Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 09. Juli 2015 - 5 Sa 44/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0709.5SA44.15.0A
bei uns veröffentlicht am09.07.2015

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. November 2014, Az. 2 Ca 719/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen des Beklagten zu 1), das Vorliegen eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2), Vergütungsansprüche und darüber, ob die Klägerin von der Beklagten zu 2) weiterzubeschäftigen oder wiedereinzustellen ist.

2

Die 1969 geborene Klägerin war seit September 1997 bei der E. Bordnetzsysteme GmbH (Schuldnerin) zu einem monatlichen Festlohn von zuletzt € 2.065,00 brutto beschäftigt. Am 31.08.2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (9 IN 29/12) und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Der Beklagte zu 1) hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2012 zum 28.02.2013 gekündigt. Im Betrieb waren damals 98 Arbeitnehmern beschäftigt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage der Klägerin mit - rechtskräftigem - Urteil vom 16.05.2013 (Az. 2 Ca 1739/12) stattgegeben. In diesem Rechtsstreit hat die Klägerin in der Klageschrift vom 12.12.2012 neben der Kündigungsschutzklage zusätzlich eine eigenständige allgemeine Feststellungsklage erhoben.

4

Am 21.02.2013 schloss der Beklagte zu 1) mit einem vermeintlich bestehenden, aber nicht mehr existenten Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf den verwiesen wird. Sodann erstattete er der Agentur für Arbeit am 21.02.2013 eine Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG. Er zeigte an, dass er alle 91 Arbeitnehmer wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung entlassen wolle. Mit Schreiben vom 22.02.2013 kündigte er - mit Ausnahme der Klägerin, die aufgrund eines Sekretariatsfehlers vergessen worden war - allen Arbeitnehmern, die keinen besonderen Kündigungsschutz genossen, zum 31.05.2013 erneut.

5

Am 15.05.2013 zeigte der Beklagte zu 1) dem Insolvenzgericht gem. § 208 InsO Masseunzulänglichkeit an. Mit Schreiben vom 23.05.2013 kündigte er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum zweiten Mal, diesmal ordentlich zum 31.08.2013. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete er vor Ausspruch dieser Kündigung nicht mehr. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klageerweiterung vom 22.10.2013.

6

Die Beklagte zu 2), die ihren Geschäftsbetrieb im September 2013 aufgenommen hat, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23.08.2013 gegründet. Mit Schriftsatz vom 22.10.2013 erweiterte die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte zu 2). Sie begehrt die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Außerdem verlangt sie Abrechnung, Feststellung und Zahlung von Vergütung für die Monate von Dezember 2012 bis März 2013 von den Beklagten als Gesamtschuldner.

7

Nachdem im Kammertermin vom 03.04.2014 für beide Beklagten niemand aufgetreten ist, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß folgendes Versäumnisurteil erlassen:

8
1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Dezember 2012 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.01.2013 gezahlter € 860,70 netto zusteht.
9
2. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Januar 2013 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.02.2013 gezahlter € 172,14 netto sowie weiterer am 01.02.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 853,55 netto zusteht.
10
3. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Februar 2013 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2013 abzüglich von der JR P. GmbH gezahlter € 975,24 netto zusteht.
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4. Es wird festgestellt, dass der Klägerin vom Beklagten zu 1) - gesamtschuldnerisch haftend neben der Beklagten zu 2) - unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für März 2013 ein Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.04.2013 abzüglich von der JR P. GmbH gezahlter € 939,24 netto zusteht,
12
5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) durch die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 nicht zum 31.08.2013 aufgelöst wird.
13
6. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 31.08.2013 hinaus fortbesteht.
14
7. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.
15
8. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die Klägerin als Maschineneinrichterin auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 16.11.2006 in der Betriebsstätte in E-Stadt als Arbeiterin zu einem durchschnittlichen Monatslohn von zuletzt € 2.291,32 bei einer 40-Stunden-Woche zzgl. Weihnachts- und Urlaubsgeld weiterzubeschäftigen.
16
9. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Dezember 2012 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.01.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.01.2013 gezahlter € 860,70 netto zu zahlen.
17
10. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Januar 2013 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.02.2013 abzüglich von der Agentur für Arbeit am 01.02.2013 gezahlter € 172,14 netto sowie weiterer am 01.02.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 853,55 netto zu zahlen.
18
11. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für Februar 2013 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2013 abzüglich am 01.03.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 975,24 netto zu zahlen.
19
12. Die Beklagte zu 2) wird - gesamtschuldnerisch haftend mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt, an die Klägerin unter Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung für März 2013 einen Betrag von € 2.291,32 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.04.2013 abzüglich am 01.04.2013 von der JR P. GmbH gezahlter € 939,24 netto zu zahlen.
20

Gegen dieses Versäumnisurteil, das ihr am 15.04.2014 zugestellt worden ist, hat die Beklagte zu 2) bereits am 15.04.2014 Einspruch eingelegt. Der Beklagte zu 1) hat gegen das ihm am 17.04.2014 zugestellte Versäumnisurteil am 24.04.2014 Einspruch eingelegt.

21

Mit Schreiben vom 24.06.2014 kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin vorsorglich nochmals, diesmal zum 30.09.2014. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.07.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung.

22

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23
1. das Versäumnisurteil vom 03.04.2014 aufrechtzuerhalten,
24
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.06.2014 zum 30.09.2014 aufgelöst wird,
25
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 30.09.2014 hinaus fortbesteht.
26

Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt,

27

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

28

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 27.11.2014 (dort Seite 2 bis 8) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat mit dem genannten Urteil das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8 bis 17 des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

29

Gegen das am 08.01.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 06.02.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 09.03.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

30

Sie macht geltend, die Kündigungen des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 und vom 24.06.2014 seien unwirksam. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass an der vollständigen Betriebsstilllegung keine Zweifel bestünden, denn es fehle an hinreichendem Vortrag der Beklagten zur behaupteten Betriebseinstellung sowie deren konsequenter Umsetzung. Das LAG Rheinland-Pfalz habe in Parallelverfahren gegen den Beklagten zu 1) mit Urteilen vom 05.06.2014 (2 Sa 430/13 - Juris) klargestellt, dass keine Betriebsstilllegung vorgelegen habe. Das Arbeitsgericht habe streitige Sachverhalte hinsichtlich der Einstellung des Geschäftsbetriebs zu Unrecht als unstreitig behandelt. Sie habe bestritten, dass andere Investoren nicht mehr zur Verfügung standen, insb. dass die H. GmbH & Co. KG bereits im März 2013 von der Übernahme der Schuldnerin Abstand genommen habe. Sie habe ihre Behauptung, auch im Mai 2013 hätten noch mehrere Investoren Interesse gehabt, nicht "ins Blaue hinein" aufgestellt. Auch diesbezüglich habe das Arbeitsgericht ihre Einwände und Beweisangebote nicht berücksichtigt. Die Kündigung vom 23.05.2013 sei auch mangels Massenentlassungsanzeige unwirksam, § 17 KSchG. Am 23.05.2013 seien noch 44 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Der Beklagte zu 1) habe 16 Kündigungen erklärt, so dass eine Anzeigepflicht bestanden habe.

31

Es sei festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen sei. Sie habe maßgebliche Indizien für einen Betriebsübergang dargelegt und unter Beweis gestellt. Diesen Beweisangeboten sei das Arbeitsgericht nicht nachgegangen. Die Beklagte zu 2) sei verpflichtet, sie zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. Aufgrund des Betriebsübergangs und der fehlenden betrieblichen Gründe sowie des Umstands, dass die Kündigung vom 23.05.2013 das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, verfolge sie auch die Feststellung weiter, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die dritte Kündigung vom 24.06. zum 30.09.2014 beendet worden sei. Für den Fall, dass ihren Kündigungsschutzanträgen nicht stattgegeben werden sollte, mache sie hilfsweise einen Wiedereinstellungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) geltend.

32

Für ihre Anträge gegen den Beklagten zu 1) auf Feststellung ihrer Vergütungsansprüche für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 bestehe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ein Feststellungsinteresse, denn die Höhe ihrer Forderungen sei streitig.

33

Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 09.03.2015 und vom 08.07.2015 Bezug genommen.

34

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

35

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.11.2014, Az. 2 Ca 719/13, abzuändern und

36
1. das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 03.04.2014, Az. 2 Ca 719/13, im Tenor zu Ziff. 1 bis 12, aufrechtzuerhalten,
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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.06.2014 zum 30.09.2014 aufgelöst wird,
38
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 30.09.2014 hinaus fortbesteht,
39
4. die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldner aufzuerlegen,
40
5. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Kündigungsschutzanträgen, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, sie als Maschineneinrichterin auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 16.11.2006 in der Betriebsstätte in E-Stadt als Arbeiterin zu einem durchschnittlichen Monats-gehalt von € 2.291,32 bei einer 40-Stunden-Woche zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld wiedereinzustellen.
41

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

42

die Berufung zurückzuweisen.

43

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 30.03.2015 und vom 14.04.2015, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

44

Auch im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 2 Ca 1739/12 (2 Sa 293/13).

Entscheidungsgründe

45

I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- sowie fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Der Berufungsbegründung ist eine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts gerade noch zu entnehmen, obwohl sie sich überwiegend darauf beschränkt, auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen.

46

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat sämtliche Klageanträge zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) ist durch die Kündigung vom 23.05. zum 31.08.2013 aufgelöst worden. Damit bleibt auch die Klage gegen die vorsorgliche Kündigung vom 24.06. zum 30.09.2014 erfolglos. Die Anträge auf Feststellung bestimmter Lohnansprüche für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 gegen den Beklagten zu 1) sind unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Gegen die Beklagte zu 2) bestehen daher keine Ansprüche.

47

Die Berufungskammer folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt.

48

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) durch die ordentliche Kündigung vom 23.05. zum 31.08.2013 aufgelöst worden ist.

49

a) Zwar gilt die Kündigung nicht gem. § 7 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung (§ 4 Satz 1 KSchG) nicht versäumt. Die Frist ist durch den mit der Klageschrift vom 12.12.2012 im abgetrennten Rechtsstreit (Az. 2 Ca 1739/12) angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag gewahrt, den die Klägerin zusätzlich zur Klage gegen die konkret bezeichnete erste Kündigung vom 29.11.2012 gestellt hat. Sie konnte im Rahmen des allgemeinen Feststellungsantrags die zweite Kündigung vom 23.05.2013 noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist am 22.10.2013 in den Prozess einführen und sich auf deren Unwirksamkeit berufen (vgl. ausführlich BAG 26.09.2013 - 2 AZR 682/12 - Juris).

50

b) Die Kündigung vom 23.05.2013 ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

51

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, der auch die Berufungskammer folgt, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist dabei nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig stillzulegen (BAG 16.02.2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465; LAG Rheinland-Pfalz 05.06.2014 - 2 Sa 430/13 - Rn. 23, Juris).

52

bb) Im Streitfall LAG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 23.05.2013, der zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung maßgeblich ist, ein endgültiger Beschluss des Beklagten zu 1) vor, den Betrieb stillzulegen.

53

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Beklagte zu 1) die ihn treffende Darlegungslast für das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt erfüllt hat. Entgegen der Ansicht der Berufung hat er substantiiert dargelegt, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus hat er substantiiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten.

54

Diesem Befund steht nicht entgegen, dass die 2. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz in mehreren Urteilen vom 05.06.2014 (zB. 2 Sa 430/13 - Juris) in den Kündigungsschutzverfahren anderer Arbeitnehmer festgestellt hat, dass die Kündigungen des Beklagten zu 1) vom 22.02.2013 nicht sozial gerechtfertigt waren, weil er zu diesem Zeitpunkt noch mit der H. GmbH & Co. KG in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes gestanden und gewissermaßen "auf Vorrat" gekündigt habe. Die Klägerin kann aus diesen Entscheidungen für sich nichts Günstiges ableiten, weil der Beklagte zu 1) ihr Arbeitsverhältnis erst am 23.05.2013 gekündigt hat. Im Mai 2013 stellte sich die Sachlage anders dar, weil die Schließung des Betriebs ernstlich und endgültig beschlossen war.

55

Der Beklagte zu 1) hat substantiiert vorgetragen, dass ihm kein Interessent ein Kaufangebot zum Unternehmenserwerb unterbreitet oder um konkrete Vertragsverhandlungen über einen Erwerb gebeten habe. Es seien nur allgemeine Interessenbekundungen erfolgt, die sich nach Durchführung der sog. due-diligence-Prüfung erledigt haben. Nur ein Interessent, die H. GmbH & Co. KG, habe ein ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen gezeigt. Deren Interesse sei jedoch erloschen, nachdem er ihr mit E-Mail vom 20.03.2013 die Anzahl der Arbeitnehmer mitgeteilt habe, die gegen die Kündigungen Klage erhoben haben. Der Beklagte zu 1) hat diesen Vortrag durch Nennung der Firmennamen und den Ablauf der jeweiligen Korrespondenz untermauert.

56

Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht hinreichend konkret bestritten. Es bestand auch für die Berufungskammer kein Grund, die von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen oder eine Ortsbesichtigung durchzuführen. Aus den vom Beklagten zu 1) zur Akte gereichten Unterlagen wird deutlich, dass er im Mai 2013 mit keinem Investor, auch nicht mehr mit der Fa. H. GmbH & Co. KG, in Kontakt stand. Die Klägerin hat keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die ihre erkennbar "ins Blaue" hinein erfolgte Behauptung rechtfertigen könnte, der Beklagte zu 1) habe noch im Mai 2013 beabsichtigt, den Betrieb an die H. GmbH & Co KG oder einen anderen interessierten Investor zu veräußern.

57

Die Klägerin vernachlässigt die objektiver Faktenlage, wenn sie den Vortrag des Beklagten zu 1), dass er am 05.04.2013 alle früheren und aktuellen Kunden mit einem gleichlautenden Serienschreiben über die Einstellung des Geschäftsbetriebs informiert habe, nicht zur Kenntnis nimmt. Auch auf den Vortrag, dass der Beklagte zu 1) Produktionsanfragen von Kunden, soweit nicht die Ausproduktion betroffen gewesen sei, unter Hinweis auf die Einstellung des operativen Geschäfts abgelehnt habe, geht die Klägerin nicht ein. Der Beklagte zu 1) hat weiterhin - von der Klägerin unwidersprochen - vorgetragen und durch Urkunden belegt, was mit den Betriebsmitteln geschehen ist, die er in Übersichten detailliert aufgeführt hat. Danach stand das Gros des Sachanlagevermögens im Eigentum Dritter, nämlich der H. St. GmbH & Co. KG (Holding) und der Schwestergesellschaften. Nur am kleineren Standort hätten verschiedene Vermögensgegenstände im Eigentum der Schuldnerin gestanden. Hier sei er in die Einzelverwertung eingetreten, insb. auch deshalb, weil er vom Zwangsverwalter des Objekts zur Räumung aufgefordert worden sei. Mit der Verwertung habe er ein externes Verwertungsunternehmen beauftragt. Aus der bislang erfolgten Verwertung habe er einen Erlös von ca. € 20.700,- erzielt. Die Verwertung der übrigen Vermögensgegenstände dauere noch an. Die Klägerin hat auf diesen Sachvortrag nicht ausreichend erwidert.

58

Es sind auch zweitinstanzlich keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die zumindest in ihrer Gesamtschau dafür sprechen könnten, dass der Beklagte zu 1) im Mai 2013 nicht endgültig beabsichtigt haben könnte, den Betrieb stillzulegen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe der Klägerin haben keinen Erfolg.

59

In der Regel liegt ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber - wie hier - den Stilllegungsbeschluss gegenüber Kunden usw. bekannt gibt, weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder -veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, Geschäftsbeziehungen in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will. Erst Recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss (BAG 16.02.2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 51, NZA-RR 2012, 465).

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c) Die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 ist nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Ein Übergang des Betriebs der Schuldnerin auf die Beklagten zu 2) liegt nicht vor. § 613a Abs. 4 BGB lässt eine Kündigung unberührt, die aus "anderen" Gründen als wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde. Zu diesen Gründen gehört - wie oben ausgeführt - die auf eine Stilllegung des Betriebs gestützte Kündigung.

61

d) Die Kündigung vom 23.05.2013 ist schließlich nicht wegen fehlender Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

62

Es ist unerheblich, dass die der Massenentlassungsanzeige vom 21.02.2013 beigefügte Liste der zur Entlassung vorgesehenen 91 Arbeitnehmer den Namen der Klägerin nicht enthält, weil die Klägerin am 22.02.2013 (aufgrund eines Fehlers) nicht entlassen worden ist. Am 23.05.2013 war der Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, der Agentur für Arbeit erneut Anzeige zu erstatten, weil der für den betrieblichen Geltungsbereich maßgebende Schwellenwert nicht überschritten war. Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen im Verhältnis zur Zahl der "in der Regel" in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend. Das waren vorliegend 92 Arbeitnehmer (91 und die Klägerin).

63

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wurde entgegen der Ansicht der Berufung nicht im Zusammenhang mit der Massenentlassung der übrigen Arbeitnehmer des Beklagten zu 1) erklärt. Sie fiel nicht in die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nach dem 22.02.2013 und war nicht anzeigepflichtig. Dem stehen Sinn und Zweck der richtlinienkonform auszulegenden §§ 17, 18 KSchG nicht entgegen, obwohl der Beklagte zu 1) die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ebenfalls auf seine Stilllegungsentscheidung stützt. §§ 17, 18 KSchG sollen Massenentlassungen vermeiden oder ihre Folgen mildern. Fällt eine Kündigung - wie hier - nicht mehr in den zeitlichen Zusammenhang einer Massenentlassung, muss diesen Zwecken nicht genügt werden (BAG 25.04.2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 158 mwN, AP InsO § 343 Nr. 1).

64

Am 23.05.2013 und in der 30-Tages-Frist danach hat der Beklagte zu 1) ausweislich der von ihm in der Berufungserwiderung nochmals aufgeführten Liste (nur) 6 Arbeitnehmern gekündigt; nämlich neben der Klägerin noch den Arbeitnehmerinnen A.-B., K., Kr., Th. und W.. Damit war der in § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG genannte relevante Schwellenwert - 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten 92 Arbeitnehmer - nicht überschritten.

65

Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es für die Berechnung des Schwellenwerts nicht darauf an, ob zwischen dem Beklagten zu 1) und insgesamt 44 Arbeitnehmern am 23.05.2013 noch ein (gekündigtes) Arbeitsverhältnis bestand. Es ist auch unerheblich, ob sich noch insgesamt 16 dieser 44 Arbeitnehmer gegen die bereits im Dezember 2012, im Februar 2013 oder nach Zustimmung des Integrationsamts im März 2013 ausgesprochenen Kündigungen gerichtlich zur Wehr gesetzt haben.

66

Die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG hängt von der Zahl der "regelmäßig" beschäftigten Arbeitnehmer ab. Wird - wie hier - wegen Betriebsstillegung gekündigt, kommt nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage. Entscheidend ist, wann der Arbeitgeber noch eine regelmäßige Betriebstätigkeit entwickelt und wie viele Arbeitnehmer er hierfür eingesetzt hat. Entschließt sich der Arbeitgeber endgültig zur Stilllegung des Betriebes zu einem bestimmten Termin und entlässt er anschließend stufenweise Personal, so stellt der im Zeitpunkt dieser Beschlussfassung und nicht der spätere, verringerte Personalbestand die normale, den Betrieb kennzeichnende Belegschaftsstärke dar. Entlassungen, die vorgenommen werden, nachdem der Arbeitgeber sich endgültig zur Betriebsstillegung entschlossen hat, verändern die normale, für die Ermittlung der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG maßgebende Belegschaftsstärke nicht mehr (BAG 08.06.1989 - 2 AZR 624/88 - NZA 1990, 224).

67

2. Da die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05.2013 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist gem. § 113 InsO am 31.08.2013 beendet hat, bleibt die Klage gegen die vorsorgliche dritte Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.06. zum 30.09.2014 schon deshalb ohne Erfolg.

68

Darüber hinaus ist sie unschlüssig, weil die Klägerin behauptet, der Betrieb sei am 31.08. bzw. 01.09.2013 und damit Monate vor dem Kündigungsausspruch am 24.06.2014 gem. § 613a BGB auf die Beklagten zu 2) übergegangen. Dies führt zur Unschlüssigkeit der Klage, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nämlich voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis besteht. Dies gilt auch im Falle des Betriebsübergangs. Die Kündigung eines Betriebsveräußerers nach der Betriebsübertragung geht mangels eines mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere. Eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ist unbegründet, weil ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer - und zwar schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin - nicht mehr besteht (vgl. ausführlich BAG 26.07.2007 - 8 AZR 769/06 - NZA 2008, 112, mwN).

69

3. Die beiden Anträge auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen "auch über den 31.08.2013" bzw. "auch über den 30.09.2014" hinaus fortbesteht, sind unzulässig. Die beiden Anträge genügen bereits nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil nicht deutlich wird, mit welchem der beiden Beklagten ein Arbeitsverhältnis fortbestehen soll.

70

Außerdem fehlt das in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 1) durch die Kündigungen vom 23.05.2013 und vom 24.06.2014 aufgelöst worden ist. Weiterer Auflösungsgründe berühmt sich der Beklagte zu 1) nicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) behauptet, der am 31.08.2013 bzw. 01.09.2013 erfolgt sein soll. Deshalb beantragt sie mit einem gesonderten Antrag die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Für die beiden Feststellungsanträge auf "Fortbestand zu unveränderten Bedingungen" ist das angestrebte Rechtsschutzziel der Klägerin neben den anderen Anträgen nicht ersichtlich.

71

4. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

72

aa) Soweit die Klägerin die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist, kann gem. § 256 Abs. 1 ZPO Klage nur auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nicht auf die Feststellung einer Rechtsfolge erhoben werden. In seiner gebotenen Auslegung betrifft der Antrag allerdings ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Nach Lage der Dinge kommt als feststellbares Rechtsverhältnis nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) in Betracht. Eine Klage gegen den Betriebserwerber ist darauf zu richten, dass festgestellt wird, das Arbeitsverhältnis bestehe mit dem Betriebserwerber fort (BAG 22.07.2004 - 8 AZR 350/03 - NZA 2004, 1383). In dieser Auslegung ist der Antrag zulässig. Die Klägerin verfügt über das notwendige Feststellungsinteresse, denn die Beklagte zu 2) stellt sowohl das Vorliegen eines Betriebsübergangs als auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit ihr als Arbeitgeberin in Abrede.

73

bb) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht im Wege eines Betriebsübergangs vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist. Die Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg.

74

Ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Das Arbeitsgericht hat die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG zutreffend aufgezeigt. Im Rahmen des § 613a BGB gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Nimmt der Arbeitnehmer den vermeintlichen Betriebsübernehmer in Anspruch, muss er die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs darlegen und beweisen (BAG 10.05.2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 28, NZA 2012, 1161).

75

Die vorzunehmende Gesamtwürdigung aller Umstände führt nicht zur Annahme eines Betriebsübergangs. Die Berufungskammer teilt die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass zwar möglicherweise ein Betriebsübergang von der insolventen E Modell- und Werkzeugbau GmbH, nicht aber vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) stattgefunden hat.

76

Unter dem 30.08.2013 haben die Beklagte zu 2) und Rechtsanwalt Wunderlich als Insolvenzverwalter über das Vermögen der E Modell- und Werkzeugbau GmbH (9 IN 34/13) einen Kaufvertrag über Wirtschaftsgüter des (beweglichen) Anlagevermögens, der Bestände und den Firmenwert der insolventen E. Modell- und Werkzeugbau GmbH geschlossen. Die Beklagte zu 2) erklärte, zum 01.09.2013 die Leitungsmacht im Betrieb zu übernehmen. Der Hinweis der Klägerin auf den Inhalt der Internetseite der „E.-Gruppe“ hilft nicht weiter. Dort findet sich unter dem 01.09.2013 allein die Mitteilung, dass die Beklagte zu 2) im Rahmen eines „Asset Deals“ die Geschäftsaktivitäten der E. Modell- und Werkzeugbau GmbH übernommen habe. Die E. Modell- und Werkzeugbau GmbH und die E. Bordnetzsysteme GmbH sind rechtlich voneinander getrennte Gesellschaften, mögen sie auch unter der gleichen Anschrift geschäftsansässig und personell miteinander verflochten gewesen sein und eine gemeinsame Konzernmutter gehabt haben. Die rechtliche Trennung zeigt sich insb. auch daran, dass das Amtsgericht zwei Insolvenzverfahren eröffnet und zwei verschiedene Insolvenzverwalter bestellt hat.

77

An dem Kaufvertrag vom 30.08.2013 war der Beklagte zu 1) nicht beteiligt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte zu 1) seinerseits der Beklagten zu 2) Betriebsmittel übertragen hat, erst Recht nicht eine wirtschaftliche Einheit iSd. § 613a BGB. Maßgebliche Indizien für einen Betriebsübergang hat die Klägerin auch zweitinstanzlich nicht vorgetragen. Die bloße Behauptung, das dem so sei, reicht zur Erfüllung ihrer Darlegungslast nicht aus.

78

5. Die Zahlungsanträge gegen die Beklagte zu 2) sind unbegründet. Die Beklagte zu 2) ist nicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, an die Klägerin rückständige Vergütung für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 zu zahlen, weil - nach den obigen Ausführungen - ein Betriebsübergang nicht vorliegt.

79

6. Da ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) nicht vorliegt, sondern das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23.05. zum 31.08.2013 aufgelöst worden ist, ist auch der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Antrag auf Weiterbeschäftigung unbegründet.

80

7. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch auf Wiedereinstellung als Maschineneinrichterin (zu bestimmten Arbeitsbedingungen). Ein solcher Anspruch setzt einen Betriebsübergang iSd. § 613a BGB voraus, der nicht stattgefunden hat.

81

8. Die auf Feststellung bestimmter Lohnansprüche für die Monate Dezember 2012 bis März 2013 gerichteten Anträge gegen den Beklagten zu 1) sind zwar zulässig, aber unbegründet.

82

aa) Die Feststellungsanträge sind entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zulässig. Das nach § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus § 210 InsO, denn die Klägerin macht Masseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO geltend. Masseansprüche sind zwar wegen § 53 InsO grundsätzlich in Form einer Leistungsklage zu verfolgen. Das gilt aber nicht, wenn der Insolvenzverwalter - wie hier der Beklagte zu 1) am 15.05.2013 - nach § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (BAG 22.11.2005 - 1 AZR 407/04 - NZA 2006, 736).

83

bb) Die Klageanträge sind jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gem. § 615 BGB für die Monate von Dezember 2012 bis März 2013 keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Verzugslohns als € 2.127,28 brutto monatlich. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Festlohn (€ 2.065,00), Kontoführungsgebühren (€ 1,28) und der betrieblichen Altersversorgung (€ 61,00).

84

Der Anspruch nach § 615 BGB umfasst den Verdienst, den die Klägerin erzielt hätte, wenn sie vom Beklagten zu 1) im Kündigungsschreiben vom 29.11.2012 nicht ab 01.12.2012 von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden wäre. Es mag sein, dass sich der Durchschnittsverdienst der Klägerin der letzten drei Monate vor dem 01.12.2012 wegen der Überstundenvergütung auf € 2.291,32 brutto belaufen hat. Auf diesen Durchschnittsverdienst kommt es nicht an, es gilt das Lohnausfallprinzip. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin, wenn sie von Dezember 2012 bis März 2013 beschäftigt worden wäre, Überstunden hätte leisten müssen. Gegen die Notwendigkeit von Überstunden spricht bereits die Freistellung der Klägerin.

85

III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

86

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang


(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rec

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(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er 1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und wenig

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 7 Wirksamwerden der Kündigung


Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Insolvenzordnung - InsO | § 209 Befriedigung der Massegläubiger


(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge: 1. die Kosten des Insolvenzverfahrens;2. die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Ma

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 18 Entlassungssperre


(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.

Insolvenzordnung - InsO | § 113 Kündigung eines Dienstverhältnisses


Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündig

Insolvenzordnung - InsO | § 208 Anzeige der Masseunzulänglichkeit


(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vo

Insolvenzordnung - InsO | § 53 Massegläubiger


Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen.

Insolvenzordnung - InsO | § 210 Vollstreckungsverbot


Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

Insolvenzordnung - InsO | § 343 Anerkennung


(1) Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird anerkannt. Dies gilt nicht, 1. wenn die Gerichte des Staats der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind;2. soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit we

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Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. September 2010 - 9 Sa 343/10 - wird zurückgewiesen.

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(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vorliegt. Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

(2) Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen. Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen.

(3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 01. August 2013 - 2 Ca 391/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst ist.

Die Kosten des Rechtsstreits (I. und II. Instanz) trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Der Kläger war seit mehr als sechs Monaten bei der E. B. GmbH beschäftigt. Am 31. August 2012 wurde über das Vermögen der E. B. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Betrieb waren regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung - und erst recht auch danach - hat im Betrieb kein Betriebsrat mehr existiert.

3

Am 21. Februar 2013 schloss der Beklagte mit einem vermeintlich bestehenden, aber nicht mehr existenten Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf den verwiesen wird. Sodann erstattete der Beklagte bei der Agentur für Arbeit in B. am 21. Februar 2013 eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG unter Beifügung dieses Interessenausgleichs.

4

Mit Schreiben vom 22. Februar 2013 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Mai 2013. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Betrieb werde nach seinen Informationen im Zweigwerk Ü. fortgeführt. Der Beklagte müsse seine Bemühungen um einen Investor offenlegen.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst wird, sondern ungekündigt fortbesteht.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat erwidert, das dringende betriebliche Erfordernis für die Kündigung liege in der im Februar 2013 beschlossenen vollständigen und endgültigen Betriebseinstellung zum Ablauf der Kündigungsfristen Ende Mai 2013. Die Gläubigerversammlung habe zunächst beschlossen, dass der Geschäftsbetrieb fortgeführt werden solle. Nachdem sich die Liquiditätssituation aber weiter verschlechtert habe, habe der Gläubigerausschuss ihm am 16. Januar 2013 aufgegeben, noch bis längstens zum 28. Februar 2013 zu versuchen, das Unternehmen an einen Investor zu veräußern. Für den Fall, dass die Übertragung an einen Investor bis Ende Februar 2013 nicht möglich sei, habe der Gläubigerausschuss die Einstellung des Betriebes beschlossen. Zugleich sei er beauftragt worden, unverzüglich die Betriebseinstellung vorzubereiten und dabei zu prüfen, ob über den 28. Februar 2013 hinaus bis zum Ablauf der Kündigungsfristen eine Ausproduktion möglich sei. Nachdem in der zweiten Februarhälfte kein Investor ein Angebot für den Erwerb des Unternehmens abgegeben habe und auch kein Investor in Sicht gewesen sei, habe er zur Umsetzung der Beschlüsse begonnen, die endgültige Einstellung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes voranzutreiben. Auch in der Folgezeit habe sich kein Investor gefunden. Spätestens Ende Mai 2013 seien die mit einem Teil des Personals durchgeführten Restabwicklungs- und Aufräumarbeiten abgeschlossen. Betriebsbedingte Gründe für die Kündigung würden gemäß § 125 Abs. 1 InsO vermutet. Unabhängig davon rechtfertige die vollständige und endgültige Betriebseinstellung die Kündigung. Im Hinblick darauf, dass er am 22. Februar 2013 allen Arbeitnehmern - mit Ausnahme derjenigen, für deren Kündigung eine behördliche Zustimmung erforderlich sei - gekündigt habe, sei eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen.

11

Mit Urteil vom 01. August 2013 hat das Arbeitsgericht Trier die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

12

Gegen das ihm am 12. September 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. November 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

13

Er trägt vor, der Beklagte sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe sich der Beklagte noch in Verhandlungen befunden. Zwischenzeitlich habe ein Betriebsübergang auf die E. S. GmbH stattgefunden.

14

Der Kläger beantragt,

15

das Urteil des Arbeitsgericht Trier vom 01. August 2013 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst worden ist.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er erwidert, entgegen der Behauptung des Klägers habe kein Betriebsübergang i.S.d. § 613 a BGB auf eine E. S. GmbH stattgefunden. Vielmehr sei der Geschäftsbetrieb aufgrund der Ende Mai 2013 erfolgten vollständigen Betriebsschließung irreversibel eingestellt. Seither werde kein einziger Arbeitnehmer mehr beschäftigt und es finde keine Produktion mehr statt. Er habe keinerlei Betriebsmittel, Aufträge o.ä. auf eine E. S. GmbH übertragen. Es möge sein, dass die offenbar gerade erst gegründete E. S. GmbH einzelne Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin eingestellt habe. Mit diesen Vorgängen habe er jedoch nichts zu tun. Zudem falle auf, dass die Leistungspalette der E. S. GmbH mit der vormaligen Produktion der Insolvenzschuldnerin, die Kabelbäume hergestellt habe, nicht identisch, sondern vielmehr deutlich umfangreicher sei und offenbar die Produktpalette der gesamten vormaligen E.-Gruppe umschließe. Nach der zwischenzeitlichen Insolvenzanmeldung der vormaligen Konzernmutter, der E. H. S. GmbH & Co. KG, könne es durchaus sein, dass der vormalige Gesellschafter aktuell den Versuch unternehme, mit der neu gegründeten E. S. GmbH die alten Geschäftsfelder der E.-Gruppe neu aufzustellen. Genauere Erkenntnisse hierüber würden ihm jedoch nicht vorliegen. Die von der Schuldnerin vor der Betriebsstilllegung genutzte Betriebsausstattung, die wie die Grundstücke ganz überwiegend im Eigentum der Holding (H. S. GmbH & Co. KG) gestanden habe, sei dort noch heute überwiegend ungenutzt vorhanden, so dass auf einfachste Weise festgestellt werden könne, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich eingestellt sei und auch keine Fortsetzung durch einen Betriebsübernehmer stattfinde. Seine im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose sei durch den tatsächlichen Ablauf bestätigt worden. Im Hinblick darauf, dass bis Ende Februar 2013 kein konkretes Angebot eines Investors zum Erwerb des schuldnerischen Unternehmens oder von Betriebsteilen vorgelegen habe, sei gemäß der Vorgabe des Gläubigerausschusses die Stilllegungsentscheidung getroffen und konsequent mit dem abgeschlossenen Interessenausgleich, den beantragten behördlichen Zustimmungen für die Kündigungen von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz und den Kündigungen aller Arbeitsverhältnisse vollzogen worden. Unter dem 05. April 2013 seien alle früheren und aktuellen Kunden mit einem gleichlautenden Serienschreiben über die Einstellung des Geschäftsbetriebes informiert worden. Zudem seien Produktionsanfragen von Kunden, soweit sie nicht die Ausproduktion betroffen hätten, unter Hinweis auf die Einstellung des operativen Geschäfts abgelehnt worden. Zudem seien unter dem 08. Mai 2013 rein vorsorglich Kündigungen hinsichtlich der Nutzungsverhältnisse über die beiden Betriebsstätten erklärt worden. Die Kündigungen seien deshalb nur vorsorglich erfolgt, weil zwischen der Schuldnerin und der Grundstückseigentümerin, der H. S. GmbH & Co. KG, ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestanden habe, auf dessen Grundlage die Grundstückseigentümerin ohnehin verpflichtet gewesen sei, für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin einzustehen. Mit keinem einzigen Interessenten habe es konkrete Vertragsverhandlungen zu einer Unternehmensveräußerung gegeben. Es sei üblich, dass Interessenten zunächst allgemein ihr Interesse bekundeten und von dem Insolvenzverwalter wissen wollten, welche Vermögensgegenstände überhaupt von dem Massebeschlag erfasst seien und welche Fremdrechte von Gläubigern daran bestünden sowie welche wirtschaftlichen Kennzahlen vorlägen. Dem Interessenten werde sodann eine Geheimhaltungsvereinbarung übermittelt, nach deren Unterzeichnung der Interessent Zugang zum schuldnerischen Unternehmen erhalte und in dessen Geschäftsunterlagen sowie in die Planungsunterlagen des Insolvenzverwalters einsehen könne. Sodann führe der Interessent eigenständig eine sog. due-diligence-Prüfung durch. Auf diese Weise sei vorliegend auch mit allen Interessenten verfahren worden. Wenn die due-diligence des Interessenten positiv sei, unterbreite der Interessent dem Insolvenzverwalter schließlich ein konkretes Kaufangebot bzw. leite konkrete Vertragsverhandlungen ein. Vorliegend hätten sämtliche Interessenten bei bzw. nach Durchführung ihrer due-diligence-Prüfung Abstand von einem Unternehmenserwerb genommen. Auch sei zu keinem Zeitpunkt von einem Interessenten ein konkretes Kaufangebot zum Unternehmenserwerb unterbreitet oder um konkrete Vertragsverhandlungen über den Erwerb des schuldnerischen Unternehmens gebeten worden. Er habe deshalb keine Verhandlungen mit einem Investor über eine Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens geführt. Vielmehr habe es jeweils nur allgemeine Interessenbekundungen gegeben, die sich nach Durchführung der due diligence erledigt hätten. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung habe es nur einen einzigen Interessenten, nämlich die H. GmbH & Co. KG, gegeben, der ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen gezeigt habe. Wegen der vom Beklagten dargestellten Gespräche mit der H. GmbH & Co. KG bzw. deren anwaltlichen Vertreter wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 11. April 2014 nebst der als Anlagen vorgelegten schriftlichen Korrespondenz verwiesen. Die H. GmbH & Co. KG habe letztlich weder ein konkretes Kaufangebot unterbreitet, noch seien mit ihr konkrete Vertragsverhandlungen über eine Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens geführt worden. Die Stilllegung hätte nur dann ausgesetzt werden können, wenn ein konkretes Kaufangebot für das schuldnerische Unternehmen vorgelegen hätte sowie die Bonität der H. GmbH & Co. KG geklärt und die Finanzierung der Lohnkosten für einen weiteren Monat durch die H. sichergestellt gewesen wäre. Zudem hätte die Gläubigerversammlung die Aussetzung der geplanten Stilllegung beschließen müssen. Keine dieser Voraussetzungen habe je vorgelegen. Darüber hinaus habe es andere Interessenten gegeben, denen nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsvereinbarung Geschäfts- und Planungsunterlagen zum schuldnerischen Unternehmen übermittelt worden seien. Dabei sei es dann allerdings verblieben, weil keine weitere Reaktion dieser Interessenten erfolgt sei. Wegen der vom Beklagten dargestellten Korrespondenz mit den weiteren Interessenten wird auf seinen Schriftsatz vom 11. April 2014 verwiesen. Die in der vorgelegten Übersicht ausgewiesenen Kundenaufträge seien überwiegend während der laufenden Kündigungsfrist abgearbeitet worden. Der längerfristige Produktionsauftrag der A. K. GmbH & Co. KG sei einfach abgebrochen worden, indem der Auftraggeberin mit Schreiben vom 05. April 2013 die Einstellung des Geschäftsbetriebes mitgeteilt worden sei und von ihr hierauf keine Reaktion mehr erfolgt sei. In der Zeit ab dem 28. Februar 2014 seien im schuldnerischen Unternehmen für die Ausproduktion unverändert die bisherigen Betriebsmittel weiter verwendet worden. Mit Einstellung des operativen Geschäfts und Beendigung der Ausproduktion im Mai 2013 sowie vorsorglich erklärter Kündigung der Miet-/Nutzungsverhältnisse sei hinsichtlich dieser Sachanlagevermögensgegenstände in die Einzelverwertung eingetreten worden. Die vormals im schuldnerischen Produktionsbetrieb genutzten Betriebsmittel würden ganz überwiegend im Eigentum Dritter stehen und könnten von ihm nicht verkauft werden. Die Betriebsmittel seien überwiegend noch heute an den vormaligen Produktionsstandorten vorhanden und würden dort nicht genutzt. Ungenutzt vorhanden seien derzeit auch noch die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (= Materialvorrat), wofür ein schnellstmöglicher Abverkauf durch ein externes Verwertungsunternehmen beauftragt sei. Als Insolvenzverwalter sei er selbstverständlich gehalten, die Möglichkeit einer Unternehmensveräußerung zu wahren. Selbst heute würde er potentiellen Interessenten auch weiterhin eine due-diligence ermöglichen und ggf. auch noch Veräußerungsverhandlungen führen. Diese latente Bereitschaft stehe jedoch einer Betriebsstilllegung nicht entgegen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

21

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Kündigungsschutzklage ist begründet.

22

Das Kündigungsschutzgesetz ist gem. §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG anwendbar. Die 3-Wochen-Frist gem. § 4 S. 1 KSchG ist gewahrt. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags des Beklagten lag bei Ausspruch der Kündigung kein dringendes betriebliches Erfordernis vor. Der Vortrag des gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten lässt nicht den Schluss darauf zu, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung endgültig zur Stilllegung des Betriebes entschlossen war und die im Zusammenhang mit der behaupteten Stilllegungsabsicht geplanten Maßnahmen bereits greifbare Formen angenommen hatten.

23

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465) gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist dabei nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig stillzulegen. Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. An einem endgültigen Beschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht. Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465).

24

Weiterhin ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits "greifbare Formen" angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, d.h. die Stilllegung, vorliegen wird. Dabei muss die der entsprechenden Prognose zugrunde liegende Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Schließung des Betriebes aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben. Ist dies nicht der Fall, kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes und zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit führende Prognose vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfolgreich gestellt werden. Vielmehr entfällt die Grundlage für die Kündigung. Es bedarf dann einer zweiten - endgültigen - unternehmerischen Organisationsentscheidung. Deswegen ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen, aber noch nicht endgültig gefasst hat. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes steht oder sich um neue Aufträge bemüht. Dann liegt keine unbedingte und endgültige Stilllegungsabsicht vor (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 79/06 - Rn. 24, juris). Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substantiiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 41, NZA-RR 2012, 465).

25

2. Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall auf der Grundlage des eigenen Vortrags des Beklagten nicht angenommen werden, dass er im Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits endgültig zur Stilllegung des Betriebes entschlossen war und die hierzu geplanten Maßnahmen greifbare Formen angenommen hatten.

26

a) Zunächst spricht allein die Entlassung von Arbeitnehmern nicht für eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial gerechtfertigt sind. Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. So wie die Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht, so darf auch nicht allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden. Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen kann. Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für eine Stilllegungsabsicht. Auch der Umstand, dass sich der Wunsch zur Veräußerung eines Betriebes nicht im ersten Anlauf verwirklichen lässt, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass der Arbeitgeber nach dem ersten gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige Betriebsstilllegung - beabsichtigt (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rnr. 47 - 49, NZA-RR 2012, 465).

