Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 2796/15

bei uns veröffentlicht am22.01.2016

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Mai 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2011 aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 nicht in einem abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Rechtsstreits wird in beiden Rechtszügen endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten, ob der Beigeladene zu 1) auf Grund einer Tätigkeit für die Klägerin zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung war.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in V.-S. eine Druckerei betreibt. Der Beigeladene zu 1) ist von Beruf Druckermeister und stellte ursprünglich in einer eigenen Druckerei Druckerzeugnisse her. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) schlossen am 1. November 2007 einen Vertrag, in dem die Klägerin als Gesellschaft und der Beigeladene zu 1) als Mitarbeiter firmieren. Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
Der Mitarbeiter übernimmt als Außendienstmitarbeiter die Vertretung der Gesellschaft im Vertragsgebiet. Die Gesellschaft ist jedoch berechtigt, im Vertragsgebiet selbst tätig zu werden.
Bei der Ausübung der Tätigkeit hat der Mitarbeiter die Interessen der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen. Er hat alles in seinen Kräften stehende zur Förderung des Absatzes im Vertragsgebiet zu tun.
Das Vertragsgebiet erstreckt sich auch das südliche Baden-Württemberg und die nördliche Schweiz.
Der Mitarbeiter betreut seinen bisherigen Kundenstamm sowie die Altkunden der Gesellschaft[;] außerdem ist es seine Aufgabe[,] neue Kunden zu gewinnen.
Der Mitarbeiter ist berechtigt und verpflichtet[,] Geschäfte für die Gesellschaft zu vermitteln.
Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma hat der Mitarbeiter Weisungen der Gesellschaft zu befolgen.
Der Mitarbeiter wird der Gesellschaft alle erforderlichen Nachrichten geben und sie über alle wichtigen Vorgänge im Vertragsgebiet unterrichten.
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Der Mitarbeiter ist verpflichtet[,] die Kreditwürdigkeit seiner Altkunden und möglicher Neukunden im Rahmen seiner Möglichkeiten zu prüfen. Zweifel an der Bonität eines Kunden sind der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen. Die von der Gesellschaft festgelegten Preise sind für den Mitarbeiter verbindlich. Abweichende Vereinbarungen darf er nur nach Rücksprache mit der Gesellschaft treffen.
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Der Mitarbeiter verpflichtet sich[,] über alle ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma zur Kenntnis gelangenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Diese Geheimhaltungspflicht dauert auch nach Beendigung dieses Vertrages fort.
12 
Die Gesellschaft wird dem Mitarbeiter bei seiner Tätigkeit nach besten Kräften unterstützen. Sie stellt ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Unterlagen unentgeltlich zur Verfügung. Diese Unterlagen bleiben Eigentum der Gesellschaft.
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[...]
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Der Mitarbeiter hat Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte[,] die während des Vertragsverhältnisses in oben erwähnten Gebiet abgeschlossen werden, wenn sie ausschließlich auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Kein Provisionsanspruch besteht für Geschäftsabschlüsse, die die Gesellschaft direkt mit Kunden abgeschlossen hat.
15 
Der Anspruch auf Provision entfällt, wenn und soweit die Ausführung des Geschäfts unmöglich geworden ist, ohne dass die Gesellschaft die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder ihr die Ausführung nicht zuzumuten ist.
16 
Für Geschäfte, die zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch des Mitarbeiters bestimmt sind, besteht keine Provisionspflicht.
17 
Der Provisionsanspruch entsteht sobald und soweit der Kunde den vollen Kaufpreis bezahlt hat. Unabhängig von der Zahlung des Kaufpreises hat der Mitarbeiter Anspruch auf einen Provisionsvorschuss[,] wenn die Gesellschaft das Geschäft ausgeführt hat. Der Vorschuss beträgt 50% der vereinbarten Provision.
18 
Die dem Mitarbeiter zustehende Provision beträgt 15% des Umsatzes bei seinen bisherigen Altkunden und 15% bei Neukunden, sowie 10% bei bestehenden Kunden der Gesellschaft, sofern es sich um einen Neuauftrag handelt und dieser auf die Arbeit des Mitarbeiters zurückzuführen ist. Handelt es sich um einen Nachdruck eines Auftrages eines bestehenden Kunden der Gesellschaft und ist dieser ebenfalls auf die Tätigkeit des Mitarbeiters zurückzuführen, so erhält dieser eine Provision von 7,5%.
19 
Ein Zusatz zur Provisionsvereinbarung liegt diesem Vertrag als Zusatzvereinbarung im Anhang bei.
20 
Die Gesellschaft hat die Provision, auf die der Mitarbeiter Anspruch hat, spätestens bis zum 15. eines jeden Kalendermonats für den Vormonat abzurechnen und gleichzeitig Zahlung der Provision zu bewirken.
21 
Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Provisionsfixum von pauschal EUR 1.750,00, jeweils zahlbar zum Monatsende. Das Provisionsfixum wird auf die verdiente Provision nicht angerechnet. Die Erstattung weiterer Aufwendungen muss vorher schriftlich vereinbart werden.
22 
Dieser Vertrag tritt mit Wirkung zum 1. November 2007 in Kraft. Er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die ersten sechs Monate des Vertragsverhältnisses gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann der Vertrag von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.
23 
Nach Ablauf der Probezeit kann jede Partei den Vertrag unter Wahrung der gesetzlichen Frist kündigen.
24 
Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Mitarbeiter in grober Weise, insbesondere vorsätzlich gegen Bestimmungen dieses Vertrages verstößt.
25 
Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
26 
Dieser Vertrag endet mit Ablauf des Quartals, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet. Eine Vertragsverlängerung über diesen Zeitpunkt hinaus muss spätestens sechs Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Mitarbeiters schriftlich vereinbart sein.
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Nach Beendigung dieses Vertrages ist der Mitarbeiter nicht mehr berechtigt[,] Angebote, Kalkulationsunterlagen oder sonstige Informationen der Gesellschaft zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Alle von der Gesellschaft erhaltenen Unterlagen sind innerhalb einer Frist von einem Monat nach Vertragsende zurück zu geben, ohne dass Kopien oder Reproduktionen davon zurückbehalten werden dürfen.
28 
Alle Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen verjähren in zwölf Monaten nach dem Zeitpunkt[,] in dem die Gesellschaft von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
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Vereinbarungen außerhalb dieses Vertrages wurden nicht getroffen. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
30 
Ebenfalls am 1. November 2007 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine Zusatzvereinbarung zum „Arbeitsvertrag“, in der die Staffelung der Provisionen geregelt wurde.
31 
Der Beigeladene zu 1) wurde zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 auf Grundlage dieser Vereinbarungen für die Klägerin tätig. Die Klägerin zahlte dem Beigeladenen zu 1) eine monatliche Vergütung zwischen EUR 1.750,00 (in sieben Monaten) sowie höchstens EUR 2.272,30 im September 2008. Die Beendigung der Zusammenarbeit erfolgte aufgrund einer Kündigung durch die Klägerin.
32 
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg führte am 27. Januar 2009 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 durch. Mit Bescheid vom 24. Februar 2009 setzte sie eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 277,32 fest. Hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin enthält dieser Bescheid keine Feststellungen.
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Der Beigeladene zu 1) beantragte am 15. Dezember 2010 bei der Beklagten die Feststellung, dass seine Tätigkeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 bei der Klägerin eine abhängige Beschäftigung gewesen sei. Er sei voll in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen. Verstöße gegen den „Arbeitsvertrag“ hätten zu Sanktionen geführt. Er sei als Außendienstmitarbeiter tätig gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, Neukunden zu gewinnen. Er habe Listen bekommen, die er habe abarbeiten müssen, oder er habe per Mail eine Aufforderung bekommen, gewisse Kunden zu besuchen. Anschließend habe er Besuchsberichte vorlegen müssen. Hinsichtlich der zu leistenden Stunden habe er von der Klägerin keine direkten Vorgaben erhalten. Er habe hauptsächlich im Raum Villingen-Schwenningen tätig sein müssen. Da auch Interesse an seinem Kundenbestand bestanden habe, habe er auch versucht, im Raum Singen Kunden zu gewinnen. Ein- bis zweimal pro Woche habe er im Betrieb der Klägerin vorsprechen müssen. An einer Weiterbildung habe er einmal teilgenommen. Arbeitsmittel seien ihm seitens der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Preise habe er keine machen dürfen. Ihm sei untersagt worden, selbst zu kalkulieren.
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Die Klägerin beantragte im Verwaltungsverfahren festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorgelegen hat. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei der Beigeladene zu 1) durchgehend hauptberuflich selbständig als Inhaber einer eigenen Druckerei in Singen mit entsprechender Gewerbeanmeldung, eigenen Geschäftsräumen, einer Buchhandlung etc. gewesen. Er habe unter dem Namen seiner eigenen Druckerei Druckerzeugnisse verkauft, wobei er diese zum Teil gegen Rechnung extern habe drucken lassen und dann – mit Gewinn – weiterveräußert habe. Von Anfang an habe zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) Einigkeit darüber bestanden, dass die maßgebliche Tätigkeit nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sondern in freier Mitarbeit erfolgen sollte. Damit habe Rücksicht auf die eigene hauptberufliche selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Inhaber einer eigenen Druckerei genommen werden sollen. Es seien auch keine Gehaltsabrechnungen oder ähnliches erfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe vielmehr regelmäßig Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer über sein Tätigwerden erstellt. Das „auf dem Papier“ bestehende Kontroll- und Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort, Art und Weise der Tätigkeit sei ihrerseits nie ausgeübt worden. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 27. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 sei zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Der Beigeladene zu 1) habe regelmäßig selbständig über die von ihm wahrgenommenen Termin berichtet, in der Regel per E-Mail oder telefonisch. Er sei in seiner Zeiteinteilung völlig frei gewesen und habe auch keine bestimmte Anwesenheitszeiten zu beachten gehabt. Eine Mindestarbeitszeit sei von ihm nicht eingefordert worden. Der Beigeladene zu 1) sei im Wesentlichen in ihrem Einzugsgebiet tätig gewesen, also im Schwarzwald-Baar-Kreis, habe aber auch darüber hinaus Kunden gewinnen können. Eine räumliche Einschränkung sei nicht erfolgt. Er sei nicht in ihre Betriebsabläufe eingegliedert gewesen, sondern habe völlig unabhängig gehandelt. Besprechungen seien in der Regel telefonisch oder per E-Mail erfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe sämtliche Termine mit dem eigenen PKW wahrgenommen.
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Mit Schreiben vom 18. April 2011 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) an, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen.
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Die Klägerin trug daraufhin vor, dass zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) Einigkeit bestanden habe, dass der Beigeladene zu 1) für sie selbständig tätig sein sollte. Die Initiative zum Abschluss des Vertrages sei vom Beigeladenen zu 1) ausgegangen, der angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten der von ihm betriebenen Druckerei nach geschäftlichen Alternativen gesucht habe. Sie habe kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollen. Dies habe auch den Hintergrund gehabt, dass der Beigeladenen zu 1) weiterhin als Inhaber seiner Druckerei am Markt tätig gewesen sei und dieses Unternehmen auch fortgeführt habe und nach ihrem Kenntnisstand auch immer noch betreibe. Entgegen seiner Angaben habe er seine eigene Druckerei nicht aufgegeben. Zwar sei richtig, dass der Beigeladene zu 1) seine Druckmaschinen bereits verkauft habe. Er habe jedoch nach wie vor Druckaufträge seiner Kunden angenommen und andere Druckereien als Subunternehmer mit der Ausführung des Drucks beauftragt. Im Rahmen einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) über von ihr geltend gemachte Forderungen habe der Beigeladene zu 1) gedroht, ein Statusfeststellungsverfahren einleiten zu wollen, sollte sie sich nicht auf einen für ihn günstigen Vergleich einlassen. Nachdem sie den Drohungen nicht nachgegeben habe und erfolgreich einen Titel gegen ihn erwirkt habe sowie die Vollstreckung aus dem Titel angekündigt habe, habe der Beigeladene zu 1) einen Vergleich vorgeschlagen, bei dem er angeboten habe, unter diesen Voraussetzungen den Statusfeststellungsantrag zurückzunehmen. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass der Beigeladene zu 1) lediglich vor dem Hintergrund der juristischen Auseinandersetzung wegen ihrer berechtigten Forderungen das Statusfeststellungsverfahren eingeleitet habe. Erst ausdrücklich auf Wunsch des Beigeladenen zu 1) sei ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit abgeschlossen worden. Es sei eine Formvertragsvorlage verwendet worden, ohne dabei das Muster rechtlich auf Verwendung und Geeignetheit für den Vertrag näher rechtlich zu prüfen und anpassen zu lassen. In dem abgeschlossenen Vertrag fänden sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass zwischen ihnen der Abschluss eines selbständigen Dienstvertrages beabsichtigt gewesen sei. So sei bestimmt worden, dass der Beigeladene zu 1) bei der Ausübung seiner Tätigkeit die Interessen der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen habe. Mit der Verwendung des Wortes „Kaufmann“ seien sie offensichtlich übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) als selbständiger Kaufmann am Markt tätig sei und auftrete. Des Weiteren fehlten angesichts des Willens der Parteien, kein Arbeitsverhältnis zu begründen, in dem Vertrag vertragstypische Elemente wie Klauseln zur Arbeitszeit, Arbeitsort, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall etc. Das Verhältnis sei auch tatsächlich als selbständiges Dienstverhältnis gelebt worden. Der Beigeladene zu 1) sei keinem Weisungsrecht unterlegen. Sie habe ihm lediglich mitgeteilt, welche Kunden aus ihrer Sicht besucht bzw. angesprochen werden sollten. Bezüglich der Art, dem zeitlichen Umfang der Verrichtung seiner Tätigkeit, der Lage der Zeit seiner Tätigkeit sowie den Arbeitsorten sei der Beigeladene zu 1) jederzeit frei gewesen. Lediglich da dieser mit ihrem Kundenumfeld nicht vertraut gewesen sei, seien Anregungen bzw. Hilfestellungen dahingehend erfolgt, dass der Beigeladene zu 1) Kundenlisten zur Verfügung gestellt bekommen und Hinweise erhalten habe, welche Kunden insbesondere angesprochen werden sollten. Konkrete Verpflichtungen, Vorgaben und Weisungen seien damit jedoch nicht verbunden gewesen. Auch die Besuchsberichte habe der Beigeladene zu 1) selbständig und weisungsfrei erstellt. Sanktionen gegenüber dem Beigeladenen zu 1) seien zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Auch seien keine Vertragsverstöße beanstandet worden. Es habe zwischen ihnen auch Einvernehmen darüber bestanden, dass der Beigeladene zu 1) nicht seine gesamte Arbeitskraft geschuldet habe. So sei er neben seiner Tätigkeit bei ihr bekanntermaßen weiterhin als Inhaber seiner eigenen Druckerei mit vollem eigenem unternehmerischen Risiko am Markt tätig gewesen.
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Mit Bescheid vom 11. Juli 2011 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass dessen Tätigkeit im Bereich der Kundengewinnung bei der Klägerin vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1. November 2007 bestanden habe. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien gewesen, dass der Beigeladene zu 1) nur für die Klägerin habe tätig werden dürfen, dass die Klägerin ihm gegenüber weisungsberechtigt gewesen sei, dass sie ihm Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt habe, dass er Besuchsberichte habe erstellen müssen und dass eine monatliche, erfolgsunabhängige Pauschalvergütung gezahlt worden sei. Merkmal für eine selbständige Tätigkeit sei gewesen, dass der Beigeladene zu 1) keinen Zeitvorgaben unterlegen sei. Bei der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 12. August 2011 Widerspruch. Sie verwies auf ihr bisheriges Vorbringen und rügte, dass ihre Ausführungen bei der Erstellung des Bescheides nicht berücksichtigt worden seien.
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Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2011 zurück. Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles sei der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber habe tätig sein können und nach den Angaben der Klägerin auch gewesen sei, für die Beurteilung dieses Vertragsverhältnisses nicht maßgeblich. Aus der Tätigkeit für mehrere Vertragspartner könne nicht zwangsläufig auf das Nichtvorhandensein einer abhängigen Beschäftigung geschlossen werden, da dieses auch bei abhängig Beschäftigten üblich sei. Hinsichtlich der Ausführung der zur erbringenden Leistung sei der Beigeladene zu 1) Einschränkungen durch Vorgaben bezüglich Arbeitsort und Arbeitszeit unterlegen. Er sei damit dem Weisungsrecht und Direktionsrecht der Klägerin unterlegen. Ein relevantes Unternehmerrisiko habe der Beigeladene zu 1) nicht getragen. Er habe seine eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da eine Vergütung in Höhe von monatlich EUR 1.750,00 als Provisionsfixum erfolgt sei. Der Beigeladene zu 1) habe ausschließlich die eigene Arbeitskraft eingesetzt und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Er habe zwar frei entscheiden können, ob er Aufträge annehme oder ablehne, bei Annahme sei jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 16. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führte sie aus, dass auch bei einer Beschäftigung eines freien Handelsvertreters ein Fixum in Höhe von EUR 1.750,00 nicht unüblich sei. Allein auf Grund der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) solch ein Provisionsfixum erfolgsunabhängig erzielt habe, könne daher nicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden. Dass der Beigeladene zu 1) ausschließlich die eigene Arbeitskraft eingesetzt und funktionsgerecht dienend in einer fremde Arbeitsorganisation tätig geworden sei, könne nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. Auch die Tätigkeit eines freien Handelsvertreters, der als Selbständiger anzusehen sei, sei durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft gekennzeichnet. Zu keinem Zeitpunkt habe überdies eine Eingliederung in ihre Arbeitsorganisation stattgefunden. Der Beigeladene zu 1) sei bei seiner Tätigkeit keinerlei Stundenvorgaben oder ähnlichen Vorgaben unterlegen. Ihre Kundeninformation (dazu noch unten) habe gegenüber den Kunden nur den Eindruck vermitteln sollen, dass der Beigeladene zu 1) Arbeitnehmer sei. Diese Präsentation nach Außen gegenüber ihren Kunden ändere jedoch nichts daran, dass dieser tatsächlich als Selbständiger für sie tätig gewesen sei. Warum der Beigeladene zu 1) im vorliegenden Verfahren eine gänzlich andere Rechtsauffassung bekunde als beim Abschluss und bei der Durchführung des Vertrages, könne sie nicht nachvollziehen. Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort seien zu keinem Zeitpunkt gemacht worden. Der Beigeladene zu 1) sei lediglich gebeten worden, zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Kunden zu besuchen. Sie habe ihm gegenüber, quasi als dessen Kunde, lediglich Wünsche geäußert. Der Beigeladene zu 1) habe auch bei Kunden Aufträge akquiriert, ohne dass sie auch nur in irgendeiner Weise zu Kundenbesuchen beigetragen habe. Die Berichtspflicht eines freien Handelsvertreters (§ 86 Abs. 2 Handelsgesetzbuch [HGB]) begründe nicht die Arbeitnehmereigenschaft.
41 
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf ihren Widerspruchsbescheid. Ergänzend führte sie aus, dass die Behauptung der Klägerin, dass zwischen den Vertragsparteien Einigkeit bestanden habe, dass der Beigeladenen zu 1) für sie selbständig tätig werden sollte, nicht nachvollziehbar sei. Der Beigeladene zu 1) trage selbst vor, dass er in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Gegenstand der Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg sei nicht das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) gewesen.
42 
Der Beigeladene zu 1) trat der Klage entgegen und verwies darauf, von der Klägerin Vorgaben hinsichtlich der von ihm zu besuchenden Firmen und der Abgabe von Besuchsberichten erhalten zu haben. Er legte u.a. eine Kundeninformation der Klägerin, in der er als neuer „Mitarbeiter“ („Vertriebsleiter“) vorgestellt wurde, sowie zahlreiche von ihm verfasste Berichte über Besuche bei Firmen vor.
43 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2015 ab. Der Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen. Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spreche die ausdrücklich formulierte Weisungsbefugnis der Klägerin in dem der Tätigkeit zu Grunde liegenden Vertrag. Die (fragliche) Nichtnutzung des Weisungsrechts beseitige dies nicht. Der Beigeladene zu 1) sei im Weiteren nicht frei in der Preisgestaltung gewesen, vielmehr seien für ihn die festgelegten Preise verbindlich gewesen. Typisch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei weiterhin die Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit und der entsprechenden Kündigungsmöglichkeiten. Weiter sei zu berücksichtigten, dass ein festes und erfolgsunabhängiges Gehalt vereinbart worden sei. Gegen eine selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter spreche im Weiteren – wenn auch weniger zwingend –, dass dem Beigeladenen zu 1) seitens der Klägerin kein Gebietsschutz zugestanden worden sei. Dem gegenüber spreche keine der vertraglichen Abreden klar für eine selbständige Tätigkeit. Auch die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit sprächen überwiegend für eine abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1) sei von der Klägerin nach außen als neuer Mitarbeiter in ihrer Kundeninformation vorgestellt worden. Auch unter Berücksichtigung manch unscharfer Formulierung seitens juristischer Laien, welcher nicht gleiches Gewicht beizumessen sei wie der Wortwahl juristischer Fachleute, habe die Klägerin eindeutig den Eindruck vermittelt, dass der Beigeladene zu 1) ein Angestellter und kein Selbständiger sei. Auch habe die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) einen Telefonanschluss zur Betreuung seiner alten Kunden zur Verfügung gestellt, was eine gewisse Eingliederung in den Betrieb bedeute. Inwieweit der Beigeladene zu 1) tatsächlich Weisungen der Klägerin habe befolgen müssen, lassen sich nicht eindeutig klären. Die Besuchsberichte an sich sprächen für eine enge Kontrolle seitens der Klägerin.
44 
Gegen das ihr am 5. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Juli 2015 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die tatsächlichen Verhältnisse der Vertragsbeziehungen erwiesen hätten, dass vom Wortlaut des Vertrages abgewichen und damit eine konkludente Änderungsvereinbarung getroffen worden sei. Die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses ergebe bei zutreffender Bewertung, dass der Beigeladene zu 1) keine fremdbestimmte Dienstleistung erbracht habe, weil er bei der Vermittlung von Druckaufträgen tatsächlich weder weisungsgebunden noch bei der tatsächlichen Ausgestaltung seiner Arbeit insbesondere hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art seiner Arbeitsausführung ihrem Weisungsrecht unterlegen sei. Er sei in keiner Weise in ihrer Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Richtig sei zwar, dass er gegenüber ihren Kunden als „Mitarbeiter … im Team als Vertriebsleiter“ dargestellt worden sei und auch eine Telefonnummer und einen Telefonanschluss bei ihr gehabt habe. Der Beigeladene zu 1) habe jedoch diesen Telefonanschluss zu keiner Zeit selbst genutzt. Er habe über kein eigenes Büro und auch keinen Arbeitsplatz bei ihr verfügt. Er sei nach eigener Zeiteinteilung und nach eigenen Vorstellungen bei potentiellen Kunden tätig geworden und habe dort völlig weisungsfrei agiert. Zu keinem Zeitpunkt seien dem Beigeladenen zu 1) Weisungen erteilt worden. Das SG habe auch die Pflicht des Beigeladenen zu 1), Besuchsberichte vorzulegen, unrichtig bewertet. Schon nach § 86 Abs. 2 HGB seien selbständige Handelsvertreter verpflichtet, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, ihm namentlich von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Unerheblich sei auch, dass der Beigeladene zu 1) nicht frei in der Preisgestaltung gewesen sei. Dies sei bei selbständigen Handelsvertretern in aller Regel üblich.
45 
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
46 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Mai 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2011 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 bei ihr nicht in einem abhängigen und versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt ist.
47 
Die Beklagte beantragt,
48 
die Berufung zurückzuweisen.
49 
Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.
50 
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
51 
die Berufung zurückzuweisen.
52 
Der Beigeladene zu 1) hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
53 
Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keine Anträge gestellt und sich nicht geäußert.
54 
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
55 
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
56 
2. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass die vom Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 ausgeübte Tätigkeit in einem abhängigen und in allen Zweiten der Sozialversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgte.
57 
a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).
58 
Die Beklagte war für die vom Beigeladenen zu 1) beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15. Dezember 2010 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war. Ein Statusfeststellungsantrag ist auch nach Beendigung des Auftragsverhältnisses zulässig (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R – juris, Rn. 28 ff.); § 7a SGB IV enthält keine Antragsfrist. Die Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Klägerin durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg am 27. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 steht dem Statusfeststellungsverfahren ebenfalls nicht entgegen, da im Rahmen der Betriebsprüfung keine Feststellungen bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) getroffen worden sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 1/04 R – juris, Rn. 44).
59 
b) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
60 
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 –; BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – in juris, Rn. 15, BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, in juris Rn. 19, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff., BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, in juris Rn.19, jeweils m.w.N.).
61 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17 - jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
62 
c) Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten über die Abgrenzung der Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters von der eines abhängig Beschäftigten. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB ausgeübt habe und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Wer, ohne selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB).
63 
Das BSG hat die maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung zwischen beiden Tätigkeiten in einem Grundsatzurteil vom 29. Januar 1981 (12 RK 63/79 – juris, Rn. 18 ff.) dargelegt. Daran hält es in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 KR 28/03 R – juris, Rn. 24).
64 
Dabei geht das BSG von der Rechtsgestaltung des selbständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB aus, der zwar bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch Weisungen des Unternehmers, für den er tätig ist, unterliegen kann, dass er sich von dem abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB aber dadurch abgrenzt, dass das Weisungsrecht des Unternehmers nicht so stark ausgestaltet sein darf, dass die dadurch bewirkten Einschränkungen seiner unternehmerischen Freiheit diese in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 19 f. – auch zum Folgenden). Wenn der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden. Während der Unternehmer über die Arbeitskraft des abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann, fehlt eine derartige persönliche Abhängigkeit beim Handelsvertreter, der seinem Auftraggeber in einem Verhältnis persönlicher Selbständigkeit und Gleichstellung gegenüber steht.
65 
Die persönliche Selbständigkeit des Handelsvertreters, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt, kommt vor allem in den in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 21 – auch zum Folgenden). Daneben können noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört insbesondere das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist. Handelsvertreter ist danach, wer von einem Unternehmer ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbständig ist, insbesondere im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe.
66 
Von den gleichen Grundsätzen geht das BSG auch im Recht der Sozialversicherung aus (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 22 – auch zum Folgenden). Es betont, dass die Begriffe der Selbständigkeit und der Abhängigkeit im Handelsrecht zwar eine andere Funktion als im Sozialversicherungsrecht haben. So dienen sie im Handelsrecht dazu, bestimmte mit Vermittlungsdiensten betraute Personen jeweils einem besonderen Normenbereich mit den entsprechenden privatrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen, die Handelsvertreter den §§ 84 ff. HGB, die Handlungsgehilfen den §§ 59 ff. HGB, wobei diese Zuordnung zugleich über den jeweiligen Rechtsweg entscheidet (Zivilgerichtsbarkeit für Ansprüche der Handelsvertreter, Arbeitsgerichtsbarkeit für solche der Handlungsgehilfen). Im öffentlichen Recht der Sozialversicherung dienen die genannten Begriffe demgegenüber der Abgrenzung von versicherungsfreien und versicherungspflichtigen Tätigkeiten und den damit verbundenen Rechtsfolgen. Trotz dieser unterschiedlichen Funktionen versteht das BSG die genannten Begriffe im Handels- und im Sozialversicherungsrecht als weitgehend inhaltsgleich. So wird auch im Sozialversicherungsrecht eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, während ein abhängig Beschäftigter typischerweise einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfasst. Auch die Rechtsprechung zur Sozialversicherung bezieht dabei für die Unterscheidung zwischen selbständigen und abhängigen Dienstleistungen alle Umstände des Falles ein, stellt also auf das „Gesamtbild“ ab, berücksichtigt allerdings auf der anderen Seite auch den Zweck der Sozialversicherung, den abhängig Beschäftigten wegen ihrer vom Gesetzgeber unterstellten sozialen Schutzbedürftigkeit ein besonderes Sicherungssystem des öffentlichen Rechts zur Verfügung zu stellen (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 23).
67 
Nach der Auffassung des BSG schließen der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, über dessen Normen grundsätzlich nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden kann, es aus, dass über die rechtliche Einordnung der Tätigkeit allein die von den Vertragsschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 24 – auch zum Folgenden). Allein der Wille der Vertragsschließenden, eine mit der Vermittlung von Geschäften beauftragte Person den Normen des Handelsvertreterrechts zu unterstellen (etwa durch die Formulierung „Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB“) kann deshalb für die Frage ihrer Versicherungspflicht dann nicht maßgebend sein, wenn diese rechtliche Einordnung den sonstigen Bestimmungen des Vertrages oder ihrer tatsächlichen Anwendung nicht entspricht. Dabei kommt es nicht nur auf die schriftlich niedergelegten oder ausdrücklich getroffenen Vertragsbestimmungen an; zu berücksichtigen ist vielmehr auch das schlüssige (konkludente) Verhalten der Vertragspartner. Der im Vertrag verlautbarte Wille der Vertragspartner, die beiderseitigen Beziehungen in einem bestimmten Sinne zu regeln, insbesondere ein Dienstverhältnis den Normen eines bestimmten Vertragstyps zu unterstellen, ist somit für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines der Partner nur dann maßgebend, wenn die übrigen Bestimmungen des Vertrags und seine tatsächliche Durchführung der gewählten Vertragsform entsprechen.
68 
d) Nach diesen Maßstäben ist der Senat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, die in die Abwägung einzustellen sind, zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) für die Klägerin nicht abhängig beschäftigt war. Insbesondere war er nicht in wesentlichem Umfang weisungsgebunden und nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert.
69 
aa) Zwar spricht für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) auf den ersten Blick, dass die Klägerin aufgrund des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages ihm gegenüber weisungsberechtigt gewesen ist. Die entsprechende Klausel im Vertrag („Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma hat der Mitarbeiter Weisungen der Gesellschaft zu befolgen.“) ist indes zu unbestimmt, um daraus eine umfassende Weisungsbefugnis insbesondere in zeitlicher und örtlicher Hinsicht abzuleiten. Vielmehr ist die Regelung nur im Sinne eines fachlichen Weisungsrechtes zu verstehen. Nur so ist auch plausibel, dass ein darüber hinaus gehendes Weisungsrecht nach dem Vortrag der Klägerin von ihr nie ausgeübt worden ist. Dem hat auch der Beigeladene zu 1) nicht substantiiert widersprochen, so dass zur Überzeugung des Senats feststeht, dass ein Weisungsrecht in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht ausgeübt worden ist. Der Beigeladene zu 1) hat vielmehr im Verwaltungsverfahren eingeräumt, hinsichtlich der zu leistenden Stunden keine direkten Vorgaben der Klägerin erhalten zu haben. Der Beigeladene zu 1) hat ansonsten lediglich behauptet, voll in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen zu sein. Konkretisiert oder gar belegt hat er diese Behauptung nicht. Dies gilt insbesondere für die Sanktionen, die ihm gegenüber wegen Vertragsverstößen verhängt worden seien. In der mündlichen Verhandlung konnte er auf Nachfrage den Vortrag hinsichtlich der Sanktionen nicht konkretisieren, sondern hat den diesbezüglichen vorgerichtlichen Vortrag fallengelassen. Ein lediglich fachliches Weisungsrecht steht, selbst wenn es ausgeübt wird, der Tätigkeit als selbständigen Handelsvertreter nicht entgegen (Emde, in: Staub [Begr.], HGB, 5. Aufl. 2008, § 84 Rn. 33).
70 
Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, dass der Beigeladenen zu 1) nicht in einem bestimmten zeitlichen Umfang zur Verrichtung seiner Tätigkeit verpflichtet war. Zwar war er nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag berechtigt und verpflichtet, „Geschäfte für die Gesellschaft zu vermitteln.“ Das zeitliche Ausmaß dieser Verpflichtung, also namentlich eine bestimmte Wochen- oder Monatsstundenzahl, war indes nicht vereinbart. Auch der Beigeladene zu 1) hat im Verwaltungsverfahren eingeräumt, hinsichtlich der zu leistenden Stunden von der Klägerin keine direkten Vorgaben erhalten zu haben. Vielmehr sollte es ersichtlich der Eigeninitiative und der von der in Aussicht gestellten Provision angeleiteten Motivation des Beigeladenen zu 1) überlassen bleiben, in welchem Umfang er für die Klägerin tätig wird. Dies spricht aber gerade für eine selbständige Tätigkeit.
71 
Aufgrund des eigenen Vorbringens der Klägerin ist der Senat allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin verschiedentlich gebeten hat, zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Kunden zu besuchen. Hieraus lässt sich nicht entnehmen, die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1) inhaltliche Weisungen erteilt. Die Klägerin gab dem Beigeladenen zu 1) insoweit nur Hinweise, wer möglicherweise als Kunde für sie in Betracht kam. Dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) keine Vorgaben machte, welche Unternehmen er aufsuchen sollte, zeigt sich darin, dass – nach dem vom Beigeladenen zu 1) zugestandenen (Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, Bl. 196 SG-Akte) Vortrag der Klägerin – der Beigeladene zu 1) mehrere Aufträge vermittelte, ohne dass ihm die Klägerin die jeweiligen Auftraggeber zuvor benannt hatte. Diese Aufträge stammten von früheren Kunden des Beigeladenen zu 1). Selbst wenn man darin nicht bloß unverbindliche Wünsche, sondern Weisungen sehen würde, wäre dem Beigeladenen zu 1) gleichwohl ausreichende Zeithoheit im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB verblieben (vgl. auch Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 20. April 2015 – 2 Sa 998/15 – juris, Rn. 47) und damit hinreichende Weisungsfreiheit, die gegen die Annahme abhängiger Beschäftigung streitet (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – juris, Rn. 26). Auch die Beklagte ging in ihrem Bescheid vom 11. Juli 2011 noch davon aus, dass der Beigeladene zu 1) keinen Zeitvorgaben unterlegen sei und dass dies für eine selbständige Tätigkeit spreche.
72 
Auch eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin erfolgte nicht. Insbesondere hatte der Beigeladenen zu 1) keine Anwesenheitszeiten einzuhalten. Dies entspricht zwar der Natur der Tätigkeit als Handelsvertreter, die im Außendienst zu verrichten ist, kann aber nicht gegen den selbständigen Charakter der Tätigkeit in Stellung gebracht werden. Insofern ist eher die gesetzgeberische Wertung des § 84 Abs. 1 HGB, dass ein Handelsvertreter selbständig ist, von Bedeutung.
73 
Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) lässt sich entgegen der Auffassung des SG nicht daraus ableiten, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) einen Telefonanschluss zur Betreuung seiner alten Kunden zur Verfügung stellte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw. Netzes (Logistik) durch einen „Systempartner“ oder Dienste-anbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des „Systemgebers“ oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die „Systempartner“ oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 29).
74 
Entgegen der Auffassung der Beklagten im Ausgangsbescheid ist es kein Argument für eine abhängige Beschäftigung, dass der Beigeladene zu 1) verpflichtet war, Besuchsberichte zu erstellen. Es entspricht bereits der gesetzlichen Verpflichtung eines (selbständigen) Handelsvertreters aus § 86 Abs. 2 HGB, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – juris, Rn. 30).
75 
Dass der Beigeladene zu 1) bei der Preisgestaltung nicht frei war, sondern an die von der Klägerin vorgegebenen Preise bei der Akquisition von Aufträgen gebunden war, streitet ebenfalls nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Denn die freie Preisgestaltung ist keine Voraussetzung für eine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter (Emde, in: Staub [Begr.], HGB, 5. Aufl. 2008, § 84 Rn. 33). Vielmehr ist das Recht zur eigenständigen Preisgestaltung eher untypisch für die Stellung als Handelsvertreter (Oberlandesgericht [OLG] Köln, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 19 U 134/09 – juris, Rn. 21).
76 
Auch ist es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) unergiebig, dass die Klägerin diesen in ihrer Informationsschrift „Kundeninfo“ von März 2008 als ihren „Mitarbeiter“ und „Vertriebsleiter“ vorgestellt hat. Damit war ersichtlich keine rechtliche Bewertung verbunden, die im Übrigen auch nicht von Bedeutung wäre. Auch die Vorstellung des Beigeladenen zu 1) beispielsweise als „selbständigem Handelsvertreter“ in der Informationsschrift wäre für die rechtliche Bewertung irrelevant gewesen. Der Begriff „Mitarbeiter“ ist kein juristischer Begriff, insbesondere ist er nicht synonym zum Begriff des „abhängig Beschäftigten“; daher ist die Vorstellung als „ihr Mitarbeiter“ nicht nur aus Laiensicht auch gar nicht unzutreffend: Aufgrund der vertraglichen Verbindung war der Beigeladene zu 1) tatsächlich für die Klägerin als Mitarbeiter tätig.
77 
Kein Argument für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist entgegen der Auffassung des SG, dass eine sechsmonatige Probezeit und entsprechende Kündigungsmöglichkeiten vereinbart worden sind. Derartige Vereinbarungen sind zwar typisch für Arbeitsverträge, aber nicht hierauf beschränkt. Insbesondere sagen sie nichts über die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV maßgeblichen Kriterien, nämlich die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation, aus.
78 
Für eine selbständige Tätigkeit spricht indes wiederum nicht, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart wurden. Solche Vertragsgestaltungen sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit wollen (zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20. August 2015 – L 4 R 861/13 – juris, Rn. 67 m.w.N. – auch zum Folgenden). Insofern gilt aber, dass dem keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Kriterien – Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers – bereits zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. In einem solchen Fall werden vertragliche Absprachen oder deren Unterlassen durch die gesetzlichen Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über Urlaubsansprüche verdrängt bzw. ersetzt.
79 
bb) Vor diesem Hintergrund kommt der Frage, ob der Beigeladene zu 1) ein Unternehmerrisiko, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – juris, Rn. 10 m.w.N.; zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20. August 2015 – L 4 R 861/13 – juris, Rn. 65 m.w.N.), getragen hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rn. 29). Ein solches Unternehmerrisiko LAG aber im Übrigen insoweit vor, als der Beigeladene zu 1) das Risiko einging, Arbeitszeit zu investieren, ohne Aufträge für die Klägerin vermitteln zu können und daher keinen Provisionsanspruch generieren zu können. Dieses Risiko wurde zwar dadurch relativiert, dass der Beigeladene zu 1) von der Klägerin ein Provisionsfixum in Höhe von monatlich EUR 1.750,00 beanspruchen konnte und auch erhielt. Die Vereinbarung eines solchen Provisionsfixum ist aber nicht unüblich (LSG Hessen, Beschluss vom 29. August 2014 – L 8 KR 376/12 – juris, Rn. 65) und steht der Annahme einer Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter nicht entgegen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. März 2015 – I-16 U 70/14, 16 U 7016 U 70/14 – juris, Rn. 74; OLG Hamburg, Urteil vom 17. März 2000 – 14 U 77/99 – juris, Rn. 27; LAG Köln, Urteil vom 20. April 2015 – 2 Sa 998/14 – juris, Rn. 47).
80 
Der Annahme eines Unternehmerrisikos steht nicht entgegen, wenn der Handelsvertreter keine eigene Betriebsstätte hat und, abgesehen vom eigenen Pkw, keine eigenen Betriebsmittel einsetzt (so aber LSG Hessen, Beschluss vom 29. August 2014 – L 8 KR 376/12 – juris, Rn. 65). Der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel ist keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – juris, Rn. 25; Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 62; Beschluss des Senats vom 20. August 2015 – L 4 R 1001/15 – juris, Rn. 65 m.w.N.). Eine andere Ansicht ist zu sehr einer Sichtweise verhaftet, die lediglich gewerblichen Unternehmern mit erheblichen Betriebsmittelbedarf die Möglichkeit selbständiger Tätigkeit zubilligt (Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 62). Dies wird weder der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV noch der Vielfalt des wirtschaftlichen Lebens gerecht (vgl. zur selbständigen Tätigkeit eines Piloten ohne eigenes Flugzeug BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris, Rn. 16 ff.). Dass der Pkw auch privaten Zwecken des Beigeladenen zu 1) dienen mag, kann der Klägerin vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht entgegengehalten werden (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 62). Umgekehrt ist es daher entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein durchgreifendes Argument für eine abhängige Beschäftigung, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt habe, wobei die Beklagte keinerlei Feststellungen getroffen hat, um welche Arbeitsmittel es sich gehandelt habe.
81 
Ein Wettbewerbsverbot bestand für den Beigeladenen zu 1) nicht. Der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Vertrag enthält ein solches Verbot nicht. Entsprechend ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11. Juli 2011 davon ausging, der Beigeladene zu 1) dürfe nur für die Klägerin tätig werden. Diese Behauptung hat sie im Widerspruchsbescheid nicht aufrecht erhalten, sondern nun ausgeführt, es sei nicht maßgeblich, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Zwar sind nebeneinander vorliegende verschiedene sozialversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte grundsätzlich selbständig zu beurteilen (BSG, Urteil vom 4. November 2009 – B 12 R 7/08 R – juris, Rn. 19; Urteil des Senats vom 14. August 2015 – L 4 R 3603/13 – nicht veröffentlicht). Das bedeutet aber nicht, dass der Umstand, dass jemand auch für andere Auftraggeber tätig ist, nicht als Indiz – für eine selbständige Tätigkeit – bei der Beurteilung der jeweiligen Tätigkeit gewertet werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es im Übrigen keineswegs üblich, dass Arbeitnehmer mehrere Arbeitgeber haben. Vielmehr entspricht es der Regel, dass Arbeitnehmer jeweils nur einen Arbeitgeber haben. So gingen etwa im Jahr 2008 im Jahresschnitt lediglich 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland einer zweiten Erwerbstätigkeit nach (Mikrozensus 2008, zitiert nach Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 35/2009, S. 599).
82 
e) Ob der Beigeladene zu 1) auch als Selbständiger (teilweise) versicherungspflichtig war, namentlich ob er nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
83 
Gegenstand der von der Klägerin erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage war allein der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011, der – als feststellender Verwaltungsakt – die Feststellung des Bestehens von Sozialversicherungspflicht wegen einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV enthielt. Auf die Kassation allein dieses Bescheides und infolgedessen die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht (auch) nur wegen einer Beschäftigung sind die Klage und die Berufung gerichtet (vgl. BSG, Beschluss vom 4. September 2013 – B 12 KR 87/14 B – juris, Rn. 7). Die Feststellung des Bestehens einer Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbständigen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, die zusätzlich zur Annahme von Selbständigkeit die Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (und ggf. des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) in einem weiteren – hier (noch) nicht durchgeführten – Verwaltungsverfahren erforderlich macht, war deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst (vgl. BSG, Beschluss vom 4. September 2013 – B 12 KR 87/14 B – juris, Rn. 7; Sächsisches LSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – L 1 KR 85/11 – juris, Rn. 45).
84 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht der Beklagten nicht billig wäre. Der Beigeladene zu 1) hat zwar einen Antrag (auf Berufungszurückweisung) gestellt, ist aber zusammen mit der Beklagten unterlegen, so dass es auch insoweit nicht billig wäre, seine außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
85 
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
86 
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von EUR 5.000,00, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Gründe

 
55 
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
56 
2. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass die vom Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zwischen dem 1. November 2007 und dem 31. Oktober 2008 ausgeübte Tätigkeit in einem abhängigen und in allen Zweiten der Sozialversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgte.
57 
a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).
58 
Die Beklagte war für die vom Beigeladenen zu 1) beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15. Dezember 2010 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war. Ein Statusfeststellungsantrag ist auch nach Beendigung des Auftragsverhältnisses zulässig (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R – juris, Rn. 28 ff.); § 7a SGB IV enthält keine Antragsfrist. Die Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Klägerin durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg am 27. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 steht dem Statusfeststellungsverfahren ebenfalls nicht entgegen, da im Rahmen der Betriebsprüfung keine Feststellungen bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) getroffen worden sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 1/04 R – juris, Rn. 44).
59 
b) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
60 
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 –; BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – in juris, Rn. 15, BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, in juris Rn. 19, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff., BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, in juris Rn.19, jeweils m.w.N.).
61 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17 - jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
62 
c) Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten über die Abgrenzung der Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters von der eines abhängig Beschäftigten. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB ausgeübt habe und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Wer, ohne selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB).
63 
Das BSG hat die maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung zwischen beiden Tätigkeiten in einem Grundsatzurteil vom 29. Januar 1981 (12 RK 63/79 – juris, Rn. 18 ff.) dargelegt. Daran hält es in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 KR 28/03 R – juris, Rn. 24).
64 
Dabei geht das BSG von der Rechtsgestaltung des selbständigen Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB aus, der zwar bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch Weisungen des Unternehmers, für den er tätig ist, unterliegen kann, dass er sich von dem abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB aber dadurch abgrenzt, dass das Weisungsrecht des Unternehmers nicht so stark ausgestaltet sein darf, dass die dadurch bewirkten Einschränkungen seiner unternehmerischen Freiheit diese in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 19 f. – auch zum Folgenden). Wenn der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden. Während der Unternehmer über die Arbeitskraft des abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann, fehlt eine derartige persönliche Abhängigkeit beim Handelsvertreter, der seinem Auftraggeber in einem Verhältnis persönlicher Selbständigkeit und Gleichstellung gegenüber steht.
65 
Die persönliche Selbständigkeit des Handelsvertreters, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt, kommt vor allem in den in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 21 – auch zum Folgenden). Daneben können noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört insbesondere das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist. Handelsvertreter ist danach, wer von einem Unternehmer ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbständig ist, insbesondere im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe.
66 
Von den gleichen Grundsätzen geht das BSG auch im Recht der Sozialversicherung aus (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 22 – auch zum Folgenden). Es betont, dass die Begriffe der Selbständigkeit und der Abhängigkeit im Handelsrecht zwar eine andere Funktion als im Sozialversicherungsrecht haben. So dienen sie im Handelsrecht dazu, bestimmte mit Vermittlungsdiensten betraute Personen jeweils einem besonderen Normenbereich mit den entsprechenden privatrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen, die Handelsvertreter den §§ 84 ff. HGB, die Handlungsgehilfen den §§ 59 ff. HGB, wobei diese Zuordnung zugleich über den jeweiligen Rechtsweg entscheidet (Zivilgerichtsbarkeit für Ansprüche der Handelsvertreter, Arbeitsgerichtsbarkeit für solche der Handlungsgehilfen). Im öffentlichen Recht der Sozialversicherung dienen die genannten Begriffe demgegenüber der Abgrenzung von versicherungsfreien und versicherungspflichtigen Tätigkeiten und den damit verbundenen Rechtsfolgen. Trotz dieser unterschiedlichen Funktionen versteht das BSG die genannten Begriffe im Handels- und im Sozialversicherungsrecht als weitgehend inhaltsgleich. So wird auch im Sozialversicherungsrecht eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, während ein abhängig Beschäftigter typischerweise einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfasst. Auch die Rechtsprechung zur Sozialversicherung bezieht dabei für die Unterscheidung zwischen selbständigen und abhängigen Dienstleistungen alle Umstände des Falles ein, stellt also auf das „Gesamtbild“ ab, berücksichtigt allerdings auf der anderen Seite auch den Zweck der Sozialversicherung, den abhängig Beschäftigten wegen ihrer vom Gesetzgeber unterstellten sozialen Schutzbedürftigkeit ein besonderes Sicherungssystem des öffentlichen Rechts zur Verfügung zu stellen (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 23).
67 
Nach der Auffassung des BSG schließen der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, über dessen Normen grundsätzlich nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden kann, es aus, dass über die rechtliche Einordnung der Tätigkeit allein die von den Vertragsschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris, Rn. 24 – auch zum Folgenden). Allein der Wille der Vertragsschließenden, eine mit der Vermittlung von Geschäften beauftragte Person den Normen des Handelsvertreterrechts zu unterstellen (etwa durch die Formulierung „Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB“) kann deshalb für die Frage ihrer Versicherungspflicht dann nicht maßgebend sein, wenn diese rechtliche Einordnung den sonstigen Bestimmungen des Vertrages oder ihrer tatsächlichen Anwendung nicht entspricht. Dabei kommt es nicht nur auf die schriftlich niedergelegten oder ausdrücklich getroffenen Vertragsbestimmungen an; zu berücksichtigen ist vielmehr auch das schlüssige (konkludente) Verhalten der Vertragspartner. Der im Vertrag verlautbarte Wille der Vertragspartner, die beiderseitigen Beziehungen in einem bestimmten Sinne zu regeln, insbesondere ein Dienstverhältnis den Normen eines bestimmten Vertragstyps zu unterstellen, ist somit für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines der Partner nur dann maßgebend, wenn die übrigen Bestimmungen des Vertrags und seine tatsächliche Durchführung der gewählten Vertragsform entsprechen.
68 
d) Nach diesen Maßstäben ist der Senat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, die in die Abwägung einzustellen sind, zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) für die Klägerin nicht abhängig beschäftigt war. Insbesondere war er nicht in wesentlichem Umfang weisungsgebunden und nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert.
69 
aa) Zwar spricht für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) auf den ersten Blick, dass die Klägerin aufgrund des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages ihm gegenüber weisungsberechtigt gewesen ist. Die entsprechende Klausel im Vertrag („Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma hat der Mitarbeiter Weisungen der Gesellschaft zu befolgen.“) ist indes zu unbestimmt, um daraus eine umfassende Weisungsbefugnis insbesondere in zeitlicher und örtlicher Hinsicht abzuleiten. Vielmehr ist die Regelung nur im Sinne eines fachlichen Weisungsrechtes zu verstehen. Nur so ist auch plausibel, dass ein darüber hinaus gehendes Weisungsrecht nach dem Vortrag der Klägerin von ihr nie ausgeübt worden ist. Dem hat auch der Beigeladene zu 1) nicht substantiiert widersprochen, so dass zur Überzeugung des Senats feststeht, dass ein Weisungsrecht in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht ausgeübt worden ist. Der Beigeladene zu 1) hat vielmehr im Verwaltungsverfahren eingeräumt, hinsichtlich der zu leistenden Stunden keine direkten Vorgaben der Klägerin erhalten zu haben. Der Beigeladene zu 1) hat ansonsten lediglich behauptet, voll in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen zu sein. Konkretisiert oder gar belegt hat er diese Behauptung nicht. Dies gilt insbesondere für die Sanktionen, die ihm gegenüber wegen Vertragsverstößen verhängt worden seien. In der mündlichen Verhandlung konnte er auf Nachfrage den Vortrag hinsichtlich der Sanktionen nicht konkretisieren, sondern hat den diesbezüglichen vorgerichtlichen Vortrag fallengelassen. Ein lediglich fachliches Weisungsrecht steht, selbst wenn es ausgeübt wird, der Tätigkeit als selbständigen Handelsvertreter nicht entgegen (Emde, in: Staub [Begr.], HGB, 5. Aufl. 2008, § 84 Rn. 33).
70 
Gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, dass der Beigeladenen zu 1) nicht in einem bestimmten zeitlichen Umfang zur Verrichtung seiner Tätigkeit verpflichtet war. Zwar war er nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag berechtigt und verpflichtet, „Geschäfte für die Gesellschaft zu vermitteln.“ Das zeitliche Ausmaß dieser Verpflichtung, also namentlich eine bestimmte Wochen- oder Monatsstundenzahl, war indes nicht vereinbart. Auch der Beigeladene zu 1) hat im Verwaltungsverfahren eingeräumt, hinsichtlich der zu leistenden Stunden von der Klägerin keine direkten Vorgaben erhalten zu haben. Vielmehr sollte es ersichtlich der Eigeninitiative und der von der in Aussicht gestellten Provision angeleiteten Motivation des Beigeladenen zu 1) überlassen bleiben, in welchem Umfang er für die Klägerin tätig wird. Dies spricht aber gerade für eine selbständige Tätigkeit.
71 
Aufgrund des eigenen Vorbringens der Klägerin ist der Senat allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin verschiedentlich gebeten hat, zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Kunden zu besuchen. Hieraus lässt sich nicht entnehmen, die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1) inhaltliche Weisungen erteilt. Die Klägerin gab dem Beigeladenen zu 1) insoweit nur Hinweise, wer möglicherweise als Kunde für sie in Betracht kam. Dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) keine Vorgaben machte, welche Unternehmen er aufsuchen sollte, zeigt sich darin, dass – nach dem vom Beigeladenen zu 1) zugestandenen (Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, Bl. 196 SG-Akte) Vortrag der Klägerin – der Beigeladene zu 1) mehrere Aufträge vermittelte, ohne dass ihm die Klägerin die jeweiligen Auftraggeber zuvor benannt hatte. Diese Aufträge stammten von früheren Kunden des Beigeladenen zu 1). Selbst wenn man darin nicht bloß unverbindliche Wünsche, sondern Weisungen sehen würde, wäre dem Beigeladenen zu 1) gleichwohl ausreichende Zeithoheit im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB verblieben (vgl. auch Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 20. April 2015 – 2 Sa 998/15 – juris, Rn. 47) und damit hinreichende Weisungsfreiheit, die gegen die Annahme abhängiger Beschäftigung streitet (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – juris, Rn. 26). Auch die Beklagte ging in ihrem Bescheid vom 11. Juli 2011 noch davon aus, dass der Beigeladene zu 1) keinen Zeitvorgaben unterlegen sei und dass dies für eine selbständige Tätigkeit spreche.
72 
Auch eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin erfolgte nicht. Insbesondere hatte der Beigeladenen zu 1) keine Anwesenheitszeiten einzuhalten. Dies entspricht zwar der Natur der Tätigkeit als Handelsvertreter, die im Außendienst zu verrichten ist, kann aber nicht gegen den selbständigen Charakter der Tätigkeit in Stellung gebracht werden. Insofern ist eher die gesetzgeberische Wertung des § 84 Abs. 1 HGB, dass ein Handelsvertreter selbständig ist, von Bedeutung.
73 
Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) lässt sich entgegen der Auffassung des SG nicht daraus ableiten, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) einen Telefonanschluss zur Betreuung seiner alten Kunden zur Verfügung stellte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw. Netzes (Logistik) durch einen „Systempartner“ oder Dienste-anbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des „Systemgebers“ oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die „Systempartner“ oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 29).
74 
Entgegen der Auffassung der Beklagten im Ausgangsbescheid ist es kein Argument für eine abhängige Beschäftigung, dass der Beigeladene zu 1) verpflichtet war, Besuchsberichte zu erstellen. Es entspricht bereits der gesetzlichen Verpflichtung eines (selbständigen) Handelsvertreters aus § 86 Abs. 2 HGB, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – juris, Rn. 30).
75 
Dass der Beigeladene zu 1) bei der Preisgestaltung nicht frei war, sondern an die von der Klägerin vorgegebenen Preise bei der Akquisition von Aufträgen gebunden war, streitet ebenfalls nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Denn die freie Preisgestaltung ist keine Voraussetzung für eine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter (Emde, in: Staub [Begr.], HGB, 5. Aufl. 2008, § 84 Rn. 33). Vielmehr ist das Recht zur eigenständigen Preisgestaltung eher untypisch für die Stellung als Handelsvertreter (Oberlandesgericht [OLG] Köln, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 19 U 134/09 – juris, Rn. 21).
76 
Auch ist es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) unergiebig, dass die Klägerin diesen in ihrer Informationsschrift „Kundeninfo“ von März 2008 als ihren „Mitarbeiter“ und „Vertriebsleiter“ vorgestellt hat. Damit war ersichtlich keine rechtliche Bewertung verbunden, die im Übrigen auch nicht von Bedeutung wäre. Auch die Vorstellung des Beigeladenen zu 1) beispielsweise als „selbständigem Handelsvertreter“ in der Informationsschrift wäre für die rechtliche Bewertung irrelevant gewesen. Der Begriff „Mitarbeiter“ ist kein juristischer Begriff, insbesondere ist er nicht synonym zum Begriff des „abhängig Beschäftigten“; daher ist die Vorstellung als „ihr Mitarbeiter“ nicht nur aus Laiensicht auch gar nicht unzutreffend: Aufgrund der vertraglichen Verbindung war der Beigeladene zu 1) tatsächlich für die Klägerin als Mitarbeiter tätig.
77 
Kein Argument für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist entgegen der Auffassung des SG, dass eine sechsmonatige Probezeit und entsprechende Kündigungsmöglichkeiten vereinbart worden sind. Derartige Vereinbarungen sind zwar typisch für Arbeitsverträge, aber nicht hierauf beschränkt. Insbesondere sagen sie nichts über die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV maßgeblichen Kriterien, nämlich die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation, aus.
78 
Für eine selbständige Tätigkeit spricht indes wiederum nicht, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart wurden. Solche Vertragsgestaltungen sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit wollen (zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20. August 2015 – L 4 R 861/13 – juris, Rn. 67 m.w.N. – auch zum Folgenden). Insofern gilt aber, dass dem keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Kriterien – Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers – bereits zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. In einem solchen Fall werden vertragliche Absprachen oder deren Unterlassen durch die gesetzlichen Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über Urlaubsansprüche verdrängt bzw. ersetzt.
79 
bb) Vor diesem Hintergrund kommt der Frage, ob der Beigeladene zu 1) ein Unternehmerrisiko, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – juris, Rn. 10 m.w.N.; zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 20. August 2015 – L 4 R 861/13 – juris, Rn. 65 m.w.N.), getragen hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rn. 29). Ein solches Unternehmerrisiko LAG aber im Übrigen insoweit vor, als der Beigeladene zu 1) das Risiko einging, Arbeitszeit zu investieren, ohne Aufträge für die Klägerin vermitteln zu können und daher keinen Provisionsanspruch generieren zu können. Dieses Risiko wurde zwar dadurch relativiert, dass der Beigeladene zu 1) von der Klägerin ein Provisionsfixum in Höhe von monatlich EUR 1.750,00 beanspruchen konnte und auch erhielt. Die Vereinbarung eines solchen Provisionsfixum ist aber nicht unüblich (LSG Hessen, Beschluss vom 29. August 2014 – L 8 KR 376/12 – juris, Rn. 65) und steht der Annahme einer Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter nicht entgegen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. März 2015 – I-16 U 70/14, 16 U 7016 U 70/14 – juris, Rn. 74; OLG Hamburg, Urteil vom 17. März 2000 – 14 U 77/99 – juris, Rn. 27; LAG Köln, Urteil vom 20. April 2015 – 2 Sa 998/14 – juris, Rn. 47).
80 
Der Annahme eines Unternehmerrisikos steht nicht entgegen, wenn der Handelsvertreter keine eigene Betriebsstätte hat und, abgesehen vom eigenen Pkw, keine eigenen Betriebsmittel einsetzt (so aber LSG Hessen, Beschluss vom 29. August 2014 – L 8 KR 376/12 – juris, Rn. 65). Der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel ist keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – juris, Rn. 25; Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 62; Beschluss des Senats vom 20. August 2015 – L 4 R 1001/15 – juris, Rn. 65 m.w.N.). Eine andere Ansicht ist zu sehr einer Sichtweise verhaftet, die lediglich gewerblichen Unternehmern mit erheblichen Betriebsmittelbedarf die Möglichkeit selbständiger Tätigkeit zubilligt (Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 62). Dies wird weder der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV noch der Vielfalt des wirtschaftlichen Lebens gerecht (vgl. zur selbständigen Tätigkeit eines Piloten ohne eigenes Flugzeug BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris, Rn. 16 ff.). Dass der Pkw auch privaten Zwecken des Beigeladenen zu 1) dienen mag, kann der Klägerin vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht entgegengehalten werden (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2015 – L 4 R 3874/14 – juris, Rn. 62). Umgekehrt ist es daher entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein durchgreifendes Argument für eine abhängige Beschäftigung, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt habe, wobei die Beklagte keinerlei Feststellungen getroffen hat, um welche Arbeitsmittel es sich gehandelt habe.
81 
Ein Wettbewerbsverbot bestand für den Beigeladenen zu 1) nicht. Der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Vertrag enthält ein solches Verbot nicht. Entsprechend ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11. Juli 2011 davon ausging, der Beigeladene zu 1) dürfe nur für die Klägerin tätig werden. Diese Behauptung hat sie im Widerspruchsbescheid nicht aufrecht erhalten, sondern nun ausgeführt, es sei nicht maßgeblich, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Zwar sind nebeneinander vorliegende verschiedene sozialversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte grundsätzlich selbständig zu beurteilen (BSG, Urteil vom 4. November 2009 – B 12 R 7/08 R – juris, Rn. 19; Urteil des Senats vom 14. August 2015 – L 4 R 3603/13 – nicht veröffentlicht). Das bedeutet aber nicht, dass der Umstand, dass jemand auch für andere Auftraggeber tätig ist, nicht als Indiz – für eine selbständige Tätigkeit – bei der Beurteilung der jeweiligen Tätigkeit gewertet werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es im Übrigen keineswegs üblich, dass Arbeitnehmer mehrere Arbeitgeber haben. Vielmehr entspricht es der Regel, dass Arbeitnehmer jeweils nur einen Arbeitgeber haben. So gingen etwa im Jahr 2008 im Jahresschnitt lediglich 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland einer zweiten Erwerbstätigkeit nach (Mikrozensus 2008, zitiert nach Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 35/2009, S. 599).
82 
e) Ob der Beigeladene zu 1) auch als Selbständiger (teilweise) versicherungspflichtig war, namentlich ob er nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
83 
Gegenstand der von der Klägerin erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage war allein der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011, der – als feststellender Verwaltungsakt – die Feststellung des Bestehens von Sozialversicherungspflicht wegen einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV enthielt. Auf die Kassation allein dieses Bescheides und infolgedessen die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht (auch) nur wegen einer Beschäftigung sind die Klage und die Berufung gerichtet (vgl. BSG, Beschluss vom 4. September 2013 – B 12 KR 87/14 B – juris, Rn. 7). Die Feststellung des Bestehens einer Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbständigen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, die zusätzlich zur Annahme von Selbständigkeit die Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (und ggf. des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) in einem weiteren – hier (noch) nicht durchgeführten – Verwaltungsverfahren erforderlich macht, war deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst (vgl. BSG, Beschluss vom 4. September 2013 – B 12 KR 87/14 B – juris, Rn. 7; Sächsisches LSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – L 1 KR 85/11 – juris, Rn. 45).
84 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht der Beklagten nicht billig wäre. Der Beigeladene zu 1) hat zwar einen Antrag (auf Berufungszurückweisung) gestellt, ist aber zusammen mit der Beklagten unterlegen, so dass es auch insoweit nicht billig wäre, seine außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
85 
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
86 
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von EUR 5.000,00, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 5 Versicherungspflicht


(1) Versicherungspflichtig sind1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,2.Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht be

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7a Feststellung des Erwerbsstatus


(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsste

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 1 Beschäftigte


Versicherungspflichtig sind1.Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,2.behinderte Menschen, diea)in anerk

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 5 Versicherungsfreiheit


(1) Versicherungsfrei sind 1. Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,2. sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 20 Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung


(1) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind:1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt be

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 25 Beschäftigte


(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

Handelsgesetzbuch - HGB | § 84


(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätig

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 2 Selbständig Tätige


Versicherungspflichtig sind selbständig tätige 1. Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglin

Handelsgesetzbuch - HGB | § 86


(1) Der Handelsvertreter hat sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. (2) Er hat dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von j

Handelsgesetzbuch - HGB | § 59


Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handlungsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung get

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 2796/15 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 2796/15 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 20. Aug. 2015 - L 4 R 1001/15

bei uns veröffentlicht am 20.08.2015

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Januar 2015 wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Der Streitwert für da

Bundessozialgericht Urteil, 19. Aug. 2015 - B 12 KR 9/14 R

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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 20. Apr. 2015 - 2 Sa 998/14

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Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 R

bei uns veröffentlicht am 31.03.2015

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2013 - B 12 R 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 30.10.2013

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2013 - B 12 KR 17/11 R

bei uns veröffentlicht am 30.10.2013

Tenor Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. be

Bundessozialgericht Urteil, 30. Apr. 2013 - B 12 KR 19/11 R

bei uns veröffentlicht am 30.04.2013

Tenor Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.

