Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. Juni 2016 - 5 Sa 354/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0602.5SA354.15.0A
02.06.2016

Tenor

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 01.07.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2015, Az. 3 Ca 984/14, teilweise abgeändert und die Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 zum 31.03.2014 abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie einen zweitinstanzlich gestellten Auflösungsantrag des beklagten Landes.

2

Der 1988 geborene Kläger wurde mit Wirkung ab 01.11.2011 vom beklagten Land als Arbeitnehmer eingestellt und bei der Staatsanwaltschaft mit Aufgaben des Wachtmeisterdienstes betraut. Im schriftlichen Arbeitsvertrag wurde die Anwendung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vereinbart. Mit Wirkung vom 01.05.2012 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Justizwachtmeisteranwärter ernannt. Zum 01.06.2012 erfolgte seine Ernennung zum Justizoberwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe.

3

Mit Schreiben vom 21.11.2013, dem Kläger am 27.11.2013 zugegangen, kündigte das beklagte Land, vertreten durch den Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft, das Arbeitsverhältnis fristlos zum Ablauf des 30.11.2013, hilfsweise "unter Einhaltung der Kündigungsfrist" zum 31.12.2013. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger am 06.12.2013 vor dem Arbeitsgericht Trier Kündigungsschutzklage. Die Klage richtete er gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dieses durch den Generalstaatsanwalt Koblenz, dieser durch den Leitenden Oberstaatsanwalt. Der Leitende Oberstaatsanwalt sandte die ihm mit Verfügung vom 11.12.2013 zugeleitete Klageschrift mit Schreiben vom 16.12.2013 an das Arbeitsgericht mit der Begründung zurück, das beklagte Land werde nach der einschlägigen Landesverordnung durch die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vertreten. Daraufhin veranlasste das Arbeitsgericht auf Antrag des Klägers eine Zustellung der Klageschrift an die Generalstaatsanwaltschaft. Dort ging die Klage am 08.01.2014 ein.

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Mit beamtenrechtlicher Disziplinarverfügung vom 05.02.2014 verhängte der Leitende Oberstaatsanwalt gegen den Kläger einen Verweis. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Trier hat seine Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 11.11.2014 (Az. 3 K 1198/14.TR) abgewiesen. In einem weiteren Rechtsstreit (Az. 1 K 152/14.TR) wandte sich der Kläger gegen seine dienstliche Beurteilung vom 27.09.2013, die zum Abschluss der verlängerten Probezeit im Beamtenverhältnis mit der Gesamtbewertung "nicht geeignet" erstellt worden ist. Das Verwaltungsgericht Trier hat seine Klage mit Urteil vom 17.06.2014 abgewiesen. Seinen Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz (Az. 2 A 10632/14.OVG) mit Beschluss vom 18.12.2014 abgelehnt. Der Kläger wurde mit Verfügung des Generalstaatsanwalts Koblenz vom 05.02.2014 mit Ablauf des 31.03.2014 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Sein Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Trier hat seine Klage mit Urteil vom 18.11.2014 (Az. 1 K 523/14.TR) abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung (Az. 2 A 11152/14.OVG) am 19.01.2015 beim Oberverwaltungsgericht Koblenz zurückgenommen hat. Der Kläger ist bis zum 19.01.2015 weiterbeschäftigt worden.

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Das beklagte Land wirft dem Kläger mehrere Pflichtverletzungen vor. Der Kläger habe am 17.11.2011 um 10:54 Uhr einen Dienstgang angetreten und sei erst um 13:19 Uhr zurückgekehrt, weil er in der Zwischenzeit ein von ihm käuflich erworbenes Möbelstück im ehemaligen Dienstgebäude der Staatsanwaltschaft abgebaut und abtransportiert habe. Der tägliche Arbeitsbeginn des Klägers habe in der Zeit von Juni bis September 2012 stark geschwankt. Er habe seinen Dienst ohne Rücksicht auf die Erkrankung oder den Urlaub anderer Wachtmeister häufig erst nach 8:00 Uhr angetreten. Da er sein Verhalten trotz einer Ermahnung vom 11.09.2012 nicht wesentlich geändert habe, habe der Geschäftsleiter für ihn am 02.10.2012 feste Arbeitszeiten angeordnet. In der Folgezeit sei es zu Beschwerden über den mangelhaften Aktenzu- bzw. -abtrag gekommen. Dem Kläger sei mangelnde Arbeitsleistung und Unterstützung vorgeworfen worden, was auch auf den stundenlangen privaten Gebrauch des Internets in der Dienstzeit und überlange Raucherpausen zurückzuführen sei. Bei mehreren Gelegenheiten habe der Kläger erklärt, nur noch Dienst nach Vorschrift leisten zu wollen. Im Juni oder Juli 2013 habe sich der Kläger in der Dienstzeit mindestens zweimal zu privaten Zwecken über den Rechner eines Kollegen in der Wachtmeisterei ins Internet eingewählt. Darüber hinaus habe er im Juni 2013 an seinem Arbeitsplatz einem externen Gesprächsteilnehmer Inhalte aus einer vor sich liegenden Ermittlungsakte telefonisch preisgegeben und damit seine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Schließlich habe er am 18.09.2013 das Dienstgebäude kurz nach 12:00 Uhr zum Antritt seiner Mittagspause verlassen und sei erst um 13:28 Uhr zurückgekehrt, ohne die Zeiterfassung zu betätigen.