27

Der vom Beklagten angeführte Interessenausgleich ist mangels existenten Betriebsrates nicht wirksam zustande gekommen und vermag deshalb weder eine Rechts- noch eine Indizwirkung zu entfalten. Zwar spricht im Streitfall für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht der Beschluss des Gläubigerausschusses vom 16. Januar 2013 und die am 21. Februar 2013 erfolgte Massenentlassungsanzeige. Im Übrigen ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bereits im Kündigungszeitpunkt bestimmte Maßnahmen des Beklagten zur Realisierung der behaupteten Stilllegungsabsicht greifbare Formen angenommen haben könnten. Die angeführte "Ausproduktion" ändert nichts daran, dass für die genannten Kunden im Zeitpunkt der Kündigung noch weiterhin produziert wurde, wenn auch mit geringerer Auslastung.

28

Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt, weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder -veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will. Erst recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 51, NZA-RR 2012, 465). Die Beklagte hat aber nach seinem eigenen Sachvortrag eine solche Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung bzw. entsprechende organisatorische Vorkehrungen erst nach Ausspruch der Kündigungen, und zwar erst nach dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen mit der Firma H. GmbH & Co. KG getroffen. Noch unmittelbar vor Ausspruch der Kündigungen hat der Beklagte am 19. Februar 2013 die vorgelegte Geheimhaltungsvereinbarung mit der Firma H. GmbH & Co. KG abgeschlossen, die nach seinem eigenen Vortrag zu diesem Zeitpunkt ein ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen geäußert hatte. In der vorgelegten Geheimhaltungsvereinbarung heißt es einleitend: "Der Interessent beabsichtigt die Prüfung der Option das schuldnerische Unternehmen im Ganzen oder Teilen hiervon zu erwerben bzw. den Geschäftsbetrieb am Standort fortzuführen." Sodann sind in der Geheimhaltungsvereinbarung verschiedene Verpflichtungen des Interessenten - u.a. auch bei "Scheitern der Verhandlungen" - festgelegt. Ungeachtet der mit Abschluss der Geheimhaltungsvereinbarung vom 19. Februar 2013 aufgenommenen Verhandlungen mit der Firma H. GmbH & Co. KG hat der Beklagte bereits am 22. Februar 2013 Kündigungen ausgesprochen und parallel die dargestellten Gespräche bzw. die vorgelegte Korrespondenz mit diesem Interessenten weitergeführt. Per E-Mail vom 20. März 2013 hat der Beklagte unter Fristsetzung zum 21. März 2013, 12:00 Uhr, die H. GmbH & Co. KG nochmals um schriftliche Mitteilung gebeten, ob weiterhin Interesse an der Schuldnerin als Ganzes bestehe bzw. ob von dem bisherigen Interesse Abstand genommen werde. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass eine Mitteilung erforderlich sei, da bei Wegfall des Interesses die weiteren Belange der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Gläubiger- bzw. Kundeninteressen zu koordinieren seien. Am 21. März 2013 ist dann nach seinem Vortrag eine telefonische Mitteilung erfolgt, dass die Firma H. GmbH & Co. KG Abstand von ihrem Interesse an einer Übernahme der Schuldnerin und einer Fortführung des Geschäftsbetriebes nehme. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Beklagte erst danach unter dem 05. April 2013 alle Kunden über die Einstellung des Geschäftsbetriebes informiert, unter dem 08. Mai 2013 Kündigungen hinsichtlich der Nutzungsverhältnisse über die beiden Betriebsstätten erklärt, zum 10. Mai 2013 die Produktion eingestellt und mit der Verwertung der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Sachanlagevermögensgegenstände begonnen sowie den Abverkauf der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe beauftragt.

29

b) Nach dieser Vorgehensweise des Beklagten stellt sich die Kündigung unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags als eine unwirksame "Vorratskündigung" dar (vgl. zum Begriff der sog. Vorratskündigung BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 79/06 - Rn. 25, juris).

30

aa) Der Beklagte hat auf der Grundlage der abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes mit der Firma H. GmbH & Co. KG aufgenommen und diese ungeachtet der am 22. Februar 2013 ausgesprochenen Kündigungen fortgeführt, ohne dass bestimmte Maßnahmen zur Betriebseinstellung bereits greifbare Formen angenommen hatten oder eine irgendwie geartete Zäsur hinsichtlich der vom Beklagten selbst dargestellten Verhandlungen erkennbar gewesen wäre. Ende März 2013 hat er dann auf eine Entscheidung des möglichen Investors gedrängt, damit er im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen ggf. die entsprechenden Maßnahmen zur Stilllegung des Betriebes einleiten kann. Erst nach der daraufhin erfolgten Absage der Firma H. GmbH & Co. KG hat er ab Anfang April 2013 die von ihm dargestellten Maßnahmen zur Betriebseinstellung eingeleitet, während er zuvor noch keine Ausführungsschritte unternommen hatte. In Anbetracht der zunächst unverändert weitergeführten Verhandlungen und der erst nach deren Scheitern ab April 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur endgültigen Stilllegung des Betriebes lässt der Verweis des Beklagten auf die im Mai 2013 erfolgte Einstellung der Produktion nicht den Rückschluss darauf zu, dass bereits im Kündigungszeitpunkt eine entsprechende Prognose gerechtfertigt war, insbesondere die ihr zugrundeliegende Entscheidung endgültig getroffen worden war und die Schließung des Betriebes bereits feststand sowie greifbare Formen angenommen hatte. Eine vorsorgliche Kündigung, die - wie hier - für den Fall des Scheiterns der zunächst fortgeführten Veräußerungsverhandlungen ausgesprochen wird, ist als sog. "Vorratskündigung" mangels unbedingter und endgültiger Stilllegungsabsicht unwirksam.

31

bb) Entgegen der Ansicht des Beklagten setzen ernsthafte Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes nicht notwendigerweise ein konkretes Kaufangebot voraus. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Beklagte auf der Grundlage der abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung Verhandlungen mit der Firma H. GmbH & Co. KG mit dem Ziel einer Veräußerung des Betriebes geführt hat. Im Hinblick darauf, dass die Firma H. GmbH & Co. KG mit der abgeschlossenen Vereinbarung verschiedene Verpflichtungen eingegangen ist und nach dem eigenen Vortrag des Beklagten ein ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen gezeigt hat, sind ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer Betriebsveräußerung geführt worden, auch wenn noch eine sog. due-diligence-Prüfung des Interessenten durchzuführen war. Dementsprechend hat der Beklagte noch per E-Mail vom 20. März 2013 um eine Mitteilung gebeten, ob weiterhin Interesse an der Schuldnerin als Ganzes bestehe oder von dem bisherigen Interesse Abstand genommen werde, damit er im Falle einer Absage die ggf. erforderlichen Maßnahmen zur endgültigen Betriebsstilllegung zum 31. Mai 2013 rechtzeitig einleiten kann. Hierzu bedurfte es dann einer zweiten - endgültigen - unternehmerischen Entscheidung, die vom Beklagten erst nach Ausspruch der Kündigung getroffen worden ist.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

33

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. November 2011 - 5 Sa 467/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 2. Februar 2011 - 2 Ca 1411/10 - hinsichtlich der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 6. Oktober 2010 zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienstleistungen auf dem Gebiet der Versicherungswirtschaft an. Die 1965 geborene Klägerin war bei ihr seit März 2001 als Firmenkundenberaterin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme ein zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Haustarifvertrag Anwendung.

3

Der Ehemann der Klägerin war seit Anfang 1999 bei der Beklagten in unterschiedlichen Führungspositionen beschäftigt. Seine Arbeitszeit richtete sich laut Arbeitsvertrag „nach den Erfordernissen, der Funktion und den übertragenen Aufgaben“. Im Jahr 2009 entband die Beklagte ihn von seinen Leitungsaufgaben. In einem Personalgespräch äußerte sie die Erwartung, dass er künftig „sein geringes Engagement durch Einsatz und Leistungsbereitschaft vergessen“ mache. Er habe seine neue Aufgabe als „Fulltime-Job“ zu begreifen; seine Arbeitszeit beginne fortan „grundsätzlich um 8.00 Uhr“ an ihrem Hauptsitz. Sie erwarte, dass er sich seinen Aufgaben mindestens acht Stunden am Tag widme. Einen hierüber gefertigten Vermerk zeichnete der Ehemann der Klägerin ab. Anfang Dezember führte die Beklagte ein Zeiterfassungssystem ein. Sie wies beide Eheleute an, ihre Arbeitszeit durch dessen Benutzung zu dokumentieren.

4

In der Woche vom 20. bis zum 24. September 2010 erschien die Klägerin jeweils kurz vor 8.00 Uhr im Betrieb am Hauptsitz der Beklagten. Sie bediente jedes Mal das Zeiterfassungsterminal für sich selbst und - mit dessen Stempelkarte - auch für ihren Ehemann. Daraufhin betrat sie das Büro ihres Mannes und schaltete Licht und Computer an. Anschließend begab sie sich an ihren eigenen Arbeitsplatz. Ihr Ehemann erschien jeweils zwischen 18 und 20 Minuten später im Betrieb. In das Dienstgebäude gelangte er an einzelnen Tagen durch einen Nebeneingang. Ein Zeiterfassungsgerät war dort nicht angebracht.

5

Mit Schreiben vom 27. September 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats - fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2011. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe am 20., 21. und 22. September 2010 unter Verwendung der Stempelkarte ihres Ehemannes einen „Arbeitszeitbetrug“ zu dessen Gunsten begangen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2011. Darin wiederholte sie den Vorwurf, die Klägerin habe sie gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann - dem gegenüber sie gleichfalls gekündigt hatte - mehrfach über dessen Arbeitszeit getäuscht. Sie verwies darauf, die Klägerin habe die Stempelkarte ihres Ehemannes auch am 23. und 24. September 2010 benutzt.

6

Die Klägerin hat mit ihrer am 15. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klageschrift den Antrag (Nr. 1) angekündigt „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung der Beklagten vom 27.09.2010 seine Beendigung findet, sondern unverändert fortbesteht“. Daneben hat sie für den Fall des Obsiegens mit diesem Begehren einen Antrag (Nr. 2) auf vorläufige Weiterbeschäftigung angebracht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der letzte Halbsatz des Feststellungsbegehrens enthalte eine allgemeine Feststellungsklage. Sie könne nicht ausschließen, dass sich die Beklagte für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf weitere Beendigungstatbestände als die Kündigung vom 27. September 2010 berufe.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 2. Februar 2011 hat die Beklagte das Kündigungsschreiben vom 6. Oktober 2010 zur Gerichtsakte gereicht. Die Klägerin hat sodann einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG gegen die darin erklärte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gestellt. Anschließend haben die Parteien den Rechtsstreit wegen des Weiterbeschäftigungsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt. Grund hierfür war, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 erneut gekündigt hatte. Dagegen hat die Klägerin in einem getrennten Verfahren Kündigungsschutzklage erhoben.

8

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigungen vom 27. September 2010 und 6. Oktober 2010, die sie mit ihrer vorliegenden Klage rechtzeitig angegriffen habe, seien unwirksam. Kündigungsgründe lägen nicht vor. Der Vorwurf, sie habe sich an einem „Arbeitszeitbetrug“ ihres Ehemannes beteiligt, treffe schon deshalb nicht zu, weil dieser gegenüber der Beklagten an feste Arbeitszeiten nicht gebunden gewesen sei. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Auch habe die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. September 2010, noch durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Oktober 2010 aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien wirksam. Die Klägerin habe an verschiedenen Tagen in kollusivem Zusammenwirken mit ihrem Ehemann bewusst Arbeitszeiten vorgespiegelt, die dieser tatsächlich nicht geleistet habe. Unabhängig davon werde die Wirksamkeit der Kündigung vom 6. Oktober 2010 nach § 7 KSchG fingiert. Das betreffende Schreiben sei noch an diesem Tag in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen worden. Der in der Klageschrift angekündigte allgemeine Feststellungsantrag habe die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nicht gewahrt.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht lediglich hinsichtlich des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung vom 6. Oktober 2010 zugelassenen Revision beantragt die Beklagte, die Klage insoweit abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist zulässig (A.) und begründet (B.). Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

13

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist nicht über den Umfang ihrer Zulassung hinaus eingelegt worden. Die Beklagte hat sie ordnungsgemäß begründet.

14

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Wirksamkeit der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 6. Oktober 2010. Die Revision ist nur insoweit zugelassen und eingelegt worden. Soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. September 2010 für unwirksam erachtet hat, ist sein Urteil rechtskräftig.

15

1. Das Bundesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Beklagten die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts „hinsichtlich der Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Oktober 2010“ zugelassen. „Im Übrigen“ hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Die Zulassung erfasst folglich - nach Tenor und Begründung des Beschlusses - nicht die Entscheidung über die Kündigung(en) vom 27. September 2010.

16

2. Die Revision wendet sich dementsprechend nur gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der Kündigung(en) vom 6. Oktober 2010. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich einen unbeschränkten Revisionsantrag angekündigt. Schon die Revisionsbegründung setzt sich aber nur mit der Entscheidung zu diesen Kündigung(en) auseinander. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte überdies erklärt, die Revision werde „nicht über den Umfang ihrer Zulassung hinaus“ erhoben.

17

3. Die damit einhergehende Rechtskraft des Berufungsurteils hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 27. September 2010 steht dieser Würdigung nicht entgegen. Mit ihr ist nicht bindend festgestellt, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der für diese Kündigung maßgebenden Frist - am 31. März 2011 - ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat und deshalb die Revision der Beklagten, mit der diese eine frühere Beendigung erreichen möchte, von vorneherein ohne Erfolg bleiben müsste. Dabei kommt es nicht darauf an, wie weit die Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung über einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG generell reicht. Die Frage, ob und ggf. wann das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 6. Oktober 2010 aufgelöst worden ist, war nicht Streitgegenstand der gegen die Kündigung vom 27. September 2010 erhobenen Klage.

18

a) Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 13 mwN; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).

19

b) Ob die einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebende Entscheidung zugleich die Feststellung enthält, dass das Arbeitsverhältnis auch zum vorgesehenen Auflösungstermin noch bestanden hat und nicht durch ein zeitlich früher wirkendes Ereignis aufgelöst worden ist(in diesem Sinne BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111; die Frage für mehrere zum gleichen Termin wirkende Kündigungen offenlassend: BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 46, BAGE 131, 155), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Zwar schließt im Verhältnis der Parteien zueinander die Rechtskraft einer Entscheidung gemäß § 322 ZPO eine von ihr abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren grundsätzlich aus(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 13; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 19). Eine solche Kollision tritt aber nicht ein, wenn der Gegenstand der Kündigungsschutzklage auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt worden ist und damit die Frage, ob auch noch im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, gerade nicht Streitgegenstand der betreffenden Klage war (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 14 mwN; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Von einer solchen Beschränkung des Gegenstands der Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 27. September 2010 ist auszugehen.

20

aa) Die Klägerin hat gegen sämtliche Kündigungen in den Schreiben der Beklagten vom 27. September 2010 und 6. Oktober 2010 Klage erhoben. Im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat sie ihre Anträge nebeneinander zur Entscheidung gestellt. Die Beklagte hat jeweils Klageabweisung beantragt. Das spricht dafür, dass schon die Klägerin die Kündigungen unabhängig voneinander auf ihre Wirksamkeit überprüft wissen wollte. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Antragsverständnis seiner Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt, weil es trotz der Möglichkeit der Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde und deren nach Anträgen unterschiedlichen Erfolgs über sämtliche Kündigungen gleichzeitig entschieden hat.

21

bb) Jedenfalls ist das Bundesarbeitsgericht im Rahmen seines Zulassungsbeschlusses ersichtlich von diesem Antragsverständnis und der entsprechenden Eingrenzung des Gegenstands der Klage gegen „die Kündigung vom 27. September 2010“ ausgegangen. Die Zulassung der Revision nur für den Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung(en) vom 6. Oktober 2010 wäre unverständlich, wenn aus seiner Sicht dieser Streit nicht aus dem Gegenstand der Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 27. September 2010 „ausgeklammert“ worden wäre. Dieses Antragsverständnis ist deshalb auch dem vorliegenden Revisionsverfahren zugrunde zu legen.

22

II. Die im eingelegten Umfang statthafte Revision ist auch ansonsten zulässig. Die Beklagte hat ihr Rechtsmittel ordnungsgemäß begründet. Unschädlich ist, dass sich die Revisionsbegründung nicht mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Fehlen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung vom 6. Oktober 2010 und dem Fehlen der sozialen Rechtfertigung der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung auseinandersetzt. Die Beklagte rügt, das Landesarbeitsgericht habe die gegen „die Kündigung vom 6. Oktober 2010“ gerichtete Klage nicht iSv. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG als rechtzeitig erhoben ansehen dürfen. Es habe deshalb bereits die fristlose Kündigung wegen § 7 KSchG als von Anfang an wirksam erachten müssen. Die Rüge ist - ihre Berechtigung unterstellt - geeignet, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Umfang der Anfechtung insgesamt zu Fall zu bringen. Das ist ausreichend.

23

B. Die Revision ist begründet.

24

I. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage gegen die fristlose Kündigung vom 6. Oktober 2010 mit der von ihm gegebenen Begründung nicht stattgeben. Zwar gilt die Kündigung nicht gemäß § 7 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG) nicht versäumt (1.). Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen aber nicht das von ihm gefundene Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB liege nicht vor(2.).

25

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der Fiktion des § 7 KSchG mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 6. Oktober 2010 geendet. Die Klägerin hat die Frist des § 4 Satz 1 KSchG durch den mit der Klageschrift angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag und ihre im Termin vom 2. Februar 2011 abgegebenen Prozesserklärungen gewahrt.

26

a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus „anderen Gründen“ rechtsunwirksam, muss er gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die betreffende Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Aufgrund der Verweisung in § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung(BAG 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - Rn. 17). Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt diese gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss deshalb als unbegründet abgewiesen werden (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - aaO mwN).

27

b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe die Kündigung vom 6. Oktober 2010 - hinsichtlich beider darin enthaltener Kündigungserklärungen - mit einer Klage nach § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG gesondert angreifen müssen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 6. Oktober 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut und eigenständig gekündigt und nicht etwa die vorangegangene Kündigung vom 27. September 2010 lediglich ein weiteres Mal verlautbart (zur Abgrenzung vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 38; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 38). Gegen ein Verständnis der Erklärungen als eine einzige fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung spricht schon, dass sich die Beklagte in den betreffenden Kündigungsschreiben auf zwar gleichartige, aber an unterschiedlichen Tagen begangene Pflichtverletzungen der Klägerin und damit auf unterschiedliche Kündigungssachverhalte beruft.

28

c) Einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag hat die Klägerin bezogen auf die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 6. Oktober 2010 erstmals im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 2. Februar 2011 gestellt. Zuvor war die Kündigung überdies von keiner der Parteien konkret angesprochen worden. Das Landesarbeitsgericht hat ferner angenommen, am 2. Februar 2011 seien bereits mehr als drei Wochen seit Zugang der Kündigung verstrichen gewesen - ohne allerdings den Zeitpunkt des Zugangs exakt festzustellen. Auch unter diesen Umständen ist die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats zum erweiterten Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage (etwa BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B I 2 der Gründe; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 30 mwN) enthält - wie erwähnt - die der Kündigungsschutzklage stattgebende Entscheidung in der Regel zugleich die Feststellung, dass im maßgebenden Auflösungstermin zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Arbeitgeber kann sich dann in einem späteren Prozess nicht darauf berufen, das Arbeitsverhältnis sei bereits zuvor aufgrund anderer Beendigungstatbestände aufgelöst worden. Er ist, wenn er diese Rechtsfolge vermeiden will, gehalten, den anderen - etwa in den Lauf der Kündigungsfrist fallenden - Beendigungstatbestand von sich aus in den Kündigungsrechtsstreit einzuführen. Dem würde es entsprechen, umgekehrt in der Klage gegen eine erste Kündigung zugleich den - fristwahrenden - Angriff gegen solche späteren Kündigungen zu erblicken, die dem Arbeitnehmer noch während des Laufs der von der ersten Kündigung ausgelösten Frist zugehen und innerhalb dieser Frist Wirkung entfalten sollen.

30

bb) Im Streitfall kommt es hierauf nicht an. Die Klägerin hat mit ihrer am 15. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage neben dem gegen die Kündigung vom 27. September 2010 gerichteten - punktuellen - Antrag zugleich einen allgemeinen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gestellt. Zumindest dieser Antrag reichte - in Verbindung mit dem im Termin vom 2. Februar 2011 gestellten Antrag - aus, um hinsichtlich der Kündigung(en) vom 6. Oktober 2010 den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern.

31

(1) Ein Arbeitnehmer kann neben der gegen eine bestimmte Kündigung gerichteten Klage nach § 4 Satz 1 KSchG eine Klage nach § 256 ZPO gerichtet auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungsendtermin hinaus fortbestehe. Er macht auf diese Weise zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend. Diese kann er gemäß § 260 ZPO in einer Klage verbinden(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B I 2 der Gründe; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 622/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 103, 84). Gegenstand der Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die konkrete, mit dieser Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin(sog. punktueller Streitgegenstand, vgl. BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - aaO; 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - zu B II 2 b (1) der Gründe). Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über diesen Termin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Erfasst von ihr sind deshalb alle nach dem Vortrag der Parteien in Betracht kommenden Beendigungsgründe. Die Rechtskraft eines positiven Feststellungsurteils schließt eine auf ihnen beruhende Beendigung aus (BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - aaO mwN).

32

(2) Die Feststellungsklage nach § 256 ZPO setzt ein besonderes Feststellungsinteresse voraus. Es besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmte Kündigung ausgesprochen worden und ihretwegen ein Rechtsstreit anhängig ist. Der klagende Arbeitnehmer muss vielmehr weitere streitige Beendigungstatbestände oder wenigstens deren Möglichkeit in den Prozess einführen und damit dartun, dass er an dem die Klage nach § 4 KSchG erweiternden Antrag ein rechtliches Interesse hat(BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262).

33

(3) Hat der Arbeitnehmer neben der Klage gegen eine konkret bezeichnete Kündigung iSv. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben, die sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegen jeglichen Auflösungstatbestand richtet, dessen sich der Arbeitgeber berühmen sollte, ersieht dieser daraus - entsprechend dem Sinn und Zweck des § 4 KSchG - dass der Arbeitnehmer sich auch gegen weitere(evtl. vorsorgliche) Kündigungen wenden will. Der Arbeitnehmer kann deshalb im Rahmen eines solchen allgemeinen Feststellungsantrags sonstige Kündigungen noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist in den Prozess einführen und sich auf deren Unwirksamkeit berufen (vgl. BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B II 1 b der Gründe; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 85, 262; 21. Januar 1988 - 2 AZR 581/86 - zu B II 2 ff. der Gründe, BAGE 57, 231). Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 KSchG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Arbeitnehmer dabei nach Kenntnis von einer weiteren Kündigung gehalten, diese nunmehr eigens in den Prozess einzuführen und unter entsprechender Einschränkung des allgemeinen Feststellungsantrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO einen dem Wortlaut des § 4 KSchG angepassten Antrag zu stellen. Diese Modifikation kann er aufgrund der durch den allgemeinen Feststellungsantrag offengehaltenen Möglichkeit eines Angriffs noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vornehmen (BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b und c der Gründe aaO). Voraussetzung ist, dass der allgemeine Feststellungsantrag in die Berufungsinstanz gelangt.

34

(4) Im Streitfall braucht nicht entschieden zu werden, ob an dieser Rechtsprechung nach der Novellierung des Kündigungsschutzgesetzes durch das Arbeitsmarktreformgesetz vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) insoweit festgehalten werden kann, als sie die Möglichkeit eröffnet, auch Kündigungen, die schon bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochen worden sind, erstmals im zweiten Rechtszug in den Prozess einzuführen (befürwortend HaKo-Gallner KSchR 4. Aufl. § 4 Rn. 52; Spinner in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 4 Rn. 105 ff., § 6 Rn. 14; Lingemann/Groneberg NJW 2013, 2809 f.; ablehnend v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 15. Aufl. § 4 Rn. 127 ff.; Bayreuther ZfA 2005, 391; zur Wahrung der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG durch einen allgemeinen Feststellungsantrag vgl. BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 26). Ein innerhalb von drei Wochen nach Zugang der (weiteren) Kündigung erhobener Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, mit dem der Arbeitnehmer die Wirksamkeit jeglichen Auflösungstatbestands negiert, wahrt auch nach neuer Rechtslage in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG jedenfalls dann die Frist des § 4 Satz 1 KSchG für eine erst nach deren Ablauf in den Prozess eingeführte Kündigung, wenn sich der Arbeitnehmer - wie hier - auf die Unwirksamkeit der weiteren Kündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz berufen und einen auf sie bezogenen, dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG angepassten Antrag gestellt hat. Auch die weitere Frage, ob es der Anpassung zwingend bedurfte, kann damit im Streitfall dahinstehen.

35

(a) § 6 KSchG zielt auch in seiner neuen Fassung darauf ab, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren. Die Frist des § 4 Satz 1 KSchG soll nicht nur durch eine punktuelle Feststellungsklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung, sondern auch dadurch eingehalten werden können, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Frist auf anderem Wege geltend macht, eine wirksame Kündigung liege nicht vor. Trotz seiner (zu) engen Formulierung ist § 6 KSchG weiterhin nicht nur auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe anzuwenden. Die Neufassung des § 6 KSchG sollte der bisherigen Regelung entsprechen und lediglich auf die Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Bedacht nehmen(BT-Drucks. 15/1509, 15/1204 S. 13; BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24 mwN). Eine entsprechende Anwendung von § 6 KSchG kommt deshalb - wie schon vor der Gesetzesnovelle - in Betracht, wenn etwa der Arbeitnehmer mit einer Leistungsklage Lohnansprüche oder Weiterbeschäftigung für die Zeit nach Zugang der Kündigung bzw. Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 23; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 23).

36

(b) Ist damit der Regelungszweck des § 6 Satz 1 KSchG unverändert geblieben, ist die Bestimmung auf eine allgemeine Feststellungsklage, mit der sich der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gegen solche Beendigungstatbestände wendet, die von einem bereits gestellten punktuellen Antrag nicht erfasst sind, weiterhin entsprechend anzuwenden. Das durch § 4 Satz 1, § 7 KSchG geschützte Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird in diesen Fällen durch die „Verlängerung“ der Anrufungsfrist nicht stärker berührt als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 KSchG.

37

(5) Diese Erwägungen gelten - entgegen der Auffassung der Revision - gleichermaßen für Kündigungen, die dem Arbeitnehmer schon vor Klageerhebung zugegangen sind. Ein sachlicher Grund, bezüglich ihrer an die Klageanträge des Arbeitnehmers andere Anforderungen zu stellen als bezüglich solcher Kündigungen, die erst während des Rechtsstreits erklärt wurden, ist nicht erkennbar. Die Frage, ob über den Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt wird, ist auch in diesem Fall danach zu beantworten, ob er innerhalb der Frist gestellt worden ist.

38

(6) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt.

39

(a) Das Landesarbeitsgericht hat den in der Klageschrift vom 14. Oktober 2010 enthaltenen Antrag zu 1. hinsichtlich seines letzten Halbsatzes zutreffend als einen selbständigen Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO verstanden, mit dem die Klägerin sich gegen jegliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewehrt hat. Zwar hat diese ihr betreffendes Begehren weder vollständig ausformuliert noch als gesonderten Antrag vom Kündigungsschutzantrag abgesetzt. Gleichwohl stellte - für die Beklagte erkennbar - der fragliche Halbsatz „… sondern unverändert fortbesteht“ nicht nur einen floskelhaften, unselbständigen Annex zum Kündigungsschutzantrag dar (zur Abgrenzung BAG 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B II 2 der Gründe; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 4 der Gründe, BAGE 85, 262). Das ergibt sich unzweifelhaft aus der Klagebegründung, die zur Auslegung der Anträge ergänzend heranzuziehen ist. Dort hat die Klägerin ausgeführt, mit dem letzten Halbsatz ihres Antrags zu 1. eine „allgemeine Feststellungsklage“ erheben zu wollen. Sie könne nicht ausschließen, dass die Beklagte sich auf weitere Beendigungstatbestände berufen werde. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich ihr Begehren nur auf Beendigungstatbestände beziehen sollte, die nach Anhängigkeit der Kündigungsschutzklage entstanden wären.

40

(b) Unerheblich ist, ob die Ausführungen in der Klageschrift zur Darlegung eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ausreichten. Selbst wenn der Antrag anfänglich unzulässig gewesen sein sollte, hat er der Beklagten vor Augen geführt, dass die Klägerin sich gegen jeglichen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses wenden will. Insbesondere musste die Beklagte erkennen, dass die Klägerin die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 6. Oktober 2010 nicht hinnehmen wollte, zumal andernfalls ihr gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. März 2011 gerichteter Antrag keinen Sinn ergäbe.

41

(c) Ob die Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 iVm. § 6 KSchG nicht auch durch den anfänglich erhobenen Weiterbeschäftigungsantrag gewahrt ist, kann offenbleiben.

42

2. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die fristlose Kündigung vom 6. Oktober 2010 sei mangels wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam.

43

a) Der Senat ist nicht gehindert, das Berufungsurteil auf mögliche Rechtsfehler im Rahmen der Ausführungen zu § 626 BGB zu überprüfen, obwohl die Beklagte diesbezüglich keine Rüge erhoben hat. Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

44

b) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falls und bei der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 13; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13).

45

c) Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 16; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

46

d) Die angegriffene Entscheidung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

47

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege deshalb nicht vor, weil sich die Beklagte zu deren Rechtfertigung auf eine strafrechtlich relevante Pflichtverletzung der Klägerin berufen habe, die tatbestandlichen Voraussetzungen des einschlägigen § 263 StGB aber nicht erfüllt seien. Dies hat es damit begründet, dass der Ehemann der Klägerin an keine festen Arbeitszeiten gebunden gewesen sei und er deshalb durch das Vortäuschen von Anwesenheitszeiten keinen Vermögensvorteil auf Kosten der Beklagten habe erlangen können.

48

bb) Damit hat das Landesarbeitsgericht übersehen, dass es für die materiell-rechtliche Bewertung, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, nicht auf den subjektiven Standpunkt des Kündigenden und dessen Ansicht über eine mögliche Strafbarkeit des missbilligten Verhaltens ankommt(vgl. BAG 17. Februar 2000 - 2 AZR 927/98 - zu II 2 b der Gründe; 2. Juni 1960 - 2 AZR 91/58 - BAGE 9, 263; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. 2010 Rn. 550). Entscheidend ist der objektive Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und das Gewicht eines mit ihm verbundenen Vertrauensbruchs (st. Rspr., BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 15; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 18). Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG dem Betriebsrat gegenüber eine bestimmte strafrechtliche Bewertung des Verhaltens vorgenommen hat. Entscheidend ist auch dann der der Kündigung zugrunde liegende Lebenssachverhalt. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hinreichend unterrichtet, kommt es auf seine rechtliche Einordnung des Verhaltens nicht an (BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 44, BAGE 137, 164; BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 36).

49

(1) Zwar kann es Fälle geben, in denen der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss untrennbar mit einem Werturteil verknüpft, das etwa mit einer strafgerichtlichen Verurteilung des Arbeitnehmers verbunden ist (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 25; 29. Juli 1993 - 2 AZR 90/93 - zu II 1 c cc der Gründe). Macht er seinen Kündigungsentschluss auf diese Weise unmittelbar vom Nachweis einer Straftat abhängig, sind die Gerichte hieran gebunden. Für eine solche Abhängigkeit bedarf es aber besonderer Anhaltspunkte.

50

(2) Daran fehlt es hier. Die Beklagte mag der Auffassung gewesen sein, die Klägerin habe sich an einem (versuchten) „Arbeitszeitbetrug“ ihres Ehemanns beteiligt und insoweit strafbar gemacht. Sie hat darauf durchgängig - im Kündigungsschreiben, bei der Anhörung des Betriebsrats und im Prozess - abgestellt. Das rechtfertigt dennoch nicht den Schluss, sie habe die mit der Kündigung angestrebte Auflösung des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen wollen, dass sich ein Betrugsvorwurf im strafrechtlichen Sinne bestätige. Näher liegt die Annahme, sie habe mit der Betonung der Strafbarkeit das Gewicht der Pflichtverletzung verdeutlichen wollen. Dem entspräche es, dass das Berufungsurteil Feststellungen dazu, ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden oder Strafgerichte abgewartet hat, nicht enthält. Auch Feststellungen dazu, ob die Beklagte gegen die Klägerin und ihren Ehemann zumindest Strafanzeige erstattete, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

51

cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch weitere relevante Aspekte nicht widerspruchsfrei berücksichtigt. Es hat seine Auffassung, der Ehemann der Klägerin habe sich durch sein Verhalten keinen Vermögensvorteil verschaffen können, damit begründet, dass er an feste Arbeitszeiten nicht gebunden gewesen sei. Daraus kann nicht gefolgert werden, der Ehemann der Klägerin habe Arbeitszeiten vorspiegeln dürfen, die er in Wirklichkeit nicht geleistet hat. Im Übrigen ist weder festgestellt, dass er tatsächlich jeglicher Bindung an Arbeitszeiten enthoben gewesen wäre und seine Vergütung unabhängig vom Umfang seiner tatsächlichen Arbeitsleistungen erhalten hätte, noch steht fest, welche Arbeitsleistungen er im fraglichen Zeitraum erbracht hat. Ohne solche Feststellungen wiederum fehlt es für die Annahme des Landesarbeitsgerichts an einer tragfähigen Grundlage. Im Übrigen kann ein wirtschaftlicher Vorteil auch in der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses als solcher liegen. Die Klägerin selbst geht davon aus, dass die Beklagte durch die falsche Dokumentation der Anwesenheitszeiten davon abgehalten werden sollte, arbeitsrechtliche Konsequenzen zum Nachteil ihres Ehemanns zu ziehen.

52

II. Das anzufechtende Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dass die Kündigung wegen Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB oder mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam wäre, kann derzeit nicht angenommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, wann das Kündigungsschreiben vom 6. Oktober 2010 der Klägerin zugegangen ist. Das gleiche gilt mit Blick auf die Anforderungen des § 102 Abs. 1 BetrVG.

53

III. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird Feststellungen zur Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB und zur Korrektheit der Betriebsratsanhörung nachzuholen haben. Falls es darauf ankommt, wird es die materielle Rechtfertigung der fristlosen Kündigung nach Maßgabe von § 626 Abs. 1 BGB erneut prüfen müssen. Dafür gibt der Senat folgende Hinweise:

54

1. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, kommt als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Frage. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer „Stempeluhr“ ebenso wie für das vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Mitarbeiter vertrauen können. Dies gilt erst recht, wenn diese nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sind. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer entsprechende Formulare vorsätzlich falsch aus, liegt darin in aller Regel ein schwerer Vertrauensmissbrauch. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14). Darauf, ob dem Arbeitgeber durch das Verhalten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist oder das Verhalten des Arbeitnehmers auf andere - nicht wirtschaftliche - Vorteile ausgerichtet war, kommt es grundsätzlich nicht an.

55

2. Ein die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigender Grund kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer für einen Kollegen Kontrolleinrichtungen betätigt und dadurch den Arbeitgeber über dessen Anwesenheit am Arbeitsplatz täuscht (23. Januar 1963 - 2 AZR 278/62 - BAGE 14, 42).

56

3. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin ihre Arbeitspflichten erheblich verletzt. Sie hat bewusst und willentlich über die tatsächliche Arbeitszeit ihres Ehemanns getäuscht und zu diesem Zweck falsche Anwesenheitszeiten dokumentiert.

57

4. Das Landesarbeitsgericht, dem insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt, wird auf dieser Grundlage zu prüfen und zu bewerten haben, ob in dem Verhalten der Klägerin auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der beiderseitigen Interessen ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gesehen werden kann. Die dafür relevanten Umstände sind noch nicht festgestellt. Insbesondere ist nicht erkennbar, was es mit der vom Landesarbeitsgericht angenommenen besonderen Belastungssituation des - seinerzeit gesundheitlich möglicherweise angeschlagenen - Ehemanns der Klägerin im Einzelnen auf sich hat und inwieweit diese Situation zu deren Fehlverhalten beigetragen hat.

58

IV. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt das Berufungsurteil auch insoweit, wie das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten hinsichtlich der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 6. Oktober 2010 zurückgewiesen hat. Die Entscheidung über den betreffenden Kündigungsschutzantrag der Klägerin hängt davon ab, ob sich die fristlose Kündigung im Rahmen der erneuten Sachprüfung als unwirksam erweist. Sollte das Landesarbeitsgericht zu diesem Ergebnis gelangen, wird es berücksichtigen müssen, dass seine Begründung das bisherige Ergebnis nicht trägt. Es durfte seine Annahme, die ordentliche Kündigung vom 6. Oktober 2010 sei sozial ungerechtfertigt, nicht darauf stützen, das Verhalten des Ehemanns der Klägerin sei nicht gemäß § 263 StGB strafbar gewesen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. September 2010 - 9 Sa 343/10 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den beklagten Insolvenzverwalter.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1981 bei der R GmbH, der Insolvenzschuldnerin, zunächst in G und Gr und ab dem 1. Mai 2007 in P anfänglich als Werksleiter und ab 1. Januar 2009 als Leiter des Fachbereichs Logistik und stellvertretender Werksleiter zu einer Bruttomonatsvergütung von 7.250,00 Euro beschäftigt.

3

Die Insolvenzschuldnerin stellte komplexe, bis zu 24-lagige Leiterplatten her. Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin waren die B Ltd., die Bl SARL (Luxembourg) sowie die C plc. Das Betriebsgrundstück in P stand im Eigentum der Insolvenzschuldnerin, während ein Großteil der Maschinen und sonstigen Einrichtungen geleast waren. Leasinggeber war die K GmbH bzw. die später mit dieser verschmolzene E mbH (E GmbH). Geschäftsführer und Mitgesellschafter der E GmbH ist Z.

4

Die Insolvenzschuldnerin beantragte unter dem 3. Februar 2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde daraufhin zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Zum Zwecke der Veräußerung der Betriebe der Insolvenzschuldnerin leitete der Beklagte Ende Februar 2009 ein internationales Bieterverfahren in die Wege, mit dem ein Bankhaus beauftragt wurde. Dazu wurden ua. Broschüren an potentielle Interessenten versandt. Diese waren aufgefordert, bis zum 15. April 2009 ein Angebot abzugeben. Nachdem nur zwei Angebote abgegeben worden waren, die jedoch als inakzeptabel erachtet wurden, beschlossen die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin unter Mitwirkung des Beklagten am 14. April 2009 die Schließung der Betriebe mit Ablauf des 30. April 2009.

5

Auf einer Versammlung am 16. April 2009 wurden die Mitarbeiter beider Betriebe über die geplanten Betriebsschließungen unterrichtet.

6

Mit Schreiben vom 21. April 2009 stellte der Beklagte den Kläger mit Ablauf des 30. April 2009 von der „weiteren Mitarbeit“ frei. Der Beklagte zeigte unter dem 26. April 2010 gegenüber dem Amtsgericht Kl die Masseunzulänglichkeit an.

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts Kl vom 1. Mai 2009 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der R GmbH bestellt. Am 6. Mai 2009 fand eine Sitzung des Gläubigerausschusses statt. Im Sitzungsprotokoll ist ua. festgehalten:

        

„Der Insolvenzverwalter unterrichtet den Gläubigerausschuss darüber, dass aufgrund der rapide weggebrochenen Auftragseingänge und des desaströsen Ergebnisses der Investorensuche der Beschluss zur Einstellung des Betriebsbetriebes gefasst wurde. In Umsetzung dieses Beschlusses sind über 50 % der Mitarbeiter bereits freigestellt worden. Nach Abschluss des entsprechenden Interessenausgleiches und Sozialplanes wird der Unterzeichner sämtlichen Mitarbeitern kündigen und das Unternehmen im Rahmen einer Ausproduktion bis August 2009 fortführen. Auf Grundlage der vorgestellten Liquiditätsplanung ist die Fortführung für diesen Zeitraum sichergestellt.“

8

Unter dem 8./13. Mai 2009 vereinbarten der Beklagte und die Betriebsräte G und P sowie der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser lautet auszugsweise:

        

III. 

        

Es besteht keine Möglichkeit den Geschäftsbetrieb über den 30.04.2009 weiterzuführen. Eine übertragende Sanierung kommt in Ermangelung von Interessenten nicht in Betracht.

        

Vor diesem Hintergrund wurde am 15.04.2009 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin am 30.04.2009 endgültig und auf Dauer einzustellen. Von dieser Entscheidung wurden die Betriebsräte am folgenden Tag in Kenntnis gesetzt.

        

Betriebseinstellung heißt, dass nur solche bestehenden Aufträge abgearbeitet werden, die spätestens mit dem Ablauf der letzten Kündigungsfrist und mit dem sich bis dahin aufgrund unterschiedlich langer Kündigungsfristen ständig reduzierenden Personal noch abgearbeitet werden können. Zur Erhaltung/Mehrung der Insolvenzmasse und Auslastung des Betriebs in der Zeit bis zum Auslauf der Kündigungsfristen der Mitarbeiter vereinbaren beide Parteien, dass nach dieser Maßgabe Neuaufträge angenommen und abgearbeitet werden können, soweit sie noch innerhalb der laufenden Kündigungsfristen der Mitarbeiter abgeschlossen werden können.

        

…       

        

Die Einstellung des Betriebs ist Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs und des Sozialplans. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass bei einer eventuellen Fortführung des Unternehmens neu zu verhandeln ist.

                 
        

IV.     

        

…       

        

Die von Kündigungen und Entlassungen betroffenen Mitarbeiter ergeben sich aus der als Anlage dieser Vereinbarung beigefügten Liste. Diese Liste ist keine Namensliste im Sinne der §§ 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 125 InsO, die mit der vorliegenden Vereinbarung bei Unterzeichnung fest verbunden ist. Diese feste Verbindung bestätigen sich die Parteien mit Unterschrift gegenseitig. Die Liste dient ausschließlich dem Nachweis der ordnungsgemäßen Anhörung nach § 102 BetrVG.“

9

Gleichzeitig wurden Sozialpläne für beide Betriebe vereinbart.

10

Am 14. Mai 2009 erstattete der Beklagte der für die Betriebe in G und P zuständigen Agentur für Arbeit W Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG. Mit Bescheid vom 28. Mai 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit W den Eingang der Anzeige und setzte den Ablauf der Sperrfrist auf den 14. Juni 2009 fest.