Bundessozialgericht Urteil, 29. Aug. 2012 - B 12 KR 25/10 R

bei uns veröffentlicht am 29.08.2012

Tenor Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspfli

Bundessozialgericht Urteil, 25. Apr. 2012 - B 12 KR 24/10 R

bei uns veröffentlicht am 25.04.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 16. Aug. 2010 - B 12 KR 100/09 B

bei uns veröffentlicht am 16.08.2010

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Oktober 2009 wird als unzulässig verworfen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Juni 2010 - 5 AZR 332/09

bei uns veröffentlicht am 09.06.2010

Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 728/08 - wird zurückgewiesen.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2016 - L 4 R 2796/15.

Sozialgericht Augsburg Urteil, 13. Mai 2016 - S 2 R 954/14

bei uns veröffentlicht am 13.05.2016

Tenor I. Unter Aufhebung der Bescheide vom 13. März 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. August 2014 wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin im Krankenhaus A. ab 7. Januar 2013 und im Krank

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 13. Sept. 2016 - L 4 R 2120/15 ZVW

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Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2011 wird zurückgewiesen.Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um den s

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 08. Juli 2016 - L 4 R 4979/15

bei uns veröffentlicht am 08.07.2016

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. November 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 15. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.

Referenzen

(1) Der Handelsvertreter hat sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen.

(2) Er hat dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen.

(3) Er hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen.

(4) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

Versicherungspflichtig sind

1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,
2.
behinderte Menschen, die
a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches,
3a.
(weggefallen)
4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
Personen, die Wehrdienst leisten und nicht in einem Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit stehen, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienstleistende im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 oder 2a und Satz 4. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten. Die in Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Personen gelten als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Die folgenden Personen stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gleich:
1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden,
2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind:

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind; für die Zeit des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch bleibt die Versicherungspflicht unberührt,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, auch wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler, die nach § 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig sind,
4.
selbständige Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe, in Berufsbildungswerken oder in ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Berufsfindung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Leistungen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
Behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Fünften Buches der Krankenversicherungspflicht unterliegen,
10.
Personen, die zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt beschäftigt sind oder die eine Fachschule oder Berufsfachschule besuchen oder eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten (Praktikanten), längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres; Auszubildende des Zweiten Bildungsweges, die sich in einem nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnittes befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 11, 11a, 11b oder 12 des Fünften Buches der Krankenversicherungspflicht unterliegen,
12.
Personen, die, weil sie bisher keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften Buches oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Krankenversicherungspflicht unterliegen.

(2) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Ausland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(2a) Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(3) Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.

(4) Nehmen Personen, die mindestens zehn Jahre nicht in der sozialen Pflegeversicherung oder der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig waren, eine dem äußeren Anschein nach versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung auf, besteht die widerlegbare Vermutung, daß eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung nach Absatz 1 Nr. 1 oder eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 tatsächlich nicht ausgeübt wird. Dies gilt insbesondere für eine Beschäftigung bei Familienangehörigen oder Lebenspartnern.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.

Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner in einem Unternehmen seiner Mutter (Beigeladene zu 3.) verrichteten Tätigkeit in der Zeit ab 24.6.2001 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und im Recht der Arbeitsförderung unterlag.

2

Die Beigeladene zu 3. betrieb über mehrere Jahre ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel und Getränke verkauft wurden und in dem der Kläger seit 1986 arbeitete. Am 6.2.1999 wurde in den Räumlichkeiten eine Weinprobierstube eröffnet. Am 23.6.2001 kam es zu einem Brand in dem Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seitdem betreibt die Beigeladene zu 3. ihr Unternehmen als Weinhandlung (Wert des Weinbestandes ca 15 000 bis 20 000 Euro) mit angeschlossener Gaststätte in einem Gebäude, das im Eigentum ihres Bruders und ihres Ehemanns steht. Nach den Feststellungen des LSG wurden die Kosten der Gaststätteneinrichtung (ca 250 000 bis 300 000 DM) größtenteils von den Eltern des Klägers getragen. In dem Unternehmen obliegen der Beigeladenen zu 3. im Wesentlichen die Zubereitung der Speisen und die rechnerische Kontrolle der buchmäßigen Abrechnung. Entsprechend dem früheren Übergang des Unternehmens vom Vater der Beigeladenen zu 3. auf diese im Jahr 1980 soll das Unternehmen zu einem nicht näher feststehenden Termin auf den Kläger übergehen.

3

Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur. Gemäß den Regelungen eines schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, der an die Stelle eines vorangegangenen schriftlichen Arbeitsvertrags trat, wurde der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. als "Stellvertreter" eingestellt und war berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. zuständig für Personalfragen. Ferner ist im Arbeitsvertrag ua bestimmt, dass der Kläger als Vollzeitkraft eingestellt wird, er alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig auszuführen hat, Nebenbeschäftigungen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sind, die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber festgesetzt wird und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Sachsen gelten sollen. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt von 1904 DM, ab 1.1.1993 von 2762 DM vereinbart. Entgegen dieser Orientierung am Tarifniveau wurde das Gehalt des Klägers faktisch von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt und lag im Jahr 2010 bei ca 1500 Euro brutto monatlich. Hintergrund dafür war nach den Feststellungen des LSG die Rücksichtnahme des Klägers auf die Belastungen des Familienunternehmens durch eine hohe Miete, die ihrerseits ihre Ursache in den hohen Sanierungskosten für das im Familienbesitz stehende betriebliche Gebäude hatte. Der Kläger war zunächst im Getränkeladen tätig. Seit 24.6.2001 ist er für die Weinbestellung und -annahme, die Prüfung der Lieferantenrechnungen, die Präsentation der Weine, die Preiskalkulation, die Gestaltung der Wein- und Speisekarten sowie die Bedienung und Betreuung der Gäste zuständig. Nach den Feststellungen des LSG beglich der Kläger 2005 bzw 2006 einmalig eine Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro aus eigenen Mitteln.

4

Auf den Antrag des Klägers zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status stellte die Beklagte als Einzugsstelle durch Bescheid vom 28.7.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.6.2005 fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. ab 1.1.1991 der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet festzustellen, dass der Kläger ab 1.1.1991 eine selbstständige Tätigkeit und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Urteil vom 14.11.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass der Kläger ab 24.6.2001 nicht der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen: Insbesondere die Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 über Gehalt, Arbeitszeit, Geltung von Tarifverträgen, Festlegung von Arbeitsaufgaben und Funktionen im Betrieb, ferner die Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgaben, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlung auf ein privates Konto des Klägers sprächen jedenfalls bis 23.6.2001 für eine (abhängige) Beschäftigung. Die Beigeladene zu 3. habe an der Rechtsform eines Einzelunternehmens festgehalten, dessen alleinige Inhaberin sie auch weiterhin sei. Daher habe ausschließlich die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden. Dagegen könne ab 24.06.2001 eine Unternehmerstellung des Klägers festgestellt werden, da tags zuvor ein "grundlegender Strukturwandel" im Familienunternehmen seinen Abschluss gefunden habe. Zwar sei nach wie vor die Beigeladene zu 3. alleinige Inhaberin des Unternehmens. Der Kläger habe aber seither rein faktisch eine Handhabe, der Beigeladenen zu 3. im Falle eines Dissenses seinen Willen hinsichtlich der Unternehmensführung aufzuzwingen und über die Geschicke des Unternehmens zu walten wie über ein eigenes. Ein "gewisses Unternehmerrisiko" sei in Gestalt des Gehaltsverzichts auszumachen. Die auch in der Zeit ab 24.6.2001 beibehaltenen äußeren Umstände (festes monatliches Gehalt, Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgabe, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Gehalts auf ein privates Konto) seien dem Kläger "nicht vorzuwerfen". Immerhin habe er am 19.4.2004 die Beklagte um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gebeten und damit seine Zweifel an der Richtigkeit der Fortführung der bisherigen Praxis zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 10.11.2010).

5

Dagegen wenden sich die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 4.) mit ihren Revisionen. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XI, § 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III, die Beigeladene zu 4. sinngemäß eine Verletzung von § 28h SGB IV. Zurecht habe das LSG für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 festgestellt, dass der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. abhängig beschäftigt gewesen sei. Für die Zeit ab 24.6.2001 könne nichts anderes gelten. Eine rechtlich wirksame Unternehmensübergabe habe nicht stattgefunden. Für den Kläger habe die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens habe frei bewegen dürfen. Auch an der Rechtsmacht der Beigeladenen zu 3. habe sich nichts geändert. Ein relevantes Unternehmerrisiko sei beim Kläger nicht festzustellen. Vielmehr habe er ein festes monatliches Grundgehalt bezogen, das unabhängig von der Erreichung der unternehmerischen Ziele gewährt worden sei. Der Kläger trage auch kein eigenes Haftungsrisiko, dieses liege vielmehr allein bei der Beigeladenen zu 3.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Beigeladene zu 4. schließt sich dem Antrag der Beklagten mit der Maßgabe an, dass sich ihre Revision nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet.

8

Der Kläger hat sich zu den Revisionen nicht geäußert.

9

Die Beigeladene zu 1. hat sich der Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 4., die Beigeladene zu 2. den Revisionsbegründungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. angeschlossen. Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten, die sich auf die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit ab 24.6.2001 bezieht, ist zulässig und begründet. Gleiches gilt für die ebenfalls auf diese Zeit und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV beschränkte Revision der Beigeladenen zu 4. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem - dem Begehren des Klägers bislang entsprechenden - Umfang aufzuheben und das Urteil des SG ist auch insoweit unter Abweisung der Klage aufzuheben.

11

1. Zu Unrecht hat das LSG eine Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. in der noch streitigen Zeit ab 24.6.2001 verneint und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen.

12

Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung der tatsächlichen Umstände gegenüber den für die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, verkannt (hierzu b). Der Status des Klägers als Selbstständiger lässt sich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf bejahen, dass bestimmte Umstände und Indizien des Einzelfalls gesamtschauend dafür sprächen (hierzu c).

13

a) Im streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I 2261, BGBl 1990 I 1337; § 20 S 1, 2 Nr 1 SGB XI idF des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

14

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

15

b) Die dargestellten Grundsätze sind - trotz der in Fällen der vorliegenden Art jeweils mit in Rechnung zu stellenden engen familiären Bindungen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden und gelten unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats fort, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Unternehmen tätig.

16

aa) Alleinige Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens war die Beigeladene zu 3., die nach den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) das Unternehmen durchgehend und damit auch die im streitigen Zeitraum betriebene Weinhandlung mit Gaststätte als Einzelunternehmen führte. Lediglich sie war damit auch nur unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte; umgekehrt war ebenso nur die Beigeladene zu 3. den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit ihrem ganzen Vermögen haftete. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne besondere dokumentierte bzw von den Tatsacheninstanzen festgestellte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden. Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In den letztgenannten Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber auch seit jeher dann, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, den Status als Selbstständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN).

17

bb) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Beigeladenen zu 3. geschlossene, ausdrücklich so bezeichnete schriftliche "Arbeitsvertrag" vom 1.6.1991, der deren Rechtsverhältnis zueinander auch noch in dem im Revisionsverfahren streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - ua festes monatliches Gehalt, Einstellung als Vollzeitkraft, Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu etwaigen Nebentätigkeiten, Festlegung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Damit aber kann das in dieser Norm besonders hervorgehobene Merkmal für das Vorliegen einer zur Versicherungspflicht des Klägers führenden Beschäftigung nicht in Abrede gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Unternehmensträgerschaft bei der Mutter des Klägers (Beigeladene zu 3.) als Einzelunternehmerin lag, verfügte der Kläger auch nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen (mit)beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherte. Zudem fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Weder hat der Kläger zwischen beiden das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog Innengesellschaft (vgl dazu und zu deren Voraussetzungen schon BSGE 40, 161, 163 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 17 mwN, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 22 f mwN) behauptet, noch hat das LSG insoweit den Senat bindende positive Feststellungen (vgl § 163 SGG) getroffen. Unabhängig davon kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts darüber hinaus nennenswerte Rechtsmacht eingeräumt war, die es ihm (im Innenverhältnis) ermöglicht hätte bzw ermöglichen würde, die Geschäfte des Unternehmens gegen den Willen der Beigeladenen zu 3. zu betreiben.

18

Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 3. auch nach weiteren Feststellungen des LSG im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Kläger war ihr - seiner Arbeitgeberin - gegenüber weisungsunterworfen und in die von ihr vorgegebene Arbeitsorganisation ihres Unternehmens eingebunden. Nach der zutreffenden Bewertung des LSG hatte nämlich (allein) die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f, ferner sogleich und unten 1. c ee), an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden.

19

cc) An dem Ausgangspunkt ändert die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. grundsätzlich nichts. Eine (abhängige) Beschäftigung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig ist (vgl schon zu so genannten "Meistersöhnen" BSGE 3, 30, 39). Zu prüfen ist allerdings insbesondere, ob der Angehörige in einem Familienunternehmen als Beschäftigter, als Mitunternehmer oder Mitgesellschafter eines Angehörigen oder ob seine Tätigkeit lediglich als familienhafte Mithilfe anzusehen ist (vgl BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die Abgrenzung hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37 S 127; BSGE 74, 275, 278 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60). Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit, die im Unternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der als natürliche Person Unternehmensinhaber bzw Träger des Unternehmens und mit seinem ganzen Vermögen dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen nicht wesentlich von der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft, zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Die Rechtsprechung des BSG hat in der Vergangenheit allerdings abweichend von diesen Grundsätzen bei Tätigkeiten für eine Gesellschaft eine Selbstständigkeit des Betroffenen für möglich gehalten, wenn seine Tätigkeit durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war, auch wenn er nicht über eine Sperrminorität verfügte (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f). Soweit darüber hinausgehend der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich erachtete (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1), hat der Senat in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings offengelassen, ob der vom 11. Senat des BSG vertretenen Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - aaO, RdNr 32). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger sei aufgrund einer "faktischen Machtposition", der derjenigen eines (Mit-)Inhabers gleichkomme, selbstständig gewesen, nicht überzeugen können.

20

c) Eine Selbstständigkeit des Klägers lässt sich schließlich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf begründen, dass - hinausgehend über die Darlegungen unter b) - sonstige Umstände und Indizien des Einzelfalls bei einer Gesamtschau für die Zeit ab 24.6.2001 gleichwohl für den von ihm beanspruchten Status sprächen.

21

Für die - mangels Revisionseinlegung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des LSG-Urteils - nicht (mehr) im Streit befindliche Zeit vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 hat das LSG die Tätigkeit des Klägers als (abhängige) Beschäftigung qualifiziert. Entgegen der Auffassung des LSG ist auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmens ab 24.6.2001 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin (abhängig) beschäftigt blieb.

22

aa) Das LSG hat hierzu zunächst zutreffend festgestellt, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers (= Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Entgelts auf ein privates Konto des Klägers) unverändert blieben. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die fehlende Veränderung könne dem Kläger nicht "vorgeworfen" werden, weil er am 19.4.2004 um die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gebeten habe, rechtfertigt nicht schon die Schlussfolgerung, der Kläger sei selbst von einer Änderung zum 24.6.2001 ausgegangen: Zum Einen erfolgte der Antrag ohnehin erst ca drei Jahre nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens, zum Anderen stellte der Kläger selbst nicht nur die Zeit ab 24.6.2001, sondern den gesamten Tätigkeitszeitraum ab 1.1.1991 zur Überprüfung durch die Einzugsstelle.

23

bb) Die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen blieben auch ab 24.6.2001 unverändert. Der der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegende Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 wurde nicht geändert. Die Beigeladene zu 3. war nach wie vor Alleininhaberin bzw alleinige Trägerin des von ihr in der Form des Einzelunternehmens betriebenen Unternehmens.

24

cc) Der Kläger war auch ab dem 24.6.2001 nicht an dem Unternehmen, zB als Mitunternehmer, gleichberechtigter Partner neben der Beigeladenen zu 3. oder gar rechtlich allein maßgebender Unternehmensträger, beteiligt. Die einmalige Übernahme einer Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro zu einem nicht konkret festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2005 oder 2006 durch den Kläger rechtfertigt weder die Annahme, dass der Kläger hierdurch einen solchen Status erlangte, noch kann darin ein relevantes "Kapitalrisiko" des Klägers gesehen werden. Zwar hat das LSG keine näheren Feststellungen im Zusammenhang mit der Kostenübernahme getroffen. So ist ungeklärt, ob der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise überließ oder ihr den Betrag übereignete. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe kommt allerdings auch in Betracht, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeit des Klägers gehandelt haben könnte, die uU dadurch motiviert war, dass er eines Tages - der Familientradition folgend - das Unternehmen übernehmen würde. Die Höhe der übernommenen Kosten ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den Einrichtungskosten der Weinhandlung mit Gaststätte und zum Wert des Warenbestandes des Unternehmens als geringfügig anzusehen.

25

Soweit das LSG die einmalige Kostenübernahme als sehr geringes "Kapitalrisiko" des Klägers bewertet hat, ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte: Bei dem von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmen handelt es sich um ein Einzelunternehmen, nicht um eine eigenständige juristische Person des Privatrechts, zB eine Kapitalgesellschaft. Ein Risiko wäre allenfalls gegeben, wenn der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe wäre aber auch das entsprechende Kreditausfallrisiko gering gewesen.

26

Die Kostenübernahme führte auch nicht zu einer "Mitunternehmerschaft" des Klägers an dem Unternehmen der Beigeladenen zu 3. Vielmehr hielt die Beigeladene zu 3. nach den Feststellungen des LSG durchgängig am Betrieb des Unternehmens als inhabergeführtes Einzelunternehmen fest. Demzufolge trug - wie bereits ausgeführt - ausschließlich die Beigeladene zu 3. als Inhaberin des Einzelunternehmens bzw Trägerin des Unternehmens ein Haftungsrisiko für dessen Verbindlichkeiten. Sie allein haftete mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens. Demgegenüber traf den Kläger keinerlei Haftungsrisiko.

27

dd) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, die fehlende regelmäßige Anpassung des Gehalts des Klägers spreche für dessen Selbstständigkeit im streitigen Zeitraum. Insoweit berücksichtigt das Berufungsgericht bereits nicht hinreichend, dass seine tatsächlichen Feststellungen nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe insoweit bereits rechtswirksam auf einen entsprechenden Vergütungsanspruch verzichtet. Mangels eines ausdrücklichen Verzichts stünde einer Geltendmachung eines Anspruchs unter Durchsetzung der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen über die regelmäßige Gehaltsanpassung allenfalls dessen Durchsetzbarkeit durch die möglicherweise geltend gemachte Verjährung entgegen. Insoweit trat jedoch auch keine Änderung der Verhältnisse zum 24.6.2001 ein. Vielmehr wurde das Entgelt des Klägers nach den Feststellungen des LSG "vor Jahren" von der Entwicklung der Löhne und Gehälter "abgekoppelt". Einen unmittelbaren Bezug zu der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001 hat es demgegenüber nicht festgestellt. Soweit das LSG die Nichtanpassung der Arbeitsvergütung als "Gehaltsverzicht" bewertet hat und darin ein gewisses "Unternehmerrisiko" des Klägers sieht, ist wiederum nicht ohne Weiteres ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte. Zwar könnte man annehmen, sein Risiko habe darin bestanden, bereits im Vorgriff auf den späteren Übergang des Unternehmens auf die regelmäßige Anpassung seines Entgelts verzichtet zu haben, ohne eine hinsichtlich des Unternehmensübergangs gefestigte Rechtsposition erreicht zu haben. Einem derart angenommenen Risiko steht allerdings entgegen, dass der Kläger durchgehend eine feste Arbeitsvergütung bezog, deren Höhe einerseits deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausging und andererseits nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig war. Darüber hinaus trug der Kläger - wie bereits dargelegt - kein rechtlich bedeutsames und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG durch entsprechende äußere Umstände dokumentiertes Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens der Beigeladenen zu 3.

28

ee) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt schließlich eine vermeintliche "faktische Machtposition" des Klägers nicht die Annahme seiner Selbstständigkeit.

29

Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen RV und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Ähnlich verhält es sich hier. Der Kläger war nämlich trotz seiner betrieblichen Befugnisse ununterbrochen in das Unternehmen der Beigeladenen zu 3. organisatorisch eingebunden. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags war er zwar berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen. Ausdrücklich war er aber nicht umfassend mit gleichen Rechten wie die Beigeladene zu 3. ausgestattet, sondern nur als deren "Stellvertreter" eingesetzt und für Personalfragen nicht durchgehend, sondern nur ausnahmsweise - bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. - zuständig. Die vom LSG gleichwohl angenommene "Machtposition" des Klägers leitet sich damit lediglich daraus ab, dass er auf die Unternehmenstätigkeit und deren Ausrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, was sich letztlich in der im Sommer 2001 vollzogenen inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens von einem Lebensmittel- und Getränkeverkauf hin zu einer Weinhandlung mit Gaststätte dokumentierte. Das LSG hat allerdings gleichwohl ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene zu 3. - trotz Änderung der Geschäftsausrichtung weg von einem Lebensmittel- und Getränkeladen hin zu einer Weinhandlung mit Probierstube und Küchenbetrieb - durchgehend an dem von Beginn an bestehenden und über die Jahre hinweg auch so weitergeführten Form als Einzelunternehmen festhielt. Demzufolge hatte - nach der zutreffenden Bewertung durch das LSG - allein die Beigeladene zu 3. als Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens die Rechtsmacht, Änderungen an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben zu entbinden. Daran änderte sich auch erkennbar nichts nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001; denn die Beigeladene zu 3. hatte es nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der Kläger die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (zur vorrangigen Bedeutung formell bestehender Rechtsmacht gegenüber dem Gesichtspunkt ihrer tatsächlichen Nichtausübung vgl bereits BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, hat das LSG nicht festgestellt und sind sonst nicht ersichtlich. Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern. Darüber hinaus bezog sich die vom LSG angenommene "Machtposition" des Klägers allein auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens der Beigeladenen zu 3. Nur insoweit hatte der Kläger aufgrund seines geltend gemachten Fachwissens eine herausgehobene Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Eine wirtschaftlich beherrschende Stellung durch den Kläger war demgegenüber nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG können derartige Einflussmöglichkeiten zwar beachtenswert sein, soweit sie einem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). Wie dargestellt, betreibt die Beigeladene zu 3. das Unternehmen indessen nach wie vor als Einzelunternehmerin bzw alleinige Trägerin. Hinweise auf eine Mitunternehmerschaft bzw eine nennenswerte Kapitalbeteiligung des Klägers an dem Unternehmen verbunden mit einem damit korrespondierenden wesentlichen Einfluss auf dessen Bestand und Geschäftsbetrieb liegen nicht vor.

30

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.

3

Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:

"§ 3

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.

…       

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.

§ 4

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.

Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.

In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.

…       

§ 5

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.

Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.

Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.

…       

Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…

…       

§ 8

…       

Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.

Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…

…       

Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.

§ 9

Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.

Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.

…"    

4

Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.

5

Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.

6

Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).

7

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.

8

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.

9

Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.

10

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."

11

Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.

14

Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.

17

1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).

18

Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).

19

2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

20

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

21

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).

22

b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.

23

aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

24

bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.

25

cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").

26

dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.

27

Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.

28

Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.

29

ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).

30

Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.

31

Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).

32

ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.

33

Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).

34

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.

35

gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

36

Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.

37

Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.

38

Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.

39

hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).

40

Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).

41

3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).

42

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.

43

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.

44

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Versicherungspflicht wegen (abhängiger) Beschäftigung.

2

Die Beigeladene zu 1. - eine GmbH, deren Stammkapital die Klägerin zu 10 % und ihr Ehemann zu 90 % halten - betreibt seit Ende 1984 den Handel mit Tapeten, Farben, Glas und Bodenbelägen sowie deren Verarbeitung. Der Ehemann der Klägerin - ein Malermeister - hatte das Unternehmen zuvor als Einzelfirma geführt; er ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH und führt dort den Malerbetrieb. Der notariell beglaubigte GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 13.12.1984 enthält unter § 8 folgende Bestimmung:

        

"Solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden sind, sind sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen. Erweitert sich die Zahl der Gesellschafter über diesen Kreis hinaus, so werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt. Die Auflösung der Gesellschaft kann in jedem Falle nur einstimmig beschlossen werden."

3

Die Klägerin - ursprünglich Finanzbeamtin und bereits vor Gründung der Beigeladenen zu 1. für das Einzelunternehmen ihres Ehemanns tätig - ist seit 12.12.1984 pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 1. zuständig für den Verkauf im Ladengeschäft und erledigt dort - wie schon zuvor im Betrieb ihres Ehemannes - kaufmännische Tätigkeiten, erstellt die Lohnabrechnungen und bearbeitet die Buchhaltung sowie das Mahn- und Bestellwesen. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schlossen die Beigeladene zu 1. und die Klägerin, die eine feste auf ihr privates Konto überwiesene monatliche Vergütung erhält, nicht; im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit wird ihr Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt; sie hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Klägerin gewährte der Beigeladenen zu 1. Darlehen in Höhe von insgesamt mehr als 60 000 Euro und nahm gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Darlehen über 20 000 Euro zugunsten der Beigeladenen zu 1. auf.

4

Mit Bescheid vom 28.3.1985 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1. festgestellt, dass die Klägerin weiterhin kranken- und rentenversicherungspflichtig sei, weil sie als kaufmännische Angestellte nur 10 % des Gesellschaftskapitals halte.

5

Im November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Mit Bescheid vom 26.5.2010 und Widerspruchsbescheid vom 22.9.2010 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 28.3.1985 ab, weil er nicht rechtswidrig gewesen sei und die Voraussetzungen des § 44 SGB X daher nicht vorlägen.

6

Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.2.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und - wie schon das SG - die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 28.3.1985 verneint: Das Erscheinungsbild der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. werde ganz wesentlich von Elementen geprägt, die für eine abhängige Beschäftigung typisch seien. Daran ändere sich nichts dadurch, dass Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH nur einvernehmlich zu fassen seien. Das Weisungsrecht über die Angestellten sei Sache der laufenden Geschäftsführung, die allein dem Ehemann der Klägerin obliege und nicht der Gesellschafterversammlung. Die Übernahme von Darlehensverpflichtungen sei zwar nicht arbeitnehmertypisch, jedoch treffe die Klägerin daraus vorrangig ein bloßes Haftungs- bzw Ausfallrisiko und kein echtes Unternehmerrisiko (Urteil vom 8.5.2014).

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 44 SGB X iVm §§ 7, 28h SGB IV. Das LSG habe bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung fehlerhaft die Fortgeltung eines vermeintlich zuvor bestehenden Anstellungsvertrages nach Gründung der Beigeladenen zu 1. unterstellt. Sie (die Klägerin) und ihr Ehemann hätten ein gleichberechtigtes Nebeneinanderstehen und eine gemeinsame Unternehmensführung vereinbart, indem sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen seien. Sie sei bereits aufgrund ihrer durchgehend vorhandenen Sperrminorität und wegen der besonderen Umstände (Ehegatten-GmbH, kein Arbeitsvertrag, gleichberechtigtes Miteinander und Einschluss der Übernahme persönlicher Haftung) im gesamten Streitzeitraum nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 2013 aufzuheben sowie

        

1.    

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. März 1985 zurückzunehmen und

        

2.    

festzustellen, dass sie (die Klägerin) im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 12. Dezember 1984 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen hat.

9

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Sie sind der Auffassung, das Berufungsgericht habe zutreffend und in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, dass die Klägerin als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt sei.

11

Die Beigeladene zu 4. stellt keinen Antrag und äußert sich auch nicht zur Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

13

Das LSG hat die Berufung gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil revisionsrechtlich beanstandungsfrei zurückgewiesen.

14

Die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse (Bescheid vom 26.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2010) sind rechtmäßig. Die Beklagte war nicht nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Klägerin von November 2007 hin den Bescheid vom 28.3.1985 zurückzunehmen und entgegen diesem Bescheid festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 12.12.1984 bis 8.5.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

15

1. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 28.3.1985 nicht erfüllt.

16

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

17

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder ist die Beklagte von einem "unrichtigen Sachverhalt" ausgegangen noch hat sie das "Recht unrichtig angewandt". Das LSG ist vielmehr ausgehend von den dafür einschlägigen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen (dazu im Folgenden b) sowie von den auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls vom LSG festgestellten, für den Senat bindenden Tatsachen (vgl § 163 SGG; dazu im Folgenden c) ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auch nach der Gründung der Beigeladenen zu 1. aufgrund (abhängiger) Beschäftigung seit Ende 1984 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

18

b) Ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht richtig bzw unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht. Bei Bekanntgabe des Bescheides vom 28.3.1985 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der - hier wegen von der Beklagten angenommener Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung kraft Geringfügigkeit zunächst nur betroffenen - Kranken- und Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 165 Abs 2 S 1 RVO, seit 1.1.1989 § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 1227 Abs 1 S 1 RVO, seit 1.1.1992 § 1 S 1 Nr 1 SGB VI in ihren jeweils geltenden Fassungen); seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung zum 1.1.1995 unterliegen solche Personen auch der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI idF des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Eine entsprechende Regelung zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung - maßgeblich für die spätere vollschichtige Tätigkeit der Klägerin - enthält § 25 Abs 1 SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war und ist § 7 Abs 1 SGB IV(seit 1.1.1999 § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, vgl Gesetz vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV(idF des Gesetzes vom 20.12.1999, aaO) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

19

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit macht es erforderlich, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

20

Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen, die insoweit maßgebenden Umstände des Falles berücksichtigt und im beschriebenen Sinne beanstandungsfrei begründet, dass die für eine (abhängige) Beschäftigung sprechenden Indizien hier überwiegen.

21

c) Die Feststellungen des LSG zu den der Tätigkeit der Klägerin zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen (dazu aa), den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (dazu bb) sowie zu der Gewährung von Darlehen (dazu cc) rechtfertigen - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist - die Annahme des LSG, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1. als Beschäftigte versicherungspflichtig war. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist (dazu dd).

22

aa) Das LSG hat anhand der zwischen den Beteiligten getroffenen und auch entsprechend umgesetzten vertraglichen Vereinbarungen die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 SGB IV zutreffend festgestellt, die auch so umgesetzt wurden.

23

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

24

Auf der Grundlage der von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) durften die Vorinstanzen annehmen, dass die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1. eine Stellung innehatte, wie derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. So erhielt die Klägerin von der Beigeladenen zu 1. eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung. Diese wurde von der Beigeladenen zu 1. auf das (eigene) private Konto der Klägerin zu deren alleinigen Verfügbarkeit überwiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen sowie auf bezahlten Urlaub. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte, ändert - wie vom LSG angenommen - nichts an der Wirksamkeit dieser ursprünglich zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann als früheren Einzelunternehmer getroffenen und nach Gründung der Beigeladenen zu 1. fortgeführten Vereinbarungen sowie an deren Bedeutung im Rahmen der vorzunehmenden sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Erwerbstätigkeit wurde auch von den Beteiligten des dem zugrun-deliegenden Rechtsverhältnisses in der Praxis fortlaufend sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigungsverhältnis behandelt. Erst nach einer - mehr als zwei Jahrzehnte nach Erlass des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides vom 28.3.1985 - über lange Zeit hinweg derart unbeanstandet hingenommenen Handhabung, während derer die Klägerin den Status als in den Schutz der Sozialversicherung einbezogene Person und die damit verbundenen Beitragspflichten akzeptierte, zog sie diese Praxis im November 2007 in Zweifel.

25

bb) Die Klägerin war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV für die Beigeladene zu 1. als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Beigeladenen zu 1. stehen die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Klägerin war insbesondere trotz der ihr eingeräumten Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschiedenen unterhaltenen Betrieb der Beigeladenen zu 1. - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert.

26

Die Klägerin war in dem hier streitigen Zeitraum am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. in wirtschaftlich untergeordnetem Maße, nämlich überhaupt nur in einem Umfang von 10 % beteiligt. Wer aber Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21, RdNr 16). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

27

Die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten unter § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 13.12.1984 zwar, dass - solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden waren - "sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig" zu fassen sind. Neben der Klägerin und ihrem Ehemann wurden keine weiteren Gesellschafter in die GmbH aufgenommen. Die Klägerin verfügte damit nur über eine Sperrminorität und konnte darauf bezogen maßgeblich Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen nehmen. Allerdings reichte diese Rechtsstellung der Klägerin als Gesellschafterin nicht soweit, dass sie damit jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer - vorliegend sozialversicherungsrechtlich allein zu beurteilenden - Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an sich jederzeit hätte verhindern können. Vielmehr blieb die Klägerin trotz der ihr auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Sperrminorität hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten (weiterhin) weisungsgebunden und war gleichwohl in den von ihr personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen zu 1. eingegliedert. Die Klägerin hatte auf der Grundlage der Feststellungen des LSG arbeitnehmertypische Rechte inne und war über Jahre hinweg grundsätzlich in einen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichtenkreis eingebunden.

28

Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl dazu bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 22 S 64 f). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 15; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 23).

29

Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. war der Ehemann der Klägerin bestellt. Das LSG hat daher zutreffend angenommen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden war. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Auch soweit die Klägerin innerhalb der GmbH für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich verantwortlich war, wurde sie letztlich nur als Erfüllungsgehilfin des Geschäftsführers tätig; allein dieser ist kraft Gesetzes verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bis 31.10.2008 § 41 Abs 1 GmbHG; vgl dazu bereits BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 58).

30

Die Klägerin war aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen zu 1. im Übrigen auch nicht in der Lage, ihren Ehemann als Geschäftsführer gegen seinen Willen nach § 46 Nr 5 GmbHG abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg dessen Weisungen zu entziehen. Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 des Gesellschaftsvertrages nur einstimmig gefasst werden konnten, hätte der Ehemann als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner eigenen Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch die Klägerin in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass sie als Mitgesellschafterin über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die - ebenfalls einstimmig zu erteilende - Entlastung nach § 46 Nr 5 GmbHG zu versagen(vgl dazu allgemein BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 18), würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit der Klägerin von der Beigeladenen zu 1. in Bezug auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern. Zwar wäre es denkbar, auf diesem Weg Einfluss auf den Geschäftsführer zu nehmen. Ohne Weiteres erfolgversprechend wäre dies indessen nicht, zumal nach einer nicht erteilten Entlastung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wiederum ein - nur mit dessen Mitwirkung zu treffender - einstimmiger Gesellschafterbeschluss nötig gewesen wäre. Auch handelt es sich insoweit nicht um ein rechtlich wirksames und durchsetzbares Instrument, um Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern.

31

cc) Das LSG hat zu Recht auch das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin verneint, weil sie kein Unternehmerrisiko trug, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in ihrem Sinne entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre.

32

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris RdNr 24; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Das LSG hat unter diesem Blickwinkel zu Recht ein Unternehmerrisiko verneint.

33

Die Darlehensgewährung der Klägerin begründet kein solches mit ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. verbundenes Risiko. Die Klägerin übernahm damit vielmehr nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. ergaben sich aus der Darlehensgewährung jedoch keine erkennbaren finanziellen Auswirkungen, vielmehr erhielt die Klägerin insoweit als Gegenleistung nach wie vor und weiterhin eine feste monatliche Vergütung. Im Übrigen ist es im Geschäftsleben auch nicht völlig unüblich, dass Arbeitnehmer (insbesondere in einer Familiengesellschaft) dem Unternehmen persönliche Darlehen gewähren oder zu dessen Gunsten sonstige finanzielle Verbindlichkeiten eingehen, insbesondere vor dem - bereits vom LSG angeführten - Hintergrund, dass Kreditinstitute bei Familienunternehmen typischerweise auch auf einer finanziellen Beteiligung bzw Mithaftung von Ehepartnern bzw anderen beteiligten Familienangehörigen bestehen.

34

dd) Der Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist.

35

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Eine solche Möglichkeit mag rein faktisch unbeschadet einschlägiger rechtlicher Bindungen allein aufgrund gegenseitiger familiärer Rücksichtnahme solange bestehen, wie auch das Einvernehmen der beteiligten Familienmitglieder im Rahmen eines gedeihlichen Zusammenwirkens gewahrt ist. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten würde dieser Gesichtspunkt indessen versagen, weil in einem solchen Fall durchsetzbar doch wieder allein die den einzelnen Familienmitgliedern konkret zustehende Rechtsmacht zum Tragen käme, sodass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen, die einen Rückgriff auf die der Erwerbstätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen gebieten, wieder eine Weisungsunterworfenheit angenommen werden müsste. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände indessen schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (grundlegend BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; zuletzt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, vgl dazu Nr 4 des BSG-Terminberichts Nr 31/15 vom 30.7.2015).

36

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.

3

Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:

"§ 3

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.

…       

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.

§ 4

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.

Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.

In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.

…       

§ 5

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.

Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.

Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.

…       

Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…

…       

§ 8

…       

Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.

Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…

…       

Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.

§ 9

Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.

Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.

…"    

4

Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.

5

Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.

6

Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).

7

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.

8

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.

9

Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.

10

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."

11

Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.

14

Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.

17

1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).

18

Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).

19

2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

20

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

21

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).

22

b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.

23

aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

24

bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.

25

cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").

26

dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.

27

Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.

28

Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.

29

ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).

30

Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.

31

Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).

32

ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.

33

Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).

34

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.

35

gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

36

Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.

37

Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.

38

Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.

39

hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).

40

Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).

41

3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).

42

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.

43

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.

44

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Versicherungspflicht wegen (abhängiger) Beschäftigung.

2

Die Beigeladene zu 1. - eine GmbH, deren Stammkapital die Klägerin zu 10 % und ihr Ehemann zu 90 % halten - betreibt seit Ende 1984 den Handel mit Tapeten, Farben, Glas und Bodenbelägen sowie deren Verarbeitung. Der Ehemann der Klägerin - ein Malermeister - hatte das Unternehmen zuvor als Einzelfirma geführt; er ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH und führt dort den Malerbetrieb. Der notariell beglaubigte GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 13.12.1984 enthält unter § 8 folgende Bestimmung:

        

"Solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden sind, sind sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen. Erweitert sich die Zahl der Gesellschafter über diesen Kreis hinaus, so werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt. Die Auflösung der Gesellschaft kann in jedem Falle nur einstimmig beschlossen werden."

3

Die Klägerin - ursprünglich Finanzbeamtin und bereits vor Gründung der Beigeladenen zu 1. für das Einzelunternehmen ihres Ehemanns tätig - ist seit 12.12.1984 pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 1. zuständig für den Verkauf im Ladengeschäft und erledigt dort - wie schon zuvor im Betrieb ihres Ehemannes - kaufmännische Tätigkeiten, erstellt die Lohnabrechnungen und bearbeitet die Buchhaltung sowie das Mahn- und Bestellwesen. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schlossen die Beigeladene zu 1. und die Klägerin, die eine feste auf ihr privates Konto überwiesene monatliche Vergütung erhält, nicht; im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit wird ihr Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt; sie hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Klägerin gewährte der Beigeladenen zu 1. Darlehen in Höhe von insgesamt mehr als 60 000 Euro und nahm gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Darlehen über 20 000 Euro zugunsten der Beigeladenen zu 1. auf.

4

Mit Bescheid vom 28.3.1985 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1. festgestellt, dass die Klägerin weiterhin kranken- und rentenversicherungspflichtig sei, weil sie als kaufmännische Angestellte nur 10 % des Gesellschaftskapitals halte.

5

Im November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Mit Bescheid vom 26.5.2010 und Widerspruchsbescheid vom 22.9.2010 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 28.3.1985 ab, weil er nicht rechtswidrig gewesen sei und die Voraussetzungen des § 44 SGB X daher nicht vorlägen.

6

Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.2.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und - wie schon das SG - die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 28.3.1985 verneint: Das Erscheinungsbild der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. werde ganz wesentlich von Elementen geprägt, die für eine abhängige Beschäftigung typisch seien. Daran ändere sich nichts dadurch, dass Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH nur einvernehmlich zu fassen seien. Das Weisungsrecht über die Angestellten sei Sache der laufenden Geschäftsführung, die allein dem Ehemann der Klägerin obliege und nicht der Gesellschafterversammlung. Die Übernahme von Darlehensverpflichtungen sei zwar nicht arbeitnehmertypisch, jedoch treffe die Klägerin daraus vorrangig ein bloßes Haftungs- bzw Ausfallrisiko und kein echtes Unternehmerrisiko (Urteil vom 8.5.2014).

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 44 SGB X iVm §§ 7, 28h SGB IV. Das LSG habe bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung fehlerhaft die Fortgeltung eines vermeintlich zuvor bestehenden Anstellungsvertrages nach Gründung der Beigeladenen zu 1. unterstellt. Sie (die Klägerin) und ihr Ehemann hätten ein gleichberechtigtes Nebeneinanderstehen und eine gemeinsame Unternehmensführung vereinbart, indem sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen seien. Sie sei bereits aufgrund ihrer durchgehend vorhandenen Sperrminorität und wegen der besonderen Umstände (Ehegatten-GmbH, kein Arbeitsvertrag, gleichberechtigtes Miteinander und Einschluss der Übernahme persönlicher Haftung) im gesamten Streitzeitraum nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 2013 aufzuheben sowie

        

1.    

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. März 1985 zurückzunehmen und

        

2.    

festzustellen, dass sie (die Klägerin) im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 12. Dezember 1984 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen hat.

9

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Sie sind der Auffassung, das Berufungsgericht habe zutreffend und in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, dass die Klägerin als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt sei.

11

Die Beigeladene zu 4. stellt keinen Antrag und äußert sich auch nicht zur Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

13

Das LSG hat die Berufung gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil revisionsrechtlich beanstandungsfrei zurückgewiesen.

14

Die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse (Bescheid vom 26.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2010) sind rechtmäßig. Die Beklagte war nicht nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Klägerin von November 2007 hin den Bescheid vom 28.3.1985 zurückzunehmen und entgegen diesem Bescheid festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 12.12.1984 bis 8.5.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

15

1. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 28.3.1985 nicht erfüllt.

16

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

17

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder ist die Beklagte von einem "unrichtigen Sachverhalt" ausgegangen noch hat sie das "Recht unrichtig angewandt". Das LSG ist vielmehr ausgehend von den dafür einschlägigen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen (dazu im Folgenden b) sowie von den auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls vom LSG festgestellten, für den Senat bindenden Tatsachen (vgl § 163 SGG; dazu im Folgenden c) ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auch nach der Gründung der Beigeladenen zu 1. aufgrund (abhängiger) Beschäftigung seit Ende 1984 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

18

b) Ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht richtig bzw unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht. Bei Bekanntgabe des Bescheides vom 28.3.1985 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der - hier wegen von der Beklagten angenommener Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung kraft Geringfügigkeit zunächst nur betroffenen - Kranken- und Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 165 Abs 2 S 1 RVO, seit 1.1.1989 § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 1227 Abs 1 S 1 RVO, seit 1.1.1992 § 1 S 1 Nr 1 SGB VI in ihren jeweils geltenden Fassungen); seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung zum 1.1.1995 unterliegen solche Personen auch der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI idF des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Eine entsprechende Regelung zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung - maßgeblich für die spätere vollschichtige Tätigkeit der Klägerin - enthält § 25 Abs 1 SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war und ist § 7 Abs 1 SGB IV(seit 1.1.1999 § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, vgl Gesetz vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV(idF des Gesetzes vom 20.12.1999, aaO) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

19

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit macht es erforderlich, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

20

Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen, die insoweit maßgebenden Umstände des Falles berücksichtigt und im beschriebenen Sinne beanstandungsfrei begründet, dass die für eine (abhängige) Beschäftigung sprechenden Indizien hier überwiegen.

21

c) Die Feststellungen des LSG zu den der Tätigkeit der Klägerin zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen (dazu aa), den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (dazu bb) sowie zu der Gewährung von Darlehen (dazu cc) rechtfertigen - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist - die Annahme des LSG, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1. als Beschäftigte versicherungspflichtig war. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist (dazu dd).

22

aa) Das LSG hat anhand der zwischen den Beteiligten getroffenen und auch entsprechend umgesetzten vertraglichen Vereinbarungen die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 SGB IV zutreffend festgestellt, die auch so umgesetzt wurden.

23

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

24

Auf der Grundlage der von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) durften die Vorinstanzen annehmen, dass die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1. eine Stellung innehatte, wie derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. So erhielt die Klägerin von der Beigeladenen zu 1. eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung. Diese wurde von der Beigeladenen zu 1. auf das (eigene) private Konto der Klägerin zu deren alleinigen Verfügbarkeit überwiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen sowie auf bezahlten Urlaub. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte, ändert - wie vom LSG angenommen - nichts an der Wirksamkeit dieser ursprünglich zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann als früheren Einzelunternehmer getroffenen und nach Gründung der Beigeladenen zu 1. fortgeführten Vereinbarungen sowie an deren Bedeutung im Rahmen der vorzunehmenden sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Erwerbstätigkeit wurde auch von den Beteiligten des dem zugrun-deliegenden Rechtsverhältnisses in der Praxis fortlaufend sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigungsverhältnis behandelt. Erst nach einer - mehr als zwei Jahrzehnte nach Erlass des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides vom 28.3.1985 - über lange Zeit hinweg derart unbeanstandet hingenommenen Handhabung, während derer die Klägerin den Status als in den Schutz der Sozialversicherung einbezogene Person und die damit verbundenen Beitragspflichten akzeptierte, zog sie diese Praxis im November 2007 in Zweifel.

25

bb) Die Klägerin war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV für die Beigeladene zu 1. als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Beigeladenen zu 1. stehen die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Klägerin war insbesondere trotz der ihr eingeräumten Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschiedenen unterhaltenen Betrieb der Beigeladenen zu 1. - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert.

26

Die Klägerin war in dem hier streitigen Zeitraum am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. in wirtschaftlich untergeordnetem Maße, nämlich überhaupt nur in einem Umfang von 10 % beteiligt. Wer aber Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21, RdNr 16). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

27

Die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten unter § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 13.12.1984 zwar, dass - solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden waren - "sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig" zu fassen sind. Neben der Klägerin und ihrem Ehemann wurden keine weiteren Gesellschafter in die GmbH aufgenommen. Die Klägerin verfügte damit nur über eine Sperrminorität und konnte darauf bezogen maßgeblich Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen nehmen. Allerdings reichte diese Rechtsstellung der Klägerin als Gesellschafterin nicht soweit, dass sie damit jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer - vorliegend sozialversicherungsrechtlich allein zu beurteilenden - Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an sich jederzeit hätte verhindern können. Vielmehr blieb die Klägerin trotz der ihr auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Sperrminorität hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten (weiterhin) weisungsgebunden und war gleichwohl in den von ihr personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen zu 1. eingegliedert. Die Klägerin hatte auf der Grundlage der Feststellungen des LSG arbeitnehmertypische Rechte inne und war über Jahre hinweg grundsätzlich in einen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichtenkreis eingebunden.

28

Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl dazu bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 22 S 64 f). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 15; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 23).

29

Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. war der Ehemann der Klägerin bestellt. Das LSG hat daher zutreffend angenommen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden war. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Auch soweit die Klägerin innerhalb der GmbH für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich verantwortlich war, wurde sie letztlich nur als Erfüllungsgehilfin des Geschäftsführers tätig; allein dieser ist kraft Gesetzes verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bis 31.10.2008 § 41 Abs 1 GmbHG; vgl dazu bereits BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 58).

30

Die Klägerin war aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen zu 1. im Übrigen auch nicht in der Lage, ihren Ehemann als Geschäftsführer gegen seinen Willen nach § 46 Nr 5 GmbHG abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg dessen Weisungen zu entziehen. Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 des Gesellschaftsvertrages nur einstimmig gefasst werden konnten, hätte der Ehemann als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner eigenen Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch die Klägerin in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass sie als Mitgesellschafterin über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die - ebenfalls einstimmig zu erteilende - Entlastung nach § 46 Nr 5 GmbHG zu versagen(vgl dazu allgemein BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 18), würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit der Klägerin von der Beigeladenen zu 1. in Bezug auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern. Zwar wäre es denkbar, auf diesem Weg Einfluss auf den Geschäftsführer zu nehmen. Ohne Weiteres erfolgversprechend wäre dies indessen nicht, zumal nach einer nicht erteilten Entlastung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wiederum ein - nur mit dessen Mitwirkung zu treffender - einstimmiger Gesellschafterbeschluss nötig gewesen wäre. Auch handelt es sich insoweit nicht um ein rechtlich wirksames und durchsetzbares Instrument, um Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern.

31

cc) Das LSG hat zu Recht auch das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin verneint, weil sie kein Unternehmerrisiko trug, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in ihrem Sinne entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre.

32

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris RdNr 24; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Das LSG hat unter diesem Blickwinkel zu Recht ein Unternehmerrisiko verneint.

33

Die Darlehensgewährung der Klägerin begründet kein solches mit ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. verbundenes Risiko. Die Klägerin übernahm damit vielmehr nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. ergaben sich aus der Darlehensgewährung jedoch keine erkennbaren finanziellen Auswirkungen, vielmehr erhielt die Klägerin insoweit als Gegenleistung nach wie vor und weiterhin eine feste monatliche Vergütung. Im Übrigen ist es im Geschäftsleben auch nicht völlig unüblich, dass Arbeitnehmer (insbesondere in einer Familiengesellschaft) dem Unternehmen persönliche Darlehen gewähren oder zu dessen Gunsten sonstige finanzielle Verbindlichkeiten eingehen, insbesondere vor dem - bereits vom LSG angeführten - Hintergrund, dass Kreditinstitute bei Familienunternehmen typischerweise auch auf einer finanziellen Beteiligung bzw Mithaftung von Ehepartnern bzw anderen beteiligten Familienangehörigen bestehen.

34

dd) Der Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist.