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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung gem. Schreiben vom 21.11.2013 aufgelöst worden ist,

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hilfsweise festzustellen, dass die ordentliche Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht vor Ablauf des 31.03.2014 aufgelöst worden ist.

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Das beklagte Land hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht Trier hat mit am 01.07.2015 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben. Der Kläger habe die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung nach § 4 KSchG nicht versäumt. Es sei unschädlich, dass die Klageschrift gegen die Kündigung vom 21.11.2013 erst am 08.01.2014 der nach der einschlägigen Landesverordnung zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Koblenz zugestellt worden sei. Selbst wenn mit der Zustellung an den Leitenden Oberstaatsanwalt die Frist nicht gewahrt worden sein sollte, sei die Klage jedenfalls "demnächst" iSv. § 167 ZPO zugestellt worden. Die außerordentliche Kündigung zum 30.11.2013 sei bereits wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, denn sämtliche kündigungsrelevanten Umstände seien dem Kündigungsberechtigten bei Ausspruch der Kündigung bereits länger als zwei Wochen bekannt gewesen. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien bei Zugang der Kündigung seit dem 01.11.2011 und damit schon länger als sechs Monate iSv. § 1 Abs. 1 KSchG bestanden habe. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG) Rheinland-Pfalz ruhe das privatrechtliche Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn während der Dauer eines Beamtenverhältnisses auf Probe oder auf Widerruf. Die ordentliche Kündigung sei nicht aus Gründen im Verhalten des Klägers berechtigt. Das Vorbringen des beklagten Landes zu den einzelnen Kündigungsvorwürfen sei nicht ausreichend substantiiert. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des am 01.07.2015 verkündeten Urteils verwiesen.

13

Gegen das am 13.07.2015 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit am 07.08.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 14.09.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

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Das beklagte Land vertritt die Ansicht, die Kündigung gälte nach § 7 KSchG als rechtswirksam, weil der Kläger die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt habe. Auf den rechtzeitigen Zugang der Klageschrift beim Leitenden Oberstaatsanwalt komme es nicht an, weil nach der einschlägigen Landesverordnung die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vertretungsberechtigte Behörde sei. Die Zustellung an die Generalstaatsanwaltschaft sei nach einer Verzögerung von über 14 Tagen nicht iSv. § 167 ZPO "demnächst" erfolgt. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, weil der Kläger nur in der Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 als Arbeitnehmer tätig gewesen sei, danach als Beamter auf Widerruf bzw. auf Probe. Damit habe das Arbeitsverhältnis nicht länger als sechs Monate bestanden. Für die Berechnung der Dauer des Arbeitsverhältnisses komme es darauf an, dass die Beschäftigung im gleichen Status erfolgt sei. Im Übrigen sei die Kündigung wegen der aufgeführten Pflichtverletzungen berechtigt. Der Kläger habe ua. seine Verschwiegenheitspflicht verletzt, weil er im Juni 2013 vertrauliche Akteninhalte weitergegeben habe. Er sei von Justizoberwachtmeister E. dabei beobachtet worden, dass er einem externen Gesprächsteilnehmer aus einer vor ihm aufgeschlagenen Ermittlungsakte telefonisch Informationen über einen Motorradunfall mitgeteilt habe.