11

Mit Schreiben vom 15. Mai 2009, dem Kläger am 16. Mai 2009 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2009 „aus betriebsbedingten Gründen“. Sofern nicht noch behördliche Zulässigkeitserklärungen notwendig waren, wurde auch allen übrigen Mitarbeitern gekündigt.

12

Während etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer bereits freigestellt war, erfolgte mit den übrigen - jedenfalls für Aufträge, die bis Ende August 2009 erledigt werden konnten - die weitere Produktion. Für den Betrieb in G beschloss der Beklagte später, die Ausproduktion bis zum 18. Dezember 2009 zu verlängern. Er beschäftigte dort solche Arbeitnehmer weiter, die im Rahmen von Abwicklungsvereinbarungen die Kündigung mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist akzeptierten.

13

Am 14. August 2009 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts S die Umfirmierung der KLGmbH in LP P GmbH (im Folgenden: LPP) eingetragen. Der Geschäftsgegenstand wurde in: „Die Produktion und der Vertrieb von elektrischen, elektronischen, elektromechanischen, optoelektronischen und technischen Bauelementen und Geräten und die Ausführung aller Geschäfte, die damit im Zusammenhang stehen“ geändert. Geschäftsführer der LPP wurde zunächst Z. Muttergesellschaft der LPP ist die E GmbH.

14

Im Zeitraum Februar bis Mai 2009 besuchte Z mehrfach den Betrieb in P und erfragte hierbei Auftragsstände, Umsätze und Kosten. Auch führte er mit dem Beklagten Gespräche. Im August 2009 wurde den Arbeitnehmern in P seitens Herrn Z angeboten, für den Zeitraum ab dem 1. September 2009 neue Arbeitsverträge abzuschließen.

15

Seit dem 1. September 2009 führt die LPP den Betrieb zur Herstellung von Leiterplatten in P. Sie hatte das Betriebsgrundstück und die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel erworben. Von den Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin beschäftigte die LPP jedenfalls etwas weniger als die Hälfte weiter. Den Betrieb in G führt die R I GmbH fort.

16

In einer Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 heißt es unter der Überschrift „R geht nach dramatischen Wochen gestärkt aus der Insolvenz hervor“ ua.:

        

„Durch seine hervorragende Reputation gelang es R selbst in der Insolvenz in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners. Ende Juli konnte für das Werk P mit dem früheren R-Eigentümer Z eine Zukunftslösung gefunden werden.“

17

Für das Betriebsgrundstück in P wurde am 15. Oktober 2009 die Eintragung einer „Erwerbsvormerkung“ zugunsten der LP P GmbH in das Grundbuch mit „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/01.09.2009“ vorgenommen.

18

Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 bestätigte die Firma A GmbH die für den Beklagten vorgenommene Verwertung zweier Gabelstapler, dreier Filterpressen, dreier Kolbenmembranpumpen, eines Systronic Ofens und eines Multilayer-Pressezentrums im Gesamtwert von 31.500,00 Euro.

19

Der Kläger behauptet, es habe zum Zeitpunkt des Ausspruches der streitgegenständlichen Kündigung keinen endgültigen Betriebsstilllegungsbeschluss gegeben. Als ihm die Kündigung zugegangen sei, habe der Beklagte in Verhandlungen einerseits mit Z, dem Geschäftsführer der LPP, und andererseits mit den Geschäftsführern der Firmengruppe Pr, Ro und E Pr, gestanden. Der Beklagte habe nur vorsorglich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen gekündigt. Dies ergebe sich schon daraus, dass Z von Februar bis Mai 2009 mehrmals den Betrieb P besucht habe. Persönlich habe dieser dem Kläger sinngemäß gesagt, dass er zwar keine große Lust für eine Übernahme habe, aber eine Stilllegungsentscheidung verhindern wolle. Dessen Besuche im Betrieb in P seien ohne Einverständnis des Beklagten kaum vorstellbar. Die Motivation des Z ergebe sich ohne Weiteres aus den abgeschlossenen Leasingverträgen, die niemals gekündigt worden seien. Auch aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich, dass er mit Z verhandelt habe. Dabei habe der Beklagte nicht angegeben, wann dies geschehen sei. Bereits am 21. Juli 2009 sei eine Auflassungsvormerkung für die LPP im Grundbuch eingetragen worden, wobei der Notar auf Nachfrage angegeben habe, dass der Kaufvertrag etliche Zeit vor dem 21. Juli 2009 geschlossen worden sei. Seit dem 1. September 2009 produziere die LPP mit den verbliebenen Mitarbeitern unverändert mit denselben Betriebsmitteln in P. Dass der Beklagte nicht von einer Stilllegung ausgegangen sei, ergebe sich auch daraus, dass alle für die Produktion notwendigen Rohstoffe und Betriebsmittel auch nach dem 1. September 2009 in ausreichender Menge vorhanden gewesen seien, was nur durch entsprechende Vorkehrungen des Beklagten erklärt werden könne. Auch Aufträge seien ab dem 1. September 2009 ausreichend vorhanden gewesen.

20

Im Übrigen hält der Kläger die Kündigung auch nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB für unwirksam.

21

Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem Beklagten nicht durch die Kündigung vom 15. Mai 2009 - dem Kläger zugegangen am 16. Mai 2009 - zum 31. August 2009 aufgelöst wird.

22

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

23

Er behauptet, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches seien keine Verhandlungen über eine Weiterführung des Betriebes in P geführt worden. Vielmehr sei er von der Betriebsstilllegung und Ausproduktion - mit etwas weniger als 50 % der Arbeitnehmer - bis 31. August 2009 ausgegangen, da die Suche nach Investoren erfolglos verlaufen sei. Die Stilllegung sei beschlossen worden, weil die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 bei einem Umsatz von über 104 Mio. Euro einen Verlust von mehr als 7 Mio. Euro ausgewiesen habe, der im Wesentlichen durch das Werk in P verursacht worden sei. Eine kostendeckende Produktion sei für die Zukunft nicht abzusehen gewesen. Die Stilllegungsentscheidung habe auch greifbare Formen angenommen gehabt. So sei ein Interessenausgleich abgeschlossen und die Massenentlassungsanzeige erstattet worden. Auch sei allen Arbeitnehmern gekündigt und dies auf Betriebsversammlungen ausreichend kommuniziert worden. Neue Aufträge bzw. Abrufe seien nur dann angenommen worden, wenn diese bis zum 31. August 2009 hätten erledigt werden können. In der Branche der Insolvenzschuldnerin sei es typisch, dass Kunden im Wege eines „letter of intent“ Größenordnungen für jährliche Abrufe ankündigen, verbindliche Abrufe aber erst etwa einen Monat bis eine Woche vor dem Produktionsmonat erfolgen. Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Beklagte hätten daher keine Aufträge abzulehnen oder zu kündigen brauchen. Den Kunden sei mitgeteilt worden, dass nur bis zum 31. August 2009 produziert werde. Für die Zeit nach dem 31. August 2009 seien keine Produktionszusagen gegeben worden. Auch habe der Beklagte die Firma A beauftragt, für vorhandene Betriebsmittel, soweit diese nicht mit Sicherungsmitteln belastet oder für die Ausproduktion benötigt würden, Interessenten zu finden. Dass Maschinen veräußert worden seien, ergebe sich aus dem Schreiben der Firma A vom 26. Januar 2010. Wenn Z in P erschienen sei, so sei dies geschehen, um seine Sicherheiten zu prüfen. Jedenfalls habe dieser ihm keine Überlegungen zu einer Betriebsübernahme mitgeteilt. Bl habe sich erstmals im Juli 2009 mit der Frage eines Erwerbs der Betriebsstätte G befasst und im Wege eines „letter of intent“ grundsätzliches Interesse am Standort G mit den bisherigen Produktionsmitteln geäußert. Die von Bl gestellten Bedingungen seien aber zunächst nicht erfüllt worden, so dass das Geschäft „geplatzt“ sei. Da aber Kunden der Einstieg eines Investors schon signalisiert worden sei, habe man die Ausproduktion in G bis 18. Dezember 2009 verlängert. Weitere Verhandlungen mit Bl hätten dann dazu geführt, dass Bl am 14. September 2009 entschieden habe, die im Rahmen der Verhandlungen gestellten Bedingungen als erfüllt anzusehen. Die Muttergesellschaft der LPP, die E GmbH, habe erst im August 2009 angeboten, das Betriebsgrundstück in P und die Betriebseinrichtungen zu erwerben. Nach Zustimmung durch die Gläubigerversammlung am 27. August 2009 sei der Kaufvertrag am 1. September 2009 zustande gekommen. Entscheidend sei, dass eine nachträgliche Entwicklung ohnehin unbeachtlich sei, da es allein auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruches ankomme.

24

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Beklagtenvertreter auf die Frage, wie sich das Datum 21. Juli 2009 in der Grundbucheintragung zur Vormerkung erklären lasse, ausgeführt, dass es womöglich am 21. Juli 2009 bereits ein Angebot gegeben habe. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben habe.

25

Erstmals in der Revisionsbegründung trägt der Beklagte vor, dass ein Angebot der E GmbH bzw. der LPP erstmalig am 21. Juli 2009 in notariell beglaubigter Form erfolgt sei.

26

Mit Teilurteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst wird. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

27

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die von ihm zum 31. August 2009 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst.

28

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die streitgegenständliche Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehöre die Stilllegung des gesamten Betriebes. Von einer Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers sei auszugehen, wenn dieser seine Absicht unmissverständlich äußere, allen Arbeitnehmern kündige, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöse, die Betriebsmittel, über die er verfügen könne, veräußere und die Betriebstätigkeit vollständig einstelle. Die betreffenden betrieblichen Umstände müssten greifbare Formen angenommen haben. Keine Stilllegungsabsicht liege vor, wenn der Betrieb veräußert werden solle. Das Bundesarbeitsgericht habe in der alsbaldigen Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht gesehen.

29

Unter Beachtung dieser Maßstäbe stehe zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernstlichen und endgültigen Entschluss gefasst gehabt habe, den Betrieb in P stillzulegen. Für einen solchen Entschluss spreche zwar der Gesellschafterbeschluss - obwohl in diesem von einer Stilllegung zum 30. April 2009 die Rede sei -, der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans sowie die Kündigung aller Mitarbeiter. Gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht spreche jedoch die nahtlose Fortführung des Betriebes durch die LPP und dass es zu einer Stilllegung nicht gekommen sei. Deshalb hätte es des Vortrags weiterer Indizien durch den Beklagten bedurft, um darzulegen, dass er bereits zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ernsthaft und endgültig die Stilllegung beabsichtigt habe. Wenn eine prognostizierte Betriebsstilllegung nicht eingetreten sei, habe dies Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe dann konkret darzulegen, welche Maßnahmen er zunächst wann vorgenommen habe, um seine Entscheidung umzusetzen. Er habe im Einzelnen vorzutragen, wann welche nicht vorhergesehene Entwicklung stattgefunden habe. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte bereits bei Zugang der Kündigung ein Angebot der LPP angenommen gehabt habe, da auch ernsthafte Vertragsverhandlungen einen endgültigen und ernsthaften Stilllegungsbeschluss ausschließen würden.

30

Der Beklagte habe nicht vorgetragen, welche konkreten Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Vertragsbeziehungen zu Dritten (Miet-, Leasingverträge oder Verträge mit Energieversorgern oder Rohstofflieferanten) zu regeln. Der bloße Vortrag, den Kunden sei das Auslaufen der Produktion mitgeteilt worden, sei zu pauschal, um nachvollziehbar zu machen, weshalb Kunden davon ausgehen mussten, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009 stattfinden. Unklar bleibe, warum Kunden auch Bestellungen bzw. Abrufungen für die Zeit nach dem 31. August 2009 in Aussicht gestellt hätten, wenn ihnen doch erklärt worden sein solle, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009 erfolgen. Auch zu Rohstofflieferanten fehle jeder Vortrag, was aber angesichts der Fortführung der Produktion am 1. September 2009 notwendig gewesen wäre. Nicht vorgetragen sei, wie es der Beklagte sichergestellt habe, einerseits genügend Rohstoffe für die Ausproduktion zu haben und andererseits unnötige Rohstoffmengen zu vermeiden. Insoweit hätte er vortragen müssen, ob und gegebenenfalls welche Vereinbarungen es mit der LPP gegeben habe. Der Vortrag zur Veräußerung von Betriebsmitteln durch die Firma A sei zu pauschal. Es sei schon nicht erkennbar, ob Betriebsmittel aus G oder P veräußert worden seien. Auch der Zeitpunkt der Beauftragung der Firma A sei unklar. Insbesondere fehle ein Vortrag, wann und aufgrund wessen Initiative es zu konkreten Verhandlungen mit der LPP gekommen sei. Zwar sprechen sowohl die Pressemitteilung als auch der Zeitpunkt der Grundbucheintragung für Gespräche zumindest im Juli 2009. Es wäre aber Sache des Beklagten gewesen, den Ablauf der Kontaktaufnahme sowie den Verhandlungsablauf darzustellen, damit ausgeschlossen werden könne, dass zum Zeitpunkt der Kündigung mögliche Vertragsverhandlungen mit der LPP vorbehalten waren. Schließlich genüge auch der Vortrag zur Freistellung von Mitarbeitern und zur Durchführung des Bieterverfahrens nicht, um von einer endgültigen Stilllegungsabsicht ausgehen zu können.

31

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

32

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

33

I. Der Beklagte ist passivlegitimiert, und zwar unabhängig davon, ob nach Ausspruch der Kündigung und der fristgerechten Erhebung einer Kündigungsschutzklage ein Betriebsübergang stattgefunden hat oder nicht. Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, ist für die gerichtliche Klärung der Wirksamkeit der Kündigung auch nach einem Betriebsübergang passivlegitimiert (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210).

34

II. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Sie ist damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Das Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einer Kündigung des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO zu beachten, wenn es - wie vorliegend - nach seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet(vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - AP BGB § 613a Nr. 324).

35

1. Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) durch das Landesarbeitsgericht handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist(st. Rspr., vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51).

36

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.

37

a) Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können(st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist aber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen (vgl. BAG 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74). Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156). An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht (vgl. BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber sich im Zeitpunkt der Kündigung noch um neue Aufträge bemüht (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51; 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - aaO).

38

Auch ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, dh. die Stilllegung, gegeben sein. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (vgl. BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125).

39

Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich nach diesen Grundsätzen demnach systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20).

40

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ist der des Kündigungszugangs (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164). Dies schließt es nicht aus, dass - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Verläuft die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, ist es gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 280). Die im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf entfallen, wird so bestätigt (vgl. BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139). Umgekehrt spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53).

41

Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substanziiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substanziiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten (BAG 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 38). Der Umfang der Darlegungslast hängt dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlässt (vgl. BAG 17. Oktober 1980 - 7 AZR 675/78 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 15). Trägt der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen war, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und kommt es zu einer alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant war (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 279).

42

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte entgegen der ihn treffenden Darlegungslast keine ausreichenden Umstände für die Annahme vorgetragen hat, bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung sei zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches davon auszugehen gewesen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers werde mit Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr möglich sein.

43

Die gemäß § 286 Abs. 1 ZPO gewonnene Überzeugung des Tatsachengerichts, ob die vom Beklagten vorgetragenen und vom Kläger bestrittenen Tatsachen den Schluss auf einen endgültigen und ernsthaften Entschluss zur Betriebsstilllegung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung rechtfertigen, ist nur beschränkt revisibel(vgl. oben B II 1).

44

Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für einen ernsthaften und endgültigen Beschluss, den Betrieb in P stillzulegen, zunächst der Gesellschafterbeschluss vom 14. April 2009 spricht. Gleiches gilt auch für die Information des Gläubigerausschusses durch den Beklagten am 6. Mai 2009. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter berücksichtigt, dass der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans und die Massenentlassungsanzeige für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprechen. Dies macht aber nicht entbehrlich, die weiteren Umstände zu würdigen, die - wie die alsbaldige Wiedereröffnung bzw. Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch einen Betriebserwerber - gegen einen ernsthaften, endgültigen Stilllegungsentschluss sprechen. Die Prüfung, ob nach Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Kündigung die im Zusammenhang mit der behaupteten Stilllegungsabsicht getroffenen Maßnahmen bereits „greifbare Formen“ angenommen hatten, die ihrerseits wiederum einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsentschlusses zulassen, obliegt zuvörderst dem Tatsachengericht.

45

Angesichts der Veräußerung des Betriebsgrundstückes und materieller Betriebsmittel an die LPP sowie der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch diese in P ab 1. September 2009 begegnet die Würdigung der weiteren Umstände durch das Landesarbeitsgericht keinen Bedenken. Die Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber begründet eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53). Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Betriebsübergang innerhalb der Kündigungsfrist stattfindet. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 1984 (- 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13 = AP BGB § 613a Nr. 39 = EzA BGB § 613a Nr. 40) steht dem nicht entgegen. Zwar könnte ein solcher Bezug zur Kündigungsfrist aus dem Leitsatz Nr. 3c hergeleitet werden. Ein solcher ergibt sich aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht. Vielmehr heißt es dort, dass bei alsbaldiger Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht. Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht sei nur dann gegeben, wenn ein Betriebsübergang noch innerhalb der individuellen Kündigungsfrist stattfindet. Auch in späteren Entscheidungen des Zweiten Senats findet sich keine Einschränkung auf den Zeitraum der Kündigungsfrist (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - aaO; 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Kommt es noch vor dem beabsichtigten oder alsbald nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin zu einer Betriebsfortführung durch einen Betriebserwerber, so spricht die Erfahrung dafür, dass die Verhandlungen bzw. der Abschluss der Rechtsgeschäfte hierfür bereits längere Zeit zuvor stattgefunden haben. Dies rechtfertigt es, an die Betriebsfortführung durch den Unternehmer bzw. einen Erwerber die tatsächliche Vermutung zu knüpfen, zum Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitsverhältnisse habe keine endgültige Stilllegungsabsicht bestanden. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, durch näheren Sachvortrag diese Vermutung zu widerlegen.

46

Ohne Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit setzte die LPP ab dem 1. September 2009 die Produktion von Leiterplatten im Betrieb in P mit den dort vorhandenen Betriebsmitteln fort. Zwar spricht der Inhalt der Grundbucheintragung vom 15. Oktober 2009 „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/ 01.09.2009“ dafür, dass die zur Übertragung des Eigentums notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen vom 21. Juli 2009 bzw. 1. September 2009 - also einem Zeitpunkt nach Zugang der Kündigung - stammen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aber darauf abgestellt, dass auch ernsthafte Veräußerungsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der LPP einer ernsthaften Stilllegungsabsicht entgegenstehen. Erfahrungsgemäß gehen vertraglichen Vereinbarungen bzgl. einer Betriebsübernahme und eines Grunderwerbs, die in die Eintragung einer Auflassungsvormerkung münden, langfristige Vorverhandlungen voraus. Demnach ist die Vermutung gerechtfertigt, solche Verhandlungen seien bereits im Mai 2009, dem Zeitpunkt des Kündigungsausspruches, geführt worden. Dass solche zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) nicht stattfanden, sondern tatsächlich ein endgültiger Stilllegungsentschluss getroffen war, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt.

47

Allein die Entlassung von Arbeitnehmern spricht nicht für eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial gerechtfertigt sind (vgl. BAG 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70). Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. Solche Freistellungen können nämlich in Absprache mit einem Betriebserwerber auch dazu dienen, angepasst an ein bestimmtes Auftragsvolumen nur bestimmte Leistungsträger zu übernehmen. So wie die Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156), so darf auch nicht allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden.

48

Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen kann (vgl. BAG 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 -).

49

Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für eine Stilllegungsabsicht. Dies gilt im Streitfalle vor allem deshalb, weil der Beklagte die Veräußerung der Insolvenzschuldnerin in einem internationalen Bieterverfahren angesichts der unzureichenden Gewinnsituation angestrebt, also zunächst keine Stilllegung der Betriebe in G und P beabsichtigt hatte. Auch das Scheitern des internationalen Bieterverfahrens spricht nicht zwangsläufig für die Ernsthaftigkeit eines anschließenden Stilllegungsentschlusses, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Dass der Wunsch, einen Betrieb zu veräußern, sich nicht im ersten Anlauf verwirklichen lässt, drängt nicht zwingend den Schluss auf, dass der Arbeitgeber nach dem ersten gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige Betriebsstilllegung - beabsichtigt.

50

Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Beklagten, er habe den Kunden mitgeteilt, die Insolvenzschuldnerin produziere bis zum 31. August 2009, nicht für die Annahme hat genügen lassen, die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung greifbare Formen angenommen gehabt.

51

Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 489), weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder Veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Erst recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss. Nach eigenem Sachvortrag hat der Beklagte aber weder gegenüber Kunden, Banken, Lieferanten noch gegenüber dem Leasinggeber Kündigungen ausgesprochen. Dass der Beklagte nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO die Erfüllung von Verträgen abgelehnt hat, wird von ihm ebenfalls nicht konkret behauptet. Er trägt vor, er habe im Hinblick auf die in der Branche übliche Verfahrensweise - die Kunden avisierten mit einem „letter of intent“ ein bestimmtes (jährliches) Abrufvolumen und würden dieses dann kurzfristig vor dem gewünschten Liefertermin abrufen - keine Kündigungen aussprechen müssen und deshalb die Kunden darüber informiert, die Insolvenzschuldnerin werde bis zum 31. August 2009 produzieren. Nicht angegeben hat der Beklagte, wann und wie genau diese Information gegeben worden sein soll. Mit diesem Sachvortrag ist der Beklagte seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da es gerade auf den Zeitpunkt und den Inhalt der Kundeninformation ankommt, wenn daraus auf die Ernsthaftigkeit eines Stilllegungsentschlusses geschlossen werden soll. Hätte der Beklagte die von ihm behauptete Information bspw. erst während laufender Veräußerungsverhandlungen an Kunden gegeben, spräche dies nicht für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss, da damit nur ein Hinweis auf ein Auslaufen der Produktion durch den Beklagten und die künftige Veräußerung des Betriebes verbunden sein könnte. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten bei dem von ihm geschilderten Vertriebsmodell nur mit einer unmissverständlichen Kundeninformation hätte sichergestellt werden können, dass kein Beschäftigungsbedarf über den 31. August 2009 hinaus besteht. Während bei anderen Arbeitgebern das Bemühen um neue Aufträge im Kündigungszeitpunkt einer endgültigen Stilllegungsabsicht entgegensteht, könnte bei dem vom Beklagten geschilderten Vertriebsmodell eine Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer entfallen, dann sichergestellt werden, wenn die Kunden unmissverständlich darüber informiert worden wären, dass Bestellungen und Lieferungen für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung nicht mehr erfolgen können. Dies wird auch am eigenen Sachvortrag des Beklagten zum Betrieb in G deutlich. Dort hatte der Beklagte den Kunden bereits mitgeteilt, ein Investor werde einsteigen, weshalb ein Auftragsvolumen bzw. Abrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 zu verzeichnen waren, welche zunächst eine Verlängerung der Ausproduktion bis in den Dezember 2009 hinein notwendig machten. Eine unmissverständliche Kundeninformation kann dem Vortrag des Beklagten nicht schlüssig entnommen werden. Vielmehr kündigten Kunden der Insolvenzschuldnerin für den Betrieb in P Warenabrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 an bzw. stellten solche in Aussicht. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, dass die LPP für die Zeit nach dem 31. August 2009 ausreichend Aufträge vorfand. Schon diese Umstände sprechen gegen eine unmissverständliche Kundeninformation. Weiter kommt in diesem Zusammenhang dem Inhalt der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 Bedeutung zu. Nach dieser ist es der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten durch die hervorragende Reputation der Insolvenzschuldnerin gelungen, „in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners“. Diese Angaben in der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin stehen im Widerspruch zu den Angaben des Beklagten, er habe nur eine Ausproduktion geplant und die Kunden hierüber informiert. Es wäre deshalb Sache des Beklagten gewesen, konkret anzugeben, wie die behauptete Information der Kunden erfolgt ist und ob sich die in der Pressemitteilung angedeutete werbende Tätigkeit am Markt - „ein neuer Großkunde wurde gewonnen“ - ggf. allein auf den Betrieb in G bezog, weil sich das von beiden Betrieben gefertigte Sortiment ggf. stark unterschied. Die Darlegung des Zeitpunktes und des Inhalts einer Kundeninformation wäre - deren Existenz unterstellt - auch unschwer durch Vorlage von Informationsschreiben möglich gewesen.

52

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, es sei vorbereitet worden, dass pünktlich zum 31. August 2009 die Lieferanten ihre Lieferungen einstellen, weil der Beklagte nicht mehr erfüllen werde, stellt dieser Sachvortrag eine pauschale, nicht überprüfbare Behauptung dar, mit welcher der Beklagte seiner Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht nachgekommen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht daher auch diesen Vortrag nicht genügen lassen, um „greifbare Formen“ der Stilllegung als Indiz für einen endgültigen Stilllegungsentschluss anzunehmen.

53

Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, aus dem Vortrag zur Veräußerung und Verwertung von Betriebsmitteln ergebe sich kein ausreichendes Indiz für eine endgültige, ernsthafte Stilllegungsabsicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zwar vorgetragen, die Firma A habe in seinem Auftrag Betriebsmittel inventarisiert, bewertet und teilweise veräußert. Allerdings ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, dass dies nur Betriebsmittel betraf, die nicht für die Ausproduktion, dh. eine Produktion mit geringerer Auslastung, benötigt wurden. Eine Beauftragung zur Veräußerung von Betriebsmitteln darüber hinaus, dh. insbesondere eine Beauftragung zur Veräußerung aller im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung, behauptet der Beklagte nicht. Vor allem ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, wann die Beauftragung der Firma A erfolgt ist, so dass es auch denkbar wäre, dass die Beauftragung erst erfolgte, als die Betriebsveräußerung an die LPP unmittelbar bevorstand und in Absprache mit dieser vorgenommen wurde. Im Übrigen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Beklagten nur, dass in G schon Vermessungen der Maschinen und Anlagen sowie Gewichtsklärungen zum Abtransport vorgenommen worden sind. Deshalb liegt es nahe, dass sich die vom Beklagten vorgelegte Bestätigung der Firma A auf Betriebsmittel des Betriebes in G bezieht. Daher wäre auch insoweit ein konkreter Sachvortrag, wann die Beauftragung erfolgte und welchen konkreten Inhalt sie hatte, notwendig gewesen, um mit einer etwaig eingeleiteten Veräußerung von Betriebsmitteln ein Indiz für eine beabsichtigte Stilllegung, die bereits greifbare Formen angenommen hatte, zu liefern.

54

Soweit der Beklagte geltend macht, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches habe er keinerlei Veräußerungsverhandlungen geführt und das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag, wonach erst im August 2009 die E GmbH ein Angebot zum Erwerb des Betriebsgrundstücks unterbreitet habe, übergangen, greift diese Rüge nicht durch. Dieser Sachvortrag war nicht geeignet, die gegen eine Stilllegungsabsicht sprechende Vermutung infolge der tatsächlich ab 1. September 2009 erfolgten Betriebsfortführung zu widerlegen. Der Sachvortrag des Beklagten ist schon zeitlich nicht hinreichend konkret. Zudem enthält er keine Ausführungen zu Art, Inhalt und zeitlichem Rahmen der Vertragsverhandlungen. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht auch nicht festgestellt, vor dem 21. Juli 2009 habe es keine Verhandlungen gegeben. Unstreitig ist vielmehr, dass es Gespräche mit Z gegeben hat. Unklar ist, wann genau diese stattfanden und welchen Inhalt sie hatten. Der Sachvortrag, es habe im August 2009 durch die E GmbH ein Angebot gegeben war schließlich durch die Einlassung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht überholt, weshalb sich das Landesarbeitsgericht hiermit nicht näher auseinandersetzen musste. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2010 erklärt, „womöglich habe es am 21.07.2009 bereits ein Angebot gegeben. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben hat“. Mit diesem Vortrag genügte der Beklagte seiner Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht. Zur Widerlegung der gegen die Stilllegungsabsicht sprechenden Vermutung der Betriebsfortführung hätte der Beklagte konkret dartun müssen, wann und auf wessen Initiative, Verhandlungen mit der LPP oder der E GmbH bzw. mit den für diese handelnden Personen stattgefunden hatten. Nur so wäre auszuschließen, dass eine Betriebsveräußerung schon zum Kündigungszeitpunkt ins Auge gefasst war. Soweit der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt, dass ein Angebot der „E bzw. der LPP GmbH erstmalig am 21.07.2009 in notariell beglaubigter Form“ erfolgt ist, welches bis zum 15. September 2009 habe geprüft werden können, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz nicht zu beachtenden neuen Sachvortrag, § 559 Abs. 1 ZPO. Die erhobene Verfahrensrüge nach § 139 Abs. 2 ZPO bleibt demzufolge ohne Erfolg.

55

Auch die übrigen vom Beklagten erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln sind nicht durchgreifend. Insoweit sieht der Senat nach § 564 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG von einer Begründung ab.

56

3. Für den Prüfungsmaßstab und die Darlegungslast des Arbeitgebers ist es unerheblich, ob dem Arbeitnehmer ggf. ein Anspruch auf Wiedereinstellung zusteht, wenn sich die Prognose des Arbeitgebers bezüglich der Betriebsstilllegung als fehlerhaft erweist. Denn der von einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch vermittelte Schutz bleibt hinter dem des Kündigungsschutzgesetzes zurück (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118). Insbesondere trägt der Arbeitnehmer, der einen Wiedereinstellungsanspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98). Auch erlischt ein möglicherweise entstandener Wiedereinstellungsanspruch, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, was der Fall sein kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz schon mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt und damit Dispositionen getroffen hat (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51). Vor allem kommt nach der Rechtsprechung des Senats ein Wiedereinstellungsanspruch bei einem Betriebsübergang nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bei einer insolvenzbedingten Kündigung ohnehin nicht in Betracht (vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 199/04 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 30).

57

III. Da die streitgegenständliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und mithin rechtsunwirksam ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), bedarf es keiner Entscheidung, ob die Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist.

58

C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    Mallmann    

                 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 01. August 2013 - 2 Ca 391/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst ist.

Die Kosten des Rechtsstreits (I. und II. Instanz) trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Der Kläger war seit mehr als sechs Monaten bei der E. B. GmbH beschäftigt. Am 31. August 2012 wurde über das Vermögen der E. B. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Betrieb waren regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung - und erst recht auch danach - hat im Betrieb kein Betriebsrat mehr existiert.

3

Am 21. Februar 2013 schloss der Beklagte mit einem vermeintlich bestehenden, aber nicht mehr existenten Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf den verwiesen wird. Sodann erstattete der Beklagte bei der Agentur für Arbeit in B. am 21. Februar 2013 eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG unter Beifügung dieses Interessenausgleichs.

4

Mit Schreiben vom 22. Februar 2013 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Mai 2013. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Betrieb werde nach seinen Informationen im Zweigwerk Ü. fortgeführt. Der Beklagte müsse seine Bemühungen um einen Investor offenlegen.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst wird, sondern ungekündigt fortbesteht.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat erwidert, das dringende betriebliche Erfordernis für die Kündigung liege in der im Februar 2013 beschlossenen vollständigen und endgültigen Betriebseinstellung zum Ablauf der Kündigungsfristen Ende Mai 2013. Die Gläubigerversammlung habe zunächst beschlossen, dass der Geschäftsbetrieb fortgeführt werden solle. Nachdem sich die Liquiditätssituation aber weiter verschlechtert habe, habe der Gläubigerausschuss ihm am 16. Januar 2013 aufgegeben, noch bis längstens zum 28. Februar 2013 zu versuchen, das Unternehmen an einen Investor zu veräußern. Für den Fall, dass die Übertragung an einen Investor bis Ende Februar 2013 nicht möglich sei, habe der Gläubigerausschuss die Einstellung des Betriebes beschlossen. Zugleich sei er beauftragt worden, unverzüglich die Betriebseinstellung vorzubereiten und dabei zu prüfen, ob über den 28. Februar 2013 hinaus bis zum Ablauf der Kündigungsfristen eine Ausproduktion möglich sei. Nachdem in der zweiten Februarhälfte kein Investor ein Angebot für den Erwerb des Unternehmens abgegeben habe und auch kein Investor in Sicht gewesen sei, habe er zur Umsetzung der Beschlüsse begonnen, die endgültige Einstellung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes voranzutreiben. Auch in der Folgezeit habe sich kein Investor gefunden. Spätestens Ende Mai 2013 seien die mit einem Teil des Personals durchgeführten Restabwicklungs- und Aufräumarbeiten abgeschlossen. Betriebsbedingte Gründe für die Kündigung würden gemäß § 125 Abs. 1 InsO vermutet. Unabhängig davon rechtfertige die vollständige und endgültige Betriebseinstellung die Kündigung. Im Hinblick darauf, dass er am 22. Februar 2013 allen Arbeitnehmern - mit Ausnahme derjenigen, für deren Kündigung eine behördliche Zustimmung erforderlich sei - gekündigt habe, sei eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen.

11

Mit Urteil vom 01. August 2013 hat das Arbeitsgericht Trier die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

12

Gegen das ihm am 12. September 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. November 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

13

Er trägt vor, der Beklagte sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe sich der Beklagte noch in Verhandlungen befunden. Zwischenzeitlich habe ein Betriebsübergang auf die E. S. GmbH stattgefunden.

14

Der Kläger beantragt,

15

das Urteil des Arbeitsgericht Trier vom 01. August 2013 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst worden ist.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er erwidert, entgegen der Behauptung des Klägers habe kein Betriebsübergang i.S.d. § 613 a BGB auf eine E. S. GmbH stattgefunden. Vielmehr sei der Geschäftsbetrieb aufgrund der Ende Mai 2013 erfolgten vollständigen Betriebsschließung irreversibel eingestellt. Seither werde kein einziger Arbeitnehmer mehr beschäftigt und es finde keine Produktion mehr statt. Er habe keinerlei Betriebsmittel, Aufträge o.ä. auf eine E. S. GmbH übertragen. Es möge sein, dass die offenbar gerade erst gegründete E. S. GmbH einzelne Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin eingestellt habe. Mit diesen Vorgängen habe er jedoch nichts zu tun. Zudem falle auf, dass die Leistungspalette der E. S. GmbH mit der vormaligen Produktion der Insolvenzschuldnerin, die Kabelbäume hergestellt habe, nicht identisch, sondern vielmehr deutlich umfangreicher sei und offenbar die Produktpalette der gesamten vormaligen E.-Gruppe umschließe. Nach der zwischenzeitlichen Insolvenzanmeldung der vormaligen Konzernmutter, der E. H. S. GmbH & Co. KG, könne es durchaus sein, dass der vormalige Gesellschafter aktuell den Versuch unternehme, mit der neu gegründeten E. S. GmbH die alten Geschäftsfelder der E.-Gruppe neu aufzustellen. Genauere Erkenntnisse hierüber würden ihm jedoch nicht vorliegen. Die von der Schuldnerin vor der Betriebsstilllegung genutzte Betriebsausstattung, die wie die Grundstücke ganz überwiegend im Eigentum der Holding (H. S. GmbH & Co. KG) gestanden habe, sei dort noch heute überwiegend ungenutzt vorhanden, so dass auf einfachste Weise festgestellt werden könne, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich eingestellt sei und auch keine Fortsetzung durch einen Betriebsübernehmer stattfinde. Seine im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose sei durch den tatsächlichen Ablauf bestätigt worden. Im Hinblick darauf, dass bis Ende Februar 2013 kein konkretes Angebot eines Investors zum Erwerb des schuldnerischen Unternehmens oder von Betriebsteilen vorgelegen habe, sei gemäß der Vorgabe des Gläubigerausschusses die Stilllegungsentscheidung getroffen und konsequent mit dem abgeschlossenen Interessenausgleich, den beantragten behördlichen Zustimmungen für die Kündigungen von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz und den Kündigungen aller Arbeitsverhältnisse vollzogen worden. Unter dem 05. April 2013 seien alle früheren und aktuellen Kunden mit einem gleichlautenden Serienschreiben über die Einstellung des Geschäftsbetriebes informiert worden. Zudem seien Produktionsanfragen von Kunden, soweit sie nicht die Ausproduktion betroffen hätten, unter Hinweis auf die Einstellung des operativen Geschäfts abgelehnt worden. Zudem seien unter dem 08. Mai 2013 rein vorsorglich Kündigungen hinsichtlich der Nutzungsverhältnisse über die beiden Betriebsstätten erklärt worden. Die Kündigungen seien deshalb nur vorsorglich erfolgt, weil zwischen der Schuldnerin und der Grundstückseigentümerin, der H. S. GmbH & Co. KG, ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestanden habe, auf dessen Grundlage die Grundstückseigentümerin ohnehin verpflichtet gewesen sei, für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin einzustehen. Mit keinem einzigen Interessenten habe es konkrete Vertragsverhandlungen zu einer Unternehmensveräußerung gegeben. Es sei üblich, dass Interessenten zunächst allgemein ihr Interesse bekundeten und von dem Insolvenzverwalter wissen wollten, welche Vermögensgegenstände überhaupt von dem Massebeschlag erfasst seien und welche Fremdrechte von Gläubigern daran bestünden sowie welche wirtschaftlichen Kennzahlen vorlägen. Dem Interessenten werde sodann eine Geheimhaltungsvereinbarung übermittelt, nach deren Unterzeichnung der Interessent Zugang zum schuldnerischen Unternehmen erhalte und in dessen Geschäftsunterlagen sowie in die Planungsunterlagen des Insolvenzverwalters einsehen könne. Sodann führe der Interessent eigenständig eine sog. due-diligence-Prüfung durch. Auf diese Weise sei vorliegend auch mit allen Interessenten verfahren worden. Wenn die due-diligence des Interessenten positiv sei, unterbreite der Interessent dem Insolvenzverwalter schließlich ein konkretes Kaufangebot bzw. leite konkrete Vertragsverhandlungen ein. Vorliegend hätten sämtliche Interessenten bei bzw. nach Durchführung ihrer due-diligence-Prüfung Abstand von einem Unternehmenserwerb genommen. Auch sei zu keinem Zeitpunkt von einem Interessenten ein konkretes Kaufangebot zum Unternehmenserwerb unterbreitet oder um konkrete Vertragsverhandlungen über den Erwerb des schuldnerischen Unternehmens gebeten worden. Er habe deshalb keine Verhandlungen mit einem Investor über eine Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens geführt. Vielmehr habe es jeweils nur allgemeine Interessenbekundungen gegeben, die sich nach Durchführung der due diligence erledigt hätten. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung habe es nur einen einzigen Interessenten, nämlich die H. GmbH & Co. KG, gegeben, der ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen gezeigt habe. Wegen der vom Beklagten dargestellten Gespräche mit der H. GmbH & Co. KG bzw. deren anwaltlichen Vertreter wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 11. April 2014 nebst der als Anlagen vorgelegten schriftlichen Korrespondenz verwiesen. Die H. GmbH & Co. KG habe letztlich weder ein konkretes Kaufangebot unterbreitet, noch seien mit ihr konkrete Vertragsverhandlungen über eine Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens geführt worden. Die Stilllegung hätte nur dann ausgesetzt werden können, wenn ein konkretes Kaufangebot für das schuldnerische Unternehmen vorgelegen hätte sowie die Bonität der H. GmbH & Co. KG geklärt und die Finanzierung der Lohnkosten für einen weiteren Monat durch die H. sichergestellt gewesen wäre. Zudem hätte die Gläubigerversammlung die Aussetzung der geplanten Stilllegung beschließen müssen. Keine dieser Voraussetzungen habe je vorgelegen. Darüber hinaus habe es andere Interessenten gegeben, denen nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsvereinbarung Geschäfts- und Planungsunterlagen zum schuldnerischen Unternehmen übermittelt worden seien. Dabei sei es dann allerdings verblieben, weil keine weitere Reaktion dieser Interessenten erfolgt sei. Wegen der vom Beklagten dargestellten Korrespondenz mit den weiteren Interessenten wird auf seinen Schriftsatz vom 11. April 2014 verwiesen. Die in der vorgelegten Übersicht ausgewiesenen Kundenaufträge seien überwiegend während der laufenden Kündigungsfrist abgearbeitet worden. Der längerfristige Produktionsauftrag der A. K. GmbH & Co. KG sei einfach abgebrochen worden, indem der Auftraggeberin mit Schreiben vom 05. April 2013 die Einstellung des Geschäftsbetriebes mitgeteilt worden sei und von ihr hierauf keine Reaktion mehr erfolgt sei. In der Zeit ab dem 28. Februar 2014 seien im schuldnerischen Unternehmen für die Ausproduktion unverändert die bisherigen Betriebsmittel weiter verwendet worden. Mit Einstellung des operativen Geschäfts und Beendigung der Ausproduktion im Mai 2013 sowie vorsorglich erklärter Kündigung der Miet-/Nutzungsverhältnisse sei hinsichtlich dieser Sachanlagevermögensgegenstände in die Einzelverwertung eingetreten worden. Die vormals im schuldnerischen Produktionsbetrieb genutzten Betriebsmittel würden ganz überwiegend im Eigentum Dritter stehen und könnten von ihm nicht verkauft werden. Die Betriebsmittel seien überwiegend noch heute an den vormaligen Produktionsstandorten vorhanden und würden dort nicht genutzt. Ungenutzt vorhanden seien derzeit auch noch die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (= Materialvorrat), wofür ein schnellstmöglicher Abverkauf durch ein externes Verwertungsunternehmen beauftragt sei. Als Insolvenzverwalter sei er selbstverständlich gehalten, die Möglichkeit einer Unternehmensveräußerung zu wahren. Selbst heute würde er potentiellen Interessenten auch weiterhin eine due-diligence ermöglichen und ggf. auch noch Veräußerungsverhandlungen führen. Diese latente Bereitschaft stehe jedoch einer Betriebsstilllegung nicht entgegen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

21

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Kündigungsschutzklage ist begründet.

22

Das Kündigungsschutzgesetz ist gem. §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG anwendbar. Die 3-Wochen-Frist gem. § 4 S. 1 KSchG ist gewahrt. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags des Beklagten lag bei Ausspruch der Kündigung kein dringendes betriebliches Erfordernis vor. Der Vortrag des gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten lässt nicht den Schluss darauf zu, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung endgültig zur Stilllegung des Betriebes entschlossen war und die im Zusammenhang mit der behaupteten Stilllegungsabsicht geplanten Maßnahmen bereits greifbare Formen angenommen hatten.