35

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Eine solche Möglichkeit mag rein faktisch unbeschadet einschlägiger rechtlicher Bindungen allein aufgrund gegenseitiger familiärer Rücksichtnahme solange bestehen, wie auch das Einvernehmen der beteiligten Familienmitglieder im Rahmen eines gedeihlichen Zusammenwirkens gewahrt ist. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten würde dieser Gesichtspunkt indessen versagen, weil in einem solchen Fall durchsetzbar doch wieder allein die den einzelnen Familienmitgliedern konkret zustehende Rechtsmacht zum Tragen käme, sodass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen, die einen Rückgriff auf die der Erwerbstätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen gebieten, wieder eine Weisungsunterworfenheit angenommen werden müsste. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände indessen schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (grundlegend BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; zuletzt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, vgl dazu Nr 4 des BSG-Terminberichts Nr 31/15 vom 30.7.2015).

36

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handlungsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung getroffen sind, die dem Ortsgebrauch entsprechenden Dienste zu leisten sowie die dem Ortsgebrauch entsprechende Vergütung zu beanspruchen. In Ermangelung eines Ortsgebrauchs gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als vereinbart.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 728/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen und - im Wege der Widerklage - die Zahlung einer üblichen Vergütung.

2

Der Kläger ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war bei ihm vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2006 als Versicherungsvertreter tätig. Grundlage der Zusammenarbeit war ein „Vertretervertrag für hauptberufliche Vertreter (§§ 84 ff. HGB)“ vom 10./16. Januar 2005 (im Folgenden: Vertretervertrag), in dem es auszugsweise heißt:


        

     

                 
Der Vertreter übernimmt im Hauptberuf eine Vertretung für die D. Die Übernahme der Vertretung geschieht unter den nachstehenden Bedingungen sowie gemäß den diesem Vertrag beigefügten und den noch zu erlassenden schriftlichen Geschäftsanweisungen, soweit sie diesem Vertrag nicht zuwiderlaufen.
                 
Die Vertragspartner sind sich einig, dass der Vertreter die Anforderungen des Ausbildungsprogramms zum/zur ‚Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)’ zu erfüllen hat. Steht endgültig fest, dass er diesen Anforderungen nicht genügt, so wird der Vertretervertrag grundsätzlich ordentlich gekündigt.
        
       

                 
Der Vertreter ist als selbstständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf (§§ 84 ff. HGB) ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln. Über seine Zeit und die Art der Durchführung seiner Tätigkeit kann der Vertreter im Wesentlichen frei bestimmen.
                 
Für die Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen (z. B. Anmeldung seines Gewerbes nach § 14 der Gewerbeordnung und Versteuerung seiner Einkünfte) ist der Vertreter selbst verantwortlich.
                 
Der Vertreter ist Vermittlungsagent im Sinne des § 43 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). …
                 
…       
        
       

                 
Der Vertreter erhält nach Maßgabe der beigefügten Provisionsbestimmungen Provisionen, die das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit darstellen. Er ist nicht berechtigt, besondere Gebühren für die Aufnahme des Antrags oder aus anderen Gründen zu erheben.
        
…“   
        
3

Mit gleichem Datum schlossen die Parteien „Besondere Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 1. Februar 2005“ (im Folgenden: Besondere Vereinbarungen), in denen sie ua. regelten:


        

„1.

Zur Gründung und Konsolidierung seiner Existenz als selbständiger Gewerbetreibender nach Maßgabe des § 84 HGB kann der Vertreter für den Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 30.04.2005 eine Aufbauhilfe in Form eines gleichbleibenden Vorschusses in Höhe von € 1900,00 pro Monat, im Zeitraum vom 01.05.2005 bis zum 31.07.2005 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1700,00 und im Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1500,00 von der D bekommen.
        
…       
        
        
3.   

Die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse (offene D-Forderungen) ist während des gesamten Aufbauhilfezeitraumes auf € 15.500,00 begrenzt. Erreicht das Vertreterkonto diesen Forderungsbetrag, endet die Zahlung der Aufbauhilfe ungeachtet des in Ziffer 1 vereinbarten Zeitraumes.
        
4.   

Die Aufbauhilfe wird jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrages erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet.
                 
Ist eine vollständige Verrechnung in einem Monat nicht möglich, wird der sich ergebende Vorschußsaldo vorgetragen und ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit evtl. bestehenden Überschüssen in den Folgemonaten verrechnet. Sofern das Vertreterkonto ausgeglichen ist, werden sich ergebende Überschüsse ausgezahlt.
                 
Der Unterschuß wird bis zur vollständigen Verrechnung bzw. Beendigung des Vertretervortrages vorgetragen.
        
5.   

Etwaige nach Auslaufen der Aufbauhilfe sich ergebende Unterschüsse werden ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit noch anfallenden Provisionen und sonstigen Vergütungen einschließlich Bonifikation verrechnet.
        
6.   

Die Vorschußzahlungen enden sofort mit Ausspruch der Kündigung bzw. bei Abschluß einer Beendigungsvereinbarung. Alle danach noch anfallenden Vergütungen werden auf einen evtl. Unterschuß angerechnet.
        
7.   

Bei Ausspruch der Kündigung des Vertretervertrages bzw. Abschluß einer Beendigungsvereinbarung ist ein noch ausstehender Unterschuß vom Vertreter sofort auszugleichen.
                 
Kündigt der Vertreter, ist, um das Kündigungsrecht des Vertreters nicht zu erschweren, ein etwaiger sich nach Verrechnung mit verdienten Provisionen, Bonifikationen und sonstigen Vergütungen ergebender Unterschuß nach Vertragsbeendigung in 12 gleichen Monatsraten an die D zurückzuzahlen. Die erste Rate ist zum Schluss des auf das Vertragsende folgenden Monats zu zahlen. Die folgenden Raten werden zum Ende der jeweils folgenden Monate zur Zahlung fällig. Nach Vertragsbeendigung noch anfallende Vergütungen werden ebenfalls auf den Unterschuß angerechnet. Der Vertreter paßt die Ratenzahlung entsprechend an (d.h. Verkürzung des Ratenzahlungszeitraums und/oder Reduzierung der letzten Ratenzahlung).
        
…       
        
        
9.   

Der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebietes liegt im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L.“
4

Ebenfalls unter dem 10./16. Januar 2005 trafen die Parteien eine „Bonifikationsvereinbarung zum Vertretervertrag vom 01.02.2005“, nach der der Beklagte zusätzlich zu den Provisionen eine freiwillige Bonifikation iHv. 10.000,00 Euro bei Erreichen von Nettoabschlussprovisionen iHv. 35.266,67 Euro in den ersten 24 Tätigkeitsmonaten oder von 21.050,00 Euro vom 13. - 24. Tätigkeitsmonat erhalten sollte. Vorausgesetzt wurde ferner, dass der Vertretervertrag im 25. Tätigkeitsmonat auf unbestimmte Dauer fortbesteht. Mit dem Inhaber der Agentur L schloss der Kläger mit Datum 10./14. Januar 2005 eine Vereinbarung über die Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L, in der es heißt:


        

„…   
        
1.   

Der Agenturvertreter (V) wird dem Vertreter zugeordnet.
                 
Damit soll eine optimale Kundenbetreuung und eine höhere Bestandsproduktivität erzielt werden.
                 
Der Vertreter stellt dem Agenturvertreter hierfür alle notwendigen Informationen und Hilfsmittel zur Verfügung.
        
2.   

Das Neukundengeschäft des Agenturvertreters fließt für die Dauer der Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Regelung in Ziffer 4 in den Bestand des Vertreters ein.
        
3.   

Die im Rahmen der Zusammenarbeit erzielte Jahresnetto-Abschlußprovisionen des v.g. Agenturvertreters wird auch bei Ermittlung des erhöhten Abschlußprovisionszuschusses für den Vertreter berücksichtigt.
        
4.   

Sollte die Zusammenarbeit zwischen Vertreter und Agenturvertreter entweder vom Vertreter, vom Agenturvertreter oder von der D nicht mehr gewünscht werden, wird die Vermittler-Zuordnung beendet. Das bis dahin dem Vertreter zugeflossene bestands- bzw. servicevergütungspflichtige Geschäft verbleibt im Bestand des Vertreters.
        
…“   
        
5

Mit einem Nachtrag vom 22./27. Dezember 2005 wurde die Zuordnung des Beklagten zur Agentur L zum 31. Dezember 2005 beendet. Auf seinen Wunsch wechselte er zur Agentur V.

6

Zur Erlangung der Qualifikation „Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ veranstaltet der Kläger in seiner Zentrale in K eine Seminarreihe, bestehend aus sieben Grundseminaren und einem prüfungsvorbereitenden Seminar. Die Seminare dauern in der Regel fünf Arbeitstage und sollen innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten durchlaufen werden. Der Beklagte erhielt regelmäßig Einladungen zur Teilnahme an den Seminaren.

7

Im Rahmen seiner Tätigkeit übermittelte der Beklagte dem für ihn zuständigen Organisationsleiter des Klägers regelmäßig montags bis 12:00 Uhr einen Wochenbericht für die zurückliegende Woche und eine Planung für die folgende.

8

Im Zeitraum Februar 2005 bis Januar 2006 zahlte der Kläger an den Beklagten gem. Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen unter Verrechnung verdienter Provisionen 10.344,73 Euro.

9

Mit Schreiben vom 30. März 2006 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. Mai 2006. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich unter Verrechnung von Stornoreserveguthaben ein Saldo iHv. 9.698,24 Euro zu seinen Lasten.

10

Mit der zunächst zum Landgericht erhobenen und von diesem an das Arbeitsgericht verwiesenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen den Ausgleich des Negativsaldos begehrt und geltend gemacht, bei der dem Beklagten gewährten Aufbauhilfe habe es sich um Vorschüsse auf(noch) nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen gehandelt, zu deren Rückzahlung der Beklagte verpflichtet sei. Der Beklagte sei als selbständiger Versicherungsvertreter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bei ihm tätig gewesen.

11

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt,


        

1.   

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.698,24 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.273,71 Euro seit dem 1. März 2007 sowie aus 2.424,53 Euro seit dem 9. August 2007 zu zahlen,
        
2.   

die Widerklage abzuweisen.
12

Der Beklagte hat beantragt,


        

1.   

die Klage abzuweisen,
        
2.   

den Kläger zu verurteilen, an ihn 6.565,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2006 zu zahlen.
13

Der Beklagte hat geltend gemacht, keine Provisionsvorschüsse erhalten zu haben. Die Besonderen Vereinbarungen seien dahingehend auszulegen, dass die Aufbauhilfe als Vergütung während der Startphase garantiert sein solle. Das ergebe sich zumindest bei Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Darüber hinaus benachteilige ihn die Rückzahlungsklausel unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

14

In zweiter Linie hat der Beklagte geltend gemacht, sein Vertragsverhältnis zum Kläger sei als Arbeitsverhältnis einzuordnen, und vorgebracht, er habe seine Tätigkeit nicht frei gestalten und seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen können. Die Zuordnung zu den Agenturen L und V hätte ihn örtlich eingeschränkt, zudem sei er an die Bürozeiten der jeweiligen Agentur gebunden gewesen. Auf Anweisung des Klägers habe er mindestens 15 bis 20 Termine pro Woche vereinbaren und wahrnehmen müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden.

15

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Vergütung allein auf Provisionsbasis sei im Arbeitsverhältnis sittenwidrig. Deshalb könne er die übliche Vergütung beanspruchen, die sich aus den Tarifverträgen für das private Versicherungsgewerbe ergebe. Danach habe er für den Zeitraum seiner Tätigkeit beim Kläger insgesamt 28.624,13 Euro brutto zu beanspruchen. Abzüglich erhaltener Zahlungen iHv. 21.893,35 Euro verbleibe ein restlicher Vergütungsanspruch iHv. 6.730,78 Euro brutto.

16

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag und sein Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende und die Widerklage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

18

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis eingeordnet. Der Beklagte war sowohl nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 als auch dessen praktischer Durchführung selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 HGB.

19

1. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind alle Umstände des Falls in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich den gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 93, 132; 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 der Gründe, BAGE 93, 112; 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 95, 324). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (Senat 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe, BAGE 115, 1; 30. September 1998 - 5 AZR 563/97 - BAGE 90, 36). Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

20

2. Unter beiden Aspekten des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB war der Beklagte in einem für den Selbständigenstatus erforderlichen Maße frei von Weisungen.

21

a) Das gilt zunächst für die Arbeitszeit.

22

aa) Der Vertretervertrag enthält zu Beginn und Ende einer täglichen Arbeitszeit keinerlei Vorgaben. Der Beklagte hatte keine festen Arbeitszeiten. Aus der Vereinbarung der Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L vom 10./14. Januar 2005 ergibt sich keine verbindliche Festlegung seiner Arbeitszeiten in Anlehnung an die Öffnungszeiten des Agenturbüros. Diese Vereinbarung ist die rechtliche Grundlage für die in Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen getroffene Regelung, der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebiets des Beklagten solle im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L liegen. Damit wurde ein Tätigkeitsbezirk festgelegt, jedoch keine zeitliche Weisungsgebundenheit begründet.

23

bb) Die tatsächliche Durchführung des Vertretervertrags lässt eine zeitliche Weisungsgebundenheit nicht erkennen.

24

Der Beklagte macht zwar geltend, in den Agenturen L und V festen Arbeitszeiten unterworfen gewesen zu sein. Es fehlt aber an hinreichend substantiiertem Tatsachenvortrag dazu, wann der Beklagte von welchem Vertreter des Klägers eine Weisung welchen Inhalts erhalten hätte.

25

Der Arbeitszeitsouveränität des Beklagten steht die von ihm behauptete Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungsterminen mit einem Organisationsleiter des Klägers nicht entgegen. In einer verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit. Eine Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, stellt jedoch keinen so gravierenden Eingriff dar, dass er mit dem Status eines Selbständigen unvereinbar wäre(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132).

26

Ebenso wenig führen die vom Beklagten behaupteten Vorgaben des Klägers, pro Woche 15 bis 20 Kunden besuchen zu müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden, zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit. Zwar kann sich eine solche aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls ergeben. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 770/98 - zu II 1 b der Gründe, AP HGB § 92 Nr. 6 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 79; 26. Mai 1999 - 5 AZR 469/98 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 104 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 75). Insoweit fehlt es an Sachvortrag des Beklagten zur zeitlichen Inanspruchnahme der von ihm behaupteten Zahl von Kundenbesuchen und einer damit verbundenen Einengung seines Spielraums zur Bestimmung von Dauer und Lage seiner Arbeitszeit. Im Übrigen liegt es für einen Versicherungsvertreter im Hauptberuf nahe, dass er möglichst viele Kunden besucht.

27

b) Der Beklagte war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei.

28

aa) Dem Beklagten war vertraglich kein bestimmter Arbeitsort vorgegeben. Er musste weder die Räumlichkeiten des Klägers noch die der Agenturen L bzw. V aufsuchen, um von dort aus tätig zu werden. Sollte er das gleichwohl getan haben, so lag dem keine entsprechende Verpflichtung durch den Kläger zugrunde. Die bloße „Zuordnung“ zu einer bestimmten Agentur - Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen - begründete keinen Zwang, von dort aus der Vertretertätigkeit nachzugehen. Der Beklagte durfte, musste jedoch nicht auf die Ressourcen der Agenturen zurückgreifen.

29

Durch die Zuordnung zu einer Agentur gem. Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen war dem Beklagten allerdings ein bestimmter Arbeitsbezirk vorgegeben. Die Zuweisung eines bestimmten Bezirks oder eines bestimmten Kundenkreises ist jedoch mit dem Status eines selbständigen Handelsvertreters vereinbar. Dies ergibt sich bereits aus § 87 Abs. 2 HGB, in dem eine solche Abrede vorausgesetzt wird. Für den Beklagten als Versicherungsvertreter gilt nichts anderes(vgl. ausf. Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 112). Im Übrigen wird die Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit iSv. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB durch die Festlegung eines geografischen Bereichs, innerhalb dessen die betreffende Tätigkeit entfaltet werden soll, nicht berührt.

30

bb) Ebenso wenig beeinträchtigen die vom Beklagten vorgetragenen Berichtspflichten seine Freiheit bei der Gestaltung seiner Tätigkeit in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Maße. Nach § 86 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Über diese Berichtspflicht eines selbständigen Handelsvertreters ginge eine dem Beklagten abverlangte Vorlage von Wochenberichten nicht hinaus. Die vorgetragene Weisung, einem Organisationsleiter des Klägers jeweils montags bis 12:00 Uhr eine Planung für die folgende Woche zu übermitteln, vermag die selbstbestimmte Gestaltung der Tätigkeit solange nicht zu beeinträchtigen, wie der Handelsvertreter seine Planung ohne verbindliche Vorgaben des Unternehmers eigenständig vornehmen kann.

31

Entsprechendes gilt für die von dem Beklagten behaupteten Kontrollanrufe bei zwei von ihm besuchten Kunden. Diese sind von der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB abgedeckt(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ee der Gründe, BAGE 95, 324).

32

c) Die Teilnahme des Beklagten an dem tätigkeitsbegleitenden Ausbildungsprogramm „zum/zur Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ steht der Annahme eines selbständigen Versicherungsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine verpflichtende tätigkeitsbegleitende Ausbildung zur Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis führen kann. Denn zum einen entspringt die Ausbildung des Beklagten zum Versicherungsfachmann dem berechtigten Interesse des Klägers an einer möglichst effizienten Tätigkeit des Beklagten, der wiederum seinerseits von einer solchen Ausbildung profitieren konnte(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ff der Gründe, BAGE 95, 324). Zum anderen führt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Umfang der Ausbildung - insgesamt 35 Arbeitstage im Jahr - angesichts des Nutzens für den Beklagten zu keiner übermäßigen Beschränkung der freien Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit.

33

d) Die von der Revision zu Recht als fehlend gerügte Gesamtwürdigung kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst vornehmen. Sie kann nur zu dem Ergebnis führen, dass das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Die Freiheit des Beklagten bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit wurde von dem Kläger nicht in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Umfang eingeschränkt. Da die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sowohl selbständig - § 92 Abs. 1 HGB in Verb. mit § 84 Abs. 1 HGB - als auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses - § 92 Abs. 1 in Verb. mit § 84 Abs. 2 HGB - erbracht werden kann, ist bei der Gesamtwürdigung zudem die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen. Wenn die tatsächliche Handhabung nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich die Parteien an dem von ihnen gewählten Vertragstypus festhalten lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien oder eine von ihnen im Geschäftsverkehr gänzlich unerfahren sind. Das ist aber weder bei dem Kläger als Versicherungsunternehmen, noch beim Beklagten der Fall. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Akteninhalt war der Beklagte nach eigenem Vorbringen bereits zuvor als freier Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen tätig. Nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 war der Beklagte „ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln“. Dabei wurde er als selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB tätig.

34

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann vom Beklagten die Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen.

35

1. Nach Ziff. 7 Abs. 1 Besondere Vereinbarungen ist der Beklagte verpflichtet, bei Beendigung des Vertretervertrags nach Maßgabe der Ratenregelung in Abs. 2 einen noch ausstehenden Unterschuss auszugleichen.

36

a) Bei den Regelungen zur Aufbauhilfe in den Besonderen Vereinbarungen handelt es sich nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats(1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von den Parteien nicht angegriffen wird, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB),die vom Kläger für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Beklagten bei Vertragsschluss gestellt wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Anhaltspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (Senat 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 24, BAGE 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (Senat 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

37

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vereinbarte Aufbauhilfe als Vorschuss auf Provisionen zu qualifizieren, der nach Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen bei Vorliegen eines „Unterschusses“ zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zurückzuzahlen ist.

38

aa) Schon der Wortlaut von Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen ist eindeutig. Danach wird die Aufbauhilfe zur Gründung und Konsolidierung der Existenz des Beklagten als selbständiger Gewerbetreibender „in Form eines gleichbleibenden Vorschusses“ nach Maßgabe der dort aufgeführten zeitlichen Staffelung gezahlt. Durch die dreimalige Verwendung des Begriffs „gleichbleibender Vorschuss“ kann die Regelung von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nur als bloße Vorschussregelung verstanden werden, zumal es in Ziff. 4 Vertretervertrag heißt, die Provisionen stellten „das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit“ dar. Die weiteren Regelungen in den Besonderen Vereinbarungen bestätigen, dass die Zahlung eines Vorschusses, nicht aber eines garantierten(Mindest-)Entgelts vereinbart war. So sieht Ziff. 4 vor, dass die Aufbauhilfe jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrags erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet wird. Ziff. 3 begrenzt die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse auf eine bestimmte Summe. In Ziff. 6 heißt es, die Vorschusszahlungen endeten sofort mit Ausspruch einer Kündigung bzw. des Abschlusses einer Beendigungsvereinbarung. Auch der allgemeine Sprachgebrauch schließt ein Verständnis des Begriffs „Vorschuss“ als „Garantieeinkommen“, „Mindestentgelt“ oder „Fixum“ aus.

39

bb) Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung ist für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Die Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht(BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

40

cc) Die in Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen vorgesehene Rückzahlungspflicht unterliegt nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, weil sie keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung ist, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

41

Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(Senat 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 18, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6). Der Beklagte wäre auch ohne Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen verpflichtet, nicht ins Verdienen gebrachte Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen. Ein Vorschuss ist eine vorweggenommene Vergütungstilgung. Entsteht die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzugewähren. Wird der Vertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen (BAG 25. September 2002 - 10 AZR 7/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 103, 1).

42

dd) Eine hiervon abweichende und damit die uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB eröffnende Wirkung erhält Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen nicht dadurch, dass der Beklagte durch die Gewährung von Vorschüssen in einer seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigenden Weise an den Kläger gebunden würde(vgl. zu einer Vereinbarung, nach der ein Handelsvertreter dem Unternehmer Schulungskosten anteilig zu erstatten hat BAG 24. Oktober 2002 - 6 AZR 632/00 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 103, 180; zur Bindung eines Arbeitnehmers durch eine Sonderzahlung BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).

43

Mit seiner „Aufbauhilfe“ bindet der Kläger den Beklagten zwar insofern an sich, als bei Vertragsschluss damit zu rechnen war, der Beklagte werde als in der Versicherungsbranche Unerfahrener in der Anfangsphase seiner Tätigkeit die Vorschüsse nicht sogleich in voller Höhe ins Verdienen bringen können und sich zunächst bei dem Kläger „verschulden“. Die Vorschüsse lagen aber primär im Interesse des Beklagten, der sie nach Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen beanspruchen konnte, aber nicht musste. Sie gewährleisteten ihm in der Anfangsphase des Vertragsverhältnisses kontinuierliche Einnahmen unabhängig vom Erfolg seiner Vermittlungstätigkeit. Außerdem waren sie zeitlich auf ein Jahr und in der Höhe auf max. 15.500,00 Euro begrenzt. Schließlich mussten die Vorschüsse, sofern sie nicht ins Verdienen gebracht wurden, bei einer Kündigung des Versicherungsvertreters nicht sofort in voller Höhe, sondern in zwölf gleichen Monatsraten zurückgezahlt werden.

44

2. Die Vergütung eines freien Versicherungsvertreters nur auf der von § 92 Abs. 3 HGB vorgesehenen Provisionsbasis ohne Gewährung eines - wie auch immer gearteten - Garantieeinkommens(Ziff. 4 Vertretervertrag) ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden. Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, unterliegen nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Der eingeschränkten Kontrolle auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 in Verb. mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hält die Vergütungsvereinbarung Stand. Ziff. 4 Vertretervertrag regelt klar und verständlich, dass die vereinbarte Provision das volle Entgelt für die Tätigkeit des Beklagten darstellt.

45

3. Die Höhe der nicht ins Verdienen gebrachten Provisionsvorschüsse ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2, § 291 BGB.

46

III. Die Widerklage ist unbegründet.

47

Der Beklagte kann eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB nicht beanspruchen. Die Höhe der Vergütung ist bestimmt durch die Vergütungsvereinbarung in Ziff. 4 Vertretervertrag. Dass die dort in Bezug genommenen Provisionsbestimmungen unwirksam wären, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

48

IV. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.


        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    Wolf    
                 

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.

3

Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:

"§ 3

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.

…       

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.

§ 4

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.

Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.

In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.

…       

§ 5

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.

Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.

Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.

…       

Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…

…       

§ 8

…       

Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.

Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…

…       

Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.

§ 9

Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.

Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.

…"    

4

Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.

5

Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.

6

Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).

7

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.

8

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.

9

Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.

10

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."

11

Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.

14

Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.

17

1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).

18

Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).

19

2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

20

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

21

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).

22

b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.

23

aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

24

bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.

25

cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").

26

dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.

27

Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.

28

Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.

29

ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).

30

Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.

31

Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).

32

ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.

33

Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).

34

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.

35

gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

36

Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.

37

Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.

38

Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.

39

hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).

40

Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).

41

3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).

42

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.

43

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.

44

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

(1) Der Handelsvertreter hat sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen.

(2) Er hat dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen.

(3) Er hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen.

(4) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 728/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen und - im Wege der Widerklage - die Zahlung einer üblichen Vergütung.

2

Der Kläger ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war bei ihm vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2006 als Versicherungsvertreter tätig. Grundlage der Zusammenarbeit war ein „Vertretervertrag für hauptberufliche Vertreter (§§ 84 ff. HGB)“ vom 10./16. Januar 2005 (im Folgenden: Vertretervertrag), in dem es auszugsweise heißt:


        

     

                 
Der Vertreter übernimmt im Hauptberuf eine Vertretung für die D. Die Übernahme der Vertretung geschieht unter den nachstehenden Bedingungen sowie gemäß den diesem Vertrag beigefügten und den noch zu erlassenden schriftlichen Geschäftsanweisungen, soweit sie diesem Vertrag nicht zuwiderlaufen.
                 
Die Vertragspartner sind sich einig, dass der Vertreter die Anforderungen des Ausbildungsprogramms zum/zur ‚Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)’ zu erfüllen hat. Steht endgültig fest, dass er diesen Anforderungen nicht genügt, so wird der Vertretervertrag grundsätzlich ordentlich gekündigt.
        
       

                 
Der Vertreter ist als selbstständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf (§§ 84 ff. HGB) ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln. Über seine Zeit und die Art der Durchführung seiner Tätigkeit kann der Vertreter im Wesentlichen frei bestimmen.
                 
Für die Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen (z. B. Anmeldung seines Gewerbes nach § 14 der Gewerbeordnung und Versteuerung seiner Einkünfte) ist der Vertreter selbst verantwortlich.
                 
Der Vertreter ist Vermittlungsagent im Sinne des § 43 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). …
                 
…       
        
       

                 
Der Vertreter erhält nach Maßgabe der beigefügten Provisionsbestimmungen Provisionen, die das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit darstellen. Er ist nicht berechtigt, besondere Gebühren für die Aufnahme des Antrags oder aus anderen Gründen zu erheben.
        
…“   
        
3

Mit gleichem Datum schlossen die Parteien „Besondere Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 1. Februar 2005“ (im Folgenden: Besondere Vereinbarungen), in denen sie ua. regelten:


        

„1.

Zur Gründung und Konsolidierung seiner Existenz als selbständiger Gewerbetreibender nach Maßgabe des § 84 HGB kann der Vertreter für den Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 30.04.2005 eine Aufbauhilfe in Form eines gleichbleibenden Vorschusses in Höhe von € 1900,00 pro Monat, im Zeitraum vom 01.05.2005 bis zum 31.07.2005 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1700,00 und im Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1500,00 von der D bekommen.
        
…       
        
        
3.   

Die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse (offene D-Forderungen) ist während des gesamten Aufbauhilfezeitraumes auf € 15.500,00 begrenzt. Erreicht das Vertreterkonto diesen Forderungsbetrag, endet die Zahlung der Aufbauhilfe ungeachtet des in Ziffer 1 vereinbarten Zeitraumes.
        
4.   

Die Aufbauhilfe wird jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrages erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet.
                 
Ist eine vollständige Verrechnung in einem Monat nicht möglich, wird der sich ergebende Vorschußsaldo vorgetragen und ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit evtl. bestehenden Überschüssen in den Folgemonaten verrechnet. Sofern das Vertreterkonto ausgeglichen ist, werden sich ergebende Überschüsse ausgezahlt.
                 
Der Unterschuß wird bis zur vollständigen Verrechnung bzw. Beendigung des Vertretervortrages vorgetragen.
        
5.   

Etwaige nach Auslaufen der Aufbauhilfe sich ergebende Unterschüsse werden ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit noch anfallenden Provisionen und sonstigen Vergütungen einschließlich Bonifikation verrechnet.
        
6.   

Die Vorschußzahlungen enden sofort mit Ausspruch der Kündigung bzw. bei Abschluß einer Beendigungsvereinbarung. Alle danach noch anfallenden Vergütungen werden auf einen evtl. Unterschuß angerechnet.
        
7.   

Bei Ausspruch der Kündigung des Vertretervertrages bzw. Abschluß einer Beendigungsvereinbarung ist ein noch ausstehender Unterschuß vom Vertreter sofort auszugleichen.
                 
Kündigt der Vertreter, ist, um das Kündigungsrecht des Vertreters nicht zu erschweren, ein etwaiger sich nach Verrechnung mit verdienten Provisionen, Bonifikationen und sonstigen Vergütungen ergebender Unterschuß nach Vertragsbeendigung in 12 gleichen Monatsraten an die D zurückzuzahlen. Die erste Rate ist zum Schluss des auf das Vertragsende folgenden Monats zu zahlen. Die folgenden Raten werden zum Ende der jeweils folgenden Monate zur Zahlung fällig. Nach Vertragsbeendigung noch anfallende Vergütungen werden ebenfalls auf den Unterschuß angerechnet. Der Vertreter paßt die Ratenzahlung entsprechend an (d.h. Verkürzung des Ratenzahlungszeitraums und/oder Reduzierung der letzten Ratenzahlung).
        
…       
        
        
9.   

Der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebietes liegt im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L.“
4

Ebenfalls unter dem 10./16. Januar 2005 trafen die Parteien eine „Bonifikationsvereinbarung zum Vertretervertrag vom 01.02.2005“, nach der der Beklagte zusätzlich zu den Provisionen eine freiwillige Bonifikation iHv. 10.000,00 Euro bei Erreichen von Nettoabschlussprovisionen iHv. 35.266,67 Euro in den ersten 24 Tätigkeitsmonaten oder von 21.050,00 Euro vom 13. - 24. Tätigkeitsmonat erhalten sollte. Vorausgesetzt wurde ferner, dass der Vertretervertrag im 25. Tätigkeitsmonat auf unbestimmte Dauer fortbesteht. Mit dem Inhaber der Agentur L schloss der Kläger mit Datum 10./14. Januar 2005 eine Vereinbarung über die Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L, in der es heißt:


        

„…   
        
1.   

Der Agenturvertreter (V) wird dem Vertreter zugeordnet.
                 
Damit soll eine optimale Kundenbetreuung und eine höhere Bestandsproduktivität erzielt werden.
                 
Der Vertreter stellt dem Agenturvertreter hierfür alle notwendigen Informationen und Hilfsmittel zur Verfügung.
        
2.   

Das Neukundengeschäft des Agenturvertreters fließt für die Dauer der Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Regelung in Ziffer 4 in den Bestand des Vertreters ein.
        
3.   

Die im Rahmen der Zusammenarbeit erzielte Jahresnetto-Abschlußprovisionen des v.g. Agenturvertreters wird auch bei Ermittlung des erhöhten Abschlußprovisionszuschusses für den Vertreter berücksichtigt.
        
4.   

Sollte die Zusammenarbeit zwischen Vertreter und Agenturvertreter entweder vom Vertreter, vom Agenturvertreter oder von der D nicht mehr gewünscht werden, wird die Vermittler-Zuordnung beendet. Das bis dahin dem Vertreter zugeflossene bestands- bzw. servicevergütungspflichtige Geschäft verbleibt im Bestand des Vertreters.
        
…“   
        
5

Mit einem Nachtrag vom 22./27. Dezember 2005 wurde die Zuordnung des Beklagten zur Agentur L zum 31. Dezember 2005 beendet. Auf seinen Wunsch wechselte er zur Agentur V.

6

Zur Erlangung der Qualifikation „Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ veranstaltet der Kläger in seiner Zentrale in K eine Seminarreihe, bestehend aus sieben Grundseminaren und einem prüfungsvorbereitenden Seminar. Die Seminare dauern in der Regel fünf Arbeitstage und sollen innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten durchlaufen werden. Der Beklagte erhielt regelmäßig Einladungen zur Teilnahme an den Seminaren.

7

Im Rahmen seiner Tätigkeit übermittelte der Beklagte dem für ihn zuständigen Organisationsleiter des Klägers regelmäßig montags bis 12:00 Uhr einen Wochenbericht für die zurückliegende Woche und eine Planung für die folgende.

8

Im Zeitraum Februar 2005 bis Januar 2006 zahlte der Kläger an den Beklagten gem. Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen unter Verrechnung verdienter Provisionen 10.344,73 Euro.

9

Mit Schreiben vom 30. März 2006 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. Mai 2006. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich unter Verrechnung von Stornoreserveguthaben ein Saldo iHv. 9.698,24 Euro zu seinen Lasten.

10

Mit der zunächst zum Landgericht erhobenen und von diesem an das Arbeitsgericht verwiesenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen den Ausgleich des Negativsaldos begehrt und geltend gemacht, bei der dem Beklagten gewährten Aufbauhilfe habe es sich um Vorschüsse auf(noch) nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen gehandelt, zu deren Rückzahlung der Beklagte verpflichtet sei. Der Beklagte sei als selbständiger Versicherungsvertreter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bei ihm tätig gewesen.

11

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt,


        

1.   

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.698,24 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.273,71 Euro seit dem 1. März 2007 sowie aus 2.424,53 Euro seit dem 9. August 2007 zu zahlen,
        
2.   

die Widerklage abzuweisen.
12

Der Beklagte hat beantragt,


        

1.   

die Klage abzuweisen,
        
2.   

den Kläger zu verurteilen, an ihn 6.565,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2006 zu zahlen.
13

Der Beklagte hat geltend gemacht, keine Provisionsvorschüsse erhalten zu haben. Die Besonderen Vereinbarungen seien dahingehend auszulegen, dass die Aufbauhilfe als Vergütung während der Startphase garantiert sein solle. Das ergebe sich zumindest bei Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Darüber hinaus benachteilige ihn die Rückzahlungsklausel unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

14

In zweiter Linie hat der Beklagte geltend gemacht, sein Vertragsverhältnis zum Kläger sei als Arbeitsverhältnis einzuordnen, und vorgebracht, er habe seine Tätigkeit nicht frei gestalten und seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen können. Die Zuordnung zu den Agenturen L und V hätte ihn örtlich eingeschränkt, zudem sei er an die Bürozeiten der jeweiligen Agentur gebunden gewesen. Auf Anweisung des Klägers habe er mindestens 15 bis 20 Termine pro Woche vereinbaren und wahrnehmen müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden.

15

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Vergütung allein auf Provisionsbasis sei im Arbeitsverhältnis sittenwidrig. Deshalb könne er die übliche Vergütung beanspruchen, die sich aus den Tarifverträgen für das private Versicherungsgewerbe ergebe. Danach habe er für den Zeitraum seiner Tätigkeit beim Kläger insgesamt 28.624,13 Euro brutto zu beanspruchen. Abzüglich erhaltener Zahlungen iHv. 21.893,35 Euro verbleibe ein restlicher Vergütungsanspruch iHv. 6.730,78 Euro brutto.

16

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag und sein Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende und die Widerklage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

18

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis eingeordnet. Der Beklagte war sowohl nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 als auch dessen praktischer Durchführung selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 HGB.

19

1. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind alle Umstände des Falls in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich den gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 93, 132; 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 der Gründe, BAGE 93, 112; 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 95, 324). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (Senat 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe, BAGE 115, 1; 30. September 1998 - 5 AZR 563/97 - BAGE 90, 36). Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

20

2. Unter beiden Aspekten des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB war der Beklagte in einem für den Selbständigenstatus erforderlichen Maße frei von Weisungen.

21

a) Das gilt zunächst für die Arbeitszeit.

22

aa) Der Vertretervertrag enthält zu Beginn und Ende einer täglichen Arbeitszeit keinerlei Vorgaben. Der Beklagte hatte keine festen Arbeitszeiten. Aus der Vereinbarung der Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L vom 10./14. Januar 2005 ergibt sich keine verbindliche Festlegung seiner Arbeitszeiten in Anlehnung an die Öffnungszeiten des Agenturbüros. Diese Vereinbarung ist die rechtliche Grundlage für die in Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen getroffene Regelung, der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebiets des Beklagten solle im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L liegen. Damit wurde ein Tätigkeitsbezirk festgelegt, jedoch keine zeitliche Weisungsgebundenheit begründet.

23

bb) Die tatsächliche Durchführung des Vertretervertrags lässt eine zeitliche Weisungsgebundenheit nicht erkennen.

24

Der Beklagte macht zwar geltend, in den Agenturen L und V festen Arbeitszeiten unterworfen gewesen zu sein. Es fehlt aber an hinreichend substantiiertem Tatsachenvortrag dazu, wann der Beklagte von welchem Vertreter des Klägers eine Weisung welchen Inhalts erhalten hätte.

25

Der Arbeitszeitsouveränität des Beklagten steht die von ihm behauptete Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungsterminen mit einem Organisationsleiter des Klägers nicht entgegen. In einer verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit. Eine Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, stellt jedoch keinen so gravierenden Eingriff dar, dass er mit dem Status eines Selbständigen unvereinbar wäre(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132).

26

Ebenso wenig führen die vom Beklagten behaupteten Vorgaben des Klägers, pro Woche 15 bis 20 Kunden besuchen zu müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden, zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit. Zwar kann sich eine solche aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls ergeben. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 770/98 - zu II 1 b der Gründe, AP HGB § 92 Nr. 6 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 79; 26. Mai 1999 - 5 AZR 469/98 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 104 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 75). Insoweit fehlt es an Sachvortrag des Beklagten zur zeitlichen Inanspruchnahme der von ihm behaupteten Zahl von Kundenbesuchen und einer damit verbundenen Einengung seines Spielraums zur Bestimmung von Dauer und Lage seiner Arbeitszeit. Im Übrigen liegt es für einen Versicherungsvertreter im Hauptberuf nahe, dass er möglichst viele Kunden besucht.

27

b) Der Beklagte war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei.

28

aa) Dem Beklagten war vertraglich kein bestimmter Arbeitsort vorgegeben. Er musste weder die Räumlichkeiten des Klägers noch die der Agenturen L bzw. V aufsuchen, um von dort aus tätig zu werden. Sollte er das gleichwohl getan haben, so lag dem keine entsprechende Verpflichtung durch den Kläger zugrunde. Die bloße „Zuordnung“ zu einer bestimmten Agentur - Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen - begründete keinen Zwang, von dort aus der Vertretertätigkeit nachzugehen. Der Beklagte durfte, musste jedoch nicht auf die Ressourcen der Agenturen zurückgreifen.

29

Durch die Zuordnung zu einer Agentur gem. Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen war dem Beklagten allerdings ein bestimmter Arbeitsbezirk vorgegeben. Die Zuweisung eines bestimmten Bezirks oder eines bestimmten Kundenkreises ist jedoch mit dem Status eines selbständigen Handelsvertreters vereinbar. Dies ergibt sich bereits aus § 87 Abs. 2 HGB, in dem eine solche Abrede vorausgesetzt wird. Für den Beklagten als Versicherungsvertreter gilt nichts anderes(vgl. ausf. Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 112). Im Übrigen wird die Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit iSv. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB durch die Festlegung eines geografischen Bereichs, innerhalb dessen die betreffende Tätigkeit entfaltet werden soll, nicht berührt.

30

bb) Ebenso wenig beeinträchtigen die vom Beklagten vorgetragenen Berichtspflichten seine Freiheit bei der Gestaltung seiner Tätigkeit in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Maße. Nach § 86 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Über diese Berichtspflicht eines selbständigen Handelsvertreters ginge eine dem Beklagten abverlangte Vorlage von Wochenberichten nicht hinaus. Die vorgetragene Weisung, einem Organisationsleiter des Klägers jeweils montags bis 12:00 Uhr eine Planung für die folgende Woche zu übermitteln, vermag die selbstbestimmte Gestaltung der Tätigkeit solange nicht zu beeinträchtigen, wie der Handelsvertreter seine Planung ohne verbindliche Vorgaben des Unternehmers eigenständig vornehmen kann.

31

Entsprechendes gilt für die von dem Beklagten behaupteten Kontrollanrufe bei zwei von ihm besuchten Kunden. Diese sind von der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB abgedeckt(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ee der Gründe, BAGE 95, 324).

32

c) Die Teilnahme des Beklagten an dem tätigkeitsbegleitenden Ausbildungsprogramm „zum/zur Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ steht der Annahme eines selbständigen Versicherungsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine verpflichtende tätigkeitsbegleitende Ausbildung zur Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis führen kann. Denn zum einen entspringt die Ausbildung des Beklagten zum Versicherungsfachmann dem berechtigten Interesse des Klägers an einer möglichst effizienten Tätigkeit des Beklagten, der wiederum seinerseits von einer solchen Ausbildung profitieren konnte(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ff der Gründe, BAGE 95, 324). Zum anderen führt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Umfang der Ausbildung - insgesamt 35 Arbeitstage im Jahr - angesichts des Nutzens für den Beklagten zu keiner übermäßigen Beschränkung der freien Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit.

33

d) Die von der Revision zu Recht als fehlend gerügte Gesamtwürdigung kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst vornehmen. Sie kann nur zu dem Ergebnis führen, dass das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Die Freiheit des Beklagten bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit wurde von dem Kläger nicht in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Umfang eingeschränkt. Da die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sowohl selbständig - § 92 Abs. 1 HGB in Verb. mit § 84 Abs. 1 HGB - als auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses - § 92 Abs. 1 in Verb. mit § 84 Abs. 2 HGB - erbracht werden kann, ist bei der Gesamtwürdigung zudem die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen. Wenn die tatsächliche Handhabung nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich die Parteien an dem von ihnen gewählten Vertragstypus festhalten lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien oder eine von ihnen im Geschäftsverkehr gänzlich unerfahren sind. Das ist aber weder bei dem Kläger als Versicherungsunternehmen, noch beim Beklagten der Fall. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Akteninhalt war der Beklagte nach eigenem Vorbringen bereits zuvor als freier Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen tätig. Nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 war der Beklagte „ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln“. Dabei wurde er als selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB tätig.

34

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann vom Beklagten die Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen.

35

1. Nach Ziff. 7 Abs. 1 Besondere Vereinbarungen ist der Beklagte verpflichtet, bei Beendigung des Vertretervertrags nach Maßgabe der Ratenregelung in Abs. 2 einen noch ausstehenden Unterschuss auszugleichen.

36

a) Bei den Regelungen zur Aufbauhilfe in den Besonderen Vereinbarungen handelt es sich nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats(1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von den Parteien nicht angegriffen wird, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB),die vom Kläger für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Beklagten bei Vertragsschluss gestellt wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Anhaltspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (Senat 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 24, BAGE 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (Senat 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

37

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vereinbarte Aufbauhilfe als Vorschuss auf Provisionen zu qualifizieren, der nach Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen bei Vorliegen eines „Unterschusses“ zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zurückzuzahlen ist.

38

aa) Schon der Wortlaut von Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen ist eindeutig. Danach wird die Aufbauhilfe zur Gründung und Konsolidierung der Existenz des Beklagten als selbständiger Gewerbetreibender „in Form eines gleichbleibenden Vorschusses“ nach Maßgabe der dort aufgeführten zeitlichen Staffelung gezahlt. Durch die dreimalige Verwendung des Begriffs „gleichbleibender Vorschuss“ kann die Regelung von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nur als bloße Vorschussregelung verstanden werden, zumal es in Ziff. 4 Vertretervertrag heißt, die Provisionen stellten „das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit“ dar. Die weiteren Regelungen in den Besonderen Vereinbarungen bestätigen, dass die Zahlung eines Vorschusses, nicht aber eines garantierten(Mindest-)Entgelts vereinbart war. So sieht Ziff. 4 vor, dass die Aufbauhilfe jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrags erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet wird. Ziff. 3 begrenzt die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse auf eine bestimmte Summe. In Ziff. 6 heißt es, die Vorschusszahlungen endeten sofort mit Ausspruch einer Kündigung bzw. des Abschlusses einer Beendigungsvereinbarung. Auch der allgemeine Sprachgebrauch schließt ein Verständnis des Begriffs „Vorschuss“ als „Garantieeinkommen“, „Mindestentgelt“ oder „Fixum“ aus.

39

bb) Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung ist für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Die Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht(BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

40

cc) Die in Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen vorgesehene Rückzahlungspflicht unterliegt nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, weil sie keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung ist, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

41

Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(Senat 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 18, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6). Der Beklagte wäre auch ohne Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen verpflichtet, nicht ins Verdienen gebrachte Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen. Ein Vorschuss ist eine vorweggenommene Vergütungstilgung. Entsteht die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzugewähren. Wird der Vertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen (BAG 25. September 2002 - 10 AZR 7/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 103, 1).

42

dd) Eine hiervon abweichende und damit die uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB eröffnende Wirkung erhält Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen nicht dadurch, dass der Beklagte durch die Gewährung von Vorschüssen in einer seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigenden Weise an den Kläger gebunden würde(vgl. zu einer Vereinbarung, nach der ein Handelsvertreter dem Unternehmer Schulungskosten anteilig zu erstatten hat BAG 24. Oktober 2002 - 6 AZR 632/00 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 103, 180; zur Bindung eines Arbeitnehmers durch eine Sonderzahlung BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).

43

Mit seiner „Aufbauhilfe“ bindet der Kläger den Beklagten zwar insofern an sich, als bei Vertragsschluss damit zu rechnen war, der Beklagte werde als in der Versicherungsbranche Unerfahrener in der Anfangsphase seiner Tätigkeit die Vorschüsse nicht sogleich in voller Höhe ins Verdienen bringen können und sich zunächst bei dem Kläger „verschulden“. Die Vorschüsse lagen aber primär im Interesse des Beklagten, der sie nach Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen beanspruchen konnte, aber nicht musste. Sie gewährleisteten ihm in der Anfangsphase des Vertragsverhältnisses kontinuierliche Einnahmen unabhängig vom Erfolg seiner Vermittlungstätigkeit. Außerdem waren sie zeitlich auf ein Jahr und in der Höhe auf max. 15.500,00 Euro begrenzt. Schließlich mussten die Vorschüsse, sofern sie nicht ins Verdienen gebracht wurden, bei einer Kündigung des Versicherungsvertreters nicht sofort in voller Höhe, sondern in zwölf gleichen Monatsraten zurückgezahlt werden.

44

2. Die Vergütung eines freien Versicherungsvertreters nur auf der von § 92 Abs. 3 HGB vorgesehenen Provisionsbasis ohne Gewährung eines - wie auch immer gearteten - Garantieeinkommens(Ziff. 4 Vertretervertrag) ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden. Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, unterliegen nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Der eingeschränkten Kontrolle auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 in Verb. mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hält die Vergütungsvereinbarung Stand. Ziff. 4 Vertretervertrag regelt klar und verständlich, dass die vereinbarte Provision das volle Entgelt für die Tätigkeit des Beklagten darstellt.

45

3. Die Höhe der nicht ins Verdienen gebrachten Provisionsvorschüsse ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2, § 291 BGB.

46

III. Die Widerklage ist unbegründet.

47

Der Beklagte kann eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB nicht beanspruchen. Die Höhe der Vergütung ist bestimmt durch die Vergütungsvereinbarung in Ziff. 4 Vertretervertrag. Dass die dort in Bezug genommenen Provisionsbestimmungen unwirksam wären, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

48

IV. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.


        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    Wolf    
                 

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Oktober 2009 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 3075,68 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.10.2009. In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der Arbeitslosen- sowie sozialen Pflegeversicherung, die die Beklagte nach einer Betriebsprüfung unter Nachforderung der Beiträge festgestellt hatte. Von der gesamten Beitragsforderung entfielen auf die Beigeladene zu 1., die bei der KIägerin Reinigungsarbeiten verrichtet, 3075,68 Euro.

2

Die Beschwerde ist unzulässig, denn die Klägerin hat in ihrer Begründung keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet. Die Beschwerde ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

4

Die Behauptung inhaltlicher Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.

5

1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Diese lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN, stRspr; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

           

a) Die Klägerin hält insgesamt drei Fragen für klärungsbedürftig, wobei sie die erste Frage zusätzlich untergliedert. Diese lautet:

        

"a. Ist bereits bei jeder privaten Nutzungsmöglichkeit eines für die Tätigkeit angeschafften Gegenstandes ein Kapitalrisiko (Unternehmerrisiko) zu verneinen? und b. Führt ein sonach verneintes Kapitalrisiko zum Wegfall oder Unbeachtlichkeit einer ansonsten nach den weiteren Kriterien bejahten selbständigen Tätigkeit? sowie mit dem amtlichen Leitsatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil verallgemeinert, c. Kann eine Reinigungskraft abhängig beschäftigt sein, auch wenn die Arbeitszeit weitgehend frei ist und keine näheren Weisungen bestehen und sie sich auch von ihrer Tochter vertreten lassen kann?"

7

Der Senat kann offen lassen, ob mit diesen Fragen jeweils für sich oder insgesamt überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert worden ist, denn jedenfalls ist ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt. So ist bereits nicht zu erkennen, welche der Ausführungen unter Ziff (II.) A. I. 1. bis 3. der Beschwerdeschrift sich auf welche der vorgenannten Fragestellungen beziehen.

8

(1) Die Klärungsfähigkeit der zu a. und b. formulierten Teilfragen ist bereits deshalb nicht ordnungsgemäß dargelegt, weil die Klägerin nicht verdeutlicht, weshalb sich der Senat im Rahmen des Revisionsverfahrens über den konkreten Fall hinaus zu "jeder privaten Nutzungsmöglichkeit eines für die Tätigkeit angeschafften Gegenstandes" und den Folgen der hierauf gestützten Verneinung eines Kapitalrisikos in jeder hierzu denkbaren Konstellation würde äußern müssen. So ist die konkrete Fragestellung rein hypothetisch, denn die Klägerin stellt ihre Frage unter die Prämisse, dass außer einem Kapitalrisiko alle weiteren Kriterien einer selbständigen Tätigkeit bejaht werden. Wie sie in der Beschwerdeschrift unter Ziff (I.) 4. jedoch selbst zutreffend ausführt, hat das LSG neben dem Fehlen eines relevanten Unternehmerrisikos ua auch das Fehlen anderer Auftraggeber, eine gewisse örtliche und zeitliche Eingliederung sowie eine Einweisung zu Beginn der Tätigkeit und deren Fortführung in einem Arbeitsverhältnis als relevante Kriterien gegen eine selbständige Tätigkeit gewertet.

9

Gleichzeitig fehlen auch ausreichende Darlegungen dazu, ob und wie sich durch die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen im Sinne der Klägerin die Gewichtung innerhalb der vom LSG vorgenommenen Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls zu ihren Gunsten verändern würde. Allein die Behauptung, bei Verneinen der Frage sei das Urteil des LSG aufzuheben und durch Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils der angefochtene Bescheid aufzuheben (Ziff (II.) A. I. 1. der Beschwerdebegründung), genügt hierzu nicht. Die Darlegungen wären selbst dann nicht ausreichend, wenn sich auch die Ausführungen zur Gesamtwürdigung des LSG unter Ziff (II.) A. I. 2. neben der Teilfrage b. auch auf die Teilfrage zu a. bezögen, denn diese unterstellen, dass mit der vom LSG verneinten Annahme einer Kapitalgefahr zugleich ein (abwägungs-)relevantes Unternehmerrisiko einherginge, das zu einem anderen Ergebnis der Gesamtwürdigung führen müsste. Die Klägerin übersieht dabei jedoch, dass nach ihren Ausführungen zum Inhalt des Urteils des LSG unter Ziff (I.) 4. der Beschwerdebegründung das LSG das entscheidende Indiz in der späteren Fortführung der umstrittenen "Honorartätigkeit" in einem Arbeitsverhältnis gesehen hat.

10

Zugleich fehlt es an der ordnungsgemäßen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der zu a. und b. formulierten Teilfragen. Die Klärungsbedürftigkeit der zu a. formulierten Teilfrage leitet die Klägerin daraus ab, dass es zu dieser Rechtsfrage bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe und sich aus der bisherigen Rechtsprechung auch keine Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage ziehen ließen. Die Klägerin verkennt jedoch mit der konkreten Formulierung der Frage, dass nach der Rechtsprechung des Senats das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen ist (zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 45), obwohl auch sie dies unter Bezug auf ein Urteil des Senats vom 18.12.2001 (SozR 3-2400 § 7 Nr 20) an anderer Stelle ausführt. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung nicht wesentlich bestimmt (Urteil vom 19.1.1968 - 3 RK 101/64 - USK 6801). Außerdem hat es in einer weiteren Entscheidung die Indizwirkung der Nutzung eines privaten PKW als "Betriebsmittel" im Rahmen der zur beurteilenden Tätigkeit von weiteren Umständen abhängig gemacht (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1). Bezüglich der zu b. formulierten Teilfrage setzt sich die Klägerin nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des BSG auseinander, wonach das Bestehen eines Unternehmerrisikos nicht schlechthin entscheidend, sondern nur im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG Urteil vom 15.3.1979 - 2 RU 80/78; BSGE 51, 164, 170 = SozR 2400 § 2 Nr 16 S 23; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; vgl auch BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30). Mit den Folgerungen aus dieser Rechtsprechung für die von ihr aufgeworfenen Fragestellungen hätte sich die Klägerin auseinandersetzen müssen. Da sie dies nicht getan hat, ist die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dargelegt.

11

(2) Die von der Klägerin zu c. formulierte Fragestellung zielt - auch soweit sie die vorstehenden Teilfragen zusammenfassen soll - bereits nicht auf die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf eine Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalls. Dementsprechend wendet sich die Klägerin mit ihren Ausführungen unter Ziff (II.) A. I. 3. im Wesentlichen gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des LSG, insbesondere gegen dessen Würdigung der bezüglich des von der Beigeladenen zu 1. beschafften Staubsaugers. Die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage kann hierdurch nicht dargelegt werden.

12

           

b) Als zweites hält die Klägerin folgende Frage für klärungsbedürftig:

        

"Reicht es bei einfachen (Reinigungs-)Tätigkeiten aus, allein durch organisatorische Anordnungen ohne konkrete Weisungen zum Ablauf der Tätigkeit, den mit der Tätigkeit Beschäftigten in eine fremde Arbeitsorganisation einzugliedern?".

13

Damit hat sie bereits keine Rechtsfrage mit dem Ziel einer Klärung des Anwendungsbereichs und Inhalts einer revisiblen Rechtsnorm gestellt, denn die Fragestellung bezieht sich allein auf den gerade nicht relevanten konkreten Subsumtionsvorgang im Einzelfall. Der Sache nach stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage als Tatsachenfrage dar bzw behauptet sie die inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Berufungsentscheidung. So entwickelt die Klägerin ihre Frage aus vorangestellten Ausführungen zu den ihrer Meinung nach fehlerhaften Tatsachenfeststellungen durch das LSG. Zwar benennt sie dann unter Ziff (II.) A. II. 2. der Beschwerdebegründung neben einem Urteil des Senats (SozR 2200 § 165 Nr 45) ein nur mit dem Stichwort "Stromableserfall" bezeichnetes, fälschlich dem Senat zugeschriebenes Urteil des BFH (BFHE 169, 154), jedoch nur um daraus einen Obersatz abzuleiten und anschließend unter Ziff (II.) A. II. 3. darzulegen, dass die - nach Meinung der Klägerin auch insoweit auf teilweise falsche Tatsachenfeststellungen gestützte - Subsumtion des LSG hierunter fehlerhaft sei.

14

Aber selbst wenn man die von der Klägerin formulierte Frage mit Rücksicht auf ihre Ausführungen unter Ziff (II.) A. II. 1. und 4. als Rechtsfrage ansehen wollte, wären weder Klärungsfähigkeit noch Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß dargelegt. Die Ausführungen zur Klärungsfähigkeit beschränken sich auf die unzureichende Behauptung, die formulierte Frage sei "für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich". Die Klägerin hätte aber ua darlegen müssen, weshalb sich der Senat im Rahmen des Revisionsverfahrens neben der von der Klägerin ausgeübten Reinigungstätigkeit allgemein zu einfachen Tätigkeiten äußern müsste. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur "Verfeinerung" des Weisungsrechts bei "funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess" insbesondere - aber nicht ausschließlich - bei Diensten höherer Art (zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN) oder zur Bewertung eines eingeschränkten Weisungsrechts bei anderen Tätigkeiten (vgl zB BSG SozR Nr 8 und Nr 16 zu § 165 RVO; Urteil vom 15.3.1979 - 2 RU 80/78; Urteil vom 27.11.1980 - 8a RU 74/79).

15

           

c) Drittens formuliert die Klägerin die Frage,

        

"Stellt die ständige Mithilfe eines Dritten i.V.m. einer generellen Delegationsbefugnis der Arbeitskraft, von der gelegentlich vollständig Gebrauch gemacht wurde, ein indizielles Merkmal für die selbständige Tätigkeit dar?".