15

Zur Begründung des in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrags führt das beklagte Land aus, der Kläger sei wegen Nichteignung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen geworden. Es sei nicht zumutbar, den Kläger, dessen Nichteignung als Beamter vom Verwaltungsgericht rechtskräftig festgestellt worden sei, weiterhin als Arbeitnehmer zu beschäftigen. Der Kläger sei nicht in der Lage und nicht willens, seine dienstlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Auch der Betriebsfrieden erlaube die weitere Beschäftigung des Klägers nicht. Es sei zu Beschwerden über sein unkollegiales Verhalten gekommen. Nach Ausspruch der Kündigung seien die Krankheitstage des Klägers sprunghaft angestiegen. Er sei nach den Verhandlungsterminen vor dem Verwaltungsgericht oftmals gereizt gewesen. Außerdem habe er den Zeugen E. mit Aussagen im Sinne von "Ich weiß, wo du wohnst" oder "Ich weiß, wo dein Auto steht", verbal attackiert.

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Das beklagte Land beantragt zweitinstanzlich,

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1. das am 01.07.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2015, Az. 3 Ca 984/14, abzuändern und die Klage abzuweisen,

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2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

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Der Kläger beantragt,

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1. die Berufung zurückzuweisen,

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2. den Hilfsantrag abzuweisen.

22

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet insbesondere den Vorwurf, er habe die Verschwiegenheitspflicht verletzt. Allein mit der Behauptung, er habe telefoniert und dabei eine offene Akte vor sich liegen gehabt, lasse sich nicht belegen, dass er den Gesprächspartner über den Akteninhalt aufgeklärt habe. Die Aussage des Zeugen E. bei seiner Vernehmung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren laut Vernehmungsprotokoll vom 14.11.2013 entspreche nicht der Wahrheit. Auch die in der Sitzungsniederschrift protokollierte Aussage des Zeugen E. bei seiner Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht Trier am 17.06.2014 (Az. 1 K 152/14.TR), er habe einem externen Gesprächsteilnehmer Akteninformationen weitergegeben, sei völlig aus der Luft gegriffen.

23

Der zweitinstanzliche Auflösungsantrag sei unbegründet, zumal ihn das beklagte Land nach Ausspruch der Kündigung vom 21.11.2013 bis zum 19.01.2015, dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der beamtenrechtlichen Entlassungsverfügung vom 05.02.2014, in der Wachtmeisterei der Staatsanwaltschaft sowie zur Unterstützung der Wachtmeisterei des Land- und Amtsgerichts und in der Archivgeschäftsstelle weiterbeschäftigt habe.

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Die Berufungskammer hat über die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger habe im Juni 2013 einem externen Gesprächspartner Akteninhalte aus einer Ermittlungsakte telefonisch weitergegeben, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.06.2016 verwiesen.

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Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des beklagten Landes hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie ist begründet, soweit das Arbeitsgericht der Klage gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 zum 31.03.2014 stattgegeben hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der zweitinstanzlich hilfsweise gestellte Auflösungsantrag fällt nicht zur Entscheidung an.

I.

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Die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 21.11.2013 zum 30.11.2013 ist unwirksam.

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1. Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht gem. § 7 KSchG fingiert. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Kläger gegen die Kündigung rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Klage erhoben. Es ist auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht abzustellen, da die Zustellung der Klage "demnächst" iSv. § 167 ZPO bewirkt worden ist.

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a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine schriftliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wegen § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Wegen § 167 ZPO genügt zur Fristwahrung der Klageeingang bei Gericht, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Wird die Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam (vgl. BAG 20.02.2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 34).

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b) Im Streitfall ist das Kündigungsschreiben vom 21.11.2013 dem Kläger am 27.11.2013 zugestellt worden. Die Klage gegen den richtigen Arbeitgeber - das Land Rheinland-Pfalz - ging am 06.12.2013 beim Arbeitsgericht Trier ein und ist der nach Landesrecht zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am 08.01.2014 zugestellt worden. Diese Zustellung ist entgegen der Auffassung der Berufung noch "demnächst" iSv. § 167 ZPO erfolgt und wirkt damit auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht zurück.

31

aa) Die ursprüngliche Bezeichnung der Endvertretungsbehörde des beklagten Landes in der vom Kläger beim Arbeitsgericht eingereichten Klage war unrichtig. Das beklagte Land wird im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren nicht vom Leitenden Oberstaatsanwalt, sondern von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vertreten (siehe § 1 Ziff. 1b der Landesverordnung über die Zuständigkeit zur Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 22.08.1997). Eine Zustellung an den Leitenden Oberstaatsanwalt konnte demnach nicht zu einer wirksamen Klagezustellung führen (vgl. BGH 01.12.2005 - III ZR 43/05 - Rn. 6 mwN). Im Ansatz liegt also darin, dass die vorliegende Klage erst am 08.01.2014 (wirksam) zugestellt worden ist, eine vom Kläger zu vertretende Verzögerung. Denn seinem Prozessbevollmächtigten ist vorzuwerfen, dass er - unbeschadet dessen, dass die Kündigung vom Leitenden Oberstaatsanwalt erklärt worden ist - bei sorgfältiger Prozessführung sich selbständig über die richtige Vertretungsbehörde des beklagten Landes für den Fall eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens über die Kündigung hätte informieren müssen.