23

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465) gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist dabei nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig stillzulegen. Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. An einem endgültigen Beschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht. Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465).

24

Weiterhin ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits "greifbare Formen" angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, d.h. die Stilllegung, vorliegen wird. Dabei muss die der entsprechenden Prognose zugrunde liegende Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Schließung des Betriebes aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben. Ist dies nicht der Fall, kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes und zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit führende Prognose vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfolgreich gestellt werden. Vielmehr entfällt die Grundlage für die Kündigung. Es bedarf dann einer zweiten - endgültigen - unternehmerischen Organisationsentscheidung. Deswegen ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen, aber noch nicht endgültig gefasst hat. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes steht oder sich um neue Aufträge bemüht. Dann liegt keine unbedingte und endgültige Stilllegungsabsicht vor (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 79/06 - Rn. 24, juris). Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substantiiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 41, NZA-RR 2012, 465).

25

2. Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall auf der Grundlage des eigenen Vortrags des Beklagten nicht angenommen werden, dass er im Zeitpunkt des Kündigungszugangs bereits endgültig zur Stilllegung des Betriebes entschlossen war und die hierzu geplanten Maßnahmen greifbare Formen angenommen hatten.

26

a) Zunächst spricht allein die Entlassung von Arbeitnehmern nicht für eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial gerechtfertigt sind. Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. So wie die Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht, so darf auch nicht allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden. Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen kann. Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für eine Stilllegungsabsicht. Auch der Umstand, dass sich der Wunsch zur Veräußerung eines Betriebes nicht im ersten Anlauf verwirklichen lässt, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass der Arbeitgeber nach dem ersten gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige Betriebsstilllegung - beabsichtigt (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rnr. 47 - 49, NZA-RR 2012, 465).

27

Der vom Beklagten angeführte Interessenausgleich ist mangels existenten Betriebsrates nicht wirksam zustande gekommen und vermag deshalb weder eine Rechts- noch eine Indizwirkung zu entfalten. Zwar spricht im Streitfall für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht der Beschluss des Gläubigerausschusses vom 16. Januar 2013 und die am 21. Februar 2013 erfolgte Massenentlassungsanzeige. Im Übrigen ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bereits im Kündigungszeitpunkt bestimmte Maßnahmen des Beklagten zur Realisierung der behaupteten Stilllegungsabsicht greifbare Formen angenommen haben könnten. Die angeführte "Ausproduktion" ändert nichts daran, dass für die genannten Kunden im Zeitpunkt der Kündigung noch weiterhin produziert wurde, wenn auch mit geringerer Auslastung.

28

Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt, weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder -veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will. Erst recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 51, NZA-RR 2012, 465). Die Beklagte hat aber nach seinem eigenen Sachvortrag eine solche Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung bzw. entsprechende organisatorische Vorkehrungen erst nach Ausspruch der Kündigungen, und zwar erst nach dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen mit der Firma H. GmbH & Co. KG getroffen. Noch unmittelbar vor Ausspruch der Kündigungen hat der Beklagte am 19. Februar 2013 die vorgelegte Geheimhaltungsvereinbarung mit der Firma H. GmbH & Co. KG abgeschlossen, die nach seinem eigenen Vortrag zu diesem Zeitpunkt ein ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen geäußert hatte. In der vorgelegten Geheimhaltungsvereinbarung heißt es einleitend: "Der Interessent beabsichtigt die Prüfung der Option das schuldnerische Unternehmen im Ganzen oder Teilen hiervon zu erwerben bzw. den Geschäftsbetrieb am Standort fortzuführen." Sodann sind in der Geheimhaltungsvereinbarung verschiedene Verpflichtungen des Interessenten - u.a. auch bei "Scheitern der Verhandlungen" - festgelegt. Ungeachtet der mit Abschluss der Geheimhaltungsvereinbarung vom 19. Februar 2013 aufgenommenen Verhandlungen mit der Firma H. GmbH & Co. KG hat der Beklagte bereits am 22. Februar 2013 Kündigungen ausgesprochen und parallel die dargestellten Gespräche bzw. die vorgelegte Korrespondenz mit diesem Interessenten weitergeführt. Per E-Mail vom 20. März 2013 hat der Beklagte unter Fristsetzung zum 21. März 2013, 12:00 Uhr, die H. GmbH & Co. KG nochmals um schriftliche Mitteilung gebeten, ob weiterhin Interesse an der Schuldnerin als Ganzes bestehe bzw. ob von dem bisherigen Interesse Abstand genommen werde. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass eine Mitteilung erforderlich sei, da bei Wegfall des Interesses die weiteren Belange der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Gläubiger- bzw. Kundeninteressen zu koordinieren seien. Am 21. März 2013 ist dann nach seinem Vortrag eine telefonische Mitteilung erfolgt, dass die Firma H. GmbH & Co. KG Abstand von ihrem Interesse an einer Übernahme der Schuldnerin und einer Fortführung des Geschäftsbetriebes nehme. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Beklagte erst danach unter dem 05. April 2013 alle Kunden über die Einstellung des Geschäftsbetriebes informiert, unter dem 08. Mai 2013 Kündigungen hinsichtlich der Nutzungsverhältnisse über die beiden Betriebsstätten erklärt, zum 10. Mai 2013 die Produktion eingestellt und mit der Verwertung der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Sachanlagevermögensgegenstände begonnen sowie den Abverkauf der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe beauftragt.

29

b) Nach dieser Vorgehensweise des Beklagten stellt sich die Kündigung unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags als eine unwirksame "Vorratskündigung" dar (vgl. zum Begriff der sog. Vorratskündigung BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 79/06 - Rn. 25, juris).

30

aa) Der Beklagte hat auf der Grundlage der abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes mit der Firma H. GmbH & Co. KG aufgenommen und diese ungeachtet der am 22. Februar 2013 ausgesprochenen Kündigungen fortgeführt, ohne dass bestimmte Maßnahmen zur Betriebseinstellung bereits greifbare Formen angenommen hatten oder eine irgendwie geartete Zäsur hinsichtlich der vom Beklagten selbst dargestellten Verhandlungen erkennbar gewesen wäre. Ende März 2013 hat er dann auf eine Entscheidung des möglichen Investors gedrängt, damit er im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen ggf. die entsprechenden Maßnahmen zur Stilllegung des Betriebes einleiten kann. Erst nach der daraufhin erfolgten Absage der Firma H. GmbH & Co. KG hat er ab Anfang April 2013 die von ihm dargestellten Maßnahmen zur Betriebseinstellung eingeleitet, während er zuvor noch keine Ausführungsschritte unternommen hatte. In Anbetracht der zunächst unverändert weitergeführten Verhandlungen und der erst nach deren Scheitern ab April 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur endgültigen Stilllegung des Betriebes lässt der Verweis des Beklagten auf die im Mai 2013 erfolgte Einstellung der Produktion nicht den Rückschluss darauf zu, dass bereits im Kündigungszeitpunkt eine entsprechende Prognose gerechtfertigt war, insbesondere die ihr zugrundeliegende Entscheidung endgültig getroffen worden war und die Schließung des Betriebes bereits feststand sowie greifbare Formen angenommen hatte. Eine vorsorgliche Kündigung, die - wie hier - für den Fall des Scheiterns der zunächst fortgeführten Veräußerungsverhandlungen ausgesprochen wird, ist als sog. "Vorratskündigung" mangels unbedingter und endgültiger Stilllegungsabsicht unwirksam.

31

bb) Entgegen der Ansicht des Beklagten setzen ernsthafte Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes nicht notwendigerweise ein konkretes Kaufangebot voraus. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Beklagte auf der Grundlage der abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung Verhandlungen mit der Firma H. GmbH & Co. KG mit dem Ziel einer Veräußerung des Betriebes geführt hat. Im Hinblick darauf, dass die Firma H. GmbH & Co. KG mit der abgeschlossenen Vereinbarung verschiedene Verpflichtungen eingegangen ist und nach dem eigenen Vortrag des Beklagten ein ernsthaftes Interesse am schuldnerischen Unternehmen gezeigt hat, sind ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer Betriebsveräußerung geführt worden, auch wenn noch eine sog. due-diligence-Prüfung des Interessenten durchzuführen war. Dementsprechend hat der Beklagte noch per E-Mail vom 20. März 2013 um eine Mitteilung gebeten, ob weiterhin Interesse an der Schuldnerin als Ganzes bestehe oder von dem bisherigen Interesse Abstand genommen werde, damit er im Falle einer Absage die ggf. erforderlichen Maßnahmen zur endgültigen Betriebsstilllegung zum 31. Mai 2013 rechtzeitig einleiten kann. Hierzu bedurfte es dann einer zweiten - endgültigen - unternehmerischen Entscheidung, die vom Beklagten erst nach Ausspruch der Kündigung getroffen worden ist.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

33

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. September 2010 - 9 Sa 343/10 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den beklagten Insolvenzverwalter.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1981 bei der R GmbH, der Insolvenzschuldnerin, zunächst in G und Gr und ab dem 1. Mai 2007 in P anfänglich als Werksleiter und ab 1. Januar 2009 als Leiter des Fachbereichs Logistik und stellvertretender Werksleiter zu einer Bruttomonatsvergütung von 7.250,00 Euro beschäftigt.

3

Die Insolvenzschuldnerin stellte komplexe, bis zu 24-lagige Leiterplatten her. Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin waren die B Ltd., die Bl SARL (Luxembourg) sowie die C plc. Das Betriebsgrundstück in P stand im Eigentum der Insolvenzschuldnerin, während ein Großteil der Maschinen und sonstigen Einrichtungen geleast waren. Leasinggeber war die K GmbH bzw. die später mit dieser verschmolzene E mbH (E GmbH). Geschäftsführer und Mitgesellschafter der E GmbH ist Z.

4

Die Insolvenzschuldnerin beantragte unter dem 3. Februar 2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde daraufhin zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Zum Zwecke der Veräußerung der Betriebe der Insolvenzschuldnerin leitete der Beklagte Ende Februar 2009 ein internationales Bieterverfahren in die Wege, mit dem ein Bankhaus beauftragt wurde. Dazu wurden ua. Broschüren an potentielle Interessenten versandt. Diese waren aufgefordert, bis zum 15. April 2009 ein Angebot abzugeben. Nachdem nur zwei Angebote abgegeben worden waren, die jedoch als inakzeptabel erachtet wurden, beschlossen die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin unter Mitwirkung des Beklagten am 14. April 2009 die Schließung der Betriebe mit Ablauf des 30. April 2009.

5

Auf einer Versammlung am 16. April 2009 wurden die Mitarbeiter beider Betriebe über die geplanten Betriebsschließungen unterrichtet.

6

Mit Schreiben vom 21. April 2009 stellte der Beklagte den Kläger mit Ablauf des 30. April 2009 von der „weiteren Mitarbeit“ frei. Der Beklagte zeigte unter dem 26. April 2010 gegenüber dem Amtsgericht Kl die Masseunzulänglichkeit an.

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts Kl vom 1. Mai 2009 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der R GmbH bestellt. Am 6. Mai 2009 fand eine Sitzung des Gläubigerausschusses statt. Im Sitzungsprotokoll ist ua. festgehalten:

        

„Der Insolvenzverwalter unterrichtet den Gläubigerausschuss darüber, dass aufgrund der rapide weggebrochenen Auftragseingänge und des desaströsen Ergebnisses der Investorensuche der Beschluss zur Einstellung des Betriebsbetriebes gefasst wurde. In Umsetzung dieses Beschlusses sind über 50 % der Mitarbeiter bereits freigestellt worden. Nach Abschluss des entsprechenden Interessenausgleiches und Sozialplanes wird der Unterzeichner sämtlichen Mitarbeitern kündigen und das Unternehmen im Rahmen einer Ausproduktion bis August 2009 fortführen. Auf Grundlage der vorgestellten Liquiditätsplanung ist die Fortführung für diesen Zeitraum sichergestellt.“

8

Unter dem 8./13. Mai 2009 vereinbarten der Beklagte und die Betriebsräte G und P sowie der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser lautet auszugsweise:

        

III. 

        

Es besteht keine Möglichkeit den Geschäftsbetrieb über den 30.04.2009 weiterzuführen. Eine übertragende Sanierung kommt in Ermangelung von Interessenten nicht in Betracht.

        

Vor diesem Hintergrund wurde am 15.04.2009 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin am 30.04.2009 endgültig und auf Dauer einzustellen. Von dieser Entscheidung wurden die Betriebsräte am folgenden Tag in Kenntnis gesetzt.

        

Betriebseinstellung heißt, dass nur solche bestehenden Aufträge abgearbeitet werden, die spätestens mit dem Ablauf der letzten Kündigungsfrist und mit dem sich bis dahin aufgrund unterschiedlich langer Kündigungsfristen ständig reduzierenden Personal noch abgearbeitet werden können. Zur Erhaltung/Mehrung der Insolvenzmasse und Auslastung des Betriebs in der Zeit bis zum Auslauf der Kündigungsfristen der Mitarbeiter vereinbaren beide Parteien, dass nach dieser Maßgabe Neuaufträge angenommen und abgearbeitet werden können, soweit sie noch innerhalb der laufenden Kündigungsfristen der Mitarbeiter abgeschlossen werden können.

        

…       

        

Die Einstellung des Betriebs ist Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs und des Sozialplans. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass bei einer eventuellen Fortführung des Unternehmens neu zu verhandeln ist.

                 
        

IV.     

        

…       

        

Die von Kündigungen und Entlassungen betroffenen Mitarbeiter ergeben sich aus der als Anlage dieser Vereinbarung beigefügten Liste. Diese Liste ist keine Namensliste im Sinne der §§ 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 125 InsO, die mit der vorliegenden Vereinbarung bei Unterzeichnung fest verbunden ist. Diese feste Verbindung bestätigen sich die Parteien mit Unterschrift gegenseitig. Die Liste dient ausschließlich dem Nachweis der ordnungsgemäßen Anhörung nach § 102 BetrVG.“

9

Gleichzeitig wurden Sozialpläne für beide Betriebe vereinbart.

10

Am 14. Mai 2009 erstattete der Beklagte der für die Betriebe in G und P zuständigen Agentur für Arbeit W Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG. Mit Bescheid vom 28. Mai 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit W den Eingang der Anzeige und setzte den Ablauf der Sperrfrist auf den 14. Juni 2009 fest.

11

Mit Schreiben vom 15. Mai 2009, dem Kläger am 16. Mai 2009 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2009 „aus betriebsbedingten Gründen“. Sofern nicht noch behördliche Zulässigkeitserklärungen notwendig waren, wurde auch allen übrigen Mitarbeitern gekündigt.

12

Während etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer bereits freigestellt war, erfolgte mit den übrigen - jedenfalls für Aufträge, die bis Ende August 2009 erledigt werden konnten - die weitere Produktion. Für den Betrieb in G beschloss der Beklagte später, die Ausproduktion bis zum 18. Dezember 2009 zu verlängern. Er beschäftigte dort solche Arbeitnehmer weiter, die im Rahmen von Abwicklungsvereinbarungen die Kündigung mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist akzeptierten.

13

Am 14. August 2009 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts S die Umfirmierung der KLGmbH in LP P GmbH (im Folgenden: LPP) eingetragen. Der Geschäftsgegenstand wurde in: „Die Produktion und der Vertrieb von elektrischen, elektronischen, elektromechanischen, optoelektronischen und technischen Bauelementen und Geräten und die Ausführung aller Geschäfte, die damit im Zusammenhang stehen“ geändert. Geschäftsführer der LPP wurde zunächst Z. Muttergesellschaft der LPP ist die E GmbH.

14

Im Zeitraum Februar bis Mai 2009 besuchte Z mehrfach den Betrieb in P und erfragte hierbei Auftragsstände, Umsätze und Kosten. Auch führte er mit dem Beklagten Gespräche. Im August 2009 wurde den Arbeitnehmern in P seitens Herrn Z angeboten, für den Zeitraum ab dem 1. September 2009 neue Arbeitsverträge abzuschließen.

15

Seit dem 1. September 2009 führt die LPP den Betrieb zur Herstellung von Leiterplatten in P. Sie hatte das Betriebsgrundstück und die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel erworben. Von den Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin beschäftigte die LPP jedenfalls etwas weniger als die Hälfte weiter. Den Betrieb in G führt die R I GmbH fort.

16

In einer Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 heißt es unter der Überschrift „R geht nach dramatischen Wochen gestärkt aus der Insolvenz hervor“ ua.:

        

„Durch seine hervorragende Reputation gelang es R selbst in der Insolvenz in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners. Ende Juli konnte für das Werk P mit dem früheren R-Eigentümer Z eine Zukunftslösung gefunden werden.“

17

Für das Betriebsgrundstück in P wurde am 15. Oktober 2009 die Eintragung einer „Erwerbsvormerkung“ zugunsten der LP P GmbH in das Grundbuch mit „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/01.09.2009“ vorgenommen.

18

Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 bestätigte die Firma A GmbH die für den Beklagten vorgenommene Verwertung zweier Gabelstapler, dreier Filterpressen, dreier Kolbenmembranpumpen, eines Systronic Ofens und eines Multilayer-Pressezentrums im Gesamtwert von 31.500,00 Euro.

19

Der Kläger behauptet, es habe zum Zeitpunkt des Ausspruches der streitgegenständlichen Kündigung keinen endgültigen Betriebsstilllegungsbeschluss gegeben. Als ihm die Kündigung zugegangen sei, habe der Beklagte in Verhandlungen einerseits mit Z, dem Geschäftsführer der LPP, und andererseits mit den Geschäftsführern der Firmengruppe Pr, Ro und E Pr, gestanden. Der Beklagte habe nur vorsorglich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen gekündigt. Dies ergebe sich schon daraus, dass Z von Februar bis Mai 2009 mehrmals den Betrieb P besucht habe. Persönlich habe dieser dem Kläger sinngemäß gesagt, dass er zwar keine große Lust für eine Übernahme habe, aber eine Stilllegungsentscheidung verhindern wolle. Dessen Besuche im Betrieb in P seien ohne Einverständnis des Beklagten kaum vorstellbar. Die Motivation des Z ergebe sich ohne Weiteres aus den abgeschlossenen Leasingverträgen, die niemals gekündigt worden seien. Auch aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich, dass er mit Z verhandelt habe. Dabei habe der Beklagte nicht angegeben, wann dies geschehen sei. Bereits am 21. Juli 2009 sei eine Auflassungsvormerkung für die LPP im Grundbuch eingetragen worden, wobei der Notar auf Nachfrage angegeben habe, dass der Kaufvertrag etliche Zeit vor dem 21. Juli 2009 geschlossen worden sei. Seit dem 1. September 2009 produziere die LPP mit den verbliebenen Mitarbeitern unverändert mit denselben Betriebsmitteln in P. Dass der Beklagte nicht von einer Stilllegung ausgegangen sei, ergebe sich auch daraus, dass alle für die Produktion notwendigen Rohstoffe und Betriebsmittel auch nach dem 1. September 2009 in ausreichender Menge vorhanden gewesen seien, was nur durch entsprechende Vorkehrungen des Beklagten erklärt werden könne. Auch Aufträge seien ab dem 1. September 2009 ausreichend vorhanden gewesen.

20

Im Übrigen hält der Kläger die Kündigung auch nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB für unwirksam.

21

Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem Beklagten nicht durch die Kündigung vom 15. Mai 2009 - dem Kläger zugegangen am 16. Mai 2009 - zum 31. August 2009 aufgelöst wird.

22

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

23

Er behauptet, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches seien keine Verhandlungen über eine Weiterführung des Betriebes in P geführt worden. Vielmehr sei er von der Betriebsstilllegung und Ausproduktion - mit etwas weniger als 50 % der Arbeitnehmer - bis 31. August 2009 ausgegangen, da die Suche nach Investoren erfolglos verlaufen sei. Die Stilllegung sei beschlossen worden, weil die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 bei einem Umsatz von über 104 Mio. Euro einen Verlust von mehr als 7 Mio. Euro ausgewiesen habe, der im Wesentlichen durch das Werk in P verursacht worden sei. Eine kostendeckende Produktion sei für die Zukunft nicht abzusehen gewesen. Die Stilllegungsentscheidung habe auch greifbare Formen angenommen gehabt. So sei ein Interessenausgleich abgeschlossen und die Massenentlassungsanzeige erstattet worden. Auch sei allen Arbeitnehmern gekündigt und dies auf Betriebsversammlungen ausreichend kommuniziert worden. Neue Aufträge bzw. Abrufe seien nur dann angenommen worden, wenn diese bis zum 31. August 2009 hätten erledigt werden können. In der Branche der Insolvenzschuldnerin sei es typisch, dass Kunden im Wege eines „letter of intent“ Größenordnungen für jährliche Abrufe ankündigen, verbindliche Abrufe aber erst etwa einen Monat bis eine Woche vor dem Produktionsmonat erfolgen. Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Beklagte hätten daher keine Aufträge abzulehnen oder zu kündigen brauchen. Den Kunden sei mitgeteilt worden, dass nur bis zum 31. August 2009 produziert werde. Für die Zeit nach dem 31. August 2009 seien keine Produktionszusagen gegeben worden. Auch habe der Beklagte die Firma A beauftragt, für vorhandene Betriebsmittel, soweit diese nicht mit Sicherungsmitteln belastet oder für die Ausproduktion benötigt würden, Interessenten zu finden. Dass Maschinen veräußert worden seien, ergebe sich aus dem Schreiben der Firma A vom 26. Januar 2010. Wenn Z in P erschienen sei, so sei dies geschehen, um seine Sicherheiten zu prüfen. Jedenfalls habe dieser ihm keine Überlegungen zu einer Betriebsübernahme mitgeteilt. Bl habe sich erstmals im Juli 2009 mit der Frage eines Erwerbs der Betriebsstätte G befasst und im Wege eines „letter of intent“ grundsätzliches Interesse am Standort G mit den bisherigen Produktionsmitteln geäußert. Die von Bl gestellten Bedingungen seien aber zunächst nicht erfüllt worden, so dass das Geschäft „geplatzt“ sei. Da aber Kunden der Einstieg eines Investors schon signalisiert worden sei, habe man die Ausproduktion in G bis 18. Dezember 2009 verlängert. Weitere Verhandlungen mit Bl hätten dann dazu geführt, dass Bl am 14. September 2009 entschieden habe, die im Rahmen der Verhandlungen gestellten Bedingungen als erfüllt anzusehen. Die Muttergesellschaft der LPP, die E GmbH, habe erst im August 2009 angeboten, das Betriebsgrundstück in P und die Betriebseinrichtungen zu erwerben. Nach Zustimmung durch die Gläubigerversammlung am 27. August 2009 sei der Kaufvertrag am 1. September 2009 zustande gekommen. Entscheidend sei, dass eine nachträgliche Entwicklung ohnehin unbeachtlich sei, da es allein auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruches ankomme.

24

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Beklagtenvertreter auf die Frage, wie sich das Datum 21. Juli 2009 in der Grundbucheintragung zur Vormerkung erklären lasse, ausgeführt, dass es womöglich am 21. Juli 2009 bereits ein Angebot gegeben habe. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben habe.

25

Erstmals in der Revisionsbegründung trägt der Beklagte vor, dass ein Angebot der E GmbH bzw. der LPP erstmalig am 21. Juli 2009 in notariell beglaubigter Form erfolgt sei.

26

Mit Teilurteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst wird. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

27

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die von ihm zum 31. August 2009 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst.

28

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die streitgegenständliche Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehöre die Stilllegung des gesamten Betriebes. Von einer Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers sei auszugehen, wenn dieser seine Absicht unmissverständlich äußere, allen Arbeitnehmern kündige, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöse, die Betriebsmittel, über die er verfügen könne, veräußere und die Betriebstätigkeit vollständig einstelle. Die betreffenden betrieblichen Umstände müssten greifbare Formen angenommen haben. Keine Stilllegungsabsicht liege vor, wenn der Betrieb veräußert werden solle. Das Bundesarbeitsgericht habe in der alsbaldigen Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht gesehen.

29

Unter Beachtung dieser Maßstäbe stehe zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernstlichen und endgültigen Entschluss gefasst gehabt habe, den Betrieb in P stillzulegen. Für einen solchen Entschluss spreche zwar der Gesellschafterbeschluss - obwohl in diesem von einer Stilllegung zum 30. April 2009 die Rede sei -, der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans sowie die Kündigung aller Mitarbeiter. Gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht spreche jedoch die nahtlose Fortführung des Betriebes durch die LPP und dass es zu einer Stilllegung nicht gekommen sei. Deshalb hätte es des Vortrags weiterer Indizien durch den Beklagten bedurft, um darzulegen, dass er bereits zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ernsthaft und endgültig die Stilllegung beabsichtigt habe. Wenn eine prognostizierte Betriebsstilllegung nicht eingetreten sei, habe dies Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe dann konkret darzulegen, welche Maßnahmen er zunächst wann vorgenommen habe, um seine Entscheidung umzusetzen. Er habe im Einzelnen vorzutragen, wann welche nicht vorhergesehene Entwicklung stattgefunden habe. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte bereits bei Zugang der Kündigung ein Angebot der LPP angenommen gehabt habe, da auch ernsthafte Vertragsverhandlungen einen endgültigen und ernsthaften Stilllegungsbeschluss ausschließen würden.

30

Der Beklagte habe nicht vorgetragen, welche konkreten Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Vertragsbeziehungen zu Dritten (Miet-, Leasingverträge oder Verträge mit Energieversorgern oder Rohstofflieferanten) zu regeln. Der bloße Vortrag, den Kunden sei das Auslaufen der Produktion mitgeteilt worden, sei zu pauschal, um nachvollziehbar zu machen, weshalb Kunden davon ausgehen mussten, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009 stattfinden. Unklar bleibe, warum Kunden auch Bestellungen bzw. Abrufungen für die Zeit nach dem 31. August 2009 in Aussicht gestellt hätten, wenn ihnen doch erklärt worden sein solle, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009 erfolgen. Auch zu Rohstofflieferanten fehle jeder Vortrag, was aber angesichts der Fortführung der Produktion am 1. September 2009 notwendig gewesen wäre. Nicht vorgetragen sei, wie es der Beklagte sichergestellt habe, einerseits genügend Rohstoffe für die Ausproduktion zu haben und andererseits unnötige Rohstoffmengen zu vermeiden. Insoweit hätte er vortragen müssen, ob und gegebenenfalls welche Vereinbarungen es mit der LPP gegeben habe. Der Vortrag zur Veräußerung von Betriebsmitteln durch die Firma A sei zu pauschal. Es sei schon nicht erkennbar, ob Betriebsmittel aus G oder P veräußert worden seien. Auch der Zeitpunkt der Beauftragung der Firma A sei unklar. Insbesondere fehle ein Vortrag, wann und aufgrund wessen Initiative es zu konkreten Verhandlungen mit der LPP gekommen sei. Zwar sprechen sowohl die Pressemitteilung als auch der Zeitpunkt der Grundbucheintragung für Gespräche zumindest im Juli 2009. Es wäre aber Sache des Beklagten gewesen, den Ablauf der Kontaktaufnahme sowie den Verhandlungsablauf darzustellen, damit ausgeschlossen werden könne, dass zum Zeitpunkt der Kündigung mögliche Vertragsverhandlungen mit der LPP vorbehalten waren. Schließlich genüge auch der Vortrag zur Freistellung von Mitarbeitern und zur Durchführung des Bieterverfahrens nicht, um von einer endgültigen Stilllegungsabsicht ausgehen zu können.

31

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

32

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

33

I. Der Beklagte ist passivlegitimiert, und zwar unabhängig davon, ob nach Ausspruch der Kündigung und der fristgerechten Erhebung einer Kündigungsschutzklage ein Betriebsübergang stattgefunden hat oder nicht. Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, ist für die gerichtliche Klärung der Wirksamkeit der Kündigung auch nach einem Betriebsübergang passivlegitimiert (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210).

34

II. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Sie ist damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Das Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einer Kündigung des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO zu beachten, wenn es - wie vorliegend - nach seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet(vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - AP BGB § 613a Nr. 324).

35

1. Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) durch das Landesarbeitsgericht handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist(st. Rspr., vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51).

36

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.

37

a) Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können(st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist aber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen (vgl. BAG 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74). Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156). An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht (vgl. BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber sich im Zeitpunkt der Kündigung noch um neue Aufträge bemüht (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51; 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - aaO).

38

Auch ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, dh. die Stilllegung, gegeben sein. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (vgl. BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125).

39

Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich nach diesen Grundsätzen demnach systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20).

40

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ist der des Kündigungszugangs (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164). Dies schließt es nicht aus, dass - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Verläuft die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, ist es gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 280). Die im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf entfallen, wird so bestätigt (vgl. BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139). Umgekehrt spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53).

41

Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substanziiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substanziiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten (BAG 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 38). Der Umfang der Darlegungslast hängt dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlässt (vgl. BAG 17. Oktober 1980 - 7 AZR 675/78 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 15). Trägt der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen war, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und kommt es zu einer alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant war (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 279).

42

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte entgegen der ihn treffenden Darlegungslast keine ausreichenden Umstände für die Annahme vorgetragen hat, bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung sei zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches davon auszugehen gewesen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers werde mit Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr möglich sein.

43

Die gemäß § 286 Abs. 1 ZPO gewonnene Überzeugung des Tatsachengerichts, ob die vom Beklagten vorgetragenen und vom Kläger bestrittenen Tatsachen den Schluss auf einen endgültigen und ernsthaften Entschluss zur Betriebsstilllegung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung rechtfertigen, ist nur beschränkt revisibel(vgl. oben B II 1).

44

Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für einen ernsthaften und endgültigen Beschluss, den Betrieb in P stillzulegen, zunächst der Gesellschafterbeschluss vom 14. April 2009 spricht. Gleiches gilt auch für die Information des Gläubigerausschusses durch den Beklagten am 6. Mai 2009. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter berücksichtigt, dass der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans und die Massenentlassungsanzeige für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprechen. Dies macht aber nicht entbehrlich, die weiteren Umstände zu würdigen, die - wie die alsbaldige Wiedereröffnung bzw. Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch einen Betriebserwerber - gegen einen ernsthaften, endgültigen Stilllegungsentschluss sprechen. Die Prüfung, ob nach Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Kündigung die im Zusammenhang mit der behaupteten Stilllegungsabsicht getroffenen Maßnahmen bereits „greifbare Formen“ angenommen hatten, die ihrerseits wiederum einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsentschlusses zulassen, obliegt zuvörderst dem Tatsachengericht.

45

Angesichts der Veräußerung des Betriebsgrundstückes und materieller Betriebsmittel an die LPP sowie der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch diese in P ab 1. September 2009 begegnet die Würdigung der weiteren Umstände durch das Landesarbeitsgericht keinen Bedenken. Die Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber begründet eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53). Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Betriebsübergang innerhalb der Kündigungsfrist stattfindet. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 1984 (- 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13 = AP BGB § 613a Nr. 39 = EzA BGB § 613a Nr. 40) steht dem nicht entgegen. Zwar könnte ein solcher Bezug zur Kündigungsfrist aus dem Leitsatz Nr. 3c hergeleitet werden. Ein solcher ergibt sich aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht. Vielmehr heißt es dort, dass bei alsbaldiger Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht. Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht sei nur dann gegeben, wenn ein Betriebsübergang noch innerhalb der individuellen Kündigungsfrist stattfindet. Auch in späteren Entscheidungen des Zweiten Senats findet sich keine Einschränkung auf den Zeitraum der Kündigungsfrist (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - aaO; 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Kommt es noch vor dem beabsichtigten oder alsbald nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin zu einer Betriebsfortführung durch einen Betriebserwerber, so spricht die Erfahrung dafür, dass die Verhandlungen bzw. der Abschluss der Rechtsgeschäfte hierfür bereits längere Zeit zuvor stattgefunden haben. Dies rechtfertigt es, an die Betriebsfortführung durch den Unternehmer bzw. einen Erwerber die tatsächliche Vermutung zu knüpfen, zum Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitsverhältnisse habe keine endgültige Stilllegungsabsicht bestanden. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, durch näheren Sachvortrag diese Vermutung zu widerlegen.

46

Ohne Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit setzte die LPP ab dem 1. September 2009 die Produktion von Leiterplatten im Betrieb in P mit den dort vorhandenen Betriebsmitteln fort. Zwar spricht der Inhalt der Grundbucheintragung vom 15. Oktober 2009 „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/ 01.09.2009“ dafür, dass die zur Übertragung des Eigentums notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen vom 21. Juli 2009 bzw. 1. September 2009 - also einem Zeitpunkt nach Zugang der Kündigung - stammen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aber darauf abgestellt, dass auch ernsthafte Veräußerungsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der LPP einer ernsthaften Stilllegungsabsicht entgegenstehen. Erfahrungsgemäß gehen vertraglichen Vereinbarungen bzgl. einer Betriebsübernahme und eines Grunderwerbs, die in die Eintragung einer Auflassungsvormerkung münden, langfristige Vorverhandlungen voraus. Demnach ist die Vermutung gerechtfertigt, solche Verhandlungen seien bereits im Mai 2009, dem Zeitpunkt des Kündigungsausspruches, geführt worden. Dass solche zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) nicht stattfanden, sondern tatsächlich ein endgültiger Stilllegungsentschluss getroffen war, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt.

47

Allein die Entlassung von Arbeitnehmern spricht nicht für eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial gerechtfertigt sind (vgl. BAG 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70). Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. Solche Freistellungen können nämlich in Absprache mit einem Betriebserwerber auch dazu dienen, angepasst an ein bestimmtes Auftragsvolumen nur bestimmte Leistungsträger zu übernehmen. So wie die Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156), so darf auch nicht allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden.

48

Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen kann (vgl. BAG 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 -).

49

Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für eine Stilllegungsabsicht. Dies gilt im Streitfalle vor allem deshalb, weil der Beklagte die Veräußerung der Insolvenzschuldnerin in einem internationalen Bieterverfahren angesichts der unzureichenden Gewinnsituation angestrebt, also zunächst keine Stilllegung der Betriebe in G und P beabsichtigt hatte. Auch das Scheitern des internationalen Bieterverfahrens spricht nicht zwangsläufig für die Ernsthaftigkeit eines anschließenden Stilllegungsentschlusses, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Dass der Wunsch, einen Betrieb zu veräußern, sich nicht im ersten Anlauf verwirklichen lässt, drängt nicht zwingend den Schluss auf, dass der Arbeitgeber nach dem ersten gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige Betriebsstilllegung - beabsichtigt.

50

Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Beklagten, er habe den Kunden mitgeteilt, die Insolvenzschuldnerin produziere bis zum 31. August 2009, nicht für die Annahme hat genügen lassen, die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung greifbare Formen angenommen gehabt.

51

Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 489), weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder Veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Erst recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss. Nach eigenem Sachvortrag hat der Beklagte aber weder gegenüber Kunden, Banken, Lieferanten noch gegenüber dem Leasinggeber Kündigungen ausgesprochen. Dass der Beklagte nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO die Erfüllung von Verträgen abgelehnt hat, wird von ihm ebenfalls nicht konkret behauptet. Er trägt vor, er habe im Hinblick auf die in der Branche übliche Verfahrensweise - die Kunden avisierten mit einem „letter of intent“ ein bestimmtes (jährliches) Abrufvolumen und würden dieses dann kurzfristig vor dem gewünschten Liefertermin abrufen - keine Kündigungen aussprechen müssen und deshalb die Kunden darüber informiert, die Insolvenzschuldnerin werde bis zum 31. August 2009 produzieren. Nicht angegeben hat der Beklagte, wann und wie genau diese Information gegeben worden sein soll. Mit diesem Sachvortrag ist der Beklagte seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da es gerade auf den Zeitpunkt und den Inhalt der Kundeninformation ankommt, wenn daraus auf die Ernsthaftigkeit eines Stilllegungsentschlusses geschlossen werden soll. Hätte der Beklagte die von ihm behauptete Information bspw. erst während laufender Veräußerungsverhandlungen an Kunden gegeben, spräche dies nicht für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss, da damit nur ein Hinweis auf ein Auslaufen der Produktion durch den Beklagten und die künftige Veräußerung des Betriebes verbunden sein könnte. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten bei dem von ihm geschilderten Vertriebsmodell nur mit einer unmissverständlichen Kundeninformation hätte sichergestellt werden können, dass kein Beschäftigungsbedarf über den 31. August 2009 hinaus besteht. Während bei anderen Arbeitgebern das Bemühen um neue Aufträge im Kündigungszeitpunkt einer endgültigen Stilllegungsabsicht entgegensteht, könnte bei dem vom Beklagten geschilderten Vertriebsmodell eine Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer entfallen, dann sichergestellt werden, wenn die Kunden unmissverständlich darüber informiert worden wären, dass Bestellungen und Lieferungen für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung nicht mehr erfolgen können. Dies wird auch am eigenen Sachvortrag des Beklagten zum Betrieb in G deutlich. Dort hatte der Beklagte den Kunden bereits mitgeteilt, ein Investor werde einsteigen, weshalb ein Auftragsvolumen bzw. Abrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 zu verzeichnen waren, welche zunächst eine Verlängerung der Ausproduktion bis in den Dezember 2009 hinein notwendig machten. Eine unmissverständliche Kundeninformation kann dem Vortrag des Beklagten nicht schlüssig entnommen werden. Vielmehr kündigten Kunden der Insolvenzschuldnerin für den Betrieb in P Warenabrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 an bzw. stellten solche in Aussicht. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, dass die LPP für die Zeit nach dem 31. August 2009 ausreichend Aufträge vorfand. Schon diese Umstände sprechen gegen eine unmissverständliche Kundeninformation. Weiter kommt in diesem Zusammenhang dem Inhalt der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 Bedeutung zu. Nach dieser ist es der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten durch die hervorragende Reputation der Insolvenzschuldnerin gelungen, „in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners“. Diese Angaben in der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin stehen im Widerspruch zu den Angaben des Beklagten, er habe nur eine Ausproduktion geplant und die Kunden hierüber informiert. Es wäre deshalb Sache des Beklagten gewesen, konkret anzugeben, wie die behauptete Information der Kunden erfolgt ist und ob sich die in der Pressemitteilung angedeutete werbende Tätigkeit am Markt - „ein neuer Großkunde wurde gewonnen“ - ggf. allein auf den Betrieb in G bezog, weil sich das von beiden Betrieben gefertigte Sortiment ggf. stark unterschied. Die Darlegung des Zeitpunktes und des Inhalts einer Kundeninformation wäre - deren Existenz unterstellt - auch unschwer durch Vorlage von Informationsschreiben möglich gewesen.

52

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, es sei vorbereitet worden, dass pünktlich zum 31. August 2009 die Lieferanten ihre Lieferungen einstellen, weil der Beklagte nicht mehr erfüllen werde, stellt dieser Sachvortrag eine pauschale, nicht überprüfbare Behauptung dar, mit welcher der Beklagte seiner Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht nachgekommen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht daher auch diesen Vortrag nicht genügen lassen, um „greifbare Formen“ der Stilllegung als Indiz für einen endgültigen Stilllegungsentschluss anzunehmen.

53

Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, aus dem Vortrag zur Veräußerung und Verwertung von Betriebsmitteln ergebe sich kein ausreichendes Indiz für eine endgültige, ernsthafte Stilllegungsabsicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zwar vorgetragen, die Firma A habe in seinem Auftrag Betriebsmittel inventarisiert, bewertet und teilweise veräußert. Allerdings ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, dass dies nur Betriebsmittel betraf, die nicht für die Ausproduktion, dh. eine Produktion mit geringerer Auslastung, benötigt wurden. Eine Beauftragung zur Veräußerung von Betriebsmitteln darüber hinaus, dh. insbesondere eine Beauftragung zur Veräußerung aller im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung, behauptet der Beklagte nicht. Vor allem ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, wann die Beauftragung der Firma A erfolgt ist, so dass es auch denkbar wäre, dass die Beauftragung erst erfolgte, als die Betriebsveräußerung an die LPP unmittelbar bevorstand und in Absprache mit dieser vorgenommen wurde. Im Übrigen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Beklagten nur, dass in G schon Vermessungen der Maschinen und Anlagen sowie Gewichtsklärungen zum Abtransport vorgenommen worden sind. Deshalb liegt es nahe, dass sich die vom Beklagten vorgelegte Bestätigung der Firma A auf Betriebsmittel des Betriebes in G bezieht. Daher wäre auch insoweit ein konkreter Sachvortrag, wann die Beauftragung erfolgte und welchen konkreten Inhalt sie hatte, notwendig gewesen, um mit einer etwaig eingeleiteten Veräußerung von Betriebsmitteln ein Indiz für eine beabsichtigte Stilllegung, die bereits greifbare Formen angenommen hatte, zu liefern.

54

Soweit der Beklagte geltend macht, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches habe er keinerlei Veräußerungsverhandlungen geführt und das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag, wonach erst im August 2009 die E GmbH ein Angebot zum Erwerb des Betriebsgrundstücks unterbreitet habe, übergangen, greift diese Rüge nicht durch. Dieser Sachvortrag war nicht geeignet, die gegen eine Stilllegungsabsicht sprechende Vermutung infolge der tatsächlich ab 1. September 2009 erfolgten Betriebsfortführung zu widerlegen. Der Sachvortrag des Beklagten ist schon zeitlich nicht hinreichend konkret. Zudem enthält er keine Ausführungen zu Art, Inhalt und zeitlichem Rahmen der Vertragsverhandlungen. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht auch nicht festgestellt, vor dem 21. Juli 2009 habe es keine Verhandlungen gegeben. Unstreitig ist vielmehr, dass es Gespräche mit Z gegeben hat. Unklar ist, wann genau diese stattfanden und welchen Inhalt sie hatten. Der Sachvortrag, es habe im August 2009 durch die E GmbH ein Angebot gegeben war schließlich durch die Einlassung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht überholt, weshalb sich das Landesarbeitsgericht hiermit nicht näher auseinandersetzen musste. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2010 erklärt, „womöglich habe es am 21.07.2009 bereits ein Angebot gegeben. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben hat“. Mit diesem Vortrag genügte der Beklagte seiner Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht. Zur Widerlegung der gegen die Stilllegungsabsicht sprechenden Vermutung der Betriebsfortführung hätte der Beklagte konkret dartun müssen, wann und auf wessen Initiative, Verhandlungen mit der LPP oder der E GmbH bzw. mit den für diese handelnden Personen stattgefunden hatten. Nur so wäre auszuschließen, dass eine Betriebsveräußerung schon zum Kündigungszeitpunkt ins Auge gefasst war. Soweit der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt, dass ein Angebot der „E bzw. der LPP GmbH erstmalig am 21.07.2009 in notariell beglaubigter Form“ erfolgt ist, welches bis zum 15. September 2009 habe geprüft werden können, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz nicht zu beachtenden neuen Sachvortrag, § 559 Abs. 1 ZPO. Die erhobene Verfahrensrüge nach § 139 Abs. 2 ZPO bleibt demzufolge ohne Erfolg.