16

Auch diese Frage bezieht sich ausweislich der an den besonderen Umständen des vorliegenden Falles orientierten Formulierung auf den nicht relevanten konkreten Subsumtionsvorgang im Einzelfall. So wendet sich die Klägerin auch hier zunächst gegen die Tatsachenfeststellungen des LSG, um dann unter Ziff (II.) A. III. 2. dessen Bewertung der Umstände des Einzelfalls an der eigenen Beurteilung der Rechtslage zu messen.

17

Soweit sich die Fragestellung generell auf die Bedeutung einer Delegationsbefugnis für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bezieht und insoweit über den Einzelfall hinausweist, sind Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt. Die Klägerin hat insbesondere nicht deutlich gemacht, warum diese Frage nicht bereits durch die zum Teil auch vom LSG zitierte Rechtsprechung des BSG (zB SozR Nr 36 zu § 165 RVO; Urteil vom 19.1.1968 - 3 RK 101/64 - USK 6801; SozR 4-2700 § 2 Nr 1) und die von ihr selbst unter dem Stichwort "Stromableserfall" angeführte Rechtsprechung des BFH (BFHE 169, 154) geklärt ist. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist, oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Die Klägerin hat diesbezüglich jedoch nichts vorgetragen. Die Ausführungen zur Klärungsfähigkeit beschränken sich auch hier im Kern auf die ungenügende Behauptung, die Frage sei entscheidungserheblich.

18

2. Darüber hinaus erhebt die Klägerin die Divergenzrüge. Insoweit mangelt es bereits an ausreichenden Darlegungen dazu, dass das Urteil des LSG auf der behaupteten Abweichung beruht. Zwar behauptet die Klägerin jeweils pauschal, ohne die gerügten Abweichungen hätte das LSG im Rahmen seiner Gesamtabwägung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen, jedoch unterbleibt die erforderliche Auseinandersetzung mit der Gewichtung dieser Merkmale durch das LSG im Einzelfall. Aber auch eine Divergenz als solche wird nicht in der erforderlichen Art und Weise aufgezeigt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die eines der mit der Norm benannten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

19

a) Soweit die Klägerin eine Abweichung von einer als "Stromableserfall" benannten Entscheidung rügt, kann der Senat offen lassen, ob diese Entscheidung hinreichend bezeichnet ist.So ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29) in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, so zu bezeichnen, dass sie ohne große Schwierigkeiten auffindbar ist (Datum, Aktenzeichen oder Fundstelle). Vorliegend hat die Klägerin weder Entscheidungsdatum und Aktenzeichen noch eine Fundstelle in einer amtlichen Sammlung oder anderen in Fachkreisen allgemein verbreiteten Publikationen angegeben, sondern nur die genaue Fundstelle auf einer Internet-Seite, die jedoch erst nach einer Registrierung aufgerufen werden kann. Dem Erfordernis einer Auffindbarkeit ohne große Schwierigkeiten dürfte hierdurch nicht genügt worden sein. Selbst wenn man unter Hintanstellung von Bedenken in Bezug auf die häufig zeitlich stark begrenzte Verfügbarkeit von Internet-Inhalten eine Entscheidungsbezeichnung durch präzise Angabe einer Fundstelle im Internet genügen lassen wollte, wird zu verlangen sein, dass es sich dabei um eine frei zugängliche Quelle handelt, die nicht die Preisgabe von Daten des Nutzers erfordert.

20

Unabhängig von dieser Frage, kann eine Divergenzrüge bereits aus anderen Gründen nicht auf eine Abweichung vom "Stromableserfall" gestützt werden. Denn nach den an anderer Stelle gemachten Ausführungen der Klägerin zum Inhalt dieser Entscheidung bezieht sie sich auf ein - fälschlich dem Senat zugeschriebenes - Urteil des BFH vom 24.7.1992 (VI R 126/88 - BFHE 169, 154). Jedoch begründen Abweichungen von Entscheidungen des BFH nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG keine Divergenz iS dieser Norm.

21

b) Ferner rügt die Klägerin eine Abweichung des LSG von der Entscheidung des Senats vom 27.3.1980 (SozR 2200 § 165 Nr 45). Sie legt jedoch nicht dar, welchen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz das LSG selbst aufgestellt haben soll. Vielmehr wendet sie sich dagegen, dass das LSG mit seiner Entscheidung den dem BSG zugeschriebenen Rechtssatz "aufweiche", indem es bereits aufgrund einer Einweisung zu Beginn einer einfachen Tätigkeit Weisungsfreiheit im Rahmen der streitigen Tätigkeit verneint habe. Allein auf eine behauptete unzutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall kann jedoch auch eine Zulassung wegen Divergenz nicht gestützt werden.

22

c) Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, der Senat habe im Urteil vom 25.9.1981 (SozR 2200 § 165 Nr 61) den Rechtssatz aufgestellt, "daß lose an den Betrieb angebundene Tätigkeit nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in dem Betrieb eines Arbeitgebers voll eingegliederten Arbeitnehmers entspricht." Die Klägerin bezieht sich damit zwar auf Inhalte einer abweichungsfähigen Entscheidung, die sie jedoch fehlerhaft zitiert. Zutreffend lautet die entsprechende Passage: "Im übrigen entspricht eine das Lehrangebot der Hochschule lediglich ergänzende und nur lose an den Universitätsbetrieb angebundene Lehrbeauftragtentätigkeit nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in dem Betrieb eines Arbeitgebers voll eingegliederten Arbeitnehmers, wie ihn die Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 29. März 1962 - 3 RK 74/57 -, SozR Nr 30 zu § 165 RVO = BSGE 16, 289, 295) für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung im allgemeinen fordert." Diese Aussage bezieht sich also speziell auf Lehrbeauftragte an Universitäten, deren Stellung den Gegenstand der zitierten Entscheidung bildete. Der von der Klägerin durch die verkürzte Wiedergabe behauptete Rechtssatz ist in der Entscheidung nicht enthalten, so dass das LSG hiervon auch nicht abweichen konnte.

23

d) Abschließend rügt die Klägerin, das LSG sei von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, denn dieser habe ausgeführt, "daß der im Vertrag dokumentierte Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, jedenfalls dann indizielle Bedeutung zukommt, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird" (Urteil des Senats vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45). Abweichend habe das LSG festgestellt, "daß die Motive beim Vertragsschluß bereits dann unberücksichtigt bleiben müßten, wenn der wahre Wille der Beteiligten dem schriftlich Niedergelegten ganz allgemein nicht voll entsprechen mußte." Dass sich diese Aussagen unvereinbar gegenüberstehen, hat die Klägerin weder nachvollziehbar dargelegt noch ist dies offensichtlich. Zudem enthält das Urteil des LSG keinen solchen Rechtssatz. Die entsprechende Passage lautet vollständig: "Ob und welche Motive die Vertragsbeteiligten beim Abschluss des Honorarvertrages vom 7. Oktober 2002 gehabt haben mögen, ist für diese Einschätzung zweitrangig. Obwohl nämlich nach dem schriftlichen Vertrag in § 5 Abs. 2 der Beigeladene zu 1) einen Ersatz der ihr entstandenen Auslagen zugestanden hätte, erhielt sie die ganze Zeit keinen Auslagenersatz, obgleich der Vertrag in § 8 sogar für Änderungen die Schriftform voraussah und eine formlose Änderung dieser Formvorschrift nicht möglich sein sollte. Dies erlaubt den Schluss, dass der wahre Willen der Beteiligten dem schriftlich Niedergelegten ganz allgemein nicht voll entsprechen musste." Es handelt sich also um einen aus den besonderen Umständen des Einzelfalls gezogenen Schluss des LSG auf den Wert des genannten Honorarvertrages für die Feststellung des wahren Willens der Beteiligten in diesem Fall. Eine für die Darlegung einer Divergenz erforderliche abstrakte rechtliche Aussage mit Geltungsanspruch über den Einzelfall hinaus wird hier durch das LSG gerade nicht getroffen.

24

3. Soweit die Klägerin eingangs der Begründungsschrift auch die Verfahrensrüge (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)erhebt, wird dies in der Folge nur im Rahmen der Darlegungen zu den Voraussetzungen der weiteren Zulassungsgründe ausgeführt. Für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) müssen aber die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

25

Dies hat die Klägerin nicht in der gebotenen Weise getan. So rügt die Klägerin ua, dass das LSG verfahrensfehlerhaft im Urteil eine nicht frei bestimmbare Arbeitszeit festgestellt habe, obwohl es schriftsätzliche Beweisanträge zum Beweis, dass "die Beigeladene ihre Arbeitszeit außerhalb der Kernarbeitszeit frei bestimmen und auch am Wochenende arbeiten konnte", ausdrücklich als wahr unterstellt habe (Ziff (II.) A. II. der Beschwerdebegründung, dort zweiter Absatz). Damit benennt die Klägerin jedoch keinen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Vielmehr greift sie ausschließlich die rechtliche Würdigung des LSG an, soweit dieses trotz der als wahr unterstellten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangt, der Rechtsbegriff einer "freien Arbeitszeiteinteilung", wie er der Prüfung der Versicherungspflicht zugrunde zu legen ist, werde vorliegend nicht erfüllt. Eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts ist aber auch im Rahmen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen.

26

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

28

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG auf 3075,68 Euro festzusetzen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 877,06 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Familienhelferin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag und ob das klagende Land Berlin für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.

2

Die Beigeladene zu 1. ist Diplompädagogin und Diplompsychologin. Sie war von Juli 1995 bis 31.12.1999 als Familienhelferin für den Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe tätig, indem sie jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufsuchte und diese dort vor Ort unterstützte; ab 1.1.2000 setzte die Beigeladene zu 1. die Tätigkeit für den Kläger als (abhängig) Beschäftigte eines freien Jugendhilfeträgers fort. Der Kläger legte für die von ihm bis 31.12.1999 als selbstständig angesehene Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. - wie in ähnlichen anderen Fällen auch - einen "Helfervorgang" mit ihren persönlichen Daten auf einem "Personenblatt" mit Nachweisen ihrer bisherigen Ausbildung und Tätigkeiten, Lebenslauf und Führungszeugnis an. Zu der Tätigkeit der Beigeladene zu 1. kam es jeweils nach der Bewilligung von Leistungen nach §§ 27, 31 SGB VIII an die Familien durch den Kläger. Diese Leistungsbewilligung erfolgte auf der Grundlage eines durch einen beim Kläger beschäftigten Sozialarbeiter erstellten Hilfeplans, der den Einsatz einer Familienhelferin vorsah und Aufgaben und Ziele der Hilfen umschrieb. Der Bewilligungsbescheid regelte die Übernahme der Kosten für den Familienhelfereinsatz in einem bestimmten Zeitraum mit einer festgelegten Wochenstundenzahl, benannte die Beigeladene zu 1. als ausführende Person und enthielt den Hinweis, dass seitens des Klägers mit dieser direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1. erhielt Durchschriften der Bescheide und wurde in Anschreiben des Klägers zugleich darüber informiert, dass das "Familienhelfergeld" 26,40 DM je Stunde betrage; wörtlich heißt es in den Anschreiben: "Wir weisen darauf hin, dass die Familienhelfertätigkeit nicht im Rahmen von Rechtsbeziehungen zum Land Berlin ausgeübt wird, insbesondere zum Land Berlin kein Arbeitsverhältnis, freies Dienstvertrags- oder Werkvertragsverhältnis begründet wird". Die Beigeladene zu 1. war berechtigt, die Übernahme einer Betreuung abzulehnen. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1. dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterzeichnen waren. Der Kläger gewährte der Beigeladenen zu 1. neben der beschriebenen Vergütung "Urlaubsabgeltung" sowie laufende monatliche Zuschüsse zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %". Die Beigeladene zu 1. arbeitete pro Betreuungsfall maximal 14 Stunden wöchentlich neben einer Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin; teilweise betreute sie gleichzeitig zwei oder mehrere Familien. Darüber, ob die Hilfebedürftigkeit iS des Jugendhilferechts fortbestand, informierte sie den Kläger in Gesprächen und erstellte Berichte über ihre Tätigkeit.

3

Im Mai 1999 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung, ob sie in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte stellte daraufhin - nach einem vorangegangenen anderen Rechtsstreit - gegenüber dem Kläger fest, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin vom 1.12.1995 bis 31.12.1999 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe, und forderte vom Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18 877,06 Euro (Bescheid vom 27.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 14.3.2005).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 24.1.2007). Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Zwar sprächen für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum das fehlende Unternehmerrisiko, das stundenweise gezahlte, in Bezug auf seine Höhe vom Kläger vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung und die Abgeltung von Urlaub; es überwögen jedoch - bei gleichzeitigem Vorliegen einiger "neutraler" Gesichtspunkte - die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale. Diese Merkmale seien der Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit und ihre fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. So sei die Beigeladene zu 1. nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten. Auch habe sie im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Dass dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung für die von ihm zu erbringenden Leistungen nach dem SGB VIII oblegen habe, lasse keine Rückschlüsse auf eine Tätigkeit der von ihm eingesetzten Personen als Arbeitnehmer zu (Urteil vom 22.9.2010).

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III sowie sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Die Gesamtschau aller Umstände ergebe hier, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für den Kläger beschäftigt und damit versicherungspflichtig gewesen sei. Dafür sprächen neben der Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung, der Abgeltung von Urlaub und einem fehlenden Unternehmerrisiko vor allem die Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Klägers, die aus der Wahrnehmung der ihm obliegenden gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Jugendhilferechts, insbesondere seiner Verantwortung nach § 79 Abs 1 SGB VIII und nach § 36 Abs 2 SGB VIII, folge. Zum Ausschluss von Haftungsrisiken habe er die Tätigkeit sowie die Aus- und Fortbildung der von ihm eingesetzten Familienhelfer weitgehend selbst zu kontrollieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Verknüpfung von Kontakt- und Berichtspflichten ermögliche eine ständige, die freie Gestaltung der Tätigkeit einschränkende Überwachung der Familienhelfer durch den zuständigen Sozialarbeiter. Das Weisungsrecht des Klägers dokumentiere sich in erstellten und fortgeschriebenen Hilfeplänen, in Rücksprachen sowie in den Berichtspflichten der Beigeladenen zu 1.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zuschüsse zur Krankenversicherung seien bis zum Ende des Jahres 2003 freien Mitarbeitern, die den Status arbeitnehmerähnlicher Personen gehabt hätten und als sozial schutzbedürftig angesehen worden seien, ohne rechtliche Verpflichtung als freiwillige Leistung gezahlt worden. Aus dem primär auf den Hilfeempfänger bezogenen und für die öffentlich-rechtliche Bewilligung erforderlichen Hilfeplanverfahren könne ein für eine Beschäftigung sprechendes Weisungsrecht nicht hergeleitet werden.

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Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

10

Der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 hinsichtlich der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

11

Er schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. Ergänzend führt er aus, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung gemäß § 79 SGB VIII und in Erfüllung seines Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und nachgeordneten Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten. Deshalb könnten diese Tätigkeiten der Familienhilfe - wie sie auch durch die Beigeladene zu 1. erfolgt seien - nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden.

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Die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellen keinen Antrag. Sie schließen sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

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Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig gewesen sei und der Kläger für sie deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Die - aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. gewonnene - Beurteilung des LSG, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte deren Versicherungspflicht als Beschäftigte zu Recht festgestellt und die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

15

1. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.

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In den Jahren 1995 bis 1999, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 168 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw § 25 Abs 1 S 1 SGB III, jeweils in den seinerzeit maßgebenden Gesetzesfassungen). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 -B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f; jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).Das kann bei manchen Tätigkeiten - zB in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17 ; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN).

17

2. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu unter b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).

18

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit einer Familienhelferin - wie von der Beigeladenen zu 1. ausgeübt - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.

19

Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 -, BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage zu dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.

20

Die Regelung des § 8a SGB VIII konnte entgegen der Auffassung der Beklagten hier bereits deshalb keine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. begründen, weil sie erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt wurde und damit im hier streitigen Zeitraum bis Ende 1999 noch nicht galt. Hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 3. benannten Vorschriften des Berliner Landesrechts kann offenbleiben, ob ihnen entsprechende Weisungsrechte zu entnehmen waren, weil diese ebenfalls erst nach 1999 in Kraft traten.

21

Ob - wie die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. und 4. meinen - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in seiner Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.

22

b) Das LSG hat die unter 1. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff).

23

Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und dann eine Gesamtbetrachtung der Indizien vorgenommen. Es hat vor allem das fehlende Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 mwN), das stundenweise gezahlte, vom Kläger der Höhe nach vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung sowie die Abgeltung von Urlaub als für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechende Umstände gewertet und diesen Umständen einige von ihm als "neutral" eingestufte bzw für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte (Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen - bei als "befremdlich" erscheinendem Hinweis, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen Kläger und Beigeladener zu 1. bestünden -, zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit, fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers) gegenübergestellt. Als maßgebend für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung hat es das Fehlen der Ausübung eines "ins Einzelne gehenden Weisungsrechts" angesehen, gleichwohl aber andererseits die "weitgehende Freiheit von arbeitsbezogenen Weisungen" - ähnlich der Sachlage bei Diensten höherer Art - (wiederum) nicht als Beleg für Selbstständigkeit eingestuft. Die Beigeladene zu 1. sei nicht in einer Art und Weise in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen, die auf eine Beschäftigung hindeute, weil sie nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten sei. Die Beigeladene zu 1. habe auch im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine indizielle Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.

24

c) Das Urteil des LSG kann allerdings trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ansatzes keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladene zu 1. sei als Familienhelferin für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.

25

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 1. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).

26

Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.

27

So hätte zunächst genauer ermittelt und gewürdigt werden müssen, unter welchen rechtlichen Vorgaben Familienhelfer im Land Berlin in der streitigen Zeit bis Ende 1999 überhaupt tätig wurden und wie das Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu 1., die gegen eine stundenweise, vom Kläger festgesetzte Vergütung arbeitete, in diesem Zusammenhang nach der im Land Berlin üblichen Praxis einzuordnen ist. Nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten könnten gewichtige Anhaltspunkte bestehen, die deutlicher als vom LSG angenommen für eine Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechen und im Rahmen der Gesamtschau überwiegen könnten. Das LSG durfte es nicht dabei belassen, dass Vorgaben über die Ausgestaltung der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger "nicht zu finden" seien und dass die Feststellung, es bestünden "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., "befremdlich" erscheine, und nicht schon darauf seine Abwägung aufbauen. Dies rechtfertigt es, ein relevantes Abwägungsdefizit zu bejahen. Obwohl der vom LSG festgestellte Inhalt der vorhandenen Unterlagen den Schluss zulässt, dass Selbstständigkeit gewollt war, könnte den weiteren Umständen der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. gleichwohl zu entnehmen sein, dass diese abweichend hiervon als Beschäftigte tätig werden sollte und tatsächlich auch in dieser Weise tätig wurde. So sollte - wie bereits beschrieben - auf der einen Seite der einzelne Einsatz als Familienhelferin und dessen Durchführung allein mittelbar im Bewilligungsbescheid des Jugendamtes gegenüber der leistungsberechtigten Familie seine Grundlage haben und sollten sogar "keinerlei Rechtsbeziehungen zum Land Berlin" begründet und Arbeitnehmerrechte (insbesondere auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen) nicht gewährt werden. Im Gegensatz dazu steht die Gewährung typischer Arbeitnehmerleistungen des Klägers an die Beigeladene zu 1. ("Urlaubsabgeltung", was gedanklich einen eingeräumten Urlaubsanspruch voraussetzt; laufende gewährte Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %"). Allerdings wäre insoweit ebenso zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch arbeitnehmerähnlichen Personen zustehen kann, was der Senat in der Vergangenheit als Indiz für Selbstständigkeit angesehen hat (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25, Juris RdNr 25). Zu den Einzelheiten der praktischen Gestaltung der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. fehlen die erforderlichen Feststellungen.

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Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelferin, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechen.

29

Hinzu kommen im vorliegenden Fall Hinweise auf ein gänzlich fehlendes rechtlich relevantes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Unter diesem Blickwinkel könnten sich Zweifel an der Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. ergeben, falls sich nach Ermittlungen herausstellen sollte, dass die Arbeitsstunden-Vergütung mit 26,40 DM brutto betragsmäßig im Bereich dessen lag, was einer Familienhelferin im Jugendhilfebereich mit der Qualifikation der Beigeladenen zu 1. als Angestellte tariflich oder einzelvertraglich als Vergütung zustand. Aufgeklärt werden müsste auch, ob die Beigeladene zu 1. in einer für Arbeitnehmer allerdings eher untypischen Weise ihre einzelnen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen konnte und vom Kläger ggf aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Familien "zugeteilt" werden konnte (vgl zu diesen Gesichtspunkten BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 27). Vor diesem Hintergrund bleibt bislang offen, ob überhaupt typische Risiken, aber auch höhere Chancen einer vermeintlichen Selbstständigkeit bestanden.

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Schließlich ergibt sich auch in Bezug auf weitere Abgrenzungsmerkmale Anlass zu einer näheren Betrachtung der Umstände, unter denen die Beigeladene zu 1. tätig wurde. Das LSG hat größere Entscheidungsspielräume der Beigeladenen zu 1., insbesondere eine im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmbare und von Kontrollen des Klägers weitgehend freie Arbeitsleistung, als letztlich entscheidend für die Selbstständigkeit angesehen. Insoweit fehlt es an einem Vergleich mit den Spielräumen, die einer in - ggf befristeten oder projektbezogenen - (Teilzeit-)Beschäftigung erwerbstätigen Familienhelferin für deren Tätigkeit eingeräumt waren. Da das LSG insoweit selbst davon ausgeht, bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folgten größere Spielräume, kann ein für die Tätigkeit bestehender Spielraum, der in gleicher Weise für eine angestellte, Familien vor Ort betreuende Familienhelferin besteht, kein maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung selbstständiger Tätigkeit von Beschäftigung sein. Vielmehr ist hierzu zu ermitteln, welche wesentlichen, gerade einer Selbstständigkeit das Gepräge gebenden Freiräume für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bestanden, die einer im öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger beschäftigten Familienhelferin (als solche war die Beigeladene zu 1. ab dem Jahr 2000 für den Kläger eingesetzt) im streitigen Zeitraum nicht zustanden. Insoweit bietet es sich an, auch der Frage nachzugehen, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und/oder Vertretungsregelungen bestanden. Diese nach entsprechenden Ermittlungen vorzunehmende Vergleichsbetrachtung ist dann in die erforderliche Gesamtabwägung einzustellen.

31

d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladene zu 1. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelferin in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig war. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen zu 1. - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.

32

3. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

33

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahrens war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG für das Berufungsverfahren festgesetzten, der streitigen Beitragsforderung entsprechenden Betrages von 18 877,06 Euro festzusetzen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.08.2014 – 1 Ca 10174/13 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als selbstständiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) unterlag.

2

Der Kläger beantragte am 2.2.2005 bei der beklagten Deutsche Rentenversicherung Bund die Beitragszahlung für eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen RV als selbstständig Tätiger für seine ab Oktober 2004 ausgeübte Tätigkeit als "Honorardozent" beim "B." (im Folgenden: BNW). Die Beklagte stellte - nach ergänzenden Angaben des Klägers in einem Fragebogen vom 1.11.2005 - die Versicherungspflicht entsprechend fest und erhob ab Oktober 2004 Pflichtbeiträge. Der Kläger verrichtete die für diesen Bildungsträger bis dahin wie auch in den Folgejahren ausgeübte Tätigkeit nicht durchgehend, sondern nur während bestimmter Zeiträume (5.10. bis 23.12.2004, 10.1. bis 23.6.2005, 1.9. bis 21.12.2005, 6.2. bis 12.4.2006, 27.4. bis 13.7.2006, 4.10. bis 20.12.2006 und 8.1. bis 2.6.2007). In den jeweiligen Zwischenzeiträumen meldete er sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg).

3

Am 4.6.2007 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und bezog wiederum Alg. Mit Schreiben vom 6.7.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 3.6.2007 arbeitslos gemeldet sei und daher die Beitragszahlung zur RV vorerst einstelle. Bei neuerlicher Aufnahme der Dozententätigkeit - "voraussichtlich im August/September" - wolle er sie informieren und auf Anforderung die Zahlungen wieder aufnehmen. Mit Bescheid vom 1.8.2007 und Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 setzte die Beklagte die Höhe der RV-Beiträge ab 1.1.2007 nach dem halben Regelbeitrag fest und forderte von dem Kläger ua Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2007. Im Übrigen lehnte sie "eine Unterbrechung der Beitragszahlung aufgrund einer zeitweisen Nichtausübung der Lehrtätigkeit" ab.

4

Das SG hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben und die Bescheide der Beklagten aufgehoben, soweit darin RV-Beiträge für die Zeit vom 4.6. bis 30.9.2007 geltend gemacht wurden (Urteil vom 18.12.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die selbstständige Tätigkeit des Klägers und die hieraus folgende Versicherungspflicht seien in den Monaten Juni bis September 2007 unterbrochen gewesen, weil er in diesem Zeitraum nicht tätig gewesen sei. Im Rahmen der Abgrenzung eines - die Versicherungspflicht unberührt lassenden - vorübergehenden, kurzfristigen Entfallens der Arbeitsleistung von einer zum Wegfall der Versicherungspflicht führenden Unterbrechung sei neben der Länge bzw der Dauer der Unterbrechung (objektives Kriterium) auch der Wille des Versicherten zu berücksichtigen, nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes seine Tätigkeit fortzusetzen (subjektives Kriterium). Für eine der Versicherungspflicht entgegenstehende Unterbrechung spreche hier bereits der Zeitraum von vier Monaten. Er überschreite deutlich den Zeitrahmen von einem Monat, während dessen - unter Berücksichtigung der Regelung in § 7 Abs 3 S 1 SGB IV - angenommen werden könne, dass eine Nichtausübung der Tätigkeit die Versicherungspflicht unberührt lasse. Auch habe der Kläger nicht den Willen gehabt, im streitigen Zeitraum die Tätigkeit auszuüben, wie seine Arbeitslosmeldung und seine Mitteilung an die Beklagte vom 6.7.2007 dokumentierten. Dass er seine Tätigkeit nicht endgültig habe aufgeben wollen, stehe zwar einer Beendigung der Versicherungspflicht entgegen, nicht aber der Annahme einer (für die Versicherungspflicht schädlichen) Unterbrechung. Die rechtliche Möglichkeit einer Mehrfachversicherung aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit und zugleich aufgrund des Bezugs von Alg schließe nicht aus, dass in dem fraglichen Zeitraum eine Unterbrechung der Tätigkeit vorgelegen habe. § 58 Abs 2 S 1 SGB VI sehe die Unterbrechung der versicherten Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit auch durch Anrechnungszeiten nach Abs 1 S 1 Nr 3 der Vorschrift vor und beziehe damit die Arbeitslosigkeit bei Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen ein. Das Erfordernis, ggf rückschauend das Versicherungsverhältnis bewerten zu müssen, widerspreche dem nicht (Urteil vom 15.12.2011).

5

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung von § 2 S 1 Nr 1 SGB VI durch das LSG. Die Regelung sehe die Möglichkeit der Unterbrechung der Versicherungspflicht nicht vor. Aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Regelungen in § 58 Abs 2 SGB VI und § 7 Abs 3 S 1 SGB IV lasse sich in diesem Zusammenhang nichts herleiten. Der Kläger habe auch in der auftragslosen Zeit eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt; denn er sei im streitigen Zeitraum objektiv unverändert willens und in der Lage gewesen, weiterhin eine selbstständige Dozententätigkeit auszuüben, sofern sich ein entsprechender Auftrag ergeben hätte. Auftragslosigkeit sei typisches Risiko einer jeden selbstständigen Tätigkeit. Gleichwohl bemühe sich ein Selbstständiger auch in solchen Zeiten um weitere Aufträge oder arbeite Konzepte aus. Etwas anderes könne nur für bestimmte saisonale Tätigkeiten (zB Ski- oder Segellehrer) gelten, nicht aber für eine Dozententätigkeit. Kennzeichnend für eine Beendigung der Versicherungspflicht sei, dass der Versicherte aufgrund objektiver, nach außen hin erkennbarer Anhaltspunkte auf Dauer nicht mehr selbstständig erwerbstätig sein wolle und die Tätigkeit gänzlich einstelle bzw seine selbstständige Tätigkeit aufgrund ihrer spezifischen Art jedenfalls für eine bestimmte Zeit nicht ausüben könne. Derartige Beendigungsumstände lägen im Falle des Klägers auch mit Blick auf die Arbeitslosmeldung und den Alg-Bezug nicht vor. Demzufolge habe er im streitigen Zeitraum trotz der RV-Pflicht aufgrund des Alg-Bezugs gemäß § 3 S 1 Nr 3 SGB VI auch der - streitigen - fortbestehenden Versicherungspflicht als Selbstständiger nach § 2 SGB VI unterlegen.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Aurich vom 18. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt die angefochtenen Urteile.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat kann über die Revision der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger im streitigen Zeitraum vom 4.6. bis 30.9.2007 als selbstständiger Lehrer iS von § 2 S 1 Nr 1 SGB VI "tätig" war und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV unterlag. Die vom LSG - welches dies verneint hat - festgestellten Umstände reichen nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Kläger zwischen dem Ablauf seines letzten - vom 8.1. bis 2.6.2007 erfolgten - Einsatzes als "Honorardozent" für das BNW und der erneuten Aufnahme einer zeitlich begrenzten Dozententätigkeit ab 4.10.2007 aus Rechtsgründen als selbstständig tätig anzusehen ist, weil auch - wie von der Beklagten zugrunde gelegt - eine durchgehende selbstständige Tätigkeit mit der Folge durchgehender RV- und Beitragspflicht in Betracht kommt.

12

1. Streitgegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 1.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007. Darin wurden für die Zeit ab 1.1.2007 - ua auch für den streitigen Zeitraum vom 4.6. bis 30.9.2007 - die Höhe der vom Kläger als nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI versicherten Selbstständigen und daher nach § 169 Nr 1 SGB VI Beitragstragungspflichtigen zu zahlenden Beiträge festgesetzt und auf dieser Grundlage ua für den Zeitraum vom 4.6 bis 31.8.2007 in näher bestimmtem Umfang Beiträge (nach)gefordert.

13

2. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Beklagte in den vorgenannten Bescheiden zu Recht die Beiträge für den streitigen Zeitraum festgestellt und zumindest bis 31.8.2007 gefordert hat. Die vom LSG getroffenen Feststellungen lassen keine zur Beendigung des Rechtsstreits führende fallbezogene rechtliche Bewertung darüber zu, ob der Kläger im streitigen Zeitraum (noch) als selbstständig tätiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV unterlag oder nicht (mehr).

14

a) Zu Recht hat das LSG im Ausgangspunkt seiner Erwägungen allerdings angenommen, dass einer möglichen Versicherungspflicht des Klägers als selbstständig tätiger Lehrer nicht schon seine im streitigen Zeitraum bestehende Versicherungspflicht als Bezieher von Alg (§ 3 S 1 Nr 3 SGB VI) als solche entgegensteht (sog Mehrfachversicherung). Denn grundsätzlich können mehrere Versicherungspflichttatbestände nebeneinander bestehen und können sich daraus auch - vorbehaltlich von (hier nicht vorliegenden) Sonderregelungen - mehrfache Beitragspflichten ergeben (stRspr, vgl allgemein zuletzt BSG SozR 4-5420 § 2 Nr 2 RdNr 20 mwN; zur Möglichkeit der Mehrfachversicherung im Rahmen des § 2 SGB VI speziell BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 9/04 R - Juris RdNr 13 mwN; sowie Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992, BT-Drucks 11/4124 S 149 Zu § 2).

15

b) Demgegenüber lässt sich aufgrund der vom LSG - von seinem eigenen rechtlichen Ansatz aus konsequent - nur in beschränktem Maße getroffenen Tatsachenfeststellungen im Weiteren nicht abschließend beurteilen, ob seine rechtliche Würdigung des Falles, wonach der Kläger in der streitigen Zeit nicht als selbstständig tätiger Lehrer versicherungspflichtig war, zu Recht auf § 2 S 1 Nr 1 SGB VI gestützt werden kann.

16

aa) "Selbstständig tätige … Lehrer und Erzieher", die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, sind in der gesetzlichen RV versicherungspflichtig (§ 2 S 1 Nr 1 SGB VI idF gemäß Art 1 Nr 2 Buchst a RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007, BGBl I 554). Grundlage für die Beitragsfestsetzung und -erhebung sind für diesen Personenkreis sodann § 165 Abs 1 S 1 Nr 1, S 2 (idF gemäß Art 4 Nr 8 Buchst a des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) und § 169 Nr 1 SGB VI (idF der Neubekanntmachung durch Gesetz vom 19.2.2002, BGBl I 754), die im Einzelnen näher die Höhe der beitragspflichtigen bzw die Beitragstragung des selbstständig Tätigen festlegen.

17

bb) Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Tätigkeit als "selbstständiger Lehrer" - von der die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - im hier maßgebenden rentenversicherungsrechtlichen Sinne des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI hat der Senat bislang nicht in einem engen Sinne verstanden. Sie sind vielmehr bereits dann erfüllt, wenn durch den Betroffenen im konkreten Fall eine spezielle Fähigkeit durch praktischen Unterricht vermittelt wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbstständigen) Lehrers gibt, oder ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird (vgl bereits BSGE 99, 277 = SozR 4-2600 § 2 Nr 11, RdNr 13 mwN). Gegen die darauf fußende Anordnung der RV-Pflicht selbstständiger Lehrer bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl zB BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 31 ff; BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr 10). Allerdings führt zur Annahme einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe - hier derjenigen der Lehrer -, vielmehr verlangt der Gesetzeswortlaut, dass der Betroffene auch selbstständig "tätig" ist, also bezogen auf den im Gesetz genannten Beruf auch tatsächlich nennenswerte Aktivitäten entfaltet.

18

cc) Das LSG hat vor diesem Hintergrund eine Versicherungspflicht des Klägers verneint, weil er aufgrund der (offenbar von vornherein) befristeten Tätigkeit für das BNW in der streitigen Zeit danach nicht mehr (für dieses) selbstständig tätig gewesen sei, obwohl er ein erneutes Engagement bei dem BNW wieder in Aussicht gehabt habe. Hieraus hat es geschlossen, dass keine in der sozialrechtlichen Literatur für bestimmte Sachverhaltskonstellationen diskutierte, aus der für Beschäftigte geltenden Regelung in § 7 Abs 3 S 1 SGB IV und aus der Regelung über Anrechnungszeiten in § 58 Abs 2 S 1 SGB VI hergeleitete versicherungspflichtunschädliche (kurzfristige) Unterbrechung der Tätigkeit, zB wegen Krankheit(vgl hierzu Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 8/13, K § 2 RdNr 104; Segebrecht in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl 2013, § 2 RdNr 50) vorliege, sondern angesichts des Zeitraums von ca vier Monaten eine (echte) für die Bejahung der RV-Pflicht schädliche Unterbrechung der tatsächlichen Tätigkeit. Zugleich hat das LSG eine (endgültige) Beendigung der selbstständigen Tätigkeit und damit ein (endgültiges) Ende der Versicherungspflicht ausdrücklich verneint.

19

Diese Argumentation und seine ergänzenden Erwägungen tragen nicht den von ihm gezogenen Schluss des Fehlens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV.

20

(1) Abweichend von der Auffassung des LSG kann nicht schon allein entscheidend darauf abgestellt werden, dass die Unterbrechung hier deutlich mehr als einen Monat angedauert habe; der dazu vom LSG für die Festlegung eines konkreten starren zeitlichen Rahmens herangezogene, nur für die Beschäftigung geltende § 7 Abs 3 S 1 SGB IV bietet insoweit keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Beantwortung der sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden Frage, wann ein Selbstständiger (noch) "tätig" ist. Schließlich können selbst in größeren Betrieben und Unternehmen immer wieder auch längere betriebswirtschaftlich-kalkulatorisch überbrückbare (Zwischen-)Phasen der Auftragslosigkeit auftreten, ohne dass in diesen Phasen - mögen sie auch die Dauer eines Monats überschreiten - regelhaft von einer Beendigung oder versicherungsrechtlich schädlichen Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit des Firmeninhabers ausgegangen werden müsste.

21

(2) Auch aus der allein das Leistungsrecht betreffenden Regelung über Anrechnungszeiten in § 58 Abs 2 S 1 SGB VI lässt sich entgegen der Ansicht des LSG für die zu klärende, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV betreffende Rechtsfrage unmittelbar oder mittelbar nichts herleiten.

22

(3) Der Umstand der Inanspruchnahme von Alg als solcher - zumal aufgrund einer hier im Raum stehenden freiwilligen Versicherung als Existenzgründer in der Arbeitslosenversicherung - wäre ebenso nicht geeignet, von vornherein von einem Ende der selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Vielmehr machen die Regelungen über Teil-Alg in § 162 SGB III deutlich, dass neben einem entsprechenden Leistungsbezug mit den sich daraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Wirkungen auch noch ein weiterer, über einen anderen Sachverhalt vermittelter versicherungsrechtlicher Status gegeben sein kann.

23

(4) Gefolgt werden kann dem LSG auch nicht darin, dass neben einer (endgültigen) Beendigung der selbstständigen Tätigkeit und einem damit einhergehenden (endgültigen) Ende der Versicherungspflicht - das es ausdrücklich verneint hat - die Kategorie einer "versicherungsschädlichen" beendigungsgleichen "Unterbrechung" der selbstständigen Tätigkeit im rentenversicherungsrechtlichen Sinne in Betracht komme. Für die Existenz einer solchen Kategorie bietet schon der Gesetzeswortlaut keinen Anhalt.

24

(5) Demgegenüber ist es nach Sinn und Zweck der rentenversicherungsrechtlichen Regelungen über die Versicherungspflicht Selbstständiger - jedenfalls in den Fällen des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI - geboten, für dessen Auslegung ähnliche vergleichbare Konstellationen im Bereich des Versicherungsrechts der Sozialversicherung in den Blick zu nehmen, in denen Rechtsfolgen an die Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit in Bezug auf den versicherungsrechtlichen Status geknüpft werden. So hat der Senat bereits im Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen entschieden, dass Personen "unständig Beschäftigte" sind und damit am Status des § 7 SGB IV teilhaben, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind(BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 R 13/10 R - Juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4-2400 § 7 Nr 19 vorgesehen); auch als Selbstständige können Personen, die in ihrer konkreten Erwerbstätigkeit zeitliche Lücken aufweisen, "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags unständig selbstständig tätig sein (so BSG Urteil vom 28.5.2008, aaO, RdNr 26). Bei dieser Gruppe der Selbstständigen tritt dann an die Stelle des einer Beschäftigung zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses (vgl § 7 Abs 3 SGB IV)als Pendant und verbindendes Element die willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit. Eine derartige willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit - bezogen auf denselben Auftraggeber - kann sich in den den jeweiligen Engagements für einen Auftraggeber zugrundeliegenden Rahmenverträgen, Rahmenvereinbarungen oder Absprachen mit einer hinreichend konkreten, rechtlich begründeten Aussicht der Fortsetzung oder Tätigkeit für den jeweiligen Auftraggeber niederschlagen und nach außen dokumentieren, sofern dies nicht aufgrund der besonderen, objektiven Merkmale der Tätigkeit von vornherein ausgeschlossen ist (zB bei einer Tätigkeit als Skilehrer für Zeiten außerhalb der Skisaison). Die willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit am Markt kann sich aber auch - unabhängig von einem konkreten (früheren) Auftragsverhältnis - allgemein in einer Teilnahme am Wirtschaftsleben wenigstens durch werbende Tätigkeiten gegenüber anderen potentiellen Auftraggebern manifestieren (vgl Gürtner in Kasseler Komm, § 2 SGB VI RdNr 7, Stand Einzelkommentierung 77. Ergänzungslieferung/März 2013). So ist eine zur Versicherungspflicht führende selbstständige "Tätigkeit" nicht erst dann anzunehmen, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, wenn also zB Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden. Vielmehr können auch Vorbereitungshandlungen, die nach den Umständen bereits "Außenwirkung im Geschäftsverkehr" entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind, als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden (vgl im Zusammenhang mit dem Anspruch auf einen Gründungszuschuss nach dem Recht der Arbeitsförderung BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5 RdNr 18 mwN; BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 2 RdNr 19 mwN).

25

Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei der Frage, ob eine Tätigkeit als selbstständiger Lehrer ausgeübt wird, regelmäßig zu ermitteln, ob außerhalb der Erbringung von reinen Unterrichtsleistungen sonstige der selbstständigen Lehrtätigkeit mit zuzurechnende Arbeiten verrichtet wurden - namentlich in Form des Bemühens um weitere Aufträge am Markt oder in Form der Vor- und Nachbereitung von Lehrstunden (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 21.2.2007 - L 2 R 195/06 - Juris RdNr 23). Dem kommt gerade bei Personen wie Lehrern, die typischerweise über wenige eigene Betriebsmittel und regelmäßig kein eigenes Personal verfügen, besonderes Gewicht zu. Bei diesen lässt sich die Frage, ob eine entsprechende ihre RV-Pflicht begründende Tätigkeit (noch bzw weiter) ausgeübt wird, letztlich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Um eine solche (wertende) Schlussfolgerung in die eine oder andere Richtung ziehen zu können, verbietet sich allerdings der Rückgriff auf bloße "Allgemeinplätze", vielmehr bedarf es zunächst klarer Tatsachenfeststellungen, von denen sich dann in einer Gesamtabwägung aller Umstände entsprechende Folgerungen ableiten lassen.

26

dd) Die vom LSG getroffenen Feststellungen, auf die der Senat im Rahmen seiner revisionsgerichtlichen Überprüfung beschränkt ist (vgl § 163 SGG), lassen gemessen an den unter cc) dargelegten Grundsätzen eine abschließende Entscheidung über den Erfolg der Revision der Beklagten nicht zu.

27

Es fehlen bereits hinreichend klare, konkrete und nachvollziehbare Feststellungen des LSG dazu, wie die Ausführung der vom Kläger für das BNW als "Honorardozent" übernommenen Aufgaben und von ihm zu deren Erfüllung ausgeführten Tätigkeiten im Einzelnen überhaupt ausgestaltet waren (zB Art, Inhalt und Dauer der Tätigkeit, Notwendigkeit der Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsengagements, Pflicht zur persönlichen Aus- und Weiterbildung). Des Weiteren fehlen Feststellungen zur konkreten Voraussehbarkeit von Zeiträumen und zur Abfolge der Engagements durch das BNW, wie sie zB durch die der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegenden (übergreifenden) Rahmenvereinbarungen oder Absprachen fixiert und dokumentiert bzw zumindest (etwa als Geschäftsgrundlage) sogar nur vorausgesetzt worden sein könnten, etwa in dem Sinne, dass ausgehend von einer in der Vergangenheit wiederholt geübten einigermaßen verlässlichen Praxis auf die Vorhersehbarkeit auch von künftigen Engagements ausgegangen werden durfte. Für die Existenz entsprechender Vereinbarungen bzw dem gleichstehender Umstände spricht vorliegend, dass der Kläger selbst in seiner Mitteilung an die Beklagte vom 6.7.2007 angegeben hatte, - ähnlich wie schon für die Vergangenheit geschildert - auch in der Zukunft erneut als Lehrkraft für das BNW tätig zu sein. Darüber hinaus hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger auch für andere Auftraggeber tätig war bzw hierzu bereit gewesen wäre. Es fehlen konkrete Feststellungen, ob und inwieweit sich der Kläger im streitigen Zeitraum auch um Unterrichtsengagements anderer Auftraggeber bemühte und schon deshalb von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen wäre. Soweit das LSG insoweit ausgeführt hat, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der streitigen Zeit anderweitige Lehrveranstaltungen habe abhalten, sich auf entsprechende Lehrveranstaltungen vorbereiten oder Kundenakquise betreiben sollen, handelt es sich ausdrücklich nur um Feststellungen zur subjektiven Sicht des Klägers vor dem Hintergrund seiner bisherigen Tätigkeit für das BNW, die sich allerdings mit dem Vortrag des Klägers, der allgemein von einer "Dozententätigkeit" bzw von einer Tätigkeit als "freischaffender Dozent" spricht, nicht ohne Weiteres in Einklang bringen lassen. In diesem Zusammenhang könnte schließlich auch von Bedeutung und näher aufzuklären sein, ob vom - als arbeitsuchend gemeldeten - Kläger abgegebene Äußerungen und Erklärungen, die in den vom LSG in Bezug genommenen und zum Verfahren beigezogenen Akten der Bundesagentur für Arbeit dokumentiert sind, zu entscheidungserheblichen Erkenntnissen für den vorliegenden Rechtsstreit führen. Nach dem Akteninhalt hatte die Bundesagentur zunächst die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers als Selbstständiger in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a SGB III angenommen, später aber entschieden, dass diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien, weil die Tätigkeit als Selbstständiger am 3.6.2007 beendet worden sei.

28

3. Das LSG muss den Sachverhalt zu den Voraussetzungen des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI in Bezug auf die im Falle des Klägers vorliegenden Umstände insoweit im vorstehend unter 2. b) dd) dargestellten Sinne weiter aufklären. Dies führt zu einer auf § 170 Abs 2 S 2, Abs 3 SGG beruhenden Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

