zweifeln an einem Interesse der Kläger an der Fortführung des Klageverfahrens auszugehen, da sie ihre Klage weder in der Klageschrift vom 23. August 2013 noch nach dortiger – wenngleich zeitlich unbestimmter - Ankündigung (“Die ausführliche Klagebegründung erfolgt mit gesondertem Schriftsatz.“) und entsprechender Bitte zur Übersendung der Begründung der Klage binnen einen Monats in der gerichtlichen Eingangsverfügung vom 27. August 2013 noch nach weiterer gerichtlicher Aufforderung gemäß Verfügung vom 18. November 2014 begründet haben. Neben der eigenen Ankündigung im Klageverfahren war insoweit zu beachten, dass die Kläger auch nicht etwa im Vorverfahren, dort ebenfalls trotz entsprechender ausdrücklicher Ankündigung im Widerspruchsschreiben vom 7. März 2013, den Widerspruch begründet haben.

50

Ob dabei die fehlende – nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht zwingend vorgeschriebene - Klagebegründung als solche bereits für eine Betreibensaufforderung ausreicht (dazu BVerwG, Beschl. v. 12. April 2001, a. a. O., juris, Rn. 6), muss nicht abschließend entschieden werden, ebenso wenig, ob es generell eine „Schonfrist“ zur Vorlage einer Klagebegründung bei Gerichten mit (leider) langen Verfahrenslaufzeiten gibt.

51

Vorliegend kommt jedenfalls hinzu, dass die Kläger eine „ausführliche“ Begründung ihrer (zuvor allerdings nicht einmal ansatzweise begründeten) Klage ausdrücklich angekündigt hatten und zwei entsprechende gerichtliche Aufforderungen dazu in mehr als genügendem Abstand vorlagen, es bis hin zum Vorverfahren aber noch keinen Ansatz einer Begründung für die mögliche Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids gegeben hat und sich schließlich auch für das Gericht nicht von Amts wegen Ansatzpunkte für eine sachgerechte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bzw. den erkennbar fortwährenden Willen der Kläger zum Festhalten an ihrer Klage aufgedrängt haben. Zumindest in einem solchen Fall kann dann aus dem Ausbleiben einer solchen angekündigten Klagebegründung der Rückschluss auf Zweifel an einem Klagefortführungsinteresse gezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. Jan. 1987 - 9 C 259/86 -, juris, Rn. 11; VG Hamburg, Urteil vom 11. April 2012 – 4 K 411/10 –, juris Rn. 24 m. w. N.; Clausing, a. a. O., § 92 Rn. 46 m. w. N.; Bamberger, a. a. O, § 92 Rn. 21). So liegen die Dinge hier.

52

Unzutreffend ist auch die recht häufige anwaltliche Formulierung einer vorbehaltenen „weiteren“ oder – wie hier – „ausführlichen“ Begründung der Klage, bei der die Klageschrift allerdings lediglich aus der mehr oder wenig umfangreichen Mitteilung des Verwaltungs- und Vorverfahrens besteht. Darin ist nicht einmal ansatzweise die Begründung der Klage, also die Darlegung der tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründe, aus denen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids folgen soll, enthalten. Vielmehr wird lediglich der Gang des bisherigen Verfahrens dargelegt. Die mag anders zu werten sein, wenn diese Darstellung offenkundig vom gesetzlich vorgeschriebenen Gang abweicht und deshalb schon aus sich selbst heraus Zweifel an der Rechtmäßigkeit mindestens des Verfahrens bei Erlass des Ausgangs- und/oder Widerspruchsbescheids hervorbringen, allerdings liegen die Dinge hier nicht so.

53

Dem entgegen halten zu wollen, dass verwaltungsgerichtliche Entscheidungen (erfahrungsgemäß) auch sehr lange bräuchten, und deshalb womöglich zu einem frühen Zeitpunkt eine Begründung, warum der Kläger den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig hält, für entbehrlich zu halten, stellte die Dinge von den Beinen auf den Kopf. Ohne dass ein Kläger offen- und darlegt, aus welchen (mehr oder weniger kurzen tatsächlichen und/oder rechtlichen) Erwägungen heraus er meint, der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig, kann auch der Beklagte nicht dazu Stellung nehmen und ggf. auch dem Anfechtungsbegehren von sich aus durch teilweise oder vollständige Aufhebung seines Bescheids nachkommen. Ebenso wenig kann das Gericht beurteilen, ob es noch weitere Akten beiziehen muss, eine Beweisaufnahme (ggf. mit Zeugen) durchzuführen haben wird oder sonstige Entscheidungen und Handlungen im vorbereitenden Verfahren treffen bzw. vornehmen muss (vgl. § 87 VwGO), aber auch, ob ein Verfahren abweichend vom bloßen Datum seines Eingangs bei Gerichts zeitlich früher als andere „ältere“ Verfahren terminiert wird usw.