55

Auch die übrigen vom Beklagten erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln sind nicht durchgreifend. Insoweit sieht der Senat nach § 564 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG von einer Begründung ab.

56

3. Für den Prüfungsmaßstab und die Darlegungslast des Arbeitgebers ist es unerheblich, ob dem Arbeitnehmer ggf. ein Anspruch auf Wiedereinstellung zusteht, wenn sich die Prognose des Arbeitgebers bezüglich der Betriebsstilllegung als fehlerhaft erweist. Denn der von einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch vermittelte Schutz bleibt hinter dem des Kündigungsschutzgesetzes zurück (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118). Insbesondere trägt der Arbeitnehmer, der einen Wiedereinstellungsanspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98). Auch erlischt ein möglicherweise entstandener Wiedereinstellungsanspruch, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, was der Fall sein kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz schon mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt und damit Dispositionen getroffen hat (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51). Vor allem kommt nach der Rechtsprechung des Senats ein Wiedereinstellungsanspruch bei einem Betriebsübergang nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bei einer insolvenzbedingten Kündigung ohnehin nicht in Betracht (vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 199/04 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 30).

57

III. Da die streitgegenständliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und mithin rechtsunwirksam ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), bedarf es keiner Entscheidung, ob die Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist.

58

C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    Mallmann    

                 

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.

(2) Die Agentur für Arbeit kann im Einzelfall bestimmen, daß die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.

(3) (weggefallen)

(4) Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 einer erneuten Anzeige.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.

(2) Die Agentur für Arbeit kann im Einzelfall bestimmen, daß die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.

(3) (weggefallen)

(4) Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 einer erneuten Anzeige.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 31. Oktober 2011 - 17 Sa 761/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin und die Beklagte zu 1. streiten noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung beendet wurde oder fortbesteht. Die Klägerin hat ursprünglich vorrangig gegenüber der Beklagten zu 2. das Klageziel der Feststellung verfolgt, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist und fortdauert. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Revision hat sie jedoch im Verlauf des Revisionsverfahrens zurückgenommen.

2

Die Beklagte zu 1., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen, ist eine ehemalige Fluggesellschaft, deren Hauptanteilseigner der griechische Staat ist. Sie unterhielt in Deutschland eine Niederlassung in F mit 36 Arbeitnehmern. Daneben beschäftigte sie weitere 33 Arbeitnehmer in den Stationen B, D, M und S. Keiner dieser Arbeitnehmer war im Flugbetrieb eingesetzt. Sie betreuten vielmehr den Bodenbetrieb des Flugverkehrs der Beklagten zu 1. von und nach Deutschland. Dazu gehörte ein Teil der Aufgaben der flughafenbezogenen Abfertigung von Passagieren und Fracht. Die Arbeitnehmer gaben zB Tickets aus, reservierten Sitzplätze, betreuten die Passagiere und Reisebüros und rechneten gegenüber Frachtkunden ab. An allen Standorten bestand ein Betriebsrat, zudem war ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

3

Der griechische Staat erbrachte gegenüber der Beklagten zu 1. wiederholt Leistungen, um den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Europäische Kommission leitete deshalb mehrere Verfahren wegen unionsrechtswidriger Beihilfen ein. Im Jahr 2008 unterrichtete Griechenland die Europäische Kommission nach Art. 88 Abs. 3 EG(jetzt: Art. 108 Abs. 3 AEUV) über Pläne, bestimmte Vermögenswerte ua. der Beklagten zu 1. an die P A S.A. zu verkaufen und danach die Beklagte zu 1. zu liquidieren. Im September 2008 entschied die Europäische Kommission, dass die gemeldete Maßnahme keine staatliche Beihilfe iSv. Art. 87 Abs. 1 EG(jetzt: Art. 107 Abs. 1 AEUV) sei.

4

Der griechische Gesetzgeber verabschiedete mit Wirkung vom 23. Oktober 2008 das Gesetz 3710/2008. Mit dessen Art. 40 wurde in das Gesetz 3429/2005 Art. 14 A eingefügt. Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 lautet in der beglaubigten Übersetzung auszugsweise:

        

„Sonderliquidation öffentlicher Unternehmen

        

1.    

Öffentliche Unternehmen, die vermehrt:

        

a)    

schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Problemen bei der Strukturierung ihres Eigenkapitals gegenüberstehen oder offensichtlich nicht in der Lage sind, die ihnen gesetzten Zahlungsfristen einzuhalten, oder bei denen sich der Wert des Eigenkapitals gemäß der zuletzt veröffentlichten Bilanz in einer Weise gemindert hat, dass der Artikel 48 des kodifizierten Gesetzes k.n. 2190/1920 Anwendung findet, und

        

b)    

in der Vergangenheit bereits staatliche Beihilfen bezogen haben, weshalb die Gewährung weiterer Beihilfen einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts bedeuten würde, können sich in Abweichung von den Bestimmungen des Insolvenzgesetzbuches einer Sonderliquidation unterziehen. In diesem Fall wird ein Liquidator bestimmt. Liquidator darf jede natürliche oder juristische Person sein, die von den die Liquidation Beantragenden vorgeschlagen wird; Letztere reichen bei dem gemäß dem nachstehenden Absatz zuständigen Gericht die von der als Liquidator vorgeschlagenen Person abgegebene Erklärung darüber ein, dass sie diesen Vorschlag annimmt.

        

2.    

Die Sonderliquidation eines unter Punkt 1 fallenden Unternehmens beantragen entweder a) die Gläubiger, die mindestens 51 Prozent der gegen das Unternehmen bestehenden Forderungen, deren Fälligkeitsdatum bereits überschritten ist und die vor der Antragstellung ordnungsgemäß an der entsprechenden Stelle des letzten Hauptbuches eingetragen wurden, vertreten, wobei die Beweise zu der nicht erfolgten ordnungsgemäßen Einhaltung des Fälligkeitsdatums in jedweder rechtmäßigen Form erbracht werden können - zu diesen Gläubigern müssen dabei zumindest bezüglich der Hälfte der Forderungen der griechische Staat oder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Sozialversicherungsträger zählen - oder b) der griechische Staat oder Gläubiger des Unternehmens, bei denen es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts oder um Sozialversicherungsträger handelt, oder c) Gesellschafter bzw. Aktionäre, die mindestens 51 Prozent des Stamm- bzw. Grundkapitals des Unternehmens vertreten, sofern der griechische Staat oder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Sozialversicherungsträger mindestens zur Hälfte beteiligt sind; der Antrag wird bei dem Efeteio [Berufungsgericht] eingereicht, in dessen Bezirk sich der Sitz des Unternehmens seiner Satzung zufolge befindet.

        

3.    

Der Termin der Verhandlung über den in Punkt 2 genannten Antrag wird in einem Zeitraum von nicht mehr als vier Tagen ab Einreichung dieses Antrags anberaumt. Solange der Antrag eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt, liegt die Zuständigkeit beim Efeteio [Berufungsgericht]. Falls eine oder beide Parteien das Erscheinen dritter Personen zu der Verhandlung beantragen, ist ein gesonderter Schriftsatz notwendig; eine derartige Beantragung ist allerdings unzulässig, sofern sie nicht mindestens vierundzwanzig Stunden vor der Verhandlung über den Antrag erfolgt. Eine Vertagung der Verhandlung ist auf keinen Fall gestattet. Während der Verhandlung dürfen von den Parteien Vorschläge unterbreitet werden. Der Beschluss des Efeteio [Berufungsgerichtes], gegen den weder ordentliche noch außerordentliche Rechtsbehelfe eingelegt werden dürfen, ist innerhalb von drei Tagen ab der Verhandlung über den Antrag bekanntzugeben.

        

4.    

Die Sonderliquidation bildet für das Unternehmen keinen Grund, sich aufzulösen, sie impliziert auch weder den Betriebsstillstand noch die Auflösung von mit dem Unternehmen bestehenden Verträgen verschiedenster Art noch stellt sie einen Grund zur Auflösung dieser Verträge dar. In jedem Falle bildet sie jedoch allein für den Liquidator einen Grund, mit dem Unternehmen bestehende Verträge jedweder Art zu kündigen. Der Liquidator führt die Geschäfte des Unternehmens, er verwaltet und vertritt es. Der Liquidator darf den sofortigen Betriebsstillstand oder die allmähliche Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs des Unternehmens sowie das Weiterbestehen oder die Beendung von mit dem Unternehmen bestehenden Verträgen verschiedenster Art beschließen: Insbesondere die mit dem Personal, das mit dem Unternehmen aufgrund eines abhängigen oder unabhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder durch die Erbringung von Leistungen der Rechtsberatung oder der juristischen Vertretung verbunden ist, bestehenden Arbeits-, Honorar- oder Werkverträge können nach der Bekanntgabe des entsprechenden Beschlusses des Efeteio [Berufungsgerichtes] und nach der von dem Liquidator erfolgenden Einschätzung sowie nach im Interesse der Liquidation liegenden Beschlüssen des Liquidators und je nach Notwendigkeit allesamt oder teilweise durch Auflösung gekündigt oder vorläufig außer Kraft gesetzt werden, ohne dass sich hieraus Strafzahlungen für das Unternehmen ergeben. In diesen Fällen wird vorausgesetzt, dass Maßnahmen, wie im Folgenden aufgeführt, ergriffen werden. Die Minister für Arbeit und Soziales, für Wirtschaft und Finanzen, für Inneres und der die Aufsicht über das Unternehmen führende Minister müssen das Ergreifen von sozialen Schutzmaßnahmen beschließen, wie insbesondere Programme zur Unterstützung von Arbeitslosen, zur Erbringung von Leistungen bei Einkommensverlust, zur Erbringung von Pauschalleistungen oder -mitteln, Programme zur Fortbildung, Umschulung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, Versetzung an Stellen bei öffentlichen Trägern und Behörden des öffentlichen Sektors, Vornahme von Einstellungen im öffentlichen Sektor, zugunsten der Arbeitnehmer, die mit dem Unternehmen aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses verbunden sind sowie zugunsten der in dem Unternehmen auf Honorarbasis beschäftigten Rechtsanwälte und Rechtsberater, deren Verträge wie oben dargestellt aufgelöst oder vorläufig außer Kraft gesetzt werden, wobei Fälle der Vertragskündigung wegen des Begehens einer Straftat bzw. der Folge des Begehens eines schweren Verstoßes gegen die vertraglichen Pflichten ausgenommen sind. Ebenso können die aufgrund der vorstehend dargestellten Ministerialbeschlüsse ergriffenen Maßnahmen bei Verträgen, die bis zu sechs Monate vor Beginn der Sonderliquidation des Unternehmens, wie oben ausgeführt, aufgelöst oder vorläufig außer Kraft gesetzt wurden, Anwendung finden.

        

...     

        
        

19.     

Bei Vorliegen eines triftigen Grundes und insbesondere in dem Fall, in dem der Liquidator den in dem vorliegenden Artikel dargelegten Verpflichtungen und Fristen nicht nachkommt, nimmt das Efeteio [Berufungsgericht] nach einem von den unter Punkt 2 des vorliegenden Artikels fallenden Personen gestellten Antrag sofort die Absetzung des Liquidators vor und ernennt als neuen diejenige Person, die von den vorstehend erwähnten Gläubigern gemäß Punkt 1 vorgeschlagen wurde.

        

20.     

Für die Dauer von achtzehn Monaten ab der Veröffentlichung des durch das Efeteio [Berufungsgericht] erlassenen Beschlusses über die Sonderliquidation des Unternehmens werden alle gegen das Unternehmen ergriffenen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sowie Sicherungsmaßnahmen vorläufig außer Kraft gesetzt.“

5

Im Rahmen des Privatisierungsverfahrens stellte die Beklagte zu 1. den Flugbetrieb weltweit Ende September 2009 ein. Anschließend nahm die P A S.A. den Flugbetrieb in Griechenland auf, ohne Ziele von und nach Deutschland anzusteuern. Die P A S.A. firmierte Anfang Oktober 2009 in Ol S.A. - die Beklagte zu 2. - um. Die Beklagte zu 2. beschäftigt in Deutschland keine Arbeitnehmer und unterhält in der Bundesrepublik keine Betriebsräume. Sie bietet auch keine Flugverbindungen von, in und nach Deutschland an, bediente jedoch seit 29. September 2009 einige der zuvor von der Beklagten zu 1. im Ausland angebotenen Flugverbindungen. Die Beklagte zu 2. erwarb vom griechischen Staat die Lizenzrechte an der Marke „O“. Der Flughafenkoordinator hatte ihr Anfang September 2009 auf ihren Antrag sog. Slots - dh. Zeitnischen für das Starten und Landen - für den Flughafen in F von der Beklagten zu 1. übertragen. Diese Slots wurden ihr am 28. September 2009 wieder entzogen, weil inzwischen bekannt geworden war, dass sie keine Flüge von und nach Deutschland anbieten würde. Die Slots wurden einer anderen Fluggesellschaft zugewiesen.

6

Auf Antrag der Griechischen Republik vom 24. September 2009 unterstellte das Berufungsgericht Athen (Efeteio) die Beklagte zu 1. mit Beschluss vom 2. Oktober 2009 der Sonderliquidation nach dem durch Art. 40 des Gesetzes 3710/2008 eingefügten Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005. Das Gericht setzte die E S.A., eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Athen, als Liquidatorin ein. Bereits am 27. Mai 2009 war in der Zeitung der Regierung der Griechischen Republik (Band Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Bl. Nr. 3847) ein Protokoll des Verwaltungsrats der E S.A. veröffentlicht worden. Danach hatte dieser entschieden, dem Direktor T und dem geschäftsführenden Ratsmitglied Ma die volle Verwaltungs- und Vertretungsmacht der Gesellschaft zu übertragen. Das sollte für alle Fragen außer denjenigen gelten, die nach dem Gesetz eine kollektive Handlung des Verwaltungsrats erforderten. Die beiden Verwaltungsratsmitglieder sollten jeder getrennt handeln können. Im Rahmen ihrer Handlungsmacht sollten sie das Recht haben, unter Gewährung von notariellen Vollmachten oder Vollmachtsurkunden die Ausführung konkreter Aufträge zur Vertretung der Gesellschaft vor Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden oder gegenüber Dritten an Angestellte der Gesellschaft oder andere zu übertragen.

7

Von August bis Dezember 2009 fanden in Deutschland zwischen der Beklagten zu 1. und dem Gesamtbetriebsrat Interessenausgleichsverhandlungen vor der Einigungsstelle statt. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich scheiterten, der Sozialplan vom 4. Dezember 2009 kam durch Spruch der Einigungsstelle zustande.

8

Die Klägerin war seit Februar 1992 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin, der O A S.A., in der Station F beschäftigt, zuletzt als Ticketing/Reservation Agent. In dieser Station waren 36 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter mehr als fünf schon vor dem 1. Januar 2004. Die maßgeblichen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Beschäftigungsbedingungen. Nach Nr. 20 dieser Bestimmungen galten sie für die im Anhang 1 aufgeführten Personengruppen, die örtlich in Deutschland durch die Beklagte zu 1. angestellt wurden. Dazu gehörte auch die Funktion als Ticketing/Reservation Agent.

9

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 leitete Rechtsanwalt G, der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1., die Anhörung des Betriebsrats der Station F zu der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin ein. In diesem Schreiben ist ua. ausgeführt:

        

„Betriebsratsanhörung im Sinne des § 102 BetrVG

        

Mitteilung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG

        

Kündigung des Arbeitsverhältnisses

        

Sehr geehrter Herr …,

        

wie bereits aus dem Einigungsstellenverfahren aktenkundig, vertrete ich die Firma E S.A., …, als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert.

        

Ich nehme Bezug insbesondere auf die im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens geführten Gespräche und das Ihnen sicherlich zugeleitete Sitzungsprotokoll nebst Sozialplan vom 04.12.09. Wie daraus ersichtlich ist, sind die Interessenausgleichsgespräche leider gescheitert; ein Sozialplan ist im Wege des Spruchs zustande gekommen.

        

Zu den Hintergründen vorliegender Anhörung teile ich mit, dass nachdem der Flugbetrieb des Unternehmens Ende September 2009 eingestellt wurde, die vollständige Betriebsstilllegung in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen und nunmehr in die Wege geleitet ist. Ich überreiche in Anlage das Schreiben meiner Partei vom 01.12.09 nebst amtlicher Übersetzung. Dieses Schreiben wurde dem Gesamtbetriebsrat am 04.12.09 bereits übergeben.

        

Wie daraus ersichtlich ist, wurde das Unternehmen mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom 02.10.09 unter Sonderliquidation im Sinne von Art. 1 der EU-Verordnung-Nr. 1346/2000 nebst Anhängen I und II gestellt, somit dieses Verfahren einem Insolvenzverfahren gleichzustellen ist.

        

Folglich gilt es, sämtliche derzeit in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden 69 Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der Kündigungsfrist von drei Monaten, gem. § 113 InsO, zu kündigen. Die Bundesagentur für Arbeit wurde über die Vorgänge in Kenntnis gesetzt.

        

Vorliegend ist mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, folgendes Arbeitsverhältnis mit der o.g. 3-monatigen Kündigungsfrist zum 31.03.2010 zu kündigen:

        

Frau V, … .

        

Frau V ist 1970 geboren, verheiratet und gegenüber zwei Kindern, lt. Steuerkarte, zum Unterhalt verpflichtet. Sie wurde am 15.02.1992 eingestellt und ist in Vollzeit als Tkt./Res. Agent am F Stadtbüro beschäftigt. Ihr letztes Bruttogehalt betrug ca. € 2.985,00 monatlich. Frau V befindet sich derzeit und bis zum 26.09.2011 in Elternzeit.

        

...“   

10

Der Betriebsrat der Station F widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 22. Dezember 2009. Er rügte ua. nach § 174 BGB das Fehlen einer Originalvollmacht für Rechtsanwalt G, Kündigungen zu „betreiben“.

11

Am 17. Dezember 2009 erstattete die Beklagte zu 1. bei der Agentur für Arbeit F eine Massenentlassungsanzeige zur Beendigung aller 36 Arbeitsverhältnisse in dieser Station. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige „vom 15.12.09 der O S.A.“ und teilte mit:

        

„Ihre Anzeige gemäß § 17 KSchG ist am 17.12.09 (wirksam) eingegangen.

        

Auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 27.01.2005 ist die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis, das als Entlassung gilt.

        

Entlassungen (Kündigungen), die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden (§ 18 Abs. 1 KSchG).

        

Im Einzelfall kann die Agentur für Arbeit bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG).

        

Im vorliegenden Fall beginnt die einmonatige Sperrfrist am 18.12.09 und endet am 17.01.10.

        

Die 36 Kündigungen werden nach dieser Frist wirksam.

        

Gründe, die eine Sperrfristverlängerung auf bis zu zwei Monate rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

        

...     

        

Der Vorsitzende des Betriebsrates erhält eine Durchschrift dieses Schreibens.

        

…“    

12

Mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2009 teilte die Agentur für Arbeit darüber hinaus mit:

        

„...   

        

der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 27.01.2005 beschlossen, dass bereits die Kündigungserklärung (Ausspruch der Kündigung) des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung im Sinne des § 17 Kündigungsschutzgesetz gilt. Deshalb muss eine rechtswirksame Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit vor Ausspruch der Kündigungen vorliegen.

        

Ihre Anzeige ist am 17.12.09 rechtswirksam eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ihrerseits Kündigungen ausgesprochen werden.

        

Die Sperrzeit vom 18.12.09 bis 17.01.10 regelt, dass kein Arbeitsverhältnis vor dem 18.01.10 enden darf. Ihrer Anzeige kann ich ersehen, dass die ersten Beendigungen ab 31.03.10 vorgesehen sind. Da die Sperrzeit aber bereits am 17.01.10 endet, muss eine Verkürzung dieser nicht erfolgen. Ich sehe ihren Antrag hiermit als gegenstandslos an.“

13

Mit Schreiben vom 24. Dezember 2009, die den Arbeitnehmern am 28. Dezember 2009 zugingen, kündigte Rechtsanwalt G die Arbeitsverhältnisse mehrerer Arbeitnehmer, die in der Station F beschäftigt wurden, zum 31. März 2010. Weitere Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern dieser Station kündigte Rechtsanwalt G unter dem 15. Januar 2010 zum 30. April 2010.

14

Zum 1. Januar 2010 entzog die griechische Luftfahrtbehörde der Beklagten zu 1. die Fluggenehmigung.

15

Das Regierungspräsidium Darmstadt erklärte die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf Antrag von Rechtsanwalt G vom 16. Dezember 2009 mit Bescheid vom 2. März 2010 nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG für zulässig.

16

Mit Schreiben vom 10. März 2010, das der Klägerin am 12. März 2010 zuging, kündigte Rechtsanwalt G „namens und in Vollmacht des Sonderliquidators“ das Arbeitsverhältnis mit ihr zum 30. Juni 2010. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 2. März 2010, mit dem die Kündigung für zulässig erklärt worden war, wurde der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zeitgleich bekannt gegeben. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

        

„O S.A. ./. V

        

hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

Sehr geehrte Frau V,

        

wie bereits aktenkundig vertrete ich die Firma E S.A., gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer Herrn Ma, …, als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A.

        

Ich bin beauftragt, unter Vorlage einer Originalvollmacht, folgende Erklärungen abzugeben:

        

Namens und in Vollmacht des Sonderliquidators kündige ich …“

17

Dem Kündigungsschreiben war eine von Herrn Ma für die E S.A. unterzeichnete Originalvollmacht vom 11. Dezember 2009 zugunsten von Rechtsanwalt G beigefügt. Darin heißt es:

        

„…    

        

Hiermit bevollmächtige ich,

        

Firma E S.A., gesetzlich vertreten durch den Vorstand, Athen, Hellas,

        

als Sonderliquidator über das Vermögen der ‚Firma O S.A.‘ nach OLG Athen, Urteil 5714/2009,

        

Herrn Rechtsanwalt G

        

das Arbeitsverhältnis mit

        

Frau V

        

zu kündigen.

        

…“    

18

Rechtsanwalt G kündigte auch alle anderen Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland.

19

Mit nicht unterzeichnetem Telefax vom 1. April 2010, das in vollständiger Form am Abend des 6. April 2010 - dem Dienstag nach Ostern - beim Arbeitsgericht eingegangen ist und 109 Seiten umfasst, hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Das vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebene Original der Klageschrift vom 1. April 2010 ist am 8. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen. In der Klageschrift ist als Beklagte die „E S.A. … als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A.“ angegeben. Der Klageschrift sind ua. Ablichtungen des Kündigungsschreibens vom 10. März 2010 und der zugunsten von Rechtsanwalt G erteilten Vollmacht vom 11. Dezember 2009 beigefügt. Das Arbeitsgericht hat die Klägerin und die Beklagte zu 1. unter dem 25. Juni 2010 auf die fehlende Unterschrift auf dem zunächst eingegangenen Telefax der Klageschrift hingewiesen. Dieser Hinweis ist der Klägerin und der Beklagten zu 1. am 29. Juni 2010 zugestellt worden. Die Klägerin hat mit am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 2. Juli 2010 beantragt, die Klage nachträglich zuzulassen. Dieser Antrag ist der Beklagten zu 1. am 9. Juli 2010 zugestellt worden. Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat den Antrag mit einem im Einzelnen dargestellten Büroversehen seiner langjährigen Kanzleiangestellten K begründet und ihm eine eidesstattliche Versicherung dieser Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten beigefügt. Frau K hatte das Telefax der Klageschrift im Auftrag des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandt. Er hat die Zuverlässigkeit der Angestellten ergänzend mit Schreiben vom 11. Juli 2011 anwaltlich versichert und hierfür eine eidesstattliche Versicherung angeboten. Die Beklagte zu 1. hat die Verspätung der Klage mit Schriftsatz vom 12. Juli 2010 - beim Arbeitsgericht eingegangen am 14. Juli 2010 - gerügt und ist dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage entgegengetreten.

20

Die Klägerin wendet sich noch gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung vom 10. März 2010. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei nachträglich zuzulassen. Das Original der Kündigungsschutzklage sei am 1. April 2010 - Gründonnerstag - auf den Postweg gebracht worden. Unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten habe sie damit rechnen dürfen, dass das Original der Kündigungsschutzklage spätestens am 6. April 2010 - dem Tag nach Ostermontag - und damit rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingehen werde. Im Fall des rechtzeitigen Eingangs hätte sich die Frage der Übermittlung einer nicht unterschriebenen Klageschrift per Telefax am 6. April 2010 erübrigt. Der Klägerin sei aber auch insoweit kein Organisationsverschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Er habe seine Fachangestellte gebeten, die von ihm gefertigte und unterschriebene Klageschrift vorab per Telefax an das Arbeitsgericht zu übermitteln. Die Kündigung der Beklagten zu 1. sei unwirksam. Die E S.A. sei nicht zur Kündigung berechtigt gewesen. Ob die Kündigung genehmigungsfähig sei, beurteile sich nach griechischem Recht. Auch nach deutschem Recht könne einer Genehmigung keine Rückwirkung zukommen, weil es sich bei einer Kündigung um die Ausübung eines Gestaltungsrechts handle. Jedenfalls verstoße das griechische Sonderliquidationsverfahren gegen den deutschen ordre public. Die Klägerin hat die Betriebsratsanhörung und die Massenentlassungsanzeige als nicht ordnungsgemäß gerügt. Die Kündigung verletze zudem das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. sei zum 29. September 2009, 1. Oktober 2009 oder zu einem späteren Zeitpunkt auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Es habe der weltweite Unternehmensübergang einer weltweit tätigen Fluggesellschaft stattgefunden. Die Kündigung sei auch sozialwidrig.

21

Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,

        

1.    

die Klage vom 1. April 2010 nachträglich zuzulassen;

        

2.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2010 hinaus mit der Beklagten zu 2. fortbesteht;

        

3.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. März 2010 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 30. Juni 2010 hinaus unverändert fortbesteht;

                 

hilfsweise zum Klageantrag zu 3. festzustellen, dass die Beklagte zu 1. nicht zur Kündigung berechtigt war;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst worden ist und über den 30. Juni 2010 hinaus ungekündigt fortbesteht.

22

Die Beklagte zu 1. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe das Sonderliquidationsverfahren anerkannt, indem sie die Klage ausweislich der Klageschrift gegen die E S.A. gerichtet habe. Jedenfalls fänden §§ 335 ff. und insbesondere § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO Anwendung. Die Beklagte zu 1. hat die Betriebsratsanhörung und die Massenentlassungsanzeige für ordnungsgemäß gehalten. Eine Betriebsratsanhörung könne nicht mangels Vollmachtsnachweises analog § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden. Die Betriebsorganisation der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland sei vollständig aufgelöst worden. Ob die Beklagte zu 2. im Ausland Flugverkehr betreibe, sei für die Frage des Betriebsübergangs unerheblich. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einem übergegangenen Betriebsteil angehört habe und ihre Tätigkeit im Betriebsteil „Boden“ fortbestehe.

23

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kündigung nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam gelte. Die Kündigungsschutzklage sei nicht nachträglich zuzulassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen werde. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin zunächst an allen ihren Anträgen gegen die Beklagten zu 1. und zu 2. festgehalten. Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat sie die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Revision vollständig und die Revision gegen die Beklagte zu 1. hinsichtlich des Hilfsantrags zu 3. zurückgenommen. Der Senat hat in der Revisionsverhandlung vom 25. April 2013 darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin möglicherweise nicht zu einer Massenentlassung gehöre, weil der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG innerhalb der Frist von 30 Kalendertagen nicht erreicht worden sei. Die Parteivertreter haben Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äußern. Einer der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat beantragt, ihm zu diesem Gesichtspunkt eine Schriftsatzfrist einzuräumen. Der Senat hat das Urteil am Ende der Sitzung verkündet, ohne dem Klägervertreter eine Schriftsatzfrist einzuräumen.

Entscheidungsgründe

24

Die noch verbliebene, gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1. zu Recht zugelassen. Die Kündigungsschutzklage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. wurde mit dem 30. Juni 2010 beendet. Über den gegen die Beklagte zu 1. gerichteten allgemeinen Feststellungsantrag hat der Senat deshalb nicht zu entscheiden (Antrag zu 4.). Auch der allgemeine Feststellungsantrag im früheren Prozessrechtsverhältnis mit der Beklagten zu 2. (Antrag zu 2.) und der gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Antrag auf Feststellung, dass die E S.A. nicht zur Kündigung berechtigt war (Hilfsantrag zu 3.), fallen aufgrund der Rücknahme der Revision gegenüber der Beklagten zu 2. und der Teilrücknahme der Revision gegenüber der Beklagten zu 1. nicht zur Entscheidung des Senats an.

25

A. Die deutschen Gerichte sind auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29) ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1. ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat (vgl. EuGH 1. März 2005 - C-281/02 - [Owusu] Rn. 26, Slg. 2005, I-1383). Der Kündigungsschutzantrag ist kein Annexverfahren iSv. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Bei einem Annexverfahren wäre die internationale Zuständigkeit aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO den Gerichten des Staats der Verfahrenseröffnung, hier also den griechischen Gerichten, zugeordnet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das über das Vermögen der Beklagten zu 1. mit Beschluss des Berufungsgerichts Athen vom 2. Oktober 2009 eröffnete Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 idF des Art. 40 des Gesetzes 3710/2008(Sonderliquidationsverfahren) ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO ist. Kündigungsschutzklagen gegen eine - wie hier - nach deutschem Recht erklärte Kündigung fehlt der spezifische Insolvenzbezug, um den für ein Annexverfahren erforderlichen engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren zu bejahen. Das gilt auch dann, wenn die kurze Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO maßgeblich sein soll. Solche Klagen haben ihren Rechtsgrund nicht im Insolvenzrecht, sondern im Arbeitsrecht. Für sie bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deswegen nach der EuGVVO und nicht nach der EuInsVO (vgl. zB BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 24; ausführlich 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 16 ff.). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aufgrund der rügelosen Einlassung der Beklagten zu 1. jedenfalls aus Art. 24 EuGVVO, wenn sie nicht schon nach Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO aus dem Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts folgt.

26

B. Die noch gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig.

27

I. Die Zulässigkeit der Revision bestimmt sich nach deutschem Prozessrecht. Nach den Regeln des deutschen Internationalen Prozessrechts richtet sich das Verfahren auch in Fällen mit Auslandsberührung nach der lex fori, also dem Recht des angerufenen Gerichts und damit nach den inländischen Prozessvorschriften (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 19 mwN ).

28

II. Die beiden Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind postulationsfähig.

29

1. Rechtsanwalt P tritt in Deutschland mit dem Zusatz „Rechtsanwalt in Athen“ und damit als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt nach §§ 25 ff. des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) auf. Nach § 28 EuRAG darf er in gerichtlichen Verfahren mit Anwalts- und Vertretungszwang als Vertreter seines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem zugelassenen Rechtsanwalt(Einvernehmensanwalt) handeln. Dieses Einvernehmen ist nach § 29 Abs. 1 EuRAG bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Dem dienstleistenden europäischen Anwalt fehlt ohne diesen Nachweis die Postulationsfähigkeit. Seine Handlungen sind nach § 29 Abs. 3 EuRAG auf Dauer unwirksam(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 21 mwN ).

30

2. Der nach § 29 Abs. 1 EuRAG erforderliche Nachweis ist zwar nicht durch gesondertes Schreiben eines Einvernehmensanwalts erfolgt. Für den Nachweis genügt es aber, dass schon die Berufungsschrift nicht nur von Rechtsanwalt P, sondern zudem von Rechtsanwalt R unterzeichnet worden ist. Das gilt auch für alle späteren Schriftsätze der Klägerin. Damit hat ein in der Bundesrepublik Deutschland zugelassener Rechtsanwalt die Gewähr dafür übernommen, dass die Vorschriften des deutschen Prozessrechts sowie die geltenden Berufs- und Standesregeln beachtet werden (vgl. EuGH 25. Februar 1988 - C-427/85 - [Kommission/Deutschland] Rn. 23, Slg. 1988, 1123). Das Verlangen, ein gesondertes Schreiben vorzulegen, aus dem sich das Einvernehmen ergäbe, wäre eine bloße Förmelei, die mit dem Zweck des EuRAG nicht zu vereinbaren wäre. Dem europäischen dienstleistenden Rechtsanwalt soll im Interesse des freien Dienstleistungsverkehrs für Rechtsanwälte eine Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermöglicht werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 22).

31

3. Aus dem Akteninhalt geht nicht hervor, dass der Tätigkeitsschwerpunkt von Rechtsanwalt P in der Zeit seiner Bevollmächtigung durch die Klägerin nicht mehr außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegen hätte und er seine Tätigkeit deshalb in Deutschland nicht nur vorübergehend iSv. § 25 Abs. 1 EuRAG erbracht hätte(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 23 mwN ).

32

C. Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage ist unbegründet.

33

I. Die O S.A. als Schuldnerin ist, vertreten durch die E S.A. als Sonderliquidatorin, als Beklagte zu 1. passivlegitimiert. Die Auswirkungen der Bestellung der E S.A. zur Sonderliquidatorin über das Vermögen der Beklagten zu 1. als Schuldnerin sowie ihre Befugnisse und ihre Rechtsstellung als Liquidatorin beurteilen sich nach griechischem Recht. Das gilt unabhängig davon, ob das Sonderliquidationsverfahren ein Insolvenzverfahren iSv. Art. 2 Buchst. a EuInsVO ist. Der Senat musste den Gerichtshof der Europäischen Union daher nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV um Vorabentscheidung ersuchen, um die Frage zu klären.

34

1. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 1 des Gesetzes 3429/2005 hat die Sonderliquidation nicht die Auflösung des Schuldnerunternehmens zur Folge. Der Liquidator wird nicht Rechtsnachfolger des Unternehmens. Vielmehr werden die Geschäfte dieses Unternehmens nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 von dem Liquidator, der das Unternehmen vertritt, lediglich geführt. Anders als im deutschen Recht verbleibt damit die Arbeitgeberstellung bei dem Schuldnerunternehmen (vgl. zB BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 25; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 23).

35

2. Diese Rechtsstellung von Schuldnerunternehmen und Liquidator nach griechischem Recht ist hier maßgeblich.

36

a) Sollte das Sonderliquidationsverfahren nach Maßgabe der Art. 16 und 17 EuInsVO anzuerkennen sein, weil für Griechenland das Sonderliquidationsverfahren im Anhang A zur EuInsVO und der Sonderliquidator im Anhang C aufgeführt sind(in diesem Sinn wohl Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877), wäre für die Befugnisse der Beklagten zu 1. als Schuldnerin und der E S.A. als Liquidatorin nach Art. 4, 18 Abs. 1 EuInsVO als lex fori concursus griechisches Recht anzuwenden(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 27; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 25).

37

b) Wäre das Sonderliquidationsverfahren vom closed-list-system der EuInsVO nicht erfasst und damit der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eröffnet, bestimmten sich die Befugnisse von Schuldnerin und Liquidatorin ebenfalls nach griechischem Recht, § 335 InsO(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 28; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 26).

38

aa) In diesem Fall käme eine Anerkennung des Verfahrens nach dem in §§ 335 ff. InsO normierten deutschen autonomen Internationalen Insolvenzrecht in Betracht (vgl. BGH 3. Februar 2011 - V ZB 54/10 - Rn. 11, BGHZ 188, 177; Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877; ders. WM 2011, 1201, 1202; Stephan in HK-InsO 6. Aufl. Vor §§ 335 ff. Rn. 18 ff.; HambKomm/Undritz 4. Aufl. Vorbemerkungen zu §§ 335 ff. InsO Rn. 15). Die EuInsVO verdrängt das autonome nationale Recht außerhalb ihres Anwendungsbereichs nicht. Wird ein nationales Insolvenzverfahren von den Anhängen der EuInsVO nicht erfasst, bleibt ein Spielraum, den das nationale Internationale Insolvenzrecht nutzen kann (vgl. Mankowski Anm. NZI 2011, 876, 877). Das nimmt den Definitionen der EuInsVO als speziellerer Regelung des europäischen Internationalen Insolvenzrechts und deren Anhängen nicht die praktische Wirksamkeit (aA Cranshaw DZWIR 2012, 133, 134). Für die von ihren Anhängen nicht erfassten Verfahren reklamiert die EuInsVO keine Geltung und entfaltet daher keine Regelungssperre für das nationale autonome Internationale Insolvenzrecht. Insoweit gilt nichts anderes als für die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 EuInsVO(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 29; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 27; MünchKommBGB/Kindler 5. Aufl. Bd. 11 Vor §§ 335 ff. InsO Rn. 3).

39

bb) Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, bestimmten sich die Befugnisse der Schuldnerin und der Liquidatorin aufgrund von § 335 InsO ebenfalls nach griechischem Recht als der lex fori concursus(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 30; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 28; MünchKommInsO/Reinhart 2. Aufl. § 335 Rn. 65; LSZ/Smid Internationales Insolvenzrecht 2. Aufl. InsO § 335 Rn. 8).

40

cc) Sollte das Sonderliquidationsverfahren dagegen nicht als Insolvenzverfahren iSd. §§ 335 ff. InsO zu qualifizieren sein, sodass eine Anerkennung nach § 343 InsO ausschiede, wäre die gesellschaftsrechtliche Frage, wie die Beklagte zu 1. als Schuldnerin (organschaftlich) vertreten ist, gleichwohl nach griechischem Recht zu beantworten. Das Gesellschaftsstatut richtet sich nach dem Gründungsstatut und damit für die in Griechenland gegründete Beklagte zu 1. nach griechischem Recht. Nach allgemeiner Auffassung, die sich auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Sachen Centros (9. März 1999 - C-212/97 - Slg. 1999, I-1459), Überseering (5. November 2002 - C-208/00 - Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (30. September 2003 - C-167/01 - Slg. 2003, I-10155) stützt, richtet sich das Gesellschaftsstatut von Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet worden sind, nicht nach ihrem Verwaltungssitz, sondern nach ihrem Gründungsort. Die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit kann nur auf diese Weise gewahrt werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 31; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 29; BGH 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10 - Rn. 22, BGHZ 190, 364).

41

c) Der deutsche ordre public steht der Anerkennung der Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens nicht entgegen. Die Anerkennung führt nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts - insbesondere mit Grundrechten - offensichtlich unvereinbar ist (vgl. Art. 26 EuInsVO, § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO). Die Rügen der Klägerin greifen nicht durch.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte auch auf der Grundlage des deutschen ordre public nicht zu überprüfen haben, ob Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 und damit die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens durch das Athener Berufungsgericht der griechischen Verfassung widerspricht.

43

(1) Sollte das Sonderliquidationsverfahren nach Maßgabe der Art. 16 und 17 EuInsVO anzuerkennen sein, folgt dieses Ergebnis aus dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der in Satz 3 der 22. Begründungserwägung der EuInsVO niedergelegt ist.

44

(a) Dieses gegenseitige Vertrauen hat es ermöglicht, im Anwendungsbereich der EuInsVO ein für die Gerichte verbindliches Zuständigkeitssystem zu schaffen und auf die innerstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Anerkennung und die Vollstreckbarerklärung zugunsten eines vereinfachten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens für im Rahmen von Insolvenzverfahren ergangene Entscheidungen zu verzichten. Bestandteil des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens ist es, dass das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig gemacht wird, seine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 EuInsVO überprüft, dh. untersucht, ob der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in diesem Mitgliedstaat hat. Eine solche Prüfung ist unter Beachtung der wesentlichen Verfahrensgarantien, die ein faires Verfahren erfordert, vorzunehmen. Im Gegenzug dazu verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, dass die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anerkennen, ohne die Zuständigkeitsbeurteilung des ersten Gerichts überprüfen zu können (vgl. EuGH 2. Mai 2006 - C-341/04 - [Eurofood IFSC] Rn. 40 ff., Slg. 2006, I-3813). Nimmt ein Beteiligter an, dass der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen hat, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, hat er bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wurde, die im nationalen Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen die Eröffnungsentscheidung einzulegen (vgl. EuGH 2. Mai 2006 - C-341/04 - [Eurofood IFSC] Rn. 43, aaO).

45

(b) Nach diesen Grundsätzen darf der Senat nicht überprüfen, ob Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 gegen die griechische Verfassung verstößt. Das Athener Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit für die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens bejaht und das Gesetz damit schlüssig für verfassungskonform gehalten. Die zu akzeptierende Entscheidung des Gerichts des Eröffnungsstaats erfasst wegen des im Erwägungsgrund 22 der EuInsVO ausgedrückten uneingeschränkten Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nicht nur die Frage des Mittelpunkts der Interessen des Schuldners, sondern die gesamte Eröffnungsentscheidung als solche. Die Prüfung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 ist den griechischen Gerichten - ggf. mit den dortigen verfassungsrechtlichen Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen - vorbehalten.

46

(2) Sollte die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens § 343 InsO unterfallen, führten die von der Klägerin gerügten Verstöße des Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 gegen die griechische Verfassung dennoch nicht zu einer Verletzung des deutschen ordre public(§ 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO).

47

(a) Die Klägerin beanstandet verschiedene Verstöße gegen die griechische Verfassung. Sie hält die Fristen in Art. 14 A Nr. 3 des Gesetzes 3429/2005 für zu kurz, um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes in Art. 20 der griechischen Verfassung gerecht zu werden. Entsprechendes nimmt sie für die Unanfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses an. Die weiten Befugnisse des Liquidators, die Außerkraftsetzung des Zivilgesetzbuchs und das Verbot von einstweiligen Verfügungen für die Dauer von 18 Monaten ab Verkündung des Eröffnungsbeschlusses in Art. 14 A Nr. 20 des Gesetzes 3429/2005 verletzen nach Auffassung der Klägerin die zu beachtende Menschenwürde(Art. 2 der griechischen Verfassung), die wirtschaftliche Freiheit (Art. 5 der griechischen Verfassung) und das Recht der Arbeit (Art. 22 der griechischen Verfassung). Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmen mit anderen griechischen Arbeitnehmern, die von Arbeitsgesetzen, Kollektiv- und Einzelverträgen geschützt sind, verstößt aus Sicht der Klägerin gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 4 der griechischen Verfassung.