29

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger seit dem 1. Februar 2013.
Der Kläger ist ein Universitätsklinikum. Der Beigeladene zu 1) ist am 1968 geboren und (seit November 2001) Facharzt für Allgemeinchirurgie und (seit Oktober 2007) Facharzt für Kinderchirurgie. Er war bis November 2012 bei dem Kläger als angestellter Arzt abhängig beschäftigt. Seitdem ist er niedergelassener Arzt mit eigener Praxis.
Der Kläger und der Beigeladene zu 1) schlossen für die Zeit ab dem 1. Februar 2013 einen undatierten Vertrag, der u.a. folgende Regelungen enthält:
§ 1
Vertragsgegenstand
(1) Gegenstand des Vertrages ist die Einbindung [des Beigeladenen zu 1)] in den Rufbereitschaftsdienst der Sektion Kinderchirurgie, Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie [des Klägers].
[...].
§ 2
Umfang der Zusammenarbeit
(1) In Absprache mit dem Ärztlichen Direktor der Abteilung der Allgemein- und Viszeralchirurgie bzw. einem benannten Vertreter wird [der Beigeladene zu 1)] im Rahmen der Rufbereitschaft in die ambulante und stationäre Patientenbehandlung in der Sektion Kinderchirurgie [des Klägers] eingebunden.
(2) Die Leistungserbringung erfolgt je nach Bedarf an Wochenenden oder an Feier- und Brückentagen auf konsiliarärztlicher Basis.
(3) Die organisatorischen Maßnahmen im Rahmen der Zusammenarbeit erfolgen in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Ärzten der Sektion Kinderchirurgie [des Klägers].
10 
§ 3
Stellung des Arztes
11 
(1) Der [Beigeladene zu 1)] erbringt seine Leistungen selbstständig und höchstpersönlich. Er steht [zum Kläger] weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Arbeitsrechtliche Vorschriften, wie z. B. Kündigungsschutzgesetz, finden keine Anwendung. [Der Beigeladene zu 1)] ist in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet.
12 
(2) [Der Beigeladene zu 1)] verpflichtet sich, die bei der Untersuchung oder Behandlung erhobenen Befunde sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen. Das gleiche gilt für Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogramme und ähnliche Unterlagen und Aufzeichnungen.
13 
§ 4
Rechte und Pflichten des Arztes
14 
(1) [Der Beigeladene zu 1)] hat die Behandlung der Patienten so einzurichten, dass seine Tätigkeit sich sinnvoll in die Aufgaben und in den Arbeitsablauf [des Klägers] eingliedert und die wirtschaftliche Betriebsführung gewährleistet ist.
15 
(2) In seinem Arbeitsbereich ist [der Beigeladene zu 1)] gegenüber dem von [dem Kläger] zur Verfügung gestellten Personal – unbeschadet der Befugnisse der Mitglieder des Klinikvorstandes – fachlich weisungsberechtigt. Hierbei hat er den beruflichen Bildungsstand sowie die Arbeitsverträge der Personen zu beachten.
16 
(3) [Dem Beigeladenen zu 1)] wird der identische Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen [des Klägers] gestattet, wie den Mitarbeitern der Sektion Kinderchirurgie.
17 
(4) [Der Beigeladene zu 1)] hat die allgemeinen Richtlinien [des Klägers], z. B. Hygienerichtlinien zu beachten.
18 
(5) [Der Beigeladene zu 1)] hat mit den vom [Kläger] zur Verfügung gestellten Einrichtungen, Apparaten und Instrumenten sorgfältig umzugehen. Er hat sich vom einwandfreien Zustand der Geräte zu überzeugen. Bei auftretenden Mängeln hat er diese [dem Kläger] unverzüglich aufzuzeigen.
19 
§ 5
Bereitstellung von Personal, Räumen, Einrichtungen,
Gerätschaften und Material
20 
[Der Kläger] stellt [dem Beigeladenen zu 1)] die zur Erbringung der Leistung notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung. Verwendet [der Beigeladene zu 1)] bei der Erbringung ärztlicher Leistungen im Krankenhaus eigene Untersuchungs- und Behandlungsgeräte, wird eine Entschädigung hierfür nicht gewährt.
21 
§ 6
Vergütung der Leistung
22 
(1) [Der Kläger] erstattet [dem Beigeladenen zu 1)] für die Leistung gemäß § 2 ein Entgelt entsprechend den tariflichen Bestimmungen, anhand der vom Arzt dokumentierten Abrechnungsbögen. Basis ist die Eingruppierung als Oberarzt, Ä3 Stufe 1 (EUR 42,00 inkl. 12,5 % Aufschlag).
23 
(2) Der Nachweis der Rufbereitschaftsdienstes sowie der Operationen erfolgt durch [den Beigeladenen zu 1)] mit Hilfe der Abrechnungsbögen [des Klägers]. [Der Beigeladene zu 1)] dokumentiert den Rufbereitschaftszeitraum und die Wegezeiten.
[...].
24 
§ 8
Haftung
25 
(1) Eine etwaige Haftung [des Beigeladenen zu 1)] gegenüber den Patienten auf Grund der konsiliarärztlichen Tätigkeit ist über die Haftpflichtversicherung [des Klägers] abgedeckt.
26 
(2) Für Schäden, die [dem Kläger] durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit [des Beigeladenen zu 1)] entstehen (Eigenschäden), haftet die Haftpflichtversicherung [des Klägers] nicht.
27 
(3) [Der Beigeladene zu 1)] haftet gegenüber [dem Kläger] nicht für im Rahmen seiner konsiliarärztlichen Tätigkeit verursachte Eigenschäden nach Absatz 2; die Haftung [des Beigeladenen zu 1)] bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Eigenschäden nach Abs. 2 bleibt unberührt.
[...]
28 
§ 9
Vertragsdauer, Kündigung
29 
(1) Der Vertrag beginnt am 1. Februar 2013. Die Laufzeit beträgt sechs Monate. Zwei Monate vor Vertragsende, stimmen sich die Vertragspartner hinsichtlich einer Verlängerung der Vertragslaufzeit ab.
30 
(2) Der Vertrag kann mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Monats gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31. Juli 2013.
[...]
31 
Der Vertrag ist zumindest stillschweigend verlängert worden; der Beigeladene zu 1) übt die vereinbarte Tätigkeit weiterhin aus.
32 
Der Beigeladene zu 1) beantragte am 2. August 2013 bei der Beklagten die Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliegt. Im Verwaltungsverfahren gab er gegenüber der Beklagten an, dass eine Rufdiensttätigkeit an zwei Wochenenden im Monat, jeweils von Freitag 15.30 Uhr bis Montag 7.30 Uhr, erfolge. Am Samstag und Sonntag beinhalte der Dienst eine Visite bei den stationär liegenden Kindern. Bei seiner Verhinderung müsse das Team der Sektion Kinderchirurgie des Klägers den Dienst übernehmen. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretung bestehe nicht. Er trete nicht als Mitarbeiter des Klägers auf. Am Rufdienstwochenende habe er das fachliche Letztentscheidungsrecht. Montags erfolge jeweils eine Übergabe an das Team der Sektion Kinderchirurgie des Klägers.
33 
Die Beklagte gab dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 26. August 2013 Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Feststellung, dass eine abhängige Beschäftigung vorliege.
34 
Der Kläger trug daraufhin vor, dass der Beigeladene zu 1) zu ihrem Nachteil nicht dazu verpflichtet sei, zu erscheinen bzw. bei Erfordernis einen Dienst zu leisten. Dies sei ein wesentlicher Unterschied zu einem Arbeitnehmer. Der Beigeladene zu 1) erhalte eine Vergütung in Anlehnung an den Tarifvertrag. Die Höhe der Vergütung liege jedoch über der Vergütung während seiner früheren Beschäftigung bei ihm. Die Vergütung basiere auf Verhandlungen und werde derzeit modifiziert. Über eine Pauschalvergütung/Tagessätze werde derzeit nachgedacht. Die Leistung des Beigeladenen zu 1) sei mit dieser Vergütung abgegolten. Ein Anspruch auf die Vergütung von Privatpatienten habe der Beigeladene zu 1) nicht geltend gemacht. Hätte er dies getan, wäre er – der Kläger – dieser Forderung nachgekommen. Der Beigeladene zu 1) müsse seine Forderungen eigenständig durchsetzen. Der Haftungsschutz durch ihn – den Kläger – ermögliche die Abdeckung des Beigeladenen zu 1). Dies sei als Teil der Vergütung anzusehen. Der Beigeladene zu 1) sei nur im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit fachlich weisungsbefugt. Ohne diese erteilte Kompetenz wäre eine Behandlung eines Patienten ohne ethischen und moralischen Konflikt nicht denkbar. Auf Grund der Fähigkeiten und der Erfahrung des Beigeladenen zu 1) müsse dieser weisungsberechtigt sein. Die Abrechnung basiere derzeit auf der tatsächlich erbrachten Leistung. Für eine entsprechende Abrechnung müsse ihm ein Leistungsnachweis vorgelegt werden. Der Beigeladene zu 1) bestimme selbst, wann und in welchem Auftrag er tätig werde. Er habe keinen Anspruch auf einen Einsatz und er könne Aufträge ablehnen. Er entscheide voll und ganz als Unternehmer. Er müsse abwägen, ob er seine Zeit für die Behandlung von Patienten in seiner Praxis oder für die Erbringung von Leistungen für ihn – den Kläger – einsetze. Bei den Einsätzen für ihn entstehe gegebenenfalls ein Verlust durch entgangene Behandlungen in seiner eigenen Praxis. Auf Grund der schwankenden Anforderungen sei eine honorarärztliche Hinzuziehung des Beigeladenen zu 1) erforderlich, um einen wirtschaftlichen Einsatz der Diagnosis Related Groups-Entgelte zu ermöglichen. Der Beigeladene zu 1) führe bei ihm auch Eingriffe durch, die er im Rahmen der Praxis nicht tätigen könne. Patienten, die er in seiner Praxis nicht operieren könne, könne er ihm zuweisen. Es könne sein, dass er seine eigenen Patienten behandle. Dies sei aber keine explizit vereinbarte Absicht.
35 
Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2013 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Arzt in Rufbereitschaft bei dem Kläger seit dem 1. Februar 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und in diesem Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1. Februar 2013 besteht. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien, dass die Arbeitszeiten durch die vertraglichen Regelungen vorgegeben seien. Die Abrechnung der erbrachten Leistungen (auch gegenüber Privatpatienten) erfolge durch den Kläger. Das Forderungsmanagement erfolge ebenfalls unter Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers. Die Haftung sei durch den Kläger abgedeckt. Gegenüber anderen Mitarbeitern des Klägers sei der Beigeladene zu 1) weisungsberechtigt. Er müsse eine Dokumentation in Form von Abrechnungsbögen über die geleistete Tätigkeit vorlegen. Der Beigeladene zu 1) sei bei dem gleichen Auftraggeber als Facharzt angestellt gewesen; der Unterschied zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis sei nicht gravierend. Der Beigeladene zu 1) bringe kein eigenes Kapital mit. Ein unternehmerisches Risiko liege nicht vor. Der Beigeladene zu 1) übernehme die Behandlung der Patienten des Klägers und erfülle damit in klassischer Weise den Betriebszweck des Klägers. Es handele sich um eine Tätigkeit in der Funktion eines Arztes bzw. eines Klinikums. Eigene Patienten würden nicht behandelt. Die Vergütung erfolge nach tariflichen Bestimmungen. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien nicht ersichtlich. Es handele sich nicht um eine konsiliarärztliche Tätigkeit. Konsiliarärzte könnten intern oder extern für ein Krankenhaus beratend tätig werden. Sie könnten vom behandelnden Arzt hinzugezogen werden, wenn dieser eine Zweitmeinung zur Überprüfung, Diagnostik und Therapie wünsche. Die Beigeladene zu 1) hingegen sei in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden. Die Tätigkeit werde in einem generellen, mit dem übrigen Krankenhausbetrieb verzahnten Bereich ausgeübt. Die Tätigkeit werde als Rufbereitschaft ausgeübt. Der Beigeladene zu 1) übe dieselbe Tätigkeit aus wie festangestellte Mitarbeiter des Klägers. Er sei gegenüber diesen Mitarbeitern weisungsbefugt. Der Kläger erteile dem Beigeladenen zu 1) einseitig im Wege des Direktionsrechts Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit beträfen. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Von Außenstehenden werde der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger nicht wahrgenommen, sondern er erscheine als Mitarbeiter des Klägers. Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sei ausgeschlossen, weil der Beigeladene zu 1) hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei.
36 
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. November 2013 Widerspruch. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) handele es sich um eine Tätigkeit, die mit der eines Belegarztes vergleichbar sei. Dieser sei niedergelassener Arzt, mit dem er – der Kläger – eine Kooperation abgeschlossen habe. Wesentlich sei die Möglichkeit des Beigeladenen zu 1), die Arbeit anzunehmen oder abzulehnen. Dies sei ein entscheidender Unterschied zu einem Arbeitnehmer, der bei Nichtannahme der Arbeit mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen habe. Der Beigeladene zu 1) sei lediglich nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme, nicht jedoch für die gesamte Dauer des Rufbereitschaftsdienstes, während derer er sich an einem von ihm selbst gewählten Ort, also überwiegend auch in seiner eigenen Praxis aufhalten dürfe, in seine Arbeitsorganisation eingebunden. Auch ein Subunternehmer, der Aufträge in einem Unternehmen durchführe, sei nicht zwingend Beschäftigter dieses Unternehmens. Auch in diesem Fall sei nicht von einer abhängigen Tätigkeit auszugehen. Der Beigeladene zu 1) betreibe zum Großteil seiner Zeit eine niedergelassene Praxis. Er selbst bestimme, wann und in welchem Umfang er für den Kläger tätig werde. Er habe keinen Anspruch auf einen Einsatz. Nur im Rahmen seiner tatsächlichen Inanspruchnahme im Rufbereitschaftsdienst sei er anderen Mitarbeitern gegenüber fachlich weisungsbefugt. Auch einem Belegarzt, der unstreitig kein abhängig Beschäftigter sei, stehe diese fachliche Weisungsbefugnis zu. Es treffe nicht zu, dass er – der Kläger – im Wege des Direktionsrechts Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit beträfen, erteile. Es spiele keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) keine eigenen Betriebsmittel, sondern seine – des Klägers – nutze. Das Risiko des Ausfalls einer Hinzuverdienstes reiche zur Bejahung der Selbstständigkeit aus. Der Beigeladene zu 1) treffe eine unternehmerische Entscheidung, ob er seine Zeit für die Behandlung von Patienten in seiner Praxis oder die Erbringung von Leistung für ihn – den Kläger – einsetze. Bei seinen Einsätzen entstehe gegebenenfalls ein Verlust durch entgangene Behandlungen in seiner eigenen Praxis. Im Übrigen führe er im Rahmen der Notfallbehandlung auch Eingriffe durch, die er in seiner eigenen Praxis nicht durchführen könne. Wesentlich sei auch, dass er den „Patientenstrom“ durch Ablehnung der Aufträge selbst steuern könne. Unerheblich sei, dass die Abrechnung der Leistung durch ihn – den Kläger – erfolge. Nach der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Änderung des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) zählten auch durch die nicht fest angestellten Ärzte erbrachten Leistungen zu den Krankenhausleistungen und dürften als solche abgerechnet werden. Dass die Vergütung des Beigeladenen zu 1) nach tariflichen Bestimmungen erfolgt sei, sei unschädlich.
37 
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 zurück. Die Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid wurden wiederholt und vertieft. Als Facharzt für Kinderchirurgie werde der Beigeladene zu 1) im Rahmen des Versorgungsauftrages des Klägers als Erfüllungsgehilfe tätig. Hieraus folge die Haftung des Klägers für schuldhafte Fehler des Beigeladenen zu 1). Insofern müsse bereits aus haftungsrechtlicher Sicht die in der Klinik üblicherweise bestehende Organisationsstruktur und Entscheidungshierarchie gewahrt werden. Spätestens hierdurch sei der Beigeladene zu 1) für die jeweilige Dauer seiner Tätigkeit in eine für ihn fremde Arbeitsorganisation eingegliedert. Während der Dauer der übernommenen Dienste sei es dem Beigeladenen zu 1) nicht möglich, Arbeitszeit und -ort im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Die Art und Weise der Ausübung sei durch das Patientenaufkommen und den medizinischen Bedarf bestimmt. Es spreche nicht gegen das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit, dass dem Beigeladenen zu 1) keine Weisungen hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit erteilt würden. Der Kläger als Auftraggeber setze jedoch den äußeren Rahmen, innerhalb dessen der Beigeladene zu 1) tätig werde. Ein Direktionsrecht liege auch vor, obwohl keine Einzelanweisungen zur Form der medizinischen Behandlung erteilt würden. In der seitens des Klägers bestehenden Gesamtverpflichtung übernehme der Beigeladene zu 1) eine Teilaufgabe. Aus den vertraglichen Vereinbarungen ergebe sich nicht im Voraus eine präzise Aufgabenstellung oder Zielsetzung, so dass in Bezug auf die Arbeitsinhalte ständig eine Präzision erforderlich sei. Ärzte arbeiteten grundsätzlich in hohem Grade selbstbestimmt und verfügten über einen fachlich großen Entscheidungsspielraum und Freiheiten. Trotz dieser bei Diensten höherer Art üblichen fachlichen Weisungsfreiheit bestehe regelmäßig eine umfassende Eingliederung in der Arbeitsorganisation. Die Entschließungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) liege wie bei jedem anderen befristet, unständig bzw. in Teilzeit arbeitenden Beschäftigten ausschließlich darin, über die Aufnahme einer Beschäftigung, ihren Umfang und ihre Dauer zu bestimmen. Eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit stelle dies jedoch nicht dar. Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit liege also vor, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge.
38 
Hiergegen erhob der Kläger am 25. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er und der Beigeladene zu 1) hätten eindeutig eine freiberufliche Tätigkeit gewollt und diese Vereinbarung auch tatsächlich gelebt. Es überwögen die Anhaltspunkte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprächen. Die Ausführungen der Beklagten zu den haftungsrechtlichen Komponenten sprächen keineswegs für eine abhängige Beschäftigung. Mangels umfassenden Einflussrechts könne hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) ein größeres Haftungsrisiko bestehen. Allerdings sei dies auch in anderen Bereichen, in denen sich Unternehmen zur Vertragserfüllung Dritter bedienten, gegeben. Zudem könne er gegebenenfalls im Haftungsfall auf den Beigeladenen zu 1) zurückgreifen. Im Übrigen wiederholte der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Es dürfte aus der Natur der Sache heraus selbstverständlich sein, dass eine Abstimmung hinsichtlich Zeit und Ort erforderlich sei. Der Betrieb eines Krankenhauses sei anders nicht möglich. Darin ähnele die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) auch den klassischen selbstständigen Tätigkeiten, z.B. denen im handwerklichen Bereich. Auch hier seien zeitliche Abstimmungen, insbesondere wenn eine Zusammenarbeit mit anderen gegeben sei, erforderlich.
39 
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen.
40 
Der Beigeladene zu 1) trug vor, dass er sich aussuchen könne, ob er einen Dienst übernehme. Wenn er einen Dienst nicht mache, weil er z.B. keine Zeit habe, dann werde dieser Dienst von den angestellten Oberärzten des Klägers übernommen. Dies sei dann der sogenannte Hintergrunddienst. Es sei normalerweise immer ein Assistenzarzt die ganze Zeit am Wochenende vor Ort. Die Assistenzärzte könnten dann bei Fragen den Hintergrunddienst anrufen, der dann entsprechend komme. Außerdem träfen sich die angestellten Oberärzte am Wochenende um 9.00 Uhr zur Visite und Übergabe. Er habe keine fixen Termine, zu denen er bei seinem Dienst in der Klinik sein müsse. Er bekomme eine telefonische Übergabe oder werde per E-Mail darüber informiert, welche Patienten er sich während seines Dienstes anschauen müsse. Bei Bedarf werde er auch vom Assistenzarzt vor Ort angerufen und komme dann in die Klinik. Am Montagmorgen, wenn der Dienst zu Ende sei, informiere er dann die Kollegen entweder per E-Mail oder per SMS darüber, was im Dienst losgewesen sei. Er müsse nicht persönlich in die Klinik kommen. Seine Praxis sei normalerweise am Freitagnachmittag bis 18.00 Uhr geöffnet. Wenn er aber einen Dienst bei dem Kläger angenommen habe, bestelle er sich nur bis 15.30 Uhr Patienten ein. Seine Hauptaufgabe während der Dienste sei es, für eventuelle Operationen zur Verfügung zu stehen. Nach außen mache er nicht unbedingt deutlich, dass er während des Dienstes nicht für den Kläger arbeite. Er mache ca. ein bis zweimal im Monat Dienst. Wenn die angestellten Ärzte im Urlaub seien oder ein Krankheitsfall oder Ähnliches vorlägen, dann könnten es auch etwas mehr Dienste sein.
41 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2015 ab. Der Beigeladene zu 1) sei bei dem Kläger abhängig beschäftigt. Im Rahmen der übernommenen Rufdienste sei er in das Unternehmen eingegliedert. Für die Rufdienste sei eine feste Arbeitszeit vereinbart. Zwar müsse der Beigeladene zu 1) den Rufdienst nicht ganz vor Ort verbringen, sondern nur erscheinen, wenn Operationen anstünden oder Patienten von ihm angesehen oder untersucht werden müssten. Darin unterscheide er sich jedoch nicht von den bei dem Kläger angestellten Oberärzten, die sich während ihrer Rufbereitschaft ebenfalls außerhalb des Klägers aufhalten könnten. Zwar könne der Beigeladene zu 1) frei entscheiden, ob er einen Dienst bei dem Kläger annehmen wolle, sobald er jedoch einen Dienst angenommen habe, unterscheide sich seine Tätigkeit nach außen nicht von derjenigen der angestellten Oberärzte. Auch gegenüber den Patienten trete der Beigeladene zu 1) nicht als selbstständiger Arzt auf. Zwar erhalte er für seine Dienste eine höhere Vergütung als zu seiner Zeit als angestellter Arzt. Jedoch entspreche seine jetzige Vergütung derjenigen, die die angestellten Oberärzte erhielten und deren Arbeit er nun mit Übernahme der Bereitschaftsdienste verrichte. Ein unternehmerisches Risiko des Beigeladenen zu 1) sei nicht erkennbar.
42 
Gegen das ihm am 11. Februar 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. März 2015 beim SG Berufung eingelegt. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Darüber hinaus trägt er vor, dass im Krankenhausrecht die Zulässigkeit und Möglichkeit der freiberuflichen Honorarärzte anerkannt sei. So regele § 2 Abs. 1 KHEntgG, dass abrechnungsfähige Krankenhausleistungen auch durch nicht festangestellte Ärzte erbracht werden könnten. Hierunter fielen auch Honorarärzte. Die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) die ärztlichen Dienstleistungen nur im Krankenhaus und nur zusammen mit seinen – des Klägers – anderen Mitarbeitern sowie unter Verwendung seiner Einrichtungen erbringen könne, lasse nicht zwingend auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses schließen. Denn auch sogenannte Beleghebammen und Belegärzte seien grundsätzlich keine Arbeitnehmer, obwohl auch sie die Einrichtung eines Krankenhaus nutzten und mit anderen Mitarbeitern des Krankenhauses zusammenarbeiteten. Es sei vielmehr die tatsächlich bestehende Weisungsfreiheit zu berücksichtigen. Das SG habe verkannt, dass die Arbeitszeiten nicht einseitig von ihm – dem Kläger – vorgegeben würden. Ebenso unberücksichtigt bleibe, dass der Beigeladene zu 1) keinen Anspruch auf einen Einsatz habe und die Aufträge auch ablehnen könne. Er allein bestimme, wann, ob und in welchem Umfang er für ihn tätig werde. Der Beigeladene zu 1) müsse nicht zu fixen Terminen erscheinen. Weder mache dieser wie die angestellten Oberärzte am Wochenende Visite noch mache er nach seinen Diensten vor Ort Übergaben. Er – der Beigeladene zu 1) – informiere seine – des Klägers – Ärzte lediglich nach einem Wochenende, an welchem er mit Rufbereitschaft beauftragt worden sei, über den von ihm absolvierten Hintergrunddienst. Dass der Beigeladene zu 1) der gleichen Tätigkeit nachgehe wie ein angestellter Arzt, liege in der Natur des ärztlichen Berufes. Der Beigeladene zu 1) könne im Gegensatz zu den angestellten Ärzten ausschließlich mit der Rufbereitschaft in der Sektion Kinderchirurgie, Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie, beauftragt und eingesetzt werden. Er – der Kläger – sei nicht befugt, den Beigeladenen zu 1) in anderen Bereichen einzusetzen. Ebenso wenig sei er befugt, ihn beispielsweise für Kongresse, Veranstaltungen sowie Besprechungen zu verpflichten. Es fehle eine effektive inhaltliche Weisungsgebundenheit. Im Hinblick auf die Vergütung verkenne das SG, dass die Rufbereitschaft nicht zwingend von einem angestellten Oberarzt wahrzunehmen sei, sondern auch durch niedriger eingruppierte Ärzte durchgeführt werden könne. Die Rufbereitschaft werde lediglich üblicherweise auf Grund der Dienstplangestaltung durch Oberärzte ausgeführt. Die Oberarzttätigkeit und damit dessen Vergütung nach Entgeltgruppe Ä3 setze regelmäßig voraus, dass dem angestellten Oberarzt medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung übertragen worden seien. Somit würde der Beigeladene zu 1), wäre er als angestellter Arzt bei ihm tätig, nicht die Voraussetzung für eine Vergütung nach Ä3 erfüllen. Damit erhalte er eine höhere Vergütung im Rahmen der freien Mitarbeit. Zu Unrecht gehe das SG auch davon aus, dass kein Unternehmerrisiko vorliege. Dies wäre nur berechtigt, wenn das Unternehmerrisiko mit einem Kapitalrisiko gleich zu setzen wäre, wie es für gewerbliche Unternehmer kennzeichnend sei. Eine solche Betrachtungsweise würde indes den vielen freiberuflichen Tätigkeiten nicht gerecht werden, die von Selbstständigen ausgeübt würden, deren Leistungen nicht oder nicht wesentlich im Einsatz von Geldkapital, sondern von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können bestehe. Jemand könne schon dann ein Unternehmerrisiko tragen, wenn der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft ungewiss sei. Dies gelte namentlich, wenn ihm kein Mindesteinkommen garantiert sei. Das Risiko, dass der Selbstständige in solchen Fällen trage, betreffe die Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft. Er könne eine Vergütung nur beanspruchen, wenn er eine bestimmte Leistung auch erbringe, wogegen dem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zustehe, wenn er sich arbeitsbereit halte. Im Gegensatz zu den angestellten Ärzten werde der Beigeladene zu 1) lediglich für tatsächliche wahrgenommene Rufbereitschaftsdienste bezahlt. Weder habe der Beigeladene zu 1) einen Urlaubsanspruch und damit auch kein Anspruch auf Urlaubsentgelt noch erhalte er ein Entgelt für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Entscheide sich der Beigeladene zu 1) dazu, an einem Wochenende Rufbereitschaft zu übernehmen, so schließe er seine Praxis am Freitag bereits gegen 15.30 Uhr statt um 18.00 Uhr. Er müsse als Unternehmer abwägen, ob er für die Kooperation eventuelle Einbußen seiner Praxis in Kauf nehme oder nicht. Es spiele keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) selbst keine eigenen Betriebsmittel nutze. Auch beispielsweise Partyausrichter oder Dozenten müssten sich der Einrichtung des Auftraggebers bedienen, ohne dass dies zwingend zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis führe.
43 
Der Kläger beantragt,
44 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. Februar 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 2. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 zu verurteilen, festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) seit dem 1. Februar 2013 als Arzt bei ihm nicht im Rahmen eines abhängig Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird und damit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
45 
Die Beklagte beantragt,
46 
die Berufung zurückzuweisen.
47 
Die Beklagte verweist auf ihren bisherigen Vortrag. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
48 
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
49 
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte und die Beigeladenen zu 3) und 4) haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
50 
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
51 
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
52 
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
53 
3. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die von dem Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger seit dem 1. Februar 2013 ausgeübte Tätigkeit als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft in einem abhängigen und in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt.
54 
a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).
55 
Die Beklagte war für die vom Beigeladenen zu 1) beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit ab dem 1. Februar 2013 zum Zeitpunkt der Antragstellung am 2. August 2013 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war.
56 
b) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
57 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – in juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – in juris, Rn. 23 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – in juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – in juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).
58 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – in juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – in juris, Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – in juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 16).
59 
c) Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. Februar 2013 bei dem Kläger abhängig beschäftigt ist. Er ist insbesondere in den Betrieb des Klägers eingegliedert und weisungsabhängig.
60 
Für eine im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers sprechen bereits deren vertragliche Vereinbarungen. Der für die Zeit ab dem 1. Februar 2013 abgeschlossene Vertrag betrifft ausdrücklich die „Einbindung“ des Beigeladenen zu 1) in den Rufbereitschaftsdienst einer Abteilung des Klägers (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Vertrages). Die Zusammenarbeit erfolgt in „enger Abstimmung“ mit den verantwortlichen Ärzten des Klägers (§ 2 Abs. 3 des Vertrages). Der Beigeladene zu 1) ist verpflichtet, die bei Untersuchungen oder Behandlungen erhobenen Befunde sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen sowie Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogramme und ähnliche Unterlagen und Aufzeichnungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen (§ 3 Abs. 2 des Vertrages). In § 4 Abs. 1 des Vertrages heißt es ausdrücklich, dass der Beigeladene zu 1) seine Behandlung der Patienten (des Klägers) so auszurichten hat, dass seine Tätigkeit sich sinnvoll in die Aufgaben und in den Arbeitslauf des Klägers „eingliedert“ (!) und eine wirtschaftliche Betriebsführung gewährleistet ist. Der Beigeladene zu 1) ist gegenüber dem Personal des Klägers weisungsbefugt, wobei er deren Arbeitsverträge zu beachten hat (§ 4 Abs. 2 des Vertrages). Er hat in identischer Weise Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen des Klägers wie dessen unstreitig abhängig beschäftigte Mitarbeiter (§ 4 Abs. 3 des Vertrages) und hat die allgemeinen Richtlinien des Klägers zu beachten (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Der Kläger stellt dem Beigeladenen zu 1) die zur Erbringung der Leistungen notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung (§ 5 des Vertrages). All diese Regelungen führen zu einer engen Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers in sachlicher, örtlicher und personeller Hinsicht. Dass sich die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) von den vertraglichen Vereinbarungen in wesentlicher Hinsicht unterscheiden würde, ist weder von den Beteiligten behauptet worden noch ersichtlich. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1) vorgetragen, dass er am Beginn des Wochenenddienstes darüber informiert werde, welche Patienten er sich während seines Dienstes anschauen müsse, und dass er am Ende eines Wochenenddienstes die übernehmenden Ärzte über Vorfälle während des Wochenendes informieren müsse. Dass dies nicht vor Ort geschieht, sondern per E-Mail oder SMS, spielt dabei keine Rolle.
61 
Soweit der Beigeladene zu 1) für den Kläger tätig wurde, war er auch hinsichtlich der Zeitpunkte und – mit den Freiheiten, die sich aus einer Rufbereitschaft ergeben – der Orte der Verrichtung seiner Tätigkeit weisungsgebunden. Durch die Übernahme eines Auftrags verpflichtete er sich gegenüber dem Kläger, den Auftrag entsprechend aus- und durchzuführen. Er hat dann die mit dem Auftrag verbundenen Vorgaben für die Tätigkeiten gegenüber dem Kläger einzuhalten und unterliegt insoweit deren Kontrolle; er ist mit der Übernahme in der Gestaltung seiner Tätigkeit und in seiner Arbeitszeit nicht mehr frei. Dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen der Behandlung der Patienten in fachlicher Hinsicht ein – so sein Vortrag – fachliches Letztentscheidungsrecht zusteht, spricht nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses im Wesen einer leitenden ärztlichen Tätigkeit liegt.
62 
Dass der Beigeladene zu 1) nicht jeden Tag im streitgegenständlichen Zeitraum, sondern lediglich an einzelnen Tagen – nämlich in der Regel an ein bis zwei Wochenenden pro Monat von Freitagnachmittag bis Montagmorgen – für den Kläger tätig war, spricht nicht gegen das Vorliegen einer Beschäftigung (vgl. Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – nicht veröffentlicht). Ein Tätigwerden an einzelnen Arbeitstagen oder mehreren hintereinander und nicht durchgehend und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ist in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen durchaus üblich, gerade in Teilzeit-, Aushilfs- oder Abrufbeschäftigungen. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, für das in aller Regel – und so auch hier – eine Rahmenvereinbarung getroffen wird. So wurde vorliegend im Voraus ein Tätigwerden auf Anfrage des Klägers vereinbart. Die einzelnen Arbeitseinsätze werden dann zu identischen Bedingungen durchgeführt und abgerechnet. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) entspricht insoweit der einer Aushilfskraft oder eines Beschäftigten auf Abruf. Die Annahme eines Werkvertrages für einzelne Einsätze oder im Hinblick auf die Tätigkeiten in einem bestimmten Zeitraum ist insofern fernliegend (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 11 R 5195/13 – in juris, Rn. 34; Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – nicht veröffentlicht). Die Bezahlung erfolgt nach der Zahl der gearbeiteten Stunden, nicht danach, ob ein bestimmter Erfolg mit der Tätigkeit erreicht wurde oder nicht; die Vergütungspflicht hängt nicht von einem Erfolg ab. Der Beigeladene zu 1) stellt allein seine Arbeitskraft zur Verfügung. Die Vergütung ist ihm sicher, sobald er sich zur Übernahme eines Dienstes bei dem Kläger bereit erklärt. Die Höhe der Vergütung kann demgegenüber – entgegen der Ansicht des Klägers – für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung keine ausschlaggebende Rolle spielen, da die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers/Arbeitgebers und die Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers/Arbeitnehmers von der Höhe der Vergütung unabhängig sind.
63 
Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger ist auch unabhängig davon zu treffen, dass der Beigeladene zu 1) hauptberuflich als niedergelassener Arzt selbstständig tätig ist. Zwar mag eine im Übrigen selbstständige, gleichgelagerte Tätigkeit grundsätzlich ein Indiz sein, dass auch die streitbefangene Tätigkeit selbstständig verrichtet wird. Gleichwohl sind die Tätigkeiten jeweils getrennt zu betrachten. Im vorliegenden Fall kann der Umstand selbstständiger hauptberuflicher Tätigkeit den überwiegenden Eindruck einer abhängigen Beschäftigung für den Kläger nicht erschüttern.
64 
Lag damit bereits eine weisungsabhängige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) und dessen Eingliederung in den Betrieb des Klägers vor, kann anderen Abgrenzungskriterien keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – nicht veröffentlicht). Unabhängig davon lassen sich aber auch den sonstigen rechtlichen und tatsächlichen Umständen des Verhältnisses des Klägers und des Beigeladenen zu 1) ohnehin keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit entnehmen.
65 
Insbesondere konnte der Senat kein relevantes Unternehmerrisiko feststellen, was im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – in juris, m.w.N.; Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – und Beschluss des Senats vom 27. April 2015 – L 4 R 908/14 – beide nicht veröffentlicht). Dem Beigeladenen zu 1) kann allerdings ein fehlendes Unternehmerrisiko nicht deswegen vorgehalten werden, weil er bei der Tätigkeit für den Kläger keine eigenen Betriebsmittel verwendet hat. Der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel ist keine notwendige Voraussetzung für eine selbstständige Tätigkeit. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbstständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – in juris, Rn. 25; Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 – L 4 R 3943/13 – nicht veröffentlicht). Allerdings fehlt es auch umgekehrt an einem positiven Indiz für ein relevantes Unternehmerrisiko. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt ein Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) in Bezug auf seine Tätigkeit für ihn – den Kläger – nicht darin, dass er sich jeweils entscheiden muss, ob er seine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit freitagsnachmittags nur verkürzt ausübt, um die Tätigkeit für den Kläger verrichten zu können. Die insofern vorzunehmende Abwägung des Beigeladenen zu 1) ist allein Gegenstand seines Unternehmerrisikos in Bezug auf seine selbstständige hauptberufliche Tätigkeit.
66 
Kein durchgreifender Umstand, der für eine selbstständige Tätigkeit spricht, ist, dass der Beigeladene zu 1) nicht verpflichtet ist, sich dem Kläger zur Verfügung zu stellen, sondern die Durchführung einzelner Wochenenddienste ablehnen darf. Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Betroffene über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmt. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen denkbar, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 11 R 5195/13 – in juris, Rn. 33 m.w.N. – auch zum Folgenden). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Wird allerdings die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbstständige Tätigkeit dar.
67 
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart wurden. Solche Vertragsgestaltungen sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollen (zuletzt etwa Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – auch zum Folgenden). Insofern gilt aber, dass dem keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Kriterien – Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers – bereits zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. In einem solchen Fall werden vertragliche Absprachen oder deren Unterlassen durch die gesetzlichen Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über Urlaubsansprüche verdrängt bzw. ersetzt.
68 
Weder der Kläger noch der Beigeladene zu 1) behaupten im Übrigen, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen wäre, Dritte mit der Erbringung der von ihm gegenüber dem Kläger geschuldeten Leistungen zu beauftragen. Auch dies spricht für eine abhängige Beschäftigung.
69 
Der Kläger kann nicht mit seinem Hinweis darauf durchdringen, dass Belegärzte (und Beleghebammen) nicht abhängig beschäftigt seien, obwohl auch sie fachliche Weisungsbefugnis gegenüber Klinikmitarbeitern haben. Die Situation des Beigeladenen zu 1) ist mit derjenigen von Belegärzten schon deswegen nicht identisch, weil Belegärzte eigene Patienten behandeln und hierfür keine Vergütung des Krankenhauses erhalten (§ 121 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]), während der Beigeladenen zu 1) Patienten des Klägers behandelt und hierfür von diesem entlohnt wird.
70 
Der Kläger kann für seine Position auch nicht mit Erfolg darauf rekurrieren, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG zu den Krankenhausleistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 KHEntgG auch ärztliche Behandlung durch „nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte“ gehören (vgl. zum Hintergrund Niedziolka, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2014, § 2 KHEntgG Rn. 5). Das KHEntgG regelt lediglich die Vergütungsansprüche von Krankenhäusern (vgl. zum Anwendungsbereich § 1 KHEntgG), enthält aber keine Aussagen zum sozialversicherungsrechtlichen Status von im Krankenhaus tätigen Personen.
71 
Angesichts der gesamten Durchführung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin kommt dem – vom Kläger betonten – Willen der Vertragspartner, keine abhängige Beschäftigung zu begründen, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu, unabhängig davon, dass die rechtliche Qualifikation, ob Sozialversicherungspflicht besteht, nicht der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) unterliegt. Maßgebend für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind nicht die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten, sondern entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, so wie es sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergibt und im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 11 R 5195/13 – in juris, Rn. 37). Das sich daraus ergebende Gesamtbild steht in Widerspruch zu dem Willen des Beigeladenen zu 1) zu einer selbstständigen Tätigkeit; dieser hat insoweit keinen entscheidenden Ausdruck in der Tätigkeit gefunden.
72 
d) Die Beklagte hat den Beginn der Versicherungspflicht auch zu Recht mit dem 1. Februar 2013, dem Tag der Aufnahme der Tätigkeit, festgestellt. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV kommt nicht in Betracht, da der Beigeladene zu 1) den Statusfeststellungsantrag erst am 2. August 2013 und damit nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt hat.
73 
e) Ob bei dem Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Tätigkeit für den Kläger die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen haben, kann dahinstehen. Denn der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag auf Befreiung (§ 6 Abs. 2 SGB VI) gestellt.
74 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht des Klägers nicht billig wäre.
75 
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
76 
6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von EUR 5.000,00, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

1.
Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
2.
Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
3.
Hebammen und Entbindungspfleger,
4.
Seelotsen der Reviere im Sinne des Gesetzes über das Seelotswesen,
5.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
6.
Hausgewerbetreibende,
7.
Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen,
8.
Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 der Handwerksordnung sowie Betriebsfortführungen auf Grund von § 4 der Handwerksordnung außer Betracht bleiben; ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt,
9.
Personen, die
a)
im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b)
auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Als Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1, 2, 7 und 9 gelten
1.
auch Personen, die berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen beruflicher Bildung erwerben,
2.
nicht Personen, die geringfügig beschäftigt sind,
3.
für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

1.
Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
2.
Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
3.
Hebammen und Entbindungspfleger,
4.
Seelotsen der Reviere im Sinne des Gesetzes über das Seelotswesen,
5.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
6.
Hausgewerbetreibende,
7.
Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen,
8.
Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 der Handwerksordnung sowie Betriebsfortführungen auf Grund von § 4 der Handwerksordnung außer Betracht bleiben; ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt,
9.
Personen, die
a)
im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b)
auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Als Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1, 2, 7 und 9 gelten
1.
auch Personen, die berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen beruflicher Bildung erwerben,
2.
nicht Personen, die geringfügig beschäftigt sind,
3.
für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(1) Versicherungsfrei sind

1.
Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,
2.
sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbänden einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist,
3.
Beschäftigte im Sinne von Nummer 2, wenn ihnen nach kirchenrechtlichen Regelungen eine Anwartschaft im Sinne von Nummer 2 gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist, sowie satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, wenn ihnen nach den Regeln der Gemeinschaft Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist,
in dieser Beschäftigung und in weiteren Beschäftigungen, auf die die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstreckt wird. Für Personen nach Satz 1 Nr. 2 gilt dies nur, wenn sie
1.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anspruch auf Vergütung und bei Krankheit auf Fortzahlung der Bezüge haben oder
2.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben oder
3.
innerhalb von zwei Jahren nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses in ein Rechtsverhältnis nach Nummer 1 berufen werden sollen oder
4.
in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehen.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 und 3 sowie nach Satz 2 und die Erstreckung der Gewährleistung auf weitere Beschäftigungen entscheidet für Beschäftigte beim Bund und bei Dienstherren oder anderen Arbeitgebern, die der Aufsicht des Bundes unterstehen, das zuständige Bundesministerium, im Übrigen die oberste Verwaltungsbehörde des Landes, in dem die Arbeitgeber, Genossenschaften oder Gemeinschaften ihren Sitz haben. Die Gewährleistung von Anwartschaften begründet die Versicherungsfreiheit von Beginn des Monats an, in dem die Zusicherung der Anwartschaften vertraglich erfolgt.

(2) Versicherungsfrei sind Personen, die eine

1.
Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Vierten Buches oder
2.
geringfügige selbständige Tätigkeit nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 oder nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit den §§ 8a und 8 Absatz 1 des Vierten Buches
ausüben, in dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Bei Anwendung von Satz 1 Nummer 2 ist im gesamten Kalenderjahr die zum 1. Januar des jeweiligen Kalenderjahres geltende Geringfügigkeitsgrenze maßgebend. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen selbständigen Tätigkeit nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Satz 1 Nummer 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung beschäftigt sind.

(3) Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer eines Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule ein Praktikum ableisten, das in ihrer Studienordnung oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist.

(4) Versicherungsfrei sind Personen, die

1.
nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, eine Vollrente wegen Alters beziehen,
2.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehen oder die in der Gemeinschaft übliche Versorgung im Alter nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erhalten oder
3.
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht versichert waren oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Beitragserstattung aus ihrer Versicherung erhalten haben.
Satz 1 gilt nicht für Beschäftigte in einer Beschäftigung, in der sie durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit verzichten. Der Verzicht kann nur mit Wirkung für die Zukunft erklärt werden und ist für die Dauer der Beschäftigung bindend. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für selbständig Tätige, die den Verzicht gegenüber dem zuständigen Träger der Rentenversicherung erklären.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

Versicherungspflichtig sind

1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,
2.
behinderte Menschen, die
a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches,
3a.
(weggefallen)
4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
Personen, die Wehrdienst leisten und nicht in einem Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit stehen, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienstleistende im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 oder 2a und Satz 4. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten. Die in Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Personen gelten als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Die folgenden Personen stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gleich:
1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden,
2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind:

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind; für die Zeit des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch bleibt die Versicherungspflicht unberührt,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, auch wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler, die nach § 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig sind,
4.
selbständige Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe, in Berufsbildungswerken oder in ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Berufsfindung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Leistungen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
Behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Fünften Buches der Krankenversicherungspflicht unterliegen,
10.
Personen, die zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt beschäftigt sind oder die eine Fachschule oder Berufsfachschule besuchen oder eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten (Praktikanten), längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres; Auszubildende des Zweiten Bildungsweges, die sich in einem nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnittes befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 11, 11a, 11b oder 12 des Fünften Buches der Krankenversicherungspflicht unterliegen,
12.
Personen, die, weil sie bisher keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften Buches oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Krankenversicherungspflicht unterliegen.

(2) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Ausland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(2a) Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(3) Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.

(4) Nehmen Personen, die mindestens zehn Jahre nicht in der sozialen Pflegeversicherung oder der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig waren, eine dem äußeren Anschein nach versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung auf, besteht die widerlegbare Vermutung, daß eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung nach Absatz 1 Nr. 1 oder eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 tatsächlich nicht ausgeübt wird. Dies gilt insbesondere für eine Beschäftigung bei Familienangehörigen oder Lebenspartnern.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.

Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner in einem Unternehmen seiner Mutter (Beigeladene zu 3.) verrichteten Tätigkeit in der Zeit ab 24.6.2001 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und im Recht der Arbeitsförderung unterlag.

2

Die Beigeladene zu 3. betrieb über mehrere Jahre ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel und Getränke verkauft wurden und in dem der Kläger seit 1986 arbeitete. Am 6.2.1999 wurde in den Räumlichkeiten eine Weinprobierstube eröffnet. Am 23.6.2001 kam es zu einem Brand in dem Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seitdem betreibt die Beigeladene zu 3. ihr Unternehmen als Weinhandlung (Wert des Weinbestandes ca 15 000 bis 20 000 Euro) mit angeschlossener Gaststätte in einem Gebäude, das im Eigentum ihres Bruders und ihres Ehemanns steht. Nach den Feststellungen des LSG wurden die Kosten der Gaststätteneinrichtung (ca 250 000 bis 300 000 DM) größtenteils von den Eltern des Klägers getragen. In dem Unternehmen obliegen der Beigeladenen zu 3. im Wesentlichen die Zubereitung der Speisen und die rechnerische Kontrolle der buchmäßigen Abrechnung. Entsprechend dem früheren Übergang des Unternehmens vom Vater der Beigeladenen zu 3. auf diese im Jahr 1980 soll das Unternehmen zu einem nicht näher feststehenden Termin auf den Kläger übergehen.

3

Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur. Gemäß den Regelungen eines schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, der an die Stelle eines vorangegangenen schriftlichen Arbeitsvertrags trat, wurde der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. als "Stellvertreter" eingestellt und war berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. zuständig für Personalfragen. Ferner ist im Arbeitsvertrag ua bestimmt, dass der Kläger als Vollzeitkraft eingestellt wird, er alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig auszuführen hat, Nebenbeschäftigungen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sind, die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber festgesetzt wird und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Sachsen gelten sollen. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt von 1904 DM, ab 1.1.1993 von 2762 DM vereinbart. Entgegen dieser Orientierung am Tarifniveau wurde das Gehalt des Klägers faktisch von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt und lag im Jahr 2010 bei ca 1500 Euro brutto monatlich. Hintergrund dafür war nach den Feststellungen des LSG die Rücksichtnahme des Klägers auf die Belastungen des Familienunternehmens durch eine hohe Miete, die ihrerseits ihre Ursache in den hohen Sanierungskosten für das im Familienbesitz stehende betriebliche Gebäude hatte. Der Kläger war zunächst im Getränkeladen tätig. Seit 24.6.2001 ist er für die Weinbestellung und -annahme, die Prüfung der Lieferantenrechnungen, die Präsentation der Weine, die Preiskalkulation, die Gestaltung der Wein- und Speisekarten sowie die Bedienung und Betreuung der Gäste zuständig. Nach den Feststellungen des LSG beglich der Kläger 2005 bzw 2006 einmalig eine Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro aus eigenen Mitteln.

4

Auf den Antrag des Klägers zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status stellte die Beklagte als Einzugsstelle durch Bescheid vom 28.7.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.6.2005 fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. ab 1.1.1991 der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet festzustellen, dass der Kläger ab 1.1.1991 eine selbstständige Tätigkeit und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Urteil vom 14.11.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass der Kläger ab 24.6.2001 nicht der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen: Insbesondere die Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 über Gehalt, Arbeitszeit, Geltung von Tarifverträgen, Festlegung von Arbeitsaufgaben und Funktionen im Betrieb, ferner die Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgaben, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlung auf ein privates Konto des Klägers sprächen jedenfalls bis 23.6.2001 für eine (abhängige) Beschäftigung. Die Beigeladene zu 3. habe an der Rechtsform eines Einzelunternehmens festgehalten, dessen alleinige Inhaberin sie auch weiterhin sei. Daher habe ausschließlich die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden. Dagegen könne ab 24.06.2001 eine Unternehmerstellung des Klägers festgestellt werden, da tags zuvor ein "grundlegender Strukturwandel" im Familienunternehmen seinen Abschluss gefunden habe. Zwar sei nach wie vor die Beigeladene zu 3. alleinige Inhaberin des Unternehmens. Der Kläger habe aber seither rein faktisch eine Handhabe, der Beigeladenen zu 3. im Falle eines Dissenses seinen Willen hinsichtlich der Unternehmensführung aufzuzwingen und über die Geschicke des Unternehmens zu walten wie über ein eigenes. Ein "gewisses Unternehmerrisiko" sei in Gestalt des Gehaltsverzichts auszumachen. Die auch in der Zeit ab 24.6.2001 beibehaltenen äußeren Umstände (festes monatliches Gehalt, Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgabe, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Gehalts auf ein privates Konto) seien dem Kläger "nicht vorzuwerfen". Immerhin habe er am 19.4.2004 die Beklagte um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gebeten und damit seine Zweifel an der Richtigkeit der Fortführung der bisherigen Praxis zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 10.11.2010).

5

Dagegen wenden sich die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 4.) mit ihren Revisionen. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XI, § 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III, die Beigeladene zu 4. sinngemäß eine Verletzung von § 28h SGB IV. Zurecht habe das LSG für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 festgestellt, dass der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. abhängig beschäftigt gewesen sei. Für die Zeit ab 24.6.2001 könne nichts anderes gelten. Eine rechtlich wirksame Unternehmensübergabe habe nicht stattgefunden. Für den Kläger habe die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens habe frei bewegen dürfen. Auch an der Rechtsmacht der Beigeladenen zu 3. habe sich nichts geändert. Ein relevantes Unternehmerrisiko sei beim Kläger nicht festzustellen. Vielmehr habe er ein festes monatliches Grundgehalt bezogen, das unabhängig von der Erreichung der unternehmerischen Ziele gewährt worden sei. Der Kläger trage auch kein eigenes Haftungsrisiko, dieses liege vielmehr allein bei der Beigeladenen zu 3.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Beigeladene zu 4. schließt sich dem Antrag der Beklagten mit der Maßgabe an, dass sich ihre Revision nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet.

8

Der Kläger hat sich zu den Revisionen nicht geäußert.

9

Die Beigeladene zu 1. hat sich der Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 4., die Beigeladene zu 2. den Revisionsbegründungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. angeschlossen. Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten, die sich auf die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit ab 24.6.2001 bezieht, ist zulässig und begründet. Gleiches gilt für die ebenfalls auf diese Zeit und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV beschränkte Revision der Beigeladenen zu 4. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem - dem Begehren des Klägers bislang entsprechenden - Umfang aufzuheben und das Urteil des SG ist auch insoweit unter Abweisung der Klage aufzuheben.

11

1. Zu Unrecht hat das LSG eine Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. in der noch streitigen Zeit ab 24.6.2001 verneint und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen.

12

Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung der tatsächlichen Umstände gegenüber den für die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, verkannt (hierzu b). Der Status des Klägers als Selbstständiger lässt sich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf bejahen, dass bestimmte Umstände und Indizien des Einzelfalls gesamtschauend dafür sprächen (hierzu c).

13

a) Im streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I 2261, BGBl 1990 I 1337; § 20 S 1, 2 Nr 1 SGB XI idF des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

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Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

15

b) Die dargestellten Grundsätze sind - trotz der in Fällen der vorliegenden Art jeweils mit in Rechnung zu stellenden engen familiären Bindungen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden und gelten unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats fort, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Unternehmen tätig.

16

aa) Alleinige Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens war die Beigeladene zu 3., die nach den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) das Unternehmen durchgehend und damit auch die im streitigen Zeitraum betriebene Weinhandlung mit Gaststätte als Einzelunternehmen führte. Lediglich sie war damit auch nur unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte; umgekehrt war ebenso nur die Beigeladene zu 3. den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit ihrem ganzen Vermögen haftete. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne besondere dokumentierte bzw von den Tatsacheninstanzen festgestellte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden. Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In den letztgenannten Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber auch seit jeher dann, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, den Status als Selbstständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN).

17

bb) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Beigeladenen zu 3. geschlossene, ausdrücklich so bezeichnete schriftliche "Arbeitsvertrag" vom 1.6.1991, der deren Rechtsverhältnis zueinander auch noch in dem im Revisionsverfahren streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - ua festes monatliches Gehalt, Einstellung als Vollzeitkraft, Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu etwaigen Nebentätigkeiten, Festlegung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Damit aber kann das in dieser Norm besonders hervorgehobene Merkmal für das Vorliegen einer zur Versicherungspflicht des Klägers führenden Beschäftigung nicht in Abrede gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Unternehmensträgerschaft bei der Mutter des Klägers (Beigeladene zu 3.) als Einzelunternehmerin lag, verfügte der Kläger auch nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen (mit)beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherte. Zudem fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Weder hat der Kläger zwischen beiden das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog Innengesellschaft (vgl dazu und zu deren Voraussetzungen schon BSGE 40, 161, 163 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 17 mwN, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 22 f mwN) behauptet, noch hat das LSG insoweit den Senat bindende positive Feststellungen (vgl § 163 SGG) getroffen. Unabhängig davon kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts darüber hinaus nennenswerte Rechtsmacht eingeräumt war, die es ihm (im Innenverhältnis) ermöglicht hätte bzw ermöglichen würde, die Geschäfte des Unternehmens gegen den Willen der Beigeladenen zu 3. zu betreiben.

18

Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 3. auch nach weiteren Feststellungen des LSG im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Kläger war ihr - seiner Arbeitgeberin - gegenüber weisungsunterworfen und in die von ihr vorgegebene Arbeitsorganisation ihres Unternehmens eingebunden. Nach der zutreffenden Bewertung des LSG hatte nämlich (allein) die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f, ferner sogleich und unten 1. c ee), an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden.

19

cc) An dem Ausgangspunkt ändert die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. grundsätzlich nichts. Eine (abhängige) Beschäftigung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig ist (vgl schon zu so genannten "Meistersöhnen" BSGE 3, 30, 39). Zu prüfen ist allerdings insbesondere, ob der Angehörige in einem Familienunternehmen als Beschäftigter, als Mitunternehmer oder Mitgesellschafter eines Angehörigen oder ob seine Tätigkeit lediglich als familienhafte Mithilfe anzusehen ist (vgl BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die Abgrenzung hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37 S 127; BSGE 74, 275, 278 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60). Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit, die im Unternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der als natürliche Person Unternehmensinhaber bzw Träger des Unternehmens und mit seinem ganzen Vermögen dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen nicht wesentlich von der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft, zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Die Rechtsprechung des BSG hat in der Vergangenheit allerdings abweichend von diesen Grundsätzen bei Tätigkeiten für eine Gesellschaft eine Selbstständigkeit des Betroffenen für möglich gehalten, wenn seine Tätigkeit durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war, auch wenn er nicht über eine Sperrminorität verfügte (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f). Soweit darüber hinausgehend der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich erachtete (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1), hat der Senat in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings offengelassen, ob der vom 11. Senat des BSG vertretenen Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - aaO, RdNr 32). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger sei aufgrund einer "faktischen Machtposition", der derjenigen eines (Mit-)Inhabers gleichkomme, selbstständig gewesen, nicht überzeugen können.

20

c) Eine Selbstständigkeit des Klägers lässt sich schließlich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf begründen, dass - hinausgehend über die Darlegungen unter b) - sonstige Umstände und Indizien des Einzelfalls bei einer Gesamtschau für die Zeit ab 24.6.2001 gleichwohl für den von ihm beanspruchten Status sprächen.

21

Für die - mangels Revisionseinlegung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des LSG-Urteils - nicht (mehr) im Streit befindliche Zeit vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 hat das LSG die Tätigkeit des Klägers als (abhängige) Beschäftigung qualifiziert. Entgegen der Auffassung des LSG ist auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmens ab 24.6.2001 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin (abhängig) beschäftigt blieb.

22

aa) Das LSG hat hierzu zunächst zutreffend festgestellt, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers (= Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Entgelts auf ein privates Konto des Klägers) unverändert blieben. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die fehlende Veränderung könne dem Kläger nicht "vorgeworfen" werden, weil er am 19.4.2004 um die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gebeten habe, rechtfertigt nicht schon die Schlussfolgerung, der Kläger sei selbst von einer Änderung zum 24.6.2001 ausgegangen: Zum Einen erfolgte der Antrag ohnehin erst ca drei Jahre nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens, zum Anderen stellte der Kläger selbst nicht nur die Zeit ab 24.6.2001, sondern den gesamten Tätigkeitszeitraum ab 1.1.1991 zur Überprüfung durch die Einzugsstelle.

23

bb) Die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen blieben auch ab 24.6.2001 unverändert. Der der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegende Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 wurde nicht geändert. Die Beigeladene zu 3. war nach wie vor Alleininhaberin bzw alleinige Trägerin des von ihr in der Form des Einzelunternehmens betriebenen Unternehmens.

24

cc) Der Kläger war auch ab dem 24.6.2001 nicht an dem Unternehmen, zB als Mitunternehmer, gleichberechtigter Partner neben der Beigeladenen zu 3. oder gar rechtlich allein maßgebender Unternehmensträger, beteiligt. Die einmalige Übernahme einer Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro zu einem nicht konkret festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2005 oder 2006 durch den Kläger rechtfertigt weder die Annahme, dass der Kläger hierdurch einen solchen Status erlangte, noch kann darin ein relevantes "Kapitalrisiko" des Klägers gesehen werden. Zwar hat das LSG keine näheren Feststellungen im Zusammenhang mit der Kostenübernahme getroffen. So ist ungeklärt, ob der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise überließ oder ihr den Betrag übereignete. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe kommt allerdings auch in Betracht, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeit des Klägers gehandelt haben könnte, die uU dadurch motiviert war, dass er eines Tages - der Familientradition folgend - das Unternehmen übernehmen würde. Die Höhe der übernommenen Kosten ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den Einrichtungskosten der Weinhandlung mit Gaststätte und zum Wert des Warenbestandes des Unternehmens als geringfügig anzusehen.

25

Soweit das LSG die einmalige Kostenübernahme als sehr geringes "Kapitalrisiko" des Klägers bewertet hat, ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte: Bei dem von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmen handelt es sich um ein Einzelunternehmen, nicht um eine eigenständige juristische Person des Privatrechts, zB eine Kapitalgesellschaft. Ein Risiko wäre allenfalls gegeben, wenn der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe wäre aber auch das entsprechende Kreditausfallrisiko gering gewesen.

26

Die Kostenübernahme führte auch nicht zu einer "Mitunternehmerschaft" des Klägers an dem Unternehmen der Beigeladenen zu 3. Vielmehr hielt die Beigeladene zu 3. nach den Feststellungen des LSG durchgängig am Betrieb des Unternehmens als inhabergeführtes Einzelunternehmen fest. Demzufolge trug - wie bereits ausgeführt - ausschließlich die Beigeladene zu 3. als Inhaberin des Einzelunternehmens bzw Trägerin des Unternehmens ein Haftungsrisiko für dessen Verbindlichkeiten. Sie allein haftete mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens. Demgegenüber traf den Kläger keinerlei Haftungsrisiko.

27

dd) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, die fehlende regelmäßige Anpassung des Gehalts des Klägers spreche für dessen Selbstständigkeit im streitigen Zeitraum. Insoweit berücksichtigt das Berufungsgericht bereits nicht hinreichend, dass seine tatsächlichen Feststellungen nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe insoweit bereits rechtswirksam auf einen entsprechenden Vergütungsanspruch verzichtet. Mangels eines ausdrücklichen Verzichts stünde einer Geltendmachung eines Anspruchs unter Durchsetzung der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen über die regelmäßige Gehaltsanpassung allenfalls dessen Durchsetzbarkeit durch die möglicherweise geltend gemachte Verjährung entgegen. Insoweit trat jedoch auch keine Änderung der Verhältnisse zum 24.6.2001 ein. Vielmehr wurde das Entgelt des Klägers nach den Feststellungen des LSG "vor Jahren" von der Entwicklung der Löhne und Gehälter "abgekoppelt". Einen unmittelbaren Bezug zu der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001 hat es demgegenüber nicht festgestellt. Soweit das LSG die Nichtanpassung der Arbeitsvergütung als "Gehaltsverzicht" bewertet hat und darin ein gewisses "Unternehmerrisiko" des Klägers sieht, ist wiederum nicht ohne Weiteres ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte. Zwar könnte man annehmen, sein Risiko habe darin bestanden, bereits im Vorgriff auf den späteren Übergang des Unternehmens auf die regelmäßige Anpassung seines Entgelts verzichtet zu haben, ohne eine hinsichtlich des Unternehmensübergangs gefestigte Rechtsposition erreicht zu haben. Einem derart angenommenen Risiko steht allerdings entgegen, dass der Kläger durchgehend eine feste Arbeitsvergütung bezog, deren Höhe einerseits deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausging und andererseits nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig war. Darüber hinaus trug der Kläger - wie bereits dargelegt - kein rechtlich bedeutsames und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG durch entsprechende äußere Umstände dokumentiertes Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens der Beigeladenen zu 3.

28

ee) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt schließlich eine vermeintliche "faktische Machtposition" des Klägers nicht die Annahme seiner Selbstständigkeit.

29

Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen RV und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Ähnlich verhält es sich hier. Der Kläger war nämlich trotz seiner betrieblichen Befugnisse ununterbrochen in das Unternehmen der Beigeladenen zu 3. organisatorisch eingebunden. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags war er zwar berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen. Ausdrücklich war er aber nicht umfassend mit gleichen Rechten wie die Beigeladene zu 3. ausgestattet, sondern nur als deren "Stellvertreter" eingesetzt und für Personalfragen nicht durchgehend, sondern nur ausnahmsweise - bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. - zuständig. Die vom LSG gleichwohl angenommene "Machtposition" des Klägers leitet sich damit lediglich daraus ab, dass er auf die Unternehmenstätigkeit und deren Ausrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, was sich letztlich in der im Sommer 2001 vollzogenen inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens von einem Lebensmittel- und Getränkeverkauf hin zu einer Weinhandlung mit Gaststätte dokumentierte. Das LSG hat allerdings gleichwohl ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene zu 3. - trotz Änderung der Geschäftsausrichtung weg von einem Lebensmittel- und Getränkeladen hin zu einer Weinhandlung mit Probierstube und Küchenbetrieb - durchgehend an dem von Beginn an bestehenden und über die Jahre hinweg auch so weitergeführten Form als Einzelunternehmen festhielt. Demzufolge hatte - nach der zutreffenden Bewertung durch das LSG - allein die Beigeladene zu 3. als Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens die Rechtsmacht, Änderungen an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben zu entbinden. Daran änderte sich auch erkennbar nichts nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001; denn die Beigeladene zu 3. hatte es nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der Kläger die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (zur vorrangigen Bedeutung formell bestehender Rechtsmacht gegenüber dem Gesichtspunkt ihrer tatsächlichen Nichtausübung vgl bereits BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, hat das LSG nicht festgestellt und sind sonst nicht ersichtlich. Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern. Darüber hinaus bezog sich die vom LSG angenommene "Machtposition" des Klägers allein auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens der Beigeladenen zu 3. Nur insoweit hatte der Kläger aufgrund seines geltend gemachten Fachwissens eine herausgehobene Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Eine wirtschaftlich beherrschende Stellung durch den Kläger war demgegenüber nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG können derartige Einflussmöglichkeiten zwar beachtenswert sein, soweit sie einem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). Wie dargestellt, betreibt die Beigeladene zu 3. das Unternehmen indessen nach wie vor als Einzelunternehmerin bzw alleinige Trägerin. Hinweise auf eine Mitunternehmerschaft bzw eine nennenswerte Kapitalbeteiligung des Klägers an dem Unternehmen verbunden mit einem damit korrespondierenden wesentlichen Einfluss auf dessen Bestand und Geschäftsbetrieb liegen nicht vor.

30

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.

3

Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:

"§ 3

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.

…       

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.

§ 4

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.

Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.

In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.

…       

§ 5

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.

Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.

Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.

…       

Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…

…       

§ 8

…       

Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.

Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…

…       

Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.

§ 9

Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.

Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.

…"    

4

Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.

5

Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.

6

Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).

7

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.

8

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.

9

Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.

10

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."

11

Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.

14

Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.

17

1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).

18

Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).

19

2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

20

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

21

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).

22

b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.

23

aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

24

bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.

25

cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").

26

dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.

27

Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.

28

Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.

29

ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).

30

Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.

31

Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).

32

ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.

33

Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).

34

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.

35

gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

36

Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.

37

Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.

38

Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.

39

hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).

40

Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).

41

3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).

42

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.

43

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.

44

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

14

2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

15

a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

16

b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

17

aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

18

bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

19

(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

20

(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

21

(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

22

(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

23

(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

24

(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

25

cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

26

dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

27

Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

28

3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

29

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Versicherungspflicht wegen (abhängiger) Beschäftigung.

2

Die Beigeladene zu 1. - eine GmbH, deren Stammkapital die Klägerin zu 10 % und ihr Ehemann zu 90 % halten - betreibt seit Ende 1984 den Handel mit Tapeten, Farben, Glas und Bodenbelägen sowie deren Verarbeitung. Der Ehemann der Klägerin - ein Malermeister - hatte das Unternehmen zuvor als Einzelfirma geführt; er ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH und führt dort den Malerbetrieb. Der notariell beglaubigte GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 13.12.1984 enthält unter § 8 folgende Bestimmung:

        

"Solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden sind, sind sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen. Erweitert sich die Zahl der Gesellschafter über diesen Kreis hinaus, so werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt. Die Auflösung der Gesellschaft kann in jedem Falle nur einstimmig beschlossen werden."

3

Die Klägerin - ursprünglich Finanzbeamtin und bereits vor Gründung der Beigeladenen zu 1. für das Einzelunternehmen ihres Ehemanns tätig - ist seit 12.12.1984 pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 1. zuständig für den Verkauf im Ladengeschäft und erledigt dort - wie schon zuvor im Betrieb ihres Ehemannes - kaufmännische Tätigkeiten, erstellt die Lohnabrechnungen und bearbeitet die Buchhaltung sowie das Mahn- und Bestellwesen. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schlossen die Beigeladene zu 1. und die Klägerin, die eine feste auf ihr privates Konto überwiesene monatliche Vergütung erhält, nicht; im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit wird ihr Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt; sie hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Klägerin gewährte der Beigeladenen zu 1. Darlehen in Höhe von insgesamt mehr als 60 000 Euro und nahm gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Darlehen über 20 000 Euro zugunsten der Beigeladenen zu 1. auf.

4

Mit Bescheid vom 28.3.1985 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1. festgestellt, dass die Klägerin weiterhin kranken- und rentenversicherungspflichtig sei, weil sie als kaufmännische Angestellte nur 10 % des Gesellschaftskapitals halte.

5

Im November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Mit Bescheid vom 26.5.2010 und Widerspruchsbescheid vom 22.9.2010 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 28.3.1985 ab, weil er nicht rechtswidrig gewesen sei und die Voraussetzungen des § 44 SGB X daher nicht vorlägen.

6

Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.2.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und - wie schon das SG - die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 28.3.1985 verneint: Das Erscheinungsbild der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. werde ganz wesentlich von Elementen geprägt, die für eine abhängige Beschäftigung typisch seien. Daran ändere sich nichts dadurch, dass Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH nur einvernehmlich zu fassen seien. Das Weisungsrecht über die Angestellten sei Sache der laufenden Geschäftsführung, die allein dem Ehemann der Klägerin obliege und nicht der Gesellschafterversammlung. Die Übernahme von Darlehensverpflichtungen sei zwar nicht arbeitnehmertypisch, jedoch treffe die Klägerin daraus vorrangig ein bloßes Haftungs- bzw Ausfallrisiko und kein echtes Unternehmerrisiko (Urteil vom 8.5.2014).