32

bb) Obwohl die Verzögerung der Zustellung allein im Verantwortungsbereich des Klägers liegt, ist die Zustellung der Klage an die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am 08.01.2014 noch "demnächst" erfolgt.

33

Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen. Die zeitliche Rückwirkung der Zustellung darf dem Empfänger nicht unzumutbar sein. Dies ist umso eher der Fall, je länger eine Zustellung durch den Kläger selbst in vorwerfbarer Weise verzögert wird. Geht es um Aufschübe, die vom Kläger zu vertreten sind, ist das Merkmal „demnächst“ nur erfüllt, wenn sich diese in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Das wiederum ist zumindest solange der Fall, wie die Verzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Dabei ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit gerade des Klägers verzögert hat (vgl. BAG 20.02.2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35 mwN; BGH 26.02.2016 - V ZR 131/15 - Rn. 10, 12 mwN).

34

cc) Im Streitfall hat der Kläger durch die fehlerhafte Angabe der Vertretungsbehörde eine Verzögerung der Zustellung von gut drei Wochen verursacht. Dabei handelt es sich um den Zeitraum, der zwischen dem Eingang der Klage bei Gericht am 06.12.2013 und seinem Antrag vom 30.12.2013 liegt, die Klage unverzüglich der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz zuzustellen, nachdem ihm vom Arbeitsgericht mit Schreiben vom 20.12.2013 das Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 16.12.2013 zugeleitet worden war. Die dem Kläger zuzurechnende Zustellungsverzögerung hält sich im Hinblick auf die Weihnachtsfeiertage noch in einem hinnehmbaren Rahmen. Schutzwürdige Interessen des beklagten Landes stehen dem nicht entgegen. Die Klageschrift ist dem Leitenden Oberstaatsanwalt, der die Kündigung für das Land Rheinland-Pfalz erklärt hat, spätestens am 16.12.2013 zur Kenntnis gelangt. Dem Arbeitgeber wurde damit zeitnah deutlich, dass der Kläger die ihm gegenüber erklärte Kündigung nicht hinzunehmen bereit ist.

35

2. Das beklagte Land hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

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Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Kündigungsbefugnis lag im Streitfall beim Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass alle Kündigungsvorwürfe bereits der dienstlichen Beurteilung vom 27.09.2013 zu Grunde lagen, wird von der Berufung nicht angegriffen und lässt auch keine Rechtsfehler erkennen. Die Kündigung vom 21.11.2013 lag demnach weit außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB.

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3. Fehlt es damit schon an der Wahrung der Zweiwochenfrist, kommt es nicht mehr darauf an, ob das gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG ruhende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zum 30.11.2013 außerordentlich gekündigt werden konnte, obwohl die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts erst zum 31.03.2014 erklärt worden ist.

II.

38

Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 beendet das Arbeitsverhältnis zwar nicht zum 31.12.2013, wohl aber zum 31.03.2014.

39

1. Die ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 gilt nicht nach § 4 Satz 1, § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt. Der Kläger hat die Klage - wie oben unter Ziff. I 1 ausgeführt - rechtzeitig erhoben. Er hat in der Klageschrift vom 06.12.2013 auch ausdrücklich die Nichteinhaltung der in § 34 TV-L geregelten Kündigungsfrist gerügt (vgl. hierzu BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 15 mwN).

40

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist zum 31.12.2013 erklärt worden. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 TV-L beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr sechs Wochen zum Monatsschluss.

41

Der Kläger stand seit dem 01.11.2011 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land, so dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 27.11.2013 mehr als ein Jahr beschäftigt war. Das Arbeitsverhältnis hat zwar gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG seit dem 01.05.2012 geruht, weil der Kläger in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf und zum 01.06.2012 auf Probe berufen worden ist. Dies steht der Anrechnung der Beschäftigungszeit nicht entgegen, weil es nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt. Zeiten, in denen bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis das Arbeitsverhältnis - wie hier - kraft Gesetzes ruht, sind Beschäftigungszeiten iSd. Tarifnorm (vgl. Küttner/Röller Personalhandbuch 2014 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Rn. 18; Breier/Dassau/Kiefer/ Thivessen TV-L Stand April 2016 5.3.2 Beschäftigungszeit; BeckOK TV-L Stand September 2015 § 34). Die Betriebszugehörigkeit wird durch das ruhende Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen (vgl. BAG 25.10.2001 - 6 AZR 718/00 – zu B II 2b der Gründe, mwN).