48

(b) Diese Rügen führen selbst dann nicht zu einer Verletzung des deutschen ordre public, wenn Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 tatsächlich gegen die griechische Verfassung verstoßen sollte. Mit dem deutschen ordre public ist eine Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er über die Frage entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint (vgl. BGH 16. September 1993 - IX ZB 82/90 - zu B I 5 der Gründe, BGHZ 123, 268). Für den deutschen ordre public kommt es nicht auf das griechische, sondern auf das deutsche Recht an. Und auch insoweit ist der Verstoß gegen eine Vorschrift mit Verfassungsrang für sich allein noch keine Verletzung des deutschen ordre public, solange kein Grundrecht des Betroffenen berührt wird (vgl. BGH 16. September 1993 - IX ZB 82/90 - zu B I 5 b der Gründe, aaO).

49

bb) Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 verletzt weder den verfahrensrechtlichen noch den materiellen deutschen ordre public.

50

(1) Bei der Sonderliquidation handelt es sich um ein Gesamtverfahren. Das Verfahren dient ua. der gemeinsamen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Dabei wird ein Insolvenzereignis vorausgesetzt. Die Eröffnung des Verfahrens verlangt neben in der Vergangenheit bezogenen staatlichen Beihilfen und einem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (heute: Unionsrecht) bei Gewährung weiterer Beihilfen alternativ, dass schwere wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Probleme bei der Strukturierung des Eigenkapitals auftreten oder das öffentliche Unternehmen offensichtlich nicht in der Lage ist, gesetzte Zahlungsfristen einzuhalten. Die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens hat den vollständigen oder zumindest teilweisen Vermögensbeschlag zur Folge.

51

(2) Ein Verstoß gegen den ordre public ist nur ausnahmsweise anzunehmen (vgl. zu Art. 26 EuInsVO EuGH 21. Januar 2010 - C-444/07 - [MG Probud ] Rn. 34, Slg. 2010, I-417; s. auch BAG 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06 - Rn. 19, BAGE 121, 309). Erforderlich ist eine offensichtliche Verletzung wesentlicher Grundsätze deutschen Rechts. Bloße Abweichungen vom deutschen Recht genügen nicht. In erster Linie ist darauf abzustellen, ob bereits die Eröffnung selbst aufgrund verfahrensrechtlicher Mängel gegen den deutschen ordre public verstößt (anerkennungsrechtlicher oder auch verfahrensrechtlicher ordre public). Eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public führt grundsätzlich dazu, dass der Verfahrenseröffnungsakt nicht anerkannt wird. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public kann aber auch dadurch begründet sein, dass die Anwendung ausländischen Rechts aufgrund von Kollisionsnormen nachgeordnete Folgewirkungen erzeugt (materiell-rechtlicher ordre public). Das entzieht der Anerkennung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht insgesamt die Grundlage, sondern führt dazu, dass die entsprechenden ausländischen Rechtsnormen nicht angewandt werden ( vgl. BGH 13. Oktober 2009 - X ZR 159/05 - Rn. 24 ).

52

(a) Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 ist kein Einzelfallgesetz iSv. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

53

(aa) Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers wird ua. durch das Verbot der Einzelfallgesetzgebung in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkt(vgl. BVerfG 22. Oktober 2008 - 2 BvR 749/08 - Rn. 39, BVerfGK 14, 357). Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, dass das Gesetz allgemein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist. Dass der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Fälle vor Augen hat, die er zum Anlass der Regelung nimmt, macht die Bestimmung nicht zu einem Einzelfallgesetz, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln. Die abstrakt-generelle Formulierung darf nicht dazu dienen, eine einzelfallbezogene Regelung zu verschleiern (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 2. März 1999 - 1 BvL 2/91 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 99, 367).

54

(bb) Nach diesen Grundsätzen ist Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 kein Einzelfallgesetz iSv. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich allenfalls um ein Anlassgesetz handelt. Die Regelung ist abstrakt formuliert und bezieht sich auf eine nicht abschließend bestimmte Zahl öffentlicher Unternehmen. Das zeigt die von der Klägerin zitierte Parlamentsdebatte über die Geltung für andere öffentliche Unternehmen (sog. D.E.K.O.). Der Umstand, dass die Regelung auf sie derzeit nicht anzuwenden ist, bedeutet nicht, dass künftige Anwendungsfälle bei einer veränderten wirtschaftlichen Situation von vornherein ausgeschlossen sind. Nur dann wäre ungeachtet der abstrakt-generellen Formulierung ein verdecktes Einzelfallgesetz anzunehmen (vgl. BVerfG 2. März 1999 - 1 BvL 2/91 - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 99, 367).

55

(b) Der nach Art. 14 A Nr. 2 des Gesetzes 3429/2005 eingeschränkte Kreis der Antragsberechtigten führt nicht zu einem Verstoß gegen den deutschen ordre public im Sinn einer Ungleichbehandlung der Gläubiger im Rahmen der grundsätzlich gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung(§ 1 InsO). Der griechische Gesetzgeber hielt sich auch nach deutschem Verständnis innerhalb der Grenzen seiner Gestaltungsmacht, indem er die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens für öffentliche Unternehmen an ein bestimmtes Gläubigerquorum band und von einer bestimmten Beteiligung der darin vertretenen öffentlichen Hand abhängig machte. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass private Gläubiger vom Antragsverfahren nicht ausgeschlossen sind, sondern nur mit der öffentlichen Hand insgesamt mindestens 51 % der Forderungen repräsentieren müssen. Davon muss die öffentliche Hand ihrerseits mindestens die Hälfte repräsentieren. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO ist die Antragsberechtigung zwar nicht auf bestimmte Gläubiger beschränkt. Die Eröffnung des Sonderliquidationsverfahrens dennoch anzuerkennen, ist nach inländischen Vorstellungen aber jedenfalls kein untragbares Ergebnis (vgl. BGH 13. Oktober 2009 - X ZR 159/05 - Rn. 20, 22 ; s. auch 16. September 1993 - IX ZB 82/90 - zu B I 5 der Gründe, BGHZ 123, 268). Dem steht nicht entgegen, dass das Insolvenzverfahren unmittelbar den Schutz und die Durchsetzung verfassungsrechtlich geschützter privater Interessen zum Ziel hat (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - Rn. 34, BVerfGE 116, 1). Private Gläubiger sind vom Antragsrecht bei öffentlichen Unternehmen nach Art. 14 A Nr. 2 des Gesetzes 3429/2005 nicht vollständig ausgenommen. Ihr Antragsrecht ist wegen des Quorums der öffentlichen Hand lediglich beschränkt. Das löst den Ausnahmetatbestand eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public nicht aus.

56

(c) Entsprechendes gilt für die kurzen Fristen im Eröffnungsverfahren nach Art. 14 A Nr. 3 des Gesetzes 3429/2005.

57

(aa) Die Voraussetzungen und Förmlichkeiten, die für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verlangt werden, unterliegen dem nationalen Recht und unterscheiden sich beträchtlich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. In manchen Mitgliedstaaten wird das Verfahren sehr kurz nach der Antragstellung eröffnet, die erforderlichen Nachprüfungen werden erst später vorgenommen. In anderen Mitgliedstaaten müssen bestimmte wesentliche Feststellungen, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen können, vor der Eröffnung des Verfahrens getroffen werden. In manchen nationalen Rechtsordnungen kann das Insolvenzverfahren für einige Monate „vorläufig“ eröffnet werden (vgl. EuGH 2. Mai 2006 - C-341/04 - [Eurofood IFSC] Rn. 51, Slg. 2006, I-3813).

58

(bb) Die kurzen Fristen im Eröffnungsverfahren widersprechen nicht dem deutschen ordre public. Eine bestimmte Länge der Frist gehört nicht zu den grundlegenden Verfahrensgarantien der deutschen Rechtsordnung. Selbst ein nach ausländischem Recht völlig fehlender Eröffnungsbeschluss und eine Eröffnung des Verfahrens auf bloßen Antrag des Schuldners lösen den Ausnahmetatbestand einer Verletzung des ordre public nicht aus (vgl. BGH 13. Oktober 2009 - X ZR 159/05 - Rn. 20, 22).

59

(d) Ein Verstoß gegen den ordre public ist auch nicht darin zu sehen, dass der Eröffnungsbeschluss des Athener Berufungsgerichts unanfechtbar ist.

60

(aa) Das deutsche Recht sieht nach § 34 Abs. 2 InsO ebenfalls nur eine sofortige Beschwerde des Schuldners, nicht aber der Gläubiger gegen den Eröffnungsbeschluss vor(vgl. BGH 21. Februar 2008 - IX ZB 96/07 - zu II der Gründe ). Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung das ausdrücklich vorschreibt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das Grundgesetz garantiert umfassenden Rechtsschutz lediglich zu dem Zweck des Schutzes subjektiver Rechte und daher auch nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt. Hingegen genügt weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkungen haben, weil der Einzelne in ihnen allein aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - Rn. 29, BVerfGE 116, 1). Die Forderungen der Gläubiger werden von Art. 14 Abs. 1 GG zwar auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung geschützt(vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - Rn. 34, aaO). Das erfordert aber weder ein Rechtsmittel noch einen Rechtsbehelf zugunsten einzelner Gläubiger. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dient der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger. Deshalb kommt nach deutschem Recht nur dem Schuldner ein Beschwerderecht gegen den Eröffnungsbeschluss zu.

61

(bb) Der Ausschluss eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs verstößt auch nach deutschem Verfassungsrecht nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (vgl. BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 107, 395). Der Gläubiger ist nach der Insolvenzordnung nicht berechtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mit der sofortigen Beschwerde anzugreifen. Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers ist hinzunehmen (vgl. BGH 30. März 2006 - IX ZB 36/05 - Rn. 6 mwN).

62

(e) Auch Art. 14 A Nr. 19 des Gesetzes 3429/2005, wonach bei Pflichtverletzungen auf Antrag die Absetzung des Liquidators und die Bestellung eines neuen Liquidators vorgesehen sind, verletzt nicht den deutschen ordre public.

63

(aa) Zum Teil wird angenommen, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit des Verwalters verletze den ordre public, weil bei einem vom Schuldner abhängigen Verwalter die Gefahr der Verletzung von Gläubigerrechten bestehe (vgl. AG Nürnberg 15. August 2006 - 8004 IN 1326/06 ua. - zu II der Gründe ). Die Unbefangenheit der Amtsführung, die § 56 Abs. 1 InsO unter dem Aspekt der Unabhängigkeit von den Gläubigern und dem Schuldner anspricht, ist nicht sichergestellt, wenn der Insolvenzverwalter jederzeit gewärtig sein muss, aufgrund von Rechtsfehlern bei seiner Bestellung entlassen zu werden. Darunter kann angesichts der vielfältigen und komplexen Aufgaben die Qualität der Abwicklung des Insolvenzverfahrens leiden. Der Insolvenzverwalter wird weder allein im Interesse der Gläubiger noch allein im Interesse des Schuldners tätig, sondern hat vielfältige Aufgaben wahrzunehmen, für deren Erfüllung er allen Verfahrensbeteiligten gegenüber verantwortlich ist (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 - Rn. 54, BVerfGE 116, 1).

64

(bb) Das Absetzungsrecht widerspricht gleichwohl nicht dem deutschen ordre public. Auch das deutsche Recht kennt mit § 57 InsO die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters. Zudem ist die Absetzung des Liquidators an enge Voraussetzungen gebunden. Der Kreis der antragsberechtigten Personen ist beschränkt. Es muss sich entweder um Gläubiger oder Gesellschafter bzw. Aktionäre des öffentlichen Unternehmens handeln. Zugunsten der öffentlichen Hand besteht ein qualifiziertes Quorum. Eine Absetzung ist nur aus triftigen Gründen möglich, insbesondere bei Pflichtverletzungen. Mit der Absetzung muss zugleich ein neuer Liquidator ernannt werden. Die Regelung in Art. 14 A Nr. 19 des Gesetzes 3429/2005 ist angesichts dieser engen Vorgaben nicht offensichtlich unvereinbar mit wesentlichen Grundgedanken des deutschen Insolvenzrechts. Bloße Abweichungen vom deutschen Recht genügen nicht ( vgl. BGH 13. Oktober 2009 - X ZR 159/05 - Rn. 24 ).

65

(f) Die fehlenden Befugnisse zur Insolvenzanfechtung verletzen weder den verfahrensrechtlichen noch den materiellen deutschen ordre public. Das zeigt sich schon an den beiden in Betracht kommenden Kollisionsnormen, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m EuInsVO regelt das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. § 339 InsO bestimmt, dass eine Rechtshandlung angefochten werden kann, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung erfüllt sind, es sei denn, der Anfechtungsgegner weist nach, dass für die Rechtshandlung das Recht eines anderen Staats maßgebend und die Rechtshandlung nach diesem Recht in keiner Weise angreifbar ist. Das deutsche Recht akzeptiert damit fehlende Anfechtungsmöglichkeiten.

66

(g) Soweit die Revision die Weite der Befugnisse des Sonderliquidators nach Art. 14 A Nr. 4 des Gesetzes 3429/2005 beanstandet, verletzt diese ebenfalls nicht den deutschen ordre public.

67

(aa) Das deutsche Recht sieht nicht nur eine Vertreterstellung vor, wie sie der Liquidator innehat, sondern einen Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 kennt zwar keine allgemeine Aufsicht des Athener Berufungsgerichts über den Liquidator, wie sie für den Insolvenzverwalter in § 58 Abs. 1 InsO geregelt ist. Art. 14 A Nr. 19 des Gesetzes 3429/2005 enthält aber das bereits beschriebene Absetzungsverfahren.

68

(bb) Die Weite der Befugnisse des Liquidators im Zusammenhang mit der Kündigung von Arbeitsverhältnissen nach griechischem Recht könnte im Übrigen ebenso wenig wie die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen die griechische Verfassung dazu führen, dass die Eröffnung selbst aufgrund verfahrensrechtlicher Mängel gegen den deutschen anerkennungsrechtlichen ordre public verstieße. Werden solche Verstöße unterstellt, verletzten sie allenfalls den deutschen materiell-rechtlichen ordre public, entzögen der Anerkennung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch nicht insgesamt die Grundlage. Sie führten nur dazu, dass die entsprechenden griechischen Rechtsnormen nicht angewandt würden ( vgl. BGH 13. Oktober 2009 - X ZR 159/05 - Rn. 24 ). Dieses Problem stellt sich hier schon deshalb nicht, weil auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin deutsches Recht anzuwenden ist, das mit dem Grundgesetz in Einklang steht.

69

II. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten zu 1., die mit dem Kündigungsschutzantrag geklärt werden soll, bestimmt sich nach deutschem Arbeitsrecht. Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das Sonderliquidationsverfahren der EuInsVO unterfällt. Der Senat braucht den Gerichtshof der Europäischen Union daher nicht anzurufen, um diese Frage zu klären.

70

1. Ist der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet, ist für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis nach Art. 10 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgeblich, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist(lex causae). Wäre das Sonderliquidationsverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, wäre nach § 337 InsO ebenfalls das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich. Die Bestimmung des § 337 InsO ist Art. 10 EuInsVO nachgebildet(vgl. BT-Drucks. 15/16 S. 18). Das Recht des Staats, dem das Arbeitsverhältnis unterliegt, soll auch die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diese Rechtsbeziehung bestimmen (vgl. Braun/Tashiro InsO 5. Aufl. § 337 Rn. 3). Handelte es sich überhaupt nicht um ein anzuerkennendes Insolvenzverfahren, wäre nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts zu bestimmen, welches Recht Anwendung fände.

71

2. In allen drei denkbaren Konstellationen ist nach den hier noch maßgeblichen Art. 27, 30 und 34 EGBGB zu ermitteln, welches Recht Anwendung findet. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass nach diesen Kollisionsregeln des Internationalen Privatrechts deutsches Arbeitsrecht für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgeblich ist. Rechtsfehler sind auf der Grundlage von Art. 30 Abs. 2 EGBGB nicht ersichtlich. Die mögliche Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen bei Kündigungen von Arbeitsverhältnissen mit Bezug zu unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen ist der zentrale Regelungsmechanismus des Internationalen Privatrechts, obwohl dieselbe Rechtspersönlichkeit - ggf. auf der Grundlage derselben unternehmerischen Entscheidung - gekündigt hat. Da deutsches Recht anzuwenden ist, kommt es nicht darauf an, ob die von Art. 14 A Nr. 4 Satz 6 und Satz 7 des griechischen Gesetzes 3429/2005 begründeten Voraussetzungen für die Kündigung in Form sozialer Schutzmaßnahmen erfüllt sind. Ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wirksam ist, beurteilt sich nach deutschem Recht und den in dieser Rechtsordnung vorgesehenen Schutzmechanismen.

72

III. Die Kündigung der Beklagten zu 1. gilt nicht bereits nach § 7 Halbs. 1 KSchG als rechtswirksam.

73

1. Dass sich die Kündigungsschutzklage gegen die „E S.A. … als Sonderliquidator über das Vermögen der Firma O S.A.“ als Beklagte zu 1. richtete, ist unschädlich. Sie war - wie auch die allgemeine Feststellungsklage (Antrag zu 4.) - von vornherein gegen die O S.A. gerichtet. Entsprechendes gilt für den zu 1. gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

74

a) Ist eine Parteibezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Ergibt sich aus den gesamten Umständen, wer als beklagte Partei gemeint ist, kann das Rubrum unbedenklich „berichtigt“ werden. Das gilt vor allem dann, wenn der Klageschrift das Kündigungsschreiben beigefügt ist, aus dem sich ergibt, von wem die Kündigung erklärt wurde. Entscheidend ist, dass die rechtliche Identität gewahrt bleibt. Bleibt die Partei nicht dieselbe, handelt es sich um eine Parteiänderung. Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung kann dagegen jederzeit von Amts wegen richtiggestellt werden. Das kann auch noch durch das Revisionsgericht geschehen (vgl. für die st. Rspr. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 41; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 f. mwN). Die Parteibezeichnung ist rechtsschutzgewährend auszulegen (vgl. BFH 17. Januar 2002 - VI B 114/01 - zu II 4 e der Gründe, BFHE 198, 1). Die Vorschriften des Verfahrensrechts sind kein Selbstzweck. Art. 19 Abs. 4 GG verbietet, den Zugang zu den Gerichten in einer aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(vgl. BVerfG 9. August 1991 - 1 BvR 630/91 - zu II 1 der Gründe; BAG 27. November 2003 - 2 AZR 692/02 - zu B I 1 a cc (1) der Gründe, BAGE 109, 47).

75

b) Nach diesen Grundsätzen ist die unrichtige Bezeichnung der Beklagten zu 1. in der Klageschrift dahin auszulegen, dass sich die Klage von vornherein gegen die O S.A. unter Sonderliquidation, vertreten durch die Liquidatorin E S.A., richtete. Für die O S.A. war erkennbar, dass die Kündigungsschutzklage gegen sie erhoben werden sollte. Dafür spricht insbesondere das der Klageschrift beigefügte Kündigungsschreiben. Daraus geht hervor, dass die Kündigung unter dem Betreff „O S.A. ./. ... hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ erklärt wurde und der unterzeichnende Rechtsanwalt G den Geschäftsführer der Sonderliquidatorin E S.A. vertrat. Damit konnten bei objektiver Würdigung keine berechtigten Zweifel bestehen, dass sich die Klage von Anfang an gegen die O S.A. als Beklagte zu 1. und nicht gegen die E S.A. richten sollte, die die Kündigung nur als Vertreterin erklären ließ. Der Senat hat die ungenaue Parteibezeichnung daher richtiggestellt.

76

2. Die Wirksamkeitsfiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht eingetreten. Die Kündigungsschutzklage ist verspätet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage jedoch zu Recht nachträglich zugelassen.

77

a) Der Senat hat zu prüfen, ob die Klagefrist versäumt und die Klage ggf. nachträglich zuzulassen ist. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist ein Hilfsantrag für den Fall, dass die Klage verspätet ist. Das Gericht darf über den Antrag nur entscheiden, wenn es der Ansicht ist, der Kläger habe verspätet Klage erhoben (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 14; 28. Mai 2009 - 2 AZR 732/08 - Rn. 17, BAGE 131, 105).

78

b) Die Klagefrist ist versäumt. Das unterzeichnete Original der Klageschrift, das am 8. April 2010 beim Arbeitsgericht einging, wahrte weder die Frist des § 4 Satz 1 KSchG noch die des § 4 Satz 4 KSchG.

79

aa) Der Senat kann offenlassen, ob für den Beginn der Frist nach § 4 Satz 1 KSchG auf den Zugang der Kündigung am 12. März 2010 oder nach § 4 Satz 4 KSchG auf die Bekanntgabe des Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 2. März 2010 abzustellen ist. Die Klagefrist begann in beiden Fällen am 12. März 2010 (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 221/10 - Rn. 21, BAGE 137, 113; 19. Februar 2009 - 2 AZR 286/07 - Rn. 23, 27; 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 46, 48, BAGE 125, 345; s. auch 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, BAGE 133, 249). Das Landesarbeitsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass der Zugang der Kündigung und die Bekanntgabe des Bescheids, mit dem die Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG für zulässig erklärt wurde, zeitgleich erfolgten. Zu welchem der beiden Ereignisse es zumindest eine logische Sekunde früher kam, ist für den Beginn der Klagefrist am 12. März 2010 unerheblich (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB).

80

bb) Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Kündigungsschutzklage war verspätet. Die dreiwöchige Klagefrist endete am 6. April 2010, dem Dienstag nach Ostern (§ 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 BGB; vgl. nur BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 38). Das unterzeichnete Original der Klageschrift ging erst am 8. April 2010 beim Arbeitsgericht ein (§ 253 Abs. 1, § 167 ZPO). Die Beklagte zu 1. rügte die Verspätung der Klage vor der nächsten mündlichen Verhandlung am 6. April 2011 mit Schriftsatz vom 12. Juli 2010, der am 14. Juli 2010 beim Arbeitsgericht einging. Deshalb kann auf sich beruhen, ob sich die Beklagte zu 1. nach dem Hinweis des Arbeitsgerichts vom 25. Juni 2010 rügelos iSv. § 295 Abs. 1 Alt. 2 ZPO auf den Mangel der innerhalb der prozessualen Klageerhebungsfrist nicht unterschriebenen Klageschrift hätte einlassen können (so BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 52, 263; bestätigt von 6. August 1987 - 2 AZR 553/86 - zu II 2 d und e der Gründe; offengelassen von BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 15, 20).

81

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht nachträglich zugelassen. Seine Würdigung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

82

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben.

83

bb) Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet.

84

(1) Der Zulassungsantrag ist zulässig.

85

(a) Die Fristen des § 5 Abs. 3 KSchG sind eingehalten.

86

(aa) Die zweiwöchige Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist gewahrt.

87

(aaa) Die Antragsfrist beginnt, wenn das Hindernis, das der rechtzeitigen Klageerhebung entgegenstand, behoben ist. Der Begriff des Hindernisses in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG knüpft an den der Verhinderung in § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG an. Ist die fortbestehende Unkenntnis nicht länger unverschuldet, beginnt die Zweiwochenfrist. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wird dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet(vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 41; 28. Mai 2009 - 2 AZR 548/08 - Rn. 12 ff.; 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 20 ff., BAGE 129, 32). Es kommt darauf an, wann der Prozessbevollmächtigte erkannt hat oder unter Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass die Klage verspätet ist.

88

(bbb) Nach diesen Grundsätzen ist die zweiwöchige Antragsfrist eingehalten. Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin erfuhr erst durch den gerichtlichen Hinweis vom 25. Juni 2010, der ihm am 29. Juni 2010 zugestellt wurde, davon, dass das am 6. April 2010 an das Arbeitsgericht versandte Telefax seine Unterschrift nicht abbildete. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ging am 2. Juli 2010 beim Arbeitsgericht ein und wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. am 9. Juli 2010 zugestellt.

89

(bb) Die sechsmonatige Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist eingehalten. Sie begann mit dem Ende der Klagefrist des § 4 KSchG am 6. April 2010 (§ 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 BGB). Sie endete am 6. Oktober 2010 (vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 985/08 - Rn. 10 f., BAGE 133, 149). Der am 2. Juli 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene und der Beklagten zu 1. am 9. Juli 2010 zugestellte Zulassungsantrag wahrte damit die Sechsmonatsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

90

(b) Der Zulassungsantrag genügt auch den formellen Erfordernissen des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG.

91

(aa) Danach muss der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Angabe der die Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten. Zwischen der Verfahrensvoraussetzung der Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung und der Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulassung begründen, ist zu unterscheiden. Um der Verfahrensanforderung des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG gerecht zu werden, genügt die Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung. Die Glaubhaftmachung selbst ist eine besondere Art der Beweisführung, die auch noch später erfolgen kann.

92

(bb) Der Antrag vom 2. Juli 2010 wird diesen Erfordernissen gerecht. Er nennt mit dem detailliert geschilderten Büroversehen der Kanzleiangestellten K die Umstände, die die Zulassung begründen sollen. Als Mittel der Glaubhaftmachung ist konkludent die eidesstattliche Versicherung dieser Arbeitnehmerin angegeben, die dem Antrag beigefügt war.

93

(2) Der Zulassungsantrag ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat Tatsachen festgestellt, die es ihm erlaubten, darauf zu schließen, dass die Klägerin unverschuldet iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG gehindert war, die Klage gegen die Kündigung vom 10. März 2010 rechtzeitig zu erheben. Der von der Beklagten zu 1. mit der Berufungserwiderung bestrittene Vortrag der Klägerin ist nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts schlüssig und durch die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten K glaubhaft gemacht. Dagegen hat die Beklagte zu 1. auch keine Gegenrügen erhoben.

94

(a) Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 2. Juli 2010 dargelegt, dieser habe die Klageschrift am 1. April 2010 gefertigt. Er habe die seit vielen Jahren in Vollzeit bei ihm beschäftigte Kanzleiangestellte K gebeten, dem Arbeitsgericht den zweiseitigen Schriftsatz vorab per Telefax zu übermitteln und ihn danach mit dem umfangreichen Anlagenkonvolut mit normaler Post zu versenden. In der Akte sei für die Telefaxübermittlung eine weitere unterzeichnete Fassung der Klageschrift zurückbehalten worden. Der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei in der Folge verreist und am 11. April 2010 zurückgekehrt. Frau K habe ihn nach seiner Rückkehr darüber informiert, dass sie die Klageschrift am 1. April 2010 per Telefax nicht mehr erfolgreich habe versenden können. Sie habe mehrere Stunden versucht, den Schriftsatz zu übermitteln, jedoch keine positive Rückbestätigung im Sendeprotokoll erhalten. Ständig seien Fehlermeldungen eingegangen. Sie habe deswegen am 6. April 2010, dem Tag des Fristablaufs, bei der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts angerufen und nachgefragt, ob der Schriftsatz dort im Original eingegangen sei. Nachdem das verneint worden sei, habe sie dem Arbeitsgericht den Schriftsatz am 6. April 2010 - nun erfolgreich - per Telefax übersandt und versehentlich eine nicht unterschriebene Fassung verwandt. Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ferner ausgeführt, Frau K sei sonst absolut zuverlässig. Er könne sich nicht erinnern, wann ihr zuvor jemals ein solcher Fehler passiert sei.

95

(b) Nach diesem durch die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten K vom 2. Juli 2010 glaubhaft gemachten Vorbringen trifft die Klägerin nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts kein Verschulden an der Versäumung der Klagefrist. Ihr fällt weder ein eigenes noch ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes fremdes (Organisations-)Verschulden ihres früheren Prozessbevollmächtigten zur Last. Das Verschulden von dessen Kanzleiangestellter, die als Telefaxvorlage eine nicht unterschriebene Fassung der Klageschrift verwandte, ist der Klägerin nicht zuzurechnen.

96

(aa) Das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist ist dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen(vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 41; 28. Mai 2009 - 2 AZR 548/08 - Rn. 18; 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 23 ff., BAGE 129, 32). Ein Arbeitnehmer, der sich zur Klageerhebung eines Prozessbevollmächtigten bedient, haftet demgegenüber nicht für das Verschulden von Hilfspersonen seines Prozessbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt darf einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangen, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen. Versehen dieses Personals, die nicht auf eigenes Verschulden des Rechtsanwalts zurückzuführen sind, hat die Partei nicht zu vertreten. Solche einfachen Tätigkeiten sind die Überprüfung bestimmender Schriftsätze auf die erforderliche Unterschrift und das Absenden eines Telefaxes. Der Rechtsanwalt muss allerdings durch eine allgemeine Anweisung Vorsorge dafür getroffen haben, dass bei normalem Lauf der Dinge Fristversäumnisse wegen fehlender Unterschrift vermieden werden (vgl. BVerfG 14. Dezember 2001 - 1 BvR 1009/01 - zu B I 2 a der Gründe mwN). Den Prozessbevollmächtigten darf kein eigenes Organisationsverschulden an der Fristversäumung treffen, etwa bei der Auswahl oder Überwachung der Hilfsperson (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 548/08 - Rn. 19).

97

(bb) Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin kein Organisationsverschulden traf. Die Klägerin hat die tatsächlichen Abläufe am 1. und 6. April 2010 in der Kanzlei ihres früheren Prozessbevollmächtigten verständlich und geschlossen geschildert. Aus ihnen ergibt sich, auf welchen Umständen die Fristversäumung beruht und dass ihr kein Organisationsverschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugrunde liegt (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 548/08 - Rn. 21).

98

(aaa) Soweit das Landesarbeitsgericht es für plausibel gehalten hat, dass wegen des zu versendenden Telefaxes eine weitere unterschriebene Fassung der Klageschrift vom 1. April 2010 in der Handakte des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin verblieb, hat es sich damit in seinem tatrichterlichen Wertungsspielraum gehalten (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 36).

99

(bbb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt ist hier über eine allgemeine Anweisung hinaus eine konkrete Anweisung des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber Frau K zur Übermittlung einer unterschriebenen Fassung der Klageschrift vom 1. April 2010 per Telefax erfolgt. Sie ergibt sich schon daraus, dass der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorgetragen hat, er habe die Angestellte K gebeten, dem Arbeitsgericht die Klageschrift vorab per Telefax zu übermitteln und sie erst danach mit gewöhnlicher Post zu versenden. Er ging demnach vorrangig vom Versand derselben Fassung der Klageschrift sowohl per Telefax als auch mit der Post aus. Auf die ergänzenden Ausführungen des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu einer allgemeinen Organisationsanweisung mit Schreiben vom 11. Juli 2011 braucht deshalb nicht zurückgegriffen zu werden.

100

(c) Das vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dem Zulassungsantrag vom 2. Juli 2010 nach der nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts schlüssig wiedergegebene Geschehen am 1. und 6. April 2010 sowie die konkrete Anweisung am 1. April 2010 sind durch die eidesstattliche Versicherung der Angestellten K vom 2. Juli 2010 glaubhaft gemacht.

101

(aa) Die Glaubhaftmachung braucht dem Richter nicht die volle Überzeugung des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vermitteln, sondern lässt einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit - die überwiegende Wahrscheinlichkeit - ausreichen. Das ist der Fall, wenn bei umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen die Behauptung spricht (vgl. BAG 7. November 2012 - 7 AZR 314/12 - Rn. 40). Diese Würdigung ist - ebenso wie die Beweiswürdigung - grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht darf die tatrichterliche Würdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen (vgl. BGH 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - Rn. 7 ). Für die Glaubhaftmachung kann sich der Antragsteller aller Beweismittel einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen (§ 294 Abs. 1 ZPO).

102

(bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der vom damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin geschilderte Geschehensablauf am 1. und 6. April 2010 sei aufgrund der Plausibilität des Vortrags und der eidesstattlichen Versicherung von Frau K überwiegend wahrscheinlich, ist frei von Rechtsfehlern. Die glaubhaft gemachten Vorgänge schließen ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden an der Versäumung der Klagefrist aus.

103

(cc) Der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste die Verlässlichkeit der bei ihm langjährig beschäftigten Arbeitnehmerin K nicht glaubhaft machen, um ein der Klägerin zuzurechnendes Organisationsverschulden seinerseits auszuschließen.

104

(aaa) Im Zusammenhang mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung müssen nur bestrittene Umstände glaubhaft gemacht werden (vgl. LAG Nürnberg 4. Dezember 2006 - 7 Ta 207/06 - zu II 3 a und b der Gründe). Der Prozessgegner hat die Möglichkeit, Kenntnis von den vorgebrachten Zulassungstatsachen zu nehmen und sie zu bestreiten. Der Zulassungsantrag ist dem Gegner anders als zB der Arrestantrag (§ 920 Abs. 1 und Abs. 2, § 922 Abs. 3 ZPO) stets zuzustellen, wie sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 KSchG ergibt.

105

(bbb) Die Beklagte zu 1. hat die bisherige Verlässlichkeit der Fachangestellten K nicht bestritten. Sie brauchte deshalb nicht glaubhaft gemacht zu werden.

106

IV. Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Kündigungsschutzklage ist nicht unschlüssig, weil die Klägerin vorrangig behauptet, ihr Arbeitsverhältnis sei im Weg eines Betriebsübergangs bereits am 29. September oder 1. Oktober 2009, also vor Zugang der Kündigung am 12. März 2010, auf die frühere Beklagte zu 2. übergegangen. Die Klägerin hat sich hilfsweise darauf berufen, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs, der erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden habe, erklärt worden. Höchst hilfsweise hat sie sich das Vorbringen der Beklagten zu 1. und der früheren Beklagten zu 2. zu eigen gemacht, es sei nicht zu einem Betriebsübergang gekommen, und ihre Klage auch darauf gestützt. Damit ist die Klage jedenfalls nach dem Hilfsvorbringen schlüssig (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 20).

107

V. Der Hauptantrag zu 3. ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin und der Beklagten zu 1. wurde durch die Kündigung vom 10. März 2010 mit dem 30. Juni 2010 beendet. Daher kann auch nicht festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1. über den 30. Juni 2010 hinaus fortbesteht. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob der gegen die Beklagte zu 1. mit dem Antrag zu 4. gerichtete allgemeine Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist. Er ist nach gebotener Auslegung nur für den Fall gestellt, dass die Klägerin mit dem Kündigungsschutzantrag obsiegt.

108

1. Es ist nicht unklar, durch wen und in wessen Namen die Kündigung erklärt wurde. Die Auslegung der Vollmachtsurkunde ergibt, dass Rechtsanwalt G von der E S.A. als Sonderliquidatorin der Beklagten zu 1. bevollmächtigt wurde, die Kündigung zu erklären.

109

a) Die Erteilung einer Vollmacht ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, deren Inhalt durch Auslegung nach § 133 BGB zu ermitteln ist(vgl. BAG 10. August 1977 - 5 AZR 394/76 - zu I 1 a bb der Gründe). Maßgeblich ist bei einer in einer Urkunde verlautbarten Vollmacht die Verständnismöglichkeit des Geschäftsgegners, hier der Klägerin. Dabei können auch Inhalt und Zweck des zugrunde liegenden Geschäfts berücksichtigt werden, sofern es sich um Umstände handelt, die dem Geschäftsgegner bekannt sind (vgl. BGH 9. Juli 1991 - XI ZR 218/90 - zu 2 a der Gründe).

110

b) In der Vollmachtsurkunde vom 11. Dezember 2009 heißt es unmissverständlich, dass die E S.A., vertreten durch den Vorstand, als „Sonderliquidator“ über das Vermögen der Beklagten zu 1. Rechtsanwalt G bevollmächtige, die Kündigung zu erklären. Der Name der E S.A. ist durch Großbuchstaben hervorgehoben. Sie wird bereits dadurch eindeutig als Vollmachtgeberin gekennzeichnet.

111

c) Selbst wenn das Verwaltungsratsmitglied der E S.A. Ma nach griechischem Gesellschaftsrecht im Verhältnis zu Dritten nicht alleinvertretungsberechtigt gewesen sein sollte mit der Folge einer mängelbehafteten Bevollmächtigung von Rechtsanwalt G, konnte die E S.A. die Kündigung genehmigen.

112

aa) Welches Recht auf die Probleme einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anzuwenden ist (Vollmachtsstatut), ist gesetzlich nicht geregelt. Auch die hier noch nicht anwendbare Rom I-Verordnung bestimmt dazu nichts. Zum Schutz des Verkehrsinteresses muss das Vollmachtsstatut nach eigenen Anknüpfungsregeln ermittelt werden. Die Vollmacht wird nicht generell dem Recht, das für das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft gilt, unterstellt (vgl. Heinz Das Vollmachtsstatut S. 5; Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. IPR Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 1). Die Vollmacht ist nicht Bestandteil des Hauptgeschäfts, sondern in ihren Voraussetzungen und Wirkungen von diesem unabhängig. Sie kann deswegen Gegenstand eigenständiger kollisionsrechtlicher Interessen sein (vgl. Heinz aaO S. 14 mwN). Das Vollmachtsstatut bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht des Staats, in dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird oder werden soll, also nach dem Recht des Wirkungsorts (vgl. BGH 17. November 1994 - III ZR 70/93 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 128, 41; 26. April 1990 - VII ZR 218/89 - zu II 1 c der Gründe).

113

bb) Das Vollmachtsstatut bestimmt sich hier nach deutschem Recht. Die auf Rechtsanwalt G lautende Vollmacht wurde zwar in Athen ausgestellt. Von ihr sollte aber Gebrauch gemacht werden, um in der Bundesrepublik Deutschland eine Kündigung zu erklären. Die Kündigungserklärung sollte mit Wirkung für und gegen die E S.A. als gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland abgegeben werden und erfolgte auch dort.

114

cc) Das Vollmachtsstatut ist für alle Fragen maßgeblich, die die Vollmacht selbst betreffen. Es erstreckt sich auf das Bestehen der Vollmacht, insbesondere die Frage der wirksamen Erteilung der Vollmacht, auf ihren Inhalt, ihren Umfang und ihre Auslegung sowie ihre Dauer und Beendigung. Auch die Wirksamkeit erteilter Untervollmachten und die Frage, ob die Vollmacht überschritten oder missbraucht wurde, richtet sich nach dem Vollmachtsstatut (vgl. Heinz Das Vollmachtsstatut S. 28 f.; Leible IPRax 1998, 257, 258; Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. IPR Anh. zu Art. 10 EGBGB Rn. 3).

115

dd) Die Rüge der unwirksamen Erteilung der Vollmacht an Rechtsanwalt G allein durch das Verwaltungsratsmitglied Ma greift jedenfalls wegen einer wirksamen, konkludent durch die Prozessführung der Sonderliquidatorin für die Beklagte zu 1. erteilten Genehmigung nicht durch.

116

(1) Die organschaftliche Vertretung der E S.A. richtet sich als gesellschaftsrechtliche Frage nach dem Gesellschaftsstatut und damit nach griechischem Recht. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 vertritt der Liquidator das Unternehmen nach seiner Einsetzung. Die gesetzliche Bestimmung regelt die organschaftliche Vertretung der Aktiengesellschaft O S.A. im Rahmen der Sonderliquidation, mit anderen Worten eine gesellschaftsrechtliche Frage. Das Gesellschaftsstatut von Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurden, bestimmt sich nach dem Gründungsort, um die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit zu wahren (vgl. BGH 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10 - Rn. 22, BGHZ 190, 364; 12. Juli 2011 - II ZR 28/10 - Rn. 17, BGHZ 190, 242; s. auch EuGH 30. September 2003 - C-167/01 - [Inspire Art] Rn. 58 ff., Slg. 2003, I-10155; 5. November 2002 - C-208/00 - [Überseering] Rn. 52 ff., Slg. 2002, I-9919). Die Beklagte zu 1. ist eine in Griechenland gegründete Gesellschaft.

117

(2) Die Klägerin hat geltend gemacht, Herr Ma sei für die E S.A. nicht alleinvertretungsberechtigt gewesen. Damit hat sie sich auf ein Rechtsgutachten bezogen, das vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main in den Sachen - 2 Ca 399/10 - bis - 2 Ca 402/10 - eingeholt wurde. Das Rechtsgutachten ist unter dem 22. November 2011 von dem Athener Professor für Arbeits- und Sozialrecht Prof. Dr. Nikitas Aliprantis erstellt worden. Das Gutachten kommt zu mehreren Ergebnissen. Die unterbliebene Veröffentlichung der geänderten Zusammensetzung des Vorstands der E S.A. und der Alleinvertretungsberechtigung von Herrn Ma verletze das im einfachen griechischen Gesetzesrecht verankerte, unionsrechtlich determinierte materielle Publizitätsprinzip. Das habe zur Folge, dass die Beklagte zu 1. Kündigungen gekündigten Personen nicht entgegenhalten könne. Eine sog. Bestätigung der Kündigung habe den Mangel nach griechischem Recht nicht heilen können.

118

(3) Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin eine Gegenrüge im engeren Sinn, also eine Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO erheben musste, um die unterbliebene Ermittlung ausländischen Rechts zu beanstanden.

119

(a) Dagegen spricht, dass das Bundesarbeitsgericht annimmt, das Revisionsgericht sei verpflichtet, nach § 293 ZPO im Weg des Freibeweises eigene Ermittlungen hinsichtlich des ausländischen Rechts anzustellen, weil es sich um die Ermittlung von Recht und nicht um Tatsachenfeststellungen handle(vgl. schon BAG 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 - zu IV 2 der Gründe, BAGE 27, 99; s. auch 13. Februar 1992 - 8 AZR 216/91 - zu III 2 b der Gründe). Ggf. verlangt das Bundesarbeitsgericht Anhaltspunkte im Vortrag der Parteien, um eine weitere Ermittlungspflicht zu begründen (vgl. BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92 - zu VI der Gründe, BAGE 71, 297; s. auch 17. Januar 1985 - 2 AZR 5/84 - zu A II 3 der Gründe). Allerdings ist das Gericht an die rechtliche Einschätzung der Parteien nicht gebunden (vgl. BAG 9. Dezember 1976 - 2 AZR 581/75 - zu III 2 a der Gründe).

120

(b) Der Bundesgerichtshof geht demgegenüber davon aus, dass ausländisches Recht jedenfalls nach § 545 Abs. 1 ZPO in der bis 31. August 2009 geltenden Fassung nicht revisibel ist. Zulässig ist nach seiner Auffassung jedoch eine auf § 293 ZPO gestützte Verfahrensrüge, mit der die unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts durch das Tatsachengericht geltend gemacht wird(vgl. nur BGH 20. Juli 2012 - V ZR 142/11 - Rn. 33; 21. Dezember 2011 - I ZR 144/09 - Rn. 11; 20. Januar 2009 - VIII ZB 47/08 - Rn. 17).