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 44 SGB X iVm §§ 7, 28h SGB IV. Das LSG habe bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung fehlerhaft die Fortgeltung eines vermeintlich zuvor bestehenden Anstellungsvertrages nach Gründung der Beigeladenen zu 1. unterstellt. Sie (die Klägerin) und ihr Ehemann hätten ein gleichberechtigtes Nebeneinanderstehen und eine gemeinsame Unternehmensführung vereinbart, indem sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen seien. Sie sei bereits aufgrund ihrer durchgehend vorhandenen Sperrminorität und wegen der besonderen Umstände (Ehegatten-GmbH, kein Arbeitsvertrag, gleichberechtigtes Miteinander und Einschluss der Übernahme persönlicher Haftung) im gesamten Streitzeitraum nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 2013 aufzuheben sowie

        

1.    

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. März 1985 zurückzunehmen und

        

2.    

festzustellen, dass sie (die Klägerin) im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 12. Dezember 1984 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen hat.

9

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Sie sind der Auffassung, das Berufungsgericht habe zutreffend und in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, dass die Klägerin als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt sei.

11

Die Beigeladene zu 4. stellt keinen Antrag und äußert sich auch nicht zur Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

13

Das LSG hat die Berufung gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil revisionsrechtlich beanstandungsfrei zurückgewiesen.

14

Die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse (Bescheid vom 26.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2010) sind rechtmäßig. Die Beklagte war nicht nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Klägerin von November 2007 hin den Bescheid vom 28.3.1985 zurückzunehmen und entgegen diesem Bescheid festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 12.12.1984 bis 8.5.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

15

1. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 28.3.1985 nicht erfüllt.

16

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

17

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder ist die Beklagte von einem "unrichtigen Sachverhalt" ausgegangen noch hat sie das "Recht unrichtig angewandt". Das LSG ist vielmehr ausgehend von den dafür einschlägigen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen (dazu im Folgenden b) sowie von den auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls vom LSG festgestellten, für den Senat bindenden Tatsachen (vgl § 163 SGG; dazu im Folgenden c) ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auch nach der Gründung der Beigeladenen zu 1. aufgrund (abhängiger) Beschäftigung seit Ende 1984 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

18

b) Ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht richtig bzw unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht. Bei Bekanntgabe des Bescheides vom 28.3.1985 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der - hier wegen von der Beklagten angenommener Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung kraft Geringfügigkeit zunächst nur betroffenen - Kranken- und Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 165 Abs 2 S 1 RVO, seit 1.1.1989 § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 1227 Abs 1 S 1 RVO, seit 1.1.1992 § 1 S 1 Nr 1 SGB VI in ihren jeweils geltenden Fassungen); seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung zum 1.1.1995 unterliegen solche Personen auch der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI idF des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Eine entsprechende Regelung zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung - maßgeblich für die spätere vollschichtige Tätigkeit der Klägerin - enthält § 25 Abs 1 SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war und ist § 7 Abs 1 SGB IV(seit 1.1.1999 § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, vgl Gesetz vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV(idF des Gesetzes vom 20.12.1999, aaO) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

19

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit macht es erforderlich, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

20

Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen, die insoweit maßgebenden Umstände des Falles berücksichtigt und im beschriebenen Sinne beanstandungsfrei begründet, dass die für eine (abhängige) Beschäftigung sprechenden Indizien hier überwiegen.

21

c) Die Feststellungen des LSG zu den der Tätigkeit der Klägerin zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen (dazu aa), den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (dazu bb) sowie zu der Gewährung von Darlehen (dazu cc) rechtfertigen - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist - die Annahme des LSG, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1. als Beschäftigte versicherungspflichtig war. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist (dazu dd).

22

aa) Das LSG hat anhand der zwischen den Beteiligten getroffenen und auch entsprechend umgesetzten vertraglichen Vereinbarungen die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 SGB IV zutreffend festgestellt, die auch so umgesetzt wurden.

23

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

24

Auf der Grundlage der von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) durften die Vorinstanzen annehmen, dass die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1. eine Stellung innehatte, wie derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. So erhielt die Klägerin von der Beigeladenen zu 1. eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung. Diese wurde von der Beigeladenen zu 1. auf das (eigene) private Konto der Klägerin zu deren alleinigen Verfügbarkeit überwiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen sowie auf bezahlten Urlaub. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte, ändert - wie vom LSG angenommen - nichts an der Wirksamkeit dieser ursprünglich zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann als früheren Einzelunternehmer getroffenen und nach Gründung der Beigeladenen zu 1. fortgeführten Vereinbarungen sowie an deren Bedeutung im Rahmen der vorzunehmenden sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Erwerbstätigkeit wurde auch von den Beteiligten des dem zugrun-deliegenden Rechtsverhältnisses in der Praxis fortlaufend sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigungsverhältnis behandelt. Erst nach einer - mehr als zwei Jahrzehnte nach Erlass des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides vom 28.3.1985 - über lange Zeit hinweg derart unbeanstandet hingenommenen Handhabung, während derer die Klägerin den Status als in den Schutz der Sozialversicherung einbezogene Person und die damit verbundenen Beitragspflichten akzeptierte, zog sie diese Praxis im November 2007 in Zweifel.

25

bb) Die Klägerin war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV für die Beigeladene zu 1. als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Beigeladenen zu 1. stehen die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Klägerin war insbesondere trotz der ihr eingeräumten Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschiedenen unterhaltenen Betrieb der Beigeladenen zu 1. - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert.

26

Die Klägerin war in dem hier streitigen Zeitraum am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. in wirtschaftlich untergeordnetem Maße, nämlich überhaupt nur in einem Umfang von 10 % beteiligt. Wer aber Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21, RdNr 16). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

27

Die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten unter § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 13.12.1984 zwar, dass - solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden waren - "sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig" zu fassen sind. Neben der Klägerin und ihrem Ehemann wurden keine weiteren Gesellschafter in die GmbH aufgenommen. Die Klägerin verfügte damit nur über eine Sperrminorität und konnte darauf bezogen maßgeblich Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen nehmen. Allerdings reichte diese Rechtsstellung der Klägerin als Gesellschafterin nicht soweit, dass sie damit jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer - vorliegend sozialversicherungsrechtlich allein zu beurteilenden - Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an sich jederzeit hätte verhindern können. Vielmehr blieb die Klägerin trotz der ihr auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Sperrminorität hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten (weiterhin) weisungsgebunden und war gleichwohl in den von ihr personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen zu 1. eingegliedert. Die Klägerin hatte auf der Grundlage der Feststellungen des LSG arbeitnehmertypische Rechte inne und war über Jahre hinweg grundsätzlich in einen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichtenkreis eingebunden.

28

Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl dazu bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 22 S 64 f). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 15; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 23).

29

Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. war der Ehemann der Klägerin bestellt. Das LSG hat daher zutreffend angenommen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden war. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Auch soweit die Klägerin innerhalb der GmbH für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich verantwortlich war, wurde sie letztlich nur als Erfüllungsgehilfin des Geschäftsführers tätig; allein dieser ist kraft Gesetzes verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bis 31.10.2008 § 41 Abs 1 GmbHG; vgl dazu bereits BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 58).

30

Die Klägerin war aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen zu 1. im Übrigen auch nicht in der Lage, ihren Ehemann als Geschäftsführer gegen seinen Willen nach § 46 Nr 5 GmbHG abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg dessen Weisungen zu entziehen. Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 des Gesellschaftsvertrages nur einstimmig gefasst werden konnten, hätte der Ehemann als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner eigenen Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch die Klägerin in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass sie als Mitgesellschafterin über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die - ebenfalls einstimmig zu erteilende - Entlastung nach § 46 Nr 5 GmbHG zu versagen(vgl dazu allgemein BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 18), würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit der Klägerin von der Beigeladenen zu 1. in Bezug auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern. Zwar wäre es denkbar, auf diesem Weg Einfluss auf den Geschäftsführer zu nehmen. Ohne Weiteres erfolgversprechend wäre dies indessen nicht, zumal nach einer nicht erteilten Entlastung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wiederum ein - nur mit dessen Mitwirkung zu treffender - einstimmiger Gesellschafterbeschluss nötig gewesen wäre. Auch handelt es sich insoweit nicht um ein rechtlich wirksames und durchsetzbares Instrument, um Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern.

31

cc) Das LSG hat zu Recht auch das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin verneint, weil sie kein Unternehmerrisiko trug, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in ihrem Sinne entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre.

32

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris RdNr 24; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Das LSG hat unter diesem Blickwinkel zu Recht ein Unternehmerrisiko verneint.

33

Die Darlehensgewährung der Klägerin begründet kein solches mit ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. verbundenes Risiko. Die Klägerin übernahm damit vielmehr nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. ergaben sich aus der Darlehensgewährung jedoch keine erkennbaren finanziellen Auswirkungen, vielmehr erhielt die Klägerin insoweit als Gegenleistung nach wie vor und weiterhin eine feste monatliche Vergütung. Im Übrigen ist es im Geschäftsleben auch nicht völlig unüblich, dass Arbeitnehmer (insbesondere in einer Familiengesellschaft) dem Unternehmen persönliche Darlehen gewähren oder zu dessen Gunsten sonstige finanzielle Verbindlichkeiten eingehen, insbesondere vor dem - bereits vom LSG angeführten - Hintergrund, dass Kreditinstitute bei Familienunternehmen typischerweise auch auf einer finanziellen Beteiligung bzw Mithaftung von Ehepartnern bzw anderen beteiligten Familienangehörigen bestehen.

34

dd) Der Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist.

35

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Eine solche Möglichkeit mag rein faktisch unbeschadet einschlägiger rechtlicher Bindungen allein aufgrund gegenseitiger familiärer Rücksichtnahme solange bestehen, wie auch das Einvernehmen der beteiligten Familienmitglieder im Rahmen eines gedeihlichen Zusammenwirkens gewahrt ist. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten würde dieser Gesichtspunkt indessen versagen, weil in einem solchen Fall durchsetzbar doch wieder allein die den einzelnen Familienmitgliedern konkret zustehende Rechtsmacht zum Tragen käme, sodass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen, die einen Rückgriff auf die der Erwerbstätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen gebieten, wieder eine Weisungsunterworfenheit angenommen werden müsste. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände indessen schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (grundlegend BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; zuletzt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, vgl dazu Nr 4 des BSG-Terminberichts Nr 31/15 vom 30.7.2015).

36

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.

3

Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:

"§ 3

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.

…       

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.

§ 4

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.

Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.

In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.

…       

§ 5

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.

Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.

Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.

…       

Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…

…       

§ 8

…       

Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.

Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…

…       

Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.

§ 9

Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.

Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.

…"    

4

Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.

5

Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.

6

Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).

7

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.

8

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.

9

Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.

10

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."

11

Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.

14

Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.

17

1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).

18

Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).

19

2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

20

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

21

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).

22

b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.

23

aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

24

bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.

25

cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").

26

dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.

27

Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.

28

Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.

29

ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).

30

Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.

31

Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).

32

ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.

33

Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).

34

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.

35

gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

36

Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.

37

Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.

38

Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.

39

hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).

40

Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).

41

3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).

42

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.

43

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.

44

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Versicherungspflicht wegen (abhängiger) Beschäftigung.

2

Die Beigeladene zu 1. - eine GmbH, deren Stammkapital die Klägerin zu 10 % und ihr Ehemann zu 90 % halten - betreibt seit Ende 1984 den Handel mit Tapeten, Farben, Glas und Bodenbelägen sowie deren Verarbeitung. Der Ehemann der Klägerin - ein Malermeister - hatte das Unternehmen zuvor als Einzelfirma geführt; er ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH und führt dort den Malerbetrieb. Der notariell beglaubigte GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 13.12.1984 enthält unter § 8 folgende Bestimmung:

        

"Solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden sind, sind sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen. Erweitert sich die Zahl der Gesellschafter über diesen Kreis hinaus, so werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt. Die Auflösung der Gesellschaft kann in jedem Falle nur einstimmig beschlossen werden."

3

Die Klägerin - ursprünglich Finanzbeamtin und bereits vor Gründung der Beigeladenen zu 1. für das Einzelunternehmen ihres Ehemanns tätig - ist seit 12.12.1984 pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 1. zuständig für den Verkauf im Ladengeschäft und erledigt dort - wie schon zuvor im Betrieb ihres Ehemannes - kaufmännische Tätigkeiten, erstellt die Lohnabrechnungen und bearbeitet die Buchhaltung sowie das Mahn- und Bestellwesen. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schlossen die Beigeladene zu 1. und die Klägerin, die eine feste auf ihr privates Konto überwiesene monatliche Vergütung erhält, nicht; im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit wird ihr Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt; sie hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Klägerin gewährte der Beigeladenen zu 1. Darlehen in Höhe von insgesamt mehr als 60 000 Euro und nahm gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Darlehen über 20 000 Euro zugunsten der Beigeladenen zu 1. auf.

4

Mit Bescheid vom 28.3.1985 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1. festgestellt, dass die Klägerin weiterhin kranken- und rentenversicherungspflichtig sei, weil sie als kaufmännische Angestellte nur 10 % des Gesellschaftskapitals halte.

5

Im November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Mit Bescheid vom 26.5.2010 und Widerspruchsbescheid vom 22.9.2010 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 28.3.1985 ab, weil er nicht rechtswidrig gewesen sei und die Voraussetzungen des § 44 SGB X daher nicht vorlägen.

6

Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.2.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und - wie schon das SG - die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 28.3.1985 verneint: Das Erscheinungsbild der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. werde ganz wesentlich von Elementen geprägt, die für eine abhängige Beschäftigung typisch seien. Daran ändere sich nichts dadurch, dass Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH nur einvernehmlich zu fassen seien. Das Weisungsrecht über die Angestellten sei Sache der laufenden Geschäftsführung, die allein dem Ehemann der Klägerin obliege und nicht der Gesellschafterversammlung. Die Übernahme von Darlehensverpflichtungen sei zwar nicht arbeitnehmertypisch, jedoch treffe die Klägerin daraus vorrangig ein bloßes Haftungs- bzw Ausfallrisiko und kein echtes Unternehmerrisiko (Urteil vom 8.5.2014).

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 44 SGB X iVm §§ 7, 28h SGB IV. Das LSG habe bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung fehlerhaft die Fortgeltung eines vermeintlich zuvor bestehenden Anstellungsvertrages nach Gründung der Beigeladenen zu 1. unterstellt. Sie (die Klägerin) und ihr Ehemann hätten ein gleichberechtigtes Nebeneinanderstehen und eine gemeinsame Unternehmensführung vereinbart, indem sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen seien. Sie sei bereits aufgrund ihrer durchgehend vorhandenen Sperrminorität und wegen der besonderen Umstände (Ehegatten-GmbH, kein Arbeitsvertrag, gleichberechtigtes Miteinander und Einschluss der Übernahme persönlicher Haftung) im gesamten Streitzeitraum nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 2013 aufzuheben sowie

        

1.    

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. März 1985 zurückzunehmen und

        

2.    

festzustellen, dass sie (die Klägerin) im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 12. Dezember 1984 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen hat.

9

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Sie sind der Auffassung, das Berufungsgericht habe zutreffend und in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, dass die Klägerin als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt sei.

11

Die Beigeladene zu 4. stellt keinen Antrag und äußert sich auch nicht zur Sache.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

13

Das LSG hat die Berufung gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil revisionsrechtlich beanstandungsfrei zurückgewiesen.

14

Die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse (Bescheid vom 26.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2010) sind rechtmäßig. Die Beklagte war nicht nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Klägerin von November 2007 hin den Bescheid vom 28.3.1985 zurückzunehmen und entgegen diesem Bescheid festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 12.12.1984 bis 8.5.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

15

1. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 28.3.1985 nicht erfüllt.

16

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

17

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder ist die Beklagte von einem "unrichtigen Sachverhalt" ausgegangen noch hat sie das "Recht unrichtig angewandt". Das LSG ist vielmehr ausgehend von den dafür einschlägigen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen (dazu im Folgenden b) sowie von den auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls vom LSG festgestellten, für den Senat bindenden Tatsachen (vgl § 163 SGG; dazu im Folgenden c) ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auch nach der Gründung der Beigeladenen zu 1. aufgrund (abhängiger) Beschäftigung seit Ende 1984 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

18

b) Ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht richtig bzw unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht. Bei Bekanntgabe des Bescheides vom 28.3.1985 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der - hier wegen von der Beklagten angenommener Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung kraft Geringfügigkeit zunächst nur betroffenen - Kranken- und Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 165 Abs 2 S 1 RVO, seit 1.1.1989 § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 1227 Abs 1 S 1 RVO, seit 1.1.1992 § 1 S 1 Nr 1 SGB VI in ihren jeweils geltenden Fassungen); seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung zum 1.1.1995 unterliegen solche Personen auch der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI idF des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Eine entsprechende Regelung zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung - maßgeblich für die spätere vollschichtige Tätigkeit der Klägerin - enthält § 25 Abs 1 SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war und ist § 7 Abs 1 SGB IV(seit 1.1.1999 § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, vgl Gesetz vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV(idF des Gesetzes vom 20.12.1999, aaO) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

19

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit macht es erforderlich, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

20

Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen, die insoweit maßgebenden Umstände des Falles berücksichtigt und im beschriebenen Sinne beanstandungsfrei begründet, dass die für eine (abhängige) Beschäftigung sprechenden Indizien hier überwiegen.

21

c) Die Feststellungen des LSG zu den der Tätigkeit der Klägerin zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen (dazu aa), den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (dazu bb) sowie zu der Gewährung von Darlehen (dazu cc) rechtfertigen - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist - die Annahme des LSG, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1. als Beschäftigte versicherungspflichtig war. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist (dazu dd).

22

aa) Das LSG hat anhand der zwischen den Beteiligten getroffenen und auch entsprechend umgesetzten vertraglichen Vereinbarungen die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 SGB IV zutreffend festgestellt, die auch so umgesetzt wurden.

23

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

24

Auf der Grundlage der von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) durften die Vorinstanzen annehmen, dass die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1. eine Stellung innehatte, wie derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. So erhielt die Klägerin von der Beigeladenen zu 1. eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung. Diese wurde von der Beigeladenen zu 1. auf das (eigene) private Konto der Klägerin zu deren alleinigen Verfügbarkeit überwiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen sowie auf bezahlten Urlaub. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte, ändert - wie vom LSG angenommen - nichts an der Wirksamkeit dieser ursprünglich zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann als früheren Einzelunternehmer getroffenen und nach Gründung der Beigeladenen zu 1. fortgeführten Vereinbarungen sowie an deren Bedeutung im Rahmen der vorzunehmenden sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Erwerbstätigkeit wurde auch von den Beteiligten des dem zugrun-deliegenden Rechtsverhältnisses in der Praxis fortlaufend sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigungsverhältnis behandelt. Erst nach einer - mehr als zwei Jahrzehnte nach Erlass des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides vom 28.3.1985 - über lange Zeit hinweg derart unbeanstandet hingenommenen Handhabung, während derer die Klägerin den Status als in den Schutz der Sozialversicherung einbezogene Person und die damit verbundenen Beitragspflichten akzeptierte, zog sie diese Praxis im November 2007 in Zweifel.

25

bb) Die Klägerin war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV für die Beigeladene zu 1. als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Beigeladenen zu 1. stehen die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Klägerin war insbesondere trotz der ihr eingeräumten Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschiedenen unterhaltenen Betrieb der Beigeladenen zu 1. - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert.

26

Die Klägerin war in dem hier streitigen Zeitraum am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. in wirtschaftlich untergeordnetem Maße, nämlich überhaupt nur in einem Umfang von 10 % beteiligt. Wer aber Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21, RdNr 16). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

27

Die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten unter § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 13.12.1984 zwar, dass - solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden waren - "sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig" zu fassen sind. Neben der Klägerin und ihrem Ehemann wurden keine weiteren Gesellschafter in die GmbH aufgenommen. Die Klägerin verfügte damit nur über eine Sperrminorität und konnte darauf bezogen maßgeblich Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen nehmen. Allerdings reichte diese Rechtsstellung der Klägerin als Gesellschafterin nicht soweit, dass sie damit jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer - vorliegend sozialversicherungsrechtlich allein zu beurteilenden - Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an sich jederzeit hätte verhindern können. Vielmehr blieb die Klägerin trotz der ihr auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Sperrminorität hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten (weiterhin) weisungsgebunden und war gleichwohl in den von ihr personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen zu 1. eingegliedert. Die Klägerin hatte auf der Grundlage der Feststellungen des LSG arbeitnehmertypische Rechte inne und war über Jahre hinweg grundsätzlich in einen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichtenkreis eingebunden.

28

Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl dazu bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 22 S 64 f). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 15; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 23).

29

Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. war der Ehemann der Klägerin bestellt. Das LSG hat daher zutreffend angenommen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden war. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Auch soweit die Klägerin innerhalb der GmbH für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich verantwortlich war, wurde sie letztlich nur als Erfüllungsgehilfin des Geschäftsführers tätig; allein dieser ist kraft Gesetzes verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bis 31.10.2008 § 41 Abs 1 GmbHG; vgl dazu bereits BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 58).

30

Die Klägerin war aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen zu 1. im Übrigen auch nicht in der Lage, ihren Ehemann als Geschäftsführer gegen seinen Willen nach § 46 Nr 5 GmbHG abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg dessen Weisungen zu entziehen. Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 des Gesellschaftsvertrages nur einstimmig gefasst werden konnten, hätte der Ehemann als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner eigenen Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch die Klägerin in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass sie als Mitgesellschafterin über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die - ebenfalls einstimmig zu erteilende - Entlastung nach § 46 Nr 5 GmbHG zu versagen(vgl dazu allgemein BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 18), würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit der Klägerin von der Beigeladenen zu 1. in Bezug auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern. Zwar wäre es denkbar, auf diesem Weg Einfluss auf den Geschäftsführer zu nehmen. Ohne Weiteres erfolgversprechend wäre dies indessen nicht, zumal nach einer nicht erteilten Entlastung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wiederum ein - nur mit dessen Mitwirkung zu treffender - einstimmiger Gesellschafterbeschluss nötig gewesen wäre. Auch handelt es sich insoweit nicht um ein rechtlich wirksames und durchsetzbares Instrument, um Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern.

31

cc) Das LSG hat zu Recht auch das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin verneint, weil sie kein Unternehmerrisiko trug, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in ihrem Sinne entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre.

32

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris RdNr 24; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Das LSG hat unter diesem Blickwinkel zu Recht ein Unternehmerrisiko verneint.

33

Die Darlehensgewährung der Klägerin begründet kein solches mit ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. verbundenes Risiko. Die Klägerin übernahm damit vielmehr nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. ergaben sich aus der Darlehensgewährung jedoch keine erkennbaren finanziellen Auswirkungen, vielmehr erhielt die Klägerin insoweit als Gegenleistung nach wie vor und weiterhin eine feste monatliche Vergütung. Im Übrigen ist es im Geschäftsleben auch nicht völlig unüblich, dass Arbeitnehmer (insbesondere in einer Familiengesellschaft) dem Unternehmen persönliche Darlehen gewähren oder zu dessen Gunsten sonstige finanzielle Verbindlichkeiten eingehen, insbesondere vor dem - bereits vom LSG angeführten - Hintergrund, dass Kreditinstitute bei Familienunternehmen typischerweise auch auf einer finanziellen Beteiligung bzw Mithaftung von Ehepartnern bzw anderen beteiligten Familienangehörigen bestehen.

34

dd) Der Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist.

35

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Eine solche Möglichkeit mag rein faktisch unbeschadet einschlägiger rechtlicher Bindungen allein aufgrund gegenseitiger familiärer Rücksichtnahme solange bestehen, wie auch das Einvernehmen der beteiligten Familienmitglieder im Rahmen eines gedeihlichen Zusammenwirkens gewahrt ist. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten würde dieser Gesichtspunkt indessen versagen, weil in einem solchen Fall durchsetzbar doch wieder allein die den einzelnen Familienmitgliedern konkret zustehende Rechtsmacht zum Tragen käme, sodass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen, die einen Rückgriff auf die der Erwerbstätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen gebieten, wieder eine Weisungsunterworfenheit angenommen werden müsste. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände indessen schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (grundlegend BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; zuletzt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, vgl dazu Nr 4 des BSG-Terminberichts Nr 31/15 vom 30.7.2015).

36

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

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1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

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2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

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Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

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a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

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Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

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b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

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Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

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Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

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Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

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c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

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Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

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Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

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Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

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Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

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Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

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Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

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Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

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d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

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Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

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Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handlungsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung getroffen sind, die dem Ortsgebrauch entsprechenden Dienste zu leisten sowie die dem Ortsgebrauch entsprechende Vergütung zu beanspruchen. In Ermangelung eines Ortsgebrauchs gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als vereinbart.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 728/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen und - im Wege der Widerklage - die Zahlung einer üblichen Vergütung.

2

Der Kläger ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war bei ihm vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2006 als Versicherungsvertreter tätig. Grundlage der Zusammenarbeit war ein „Vertretervertrag für hauptberufliche Vertreter (§§ 84 ff. HGB)“ vom 10./16. Januar 2005 (im Folgenden: Vertretervertrag), in dem es auszugsweise heißt:


        

     

                 
Der Vertreter übernimmt im Hauptberuf eine Vertretung für die D. Die Übernahme der Vertretung geschieht unter den nachstehenden Bedingungen sowie gemäß den diesem Vertrag beigefügten und den noch zu erlassenden schriftlichen Geschäftsanweisungen, soweit sie diesem Vertrag nicht zuwiderlaufen.
                 
Die Vertragspartner sind sich einig, dass der Vertreter die Anforderungen des Ausbildungsprogramms zum/zur ‚Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)’ zu erfüllen hat. Steht endgültig fest, dass er diesen Anforderungen nicht genügt, so wird der Vertretervertrag grundsätzlich ordentlich gekündigt.
        
       

                 
Der Vertreter ist als selbstständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf (§§ 84 ff. HGB) ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln. Über seine Zeit und die Art der Durchführung seiner Tätigkeit kann der Vertreter im Wesentlichen frei bestimmen.
                 
Für die Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen (z. B. Anmeldung seines Gewerbes nach § 14 der Gewerbeordnung und Versteuerung seiner Einkünfte) ist der Vertreter selbst verantwortlich.
                 
Der Vertreter ist Vermittlungsagent im Sinne des § 43 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). …
                 
…       
        
       

                 
Der Vertreter erhält nach Maßgabe der beigefügten Provisionsbestimmungen Provisionen, die das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit darstellen. Er ist nicht berechtigt, besondere Gebühren für die Aufnahme des Antrags oder aus anderen Gründen zu erheben.
        
…“   
        
3

Mit gleichem Datum schlossen die Parteien „Besondere Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 1. Februar 2005“ (im Folgenden: Besondere Vereinbarungen), in denen sie ua. regelten:


        

„1.

Zur Gründung und Konsolidierung seiner Existenz als selbständiger Gewerbetreibender nach Maßgabe des § 84 HGB kann der Vertreter für den Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 30.04.2005 eine Aufbauhilfe in Form eines gleichbleibenden Vorschusses in Höhe von € 1900,00 pro Monat, im Zeitraum vom 01.05.2005 bis zum 31.07.2005 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1700,00 und im Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1500,00 von der D bekommen.
        
…       
        
        
3.   

Die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse (offene D-Forderungen) ist während des gesamten Aufbauhilfezeitraumes auf € 15.500,00 begrenzt. Erreicht das Vertreterkonto diesen Forderungsbetrag, endet die Zahlung der Aufbauhilfe ungeachtet des in Ziffer 1 vereinbarten Zeitraumes.
        
4.   

Die Aufbauhilfe wird jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrages erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet.
                 
Ist eine vollständige Verrechnung in einem Monat nicht möglich, wird der sich ergebende Vorschußsaldo vorgetragen und ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit evtl. bestehenden Überschüssen in den Folgemonaten verrechnet. Sofern das Vertreterkonto ausgeglichen ist, werden sich ergebende Überschüsse ausgezahlt.
                 
Der Unterschuß wird bis zur vollständigen Verrechnung bzw. Beendigung des Vertretervortrages vorgetragen.
        
5.   

Etwaige nach Auslaufen der Aufbauhilfe sich ergebende Unterschüsse werden ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit noch anfallenden Provisionen und sonstigen Vergütungen einschließlich Bonifikation verrechnet.
        
6.   

Die Vorschußzahlungen enden sofort mit Ausspruch der Kündigung bzw. bei Abschluß einer Beendigungsvereinbarung. Alle danach noch anfallenden Vergütungen werden auf einen evtl. Unterschuß angerechnet.
        
7.   

Bei Ausspruch der Kündigung des Vertretervertrages bzw. Abschluß einer Beendigungsvereinbarung ist ein noch ausstehender Unterschuß vom Vertreter sofort auszugleichen.
                 
Kündigt der Vertreter, ist, um das Kündigungsrecht des Vertreters nicht zu erschweren, ein etwaiger sich nach Verrechnung mit verdienten Provisionen, Bonifikationen und sonstigen Vergütungen ergebender Unterschuß nach Vertragsbeendigung in 12 gleichen Monatsraten an die D zurückzuzahlen. Die erste Rate ist zum Schluss des auf das Vertragsende folgenden Monats zu zahlen. Die folgenden Raten werden zum Ende der jeweils folgenden Monate zur Zahlung fällig. Nach Vertragsbeendigung noch anfallende Vergütungen werden ebenfalls auf den Unterschuß angerechnet. Der Vertreter paßt die Ratenzahlung entsprechend an (d.h. Verkürzung des Ratenzahlungszeitraums und/oder Reduzierung der letzten Ratenzahlung).
        
…       
        
        
9.   

Der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebietes liegt im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L.“
4

Ebenfalls unter dem 10./16. Januar 2005 trafen die Parteien eine „Bonifikationsvereinbarung zum Vertretervertrag vom 01.02.2005“, nach der der Beklagte zusätzlich zu den Provisionen eine freiwillige Bonifikation iHv. 10.000,00 Euro bei Erreichen von Nettoabschlussprovisionen iHv. 35.266,67 Euro in den ersten 24 Tätigkeitsmonaten oder von 21.050,00 Euro vom 13. - 24. Tätigkeitsmonat erhalten sollte. Vorausgesetzt wurde ferner, dass der Vertretervertrag im 25. Tätigkeitsmonat auf unbestimmte Dauer fortbesteht. Mit dem Inhaber der Agentur L schloss der Kläger mit Datum 10./14. Januar 2005 eine Vereinbarung über die Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L, in der es heißt:


        

„…   
        
1.   

Der Agenturvertreter (V) wird dem Vertreter zugeordnet.
                 
Damit soll eine optimale Kundenbetreuung und eine höhere Bestandsproduktivität erzielt werden.
                 
Der Vertreter stellt dem Agenturvertreter hierfür alle notwendigen Informationen und Hilfsmittel zur Verfügung.
        
2.   

Das Neukundengeschäft des Agenturvertreters fließt für die Dauer der Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Regelung in Ziffer 4 in den Bestand des Vertreters ein.
        
3.   

Die im Rahmen der Zusammenarbeit erzielte Jahresnetto-Abschlußprovisionen des v.g. Agenturvertreters wird auch bei Ermittlung des erhöhten Abschlußprovisionszuschusses für den Vertreter berücksichtigt.
        
4.   

Sollte die Zusammenarbeit zwischen Vertreter und Agenturvertreter entweder vom Vertreter, vom Agenturvertreter oder von der D nicht mehr gewünscht werden, wird die Vermittler-Zuordnung beendet. Das bis dahin dem Vertreter zugeflossene bestands- bzw. servicevergütungspflichtige Geschäft verbleibt im Bestand des Vertreters.
        
…“   
        
5

Mit einem Nachtrag vom 22./27. Dezember 2005 wurde die Zuordnung des Beklagten zur Agentur L zum 31. Dezember 2005 beendet. Auf seinen Wunsch wechselte er zur Agentur V.

6

Zur Erlangung der Qualifikation „Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ veranstaltet der Kläger in seiner Zentrale in K eine Seminarreihe, bestehend aus sieben Grundseminaren und einem prüfungsvorbereitenden Seminar. Die Seminare dauern in der Regel fünf Arbeitstage und sollen innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten durchlaufen werden. Der Beklagte erhielt regelmäßig Einladungen zur Teilnahme an den Seminaren.

7

Im Rahmen seiner Tätigkeit übermittelte der Beklagte dem für ihn zuständigen Organisationsleiter des Klägers regelmäßig montags bis 12:00 Uhr einen Wochenbericht für die zurückliegende Woche und eine Planung für die folgende.

8

Im Zeitraum Februar 2005 bis Januar 2006 zahlte der Kläger an den Beklagten gem. Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen unter Verrechnung verdienter Provisionen 10.344,73 Euro.

9

Mit Schreiben vom 30. März 2006 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. Mai 2006. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich unter Verrechnung von Stornoreserveguthaben ein Saldo iHv. 9.698,24 Euro zu seinen Lasten.

10

Mit der zunächst zum Landgericht erhobenen und von diesem an das Arbeitsgericht verwiesenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen den Ausgleich des Negativsaldos begehrt und geltend gemacht, bei der dem Beklagten gewährten Aufbauhilfe habe es sich um Vorschüsse auf(noch) nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen gehandelt, zu deren Rückzahlung der Beklagte verpflichtet sei. Der Beklagte sei als selbständiger Versicherungsvertreter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bei ihm tätig gewesen.

11

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt,


        

1.   

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.698,24 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.273,71 Euro seit dem 1. März 2007 sowie aus 2.424,53 Euro seit dem 9. August 2007 zu zahlen,
        
2.   

die Widerklage abzuweisen.
12

Der Beklagte hat beantragt,


        

1.   

die Klage abzuweisen,
        
2.   

den Kläger zu verurteilen, an ihn 6.565,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2006 zu zahlen.
13

Der Beklagte hat geltend gemacht, keine Provisionsvorschüsse erhalten zu haben. Die Besonderen Vereinbarungen seien dahingehend auszulegen, dass die Aufbauhilfe als Vergütung während der Startphase garantiert sein solle. Das ergebe sich zumindest bei Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Darüber hinaus benachteilige ihn die Rückzahlungsklausel unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

14

In zweiter Linie hat der Beklagte geltend gemacht, sein Vertragsverhältnis zum Kläger sei als Arbeitsverhältnis einzuordnen, und vorgebracht, er habe seine Tätigkeit nicht frei gestalten und seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen können. Die Zuordnung zu den Agenturen L und V hätte ihn örtlich eingeschränkt, zudem sei er an die Bürozeiten der jeweiligen Agentur gebunden gewesen. Auf Anweisung des Klägers habe er mindestens 15 bis 20 Termine pro Woche vereinbaren und wahrnehmen müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden.

15

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Vergütung allein auf Provisionsbasis sei im Arbeitsverhältnis sittenwidrig. Deshalb könne er die übliche Vergütung beanspruchen, die sich aus den Tarifverträgen für das private Versicherungsgewerbe ergebe. Danach habe er für den Zeitraum seiner Tätigkeit beim Kläger insgesamt 28.624,13 Euro brutto zu beanspruchen. Abzüglich erhaltener Zahlungen iHv. 21.893,35 Euro verbleibe ein restlicher Vergütungsanspruch iHv. 6.730,78 Euro brutto.

16

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag und sein Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende und die Widerklage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

18

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis eingeordnet. Der Beklagte war sowohl nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 als auch dessen praktischer Durchführung selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 HGB.

19

1. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind alle Umstände des Falls in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich den gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 93, 132; 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 der Gründe, BAGE 93, 112; 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 95, 324). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (Senat 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe, BAGE 115, 1; 30. September 1998 - 5 AZR 563/97 - BAGE 90, 36). Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

20

2. Unter beiden Aspekten des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB war der Beklagte in einem für den Selbständigenstatus erforderlichen Maße frei von Weisungen.

21

a) Das gilt zunächst für die Arbeitszeit.

22

aa) Der Vertretervertrag enthält zu Beginn und Ende einer täglichen Arbeitszeit keinerlei Vorgaben. Der Beklagte hatte keine festen Arbeitszeiten. Aus der Vereinbarung der Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L vom 10./14. Januar 2005 ergibt sich keine verbindliche Festlegung seiner Arbeitszeiten in Anlehnung an die Öffnungszeiten des Agenturbüros. Diese Vereinbarung ist die rechtliche Grundlage für die in Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen getroffene Regelung, der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebiets des Beklagten solle im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L liegen. Damit wurde ein Tätigkeitsbezirk festgelegt, jedoch keine zeitliche Weisungsgebundenheit begründet.

23

bb) Die tatsächliche Durchführung des Vertretervertrags lässt eine zeitliche Weisungsgebundenheit nicht erkennen.

24

Der Beklagte macht zwar geltend, in den Agenturen L und V festen Arbeitszeiten unterworfen gewesen zu sein. Es fehlt aber an hinreichend substantiiertem Tatsachenvortrag dazu, wann der Beklagte von welchem Vertreter des Klägers eine Weisung welchen Inhalts erhalten hätte.

25

Der Arbeitszeitsouveränität des Beklagten steht die von ihm behauptete Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungsterminen mit einem Organisationsleiter des Klägers nicht entgegen. In einer verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit. Eine Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, stellt jedoch keinen so gravierenden Eingriff dar, dass er mit dem Status eines Selbständigen unvereinbar wäre(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132).

26

Ebenso wenig führen die vom Beklagten behaupteten Vorgaben des Klägers, pro Woche 15 bis 20 Kunden besuchen zu müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden, zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit. Zwar kann sich eine solche aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls ergeben. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 770/98 - zu II 1 b der Gründe, AP HGB § 92 Nr. 6 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 79; 26. Mai 1999 - 5 AZR 469/98 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 104 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 75). Insoweit fehlt es an Sachvortrag des Beklagten zur zeitlichen Inanspruchnahme der von ihm behaupteten Zahl von Kundenbesuchen und einer damit verbundenen Einengung seines Spielraums zur Bestimmung von Dauer und Lage seiner Arbeitszeit. Im Übrigen liegt es für einen Versicherungsvertreter im Hauptberuf nahe, dass er möglichst viele Kunden besucht.

27

b) Der Beklagte war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei.

28

aa) Dem Beklagten war vertraglich kein bestimmter Arbeitsort vorgegeben. Er musste weder die Räumlichkeiten des Klägers noch die der Agenturen L bzw. V aufsuchen, um von dort aus tätig zu werden. Sollte er das gleichwohl getan haben, so lag dem keine entsprechende Verpflichtung durch den Kläger zugrunde. Die bloße „Zuordnung“ zu einer bestimmten Agentur - Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen - begründete keinen Zwang, von dort aus der Vertretertätigkeit nachzugehen. Der Beklagte durfte, musste jedoch nicht auf die Ressourcen der Agenturen zurückgreifen.

29

Durch die Zuordnung zu einer Agentur gem. Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen war dem Beklagten allerdings ein bestimmter Arbeitsbezirk vorgegeben. Die Zuweisung eines bestimmten Bezirks oder eines bestimmten Kundenkreises ist jedoch mit dem Status eines selbständigen Handelsvertreters vereinbar. Dies ergibt sich bereits aus § 87 Abs. 2 HGB, in dem eine solche Abrede vorausgesetzt wird. Für den Beklagten als Versicherungsvertreter gilt nichts anderes(vgl. ausf. Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 112). Im Übrigen wird die Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit iSv. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB durch die Festlegung eines geografischen Bereichs, innerhalb dessen die betreffende Tätigkeit entfaltet werden soll, nicht berührt.

30

bb) Ebenso wenig beeinträchtigen die vom Beklagten vorgetragenen Berichtspflichten seine Freiheit bei der Gestaltung seiner Tätigkeit in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Maße. Nach § 86 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Über diese Berichtspflicht eines selbständigen Handelsvertreters ginge eine dem Beklagten abverlangte Vorlage von Wochenberichten nicht hinaus. Die vorgetragene Weisung, einem Organisationsleiter des Klägers jeweils montags bis 12:00 Uhr eine Planung für die folgende Woche zu übermitteln, vermag die selbstbestimmte Gestaltung der Tätigkeit solange nicht zu beeinträchtigen, wie der Handelsvertreter seine Planung ohne verbindliche Vorgaben des Unternehmers eigenständig vornehmen kann.

31

Entsprechendes gilt für die von dem Beklagten behaupteten Kontrollanrufe bei zwei von ihm besuchten Kunden. Diese sind von der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB abgedeckt(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ee der Gründe, BAGE 95, 324).

32

c) Die Teilnahme des Beklagten an dem tätigkeitsbegleitenden Ausbildungsprogramm „zum/zur Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ steht der Annahme eines selbständigen Versicherungsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine verpflichtende tätigkeitsbegleitende Ausbildung zur Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis führen kann. Denn zum einen entspringt die Ausbildung des Beklagten zum Versicherungsfachmann dem berechtigten Interesse des Klägers an einer möglichst effizienten Tätigkeit des Beklagten, der wiederum seinerseits von einer solchen Ausbildung profitieren konnte(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ff der Gründe, BAGE 95, 324). Zum anderen führt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Umfang der Ausbildung - insgesamt 35 Arbeitstage im Jahr - angesichts des Nutzens für den Beklagten zu keiner übermäßigen Beschränkung der freien Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit.

33

d) Die von der Revision zu Recht als fehlend gerügte Gesamtwürdigung kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst vornehmen. Sie kann nur zu dem Ergebnis führen, dass das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Die Freiheit des Beklagten bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit wurde von dem Kläger nicht in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Umfang eingeschränkt. Da die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sowohl selbständig - § 92 Abs. 1 HGB in Verb. mit § 84 Abs. 1 HGB - als auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses - § 92 Abs. 1 in Verb. mit § 84 Abs. 2 HGB - erbracht werden kann, ist bei der Gesamtwürdigung zudem die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen. Wenn die tatsächliche Handhabung nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich die Parteien an dem von ihnen gewählten Vertragstypus festhalten lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien oder eine von ihnen im Geschäftsverkehr gänzlich unerfahren sind. Das ist aber weder bei dem Kläger als Versicherungsunternehmen, noch beim Beklagten der Fall. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Akteninhalt war der Beklagte nach eigenem Vorbringen bereits zuvor als freier Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen tätig. Nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 war der Beklagte „ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln“. Dabei wurde er als selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB tätig.

34

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann vom Beklagten die Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen.

35

1. Nach Ziff. 7 Abs. 1 Besondere Vereinbarungen ist der Beklagte verpflichtet, bei Beendigung des Vertretervertrags nach Maßgabe der Ratenregelung in Abs. 2 einen noch ausstehenden Unterschuss auszugleichen.

36

a) Bei den Regelungen zur Aufbauhilfe in den Besonderen Vereinbarungen handelt es sich nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats(1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von den Parteien nicht angegriffen wird, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB),die vom Kläger für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Beklagten bei Vertragsschluss gestellt wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Anhaltspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (Senat 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 24, BAGE 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (Senat 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

37

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vereinbarte Aufbauhilfe als Vorschuss auf Provisionen zu qualifizieren, der nach Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen bei Vorliegen eines „Unterschusses“ zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zurückzuzahlen ist.

38

aa) Schon der Wortlaut von Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen ist eindeutig. Danach wird die Aufbauhilfe zur Gründung und Konsolidierung der Existenz des Beklagten als selbständiger Gewerbetreibender „in Form eines gleichbleibenden Vorschusses“ nach Maßgabe der dort aufgeführten zeitlichen Staffelung gezahlt. Durch die dreimalige Verwendung des Begriffs „gleichbleibender Vorschuss“ kann die Regelung von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nur als bloße Vorschussregelung verstanden werden, zumal es in Ziff. 4 Vertretervertrag heißt, die Provisionen stellten „das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit“ dar. Die weiteren Regelungen in den Besonderen Vereinbarungen bestätigen, dass die Zahlung eines Vorschusses, nicht aber eines garantierten(Mindest-)Entgelts vereinbart war. So sieht Ziff. 4 vor, dass die Aufbauhilfe jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrags erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet wird. Ziff. 3 begrenzt die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse auf eine bestimmte Summe. In Ziff. 6 heißt es, die Vorschusszahlungen endeten sofort mit Ausspruch einer Kündigung bzw. des Abschlusses einer Beendigungsvereinbarung. Auch der allgemeine Sprachgebrauch schließt ein Verständnis des Begriffs „Vorschuss“ als „Garantieeinkommen“, „Mindestentgelt“ oder „Fixum“ aus.

39

bb) Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung ist für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Die Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht(BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

40

cc) Die in Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen vorgesehene Rückzahlungspflicht unterliegt nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, weil sie keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung ist, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

41

Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(Senat 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 18, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6). Der Beklagte wäre auch ohne Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen verpflichtet, nicht ins Verdienen gebrachte Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen. Ein Vorschuss ist eine vorweggenommene Vergütungstilgung. Entsteht die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzugewähren. Wird der Vertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen (BAG 25. September 2002 - 10 AZR 7/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 103, 1).

42

dd) Eine hiervon abweichende und damit die uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB eröffnende Wirkung erhält Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen nicht dadurch, dass der Beklagte durch die Gewährung von Vorschüssen in einer seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigenden Weise an den Kläger gebunden würde(vgl. zu einer Vereinbarung, nach der ein Handelsvertreter dem Unternehmer Schulungskosten anteilig zu erstatten hat BAG 24. Oktober 2002 - 6 AZR 632/00 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 103, 180; zur Bindung eines Arbeitnehmers durch eine Sonderzahlung BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).

43

Mit seiner „Aufbauhilfe“ bindet der Kläger den Beklagten zwar insofern an sich, als bei Vertragsschluss damit zu rechnen war, der Beklagte werde als in der Versicherungsbranche Unerfahrener in der Anfangsphase seiner Tätigkeit die Vorschüsse nicht sogleich in voller Höhe ins Verdienen bringen können und sich zunächst bei dem Kläger „verschulden“. Die Vorschüsse lagen aber primär im Interesse des Beklagten, der sie nach Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen beanspruchen konnte, aber nicht musste. Sie gewährleisteten ihm in der Anfangsphase des Vertragsverhältnisses kontinuierliche Einnahmen unabhängig vom Erfolg seiner Vermittlungstätigkeit. Außerdem waren sie zeitlich auf ein Jahr und in der Höhe auf max. 15.500,00 Euro begrenzt. Schließlich mussten die Vorschüsse, sofern sie nicht ins Verdienen gebracht wurden, bei einer Kündigung des Versicherungsvertreters nicht sofort in voller Höhe, sondern in zwölf gleichen Monatsraten zurückgezahlt werden.

44

2. Die Vergütung eines freien Versicherungsvertreters nur auf der von § 92 Abs. 3 HGB vorgesehenen Provisionsbasis ohne Gewährung eines - wie auch immer gearteten - Garantieeinkommens(Ziff. 4 Vertretervertrag) ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden. Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, unterliegen nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Der eingeschränkten Kontrolle auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 in Verb. mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hält die Vergütungsvereinbarung Stand. Ziff. 4 Vertretervertrag regelt klar und verständlich, dass die vereinbarte Provision das volle Entgelt für die Tätigkeit des Beklagten darstellt.

45

3. Die Höhe der nicht ins Verdienen gebrachten Provisionsvorschüsse ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2, § 291 BGB.

46

III. Die Widerklage ist unbegründet.

47

Der Beklagte kann eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB nicht beanspruchen. Die Höhe der Vergütung ist bestimmt durch die Vergütungsvereinbarung in Ziff. 4 Vertretervertrag. Dass die dort in Bezug genommenen Provisionsbestimmungen unwirksam wären, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

48

IV. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.


        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    Wolf    
                 

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.

3

Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:

"§ 3

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.

…       

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.

§ 4

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.

Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.

In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.

…       

§ 5

Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.

Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.

Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.

…       

Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…

…       

§ 8

…       

Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.

Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…

…       

Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.

§ 9

Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.

Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.

…"    

4

Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.

5

Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.

6

Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).

7

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.

8

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.

9

Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.

10

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."

11

Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.

14

Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.

17

1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).

18

Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).

19

2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

20

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

21

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).

22

b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.

23

aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

24

bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.

25

cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").

26

dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.

27

Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.

28

Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.

29

ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).

30

Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.

31

Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).

32

ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.

33

Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).

34

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.

35

gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

36

Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.

37

Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.

38

Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.

39

hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).

40

Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).

41

3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).

42

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.

43

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.

44

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

(1) Der Handelsvertreter hat sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen.

(2) Er hat dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen.

(3) Er hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen.

(4) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 728/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen und - im Wege der Widerklage - die Zahlung einer üblichen Vergütung.

2

Der Kläger ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war bei ihm vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2006 als Versicherungsvertreter tätig. Grundlage der Zusammenarbeit war ein „Vertretervertrag für hauptberufliche Vertreter (§§ 84 ff. HGB)“ vom 10./16. Januar 2005 (im Folgenden: Vertretervertrag), in dem es auszugsweise heißt:


        

     

                 
Der Vertreter übernimmt im Hauptberuf eine Vertretung für die D. Die Übernahme der Vertretung geschieht unter den nachstehenden Bedingungen sowie gemäß den diesem Vertrag beigefügten und den noch zu erlassenden schriftlichen Geschäftsanweisungen, soweit sie diesem Vertrag nicht zuwiderlaufen.
                 
Die Vertragspartner sind sich einig, dass der Vertreter die Anforderungen des Ausbildungsprogramms zum/zur ‚Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)’ zu erfüllen hat. Steht endgültig fest, dass er diesen Anforderungen nicht genügt, so wird der Vertretervertrag grundsätzlich ordentlich gekündigt.
        
       

                 
Der Vertreter ist als selbstständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf (§§ 84 ff. HGB) ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln. Über seine Zeit und die Art der Durchführung seiner Tätigkeit kann der Vertreter im Wesentlichen frei bestimmen.
                 
Für die Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen (z. B. Anmeldung seines Gewerbes nach § 14 der Gewerbeordnung und Versteuerung seiner Einkünfte) ist der Vertreter selbst verantwortlich.
                 
Der Vertreter ist Vermittlungsagent im Sinne des § 43 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). …
                 
…       
        
       

                 
Der Vertreter erhält nach Maßgabe der beigefügten Provisionsbestimmungen Provisionen, die das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit darstellen. Er ist nicht berechtigt, besondere Gebühren für die Aufnahme des Antrags oder aus anderen Gründen zu erheben.
        
…“   
        
3

Mit gleichem Datum schlossen die Parteien „Besondere Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 1. Februar 2005“ (im Folgenden: Besondere Vereinbarungen), in denen sie ua. regelten:


        

„1.

Zur Gründung und Konsolidierung seiner Existenz als selbständiger Gewerbetreibender nach Maßgabe des § 84 HGB kann der Vertreter für den Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 30.04.2005 eine Aufbauhilfe in Form eines gleichbleibenden Vorschusses in Höhe von € 1900,00 pro Monat, im Zeitraum vom 01.05.2005 bis zum 31.07.2005 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1700,00 und im Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 einen gleichbleibenden Vorschuss in Höhe von € 1500,00 von der D bekommen.
        
…       
        
        
3.   

Die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse (offene D-Forderungen) ist während des gesamten Aufbauhilfezeitraumes auf € 15.500,00 begrenzt. Erreicht das Vertreterkonto diesen Forderungsbetrag, endet die Zahlung der Aufbauhilfe ungeachtet des in Ziffer 1 vereinbarten Zeitraumes.
        
4.   

Die Aufbauhilfe wird jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrages erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet.
                 
Ist eine vollständige Verrechnung in einem Monat nicht möglich, wird der sich ergebende Vorschußsaldo vorgetragen und ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit evtl. bestehenden Überschüssen in den Folgemonaten verrechnet. Sofern das Vertreterkonto ausgeglichen ist, werden sich ergebende Überschüsse ausgezahlt.
                 
Der Unterschuß wird bis zur vollständigen Verrechnung bzw. Beendigung des Vertretervortrages vorgetragen.
        
5.   

Etwaige nach Auslaufen der Aufbauhilfe sich ergebende Unterschüsse werden ab dem 25. Tätigkeitsmonat mit noch anfallenden Provisionen und sonstigen Vergütungen einschließlich Bonifikation verrechnet.
        
6.   

Die Vorschußzahlungen enden sofort mit Ausspruch der Kündigung bzw. bei Abschluß einer Beendigungsvereinbarung. Alle danach noch anfallenden Vergütungen werden auf einen evtl. Unterschuß angerechnet.
        
7.   

Bei Ausspruch der Kündigung des Vertretervertrages bzw. Abschluß einer Beendigungsvereinbarung ist ein noch ausstehender Unterschuß vom Vertreter sofort auszugleichen.
                 
Kündigt der Vertreter, ist, um das Kündigungsrecht des Vertreters nicht zu erschweren, ein etwaiger sich nach Verrechnung mit verdienten Provisionen, Bonifikationen und sonstigen Vergütungen ergebender Unterschuß nach Vertragsbeendigung in 12 gleichen Monatsraten an die D zurückzuzahlen. Die erste Rate ist zum Schluss des auf das Vertragsende folgenden Monats zu zahlen. Die folgenden Raten werden zum Ende der jeweils folgenden Monate zur Zahlung fällig. Nach Vertragsbeendigung noch anfallende Vergütungen werden ebenfalls auf den Unterschuß angerechnet. Der Vertreter paßt die Ratenzahlung entsprechend an (d.h. Verkürzung des Ratenzahlungszeitraums und/oder Reduzierung der letzten Ratenzahlung).
        
…       
        
        
9.   

Der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebietes liegt im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L.“
4

Ebenfalls unter dem 10./16. Januar 2005 trafen die Parteien eine „Bonifikationsvereinbarung zum Vertretervertrag vom 01.02.2005“, nach der der Beklagte zusätzlich zu den Provisionen eine freiwillige Bonifikation iHv. 10.000,00 Euro bei Erreichen von Nettoabschlussprovisionen iHv. 35.266,67 Euro in den ersten 24 Tätigkeitsmonaten oder von 21.050,00 Euro vom 13. - 24. Tätigkeitsmonat erhalten sollte. Vorausgesetzt wurde ferner, dass der Vertretervertrag im 25. Tätigkeitsmonat auf unbestimmte Dauer fortbesteht. Mit dem Inhaber der Agentur L schloss der Kläger mit Datum 10./14. Januar 2005 eine Vereinbarung über die Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L, in der es heißt:


        

„…   
        
1.   

Der Agenturvertreter (V) wird dem Vertreter zugeordnet.
                 
Damit soll eine optimale Kundenbetreuung und eine höhere Bestandsproduktivität erzielt werden.
                 
Der Vertreter stellt dem Agenturvertreter hierfür alle notwendigen Informationen und Hilfsmittel zur Verfügung.
        
2.   

Das Neukundengeschäft des Agenturvertreters fließt für die Dauer der Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Regelung in Ziffer 4 in den Bestand des Vertreters ein.
        
3.   

Die im Rahmen der Zusammenarbeit erzielte Jahresnetto-Abschlußprovisionen des v.g. Agenturvertreters wird auch bei Ermittlung des erhöhten Abschlußprovisionszuschusses für den Vertreter berücksichtigt.
        
4.   

Sollte die Zusammenarbeit zwischen Vertreter und Agenturvertreter entweder vom Vertreter, vom Agenturvertreter oder von der D nicht mehr gewünscht werden, wird die Vermittler-Zuordnung beendet. Das bis dahin dem Vertreter zugeflossene bestands- bzw. servicevergütungspflichtige Geschäft verbleibt im Bestand des Vertreters.
        
…“   
        
5

Mit einem Nachtrag vom 22./27. Dezember 2005 wurde die Zuordnung des Beklagten zur Agentur L zum 31. Dezember 2005 beendet. Auf seinen Wunsch wechselte er zur Agentur V.

6

Zur Erlangung der Qualifikation „Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ veranstaltet der Kläger in seiner Zentrale in K eine Seminarreihe, bestehend aus sieben Grundseminaren und einem prüfungsvorbereitenden Seminar. Die Seminare dauern in der Regel fünf Arbeitstage und sollen innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten durchlaufen werden. Der Beklagte erhielt regelmäßig Einladungen zur Teilnahme an den Seminaren.

7

Im Rahmen seiner Tätigkeit übermittelte der Beklagte dem für ihn zuständigen Organisationsleiter des Klägers regelmäßig montags bis 12:00 Uhr einen Wochenbericht für die zurückliegende Woche und eine Planung für die folgende.

8

Im Zeitraum Februar 2005 bis Januar 2006 zahlte der Kläger an den Beklagten gem. Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen unter Verrechnung verdienter Provisionen 10.344,73 Euro.

9

Mit Schreiben vom 30. März 2006 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. Mai 2006. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich unter Verrechnung von Stornoreserveguthaben ein Saldo iHv. 9.698,24 Euro zu seinen Lasten.