54

2. Der Rechtmäßigkeit der Betreibensaufforderung steht auch der (geringfügige) Fehler in der Ausfertigung nicht entgegen, in dem ein falsches Jahresdatum der vorangegangenen gerichtlichen Verfügung („27.8.2014“ statt zutreffend „27.8.2013“) aufgeführt ist, zumal dann im weiteren Text das korrekte Datum (u. a.) dieser gerichtlichen Verfügung genannt wird.

55

II. Die Kläger haben ihre Klage innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Betreibensaufforderung des Gerichts am 23. Dezember 2014 nicht, wie gerichtlich gefordert und zuvor selbst angekündigt, begründet.

56

Der in diesem Verfahren unter Bezug auf die gerichtliche Verfügung vom 18. Dezember 2014 am 23. Februar 2015 per Telefax eingegangene anwaltliche Schriftsatz vom gleichen Tag erfüllt nicht die Voraussetzungen der geforderten Handlung.

57

Selbst bei großzügigster Auslegung kann darin, wie bereits im Einstellungsbeschluss ausgeführt, keine Begründung zur Frage der Rechtswidrigkeit des hier angegriffenen Kostenerstattungsbescheids der Beklagten vom 22. März 2013 wegen einer Änderung des Hausanschlusses gesehen werden, der sich auf die Trinkwasserhausanschlusskostenerstattungssatzung des Zweckverbands vom 31. August 2011 stützt. Vorgelegt wurde vielmehr eine Klagebegründung, die sich mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen über die öffentliche Einrichtung zur Trinkwasserversorgung bzw. der vorgetragenen Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Beitragssatzes befasst. Darum geht es hier aber nicht. Es wird in der vorliegenden Klage kein Anschlussbeitrag zur öffentlichen Einrichtung der Trinkwasserversorgung des Zweckverbands Wismar angefochten, sondern ein davon grundlegend zu unterscheidender Kostenerstattungsanspruch betreffend die (vermeintliche) Änderung eines Hausanschlusses.

58

Ein Verfahren wird im Hinblick auf die eigens angekündigte und zudem vom Gericht geforderte Klagebegründung aber nicht bereits dann betrieben, wenn bis zum Ablauf der Frist zum Betreiben des Klageverfahrens überhaupt 'irgendeine' Klagebegründung fristgerecht vorgelegt wird. Es darf zwar nicht verkannt werden, dass in diesem Stadium noch keine Entscheidung i. S. eines Urteils zur Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage getroffen werden darf oder kann und deshalb nicht etwa verlangt werden kann, dass ein Kläger die entscheidungsrelevanten Probleme des streitigen Bescheids darlegt oder gar einen – später dann im Urteil bewerteten – „Treffer“ landet, der zur teilweisen oder vollständigen Aufhebung des Verwaltungsakts führen wird. So wäre von einer in diesem Sinne „hinreichenden“ Klagebegründung auch etwa dann auszugehen, wenn der angefochtene Bescheid seinem Inhalt nach erkannt wird, aber mit „abwegigen“ oder nicht vertretbaren Argumenten tatsächlicher und/oder rechtlicher Art zum „Einsturz“ gebracht werden soll. Dennoch ist es erforderlich, die o. g. gerichtlichen Zweifel am Interesse an der Fortführung der Klage dadurch zu zerstreuen, dass der Streitgegenstand durch die Kläger hinreichend erkannt worden ist und darauf bezogen mindestens rudimentärer Vortrag zur Klagebegründung erfolgt, mag er sich aus den verschiedensten Gründen nicht als tragfähig erweisen. Dieses Erkennen des (selbst und zutreffend mit der Klageschrift geschaffenen) Streitgegenstands und den im dargestellten Sinne hinreichenden Bezug zu diesem (erkannten) Streitgegenstand ist mit Blick und bei Würdigung des vorgelegten Schriftsatzes vom 23. Februar 2015 aber nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Hier wurde der Streitgegenstand offenbar zwischenzeitlich vollständig aus den Augen verloren und zu einem vermeintlichen (in Wahrheit aber anderen) Streitgegenstand juristisch vorgetragen. Eine insoweit völlig 'fremde' Klagebegründung genügt nicht, vielmehr muss sie erkennbar zumindest den korrekten Streitgegenstand im Blick haben und wenigstens ansatzweise insoweit dazu 'passen'. Man kann nicht später „Nieder mit den Äpfeln, sie haben Würmer“ vortragen, wenn man doch eingangs „Birnen“ vernichten wollte.