121

(c) Der Senat kann zugunsten der Klägerin annehmen, dass diese die fehlerhafte Ermittlung des griechischen Rechts nicht durch Rüge des § 293 ZPO beanstanden musste oder sie eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben hat. Auf die Frage der Genehmigung der Kündigung ist deutsches Recht anzuwenden.

122

(aa) Der Senat lässt offen, ob die Genehmigung eines vollmachtlos vorgenommenen Rechtsgeschäfts dem Vollmachtsstatut oder dem Geschäftsstatut unterliegt. Nach überwiegender Auffassung entscheidet das Geschäftsstatut über die Zulässigkeit einer Vertretung ohne Vertretungsmacht sowie über die Genehmigungsfähigkeit, das „Wie“ und die Wirkungen einer Genehmigung. Das wird damit begründet, dass die Genehmigung nicht die Vollmacht nachträglich heilen oder ergänzen solle, sondern die Heilung des Hauptgeschäfts anstrebe. Eine andere Auffassung will auch das für die Genehmigung vollmachtloser Rechtsgeschäfte maßgebliche Recht nach dem Vollmachtsstatut bestimmen (vgl. Heinz Das Vollmachtsstatut S. 31 f.; Leible IPRax 1998, 257, 259, jeweils mwN zum Streitstand). Die Frage braucht nicht beantwortet zu werden, weil auf die Kündigung deutsches Recht anzuwenden ist. Wird nicht auf das Vollmachtsstatut, sondern auf das Geschäftsstatut abgestellt, bestimmt sich die Genehmigung vollmachtlosen Handelns also ebenfalls nach deutschem Recht.

123

(bb) Die Sonderliquidatorin E S.A. genehmigte durch ihre Prozessführung für die Beklagte zu 1. und insbesondere durch die sog. Bestätigung vom 23. Februar 2011 konkludent Handlungen von Herrn Ma ohne Vertretungsmacht und damit zugleich Handlungen von Rechtsanwalt G ohne rechtsgeschäftliche Vollmacht.

124

(aaa) Die Kündigung ist nach deutschem Recht ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist (§ 180 Satz 1 BGB). Nach § 180 Satz 2 BGB findet aber § 177 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht nicht „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ beanstandet(vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 858/11 - Rn. 14; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13; aA außerhalb der Kündigung von Arbeitsverhältnissen BGH 22. Oktober 1999 - V ZR 401/98 - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 143, 42; 29. Mai 1991 - VIII ZR 214/90 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 114, 360). Die Genehmigung wirkt dann nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück(vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 858/11 - aaO). Will der Erklärungsgegner diese Rechtsfolge abwenden, muss er die Vertretungsmacht unverzüglich iSv. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB rügen(vgl. BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 699/96 - zu B I der Gründe). Geschieht das nicht, ist die Kündigung dem Arbeitgeber mit Zugang der Genehmigung beim Arbeitnehmer zuzurechnen (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 858/11 - aaO; 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - Rn. 21 mwN).

125

(bbb) Die Klägerin rügte die Vollmacht von Rechtsanwalt G nicht unverzüglich, sondern frühestens mit der Klageschrift vom 1. April 2010 und damit deutlich über eine Woche nach Zugang der Kündigung am 12. März 2010.

126

(aaaa) Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche nicht unverzüglich iSv. § 174 Satz 1 BGB, wenn keine besonderen Umstände vorliegen. Diese Grundsätze gelten auch für die Rüge der Vollmacht „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ iSv. § 180 Satz 2 iVm. § 177 Abs. 1 BGB. Beanstandet der Gekündigte die Vollmacht nicht unverzüglich, kann der Vertretene die Kündigung genehmigen. Die Wochenfrist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung. Es soll schnell geklärt werden, ob er die Wirksamkeit der Kündigung unter formalen Gesichtspunkten infrage stellt. Die Rüge ist an keinerlei Nachforschungen über die wirklichen Vertretungs- und Vollmachtsverhältnisse gebunden und erfordert auch keinen schwierigen Abwägungsprozess. Eine Zeitspanne von einer Woche ist deshalb unter gewöhnlichen Umständen ausreichend, um die Entscheidung über die Rüge zu treffen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 67; für § 174 Satz 1 BGB 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33).

127

(bbbb) Die Klägerin hat hier nicht vorgebracht, von der Kündigung nicht bereits am Tag ihres Zugangs am 12. März 2010 Kenntnis erlangt zu haben. Sie hat auch keine besonderen Umstände für die Überschreitung der Wochenfrist geltend gemacht. Die Kündigung war damit nach § 177 Abs. 1, § 180 Satz 2 BGB genehmigungsfähig.

128

(cccc) Eine solche Genehmigung erteilte die E S.A. als Sonderliquidatorin im Verlauf des Rechtsstreits durch ihren gesamten Verwaltungsrat konkludent durch ihre Prozessführung für die Beklagte zu 1. Dass der gesamte Verwaltungsrat der Sonderliquidatorin das Handeln von Herrn Ma genehmigte, ergibt sich aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. Aliprantis. Es behandelt auf S. 4 die sog. Bestätigung des Verwaltungsrats der Sonderliquidatorin vom 23. Februar 2011, mit dem alle Verwaltungsratsmitglieder auf die durchgehend bestehenden Einzelvertretungsbefugnisse von Herrn Ma für die Sonderliquidatorin hinwiesen. Die Genehmigung einer Kündigung kann durch schlüssiges Handeln erfolgen (vgl. BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 699/96 - zu B I der Gründe). Diese Genehmigung der Kündigung durch das Prozessverhalten der E S.A. für die Beklagte zu 1. ging der Klägerin im Prozessverlauf zu (vgl. BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 699/96 - aaO; LAG Düsseldorf 17. Januar 2008 - 13 Sa 1988/07 - zu II 1 a (2) der Gründe). Damit war die Kündigung der Beklagten zu 1. als Arbeitgeberin zuzurechnen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 68).

129

2. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 102 BetrVG.

130

a) Der Betriebsrat der Station F konnte das Anhörungsschreiben nicht zurückweisen, weil ihm keine Originalvollmacht vorgelegt wurde. Die Anhörung wurde ordnungsgemäß eingeleitet. § 174 BGB erfasst weder unmittelbar noch analog eine solche Konstellation.

131

aa) Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Für solche Handlungen ist die analoge Anwendung des § 174 BGB grundsätzlich geboten(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 72; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 71; s. auch schon BGH 25. November 1982 - III ZR 92/81 - zu II 2 der Gründe; Soergel/Leptien 13. Aufl. § 174 Rn. 7).

132

(1) Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen nicht wie bei Willenserklärungen kraft des ihnen innewohnenden Willensakts, sondern kraft Gesetzes eintreten. Regelmäßig ermöglichen oder verhindern sie den Eintritt gesetzlich angeordneter Folgen des Tätigwerdens oder Untätigbleibens (vgl. BAG 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 1 b cc der Gründe, BAGE 101, 298; s. zB auch 1. Juni 2011 - 7 ABR 138/09 - Rn. 48; 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, BAGE 130, 1). In erster Linie handelt es sich dabei um Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, jedoch nicht unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet sind oder gerichtet sein müssen (vgl. BGH 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99 - zu II 1 b bb der Gründe, BGHZ 145, 343).

133

(2) Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat offengelassen, ob die Mitteilung iSv. § 102 Abs. 1 BetrVG wegen ihres fristauslösenden Charakters bereits eine Willenserklärung oder(nur) eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist (vgl. BAG 27. August 1982 - 7 AZR 30/80 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 40, 95). Im Hinblick darauf, dass eine ohne Anhörung des Betriebsrats erklärte Kündigung nach der gesetzlichen Anordnung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist, ist zumindest eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung anzunehmen(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 74; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 73).

134

bb) Eine analoge Anwendung des § 174 BGB auf die Anhörung des Betriebsrats ist nach dem Zweck des Anhörungserfordernisses in § 102 Abs. 1 BetrVG und dem Zweck der Zurückweisungsmöglichkeit des § 174 Satz 1 BGB gleichwohl ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - eine betriebsfremde Person als Botin des Arbeitgebers das Anhörungsverfahren eingeleitet hat.

135

(1) Die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (vgl. BAG 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Sinn des Anhörungserfordernisses ist es, dem Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Ermittlungen Gelegenheit zu geben, dem Arbeitgeber seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht zur Kenntnis zu bringen. Der Arbeitgeber soll die Stellungnahme des Betriebsrats - insbesondere dessen Bedenken und dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung - bei seiner Entscheidung über die Kündigung berücksichtigen können (st. Rspr., vgl. nur BAG 31. Mai 1990 - 2 AZR 78/89 - zu II 1 der Gründe). Das Verfahren nach § 102 BetrVG ist kein formalisiertes, an bestimmte Formvorschriften gebundenes Verfahren. Deswegen genügt auch eine mündliche oder fernmündliche Anhörung des Betriebsrats den Anforderungen des § 102 BetrVG(vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 37 mwN, BAGE 131, 155).

136

(2) § 174 BGB dient dem Gewissheitsinteresse des Gegners eines einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfts oder einer geschäftsähnlichen Handlung. Die Bestimmung soll klare Verhältnisse schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung berechtigt, wenn er keine Gewissheit hat, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und sich der Vertretene dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen muss. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung oder geschäftsähnlichen Handlung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen (vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 23, BAGE 137, 347).

137

(3) Bei einer Gesamtschau dieser Zwecke ergibt sich, dass der Zweck des § 174 BGB seine analoge Anwendung auf das Anhörungsschreiben iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfordert.

138

(a) Der Gesetzgeber misst dadurch, dass er das Anhörungsverfahren nicht formalisiert ausgestaltet und eine mündliche Anhörung nicht ausgeschlossen hat, dem Gewissheitsinteresse im Zusammenhang mit § 102 BetrVG keine schützenswerte Bedeutung bei. Bei einer telefonischen Anhörung ist ein Nachweis iSv. § 174 BGB ausgeschlossen. Dennoch soll durch eine solche Anhörung die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt werden können. Der Gesetzgeber geht ersichtlich davon aus, dass das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit iSv. § 2 Abs. 1 BetrVG, das auch im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zu beachten ist, ausreicht, um den Betriebsrat zu schützen, wenn er Zweifel daran hat, ob die ihm gegenüber Auftretenden berechtigt sind, für den Arbeitgeber tätig zu werden(vgl. BAG 14. August 1986 - 2 AZR 561/85 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 52, 346). Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit soll im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Offenheit und Ehrlichkeit gewährleisten. Beide Seiten sind verpflichtet, ihre Rechte so auszuüben, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich bleibt. Daraus folgt die Verpflichtung, sich bei der Verfolgung der uU unterschiedlichen Interessen an die Regeln zu halten, die Vertrauen erst ermöglichen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 79; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 78; Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 2 Rn. 13, 15).

139

(b) Es kann dahinstehen, ob der Betriebsrat bei Fehlen näherer Anhaltspunkte davon ausgehen muss, dass sich der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG nur ordnungsgemäß bevollmächtigter oder beauftragter Personen bedient. Jedenfalls ist dem Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG auch genügt, wenn der Bote oder Vertreter des Arbeitgebers keinen Nachweis seiner Botenmacht oder keine Vollmacht vorlegt. Der Betriebsrat ist auch in einem solchen Fall nicht gehindert, seine Auffassung zu der Kündigung zu äußern und Einfluss auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers zu nehmen (vgl. Hessisches LAG 25. Juli 2011 - 17 Sa 123/11 - zu B II 1 d bb (2) (v) der Gründe). Hat er Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung desjenigen, der ihm gegenüber bei der Anhörung aufgetreten ist, oder bezweifelt er, dass dieser seine Einwände zur Kenntnis nimmt und/oder an den Arbeitgeber weiterleitet, kann er seine Einwände dem Arbeitgeber unmittelbar mitteilen und den (betriebsfremden) Dritten umgehen. Ein abstrakt schützenswertes Interesse daran, klare Verhältnisse zu schaffen und sicher zu sein, dass die Stellungnahmefrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen beginnt oder begonnen hat, hat der Betriebsrat vor dem Hintergrund des Zwecks des § 102 BetrVG nicht(vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 80; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 79; aA LAG Baden-Württemberg 28. März 2012 - 20 Sa 47/11 - zu II 1 b bb (1) der Gründe).

140

b) Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte zu 1. ihren Kündigungsentschluss im Zeitpunkt der Anhörung abschließend gefasst hatte, wie sich aus dem Anhörungsschreiben ergibt. Es genügt, dass die Kündigung den Einflussbereich der Beklagten zu 1. bei der Anhörung noch nicht verlassen hatte. Damit war nicht auszuschließen, dass es dem Betriebsrat gelingen konnte, auf den Kündigungswillen der Arbeitgeberin einzuwirken (vgl. die st. Rspr. seit BAG 13. November 1975 - 2 AZR 610/74 - zu 3 a der Gründe, BAGE 27, 331).

141

c) Die Betriebsratsanhörung genügt inhaltlich den Anforderungen des § 102 BetrVG.

142

aa) Die Betriebsratsanhörung ist nicht inhaltlich fehlerhaft, weil die Beklagte zu 1. dem Betriebsrat den Kündigungstermin des 31. März 2010 nannte. Dem steht nicht entgegen, dass die Kündigung wegen der aufgrund der Elternzeit der Klägerin noch einzuholenden Zulässigerklärung des Regierungspräsidiums Darmstadt erst zum 30. Juni 2010 erklärt wurde. Die fehlerhafte Angabe des Kündigungstermins führt nicht zur Unwirksamkeit der Unterrichtung des Betriebsrats.

143

(1) Es reicht aus, dass der Betriebsrat über die für die Berechnung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins erforderlichen Kenntnisse verfügt. Der Arbeitgeber kann bei Einleitung des Anhörungsverfahrens häufig nicht sicher beurteilen, zu welchem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und mit welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden soll (vgl. APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 103). Der Arbeitgeber kann keinen ungefähren Endtermin nennen, wenn er vor Erklärung der Kündigung - wie hier - noch die Zustimmung oder Zulässigerklärung einer anderen Stelle einzuholen hat. In diesem Fall genügt es, wenn er den Betriebsrat auf die noch einzuholende Zustimmung oder Zulässigerklärung hinweist oder sie dem Betriebsrat bekannt ist. In diesem Fall braucht der Arbeitgeber den Betriebsrat bei unverändertem Kündigungssachverhalt nicht erneut zu beteiligen, selbst wenn das Zustimmungs- oder Zulässigerklärungsverfahren jahrelang andauert (vgl. KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 60 mwN). Die Betriebsratsanhörung kann bereits vor der Zustimmung oder Zulässigerklärung der zuständigen Behörde erfolgen (vgl. BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 32; 11. Mai 2000 - 2 AZR 276/99 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 94, 313; 18. Mai 1994 - 2 AZR 626/93 - zu B II 2 a der Gründe).

144

(2) Nach diesen Grundsätzen ist die Betriebsratsanhörung mit Blick auf die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin ordnungsgemäß. Die Beklagte zu 1. täuschte den Betriebsrat nicht über die zu wahrende Kündigungsfrist und den richtigen Kündigungstermin. Der Betriebsrat wusste aufgrund der Anhörung vom 17. Dezember 2009, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen der aus Sicht der Beklagten zu 1. gegebenen Betriebsstilllegung ordentlich gekündigt und die Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO eingehalten werden sollte. Dem Betriebsrat war auch bekannt, dass die Klägerin bis 26. September 2011 in Elternzeit sein würde. Daraus konnte er schließen, dass die Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG für zulässig erklärt werden musste. Damit genügte die Beklagte zu 1. ihren Mitteilungspflichten aus § 102 Abs. 1 BetrVG, obwohl sie - wie bei anderen Arbeitnehmern der Station F - den 31. März 2010 als beabsichtigten Kündigungstermin mitteilte und dieser Kündigungstermin im Fall der Klägerin tatsächlich nicht zutraf.

145

bb) Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht inhaltlich ungenügend, weil der Betriebsrat nicht über den von der Klägerin behaupteten Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. unterrichtet wurde und ihm keine Informationen über eine soziale Auswahl gegeben wurden.

146

(1) Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination war eine Information über einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. nicht erforderlich, weil die Beklagte zu 1. subjektiv davon ausging, dass es nicht zu einem solchen Betriebsübergang gekommen sei oder kommen werde.

147

(2) Die Beklagte zu 1. hat vorgetragen, dass Abwicklungsarbeiten nur von Arbeitnehmern der Buchhaltung und dem Finanzdirektor durchgeführt worden seien, die mit der Klägerin nicht vergleichbar gewesen seien. Eine Sozialauswahl war bezogen auf die Klägerin in F deswegen aus Sicht der Beklagten zu 1. nicht zu treffen.

148

3. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin war nicht nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts, das durch den Bescheid der Agentur für Arbeit geheilte Verstöße gegen die Anzeige- und Konsultationspflicht angenommen hat, wirkt sich auf das Ergebnis der abzuweisenden Klage nicht aus. Die Entscheidung stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen (§ 561 ZPO).

149

a) Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen, dh. Kündigungen, im Verhältnis zu der Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 13, BAGE 134, 176). Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dabei dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., vgl. nur BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 85; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 33 mwN).

150

aa) Der Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Gilt ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als selbständig, müssen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG in diesem Betriebsteil überschritten sein, um die Anzeigepflicht auszulösen(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 74).

151

bb) Damit ist für die Berechnung des Schwellenwerts auf die Station F abzustellen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 84; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 85). Nichts anderes folgt aus dem Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für den Begriff des „Betriebs“ nicht entscheidend, ob die fragliche Einheit eine Leitung hat, die selbständig Massenentlassungen vornehmen kann (vgl. EuGH 15. Februar 2007 - C-270/05 - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28 f., Slg. 2007, I-1499). Auch das Unionsrecht lässt es zu, die Station F als Betrieb im Sinn des Massenentlassungsanzeigerechts zu betrachten.

152

b) Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG war in F bei Zugang der Kündigung am 12. März 2010 nicht erreicht.

153

aa) Unter dem Begriff der „Entlassung“ in § 17 KSchG und in § 18 Abs. 1, Abs. 2 KSchG ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben die Erklärung der Kündigung zu verstehen(vgl. EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 39, Slg. 2005, I-885). Eine Kündigung kann deswegen schon unmittelbar nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erklärt werden. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen allerdings nicht vor Ablauf der Fristen des § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG ausscheiden(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 25 ff., BAGE 128, 256). Ob der Begriff der „Entlassung“ auch in § 18 Abs. 4 KSchG unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass darunter die Kündigungserklärung zu verstehen ist, kann dahinstehen(offengelassen auch von BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 18, BAGE 134, 176; 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, aaO).

154

bb) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wurde entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Revision nicht im Zusammenhang mit der Massenentlassung der übrigen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in der Station F erklärt. Sie fiel nicht in die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG und war nicht anzeigepflichtig. Die im Anzeige- und Konsultationsverfahren aufgetretenen Fehler führen deshalb anders als bei den anderen in der Station F beschäftigten Arbeitnehmern nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 38 ff.; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - Rn. 36 ff.; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 38 ff.; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 48/12 - Rn. 38 ff.).

155

(1) Die letzten anderen Kündigungen wurden in der Station F mit Ausnahme der gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung unter dem 15. Januar 2010 zum 30. April 2010 erklärt (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 5/12 - Rn. 13; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 48/12 - Rn. 13). Auch die für die Anzeige- und Konsultationspflicht darlegungsbelastete Klägerin hat nicht behauptet, dass diese Kündigungen nicht noch im Januar 2010 zugingen. Die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse der anderen Arbeitnehmer in der Station F wurden bereits Ende Dezember 2009 erklärt und gingen noch im Dezember 2009 zu (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 13; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 772/11 - Rn. 13). Die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG endete deshalb spätestens am 28. Februar 2010 (§ 187 Abs. 2, § 188 Abs. 1 BGB; vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 50; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54). Sie war daher bei Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 10. März 2010 und ihrem Zugang am 12. März 2010 schon verstrichen.

156

(2) Der fehlenden Anzeige- und Konsultationspflicht stehen Sinn und Zweck der richtlinienkonform auszulegenden §§ 17, 18 KSchG nicht entgegen, obwohl die Beklagte zu 1. die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf denselben Kündigungsgrund - dieselbe Stilllegungsentscheidung - stützte wie die übrigen Kündigungen, die in der Station F erklärt wurden.

157

(a) §§ 17, 18 KSchG sollen Massenentlassungen vermeiden oder ihre Folgen mildern(vgl. für Art. 2 der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 46, Slg. 2009, I-8163; zu §§ 17, 18 KSchG zB BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 18, BAGE 134, 176). Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die Massenentlassung zu vermeiden oder einzuschränken (vgl. EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - [Claes] Rn. 56; 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, 64, aaO; BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 42; 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 60).

158

(b) Fällt eine Kündigung - wie hier - nicht mehr in den zeitlichen Zusammenhang einer Massenentlassung, muss diesen Zwecken nicht genügt werden (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 21, BAGE 134, 176). Das ist keine Umgehung der Anzeige- und Konsultationspflicht aus § 17 KSchG, sondern eine aus arbeitsmarktpolitischer Sicht eher verträgliche Verteilung der Kündigungen über einen längeren Zeitraum(vgl. KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 53; s. auch ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 17; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 49c).

159

c) In der Beurteilung des Senats, der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG sei im Streitfall in der Frist von 30 Kalendertagen nicht erreicht worden, liegt keine unzulässige sog. Überraschungsentscheidung.

160

aa) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staats. Er soll einen angemessenen Verfahrensablauf sichern. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Damit hängt das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von Überraschungsentscheidungen eng zusammen. Von einer solchen Überraschungsentscheidung ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 5. April 2012 - 2 BvR 2126/11 - Rn. 18 mwN; BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZN 1371/11 - Rn. 17).

161

bb) Die Voraussetzungen einer unzulässigen Überraschungsentscheidung sind nicht erfüllt. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben das Problem der für eine Massenentlassung erforderlichen Frist von 30 Kalendertagen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zwar erkennbar - ebenso wie das Landesarbeitsgericht - übersehen(§ 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Jedenfalls gilt das für die beiden Prozessbevollmächtigten der Klägerin (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Senat hat aber beide Seiten in der Revisionsverhandlung auf die Frage hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

162

d) Der Senat musste den Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht ermöglichen, nach der mündlichen Verhandlung durch Schriftsatz zu dem Problem der Frist von 30 Kalendertagen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG Stellung zu nehmen.

163

aa) Ist es einer Partei nicht möglich, sich zu einem gerichtlichen Hinweis sofort zu erklären, soll das Gericht nach § 139 Abs. 5 ZPO auf Antrag der Partei eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann. Ein Gericht verletzt jedoch nicht das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es einer Partei kein Schriftsatzrecht einräumt, die es in der mündlichen Verhandlung versäumt, dem Prozessgegner und dem Gericht Sachvortrag oder rechtliche Argumente mitzuteilen. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist genügt, wenn sich die Partei das rechtliche Gehör in der mündlichen Verhandlung in zumutbarer Weise mithilfe ihrer prozessualen Möglichkeiten verschaffen kann (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25 mwN).

164

bb) Nach diesen Maßstäben musste der Klägerin keine Schriftsatzfrist eingeräumt werden, obwohl der Senat erst in der Revisionsverhandlung auf das Problem der Frist von 30 Kalendertagen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG hingewiesen hatte. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin war es möglich, zu der Frage mit rechtlichen Argumenten Stellung zu nehmen. Das belegt ua. die Äußerung eines der beiden Prozessbevollmächtigten, wonach der Massenentlassungstatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zur Anwendung kommen müsse, wenn die verschiedenen Kündigungen auf ein und derselben unternehmerischen Entscheidung beruhten, eine Kündigung wegen behördlicher Zustimmungserfordernisse aber erst später erklärt werden und erst zu einem späteren Zeitpunkt wirken könne. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben nicht begründet, weshalb die Klägerin Zeit brauche, um weitere rechtliche Argumente zu ermitteln. Das gilt erst recht für ergänzenden, im Revisionsverfahren ohnehin nur in besonderen Ausnahmefällen zu berücksichtigenden Sachvortrag.

165

4. Die Kündigung vom 10. März 2010 ist nicht unwirksam, weil sie gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB verstößt. Sie wurde nicht wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils erklärt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war keinem ggf. übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 877/11 - Rn. 33). Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

166

a) § 613a BGB ist grundsätzlich auch bei Betriebsübergängen in das Ausland anwendbar. Die Geltung der Norm ist nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Das Territorialitätsprinzip wird durch das Internationale Privatrecht verdrängt. Bei Betriebsübergängen mit Auslandsbezug können sachgerechte Lösungen nur über die Regelungen des Arbeitsvertragsstatuts erzielt werden. Allerdings ändert sich regelmäßig das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers, in dessen Arbeitsverhältnis keine Rechtswahl getroffen ist, bei einem Wechsel von der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland aufgrund eines Betriebsübergangs. Regelmäßig wird nach dem Betriebsübergang das Recht des Staats zur Anwendung kommen, in dem das Arbeitsverhältnis nach dem Betriebsübergang besteht. Eine solche Änderung tritt aber erst ein, nachdem das Arbeitsverhältnis übergegangen ist. Für die Frage, ob es zu einem Betriebsübergang gekommen ist, ist eine solche Statutänderung ebenso wie für die Frage der Wirksamkeit einer vor dem Betriebsübergang erklärten, nach deutschem Recht zu beurteilenden Kündigung noch ohne Belang (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 40; 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 41 ff.).

167

b) Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines Übergangs des Betriebs(-teils) der Beklagten zu 1. in F auf die Beklagte zu 2. nicht dargelegt.

168

aa) Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt, dass die Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen, die auf Dauer angelegt wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung ausüben soll.

169

(1) Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Bestand beim früheren Betriebsinhaber nach der durchzuführenden Gesamtbetrachtung eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde, muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Der übertragene Betriebsteil muss seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber allerdings nicht vollständig bewahren. Es genügt, dass der Betriebsteilerwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und ihm dadurch ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 47 f., Slg. 2009, I-803; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 33 mwN ).

170

(2) Handelt es sich nach diesen Grundsätzen um einen Betriebs(-teil)übergang, betrifft er nur Arbeitnehmer, die in den übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil tatsächlich eingegliedert waren. Es genügt nicht, dass sie Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichteten, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein (st. Rspr., vgl. zB EuGH 12. November 1992 - C-209/91 - [Watson Rask und Christensen] Rn. 16, Slg. 1992, I-5755; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 75, jeweils mwN). Für die Frage, welchem Betrieb oder Betriebsteil ein Arbeitnehmer zugeordnet ist, kommt es zunächst auf den Willen der Vertragsparteien an (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 877/11 - Rn. 35).

171

bb) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 2. den Flugbetrieb der Beklagten zu 1. iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übernahm. Dieser wirtschaftlichen Einheit war die Klägerin nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach ihrem Willen und dem der Beklagten zu 1. nicht zugeordnet. Die Klägerin betreute gemeinsam mit den übrigen Arbeitnehmern der Station F und zusammen mit den anderen Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. in Deutschland im Bodenbetrieb den Flugverkehr der Beklagten zu 1. von Deutschland aus und nach Deutschland. Sie gab zB Tickets aus, reservierte Sitzplätze und war für die Kommunikation mit den Passagieren und Reisebüros sowie die Abrechnung und Abwicklung gegenüber Frachtkunden zuständig. In die Struktur des Flugbetriebs war sie nicht eingebunden.

172

cc) Die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis.

173

(1) Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche der im Bodenbetrieb von ihr und den übrigen Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland verrichteten Tätigkeiten unter Wahrung der bisherigen wirtschaftlichen Einheit von der Beklagten zu 2. übernommen worden sein sollen.

174

(a) Sie hat trotz ihres detaillierten Vortrags zu dem Wechsel verschiedener Arbeitnehmer aus anderen Einheiten der Beklagten zu 1. außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, der behaupteten Kooperation mit der A AG und der geplanten Fusion der Beklagten zu 2. mit der Ae S.A. nicht im Einzelnen ausgeführt, in welcher Weise der Kontakt mit den Kunden im Sinn einer Fortführung des Bodenbetriebs als strukturierte und identitätswahrende wirtschaftliche Einheit beibehalten worden sein soll. Sie hat auch keine Kundennamen genannt. Es genügt nicht, die Beförderung von Passagieren durch automatische Umbuchung von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. sowie die Übernahme von Markenzeichen („brand name“) und Logo „O“ vorzubringen, um eine Fortführung der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung der bisherigen Identität - etwa durch funktionelle Verknüpfung der übertragenen Funktionsfaktoren - darzustellen. Das hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt. Aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Mitteilung unter dem Logo „O“ ergibt sich im Übrigen, dass automatische Umbuchungen nur dort erfolgten, wo die Beklagte zu 2. den Flugbetrieb aufnahm.

175

(b) Die Klägerin hat nicht vorgetragen, die Beklagte zu 2. nutze - ggf. unter „Einschaltung“ der A AG oder auch der Ae S.A. - die von der Beklagten zu 1. für den Bodenbetrieb in F geschaffene Arbeitsorganisation. Diese Arbeitsorganisation diente dazu, den Flugbetrieb von und nach F abzufertigen und zu verwalten. Auch aus der Darstellung der Klägerin folgt nicht, dass die Beklagte zu 2. materielle oder immaterielle Betriebsmittel des für den Bodenbetrieb zuständigen Betriebs oder Betriebsteils in F übernahm. Sie übernahm weder das Bodenpersonal noch die Räume oder Mietverträge und sonstige Dauerschuldverhältnisse der Beklagten zu 1. Soweit sich das Vorbringen der Klägerin auf den Flugbetrieb bezieht, werden diese Tätigkeiten von der Beklagten zu 2. für den deutschen Markt nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht fortgeführt.

176

(2) Auch die Argumentation der Klägerin mit einem weltweiten Unternehmensübergang lässt keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts erkennen.

177

(a) Die Klägerin macht geltend, auf ein international operierendes Dienstleistungsunternehmen, dessen maßgebliche wirtschaftliche Aktiva sich einer örtlichen Verankerung entzögen, passe der übliche Betriebs- oder Betriebsteilbegriff nicht mehr. Die wirtschaftliche Einheit eines solchen Unternehmens sei nicht durch eine örtliche Bezugnahme auf den Grund und Boden eines bestimmten Staats zu erfassen. Bei einem solchen Unternehmen bestehe die wirtschaftliche Einheit im Betrieb eines weltweiten Flugverkehrs unter einer bestimmten Firma, mit bestimmten Flugzeugen, erfahrenem Personal, bestehendem Kundenstamm und übernommenem Know-how. Diese Einheit habe die Beklagte zu 2. von der Beklagten zu 1. übernommen und die A AG - ggf. auch die Ae S.A. - „zwischengeschaltet“.

178

(b) Diese Argumentation lässt Tatbestand und Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs außer Acht. Kommt es zu einem Betriebsübergang, tritt der Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Nichts anderes bestimmt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen. Die Bestimmung gibt vor, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen. Das Arbeitsverhältnis wird inhaltlich durch die Verbindung zwischen dem Arbeitnehmer und der wirtschaftlichen Einheit bestimmt, der er zur Erfüllung seiner Aufgaben angehört (vgl. EuGH 12. November 1992 - C-209/91 - [Watson Rask und Christensen] Rn. 16, Slg. 1992, I-5755; 7. Februar 1985 - C-186/83 - [Botzen ua.] Rn. 15, Slg. 1985, 519).

179

(aa) Das Erfordernis der Zuordnung zu einer bestehenden wirtschaftlichen Einheit ist durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. zB BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 20 ff.; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - Rn. 5 ff.; s. auch BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 33 ff.). Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht erforderlich.

180

(aaa) Die Frage der Zuordnung zu einem übergegangenen Betriebsteil ist auch nicht wieder klärungsbedürftig geworden mit Blick auf die erste Vorlagefrage in dem Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Trento (Italien), das beim Gerichtshof am 11. Oktober 2012 eingereicht wurde (ABl. EU C 389 vom 15. Dezember 2012 S. 6, beim Gerichtshof anhängig unter - C-458/12 - [Amatori ua.]). Dort fragt der Tribunale di Trento den Gerichtshof, ob die Regelung über den „Übergang eines Unternehmensteils“ insbesondere in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b iVm. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, die den Eintritt des Erwerbers in die Arbeitsverhältnisse des Veräußerers auch dann zulässt, ohne dass es der Zustimmung der durch die Veräußerung betroffenen Arbeitnehmer bedarf, wenn der Unternehmensteil, der Gegenstand des Übergangs ist, keine bereits vor dem Übergang bestehende, funktionell selbständige wirtschaftliche Einheit in der Weise darstellt, dass sie als solche von Veräußerer und Erwerber im Zeitpunkt des Übergangs identifiziert werden kann.

181

(bbb) Die Fragestellung unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der dem Streitfall zugrunde liegt. Die Klägerin war hier stets dem Bodenbetrieb als einer identifizierbaren wirtschaftlichen Einheit zugeordnet. Die Entscheidung über den nicht eingetretenen Betriebsübergang ist aufgrund der fehlenden Zuordnung der Klägerin zu einem ggf. übergegangenen Betriebsteil zu treffen, nicht aufgrund dessen, dass der Bodenbetrieb vor einem etwa erfolgten Betriebs(-teil)übergang nicht identifizierbar gewesen wäre. Der Bodenbetrieb in F bzw. Deutschland ging nach den insoweit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Beklagte zu 2. über.

182

(bb) Gehört der Arbeitnehmer einer übernommenen wirtschaftlichen Einheit nicht an, auch nicht durch funktionelle Verknüpfung der übertragenen Funktionsfaktoren, besteht deshalb kein Grund, sein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen zu lassen. Das gilt auch für Unternehmen, die einen weltweiten Flugbetrieb unterhalten. Auch bei solchen Unternehmen gibt es Aufgaben, die nur in einer örtlich begrenzten wirtschaftlichen Einheit anfallen und die sich nur dieser begrenzten Einheit zuordnen lassen. Dazu gehören die Aufgaben, die die für Deutschland eingestellten Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. in Deutschland im Bodenbetrieb versahen und die die Beklagte zu 2. nicht übernahm.

183

(3) Aus den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2011 (- 8 AZR 37/10 - Rn. 34) und 27. Januar 2011 (- 8 AZR 326/09 - Rn. 28 ff.) folgt nichts anderes. Erst bei identitätswahrender Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit stellt sich die weitere Frage, ob der Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen den übertragenen Betriebsmitteln sowie den sonstigen Faktoren, die den Betrieb ausmachen, beibehalten wurde. Dabei ist unerheblich, ob die bisherige Organisationsstruktur beibehalten wird. Zu diesem zweiten Prüfungsschritt kommt es hier nicht, weil der Bodenbetrieb der Beklagten zu 1. weder in der gesamten Bundesrepublik Deutschland noch in F identitätswahrend auf die Beklagte zu 2. übertragen wurde.

184

5. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Die Betriebe der Beklagten zu 1. in der Bundesrepublik Deutschland wurden stillgelegt. Der Fall bietet keinen Anlass, die Frage der Verpflichtung zum Angebot von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in ausländischen Betrieben zu klären. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie in einem anderen Betrieb der Beklagten (ggf. in Griechenland) hätte weiterbeschäftigt werden müssen. Der Arbeitnehmer wird seiner im Ausgangspunkt bestehenden Darlegungslast erst gerecht, wenn er konkrete Vorstellungen zu Möglichkeiten anderweitiger Beschäftigung äußert und deutlich macht, wie er sich seine weitere Tätigkeit vorstellt, an welche Art der Beschäftigung er denkt. Erst dann hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, weshalb diese Vorstellungen nicht zu realisieren sind (vgl. für die st. Rspr. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 89; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 50 mwN). Eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG war nicht zu treffen, weil die Arbeitsverhältnisse aller anderen Arbeitnehmer des Betriebs der Beklagten zu 1. in F schon zu früheren Zeitpunkten gekündigt worden waren.

185

6. Das Arbeitsverhältnis wurde mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO am 30. Juni 2010 beendet.

186

a) Die Klägerin nimmt an, bei dem Sonderliquidationsverfahren handle es sich nicht um ein Verfahren iSd. EuInsVO.

187

b) Dieser Angriff ist nicht geeignet, ein Insolvenzverfahren und damit die abgekürzte Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO infrage zu stellen. Dabei kann offenbleiben, ob das in Griechenland eröffnete Sonderliquidationsverfahren ein Verfahren ist, das in den Anhängen A und C der EuInsVO erwähnt ist. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, läge ein Insolvenzverfahren iSd. §§ 335 ff. InsO vor, dessen Wirkungen in Deutschland von den deutschen Gerichten nach § 343 InsO anzuerkennen sind.

188

aa) Ob es sich um ein Insolvenzverfahren iSv. §§ 335 ff. InsO handelt, ist im Weg der Qualifikation zu bestimmen. Voraussetzung ist, dass das ausländische Verfahren im Wesentlichen den gleichen Zielen wie das deutsche Insolvenzverfahren verpflichtet ist (vgl. BGH 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06 - Rn. 9). Das lässt sich jedenfalls durch den Rückgriff auf die Vorgaben in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO überprüfen(vgl. Kölner Schrift/Paulus 3. Aufl. Kap. 46 Rn. 34, 71). Das Leitbild der EuInsVO ist zwar nicht als zwingende Anforderung an ausländische Insolvenzverfahren in Drittstaaten anzusehen (vgl. BAG 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06 - Rn. 19, BAGE 121, 309). Insolvenzverfahren iSv. §§ 335 ff. InsO sind aber jedenfalls Gesamtverfahren, die die Insolvenz, dh. die Zahlungsunfähigkeit, die Zahlungseinstellung oder die Krediterschütterung des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen ihn sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben (vgl. Kölner Schrift/Mankowski Kap. 47 Rn. 5 f.). Vermögensbeschlag bedeutet, dass der Schuldner die Befugnisse zur Verwaltung seines Vermögens verliert (vgl. EuGH 2. Mai 2006 - C-341/04 - [Eurofood IFSC] Rn. 54, Slg. 2006, I-3813).

189

bb) Diese Voraussetzungen sind nach dem durch Art. 40 des Gesetzes 3710/2008 eingefügten Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 erfüllt. Erforderlich für die Bestellung eines Liquidators sind nach Art. 14 A Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b des Gesetzes 3429/2005 wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zumindest eine Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit nach sich ziehen. Nach Art. 14 A Nr. 4 Satz 3 des Gesetzes 3429/2005 führt der Liquidator die Geschäfte, er verwaltet und vertritt das Unternehmen. Das führt zu einem Vermögensbeschlag, weil die Schuldnerin die Befugnis zur Verwaltung ihres Vermögens verliert. Nicht sie oder ihre Geschäftsführung, sondern der gerichtlich eingesetzte Sonderliquidator ist vertretungs- und entscheidungsbefugt. Nach Art. 14 A Nr. 5 und Nr. 6 des Gesetzes 3429/2005 hat der Sonderliquidator die Aktiva des Unternehmens zu verwerten oder das Unternehmen zu veräußern. Das macht deutlich, welche Insolvenzzwecke die Regelung des Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 verfolgt. Nach Art. 14 A Nr. 20 des Gesetzes 3429/2005 sind für eine Zeit von 18 Monaten alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und Sicherungsmaßnahmen gegen das in Sonderliquidation befindliche Unternehmen ausgesetzt.

190

cc) Die deutschen Gerichte sind deshalb jedenfalls nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO gebunden.

191

dd) Ungeachtet der Anerkennungswirkung findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Teil des deutschen Arbeitsrechts ist auch die Verkürzung der Kündigungsfrist bei Insolvenzkündigungen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 96; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 96; 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 66).

192

D. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Lauth    

        

    Döpfert    

                 

(1) Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird anerkannt. Dies gilt nicht,

1.
wenn die Gerichte des Staats der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind;
2.
soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden, sowie für Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des anerkannten Insolvenzverfahrens ergangen sind.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 25. November 2010 - 9 Sa 333/10 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge eines Betriebsübergangs auf den Beklagten übergegangen ist.

2

Im Freistaat Sachsen umfasst der Rettungsdienst auf der Grundlage des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz vom 24. Juni 2004 (SächsBRKG, SächsGVBl. S. 245) als öffentliche Aufgabe die Notfallrettung und den Krankentransport. Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes sind die Rettungszweckverbände oder, soweit sie einem solchen nicht angehören, die Landkreise und kreisfreien Städte (§ 3 Nr. 3 SächsBRKG). Als Rettungszweckverband ist der Beklagte mit der Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes in den heutigen Landkreisen L und M beauftragt. Für seinen Versorgungsbereich betreibt er mit eigenem Personal eine Leitstelle (§ 11 SächsBRKG in Verb. mit § 16 ff. SächsLRettDPVO - Sächsische Landesrettungsdienstplanverordnung vom 5. Dezember 2006, SächsGVBl. S. 533), die Hilfeersuchen bearbeitet und die Notfalleinsätze lenkt. Dazu beschäftigt er 16 Disponenten sowie 13 weitere Mitarbeiter, die die technische und materielle Sicherstellung des Rettungsdienstes sowie allgemeine Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.

3

Zur Aufgabenübertragung im Rettungsdienst bestimmt § 31 SächsBRKG ua.:

        

„§ 31 

        

Mitwirkung im Rettungsdienst

        

(1) Notfallrettung und Krankentransport dürfen nur auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durchgeführt werden. Der Träger des Rettungsdienstes überträgt die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes nach einem Auswahlverfahren durch öffentlich-rechtlichen Vertrag auf private Hilfsorganisationen oder andere Unternehmer (Leistungserbringer). ...

        

(2) Der Vertrag ist auf die Dauer von fünf Jahren zu befristen. Hiervon ausgenommen sind Verträge zur Übertragung der Durchführung von Leistungen der Luftrettung. Diese sind auf die Dauer von acht Jahren zu befristen. Der Träger des Rettungsdienstes hat sich zuvor zu vergewissern, dass

        

1.    

die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet sind,

        

2.    

keine Tatsachen vorliegen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Leistungserbringers oder der zur Führung der Geschäfte bestellten Person begründen, und

        

3.    

der Leistungserbringer oder die zur Führung der Geschäfte bestellte Person fachlich geeignet ist.

        

...     