10

Mit der zunächst zum Landgericht erhobenen und von diesem an das Arbeitsgericht verwiesenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen den Ausgleich des Negativsaldos begehrt und geltend gemacht, bei der dem Beklagten gewährten Aufbauhilfe habe es sich um Vorschüsse auf(noch) nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen gehandelt, zu deren Rückzahlung der Beklagte verpflichtet sei. Der Beklagte sei als selbständiger Versicherungsvertreter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bei ihm tätig gewesen.

11

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt,


        

1.   

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.698,24 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.273,71 Euro seit dem 1. März 2007 sowie aus 2.424,53 Euro seit dem 9. August 2007 zu zahlen,
        
2.   

die Widerklage abzuweisen.
12

Der Beklagte hat beantragt,


        

1.   

die Klage abzuweisen,
        
2.   

den Kläger zu verurteilen, an ihn 6.565,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2006 zu zahlen.
13

Der Beklagte hat geltend gemacht, keine Provisionsvorschüsse erhalten zu haben. Die Besonderen Vereinbarungen seien dahingehend auszulegen, dass die Aufbauhilfe als Vergütung während der Startphase garantiert sein solle. Das ergebe sich zumindest bei Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Darüber hinaus benachteilige ihn die Rückzahlungsklausel unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

14

In zweiter Linie hat der Beklagte geltend gemacht, sein Vertragsverhältnis zum Kläger sei als Arbeitsverhältnis einzuordnen, und vorgebracht, er habe seine Tätigkeit nicht frei gestalten und seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen können. Die Zuordnung zu den Agenturen L und V hätte ihn örtlich eingeschränkt, zudem sei er an die Bürozeiten der jeweiligen Agentur gebunden gewesen. Auf Anweisung des Klägers habe er mindestens 15 bis 20 Termine pro Woche vereinbaren und wahrnehmen müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden.

15

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Vergütung allein auf Provisionsbasis sei im Arbeitsverhältnis sittenwidrig. Deshalb könne er die übliche Vergütung beanspruchen, die sich aus den Tarifverträgen für das private Versicherungsgewerbe ergebe. Danach habe er für den Zeitraum seiner Tätigkeit beim Kläger insgesamt 28.624,13 Euro brutto zu beanspruchen. Abzüglich erhaltener Zahlungen iHv. 21.893,35 Euro verbleibe ein restlicher Vergütungsanspruch iHv. 6.730,78 Euro brutto.

16

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag und sein Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende und die Widerklage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

18

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis eingeordnet. Der Beklagte war sowohl nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 als auch dessen praktischer Durchführung selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 HGB.

19

1. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind alle Umstände des Falls in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich den gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 93, 132; 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 der Gründe, BAGE 93, 112; 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 95, 324). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (Senat 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe, BAGE 115, 1; 30. September 1998 - 5 AZR 563/97 - BAGE 90, 36). Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

20

2. Unter beiden Aspekten des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB war der Beklagte in einem für den Selbständigenstatus erforderlichen Maße frei von Weisungen.

21

a) Das gilt zunächst für die Arbeitszeit.

22

aa) Der Vertretervertrag enthält zu Beginn und Ende einer täglichen Arbeitszeit keinerlei Vorgaben. Der Beklagte hatte keine festen Arbeitszeiten. Aus der Vereinbarung der Zuordnung des Beklagten zu der Agentur L vom 10./14. Januar 2005 ergibt sich keine verbindliche Festlegung seiner Arbeitszeiten in Anlehnung an die Öffnungszeiten des Agenturbüros. Diese Vereinbarung ist die rechtliche Grundlage für die in Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen getroffene Regelung, der Schwerpunkt des Tätigkeitsgebiets des Beklagten solle im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L liegen. Damit wurde ein Tätigkeitsbezirk festgelegt, jedoch keine zeitliche Weisungsgebundenheit begründet.

23

bb) Die tatsächliche Durchführung des Vertretervertrags lässt eine zeitliche Weisungsgebundenheit nicht erkennen.

24

Der Beklagte macht zwar geltend, in den Agenturen L und V festen Arbeitszeiten unterworfen gewesen zu sein. Es fehlt aber an hinreichend substantiiertem Tatsachenvortrag dazu, wann der Beklagte von welchem Vertreter des Klägers eine Weisung welchen Inhalts erhalten hätte.

25

Der Arbeitszeitsouveränität des Beklagten steht die von ihm behauptete Verpflichtung zur Teilnahme an Besprechungsterminen mit einem Organisationsleiter des Klägers nicht entgegen. In einer verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit. Eine Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, stellt jedoch keinen so gravierenden Eingriff dar, dass er mit dem Status eines Selbständigen unvereinbar wäre(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132).

26

Ebenso wenig führen die vom Beklagten behaupteten Vorgaben des Klägers, pro Woche 15 bis 20 Kunden besuchen zu müssen, davon mindestens drei bis vier in den Abendstunden, zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit. Zwar kann sich eine solche aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls ergeben. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt(Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 770/98 - zu II 1 b der Gründe, AP HGB § 92 Nr. 6 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 79; 26. Mai 1999 - 5 AZR 469/98 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 104 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 75). Insoweit fehlt es an Sachvortrag des Beklagten zur zeitlichen Inanspruchnahme der von ihm behaupteten Zahl von Kundenbesuchen und einer damit verbundenen Einengung seines Spielraums zur Bestimmung von Dauer und Lage seiner Arbeitszeit. Im Übrigen liegt es für einen Versicherungsvertreter im Hauptberuf nahe, dass er möglichst viele Kunden besucht.

27

b) Der Beklagte war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei.

28

aa) Dem Beklagten war vertraglich kein bestimmter Arbeitsort vorgegeben. Er musste weder die Räumlichkeiten des Klägers noch die der Agenturen L bzw. V aufsuchen, um von dort aus tätig zu werden. Sollte er das gleichwohl getan haben, so lag dem keine entsprechende Verpflichtung durch den Kläger zugrunde. Die bloße „Zuordnung“ zu einer bestimmten Agentur - Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen - begründete keinen Zwang, von dort aus der Vertretertätigkeit nachzugehen. Der Beklagte durfte, musste jedoch nicht auf die Ressourcen der Agenturen zurückgreifen.

29

Durch die Zuordnung zu einer Agentur gem. Ziff. 9 Besondere Vereinbarungen war dem Beklagten allerdings ein bestimmter Arbeitsbezirk vorgegeben. Die Zuweisung eines bestimmten Bezirks oder eines bestimmten Kundenkreises ist jedoch mit dem Status eines selbständigen Handelsvertreters vereinbar. Dies ergibt sich bereits aus § 87 Abs. 2 HGB, in dem eine solche Abrede vorausgesetzt wird. Für den Beklagten als Versicherungsvertreter gilt nichts anderes(vgl. ausf. Senat 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 112). Im Übrigen wird die Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit iSv. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB durch die Festlegung eines geografischen Bereichs, innerhalb dessen die betreffende Tätigkeit entfaltet werden soll, nicht berührt.

30

bb) Ebenso wenig beeinträchtigen die vom Beklagten vorgetragenen Berichtspflichten seine Freiheit bei der Gestaltung seiner Tätigkeit in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Maße. Nach § 86 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Über diese Berichtspflicht eines selbständigen Handelsvertreters ginge eine dem Beklagten abverlangte Vorlage von Wochenberichten nicht hinaus. Die vorgetragene Weisung, einem Organisationsleiter des Klägers jeweils montags bis 12:00 Uhr eine Planung für die folgende Woche zu übermitteln, vermag die selbstbestimmte Gestaltung der Tätigkeit solange nicht zu beeinträchtigen, wie der Handelsvertreter seine Planung ohne verbindliche Vorgaben des Unternehmers eigenständig vornehmen kann.

31

Entsprechendes gilt für die von dem Beklagten behaupteten Kontrollanrufe bei zwei von ihm besuchten Kunden. Diese sind von der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB abgedeckt(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ee der Gründe, BAGE 95, 324).

32

c) Die Teilnahme des Beklagten an dem tätigkeitsbegleitenden Ausbildungsprogramm „zum/zur Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)“ steht der Annahme eines selbständigen Versicherungsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine verpflichtende tätigkeitsbegleitende Ausbildung zur Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis führen kann. Denn zum einen entspringt die Ausbildung des Beklagten zum Versicherungsfachmann dem berechtigten Interesse des Klägers an einer möglichst effizienten Tätigkeit des Beklagten, der wiederum seinerseits von einer solchen Ausbildung profitieren konnte(vgl. Senat 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - zu II 2 b ff der Gründe, BAGE 95, 324). Zum anderen führt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Umfang der Ausbildung - insgesamt 35 Arbeitstage im Jahr - angesichts des Nutzens für den Beklagten zu keiner übermäßigen Beschränkung der freien Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit.

33

d) Die von der Revision zu Recht als fehlend gerügte Gesamtwürdigung kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst vornehmen. Sie kann nur zu dem Ergebnis führen, dass das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Die Freiheit des Beklagten bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit wurde von dem Kläger nicht in einem mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbarenden Umfang eingeschränkt. Da die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sowohl selbständig - § 92 Abs. 1 HGB in Verb. mit § 84 Abs. 1 HGB - als auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses - § 92 Abs. 1 in Verb. mit § 84 Abs. 2 HGB - erbracht werden kann, ist bei der Gesamtwürdigung zudem die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen. Wenn die tatsächliche Handhabung nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich die Parteien an dem von ihnen gewählten Vertragstypus festhalten lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien oder eine von ihnen im Geschäftsverkehr gänzlich unerfahren sind. Das ist aber weder bei dem Kläger als Versicherungsunternehmen, noch beim Beklagten der Fall. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Akteninhalt war der Beklagte nach eigenem Vorbringen bereits zuvor als freier Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen tätig. Nach dem Vertretervertrag vom 10./16. Januar 2005 war der Beklagte „ständig damit betraut, für die D Versicherungsverträge zu vermitteln“. Dabei wurde er als selbständiger Versicherungsvertreter iSd. § 92 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB tätig.

34

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann vom Beklagten die Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen.

35

1. Nach Ziff. 7 Abs. 1 Besondere Vereinbarungen ist der Beklagte verpflichtet, bei Beendigung des Vertretervertrags nach Maßgabe der Ratenregelung in Abs. 2 einen noch ausstehenden Unterschuss auszugleichen.

36

a) Bei den Regelungen zur Aufbauhilfe in den Besonderen Vereinbarungen handelt es sich nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats(1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von den Parteien nicht angegriffen wird, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB),die vom Kläger für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Beklagten bei Vertragsschluss gestellt wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Anhaltspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (Senat 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 24, BAGE 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (Senat 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

37

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vereinbarte Aufbauhilfe als Vorschuss auf Provisionen zu qualifizieren, der nach Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen bei Vorliegen eines „Unterschusses“ zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zurückzuzahlen ist.

38

aa) Schon der Wortlaut von Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen ist eindeutig. Danach wird die Aufbauhilfe zur Gründung und Konsolidierung der Existenz des Beklagten als selbständiger Gewerbetreibender „in Form eines gleichbleibenden Vorschusses“ nach Maßgabe der dort aufgeführten zeitlichen Staffelung gezahlt. Durch die dreimalige Verwendung des Begriffs „gleichbleibender Vorschuss“ kann die Regelung von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nur als bloße Vorschussregelung verstanden werden, zumal es in Ziff. 4 Vertretervertrag heißt, die Provisionen stellten „das volle Entgelt für seine Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit“ dar. Die weiteren Regelungen in den Besonderen Vereinbarungen bestätigen, dass die Zahlung eines Vorschusses, nicht aber eines garantierten(Mindest-)Entgelts vereinbart war. So sieht Ziff. 4 vor, dass die Aufbauhilfe jeweils monatlich mit den auf der Grundlage des Vertretervertrags erworbenen Ansprüchen auf Provision, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstigen Vergütungen verrechnet wird. Ziff. 3 begrenzt die Summe aller vorgetragenen und noch nicht verrechneten Vorschüsse auf eine bestimmte Summe. In Ziff. 6 heißt es, die Vorschusszahlungen endeten sofort mit Ausspruch einer Kündigung bzw. des Abschlusses einer Beendigungsvereinbarung. Auch der allgemeine Sprachgebrauch schließt ein Verständnis des Begriffs „Vorschuss“ als „Garantieeinkommen“, „Mindestentgelt“ oder „Fixum“ aus.

39

bb) Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung ist für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Die Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht(BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).

40

cc) Die in Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen vorgesehene Rückzahlungspflicht unterliegt nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, weil sie keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung ist, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

41

Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(Senat 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 18, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6). Der Beklagte wäre auch ohne Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen verpflichtet, nicht ins Verdienen gebrachte Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen. Ein Vorschuss ist eine vorweggenommene Vergütungstilgung. Entsteht die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzugewähren. Wird der Vertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen (BAG 25. September 2002 - 10 AZR 7/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 103, 1).

42

dd) Eine hiervon abweichende und damit die uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB eröffnende Wirkung erhält Ziff. 7 Besondere Vereinbarungen nicht dadurch, dass der Beklagte durch die Gewährung von Vorschüssen in einer seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigenden Weise an den Kläger gebunden würde(vgl. zu einer Vereinbarung, nach der ein Handelsvertreter dem Unternehmer Schulungskosten anteilig zu erstatten hat BAG 24. Oktober 2002 - 6 AZR 632/00 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 103, 180; zur Bindung eines Arbeitnehmers durch eine Sonderzahlung BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).

43

Mit seiner „Aufbauhilfe“ bindet der Kläger den Beklagten zwar insofern an sich, als bei Vertragsschluss damit zu rechnen war, der Beklagte werde als in der Versicherungsbranche Unerfahrener in der Anfangsphase seiner Tätigkeit die Vorschüsse nicht sogleich in voller Höhe ins Verdienen bringen können und sich zunächst bei dem Kläger „verschulden“. Die Vorschüsse lagen aber primär im Interesse des Beklagten, der sie nach Ziff. 1 Besondere Vereinbarungen beanspruchen konnte, aber nicht musste. Sie gewährleisteten ihm in der Anfangsphase des Vertragsverhältnisses kontinuierliche Einnahmen unabhängig vom Erfolg seiner Vermittlungstätigkeit. Außerdem waren sie zeitlich auf ein Jahr und in der Höhe auf max. 15.500,00 Euro begrenzt. Schließlich mussten die Vorschüsse, sofern sie nicht ins Verdienen gebracht wurden, bei einer Kündigung des Versicherungsvertreters nicht sofort in voller Höhe, sondern in zwölf gleichen Monatsraten zurückgezahlt werden.

44

2. Die Vergütung eines freien Versicherungsvertreters nur auf der von § 92 Abs. 3 HGB vorgesehenen Provisionsbasis ohne Gewährung eines - wie auch immer gearteten - Garantieeinkommens(Ziff. 4 Vertretervertrag) ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden. Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, unterliegen nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Der eingeschränkten Kontrolle auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 in Verb. mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hält die Vergütungsvereinbarung Stand. Ziff. 4 Vertretervertrag regelt klar und verständlich, dass die vereinbarte Provision das volle Entgelt für die Tätigkeit des Beklagten darstellt.

45

3. Die Höhe der nicht ins Verdienen gebrachten Provisionsvorschüsse ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2, § 291 BGB.

46

III. Die Widerklage ist unbegründet.

47

Der Beklagte kann eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB nicht beanspruchen. Die Höhe der Vergütung ist bestimmt durch die Vergütungsvereinbarung in Ziff. 4 Vertretervertrag. Dass die dort in Bezug genommenen Provisionsbestimmungen unwirksam wären, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

48

IV. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.


        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    Wolf    
                 

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Oktober 2009 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 3075,68 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.10.2009. In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der Arbeitslosen- sowie sozialen Pflegeversicherung, die die Beklagte nach einer Betriebsprüfung unter Nachforderung der Beiträge festgestellt hatte. Von der gesamten Beitragsforderung entfielen auf die Beigeladene zu 1., die bei der KIägerin Reinigungsarbeiten verrichtet, 3075,68 Euro.

2

Die Beschwerde ist unzulässig, denn die Klägerin hat in ihrer Begründung keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet. Die Beschwerde ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

4

Die Behauptung inhaltlicher Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.

5

1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Diese lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN, stRspr; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

           

a) Die Klägerin hält insgesamt drei Fragen für klärungsbedürftig, wobei sie die erste Frage zusätzlich untergliedert. Diese lautet:

        

"a. Ist bereits bei jeder privaten Nutzungsmöglichkeit eines für die Tätigkeit angeschafften Gegenstandes ein Kapitalrisiko (Unternehmerrisiko) zu verneinen? und b. Führt ein sonach verneintes Kapitalrisiko zum Wegfall oder Unbeachtlichkeit einer ansonsten nach den weiteren Kriterien bejahten selbständigen Tätigkeit? sowie mit dem amtlichen Leitsatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil verallgemeinert, c. Kann eine Reinigungskraft abhängig beschäftigt sein, auch wenn die Arbeitszeit weitgehend frei ist und keine näheren Weisungen bestehen und sie sich auch von ihrer Tochter vertreten lassen kann?"

7

Der Senat kann offen lassen, ob mit diesen Fragen jeweils für sich oder insgesamt überhaupt eine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert worden ist, denn jedenfalls ist ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt. So ist bereits nicht zu erkennen, welche der Ausführungen unter Ziff (II.) A. I. 1. bis 3. der Beschwerdeschrift sich auf welche der vorgenannten Fragestellungen beziehen.

8

(1) Die Klärungsfähigkeit der zu a. und b. formulierten Teilfragen ist bereits deshalb nicht ordnungsgemäß dargelegt, weil die Klägerin nicht verdeutlicht, weshalb sich der Senat im Rahmen des Revisionsverfahrens über den konkreten Fall hinaus zu "jeder privaten Nutzungsmöglichkeit eines für die Tätigkeit angeschafften Gegenstandes" und den Folgen der hierauf gestützten Verneinung eines Kapitalrisikos in jeder hierzu denkbaren Konstellation würde äußern müssen. So ist die konkrete Fragestellung rein hypothetisch, denn die Klägerin stellt ihre Frage unter die Prämisse, dass außer einem Kapitalrisiko alle weiteren Kriterien einer selbständigen Tätigkeit bejaht werden. Wie sie in der Beschwerdeschrift unter Ziff (I.) 4. jedoch selbst zutreffend ausführt, hat das LSG neben dem Fehlen eines relevanten Unternehmerrisikos ua auch das Fehlen anderer Auftraggeber, eine gewisse örtliche und zeitliche Eingliederung sowie eine Einweisung zu Beginn der Tätigkeit und deren Fortführung in einem Arbeitsverhältnis als relevante Kriterien gegen eine selbständige Tätigkeit gewertet.

9

Gleichzeitig fehlen auch ausreichende Darlegungen dazu, ob und wie sich durch die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen im Sinne der Klägerin die Gewichtung innerhalb der vom LSG vorgenommenen Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls zu ihren Gunsten verändern würde. Allein die Behauptung, bei Verneinen der Frage sei das Urteil des LSG aufzuheben und durch Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils der angefochtene Bescheid aufzuheben (Ziff (II.) A. I. 1. der Beschwerdebegründung), genügt hierzu nicht. Die Darlegungen wären selbst dann nicht ausreichend, wenn sich auch die Ausführungen zur Gesamtwürdigung des LSG unter Ziff (II.) A. I. 2. neben der Teilfrage b. auch auf die Teilfrage zu a. bezögen, denn diese unterstellen, dass mit der vom LSG verneinten Annahme einer Kapitalgefahr zugleich ein (abwägungs-)relevantes Unternehmerrisiko einherginge, das zu einem anderen Ergebnis der Gesamtwürdigung führen müsste. Die Klägerin übersieht dabei jedoch, dass nach ihren Ausführungen zum Inhalt des Urteils des LSG unter Ziff (I.) 4. der Beschwerdebegründung das LSG das entscheidende Indiz in der späteren Fortführung der umstrittenen "Honorartätigkeit" in einem Arbeitsverhältnis gesehen hat.

10

Zugleich fehlt es an der ordnungsgemäßen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der zu a. und b. formulierten Teilfragen. Die Klärungsbedürftigkeit der zu a. formulierten Teilfrage leitet die Klägerin daraus ab, dass es zu dieser Rechtsfrage bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe und sich aus der bisherigen Rechtsprechung auch keine Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage ziehen ließen. Die Klägerin verkennt jedoch mit der konkreten Formulierung der Frage, dass nach der Rechtsprechung des Senats das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen ist (zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 45), obwohl auch sie dies unter Bezug auf ein Urteil des Senats vom 18.12.2001 (SozR 3-2400 § 7 Nr 20) an anderer Stelle ausführt. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung nicht wesentlich bestimmt (Urteil vom 19.1.1968 - 3 RK 101/64 - USK 6801). Außerdem hat es in einer weiteren Entscheidung die Indizwirkung der Nutzung eines privaten PKW als "Betriebsmittel" im Rahmen der zur beurteilenden Tätigkeit von weiteren Umständen abhängig gemacht (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1). Bezüglich der zu b. formulierten Teilfrage setzt sich die Klägerin nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des BSG auseinander, wonach das Bestehen eines Unternehmerrisikos nicht schlechthin entscheidend, sondern nur im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG Urteil vom 15.3.1979 - 2 RU 80/78; BSGE 51, 164, 170 = SozR 2400 § 2 Nr 16 S 23; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; vgl auch BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30). Mit den Folgerungen aus dieser Rechtsprechung für die von ihr aufgeworfenen Fragestellungen hätte sich die Klägerin auseinandersetzen müssen. Da sie dies nicht getan hat, ist die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dargelegt.

11

(2) Die von der Klägerin zu c. formulierte Fragestellung zielt - auch soweit sie die vorstehenden Teilfragen zusammenfassen soll - bereits nicht auf die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf eine Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalls. Dementsprechend wendet sich die Klägerin mit ihren Ausführungen unter Ziff (II.) A. I. 3. im Wesentlichen gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des LSG, insbesondere gegen dessen Würdigung der bezüglich des von der Beigeladenen zu 1. beschafften Staubsaugers. Die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage kann hierdurch nicht dargelegt werden.

12

           

b) Als zweites hält die Klägerin folgende Frage für klärungsbedürftig:

        

"Reicht es bei einfachen (Reinigungs-)Tätigkeiten aus, allein durch organisatorische Anordnungen ohne konkrete Weisungen zum Ablauf der Tätigkeit, den mit der Tätigkeit Beschäftigten in eine fremde Arbeitsorganisation einzugliedern?".

13

Damit hat sie bereits keine Rechtsfrage mit dem Ziel einer Klärung des Anwendungsbereichs und Inhalts einer revisiblen Rechtsnorm gestellt, denn die Fragestellung bezieht sich allein auf den gerade nicht relevanten konkreten Subsumtionsvorgang im Einzelfall. Der Sache nach stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage als Tatsachenfrage dar bzw behauptet sie die inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Berufungsentscheidung. So entwickelt die Klägerin ihre Frage aus vorangestellten Ausführungen zu den ihrer Meinung nach fehlerhaften Tatsachenfeststellungen durch das LSG. Zwar benennt sie dann unter Ziff (II.) A. II. 2. der Beschwerdebegründung neben einem Urteil des Senats (SozR 2200 § 165 Nr 45) ein nur mit dem Stichwort "Stromableserfall" bezeichnetes, fälschlich dem Senat zugeschriebenes Urteil des BFH (BFHE 169, 154), jedoch nur um daraus einen Obersatz abzuleiten und anschließend unter Ziff (II.) A. II. 3. darzulegen, dass die - nach Meinung der Klägerin auch insoweit auf teilweise falsche Tatsachenfeststellungen gestützte - Subsumtion des LSG hierunter fehlerhaft sei.

14

Aber selbst wenn man die von der Klägerin formulierte Frage mit Rücksicht auf ihre Ausführungen unter Ziff (II.) A. II. 1. und 4. als Rechtsfrage ansehen wollte, wären weder Klärungsfähigkeit noch Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß dargelegt. Die Ausführungen zur Klärungsfähigkeit beschränken sich auf die unzureichende Behauptung, die formulierte Frage sei "für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich". Die Klägerin hätte aber ua darlegen müssen, weshalb sich der Senat im Rahmen des Revisionsverfahrens neben der von der Klägerin ausgeübten Reinigungstätigkeit allgemein zu einfachen Tätigkeiten äußern müsste. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur "Verfeinerung" des Weisungsrechts bei "funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess" insbesondere - aber nicht ausschließlich - bei Diensten höherer Art (zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN) oder zur Bewertung eines eingeschränkten Weisungsrechts bei anderen Tätigkeiten (vgl zB BSG SozR Nr 8 und Nr 16 zu § 165 RVO; Urteil vom 15.3.1979 - 2 RU 80/78; Urteil vom 27.11.1980 - 8a RU 74/79).

15

           

c) Drittens formuliert die Klägerin die Frage,

        

"Stellt die ständige Mithilfe eines Dritten i.V.m. einer generellen Delegationsbefugnis der Arbeitskraft, von der gelegentlich vollständig Gebrauch gemacht wurde, ein indizielles Merkmal für die selbständige Tätigkeit dar?".

16

Auch diese Frage bezieht sich ausweislich der an den besonderen Umständen des vorliegenden Falles orientierten Formulierung auf den nicht relevanten konkreten Subsumtionsvorgang im Einzelfall. So wendet sich die Klägerin auch hier zunächst gegen die Tatsachenfeststellungen des LSG, um dann unter Ziff (II.) A. III. 2. dessen Bewertung der Umstände des Einzelfalls an der eigenen Beurteilung der Rechtslage zu messen.

17

Soweit sich die Fragestellung generell auf die Bedeutung einer Delegationsbefugnis für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bezieht und insoweit über den Einzelfall hinausweist, sind Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt. Die Klägerin hat insbesondere nicht deutlich gemacht, warum diese Frage nicht bereits durch die zum Teil auch vom LSG zitierte Rechtsprechung des BSG (zB SozR Nr 36 zu § 165 RVO; Urteil vom 19.1.1968 - 3 RK 101/64 - USK 6801; SozR 4-2700 § 2 Nr 1) und die von ihr selbst unter dem Stichwort "Stromableserfall" angeführte Rechtsprechung des BFH (BFHE 169, 154) geklärt ist. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist, oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Die Klägerin hat diesbezüglich jedoch nichts vorgetragen. Die Ausführungen zur Klärungsfähigkeit beschränken sich auch hier im Kern auf die ungenügende Behauptung, die Frage sei entscheidungserheblich.

18

2. Darüber hinaus erhebt die Klägerin die Divergenzrüge. Insoweit mangelt es bereits an ausreichenden Darlegungen dazu, dass das Urteil des LSG auf der behaupteten Abweichung beruht. Zwar behauptet die Klägerin jeweils pauschal, ohne die gerügten Abweichungen hätte das LSG im Rahmen seiner Gesamtabwägung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen, jedoch unterbleibt die erforderliche Auseinandersetzung mit der Gewichtung dieser Merkmale durch das LSG im Einzelfall. Aber auch eine Divergenz als solche wird nicht in der erforderlichen Art und Weise aufgezeigt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die eines der mit der Norm benannten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

19

a) Soweit die Klägerin eine Abweichung von einer als "Stromableserfall" benannten Entscheidung rügt, kann der Senat offen lassen, ob diese Entscheidung hinreichend bezeichnet ist.So ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29) in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, so zu bezeichnen, dass sie ohne große Schwierigkeiten auffindbar ist (Datum, Aktenzeichen oder Fundstelle). Vorliegend hat die Klägerin weder Entscheidungsdatum und Aktenzeichen noch eine Fundstelle in einer amtlichen Sammlung oder anderen in Fachkreisen allgemein verbreiteten Publikationen angegeben, sondern nur die genaue Fundstelle auf einer Internet-Seite, die jedoch erst nach einer Registrierung aufgerufen werden kann. Dem Erfordernis einer Auffindbarkeit ohne große Schwierigkeiten dürfte hierdurch nicht genügt worden sein. Selbst wenn man unter Hintanstellung von Bedenken in Bezug auf die häufig zeitlich stark begrenzte Verfügbarkeit von Internet-Inhalten eine Entscheidungsbezeichnung durch präzise Angabe einer Fundstelle im Internet genügen lassen wollte, wird zu verlangen sein, dass es sich dabei um eine frei zugängliche Quelle handelt, die nicht die Preisgabe von Daten des Nutzers erfordert.

20

Unabhängig von dieser Frage, kann eine Divergenzrüge bereits aus anderen Gründen nicht auf eine Abweichung vom "Stromableserfall" gestützt werden. Denn nach den an anderer Stelle gemachten Ausführungen der Klägerin zum Inhalt dieser Entscheidung bezieht sie sich auf ein - fälschlich dem Senat zugeschriebenes - Urteil des BFH vom 24.7.1992 (VI R 126/88 - BFHE 169, 154). Jedoch begründen Abweichungen von Entscheidungen des BFH nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG keine Divergenz iS dieser Norm.

21

b) Ferner rügt die Klägerin eine Abweichung des LSG von der Entscheidung des Senats vom 27.3.1980 (SozR 2200 § 165 Nr 45). Sie legt jedoch nicht dar, welchen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz das LSG selbst aufgestellt haben soll. Vielmehr wendet sie sich dagegen, dass das LSG mit seiner Entscheidung den dem BSG zugeschriebenen Rechtssatz "aufweiche", indem es bereits aufgrund einer Einweisung zu Beginn einer einfachen Tätigkeit Weisungsfreiheit im Rahmen der streitigen Tätigkeit verneint habe. Allein auf eine behauptete unzutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall kann jedoch auch eine Zulassung wegen Divergenz nicht gestützt werden.

22

c) Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, der Senat habe im Urteil vom 25.9.1981 (SozR 2200 § 165 Nr 61) den Rechtssatz aufgestellt, "daß lose an den Betrieb angebundene Tätigkeit nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in dem Betrieb eines Arbeitgebers voll eingegliederten Arbeitnehmers entspricht." Die Klägerin bezieht sich damit zwar auf Inhalte einer abweichungsfähigen Entscheidung, die sie jedoch fehlerhaft zitiert. Zutreffend lautet die entsprechende Passage: "Im übrigen entspricht eine das Lehrangebot der Hochschule lediglich ergänzende und nur lose an den Universitätsbetrieb angebundene Lehrbeauftragtentätigkeit nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in dem Betrieb eines Arbeitgebers voll eingegliederten Arbeitnehmers, wie ihn die Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 29. März 1962 - 3 RK 74/57 -, SozR Nr 30 zu § 165 RVO = BSGE 16, 289, 295) für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung im allgemeinen fordert." Diese Aussage bezieht sich also speziell auf Lehrbeauftragte an Universitäten, deren Stellung den Gegenstand der zitierten Entscheidung bildete. Der von der Klägerin durch die verkürzte Wiedergabe behauptete Rechtssatz ist in der Entscheidung nicht enthalten, so dass das LSG hiervon auch nicht abweichen konnte.

23

d) Abschließend rügt die Klägerin, das LSG sei von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, denn dieser habe ausgeführt, "daß der im Vertrag dokumentierte Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, jedenfalls dann indizielle Bedeutung zukommt, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird" (Urteil des Senats vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45). Abweichend habe das LSG festgestellt, "daß die Motive beim Vertragsschluß bereits dann unberücksichtigt bleiben müßten, wenn der wahre Wille der Beteiligten dem schriftlich Niedergelegten ganz allgemein nicht voll entsprechen mußte." Dass sich diese Aussagen unvereinbar gegenüberstehen, hat die Klägerin weder nachvollziehbar dargelegt noch ist dies offensichtlich. Zudem enthält das Urteil des LSG keinen solchen Rechtssatz. Die entsprechende Passage lautet vollständig: "Ob und welche Motive die Vertragsbeteiligten beim Abschluss des Honorarvertrages vom 7. Oktober 2002 gehabt haben mögen, ist für diese Einschätzung zweitrangig. Obwohl nämlich nach dem schriftlichen Vertrag in § 5 Abs. 2 der Beigeladene zu 1) einen Ersatz der ihr entstandenen Auslagen zugestanden hätte, erhielt sie die ganze Zeit keinen Auslagenersatz, obgleich der Vertrag in § 8 sogar für Änderungen die Schriftform voraussah und eine formlose Änderung dieser Formvorschrift nicht möglich sein sollte. Dies erlaubt den Schluss, dass der wahre Willen der Beteiligten dem schriftlich Niedergelegten ganz allgemein nicht voll entsprechen musste." Es handelt sich also um einen aus den besonderen Umständen des Einzelfalls gezogenen Schluss des LSG auf den Wert des genannten Honorarvertrages für die Feststellung des wahren Willens der Beteiligten in diesem Fall. Eine für die Darlegung einer Divergenz erforderliche abstrakte rechtliche Aussage mit Geltungsanspruch über den Einzelfall hinaus wird hier durch das LSG gerade nicht getroffen.

24

3. Soweit die Klägerin eingangs der Begründungsschrift auch die Verfahrensrüge (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)erhebt, wird dies in der Folge nur im Rahmen der Darlegungen zu den Voraussetzungen der weiteren Zulassungsgründe ausgeführt. Für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) müssen aber die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

25

Dies hat die Klägerin nicht in der gebotenen Weise getan. So rügt die Klägerin ua, dass das LSG verfahrensfehlerhaft im Urteil eine nicht frei bestimmbare Arbeitszeit festgestellt habe, obwohl es schriftsätzliche Beweisanträge zum Beweis, dass "die Beigeladene ihre Arbeitszeit außerhalb der Kernarbeitszeit frei bestimmen und auch am Wochenende arbeiten konnte", ausdrücklich als wahr unterstellt habe (Ziff (II.) A. II. der Beschwerdebegründung, dort zweiter Absatz). Damit benennt die Klägerin jedoch keinen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Vielmehr greift sie ausschließlich die rechtliche Würdigung des LSG an, soweit dieses trotz der als wahr unterstellten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangt, der Rechtsbegriff einer "freien Arbeitszeiteinteilung", wie er der Prüfung der Versicherungspflicht zugrunde zu legen ist, werde vorliegend nicht erfüllt. Eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts ist aber auch im Rahmen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen.

26

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

28

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG auf 3075,68 Euro festzusetzen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 877,06 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Familienhelferin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag und ob das klagende Land Berlin für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.

2

Die Beigeladene zu 1. ist Diplompädagogin und Diplompsychologin. Sie war von Juli 1995 bis 31.12.1999 als Familienhelferin für den Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe tätig, indem sie jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufsuchte und diese dort vor Ort unterstützte; ab 1.1.2000 setzte die Beigeladene zu 1. die Tätigkeit für den Kläger als (abhängig) Beschäftigte eines freien Jugendhilfeträgers fort. Der Kläger legte für die von ihm bis 31.12.1999 als selbstständig angesehene Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. - wie in ähnlichen anderen Fällen auch - einen "Helfervorgang" mit ihren persönlichen Daten auf einem "Personenblatt" mit Nachweisen ihrer bisherigen Ausbildung und Tätigkeiten, Lebenslauf und Führungszeugnis an. Zu der Tätigkeit der Beigeladene zu 1. kam es jeweils nach der Bewilligung von Leistungen nach §§ 27, 31 SGB VIII an die Familien durch den Kläger. Diese Leistungsbewilligung erfolgte auf der Grundlage eines durch einen beim Kläger beschäftigten Sozialarbeiter erstellten Hilfeplans, der den Einsatz einer Familienhelferin vorsah und Aufgaben und Ziele der Hilfen umschrieb. Der Bewilligungsbescheid regelte die Übernahme der Kosten für den Familienhelfereinsatz in einem bestimmten Zeitraum mit einer festgelegten Wochenstundenzahl, benannte die Beigeladene zu 1. als ausführende Person und enthielt den Hinweis, dass seitens des Klägers mit dieser direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1. erhielt Durchschriften der Bescheide und wurde in Anschreiben des Klägers zugleich darüber informiert, dass das "Familienhelfergeld" 26,40 DM je Stunde betrage; wörtlich heißt es in den Anschreiben: "Wir weisen darauf hin, dass die Familienhelfertätigkeit nicht im Rahmen von Rechtsbeziehungen zum Land Berlin ausgeübt wird, insbesondere zum Land Berlin kein Arbeitsverhältnis, freies Dienstvertrags- oder Werkvertragsverhältnis begründet wird". Die Beigeladene zu 1. war berechtigt, die Übernahme einer Betreuung abzulehnen. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1. dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterzeichnen waren. Der Kläger gewährte der Beigeladenen zu 1. neben der beschriebenen Vergütung "Urlaubsabgeltung" sowie laufende monatliche Zuschüsse zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %". Die Beigeladene zu 1. arbeitete pro Betreuungsfall maximal 14 Stunden wöchentlich neben einer Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin; teilweise betreute sie gleichzeitig zwei oder mehrere Familien. Darüber, ob die Hilfebedürftigkeit iS des Jugendhilferechts fortbestand, informierte sie den Kläger in Gesprächen und erstellte Berichte über ihre Tätigkeit.

3

Im Mai 1999 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung, ob sie in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte stellte daraufhin - nach einem vorangegangenen anderen Rechtsstreit - gegenüber dem Kläger fest, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin vom 1.12.1995 bis 31.12.1999 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe, und forderte vom Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18 877,06 Euro (Bescheid vom 27.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 14.3.2005).

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 24.1.2007). Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Zwar sprächen für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum das fehlende Unternehmerrisiko, das stundenweise gezahlte, in Bezug auf seine Höhe vom Kläger vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung und die Abgeltung von Urlaub; es überwögen jedoch - bei gleichzeitigem Vorliegen einiger "neutraler" Gesichtspunkte - die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale. Diese Merkmale seien der Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit und ihre fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. So sei die Beigeladene zu 1. nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten. Auch habe sie im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Dass dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung für die von ihm zu erbringenden Leistungen nach dem SGB VIII oblegen habe, lasse keine Rückschlüsse auf eine Tätigkeit der von ihm eingesetzten Personen als Arbeitnehmer zu (Urteil vom 22.9.2010).

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III sowie sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Die Gesamtschau aller Umstände ergebe hier, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für den Kläger beschäftigt und damit versicherungspflichtig gewesen sei. Dafür sprächen neben der Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung, der Abgeltung von Urlaub und einem fehlenden Unternehmerrisiko vor allem die Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Klägers, die aus der Wahrnehmung der ihm obliegenden gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Jugendhilferechts, insbesondere seiner Verantwortung nach § 79 Abs 1 SGB VIII und nach § 36 Abs 2 SGB VIII, folge. Zum Ausschluss von Haftungsrisiken habe er die Tätigkeit sowie die Aus- und Fortbildung der von ihm eingesetzten Familienhelfer weitgehend selbst zu kontrollieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Verknüpfung von Kontakt- und Berichtspflichten ermögliche eine ständige, die freie Gestaltung der Tätigkeit einschränkende Überwachung der Familienhelfer durch den zuständigen Sozialarbeiter. Das Weisungsrecht des Klägers dokumentiere sich in erstellten und fortgeschriebenen Hilfeplänen, in Rücksprachen sowie in den Berichtspflichten der Beigeladenen zu 1.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zuschüsse zur Krankenversicherung seien bis zum Ende des Jahres 2003 freien Mitarbeitern, die den Status arbeitnehmerähnlicher Personen gehabt hätten und als sozial schutzbedürftig angesehen worden seien, ohne rechtliche Verpflichtung als freiwillige Leistung gezahlt worden. Aus dem primär auf den Hilfeempfänger bezogenen und für die öffentlich-rechtliche Bewilligung erforderlichen Hilfeplanverfahren könne ein für eine Beschäftigung sprechendes Weisungsrecht nicht hergeleitet werden.

9

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

10

Der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 hinsichtlich der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

11

Er schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. Ergänzend führt er aus, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung gemäß § 79 SGB VIII und in Erfüllung seines Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und nachgeordneten Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten. Deshalb könnten diese Tätigkeiten der Familienhilfe - wie sie auch durch die Beigeladene zu 1. erfolgt seien - nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden.

12

Die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellen keinen Antrag. Sie schließen sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

14

Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig gewesen sei und der Kläger für sie deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Die - aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. gewonnene - Beurteilung des LSG, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte deren Versicherungspflicht als Beschäftigte zu Recht festgestellt und die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

15

1. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.

16

In den Jahren 1995 bis 1999, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 168 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw § 25 Abs 1 S 1 SGB III, jeweils in den seinerzeit maßgebenden Gesetzesfassungen). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 -B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f; jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).Das kann bei manchen Tätigkeiten - zB in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17 ; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN).

17

2. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu unter b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).

18

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit einer Familienhelferin - wie von der Beigeladenen zu 1. ausgeübt - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.

19

Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 -, BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage zu dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.

20

Die Regelung des § 8a SGB VIII konnte entgegen der Auffassung der Beklagten hier bereits deshalb keine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. begründen, weil sie erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt wurde und damit im hier streitigen Zeitraum bis Ende 1999 noch nicht galt. Hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 3. benannten Vorschriften des Berliner Landesrechts kann offenbleiben, ob ihnen entsprechende Weisungsrechte zu entnehmen waren, weil diese ebenfalls erst nach 1999 in Kraft traten.

21

Ob - wie die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. und 4. meinen - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in seiner Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.

22

b) Das LSG hat die unter 1. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff).

23

Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und dann eine Gesamtbetrachtung der Indizien vorgenommen. Es hat vor allem das fehlende Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 mwN), das stundenweise gezahlte, vom Kläger der Höhe nach vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung sowie die Abgeltung von Urlaub als für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechende Umstände gewertet und diesen Umständen einige von ihm als "neutral" eingestufte bzw für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte (Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen - bei als "befremdlich" erscheinendem Hinweis, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen Kläger und Beigeladener zu 1. bestünden -, zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit, fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers) gegenübergestellt. Als maßgebend für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung hat es das Fehlen der Ausübung eines "ins Einzelne gehenden Weisungsrechts" angesehen, gleichwohl aber andererseits die "weitgehende Freiheit von arbeitsbezogenen Weisungen" - ähnlich der Sachlage bei Diensten höherer Art - (wiederum) nicht als Beleg für Selbstständigkeit eingestuft. Die Beigeladene zu 1. sei nicht in einer Art und Weise in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen, die auf eine Beschäftigung hindeute, weil sie nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten sei. Die Beigeladene zu 1. habe auch im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine indizielle Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.

24

c) Das Urteil des LSG kann allerdings trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ansatzes keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladene zu 1. sei als Familienhelferin für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.

25

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 1. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).

26

Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.

27

So hätte zunächst genauer ermittelt und gewürdigt werden müssen, unter welchen rechtlichen Vorgaben Familienhelfer im Land Berlin in der streitigen Zeit bis Ende 1999 überhaupt tätig wurden und wie das Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu 1., die gegen eine stundenweise, vom Kläger festgesetzte Vergütung arbeitete, in diesem Zusammenhang nach der im Land Berlin üblichen Praxis einzuordnen ist. Nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten könnten gewichtige Anhaltspunkte bestehen, die deutlicher als vom LSG angenommen für eine Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechen und im Rahmen der Gesamtschau überwiegen könnten. Das LSG durfte es nicht dabei belassen, dass Vorgaben über die Ausgestaltung der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger "nicht zu finden" seien und dass die Feststellung, es bestünden "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., "befremdlich" erscheine, und nicht schon darauf seine Abwägung aufbauen. Dies rechtfertigt es, ein relevantes Abwägungsdefizit zu bejahen. Obwohl der vom LSG festgestellte Inhalt der vorhandenen Unterlagen den Schluss zulässt, dass Selbstständigkeit gewollt war, könnte den weiteren Umständen der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. gleichwohl zu entnehmen sein, dass diese abweichend hiervon als Beschäftigte tätig werden sollte und tatsächlich auch in dieser Weise tätig wurde. So sollte - wie bereits beschrieben - auf der einen Seite der einzelne Einsatz als Familienhelferin und dessen Durchführung allein mittelbar im Bewilligungsbescheid des Jugendamtes gegenüber der leistungsberechtigten Familie seine Grundlage haben und sollten sogar "keinerlei Rechtsbeziehungen zum Land Berlin" begründet und Arbeitnehmerrechte (insbesondere auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen) nicht gewährt werden. Im Gegensatz dazu steht die Gewährung typischer Arbeitnehmerleistungen des Klägers an die Beigeladene zu 1. ("Urlaubsabgeltung", was gedanklich einen eingeräumten Urlaubsanspruch voraussetzt; laufende gewährte Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %"). Allerdings wäre insoweit ebenso zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch arbeitnehmerähnlichen Personen zustehen kann, was der Senat in der Vergangenheit als Indiz für Selbstständigkeit angesehen hat (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25, Juris RdNr 25). Zu den Einzelheiten der praktischen Gestaltung der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. fehlen die erforderlichen Feststellungen.

28

Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelferin, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechen.

29

Hinzu kommen im vorliegenden Fall Hinweise auf ein gänzlich fehlendes rechtlich relevantes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Unter diesem Blickwinkel könnten sich Zweifel an der Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. ergeben, falls sich nach Ermittlungen herausstellen sollte, dass die Arbeitsstunden-Vergütung mit 26,40 DM brutto betragsmäßig im Bereich dessen lag, was einer Familienhelferin im Jugendhilfebereich mit der Qualifikation der Beigeladenen zu 1. als Angestellte tariflich oder einzelvertraglich als Vergütung zustand. Aufgeklärt werden müsste auch, ob die Beigeladene zu 1. in einer für Arbeitnehmer allerdings eher untypischen Weise ihre einzelnen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen konnte und vom Kläger ggf aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Familien "zugeteilt" werden konnte (vgl zu diesen Gesichtspunkten BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 27). Vor diesem Hintergrund bleibt bislang offen, ob überhaupt typische Risiken, aber auch höhere Chancen einer vermeintlichen Selbstständigkeit bestanden.

30

Schließlich ergibt sich auch in Bezug auf weitere Abgrenzungsmerkmale Anlass zu einer näheren Betrachtung der Umstände, unter denen die Beigeladene zu 1. tätig wurde. Das LSG hat größere Entscheidungsspielräume der Beigeladenen zu 1., insbesondere eine im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmbare und von Kontrollen des Klägers weitgehend freie Arbeitsleistung, als letztlich entscheidend für die Selbstständigkeit angesehen. Insoweit fehlt es an einem Vergleich mit den Spielräumen, die einer in - ggf befristeten oder projektbezogenen - (Teilzeit-)Beschäftigung erwerbstätigen Familienhelferin für deren Tätigkeit eingeräumt waren. Da das LSG insoweit selbst davon ausgeht, bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folgten größere Spielräume, kann ein für die Tätigkeit bestehender Spielraum, der in gleicher Weise für eine angestellte, Familien vor Ort betreuende Familienhelferin besteht, kein maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung selbstständiger Tätigkeit von Beschäftigung sein. Vielmehr ist hierzu zu ermitteln, welche wesentlichen, gerade einer Selbstständigkeit das Gepräge gebenden Freiräume für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bestanden, die einer im öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger beschäftigten Familienhelferin (als solche war die Beigeladene zu 1. ab dem Jahr 2000 für den Kläger eingesetzt) im streitigen Zeitraum nicht zustanden. Insoweit bietet es sich an, auch der Frage nachzugehen, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und/oder Vertretungsregelungen bestanden. Diese nach entsprechenden Ermittlungen vorzunehmende Vergleichsbetrachtung ist dann in die erforderliche Gesamtabwägung einzustellen.

31

d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladene zu 1. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelferin in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig war. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen zu 1. - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.

32

3. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

33

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahrens war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG für das Berufungsverfahren festgesetzten, der streitigen Beitragsforderung entsprechenden Betrages von 18 877,06 Euro festzusetzen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.08.2014 – 1 Ca 10174/13 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als selbstständiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) unterlag.

2

Der Kläger beantragte am 2.2.2005 bei der beklagten Deutsche Rentenversicherung Bund die Beitragszahlung für eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen RV als selbstständig Tätiger für seine ab Oktober 2004 ausgeübte Tätigkeit als "Honorardozent" beim "B." (im Folgenden: BNW). Die Beklagte stellte - nach ergänzenden Angaben des Klägers in einem Fragebogen vom 1.11.2005 - die Versicherungspflicht entsprechend fest und erhob ab Oktober 2004 Pflichtbeiträge. Der Kläger verrichtete die für diesen Bildungsträger bis dahin wie auch in den Folgejahren ausgeübte Tätigkeit nicht durchgehend, sondern nur während bestimmter Zeiträume (5.10. bis 23.12.2004, 10.1. bis 23.6.2005, 1.9. bis 21.12.2005, 6.2. bis 12.4.2006, 27.4. bis 13.7.2006, 4.10. bis 20.12.2006 und 8.1. bis 2.6.2007). In den jeweiligen Zwischenzeiträumen meldete er sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg).

3

Am 4.6.2007 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und bezog wiederum Alg. Mit Schreiben vom 6.7.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 3.6.2007 arbeitslos gemeldet sei und daher die Beitragszahlung zur RV vorerst einstelle. Bei neuerlicher Aufnahme der Dozententätigkeit - "voraussichtlich im August/September" - wolle er sie informieren und auf Anforderung die Zahlungen wieder aufnehmen. Mit Bescheid vom 1.8.2007 und Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 setzte die Beklagte die Höhe der RV-Beiträge ab 1.1.2007 nach dem halben Regelbeitrag fest und forderte von dem Kläger ua Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2007. Im Übrigen lehnte sie "eine Unterbrechung der Beitragszahlung aufgrund einer zeitweisen Nichtausübung der Lehrtätigkeit" ab.

4

Das SG hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben und die Bescheide der Beklagten aufgehoben, soweit darin RV-Beiträge für die Zeit vom 4.6. bis 30.9.2007 geltend gemacht wurden (Urteil vom 18.12.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die selbstständige Tätigkeit des Klägers und die hieraus folgende Versicherungspflicht seien in den Monaten Juni bis September 2007 unterbrochen gewesen, weil er in diesem Zeitraum nicht tätig gewesen sei. Im Rahmen der Abgrenzung eines - die Versicherungspflicht unberührt lassenden - vorübergehenden, kurzfristigen Entfallens der Arbeitsleistung von einer zum Wegfall der Versicherungspflicht führenden Unterbrechung sei neben der Länge bzw der Dauer der Unterbrechung (objektives Kriterium) auch der Wille des Versicherten zu berücksichtigen, nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes seine Tätigkeit fortzusetzen (subjektives Kriterium). Für eine der Versicherungspflicht entgegenstehende Unterbrechung spreche hier bereits der Zeitraum von vier Monaten. Er überschreite deutlich den Zeitrahmen von einem Monat, während dessen - unter Berücksichtigung der Regelung in § 7 Abs 3 S 1 SGB IV - angenommen werden könne, dass eine Nichtausübung der Tätigkeit die Versicherungspflicht unberührt lasse. Auch habe der Kläger nicht den Willen gehabt, im streitigen Zeitraum die Tätigkeit auszuüben, wie seine Arbeitslosmeldung und seine Mitteilung an die Beklagte vom 6.7.2007 dokumentierten. Dass er seine Tätigkeit nicht endgültig habe aufgeben wollen, stehe zwar einer Beendigung der Versicherungspflicht entgegen, nicht aber der Annahme einer (für die Versicherungspflicht schädlichen) Unterbrechung. Die rechtliche Möglichkeit einer Mehrfachversicherung aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit und zugleich aufgrund des Bezugs von Alg schließe nicht aus, dass in dem fraglichen Zeitraum eine Unterbrechung der Tätigkeit vorgelegen habe. § 58 Abs 2 S 1 SGB VI sehe die Unterbrechung der versicherten Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit auch durch Anrechnungszeiten nach Abs 1 S 1 Nr 3 der Vorschrift vor und beziehe damit die Arbeitslosigkeit bei Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen ein. Das Erfordernis, ggf rückschauend das Versicherungsverhältnis bewerten zu müssen, widerspreche dem nicht (Urteil vom 15.12.2011).

5

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung von § 2 S 1 Nr 1 SGB VI durch das LSG. Die Regelung sehe die Möglichkeit der Unterbrechung der Versicherungspflicht nicht vor. Aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Regelungen in § 58 Abs 2 SGB VI und § 7 Abs 3 S 1 SGB IV lasse sich in diesem Zusammenhang nichts herleiten. Der Kläger habe auch in der auftragslosen Zeit eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt; denn er sei im streitigen Zeitraum objektiv unverändert willens und in der Lage gewesen, weiterhin eine selbstständige Dozententätigkeit auszuüben, sofern sich ein entsprechender Auftrag ergeben hätte. Auftragslosigkeit sei typisches Risiko einer jeden selbstständigen Tätigkeit. Gleichwohl bemühe sich ein Selbstständiger auch in solchen Zeiten um weitere Aufträge oder arbeite Konzepte aus. Etwas anderes könne nur für bestimmte saisonale Tätigkeiten (zB Ski- oder Segellehrer) gelten, nicht aber für eine Dozententätigkeit. Kennzeichnend für eine Beendigung der Versicherungspflicht sei, dass der Versicherte aufgrund objektiver, nach außen hin erkennbarer Anhaltspunkte auf Dauer nicht mehr selbstständig erwerbstätig sein wolle und die Tätigkeit gänzlich einstelle bzw seine selbstständige Tätigkeit aufgrund ihrer spezifischen Art jedenfalls für eine bestimmte Zeit nicht ausüben könne. Derartige Beendigungsumstände lägen im Falle des Klägers auch mit Blick auf die Arbeitslosmeldung und den Alg-Bezug nicht vor. Demzufolge habe er im streitigen Zeitraum trotz der RV-Pflicht aufgrund des Alg-Bezugs gemäß § 3 S 1 Nr 3 SGB VI auch der - streitigen - fortbestehenden Versicherungspflicht als Selbstständiger nach § 2 SGB VI unterlegen.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Aurich vom 18. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt die angefochtenen Urteile.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat kann über die Revision der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger im streitigen Zeitraum vom 4.6. bis 30.9.2007 als selbstständiger Lehrer iS von § 2 S 1 Nr 1 SGB VI "tätig" war und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV unterlag. Die vom LSG - welches dies verneint hat - festgestellten Umstände reichen nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Kläger zwischen dem Ablauf seines letzten - vom 8.1. bis 2.6.2007 erfolgten - Einsatzes als "Honorardozent" für das BNW und der erneuten Aufnahme einer zeitlich begrenzten Dozententätigkeit ab 4.10.2007 aus Rechtsgründen als selbstständig tätig anzusehen ist, weil auch - wie von der Beklagten zugrunde gelegt - eine durchgehende selbstständige Tätigkeit mit der Folge durchgehender RV- und Beitragspflicht in Betracht kommt.

12

1. Streitgegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 1.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007. Darin wurden für die Zeit ab 1.1.2007 - ua auch für den streitigen Zeitraum vom 4.6. bis 30.9.2007 - die Höhe der vom Kläger als nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI versicherten Selbstständigen und daher nach § 169 Nr 1 SGB VI Beitragstragungspflichtigen zu zahlenden Beiträge festgesetzt und auf dieser Grundlage ua für den Zeitraum vom 4.6 bis 31.8.2007 in näher bestimmtem Umfang Beiträge (nach)gefordert.

13

2. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Beklagte in den vorgenannten Bescheiden zu Recht die Beiträge für den streitigen Zeitraum festgestellt und zumindest bis 31.8.2007 gefordert hat. Die vom LSG getroffenen Feststellungen lassen keine zur Beendigung des Rechtsstreits führende fallbezogene rechtliche Bewertung darüber zu, ob der Kläger im streitigen Zeitraum (noch) als selbstständig tätiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV unterlag oder nicht (mehr).

14

a) Zu Recht hat das LSG im Ausgangspunkt seiner Erwägungen allerdings angenommen, dass einer möglichen Versicherungspflicht des Klägers als selbstständig tätiger Lehrer nicht schon seine im streitigen Zeitraum bestehende Versicherungspflicht als Bezieher von Alg (§ 3 S 1 Nr 3 SGB VI) als solche entgegensteht (sog Mehrfachversicherung). Denn grundsätzlich können mehrere Versicherungspflichttatbestände nebeneinander bestehen und können sich daraus auch - vorbehaltlich von (hier nicht vorliegenden) Sonderregelungen - mehrfache Beitragspflichten ergeben (stRspr, vgl allgemein zuletzt BSG SozR 4-5420 § 2 Nr 2 RdNr 20 mwN; zur Möglichkeit der Mehrfachversicherung im Rahmen des § 2 SGB VI speziell BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 9/04 R - Juris RdNr 13 mwN; sowie Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992, BT-Drucks 11/4124 S 149 Zu § 2).

15

b) Demgegenüber lässt sich aufgrund der vom LSG - von seinem eigenen rechtlichen Ansatz aus konsequent - nur in beschränktem Maße getroffenen Tatsachenfeststellungen im Weiteren nicht abschließend beurteilen, ob seine rechtliche Würdigung des Falles, wonach der Kläger in der streitigen Zeit nicht als selbstständig tätiger Lehrer versicherungspflichtig war, zu Recht auf § 2 S 1 Nr 1 SGB VI gestützt werden kann.