59

Auch sonst gibt es keine Anhaltspunkte, aus denen während der laufenden Frist erkennbar wäre, dass die Kläger entgegen im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung bestehender Zweifel ein rechtliches Interesse an der Fortführung ihrer Anfechtungsklage gegen den Kostenerstattungsbescheid der Beklagten haben.

60

II. Gründe, die Kläger in die versäumte Frist wiedereinzusetzen bzw. insoweit Nachsicht zu gewähren, liegen nicht vor.

61

Bei der (sog. uneigentlichen) gesetzlichen Frist nach § 92 Abs. 2 VwGO handelt es sich um eine Ausschlussfrist, bei der weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung des § 60 Abs. 1 VwGO stattfindet (BVerwG, Urt. v. 23. April 1985 - 9 C 7/85 -, juris, Rn. 14 zur entsprechenden Vorschrift des § 33 AsylVfG; VG Berlin, Urt. v. 15. Juni 2010 – 19 K 198.09 -, juris, Rn. 24; Kopp/Schenke, a. a. O., § 92 Rn. 22 m. w. N.).

62

Eine im Ergebnis einer Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gleichkommende sog. Nachsichtgewährung ist allerdings im Falle höherer Gewalt analog §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO vorzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 25. Nov. 2002 – 8 B 112/02 -, juris, Rn. 4 m. w. N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4. Febr. 2010 – 10 N 44.07 -, juris, Rn. 11; Kopp/Schenke, a. a. O., § 92 Rn. 22 m. w. N.). Ein solcher Fall höherer Gewalt ist hier weder dargetan noch von Amts wegen ersichtlich.

63

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet es der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. insoweit vorliegend Art. 19 Abs. 4 GG), die Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften zu überspannen (BVerfG, Beschl. v. 27. Sept. 2012 - 2 BvR 1766/12 -, juris, Rn. 13 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 20. Nov. 2011 - VI ZB 28/11 -, juris, Rn. 6 m. w. N.). Dies gilt ebenso bei der Beurteilung von Sachverhalten, die eine Nachsichtgewährung einer gesetzlichen Ausschlussfrist ermöglichen können.

64

Der in der Verwaltungsgerichtsordnung verwendete Begriff der höheren Gewalt ist zwar enger als der Begriff "ohne Verschulden" in § 60 Abs. 1 VwGO. Jedoch setzt er kein von außen kommendes Ereignis voraus. Unter höherer Gewalt ist ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falls vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerwG, Urt. v. 23. April 1985, a. a. O., juris, Rn. 16; VG Ansbach, Beschl. v. 13. Jan. 2010 - AN 14 K 09.01998 -, juris, Rn. 12 m. w. N.; VG Berlin, Urt. v. 15. Juni 2010, a. a. O., juris, Rn. 24).

65

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine durch Versehen des Büropersonals eines Rechtsanwalts herbeigeführte Fristversäumung sich als Folge eines unabwendbaren Zufalls bzw. als Fall höherer Gewalt darstellen kann. Rechtsanwälte haben zwar Fristsachen mit der größten Peinlichkeit und Genauigkeit zu behandeln, aber andererseits sind die Anwälte gezwungen, gewisse einfache Verrichtungen, die keine besondere Geistesarbeit oder juristische Schulung verlangen, ihrem Büro zu überlassen, damit sie im Stande sind, ihre eigentlichen Berufspflichten zu erfüllen (BVerwG, Urt. v. 23. April 1985, a. a. O., juris, Rn. 16). Deshalb darf der anwaltliche Prozessbevollmächtigte die Übersendung von Briefsendungen an ein Gericht seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten zuverlässigen Büropersonal überlassen. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Versehen des Büropersonals einen unabwendbaren Zufall (dazu sogleich) und höhere Gewalt darstellen.

66

Ein solches Versehen des (nicht anwaltlichen) Personals in der Kanzlei der anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger steht hier aber nicht in Rede. Selbst wenn bei der Erstellung des Schriftsatzes zur Klagebegründung ein inhaltlich unzutreffender Text bzw. falsche Textbausteine eingefügt worden sein sollten, entbindet und entpflichtet dies nicht den anwaltlichen Unterzeichner des Schriftsatzes von der Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit des Schriftsatzes; dies ist vielmehr „ureigene“ Aufgabe des Rechtsanwalts, dessen Fehler sich die Kläger zwar nicht, wie die Beklagte meint, nach § 51 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 173 VwGO, wohl aber nach § 85 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 173 VwGO zurechnen lassen müssen.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

68

Von Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens sieht das Gericht ab (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO), da auf Beklagtenseite ein insolvenzunfähiger Zweckverband und damit ein kraft Gesetzes stets zahlungsfähiger Schuldner steht.

69

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2015 wird zurückgewiesen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.