        

(4) Durch den Vertrag ist die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes sicherzustellen. Er hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die

        

1.    

die Höhe der Vergütung regeln,

        

2.    

die dem Leistungserbringer obliegende Betriebs- und Beförderungspflicht einschließlich der Betriebszeiten näher bestimmen,

        

3.    

die Einhaltung bestimmter Eintreffzeiten vorschreiben,

        

4.    

ordnungsgemäße hygienische Verhältnisse einschließlich einer sachgerechten Desinfektion und Dekontamination im Betrieb sicherstellen,

        

5.    

den Leistungserbringer verpflichten, die Beförderungsaufträge und deren Abwicklung zu erfassen und die Aufzeichnung auf bestimmte Zeit aufzubewahren,

        

6.    

die erforderliche Ausstattung, die jederzeitige Einsatzbereitschaft der Einrichtungen sowie

        

7.    

die Zusammenarbeit aller im Rettungsdienst Mitwirkenden gewährleisten.

        

(5) Der Träger des Rettungsdienstes ist zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt, wenn

        

1.    

Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes nicht mehr gewährleistet sind,

        

2.    

Tatsachen vorliegen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Leistungserbringers oder der zur Führung der Geschäfte bestellten Person begründen,

        

3.    

die im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenen Vorschriften nicht befolgt werden,

        

4.    

den Verpflichtungen zuwider gehandelt wird, die dem Leistungserbringer nach diesem Gesetz oder nach den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften obliegen,

        

5.    

den Verpflichtungen wiederholt zuwider gehandelt wird, die der Leistungserbringer nach dem Vertrag zu erfüllen hat, oder

        

6.    

der Leistungserbringer die ihm obliegenden arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen oder die sich aus seinem Unternehmen ergebenden steuerrechtlichen Verpflichtungen wiederholt nicht erfüllt hat.

        

Darüber hinausgehende vertragliche Kündigungsgründe bleiben unberührt. Die Kündigung kann fristlos oder unter Bestimmung einer Frist erfolgen.

        

…       

        

(7) Soweit die bedarfsgerechte Versorgung mit Leistungen des Rettungsdienstes nicht nach Absatz 1 und 6 sichergestellt ist, führt der Träger des Rettungsdienstes diese selbst durch.“

4

§ 54 SächsBRKG normiert eine sog. „Hilfeleistungspflicht“:

        

„(1) Bei Katastrophen, Bränden oder Unglücksfällen sind natürliche und juristische Personen zur Hilfeleistung verpflichtet, wenn dies

        

1.    

zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die Allgemeinheit oder einen Einzelnen,

        

2.    

zur Katastrophenbekämpfung oder

        

3.    

zur dringlichen vorläufigen Beseitigung von Katastrophenschäden

        

erforderlich ist und sie von der zuständigen Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde, der Technischen Einsatzleitung oder einer von ihr beauftragten Person dazu herangezogen werden.

        

...     

        

(4) Personen, die zur Hilfeleistung verpflichtet werden oder freiwillig mit Zustimmung der Einsatzleitung bei der Gefahrenbekämpfung Hilfe leisten, werden für die Dauer ihrer Hilfeleistung im Auftrag der Gemeinde tätig, in deren Gebiet sie Hilfe leisten.“

5

Die Anschaffung der zur Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport benötigten Fahrzeuge erfolgt entweder durch den Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes oder den Leistungserbringer, was der Rettungsdienstträger nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheidet (§ 29 Abs. 3 Satz 2 SächsBRKG). Die Sächsische Landesrettungsdienstplanverordnung enthält genaue Bestimmungen zu den Rettungsmitteln und dem Einsatzpersonal auf den Rettungsfahrzeugen im Einzelnen.

6

Durch öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 24. Oktober/9. November 2006 übertrug der Beklagte die Durchführung von Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransportes für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2008 auf die D gGmbH als Leistungserbringerin (D gGmbH). Danach hatte die D gGmbH die Rettungswachen in B und G und einen Einsatzfahrzeugstandort bei den Kliniken in B zu besetzen. Sämtliche Räumlichkeiten an diesen drei Standorten hatte der Beklagte angemietet und stellte sie der D gGmbH zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung. Ebenso nutzte die D gGmbH zwei dem Beklagten gehörende Rettungstransportwagen, drei Krankentransportwagen sowie ein Notarzteinsatzfahrzeug. Diese Rettungsmittel besetzte die D gGmbH mit dem erforderlichen Personal, insgesamt 38 Arbeitnehmern, von denen 30 der Rettungswache B und 8 der Rettungswache G zugeordnet waren. Von der Rettungswache B aus wurden auch die Rettungskräfte für das Notarzteinsatzfahrzeug an den Kliniken B eingeteilt.

7

Das Rettungspersonal der D gGmbH hatte den Weisungen der vom Beklagten betriebenen Rettungsleitstelle zu folgen, soweit es um die Disposition der Einsatzmittel ging. Ausdrücklich nicht betroffen von diesem Weisungsrecht sollte das Dienstverhältnis des Rettungspersonals mit seinem Arbeitgeber sein. Leistungen des Rettungsdienstes oder des Krankentransportes rechnete der Beklagte entweder mit den Trägern der Sozialversicherung oder mit den privatversicherten Patienten ab und vergütete der D gGmbH die von ihr erbrachten Einsatzleistungen.

8

Nach dem Arbeitsvertrag vom 31. Juli 2002 ist die Klägerin ab dem 1. August 2002 als Rettungsassistentin bei der D gGmbH beschäftigt worden. Als Beschäftigungsort wurde die Rettungswache B vereinbart.

9

Im Dezember 2008 wies der damalige Geschäftsführer der D gGmbH den Beklagten auf finanzielle Schwierigkeiten der Leistungserbringerin hin und dass es zu Personalengpässen komme. Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 von der D gGmbH eine Garantie, die Leistungen bis zum 31. Dezember 2008 gemäß dem geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu erbringen. Als die D gGmbH sich dazu ausdrücklich nicht im Stande sah, kündigte der Beklagte unter dem 22. Dezember 2008 den öffentlich-rechtlichen Vertrag außerordentlich zum 23. Dezember 2008 07:00 Uhr, sprach ein Hausverbot für alle Beschäftigten der D gGmbH aus und führte weiter in dem Schreiben aus:

        

„Sie sind aufgefordert, am 23.12.2008 ab 7.00 Uhr Zug um Zug beginnend am Leistungsstandort B, infolge Krankenhaus B, infolge Rettungswache G die Ihnen im Rahmen des Vertrages überlassenen Leistungsstandorte, Einsatzmittel, Ausrüstungen und Ausstattungen sowie Verbrauchsmaterialien an den Rettungszweckverband als Träger des Rettungsdienstes zur möglichen Durchführung eigener sofortiger Leistungserbringung in Sicherstellung von Notfallrettung und Krankentransport zu übergeben.“

10

Gemäß dieser Aufforderung gab die D gGmbH am 23. Dezember 2008 morgens die ihr zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten frei und sämtliche Geräte, Rettungsmittel, Ausrüstungsgegenstände und Lagerbestände heraus, teilweise in Anwesenheit der Geschäftsführung des Beklagten. Dieser führte den Rettungsdienst anschließend nicht selbst mit eigenen Arbeitnehmern durch, sondern beauftragte damit im bisherigen Tätigkeitsgebiet der D gGmbH die „K GmbH“ (K GmbH, Rettungswache B), den J e. V., Regionalverband Nord-/Westsachsen (J, Klinik B) und den D Kreisverband Ge e. V. (D Ge, Standort G). Diese drei neuen Leistungserbringer hatten bereits Anfang Dezember 2008 angeboten, den bodengebundenen Rettungsdienst künftig im Einsatzgebiet der D gGmbH jeweils teilweise durchzuführen. Zur Aufgabenübertragung erließ der Beklagte für die Zeit vom 23. Dezember 2008, 07:00 Uhr bis 15. Januar 2009, 24:00 Uhr am 22. Dezember 2008 Heranziehungsbescheide, in denen er verfügte, dass das jeweilige Unternehmen „zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes“ herangezogen werde und mit eigenem Personal an den Standorten ein oder mehrere Einsatzfahrzeuge zu besetzen habe. Die Bescheide sahen weiter vor, dass der Beklagte alle im Zusammenhang mit der Heranziehung entstehenden Kosten übernimmt und die Leistungen der herangezogenen Unternehmen auf der Grundlage der zuvor abgegebenen Angebote abrechnet. In der Folgezeit schloss der Beklagte zur weiteren Leistungserbringung öffentlich-rechtliche Verträge mit dem A e. V. (A, Rettungswache B, ab 14. Januar 2009), mit dem D Ge (Standort G) ab dem 16. Januar 2009 und der J (Kliniken B, ebenfalls ab 16. Januar 2009). Die Leistungen des Rettungsdienstes erbrachten die herangezogenen wie die beauftragten Unternehmen jeweils mit eigenem Personal.

11

Die D gGmbH stellte ihre Arbeitnehmer am 23. Dezember 2008 von der Arbeitsverpflichtung frei. Diese, darunter auch die Klägerin, forderten am gleichen Tag vom Beklagten beschäftigt zu werden und boten diesem ohne Erfolg ihre Arbeitskraft an. Ende Januar 2009 sprach die D gGmbH Kündigungen der Arbeitsverhältnisse aus, was nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D gGmbH der Insolvenzverwalter vorsorglich wiederholte. Die Klägerin wehrt sich gegen beide Kündigungen mit Kündigungsschutzklagen.

12

Zur Begründung ihrer Auffassung, mit dem Beklagten infolge eines Betriebsübergangs ab dem 23. Dezember 2008 in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, haben die klagenden Arbeitnehmer vor allem angeführt, die Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der D gGmbH sei eine bloße Inszenierung gewesen. Tatsächlich sei die Verpflichtung zur Durchführung des Rettungsdienstes nach § 31 Abs. 7 SächsBRKG auf den Beklagten zurückgefallen. Die ab dem 23. Dezember 2008 eingesetzten Rettungskräfte seien Erfüllungsgehilfen des Beklagten gewesen. Unabhängig davon, ob die Heranziehungsbescheide den ab 23. Dezember 2008 tätigen Unternehmen überhaupt zugegangen seien, seien diese Verwaltungsakte infolge Fehlens jeglicher Rechtsgrundlage nichtig. Die Heranziehungsbescheide habe der Beklagte nur erlassen, um ein „Rechtsgeschäft“ zu vermeiden und rechtsmissbräuchlich einen Betriebsübergang zu verhindern. Am 23. Dezember 2008 habe der Beklagte die Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten und Rettungsmittel der zuvor von der D gGmbH besetzten Rettungswachen erlangt. Der Beklagte, der rechtswidrig keine öffentlich-rechtlichen Verträge mit den neuen Leistungserbringern geschlossen habe, sei so zu stellen, als ob er den Rettungsdienst gemäß seiner gesetzlichen Verpflichtung nach § 31 Abs. 7 SächsBRKG selbst geführt hätte. Dies sei dem Beklagten durch die Übernahme der Beschäftigten der D gGmbH ohne Weiteres möglich gewesen.

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Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 23. Dezember 2008 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages der Klägerin mit der D gGmbH vom 31. Juli 2002 als Rettungsassistentin besteht.

14

Zur Begründung seines Klageabweisungsantrages hat der Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage schon mangels Feststellungsinteresses unzulässig sei. Dies gelte insbesondere, nachdem die klagenden Arbeitnehmer im Dezember 2011 auch die neuen leistungserbringenden Unternehmen auf Feststellung verklagt hätten, dass zwischen ihnen und dem jeweiligen dortigen Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages mit der D gGmbH bestünde und zudem eine genau bezifferte Vergütung für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2011 eingeklagt hätten. Jedenfalls sei die gegen den Beklagten gerichtete Klage unbegründet, da ein Betriebsübergang nicht stattgefunden habe. Zu keinem Zeitpunkt habe der Beklagte den bodengebundenen Rettungsdienst selbst erbracht. Die bloße Möglichkeit der Fortführung genüge nicht. Der Rettungsdienst sei immer von anderen Unternehmen, zunächst auf der Grundlage von Heranziehungsbescheiden, sodann aufgrund öffentlich-rechtlicher Verträge geleistet worden. Mitarbeiter, die die praktische Ausübung des Rettungsdienstes gewährleisten könnten, beschäftige der Beklagte nicht. Zudem habe es bei der Leistungserbringung durch die neu beauftragten Unternehmen organisatorische Veränderungen gegeben. Die einzelnen Leistungserbringer besetzten zB die Position des Wachleiters in ihren jeweiligen Zentralen nunmehr in eigener Verantwortung. Dagegen bestelle, anders als zu Zeiten der D gGmbH, der Beklagte Medikamente und Verbrauchsmaterialien. Neu sei auch, dass er den Leistungserbringern Geräte zur Aufnahme von Patientendaten zur Verfügung stelle.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Prozessziel weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen, weil zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis nicht besteht. Ein Betriebsübergang auf den Beklagten hat am 23. Dezember 2008 nicht stattgefunden (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).

17

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ob die Rettungswachen B und G sowie der Einsatzfahrzeugstandort am Krankenhaus in B einen Betrieb darstellten, könne ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Beklagte die der D gGmbH überlassenen Betriebsmittel „übernommen“ habe. Aus der Gesamtheit der von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen könne nicht geschlossen werden, dass der Beklagte mit den Betriebsmitteln einen Betrieb genutzt und fortgeführt habe.

18

In der Berufungsverhandlung habe die Klägerin - nach bis dahin anders lautendem Vortrag - unstreitig gestellt, dass der Beklagte selbst den Rettungsdienst ab dem 23. Dezember 2008 nicht durchgeführt habe. Daher sei davon auszugehen, dass der Beklagte die Durchführung des Rettungsdienstes ab dem 23. Dezember 2008 auf drei verschiedene Leistungserbringer übertragen hat. Einen substanziierten Tatsachenvortrag, dem entnommen werden könne, dass der Beklagte (selbst) eine wirtschaftliche Einheit genutzt und fortgeführt habe, sei von der Klägerin nicht gehalten worden. Auf die Frage, ob es Heranziehungsbescheide gebe, komme es dabei ebenso wenig an wie - bei deren Existenz - auf die Frage, ob diese in rechtsmissbräuchlicher Absicht erlassen worden seien. Die Klägerin könne sich nicht auf § 31 Abs. 7 SächsBRKG berufen. Entscheidend sei, ob der Beklagte tatsächlich die Leistungen des Rettungsdienstes selbst durchgeführt habe.

19

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis.

20

I. Die Klage ist zulässig.

21

1. Der von der Klägerin zuletzt gestellte Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, da das in jeder Lage des Verfahrens als Sachurteilsvoraussetzung zu prüfende besondere Feststellungsinteresse(vgl. BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2; GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 74 Rn. 95 mwN) insoweit besteht, als der Antrag auf die Feststellung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen Feststellung die Klägerin ein gegenwärtiges Interesse hat, da der Beklagte rechtliche Beziehungen zur Klägerin, dh. seine Passivlegitimation leugnet.

22

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Feststellungsinteresse nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin zwischenzeitlich und alternativ Dritte auf die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und auf Zahlung von Annahmeverzugslohn vor dem Arbeitsgericht L in Anspruch nimmt. Der Vorrang der Leistungsklage betrifft die Fälle, in denen eine auf Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage möglich oder bereits erhoben ist. Nur dann besteht ein einfacherer Weg zur Erreichung des Ziels, Rechtsfrieden zwischen den Parteien herzustellen (ErfK/Koch 12. Aufl. § 46 ArbGG Rn. 23). Auch der BGH hat nur dann einen Wegfall des Feststellungsinteresses bejaht, wenn eine deckungsgleiche Leistungsklage erhoben war und nicht mehr einseitig zurückgenommen werden konnte (BGH 21. Dezember 1989 - IX ZR 234/88 - zu I 2 der Gründe, MDR 1990, 540). Den von einem in Frage stehenden Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern steht es frei, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses gegenüber den verschiedenen in Betracht kommenden Arbeitgebern geltend zu machen und daneben auch Leistungsklagen auf Entgeltzahlung zu erheben. Die Feststellungsklage zum Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit einem bestimmten Arbeitgeber betrifft, auch wenn sie gegenüber mehreren in Betracht kommenden Arbeitgebern erhoben wird, einen unterschiedlichen Streitgegenstand, erst recht gilt dies für eine auf Entgeltzahlung gerichtete Zahlungsklage. Weil die auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Feststellungsklage nicht nur Grundlage für Zahlungsansprüche, sondern für eine ganze Reihe weiterer verschiedener gegenseitiger Ansprüche ist (BAG 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 - zu B I 2 a der Gründe, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 9 = EzA ZPO § 256 Nr. 25; GMP/Germelmann 7. Aufl. § 46 Rn. 112), kann sie - auch gegen den gleichen Arbeitgeber - neben einem Leistungsantrag auf Entgeltzahlung erhoben werden.

23

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, ein Übergang des Betriebs oder Betriebsteils „Rettungsdienst“ von der D gGmbH auf den Beklagten habe nicht stattgefunden.

24

1. Ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Als Teilaspekte der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang materieller Betriebsmittel wie bewegliche Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. EuGH 11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 13 - 18, Slg. 1997, I-1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145 und 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres] Rn. 32 - 35, Slg. 2005, I-11237 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41; BAG 13. Dezember 2007 - 8 AZR 937/96 - AP BGB § 613a Nr. 341 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 88; 13. Juni 2006 - 8 AZR 271/05 - mwN, AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53).

25

In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 -  C-463/09 - [CLECE] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 6 ; BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 30, AP BGB § 613a Nr. 389 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 120; 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49). Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 41, aaO; 11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 15, Slg. 1997, I-1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145). Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stellt daher für sich genommen auch keinen Übergang im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie dar (EuGH 11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 16, aaO). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Carlito Abler] Rn. 36, 37, Slg. 2003, I-14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - Rn. 22, BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27). Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt einen Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Fall einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer (vgl. EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres] Rn. 42, Slg. 2005, I-11237 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41; BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - Rn. 21, aaO). Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht (vgl. BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - Rn. 17, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64; 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - Rn. 23, aaO; 2. März 2006 - 8 AZR 147/05 - Rn. 22, AP BGB § 613a Nr. 302 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 50). Kriterien hierfür können sein, dass die Betriebsmittel unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind (vgl. BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - Rn. 21, aaO; 13. Juni 2006 - 8 AZR 271/05 - Rn. 24, AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53), auf dem freien Markt nicht erhältlich sind oder ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben ist.

26

Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept der betrieblichen Tätigkeit können einer Identitätswahrung entgegenstehen (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - Rn. 34 mwN, BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51). Ein Betriebsübergang scheidet auch aus, wenn die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den Produktionsfaktoren beim anderen Unternehmer verloren geht. Bei einer Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers fällt der Zusammenhang dieser funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der „organisatorischen Selbständigkeit“ ist nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (vgl. EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 48, Slg. 2009, I-803 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2; BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 455/10 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 129; 27. Januar 2011 - 8 AZR 326/09 - Rn. 27, AP BGB § 613a Nr. 402 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 123; 22. Januar 2009 - 8 AZR 158/07 - Rn. 19, AP BGB § 613a Nr. 367 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 107).

27

Entscheidendes Kriterium für den Betriebsübergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht (vgl. BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - Rn. 20, BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49). Allerdings tritt der Wechsel der Inhaberschaft nicht ein, wenn der neue „Inhaber” den Betrieb gar nicht führt (BAG 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - Rn. 29, 33, BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177). Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als Inhaber „verantwortlich“ ist (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - Rn. 42, AP BGB § 613a Nr. 294 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 45). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - aaO; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - zu II 3 b bb der Gründe, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 7). Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (vgl. BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 339). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH, wonach der Zeitpunkt des Übergangs dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Inhaberschaft, mit der die Verantwortung für den Betrieb der übertragenen Einheit verbunden ist, vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht und dieser den Betrieb fortführt (vgl. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn. 36, Slg. 2005, I-4389 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 1). Nicht erforderlich ist es dabei, dass der neue Inhaber den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Unschädlich ist es daher, wenn der Gewinn an einen anderen abgeführt wird (vgl. BAG 20. März 2003 - 8 AZR 312/00 - aaO; 12. November 1998 - 8 AZR 282/07 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 90, 163 = AP BGB § 613a Nr. 186 = EzA BGB § 613a Nr. 170).

28

2. Im Rahmen des § 613a BGB gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast, dh., der Anspruchssteller trägt die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden, der Anspruchsgegner trägt sie für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale (vgl. Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. Vor § 284 ZPO Rn. 17a; APS/Steffan 4. Aufl. § 613a BGB Rn. 257). Nimmt der Arbeitnehmer den vermeintlichen Betriebsübernehmer in Anspruch, muss er die Voraussetzungen eines Betriebs(teil)übergangs einschließlich seiner organisatorischen Zuordnung zum übergegangenen Betriebsteil darlegen und ggf. beweisen (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 320/01 - zu B III 4 der Gründe, AP InsO § 113 Nr. 9; HaKo-KSchR/Mestwerdt 4. Aufl. § 613a BGB Rn. 55).

29

3. Ein Betriebsübergang auf den Beklagten hat nicht stattgefunden, weil er zu keinem Zeitpunkt Inhaber des Betriebs „Rettungsdienst“ geworden ist.

30

a) Der von der D gGmbH durchgeführte „Rettungsdienst“ ist ein Betrieb iSv. § 613a Abs. 1 BGB, weil er eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung war.

31

Um die Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes zu erbringen, hat die D gGmbH eine Gesamtheit von Arbeitnehmern an drei Standorten eingesetzt und von B aus zentral geführt. Sie wurden ausschließlich zur Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes in dem durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Beklagten und der D gGmbH bestimmten Umfang eingesetzt. Dass die materiellen Betriebsmittel, also die Rettungsfahrzeuge und die Baulichkeiten der Rettungswachen von dem Beklagten der D gGmbH zur Verfügung gestellt wurden, ist unerheblich. Zu einem Betrieb gehören auch sächliche Betriebsmittel wie Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser aufgrund einer mit einem Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung des Betriebszwecks einsetzen kann (vgl. BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - Rn. 26, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64; 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49; EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Carlito Abler] Rn. 41, Slg. 2003, I-14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13).

32

b) Dieser Betrieb „Rettungsdienst“ ist nicht unter Wahrung seiner Identität auf den Beklagten übergegangen. Der Beklagte hat weder zu irgendeinem Zeitpunkt den Betrieb Rettungsdienst nach außen hin selbst unterhalten, noch hat er dem Personal arbeitsrechtliche Weisungen im eigenen Namen als Arbeitgeber erteilt.

33

aa) Dass es sich bei der Durchführung des Rettungsdienstes um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt, steht der Annahme eines Betriebsübergangs grundsätzlich nicht entgegen. § 613a BGB findet auch Anwendung, wenn die öffentliche Hand einen privaten Betrieb übernimmt oder ein Betriebsinhaberwechsel zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften stattfindet(vgl. BAG 25. September 2003 - 8 AZR 421/02 - zu II 1 c der Gründe mwN, AP BGB § 613a Nr. 261 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 14).

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Art. 1 Abs. 1c der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 nimmt zwar die Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere von der Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie aus. Eine solche Aufgabenübertragung innerhalb der Verwaltung liegt nicht vor, wenn die Durchführung des Rettungsdienstes durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag auf eine private Hilfsorganisation übertragen oder rückübertragen wird und es in diesem Zusammenhang zu einem Übergang der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität kommt (vgl. Iwers LKV 2010, 8, 13). Entscheidend ist, dass es sich bei der Übertragung um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt (vgl. EuGH 26. September 2000 - C-175/99 - [Mayeur] Rn. 41, Slg. 2000, I-7755 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 30 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 192; ErfK/Preis 12. Aufl. § 613a BGB Rn. 15). Hierbei ist die Anwendbarkeit der Betriebsübergangsrichtlinie nicht davon abhängig, dass die wirtschaftliche Tätigkeit auf Gewinnerzielungsabsicht ausgerichtet ist (vgl. EuGH 14. September 2000 - C-343/98 - [Collino und Chiappero] Rn. 30, Slg. 2000, I-6659 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 29 = EzA BGB § 613a Nr. 191).

35

Die Übertragung von Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse sind, schließt die Anwendung der Richtlinie dann nicht aus, wenn die betreffende Tätigkeit keine hoheitliche Tätigkeit darstellt (vgl. EuGH 26. September 2000 - C-175/99 - [Mayeur] Rn. 39 f., Slg. 2000, I-7755 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 30 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 192; 10. Dezember 1998 - C-173/96 - [Hidalgo ua.] Rn. 24, Slg. 1998, I-8237 = EzA BGB § 613a Nr. 172). Die Vergabe von Aufträgen zur Durchführung öffentlicher Krankentransportleistungen betrifft keine hoheitliche Tätigkeit (EuGH 29. April 2010 - C-160/08 - Slg. 2010, I-3713). Hoheitliche Tätigkeit setzt eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen voraus, die bei der Durchführung von Krankentransportleistungen nicht vorliegt. Die Einsatzkennzeichnung durch Blaulicht und Einsatzhorn bei höchster Eile, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden (§ 38 Abs. 1 StVO) ist keine unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Leistungserbringer des Rettungsdienstes sind nicht mit besonderen Vorrechten oder Zwangsbefugnissen ausgestattet, um die Einhaltung des allgemeinen Rechts zu gewährleisten. Auch die Zusammenarbeit beim Rettungsdienst mit öffentlichen Stellen die, wie zB die Polizei, mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind, führt nicht dazu, dass solche Dienstleistungen mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden wären (vgl. EuGH 29. April 2010 - C-160/08 - Rn. 80 ff., aaO). Die Übertragung von Rettungsdienstleistungen an Leistungserbringer nach § 31 SächsBRKG stellt ein Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 1 GWB dar(BGH 1. Dezember 2008 - X ZB 31/08 - BGHZ 179, 84). Dies steht der Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie und von § 613a BGB nicht entgegen(vgl. BAG 2. März 2006 - 8 AZR 147/05 - Rn. 24, AP BGB § 613a Nr. 302 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 50; EuGH 25. Januar 2001 - C-172/99 - [Liikenne] Slg. 2001, I-745).

36

bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht die sächlichen Betriebsmittel, insbesondere die überlassenen Rettungsfahrzeuge als für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägend erkannt, weil bei wertender Betrachtung ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit sind (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - Rn. 21, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

37

Identitätsprägend sind vor allem die vom Beklagten zur Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes überlassenen Rettungsmittel. Die D gGmbH hat als Leistungserbringer iSv. § 31 Abs. 1 SächsBRKG die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes übernommen. § 29 Abs. 2 SächsBRKG regelt dazu, dass für die Notfallrettung und den Krankentransport geeignete Krankentransportwagen(KTW) einzusetzen sind. § 2 SächsLRettDPVO sieht dazu vor, dass Rettungsmittel für die Notfallrettung der Rettungswagen(RTW) nach DIN EN 1789 Typ C, das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) nach DIN 75079 und für Krankentransporte der Krankentransportwagen nach DIN EN 1789 Typ A2 sind.

38

cc) Das Einsatzpersonal im Rettungsdienst (Rettungshelfer, Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notärzte) ist zwar hochqualifiziert und umfassend für die jeweiligen Aufgaben bei der Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes ausgebildet. Gleichwohl ist eine Übernahme oder Nichtübernahme nicht von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang vorliegt. Nur in betriebsmittelarmen Betrieben ist das Personal identitätsprägend. In allen anderen Betrieben ist die Übernahme der Belegschaft nur ein Kriterium unter anderen für die Annahme eines Betriebsübergangs. Ist bei betriebsmittelgeprägten Betrieben wie dem Rettungsdienst der Fortbestand der betrieblichen Identität schon aufgrund anderer Kriterien zu bejahen, kommt der Nichtübernahme kein Ausschlusscharakter für einen Betriebsübergang zu (BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - Rn. 40, BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Carlito Abler] Rn. 37, Slg. 2003, I-14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13).

39

c) Diesen Betrieb „Rettungsdienst“ hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt verantwortlich geführt.

40

aa) Zwar hat die D gGmbH als bisherige Inhaberin des Betriebs „Rettungsdienst“ ihre wirtschaftliche Betätigung durch Räumung der überlassenen Räume der Rettungswachen und des Einsatzfahrzeugstandorts sowie durch Herausgabe der Einsatzfahrzeuge am 23. Dezember 2008 um 07:00 Uhr eingestellt, danach Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes nicht mehr erbracht und ihre sämtlichen Arbeitnehmer von der Arbeitsverpflichtung freigestellt.

41

bb) Diese Herausgabe der sächlichen Betriebsmittel seitens der D gGmbH aufgrund der außerordentlichen Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages durch den Beklagten machte diesen jedoch nicht zum Betriebsinhaber. Dabei ist es unerheblich, dass der Beklagte die Herausgabe im Kündigungsschreiben „zur möglichen Durchführung eigener sofortiger Leistungserbringung in Sicherstellung von Notfallrettung und Krankentransport“ forderte. Ein für einen Betriebsübergang maßgeblicher Fortführungswille des Beklagten ergibt sich daraus schon deswegen nicht, weil zum einen nur eine „mögliche“ eigene Leistungserbringung erwähnt wurde, zum anderen zeitgleich mit der außerordentlichen Vertragskündigung die Heranziehungsbescheide gegenüber den neuen Leistungserbringern erlassen wurden. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt tatsächlich die eigene Fortführung des Betriebs „Rettungsdienst“ beabsichtigt, vielmehr sollten dafür ab dem 23. Dezember 2008 07:00 Uhr weiterhin private Hilfsorganisationen zuständig sein. Tatsächlich haben die vom Beklagten herangezogenen Unternehmen zu diesem Zeitpunkt die sächlichen Betriebsmittel übernommen und ab diesem Zeitpunkt den Rettungsdienst durchgeführt.

42

Dass die D gGmbH die identitätsprägenden sächlichen Betriebsmittel nicht direkt an die herangezogenen Unternehmen, sondern zunächst an den Beklagten herausgegeben hat, ist unerheblich. Denn der Beklagte hat keine Betriebstätigkeit aufgenommen, sondern die materiellen Betriebsmittel (Einsatzfahrzeuge, Räumlichkeiten) unstreitig den herangezogenen Unternehmen sofort zur Verfügung gestellt und ihnen die Möglichkeit der Nutzung eingeräumt. Dabei kommt es für die Zuordnung von sächlichen Betriebsmitteln zu einem Betrieb auf die dingliche Berechtigung nicht an.

43

cc) Dass die herangezogenen Unternehmen und ihre Mitarbeiter in der Disposition über die Einsatzfahrzeuge Weisungen des Beklagten unterlagen, war nicht Folge des Verwaltungsakts, mit dem die neuen Leistungserbringer zur Durchführung des Rettungsdienstes herangezogen wurden, sondern ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Satz 4 SächsLRettDPVO, wonach die integrierten Regionalleitstellen die Notfalleinsätze im Rettungsdienst lenken. Dies war auch bei der Leistungserbringung durch die D gGmbH nicht anders und ist dem Rettungsdienst als öffentliche Aufgabe immanent. Einem Betriebsinhaberwechsel steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber im Innenverhältnis Bindungen unterliegt (vgl. BAG 20. November 1984 - 3 AZR 584/83 - Rn. 16, BAGE 47, 206 = AP BGB § 613a Nr. 38 = EzA BGB § 613a Nr. 41)oder zur Veräußerung der Betriebsmittel im eigenen Namen nicht befugt ist (Staudinger/Annuß [2011] § 613a Rn. 65; HWK/Willemsen 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 47). Entscheidend ist, wer im Außenverhältnis als Vollrechtsinhaber auftritt (BAG 20. November 1984 - 3 AZR 584/83 - aaO) und die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen Funktionszusammenhang erlangt hat (HWK/Willemsen aaO). Dies entspricht dem europäischen Recht, das als Betriebsinhaber „… die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht“ ansieht (EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 30, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 6; 11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 12, Slg. 1997, I-1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145). Die mit der Koordination des Rettungsdienstes gegenüber den Leistungserbringern verbundenen Weisungsrechte machen und machten den Beklagten nicht zum Betriebsinhaber oder Arbeitgeber, weder zu Zeiten der D gGmbH, noch nach der Heranziehung dreier neuer Unternehmen.

44

dd) Für die Beurteilung eines Betriebsübergangs iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es auf die Übernahme der tatsächlichen Betriebsinhaberschaft an, nicht darauf, ob der Beklagte nach § 31 Abs. 7 SächsBRKG verpflichtet war, eine bedarfsgerechte Versorgung mit Leistungen des Rettungsdienstes selbst durchzuführen. Im Übrigen sieht das nach dem Subsidiaritätsprinzip strukturierte SächsBRKG eine solche Pflicht für den Träger des Rettungsdienstes nur dann vor, wenn die Notfallrettung nicht bedarfsgerecht auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Verträge sichergestellt werden kann. § 31 Abs. 7 SächsBRKG stellt insofern eine Auffangregelung dar. Sollte es dem Träger nicht gelingen, einen Leistungserbringer zu finden, ist er verpflichtet, Notfallrettung und Krankentransport selbst durchzuführen. Dies soll stets nur eine Zwischenlösung darstellen, der Träger bleibt verpflichtet, baldmöglichst in einem Auswahlverfahren einen neuen Leistungserbringer zu finden und diesen zu beauftragen (Gesetzesentwurf der Staatsregierung, Sächs. Landtag Drucks. 3/9866 S. 25). Vorliegend kam die Regelung des § 31 Abs. 7 SächsBRKG schon deswegen nicht zum Tragen, weil der Beklagte eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen des Rettungsdienstes tatsächlich durch die Heranziehung von drei anderen Unternehmen sicherstellen konnte. Mit Rücksicht auf die Befristung des mit der D gGmbH geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages zum 31. Dezember 2008 hatte der Beklagte bereits im Vorfeld seiner außerordentlichen Kündigung Angebote von der K GmbH, der J und dem D Ge erhalten und konnte auf diese in den jeweiligen Heranziehungsbescheiden Bezug nehmen. Wenngleich aufgrund der außerordentlichen Kündigung die rechtlichen Vorgaben eines geordneten Vergabeverfahrens nach § 97 Abs. 1 GWB nicht einzuhalten waren, mangelte es gleichwohl nicht an ausreichend leistungsfähigen Leistungserbringern, die in der Lage und bereit waren, die Notfallrettung ab dem 23. Dezember 2008 durchzuführen. Ein Fall des § 31 Abs. 7 SächsBRKG war nicht eingetreten.

45

ee) Mit den Heranziehungsbescheiden bestand auch eine Rechtsgrundlage zur Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes durch die herangezogenen Unternehmen. An die Tatbestandswirkung der bestandskräftigen Heranziehungsbescheide sind die Gerichte selbst dann gebunden, wenn diese rechtswidrig sind. Eine Bindung entfällt nur dann, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 466/10 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; 18. Juli 2007 - 5 AZR 854/06 - Rn. 25, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11). Eine solche Nichtigkeit der Heranziehungsbescheide kann nicht festgestellt werden.

46

(1) Ein Fall der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts liegt nach § 44 Abs. 1 VwVfG iVm. § 1 SächsVwVfG(in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung) vor, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 466/10 - Rn. 22, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; 18. Juli 2007 - 5 AZR 854/06 - Rn. 25, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, dh. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertevorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG 11. Mai 2000 - 11 B 26.00 - NVwZ 2000, 1039; 17. Oktober 1997 - 8 C 1.96 - NVwZ 1998, 1061).

47

(2) Soweit § 31 Abs. 1 SächsBRKG bestimmt, dass Notfallrettung und Krankentransport nur auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durchgeführt werden dürfen, besteht der Zweck dieser Norm nicht darin, eine Aufgabenübertragung durch andere hoheitliche Rechtsakte auszuschließen. Mit der Vorgabe „öffentlich-rechtlicher Vertrag“ wird es dem Aufgabenträger ermöglicht, eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung durch entsprechende Vertragsgestaltungen und Auswahlverfahren zu gewährleisten. Die primäre Aufgabe des Trägers besteht aber darin, den öffentlichen Rettungsdienst sicherzustellen. Dem steht eine Aufgabenübertragung durch Verwaltungsakt nicht entgegen. Ob § 54 Abs. 1 Nr. 1 SächsBRKG vorliegend für den Erlass der Heranziehungsbescheide eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellte, kann dahinstehen. Selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anwendung des § 54 Abs. 1 SächsBRKG nicht vorgelegen haben sollten, ist der Fehler einer möglicherweise verkannten Rechtsgrundlage für den Erlass dieser Heranziehungsbescheide nicht so offensichtlich, dass von ihrer Nichtigkeit ausgegangen werden müsste.

48

d) Für einen Betriebsinhaberwechsel sind allein die tatsächlichen Umstände maßgeblich. Daher ist es unerheblich, dass die drei Unternehmen ab dem 23. Dezember 2008 bis längstens 15. Januar 2009 herangezogen wurden. Weder die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts noch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung sind für die Frage eines Betriebsinhaberwechsels relevant (vgl. BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 33, AP BGB § 613a Nr. 339). Der Beklagte ist zu keinem Zeitpunkt Inhaber des Betriebs „Rettungsdienst“ durch umfassende Nutzung desselben nach außen geworden.

49

e) Nach der Heranziehung im Wege des Verwaltungsakts haben die drei neuen Leistungserbringer den Betrieb „Rettungsdienst“ nicht im Namen des Beklagten geführt. Die Arbeitnehmer der drei Unternehmen sind nicht im Namen des Beklagten nach außen hin aufgetreten. Entscheidend für die Frage, ob der Beklagte Betriebsinhaber des Betriebs „Rettungsdienst“ geworden ist, ist ob er für den Betrieb „verantwortlich“ war. Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - Rn. 59, AP BGB § 613a Nr. 294 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 45). Auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen kommt es an (BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 339). Eine solche umfassende Nutzung nach außen hat nicht der Beklagte, sondern haben die herangezogenen Unternehmen verwirklicht. Dies entspricht dem Inhalt der Heranziehungsbescheide, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte alle im Zusammenhang mit der Heranziehung entstehenden Kosten übernimmt. Die herangezogenen Unternehmen sollten also nach außen im eigenen Namen handeln, sich selbst berechtigen und verpflichten, im Innenverhältnis dann aber die entstandenen Kosten vom Beklagten erstattet erhalten. Sie sollten also nicht wie bei einer Betriebsführung im fremden Namen, als „verlängerter Arm“ des Beklagten handeln, sondern eine eigene betriebliche Leitungs- und Organisationsbefugnis ausüben. Weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Beklagte die herangezogenen Unternehmen ermächtigt hätte, für ihn im fremden Namen zu handeln, dh. ihn direkt zu berechtigen und zu verpflichten. Daher kommt es für die Beurteilung eines Betriebsübergangs auch nicht auf die gesetzlichen Regelungen der Haftung und des Aufwendungsersatzes nach dem SächsBRKG, insbesondere nicht auf dessen § 54 Abs. 4 an. Zudem ist es für die Frage, ob im Eigentum eines anderen stehende Betriebsmittel einem Betrieb zuzuordnen sind, nicht mehr entscheidend, ob dem Berechtigten die Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind (st. Rspr. des Senats, vgl. BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - Rn. 27, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64; EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres] Rn. 42, Slg. 2005, I-11237 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41).

50

f) Es stellt keine Umgehung von § 613a BGB dar, wenn ein Betriebsübergang zu einem bestimmten Rechtsträger gerade nicht eintritt. Nach Art. 1 Abs. 1b der Richtlinie 2001/23/EG „gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“. Die Betriebsübergangsrichtlinie stellt damit auf das Erfordernis der Identitätswahrung ab (vgl. zuletzt: EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] AP Richtlinie 2001/23 EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 6). Ebenso entspricht es der Rechtsprechung des EuGH, dass neuer Inhaber derjenige ist, der die betreffende Einheit unter Wahrung ihrer Identität weiterführt oder wieder aufnimmt (vgl. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn. 35, Slg. 2005, I-4389 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 1). Weder § 613a BGB noch die Betriebsübergangsrichtlinie sehen eine von ihren Tatbestandsvoraussetzungen losgelöste, unbedingte Verpflichtung eines bestimmten Rechtsträgers vor, das Personal eines Auftragnehmers weiterzubeschäftigen. Der Zwangseintritt in Arbeitsverhältnisse bedarf aus verfassungsrechtlichen Gründen der sachlichen Legitimation, die darin liegt, dass der Betriebsnachfolger die vom Vorgänger geschaffene Betriebs(teil)organisation für eigene geschäftliche Zwecke weiternutzt, sich also die spezifische Verknüpfung von materiellen, immateriellen und personellen Ressourcen gezielt zu eigen macht und ihre „Widmung“ für den bisherigen Betriebszweck aufrechterhält (vgl. HWK/Willemsen 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 9). Liegt eine solche Situation nicht vor, besteht keine Sachlage, die einen solchen Zwangseintritt in Arbeitsverhältnisse rechtfertigen kann. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung der Betriebstätigkeit genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht (vgl. BAG 21. Februar 2008 - 8 AZR 77/07 - Rn. 19, AP BGB § 613a Nr. 343).

51

g) Verstößt der Träger des Rettungsdienstes gegen die ihm obliegenden Pflichten aus § 31 SächsBRKG, so kann dies zwar Anlass für ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde sein, deren Weisungsrecht nach § 5 Abs. 1 Satz 3 SächsBRKG auf das Auswahlverfahren nach § 31 SächsBRKG beschränkt ist. Der Nichtabschluss eines oder mehrerer öffentlich-rechtlicher Verträge für die Zeit ab 23. Dezember 2008 rechtfertigt es aber nicht, einen Übergang von Arbeitsverhältnissen entgegen dem tatsächlichen Geschehensablauf auf den Beklagten anzunehmen. § 31 Abs. 1 SächsBRKG bezweckt nicht den Schutz der Arbeitnehmer des Leistungserbringers im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Mit der Vorgabe „öffentlich-rechtlicher Vertrag“ in § 31 SächsBRKG soll sichergestellt werden, dass die öffentliche Aufgabe der Notfallrettung unter Beachtung des SächsBRKG und der SächsLRettDPVO erfolgt. § 31 SächsBRKG, auch nicht dessen Absatz 7, ist keine Vorschrift zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer eines Leistungserbringers und damit keine Grundlage für die Annahme eines Übergangs von Arbeitsverhältnissen außerhalb der Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB auf einen „gewünschten“ Rechtsträger.

52

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    F. Avenarius    

        

    Wroblewski    

                 

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:

1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens;
2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören;
3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.

(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten

1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte;
2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte;
3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen.

(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vorliegt. Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

(2) Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen. Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen.

(3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.