16

aa) "Selbstständig tätige … Lehrer und Erzieher", die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, sind in der gesetzlichen RV versicherungspflichtig (§ 2 S 1 Nr 1 SGB VI idF gemäß Art 1 Nr 2 Buchst a RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007, BGBl I 554). Grundlage für die Beitragsfestsetzung und -erhebung sind für diesen Personenkreis sodann § 165 Abs 1 S 1 Nr 1, S 2 (idF gemäß Art 4 Nr 8 Buchst a des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) und § 169 Nr 1 SGB VI (idF der Neubekanntmachung durch Gesetz vom 19.2.2002, BGBl I 754), die im Einzelnen näher die Höhe der beitragspflichtigen bzw die Beitragstragung des selbstständig Tätigen festlegen.

17

bb) Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Tätigkeit als "selbstständiger Lehrer" - von der die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - im hier maßgebenden rentenversicherungsrechtlichen Sinne des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI hat der Senat bislang nicht in einem engen Sinne verstanden. Sie sind vielmehr bereits dann erfüllt, wenn durch den Betroffenen im konkreten Fall eine spezielle Fähigkeit durch praktischen Unterricht vermittelt wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbstständigen) Lehrers gibt, oder ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird (vgl bereits BSGE 99, 277 = SozR 4-2600 § 2 Nr 11, RdNr 13 mwN). Gegen die darauf fußende Anordnung der RV-Pflicht selbstständiger Lehrer bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl zB BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 31 ff; BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr 10). Allerdings führt zur Annahme einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe - hier derjenigen der Lehrer -, vielmehr verlangt der Gesetzeswortlaut, dass der Betroffene auch selbstständig "tätig" ist, also bezogen auf den im Gesetz genannten Beruf auch tatsächlich nennenswerte Aktivitäten entfaltet.

18

cc) Das LSG hat vor diesem Hintergrund eine Versicherungspflicht des Klägers verneint, weil er aufgrund der (offenbar von vornherein) befristeten Tätigkeit für das BNW in der streitigen Zeit danach nicht mehr (für dieses) selbstständig tätig gewesen sei, obwohl er ein erneutes Engagement bei dem BNW wieder in Aussicht gehabt habe. Hieraus hat es geschlossen, dass keine in der sozialrechtlichen Literatur für bestimmte Sachverhaltskonstellationen diskutierte, aus der für Beschäftigte geltenden Regelung in § 7 Abs 3 S 1 SGB IV und aus der Regelung über Anrechnungszeiten in § 58 Abs 2 S 1 SGB VI hergeleitete versicherungspflichtunschädliche (kurzfristige) Unterbrechung der Tätigkeit, zB wegen Krankheit(vgl hierzu Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 8/13, K § 2 RdNr 104; Segebrecht in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl 2013, § 2 RdNr 50) vorliege, sondern angesichts des Zeitraums von ca vier Monaten eine (echte) für die Bejahung der RV-Pflicht schädliche Unterbrechung der tatsächlichen Tätigkeit. Zugleich hat das LSG eine (endgültige) Beendigung der selbstständigen Tätigkeit und damit ein (endgültiges) Ende der Versicherungspflicht ausdrücklich verneint.

19

Diese Argumentation und seine ergänzenden Erwägungen tragen nicht den von ihm gezogenen Schluss des Fehlens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV.

20

(1) Abweichend von der Auffassung des LSG kann nicht schon allein entscheidend darauf abgestellt werden, dass die Unterbrechung hier deutlich mehr als einen Monat angedauert habe; der dazu vom LSG für die Festlegung eines konkreten starren zeitlichen Rahmens herangezogene, nur für die Beschäftigung geltende § 7 Abs 3 S 1 SGB IV bietet insoweit keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Beantwortung der sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden Frage, wann ein Selbstständiger (noch) "tätig" ist. Schließlich können selbst in größeren Betrieben und Unternehmen immer wieder auch längere betriebswirtschaftlich-kalkulatorisch überbrückbare (Zwischen-)Phasen der Auftragslosigkeit auftreten, ohne dass in diesen Phasen - mögen sie auch die Dauer eines Monats überschreiten - regelhaft von einer Beendigung oder versicherungsrechtlich schädlichen Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit des Firmeninhabers ausgegangen werden müsste.

21

(2) Auch aus der allein das Leistungsrecht betreffenden Regelung über Anrechnungszeiten in § 58 Abs 2 S 1 SGB VI lässt sich entgegen der Ansicht des LSG für die zu klärende, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV betreffende Rechtsfrage unmittelbar oder mittelbar nichts herleiten.

22

(3) Der Umstand der Inanspruchnahme von Alg als solcher - zumal aufgrund einer hier im Raum stehenden freiwilligen Versicherung als Existenzgründer in der Arbeitslosenversicherung - wäre ebenso nicht geeignet, von vornherein von einem Ende der selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Vielmehr machen die Regelungen über Teil-Alg in § 162 SGB III deutlich, dass neben einem entsprechenden Leistungsbezug mit den sich daraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Wirkungen auch noch ein weiterer, über einen anderen Sachverhalt vermittelter versicherungsrechtlicher Status gegeben sein kann.

23

(4) Gefolgt werden kann dem LSG auch nicht darin, dass neben einer (endgültigen) Beendigung der selbstständigen Tätigkeit und einem damit einhergehenden (endgültigen) Ende der Versicherungspflicht - das es ausdrücklich verneint hat - die Kategorie einer "versicherungsschädlichen" beendigungsgleichen "Unterbrechung" der selbstständigen Tätigkeit im rentenversicherungsrechtlichen Sinne in Betracht komme. Für die Existenz einer solchen Kategorie bietet schon der Gesetzeswortlaut keinen Anhalt.

24

(5) Demgegenüber ist es nach Sinn und Zweck der rentenversicherungsrechtlichen Regelungen über die Versicherungspflicht Selbstständiger - jedenfalls in den Fällen des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI - geboten, für dessen Auslegung ähnliche vergleichbare Konstellationen im Bereich des Versicherungsrechts der Sozialversicherung in den Blick zu nehmen, in denen Rechtsfolgen an die Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit in Bezug auf den versicherungsrechtlichen Status geknüpft werden. So hat der Senat bereits im Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen entschieden, dass Personen "unständig Beschäftigte" sind und damit am Status des § 7 SGB IV teilhaben, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind(BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 R 13/10 R - Juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4-2400 § 7 Nr 19 vorgesehen); auch als Selbstständige können Personen, die in ihrer konkreten Erwerbstätigkeit zeitliche Lücken aufweisen, "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags unständig selbstständig tätig sein (so BSG Urteil vom 28.5.2008, aaO, RdNr 26). Bei dieser Gruppe der Selbstständigen tritt dann an die Stelle des einer Beschäftigung zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses (vgl § 7 Abs 3 SGB IV)als Pendant und verbindendes Element die willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit. Eine derartige willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit - bezogen auf denselben Auftraggeber - kann sich in den den jeweiligen Engagements für einen Auftraggeber zugrundeliegenden Rahmenverträgen, Rahmenvereinbarungen oder Absprachen mit einer hinreichend konkreten, rechtlich begründeten Aussicht der Fortsetzung oder Tätigkeit für den jeweiligen Auftraggeber niederschlagen und nach außen dokumentieren, sofern dies nicht aufgrund der besonderen, objektiven Merkmale der Tätigkeit von vornherein ausgeschlossen ist (zB bei einer Tätigkeit als Skilehrer für Zeiten außerhalb der Skisaison). Die willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit am Markt kann sich aber auch - unabhängig von einem konkreten (früheren) Auftragsverhältnis - allgemein in einer Teilnahme am Wirtschaftsleben wenigstens durch werbende Tätigkeiten gegenüber anderen potentiellen Auftraggebern manifestieren (vgl Gürtner in Kasseler Komm, § 2 SGB VI RdNr 7, Stand Einzelkommentierung 77. Ergänzungslieferung/März 2013). So ist eine zur Versicherungspflicht führende selbstständige "Tätigkeit" nicht erst dann anzunehmen, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, wenn also zB Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden. Vielmehr können auch Vorbereitungshandlungen, die nach den Umständen bereits "Außenwirkung im Geschäftsverkehr" entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind, als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden (vgl im Zusammenhang mit dem Anspruch auf einen Gründungszuschuss nach dem Recht der Arbeitsförderung BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5 RdNr 18 mwN; BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 2 RdNr 19 mwN).

25

Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei der Frage, ob eine Tätigkeit als selbstständiger Lehrer ausgeübt wird, regelmäßig zu ermitteln, ob außerhalb der Erbringung von reinen Unterrichtsleistungen sonstige der selbstständigen Lehrtätigkeit mit zuzurechnende Arbeiten verrichtet wurden - namentlich in Form des Bemühens um weitere Aufträge am Markt oder in Form der Vor- und Nachbereitung von Lehrstunden (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 21.2.2007 - L 2 R 195/06 - Juris RdNr 23). Dem kommt gerade bei Personen wie Lehrern, die typischerweise über wenige eigene Betriebsmittel und regelmäßig kein eigenes Personal verfügen, besonderes Gewicht zu. Bei diesen lässt sich die Frage, ob eine entsprechende ihre RV-Pflicht begründende Tätigkeit (noch bzw weiter) ausgeübt wird, letztlich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Um eine solche (wertende) Schlussfolgerung in die eine oder andere Richtung ziehen zu können, verbietet sich allerdings der Rückgriff auf bloße "Allgemeinplätze", vielmehr bedarf es zunächst klarer Tatsachenfeststellungen, von denen sich dann in einer Gesamtabwägung aller Umstände entsprechende Folgerungen ableiten lassen.

26

dd) Die vom LSG getroffenen Feststellungen, auf die der Senat im Rahmen seiner revisionsgerichtlichen Überprüfung beschränkt ist (vgl § 163 SGG), lassen gemessen an den unter cc) dargelegten Grundsätzen eine abschließende Entscheidung über den Erfolg der Revision der Beklagten nicht zu.

27

Es fehlen bereits hinreichend klare, konkrete und nachvollziehbare Feststellungen des LSG dazu, wie die Ausführung der vom Kläger für das BNW als "Honorardozent" übernommenen Aufgaben und von ihm zu deren Erfüllung ausgeführten Tätigkeiten im Einzelnen überhaupt ausgestaltet waren (zB Art, Inhalt und Dauer der Tätigkeit, Notwendigkeit der Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsengagements, Pflicht zur persönlichen Aus- und Weiterbildung). Des Weiteren fehlen Feststellungen zur konkreten Voraussehbarkeit von Zeiträumen und zur Abfolge der Engagements durch das BNW, wie sie zB durch die der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegenden (übergreifenden) Rahmenvereinbarungen oder Absprachen fixiert und dokumentiert bzw zumindest (etwa als Geschäftsgrundlage) sogar nur vorausgesetzt worden sein könnten, etwa in dem Sinne, dass ausgehend von einer in der Vergangenheit wiederholt geübten einigermaßen verlässlichen Praxis auf die Vorhersehbarkeit auch von künftigen Engagements ausgegangen werden durfte. Für die Existenz entsprechender Vereinbarungen bzw dem gleichstehender Umstände spricht vorliegend, dass der Kläger selbst in seiner Mitteilung an die Beklagte vom 6.7.2007 angegeben hatte, - ähnlich wie schon für die Vergangenheit geschildert - auch in der Zukunft erneut als Lehrkraft für das BNW tätig zu sein. Darüber hinaus hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger auch für andere Auftraggeber tätig war bzw hierzu bereit gewesen wäre. Es fehlen konkrete Feststellungen, ob und inwieweit sich der Kläger im streitigen Zeitraum auch um Unterrichtsengagements anderer Auftraggeber bemühte und schon deshalb von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen wäre. Soweit das LSG insoweit ausgeführt hat, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der streitigen Zeit anderweitige Lehrveranstaltungen habe abhalten, sich auf entsprechende Lehrveranstaltungen vorbereiten oder Kundenakquise betreiben sollen, handelt es sich ausdrücklich nur um Feststellungen zur subjektiven Sicht des Klägers vor dem Hintergrund seiner bisherigen Tätigkeit für das BNW, die sich allerdings mit dem Vortrag des Klägers, der allgemein von einer "Dozententätigkeit" bzw von einer Tätigkeit als "freischaffender Dozent" spricht, nicht ohne Weiteres in Einklang bringen lassen. In diesem Zusammenhang könnte schließlich auch von Bedeutung und näher aufzuklären sein, ob vom - als arbeitsuchend gemeldeten - Kläger abgegebene Äußerungen und Erklärungen, die in den vom LSG in Bezug genommenen und zum Verfahren beigezogenen Akten der Bundesagentur für Arbeit dokumentiert sind, zu entscheidungserheblichen Erkenntnissen für den vorliegenden Rechtsstreit führen. Nach dem Akteninhalt hatte die Bundesagentur zunächst die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers als Selbstständiger in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a SGB III angenommen, später aber entschieden, dass diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien, weil die Tätigkeit als Selbstständiger am 3.6.2007 beendet worden sei.

28

3. Das LSG muss den Sachverhalt zu den Voraussetzungen des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI in Bezug auf die im Falle des Klägers vorliegenden Umstände insoweit im vorstehend unter 2. b) dd) dargestellten Sinne weiter aufklären. Dies führt zu einer auf § 170 Abs 2 S 2, Abs 3 SGG beruhenden Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

29

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger seit dem 1. Februar 2013.
Der Kläger ist ein Universitätsklinikum. Der Beigeladene zu 1) ist am 1968 geboren und (seit November 2001) Facharzt für Allgemeinchirurgie und (seit Oktober 2007) Facharzt für Kinderchirurgie. Er war bis November 2012 bei dem Kläger als angestellter Arzt abhängig beschäftigt. Seitdem ist er niedergelassener Arzt mit eigener Praxis.
Der Kläger und der Beigeladene zu 1) schlossen für die Zeit ab dem 1. Februar 2013 einen undatierten Vertrag, der u.a. folgende Regelungen enthält:
§ 1
Vertragsgegenstand
(1) Gegenstand des Vertrages ist die Einbindung [des Beigeladenen zu 1)] in den Rufbereitschaftsdienst der Sektion Kinderchirurgie, Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie [des Klägers].
[...].
§ 2
Umfang der Zusammenarbeit
(1) In Absprache mit dem Ärztlichen Direktor der Abteilung der Allgemein- und Viszeralchirurgie bzw. einem benannten Vertreter wird [der Beigeladene zu 1)] im Rahmen der Rufbereitschaft in die ambulante und stationäre Patientenbehandlung in der Sektion Kinderchirurgie [des Klägers] eingebunden.
(2) Die Leistungserbringung erfolgt je nach Bedarf an Wochenenden oder an Feier- und Brückentagen auf konsiliarärztlicher Basis.
(3) Die organisatorischen Maßnahmen im Rahmen der Zusammenarbeit erfolgen in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Ärzten der Sektion Kinderchirurgie [des Klägers].
10 
§ 3
Stellung des Arztes
11 
(1) Der [Beigeladene zu 1)] erbringt seine Leistungen selbstständig und höchstpersönlich. Er steht [zum Kläger] weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Arbeitsrechtliche Vorschriften, wie z. B. Kündigungsschutzgesetz, finden keine Anwendung. [Der Beigeladene zu 1)] ist in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet.
12 
(2) [Der Beigeladene zu 1)] verpflichtet sich, die bei der Untersuchung oder Behandlung erhobenen Befunde sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen. Das gleiche gilt für Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogramme und ähnliche Unterlagen und Aufzeichnungen.
13 
§ 4
Rechte und Pflichten des Arztes
14 
(1) [Der Beigeladene zu 1)] hat die Behandlung der Patienten so einzurichten, dass seine Tätigkeit sich sinnvoll in die Aufgaben und in den Arbeitsablauf [des Klägers] eingliedert und die wirtschaftliche Betriebsführung gewährleistet ist.
15 
(2) In seinem Arbeitsbereich ist [der Beigeladene zu 1)] gegenüber dem von [dem Kläger] zur Verfügung gestellten Personal – unbeschadet der Befugnisse der Mitglieder des Klinikvorstandes – fachlich weisungsberechtigt. Hierbei hat er den beruflichen Bildungsstand sowie die Arbeitsverträge der Personen zu beachten.
16 
(3) [Dem Beigeladenen zu 1)] wird der identische Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen [des Klägers] gestattet, wie den Mitarbeitern der Sektion Kinderchirurgie.
17 
(4) [Der Beigeladene zu 1)] hat die allgemeinen Richtlinien [des Klägers], z. B. Hygienerichtlinien zu beachten.
18 
(5) [Der Beigeladene zu 1)] hat mit den vom [Kläger] zur Verfügung gestellten Einrichtungen, Apparaten und Instrumenten sorgfältig umzugehen. Er hat sich vom einwandfreien Zustand der Geräte zu überzeugen. Bei auftretenden Mängeln hat er diese [dem Kläger] unverzüglich aufzuzeigen.
19 
§ 5
Bereitstellung von Personal, Räumen, Einrichtungen,
Gerätschaften und Material
20 
[Der Kläger] stellt [dem Beigeladenen zu 1)] die zur Erbringung der Leistung notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung. Verwendet [der Beigeladene zu 1)] bei der Erbringung ärztlicher Leistungen im Krankenhaus eigene Untersuchungs- und Behandlungsgeräte, wird eine Entschädigung hierfür nicht gewährt.
21 
§ 6
Vergütung der Leistung
22 
(1) [Der Kläger] erstattet [dem Beigeladenen zu 1)] für die Leistung gemäß § 2 ein Entgelt entsprechend den tariflichen Bestimmungen, anhand der vom Arzt dokumentierten Abrechnungsbögen. Basis ist die Eingruppierung als Oberarzt, Ä3 Stufe 1 (EUR 42,00 inkl. 12,5 % Aufschlag).
23 
(2) Der Nachweis der Rufbereitschaftsdienstes sowie der Operationen erfolgt durch [den Beigeladenen zu 1)] mit Hilfe der Abrechnungsbögen [des Klägers]. [Der Beigeladene zu 1)] dokumentiert den Rufbereitschaftszeitraum und die Wegezeiten.
[...].
24 
§ 8
Haftung
25 
(1) Eine etwaige Haftung [des Beigeladenen zu 1)] gegenüber den Patienten auf Grund der konsiliarärztlichen Tätigkeit ist über die Haftpflichtversicherung [des Klägers] abgedeckt.
26 
(2) Für Schäden, die [dem Kläger] durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit [des Beigeladenen zu 1)] entstehen (Eigenschäden), haftet die Haftpflichtversicherung [des Klägers] nicht.
27 
(3) [Der Beigeladene zu 1)] haftet gegenüber [dem Kläger] nicht für im Rahmen seiner konsiliarärztlichen Tätigkeit verursachte Eigenschäden nach Absatz 2; die Haftung [des Beigeladenen zu 1)] bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Eigenschäden nach Abs. 2 bleibt unberührt.
[...]
28 
§ 9
Vertragsdauer, Kündigung
29 
(1) Der Vertrag beginnt am 1. Februar 2013. Die Laufzeit beträgt sechs Monate. Zwei Monate vor Vertragsende, stimmen sich die Vertragspartner hinsichtlich einer Verlängerung der Vertragslaufzeit ab.
30 
(2) Der Vertrag kann mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Monats gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31. Juli 2013.
[...]
31 
Der Vertrag ist zumindest stillschweigend verlängert worden; der Beigeladene zu 1) übt die vereinbarte Tätigkeit weiterhin aus.
32 
Der Beigeladene zu 1) beantragte am 2. August 2013 bei der Beklagten die Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliegt. Im Verwaltungsverfahren gab er gegenüber der Beklagten an, dass eine Rufdiensttätigkeit an zwei Wochenenden im Monat, jeweils von Freitag 15.30 Uhr bis Montag 7.30 Uhr, erfolge. Am Samstag und Sonntag beinhalte der Dienst eine Visite bei den stationär liegenden Kindern. Bei seiner Verhinderung müsse das Team der Sektion Kinderchirurgie des Klägers den Dienst übernehmen. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretung bestehe nicht. Er trete nicht als Mitarbeiter des Klägers auf. Am Rufdienstwochenende habe er das fachliche Letztentscheidungsrecht. Montags erfolge jeweils eine Übergabe an das Team der Sektion Kinderchirurgie des Klägers.
33 
Die Beklagte gab dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 26. August 2013 Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Feststellung, dass eine abhängige Beschäftigung vorliege.
34 
Der Kläger trug daraufhin vor, dass der Beigeladene zu 1) zu ihrem Nachteil nicht dazu verpflichtet sei, zu erscheinen bzw. bei Erfordernis einen Dienst zu leisten. Dies sei ein wesentlicher Unterschied zu einem Arbeitnehmer. Der Beigeladene zu 1) erhalte eine Vergütung in Anlehnung an den Tarifvertrag. Die Höhe der Vergütung liege jedoch über der Vergütung während seiner früheren Beschäftigung bei ihm. Die Vergütung basiere auf Verhandlungen und werde derzeit modifiziert. Über eine Pauschalvergütung/Tagessätze werde derzeit nachgedacht. Die Leistung des Beigeladenen zu 1) sei mit dieser Vergütung abgegolten. Ein Anspruch auf die Vergütung von Privatpatienten habe der Beigeladene zu 1) nicht geltend gemacht. Hätte er dies getan, wäre er – der Kläger – dieser Forderung nachgekommen. Der Beigeladene zu 1) müsse seine Forderungen eigenständig durchsetzen. Der Haftungsschutz durch ihn – den Kläger – ermögliche die Abdeckung des Beigeladenen zu 1). Dies sei als Teil der Vergütung anzusehen. Der Beigeladene zu 1) sei nur im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit fachlich weisungsbefugt. Ohne diese erteilte Kompetenz wäre eine Behandlung eines Patienten ohne ethischen und moralischen Konflikt nicht denkbar. Auf Grund der Fähigkeiten und der Erfahrung des Beigeladenen zu 1) müsse dieser weisungsberechtigt sein. Die Abrechnung basiere derzeit auf der tatsächlich erbrachten Leistung. Für eine entsprechende Abrechnung müsse ihm ein Leistungsnachweis vorgelegt werden. Der Beigeladene zu 1) bestimme selbst, wann und in welchem Auftrag er tätig werde. Er habe keinen Anspruch auf einen Einsatz und er könne Aufträge ablehnen. Er entscheide voll und ganz als Unternehmer. Er müsse abwägen, ob er seine Zeit für die Behandlung von Patienten in seiner Praxis oder für die Erbringung von Leistungen für ihn – den Kläger – einsetze. Bei den Einsätzen für ihn entstehe gegebenenfalls ein Verlust durch entgangene Behandlungen in seiner eigenen Praxis. Auf Grund der schwankenden Anforderungen sei eine honorarärztliche Hinzuziehung des Beigeladenen zu 1) erforderlich, um einen wirtschaftlichen Einsatz der Diagnosis Related Groups-Entgelte zu ermöglichen. Der Beigeladene zu 1) führe bei ihm auch Eingriffe durch, die er im Rahmen der Praxis nicht tätigen könne. Patienten, die er in seiner Praxis nicht operieren könne, könne er ihm zuweisen. Es könne sein, dass er seine eigenen Patienten behandle. Dies sei aber keine explizit vereinbarte Absicht.
35 
Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2013 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Arzt in Rufbereitschaft bei dem Kläger seit dem 1. Februar 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und in diesem Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1. Februar 2013 besteht. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien, dass die Arbeitszeiten durch die vertraglichen Regelungen vorgegeben seien. Die Abrechnung der erbrachten Leistungen (auch gegenüber Privatpatienten) erfolge durch den Kläger. Das Forderungsmanagement erfolge ebenfalls unter Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers. Die Haftung sei durch den Kläger abgedeckt. Gegenüber anderen Mitarbeitern des Klägers sei der Beigeladene zu 1) weisungsberechtigt. Er müsse eine Dokumentation in Form von Abrechnungsbögen über die geleistete Tätigkeit vorlegen. Der Beigeladene zu 1) sei bei dem gleichen Auftraggeber als Facharzt angestellt gewesen; der Unterschied zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis sei nicht gravierend. Der Beigeladene zu 1) bringe kein eigenes Kapital mit. Ein unternehmerisches Risiko liege nicht vor. Der Beigeladene zu 1) übernehme die Behandlung der Patienten des Klägers und erfülle damit in klassischer Weise den Betriebszweck des Klägers. Es handele sich um eine Tätigkeit in der Funktion eines Arztes bzw. eines Klinikums. Eigene Patienten würden nicht behandelt. Die Vergütung erfolge nach tariflichen Bestimmungen. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien nicht ersichtlich. Es handele sich nicht um eine konsiliarärztliche Tätigkeit. Konsiliarärzte könnten intern oder extern für ein Krankenhaus beratend tätig werden. Sie könnten vom behandelnden Arzt hinzugezogen werden, wenn dieser eine Zweitmeinung zur Überprüfung, Diagnostik und Therapie wünsche. Die Beigeladene zu 1) hingegen sei in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden. Die Tätigkeit werde in einem generellen, mit dem übrigen Krankenhausbetrieb verzahnten Bereich ausgeübt. Die Tätigkeit werde als Rufbereitschaft ausgeübt. Der Beigeladene zu 1) übe dieselbe Tätigkeit aus wie festangestellte Mitarbeiter des Klägers. Er sei gegenüber diesen Mitarbeitern weisungsbefugt. Der Kläger erteile dem Beigeladenen zu 1) einseitig im Wege des Direktionsrechts Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit beträfen. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Von Außenstehenden werde der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger nicht wahrgenommen, sondern er erscheine als Mitarbeiter des Klägers. Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sei ausgeschlossen, weil der Beigeladene zu 1) hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei.
36 
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. November 2013 Widerspruch. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) handele es sich um eine Tätigkeit, die mit der eines Belegarztes vergleichbar sei. Dieser sei niedergelassener Arzt, mit dem er – der Kläger – eine Kooperation abgeschlossen habe. Wesentlich sei die Möglichkeit des Beigeladenen zu 1), die Arbeit anzunehmen oder abzulehnen. Dies sei ein entscheidender Unterschied zu einem Arbeitnehmer, der bei Nichtannahme der Arbeit mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen habe. Der Beigeladene zu 1) sei lediglich nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme, nicht jedoch für die gesamte Dauer des Rufbereitschaftsdienstes, während derer er sich an einem von ihm selbst gewählten Ort, also überwiegend auch in seiner eigenen Praxis aufhalten dürfe, in seine Arbeitsorganisation eingebunden. Auch ein Subunternehmer, der Aufträge in einem Unternehmen durchführe, sei nicht zwingend Beschäftigter dieses Unternehmens. Auch in diesem Fall sei nicht von einer abhängigen Tätigkeit auszugehen. Der Beigeladene zu 1) betreibe zum Großteil seiner Zeit eine niedergelassene Praxis. Er selbst bestimme, wann und in welchem Umfang er für den Kläger tätig werde. Er habe keinen Anspruch auf einen Einsatz. Nur im Rahmen seiner tatsächlichen Inanspruchnahme im Rufbereitschaftsdienst sei er anderen Mitarbeitern gegenüber fachlich weisungsbefugt. Auch einem Belegarzt, der unstreitig kein abhängig Beschäftigter sei, stehe diese fachliche Weisungsbefugnis zu. Es treffe nicht zu, dass er – der Kläger – im Wege des Direktionsrechts Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit beträfen, erteile. Es spiele keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) keine eigenen Betriebsmittel, sondern seine – des Klägers – nutze. Das Risiko des Ausfalls einer Hinzuverdienstes reiche zur Bejahung der Selbstständigkeit aus. Der Beigeladene zu 1) treffe eine unternehmerische Entscheidung, ob er seine Zeit für die Behandlung von Patienten in seiner Praxis oder die Erbringung von Leistung für ihn – den Kläger – einsetze. Bei seinen Einsätzen entstehe gegebenenfalls ein Verlust durch entgangene Behandlungen in seiner eigenen Praxis. Im Übrigen führe er im Rahmen der Notfallbehandlung auch Eingriffe durch, die er in seiner eigenen Praxis nicht durchführen könne. Wesentlich sei auch, dass er den „Patientenstrom“ durch Ablehnung der Aufträge selbst steuern könne. Unerheblich sei, dass die Abrechnung der Leistung durch ihn – den Kläger – erfolge. Nach der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Änderung des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) zählten auch durch die nicht fest angestellten Ärzte erbrachten Leistungen zu den Krankenhausleistungen und dürften als solche abgerechnet werden. Dass die Vergütung des Beigeladenen zu 1) nach tariflichen Bestimmungen erfolgt sei, sei unschädlich.
37 
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 zurück. Die Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid wurden wiederholt und vertieft. Als Facharzt für Kinderchirurgie werde der Beigeladene zu 1) im Rahmen des Versorgungsauftrages des Klägers als Erfüllungsgehilfe tätig. Hieraus folge die Haftung des Klägers für schuldhafte Fehler des Beigeladenen zu 1). Insofern müsse bereits aus haftungsrechtlicher Sicht die in der Klinik üblicherweise bestehende Organisationsstruktur und Entscheidungshierarchie gewahrt werden. Spätestens hierdurch sei der Beigeladene zu 1) für die jeweilige Dauer seiner Tätigkeit in eine für ihn fremde Arbeitsorganisation eingegliedert. Während der Dauer der übernommenen Dienste sei es dem Beigeladenen zu 1) nicht möglich, Arbeitszeit und -ort im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Die Art und Weise der Ausübung sei durch das Patientenaufkommen und den medizinischen Bedarf bestimmt. Es spreche nicht gegen das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit, dass dem Beigeladenen zu 1) keine Weisungen hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit erteilt würden. Der Kläger als Auftraggeber setze jedoch den äußeren Rahmen, innerhalb dessen der Beigeladene zu 1) tätig werde. Ein Direktionsrecht liege auch vor, obwohl keine Einzelanweisungen zur Form der medizinischen Behandlung erteilt würden. In der seitens des Klägers bestehenden Gesamtverpflichtung übernehme der Beigeladene zu 1) eine Teilaufgabe. Aus den vertraglichen Vereinbarungen ergebe sich nicht im Voraus eine präzise Aufgabenstellung oder Zielsetzung, so dass in Bezug auf die Arbeitsinhalte ständig eine Präzision erforderlich sei. Ärzte arbeiteten grundsätzlich in hohem Grade selbstbestimmt und verfügten über einen fachlich großen Entscheidungsspielraum und Freiheiten. Trotz dieser bei Diensten höherer Art üblichen fachlichen Weisungsfreiheit bestehe regelmäßig eine umfassende Eingliederung in der Arbeitsorganisation. Die Entschließungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) liege wie bei jedem anderen befristet, unständig bzw. in Teilzeit arbeitenden Beschäftigten ausschließlich darin, über die Aufnahme einer Beschäftigung, ihren Umfang und ihre Dauer zu bestimmen. Eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit stelle dies jedoch nicht dar. Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit liege also vor, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge.
38 
Hiergegen erhob der Kläger am 25. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er und der Beigeladene zu 1) hätten eindeutig eine freiberufliche Tätigkeit gewollt und diese Vereinbarung auch tatsächlich gelebt. Es überwögen die Anhaltspunkte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprächen. Die Ausführungen der Beklagten zu den haftungsrechtlichen Komponenten sprächen keineswegs für eine abhängige Beschäftigung. Mangels umfassenden Einflussrechts könne hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) ein größeres Haftungsrisiko bestehen. Allerdings sei dies auch in anderen Bereichen, in denen sich Unternehmen zur Vertragserfüllung Dritter bedienten, gegeben. Zudem könne er gegebenenfalls im Haftungsfall auf den Beigeladenen zu 1) zurückgreifen. Im Übrigen wiederholte der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Es dürfte aus der Natur der Sache heraus selbstverständlich sein, dass eine Abstimmung hinsichtlich Zeit und Ort erforderlich sei. Der Betrieb eines Krankenhauses sei anders nicht möglich. Darin ähnele die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) auch den klassischen selbstständigen Tätigkeiten, z.B. denen im handwerklichen Bereich. Auch hier seien zeitliche Abstimmungen, insbesondere wenn eine Zusammenarbeit mit anderen gegeben sei, erforderlich.
39 
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen.
40 
Der Beigeladene zu 1) trug vor, dass er sich aussuchen könne, ob er einen Dienst übernehme. Wenn er einen Dienst nicht mache, weil er z.B. keine Zeit habe, dann werde dieser Dienst von den angestellten Oberärzten des Klägers übernommen. Dies sei dann der sogenannte Hintergrunddienst. Es sei normalerweise immer ein Assistenzarzt die ganze Zeit am Wochenende vor Ort. Die Assistenzärzte könnten dann bei Fragen den Hintergrunddienst anrufen, der dann entsprechend komme. Außerdem träfen sich die angestellten Oberärzte am Wochenende um 9.00 Uhr zur Visite und Übergabe. Er habe keine fixen Termine, zu denen er bei seinem Dienst in der Klinik sein müsse. Er bekomme eine telefonische Übergabe oder werde per E-Mail darüber informiert, welche Patienten er sich während seines Dienstes anschauen müsse. Bei Bedarf werde er auch vom Assistenzarzt vor Ort angerufen und komme dann in die Klinik. Am Montagmorgen, wenn der Dienst zu Ende sei, informiere er dann die Kollegen entweder per E-Mail oder per SMS darüber, was im Dienst losgewesen sei. Er müsse nicht persönlich in die Klinik kommen. Seine Praxis sei normalerweise am Freitagnachmittag bis 18.00 Uhr geöffnet. Wenn er aber einen Dienst bei dem Kläger angenommen habe, bestelle er sich nur bis 15.30 Uhr Patienten ein. Seine Hauptaufgabe während der Dienste sei es, für eventuelle Operationen zur Verfügung zu stehen. Nach außen mache er nicht unbedingt deutlich, dass er während des Dienstes nicht für den Kläger arbeite. Er mache ca. ein bis zweimal im Monat Dienst. Wenn die angestellten Ärzte im Urlaub seien oder ein Krankheitsfall oder Ähnliches vorlägen, dann könnten es auch etwas mehr Dienste sein.
41 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2015 ab. Der Beigeladene zu 1) sei bei dem Kläger abhängig beschäftigt. Im Rahmen der übernommenen Rufdienste sei er in das Unternehmen eingegliedert. Für die Rufdienste sei eine feste Arbeitszeit vereinbart. Zwar müsse der Beigeladene zu 1) den Rufdienst nicht ganz vor Ort verbringen, sondern nur erscheinen, wenn Operationen anstünden oder Patienten von ihm angesehen oder untersucht werden müssten. Darin unterscheide er sich jedoch nicht von den bei dem Kläger angestellten Oberärzten, die sich während ihrer Rufbereitschaft ebenfalls außerhalb des Klägers aufhalten könnten. Zwar könne der Beigeladene zu 1) frei entscheiden, ob er einen Dienst bei dem Kläger annehmen wolle, sobald er jedoch einen Dienst angenommen habe, unterscheide sich seine Tätigkeit nach außen nicht von derjenigen der angestellten Oberärzte. Auch gegenüber den Patienten trete der Beigeladene zu 1) nicht als selbstständiger Arzt auf. Zwar erhalte er für seine Dienste eine höhere Vergütung als zu seiner Zeit als angestellter Arzt. Jedoch entspreche seine jetzige Vergütung derjenigen, die die angestellten Oberärzte erhielten und deren Arbeit er nun mit Übernahme der Bereitschaftsdienste verrichte. Ein unternehmerisches Risiko des Beigeladenen zu 1) sei nicht erkennbar.
42 
Gegen das ihm am 11. Februar 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. März 2015 beim SG Berufung eingelegt. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Darüber hinaus trägt er vor, dass im Krankenhausrecht die Zulässigkeit und Möglichkeit der freiberuflichen Honorarärzte anerkannt sei. So regele § 2 Abs. 1 KHEntgG, dass abrechnungsfähige Krankenhausleistungen auch durch nicht festangestellte Ärzte erbracht werden könnten. Hierunter fielen auch Honorarärzte. Die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) die ärztlichen Dienstleistungen nur im Krankenhaus und nur zusammen mit seinen – des Klägers – anderen Mitarbeitern sowie unter Verwendung seiner Einrichtungen erbringen könne, lasse nicht zwingend auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses schließen. Denn auch sogenannte Beleghebammen und Belegärzte seien grundsätzlich keine Arbeitnehmer, obwohl auch sie die Einrichtung eines Krankenhaus nutzten und mit anderen Mitarbeitern des Krankenhauses zusammenarbeiteten. Es sei vielmehr die tatsächlich bestehende Weisungsfreiheit zu berücksichtigen. Das SG habe verkannt, dass die Arbeitszeiten nicht einseitig von ihm – dem Kläger – vorgegeben würden. Ebenso unberücksichtigt bleibe, dass der Beigeladene zu 1) keinen Anspruch auf einen Einsatz habe und die Aufträge auch ablehnen könne. Er allein bestimme, wann, ob und in welchem Umfang er für ihn tätig werde. Der Beigeladene zu 1) müsse nicht zu fixen Terminen erscheinen. Weder mache dieser wie die angestellten Oberärzte am Wochenende Visite noch mache er nach seinen Diensten vor Ort Übergaben. Er – der Beigeladene zu 1) – informiere seine – des Klägers – Ärzte lediglich nach einem Wochenende, an welchem er mit Rufbereitschaft beauftragt worden sei, über den von ihm absolvierten Hintergrunddienst. Dass der Beigeladene zu 1) der gleichen Tätigkeit nachgehe wie ein angestellter Arzt, liege in der Natur des ärztlichen Berufes. Der Beigeladene zu 1) könne im Gegensatz zu den angestellten Ärzten ausschließlich mit der Rufbereitschaft in der Sektion Kinderchirurgie, Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie, beauftragt und eingesetzt werden. Er – der Kläger – sei nicht befugt, den Beigeladenen zu 1) in anderen Bereichen einzusetzen. Ebenso wenig sei er befugt, ihn beispielsweise für Kongresse, Veranstaltungen sowie Besprechungen zu verpflichten. Es fehle eine effektive inhaltliche Weisungsgebundenheit. Im Hinblick auf die Vergütung verkenne das SG, dass die Rufbereitschaft nicht zwingend von einem angestellten Oberarzt wahrzunehmen sei, sondern auch durch niedriger eingruppierte Ärzte durchgeführt werden könne. Die Rufbereitschaft werde lediglich üblicherweise auf Grund der Dienstplangestaltung durch Oberärzte ausgeführt. Die Oberarzttätigkeit und damit dessen Vergütung nach Entgeltgruppe Ä3 setze regelmäßig voraus, dass dem angestellten Oberarzt medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung übertragen worden seien. Somit würde der Beigeladene zu 1), wäre er als angestellter Arzt bei ihm tätig, nicht die Voraussetzung für eine Vergütung nach Ä3 erfüllen. Damit erhalte er eine höhere Vergütung im Rahmen der freien Mitarbeit. Zu Unrecht gehe das SG auch davon aus, dass kein Unternehmerrisiko vorliege. Dies wäre nur berechtigt, wenn das Unternehmerrisiko mit einem Kapitalrisiko gleich zu setzen wäre, wie es für gewerbliche Unternehmer kennzeichnend sei. Eine solche Betrachtungsweise würde indes den vielen freiberuflichen Tätigkeiten nicht gerecht werden, die von Selbstständigen ausgeübt würden, deren Leistungen nicht oder nicht wesentlich im Einsatz von Geldkapital, sondern von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können bestehe. Jemand könne schon dann ein Unternehmerrisiko tragen, wenn der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft ungewiss sei. Dies gelte namentlich, wenn ihm kein Mindesteinkommen garantiert sei. Das Risiko, dass der Selbstständige in solchen Fällen trage, betreffe die Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft. Er könne eine Vergütung nur beanspruchen, wenn er eine bestimmte Leistung auch erbringe, wogegen dem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zustehe, wenn er sich arbeitsbereit halte. Im Gegensatz zu den angestellten Ärzten werde der Beigeladene zu 1) lediglich für tatsächliche wahrgenommene Rufbereitschaftsdienste bezahlt. Weder habe der Beigeladene zu 1) einen Urlaubsanspruch und damit auch kein Anspruch auf Urlaubsentgelt noch erhalte er ein Entgelt für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Entscheide sich der Beigeladene zu 1) dazu, an einem Wochenende Rufbereitschaft zu übernehmen, so schließe er seine Praxis am Freitag bereits gegen 15.30 Uhr statt um 18.00 Uhr. Er müsse als Unternehmer abwägen, ob er für die Kooperation eventuelle Einbußen seiner Praxis in Kauf nehme oder nicht. Es spiele keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) selbst keine eigenen Betriebsmittel nutze. Auch beispielsweise Partyausrichter oder Dozenten müssten sich der Einrichtung des Auftraggebers bedienen, ohne dass dies zwingend zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis führe.
43 
Der Kläger beantragt,
44 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. Februar 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 2. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 zu verurteilen, festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) seit dem 1. Februar 2013 als Arzt bei ihm nicht im Rahmen eines abhängig Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird und damit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
45 
Die Beklagte beantragt,
46 
die Berufung zurückzuweisen.
47 
Die Beklagte verweist auf ihren bisherigen Vortrag. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
48 
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
49 
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte und die Beigeladenen zu 3) und 4) haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
50 
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
51 
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
52 
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
53 
3. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die von dem Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger seit dem 1. Februar 2013 ausgeübte Tätigkeit als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft in einem abhängigen und in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt.
54 
a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).
55 
Die Beklagte war für die vom Beigeladenen zu 1) beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit ab dem 1. Februar 2013 zum Zeitpunkt der Antragstellung am 2. August 2013 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war.
56 
b) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
57 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – in juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – in juris, Rn. 23 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – in juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – in juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).
58 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – in juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – in juris, Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – in juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 16).
59 
c) Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. Februar 2013 bei dem Kläger abhängig beschäftigt ist. Er ist insbesondere in den Betrieb des Klägers eingegliedert und weisungsabhängig.
60 
Für eine im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers sprechen bereits deren vertragliche Vereinbarungen. Der für die Zeit ab dem 1. Februar 2013 abgeschlossene Vertrag betrifft ausdrücklich die „Einbindung“ des Beigeladenen zu 1) in den Rufbereitschaftsdienst einer Abteilung des Klägers (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Vertrages). Die Zusammenarbeit erfolgt in „enger Abstimmung“ mit den verantwortlichen Ärzten des Klägers (§ 2 Abs. 3 des Vertrages). Der Beigeladene zu 1) ist verpflichtet, die bei Untersuchungen oder Behandlungen erhobenen Befunde sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen sowie Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogramme und ähnliche Unterlagen und Aufzeichnungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen (§ 3 Abs. 2 des Vertrages). In § 4 Abs. 1 des Vertrages heißt es ausdrücklich, dass der Beigeladene zu 1) seine Behandlung der Patienten (des Klägers) so auszurichten hat, dass seine Tätigkeit sich sinnvoll in die Aufgaben und in den Arbeitslauf des Klägers „eingliedert“ (!) und eine wirtschaftliche Betriebsführung gewährleistet ist. Der Beigeladene zu 1) ist gegenüber dem Personal des Klägers weisungsbefugt, wobei er deren Arbeitsverträge zu beachten hat (§ 4 Abs. 2 des Vertrages). Er hat in identischer Weise Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen des Klägers wie dessen unstreitig abhängig beschäftigte Mitarbeiter (§ 4 Abs. 3 des Vertrages) und hat die allgemeinen Richtlinien des Klägers zu beachten (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Der Kläger stellt dem Beigeladenen zu 1) die zur Erbringung der Leistungen notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung (§ 5 des Vertrages). All diese Regelungen führen zu einer engen Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers in sachlicher, örtlicher und personeller Hinsicht. Dass sich die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) von den vertraglichen Vereinbarungen in wesentlicher Hinsicht unterscheiden würde, ist weder von den Beteiligten behauptet worden noch ersichtlich. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1) vorgetragen, dass er am Beginn des Wochenenddienstes darüber informiert werde, welche Patienten er sich während seines Dienstes anschauen müsse, und dass er am Ende eines Wochenenddienstes die übernehmenden Ärzte über Vorfälle während des Wochenendes informieren müsse. Dass dies nicht vor Ort geschieht, sondern per E-Mail oder SMS, spielt dabei keine Rolle.
61 
Soweit der Beigeladene zu 1) für den Kläger tätig wurde, war er auch hinsichtlich der Zeitpunkte und – mit den Freiheiten, die sich aus einer Rufbereitschaft ergeben – der Orte der Verrichtung seiner Tätigkeit weisungsgebunden. Durch die Übernahme eines Auftrags verpflichtete er sich gegenüber dem Kläger, den Auftrag entsprechend aus- und durchzuführen. Er hat dann die mit dem Auftrag verbundenen Vorgaben für die Tätigkeiten gegenüber dem Kläger einzuhalten und unterliegt insoweit deren Kontrolle; er ist mit der Übernahme in der Gestaltung seiner Tätigkeit und in seiner Arbeitszeit nicht mehr frei. Dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen der Behandlung der Patienten in fachlicher Hinsicht ein – so sein Vortrag – fachliches Letztentscheidungsrecht zusteht, spricht nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses im Wesen einer leitenden ärztlichen Tätigkeit liegt.
62 
Dass der Beigeladene zu 1) nicht jeden Tag im streitgegenständlichen Zeitraum, sondern lediglich an einzelnen Tagen – nämlich in der Regel an ein bis zwei Wochenenden pro Monat von Freitagnachmittag bis Montagmorgen – für den Kläger tätig war, spricht nicht gegen das Vorliegen einer Beschäftigung (vgl. Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – nicht veröffentlicht). Ein Tätigwerden an einzelnen Arbeitstagen oder mehreren hintereinander und nicht durchgehend und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ist in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen durchaus üblich, gerade in Teilzeit-, Aushilfs- oder Abrufbeschäftigungen. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, für das in aller Regel – und so auch hier – eine Rahmenvereinbarung getroffen wird. So wurde vorliegend im Voraus ein Tätigwerden auf Anfrage des Klägers vereinbart. Die einzelnen Arbeitseinsätze werden dann zu identischen Bedingungen durchgeführt und abgerechnet. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) entspricht insoweit der einer Aushilfskraft oder eines Beschäftigten auf Abruf. Die Annahme eines Werkvertrages für einzelne Einsätze oder im Hinblick auf die Tätigkeiten in einem bestimmten Zeitraum ist insofern fernliegend (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 11 R 5195/13 – in juris, Rn. 34; Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – nicht veröffentlicht). Die Bezahlung erfolgt nach der Zahl der gearbeiteten Stunden, nicht danach, ob ein bestimmter Erfolg mit der Tätigkeit erreicht wurde oder nicht; die Vergütungspflicht hängt nicht von einem Erfolg ab. Der Beigeladene zu 1) stellt allein seine Arbeitskraft zur Verfügung. Die Vergütung ist ihm sicher, sobald er sich zur Übernahme eines Dienstes bei dem Kläger bereit erklärt. Die Höhe der Vergütung kann demgegenüber – entgegen der Ansicht des Klägers – für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung keine ausschlaggebende Rolle spielen, da die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers/Arbeitgebers und die Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers/Arbeitnehmers von der Höhe der Vergütung unabhängig sind.
63 
Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger ist auch unabhängig davon zu treffen, dass der Beigeladene zu 1) hauptberuflich als niedergelassener Arzt selbstständig tätig ist. Zwar mag eine im Übrigen selbstständige, gleichgelagerte Tätigkeit grundsätzlich ein Indiz sein, dass auch die streitbefangene Tätigkeit selbstständig verrichtet wird. Gleichwohl sind die Tätigkeiten jeweils getrennt zu betrachten. Im vorliegenden Fall kann der Umstand selbstständiger hauptberuflicher Tätigkeit den überwiegenden Eindruck einer abhängigen Beschäftigung für den Kläger nicht erschüttern.
64 
Lag damit bereits eine weisungsabhängige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) und dessen Eingliederung in den Betrieb des Klägers vor, kann anderen Abgrenzungskriterien keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – nicht veröffentlicht). Unabhängig davon lassen sich aber auch den sonstigen rechtlichen und tatsächlichen Umständen des Verhältnisses des Klägers und des Beigeladenen zu 1) ohnehin keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit entnehmen.
65 
Insbesondere konnte der Senat kein relevantes Unternehmerrisiko feststellen, was im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – in juris, m.w.N.; Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – und Beschluss des Senats vom 27. April 2015 – L 4 R 908/14 – beide nicht veröffentlicht). Dem Beigeladenen zu 1) kann allerdings ein fehlendes Unternehmerrisiko nicht deswegen vorgehalten werden, weil er bei der Tätigkeit für den Kläger keine eigenen Betriebsmittel verwendet hat. Der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel ist keine notwendige Voraussetzung für eine selbstständige Tätigkeit. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbstständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – in juris, Rn. 25; Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 – L 4 R 3943/13 – nicht veröffentlicht). Allerdings fehlt es auch umgekehrt an einem positiven Indiz für ein relevantes Unternehmerrisiko. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt ein Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) in Bezug auf seine Tätigkeit für ihn – den Kläger – nicht darin, dass er sich jeweils entscheiden muss, ob er seine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit freitagsnachmittags nur verkürzt ausübt, um die Tätigkeit für den Kläger verrichten zu können. Die insofern vorzunehmende Abwägung des Beigeladenen zu 1) ist allein Gegenstand seines Unternehmerrisikos in Bezug auf seine selbstständige hauptberufliche Tätigkeit.
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Kein durchgreifender Umstand, der für eine selbstständige Tätigkeit spricht, ist, dass der Beigeladene zu 1) nicht verpflichtet ist, sich dem Kläger zur Verfügung zu stellen, sondern die Durchführung einzelner Wochenenddienste ablehnen darf. Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Betroffene über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmt. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen denkbar, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 11 R 5195/13 – in juris, Rn. 33 m.w.N. – auch zum Folgenden). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Wird allerdings die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbstständige Tätigkeit dar.
67 
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart wurden. Solche Vertragsgestaltungen sind konsequent, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollen (zuletzt etwa Urteil des Senats vom 22. Mai 2015 – L 4 R 861/13 – auch zum Folgenden). Insofern gilt aber, dass dem keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Kriterien – Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers – bereits zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen. In einem solchen Fall werden vertragliche Absprachen oder deren Unterlassen durch die gesetzlichen Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über Urlaubsansprüche verdrängt bzw. ersetzt.
68 
Weder der Kläger noch der Beigeladene zu 1) behaupten im Übrigen, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen wäre, Dritte mit der Erbringung der von ihm gegenüber dem Kläger geschuldeten Leistungen zu beauftragen. Auch dies spricht für eine abhängige Beschäftigung.
69 
Der Kläger kann nicht mit seinem Hinweis darauf durchdringen, dass Belegärzte (und Beleghebammen) nicht abhängig beschäftigt seien, obwohl auch sie fachliche Weisungsbefugnis gegenüber Klinikmitarbeitern haben. Die Situation des Beigeladenen zu 1) ist mit derjenigen von Belegärzten schon deswegen nicht identisch, weil Belegärzte eigene Patienten behandeln und hierfür keine Vergütung des Krankenhauses erhalten (§ 121 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]), während der Beigeladenen zu 1) Patienten des Klägers behandelt und hierfür von diesem entlohnt wird.
70 
Der Kläger kann für seine Position auch nicht mit Erfolg darauf rekurrieren, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG zu den Krankenhausleistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 KHEntgG auch ärztliche Behandlung durch „nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte“ gehören (vgl. zum Hintergrund Niedziolka, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2014, § 2 KHEntgG Rn. 5). Das KHEntgG regelt lediglich die Vergütungsansprüche von Krankenhäusern (vgl. zum Anwendungsbereich § 1 KHEntgG), enthält aber keine Aussagen zum sozialversicherungsrechtlichen Status von im Krankenhaus tätigen Personen.
71 
Angesichts der gesamten Durchführung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin kommt dem – vom Kläger betonten – Willen der Vertragspartner, keine abhängige Beschäftigung zu begründen, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu, unabhängig davon, dass die rechtliche Qualifikation, ob Sozialversicherungspflicht besteht, nicht der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) unterliegt. Maßgebend für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind nicht die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten, sondern entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, so wie es sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergibt und im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 11 R 5195/13 – in juris, Rn. 37). Das sich daraus ergebende Gesamtbild steht in Widerspruch zu dem Willen des Beigeladenen zu 1) zu einer selbstständigen Tätigkeit; dieser hat insoweit keinen entscheidenden Ausdruck in der Tätigkeit gefunden.
72 
d) Die Beklagte hat den Beginn der Versicherungspflicht auch zu Recht mit dem 1. Februar 2013, dem Tag der Aufnahme der Tätigkeit, festgestellt. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV kommt nicht in Betracht, da der Beigeladene zu 1) den Statusfeststellungsantrag erst am 2. August 2013 und damit nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt hat.
73 
e) Ob bei dem Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Tätigkeit für den Kläger die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen haben, kann dahinstehen. Denn der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag auf Befreiung (§ 6 Abs. 2 SGB VI) gestellt.
74 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht des Klägers nicht billig wäre.
75 
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
76 
6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von EUR 5.000,00, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

1.
Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
2.
Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
3.
Hebammen und Entbindungspfleger,
4.
Seelotsen der Reviere im Sinne des Gesetzes über das Seelotswesen,
5.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
6.
Hausgewerbetreibende,
7.
Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen,
8.
Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 der Handwerksordnung sowie Betriebsfortführungen auf Grund von § 4 der Handwerksordnung außer Betracht bleiben; ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt,
9.
Personen, die
a)
im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b)
auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Als Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1, 2, 7 und 9 gelten
1.
auch Personen, die berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen beruflicher Bildung erwerben,
2.
nicht Personen, die geringfügig beschäftigt sind,
3.
für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

1.
Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
2.
Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
3.
Hebammen und Entbindungspfleger,
4.
Seelotsen der Reviere im Sinne des Gesetzes über das Seelotswesen,
5.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
6.
Hausgewerbetreibende,
7.
Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen,
8.
Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 der Handwerksordnung sowie Betriebsfortführungen auf Grund von § 4 der Handwerksordnung außer Betracht bleiben; ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt,
9.
Personen, die
a)
im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b)
auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Als Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1, 2, 7 und 9 gelten
1.
auch Personen, die berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen beruflicher Bildung erwerben,
2.
nicht Personen, die geringfügig beschäftigt sind,
3.
für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(1) Versicherungsfrei sind

1.
Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,
2.
sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbänden einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist,
3.
Beschäftigte im Sinne von Nummer 2, wenn ihnen nach kirchenrechtlichen Regelungen eine Anwartschaft im Sinne von Nummer 2 gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist, sowie satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, wenn ihnen nach den Regeln der Gemeinschaft Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist,
in dieser Beschäftigung und in weiteren Beschäftigungen, auf die die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstreckt wird. Für Personen nach Satz 1 Nr. 2 gilt dies nur, wenn sie
1.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anspruch auf Vergütung und bei Krankheit auf Fortzahlung der Bezüge haben oder
2.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben oder
3.
innerhalb von zwei Jahren nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses in ein Rechtsverhältnis nach Nummer 1 berufen werden sollen oder
4.
in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehen.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 und 3 sowie nach Satz 2 und die Erstreckung der Gewährleistung auf weitere Beschäftigungen entscheidet für Beschäftigte beim Bund und bei Dienstherren oder anderen Arbeitgebern, die der Aufsicht des Bundes unterstehen, das zuständige Bundesministerium, im Übrigen die oberste Verwaltungsbehörde des Landes, in dem die Arbeitgeber, Genossenschaften oder Gemeinschaften ihren Sitz haben. Die Gewährleistung von Anwartschaften begründet die Versicherungsfreiheit von Beginn des Monats an, in dem die Zusicherung der Anwartschaften vertraglich erfolgt.

(2) Versicherungsfrei sind Personen, die eine

1.
Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Vierten Buches oder
2.
geringfügige selbständige Tätigkeit nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 oder nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit den §§ 8a und 8 Absatz 1 des Vierten Buches
ausüben, in dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Bei Anwendung von Satz 1 Nummer 2 ist im gesamten Kalenderjahr die zum 1. Januar des jeweiligen Kalenderjahres geltende Geringfügigkeitsgrenze maßgebend. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen selbständigen Tätigkeit nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Satz 1 Nummer 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung beschäftigt sind.

(3) Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer eines Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule ein Praktikum ableisten, das in ihrer Studienordnung oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist.

(4) Versicherungsfrei sind Personen, die

1.
nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, eine Vollrente wegen Alters beziehen,
2.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehen oder die in der Gemeinschaft übliche Versorgung im Alter nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erhalten oder
3.
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht versichert waren oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Beitragserstattung aus ihrer Versicherung erhalten haben.
Satz 1 gilt nicht für Beschäftigte in einer Beschäftigung, in der sie durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit verzichten. Der Verzicht kann nur mit Wirkung für die Zukunft erklärt werden und ist für die Dauer der Beschäftigung bindend. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für selbständig Tätige, die den Verzicht gegenüber dem zuständigen Träger der Rentenversicherung erklären.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.