42

3. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung. Das wäre der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt.

43

Im Streitfall kann die Kündigung des beklagten Landes nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31.03.2014 ausgelegt werden. Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31.03.2014 spricht zwar, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 31.12.2013 enthält. Damit hat das beklagte Land den Wirkungszeitpunkt der Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass das beklagte Land auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. hierzu BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 19 mwN).

44

Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31.03.2014 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll, ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte. Dem genügt die Kündigung des beklagten Landes. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „unter Einhaltung der Kündigungsfrist“ (vgl. BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 20 mwN).

45

4. Entgegen der Ansicht der Berufung findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

46

Gem. § 1 Abs. 1 KSchG bedarf eine Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der sozialen Rechtfertigung, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Der Kläger ist am 01.11.2011 vom beklagten Land als Arbeitnehmer eingestellt worden. Das Arbeitsverhältnis bestand bei Zugang der Kündigungserklärung vom 21.11.2013 länger als sechs Monate. Der Kläger wurde zwar mit Wirkung vom 01.05.2012 in das Beamtenverhältnis auf Widerruf und mit Wirkung vom 01.06.2012 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen, dies führte jedoch zu keiner rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LBG erlischt das privatrechtliche Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn nur mit der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit oder auf Zeit. Während der Dauer eines Beamtenverhältnisses auf Probe oder auf Widerruf ruhen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn. Die Betriebszugehörigkeit wird durch ein ruhendes Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen (vgl. Küttner/Röller Personalhandbuch 2014 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Rn. 15 mwN).

47

5. Die hilfsweise ordentliche Kündigung des beklagten Landes zum 31.03.2014 ist wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sozial gerechtfertigt. Insoweit ist das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

48

a) Eine Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (vgl. BAG 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 19 mwN).

49

b) Dabei können auch Pflichtverletzungen im Beamtenverhältnis auf Probe auf ein nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG ruhendes Arbeitsverhältnis "durchschlagen". Auch ruhende Arbeitsverhältnisse können, bei Vorliegen der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen, gekündigt werden. Der Arbeitnehmer im ruhenden Arbeitsverhältnis kann - ohne besondere gesetzliche oder tarifvertragliche Anordnung - nicht allein um des Ruhens seines Arbeitsverhältnisses willen besser geschützt sein als der „aktive“ Arbeitnehmer. Vom Arbeitgeber kann auch nicht verlangt werden, seinen Kündigungsentschluss so lange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht (vgl. BAG 09.09.2010 - 2 AZR 493/09 - Rn.14, 23).

50

c) Nach § 3 Abs. 2 TV-L haben die Beschäftigten des beklagten Landes über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Nach § 37 Abs. 1 BeamtStG besteht die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit. Diese Pflicht gehört zu den Hauptpflichten eines Beamten und dient sowohl dem öffentlichen Interesse, vor allem dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde, als auch dem Schutz des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers. So liegt in der Verletzung des Amtsgeheimnisses ein schwerwiegender Treuebruch, der geeignet ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten in Frage zu stellen (vgl. OVG Koblenz 30.01.2013 - 3 A 10771/12 - Rn. 34 mwN). Auch nicht beamtete Beschäftigte des beklagten Landes unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und werden - wie der Kläger - bei ihrer Einstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf die gewissenhafte Erfüllung dieser Obliegenheit förmlich verpflichtet.

51

d) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlungen und des Ergebnisses der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht für die Berufungskammer gem. § 286 ZPO fest, dass der Kläger seine dienstlichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt hat, weil er im Juni 2013 einem externen Gesprächspartner Akteninhalte aus einer Ermittlungsakte über einen Motorradunfall telefonisch weitergegeben hat.

52

Der Zeuge E., der als Justizoberwachtmeister bei der Staatsanwaltschaft beschäftigt ist, hat bei seiner zweitinstanzlichen Vernehmung diesen vom beklagten Land zur Begründung der Kündigung vorgebrachten Sachverhalt in jeder Hinsicht glaubhaft geschildert. Die Berufungskammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen E. zu zweifeln. Seine Aussage deckt sich sowohl mit den Angaben bei seiner Vernehmung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren gegen den Kläger (Vernehmungsprotokoll vom 14.11.2013) als auch mit seiner Zeugenaussage vor dem Verwaltungsgericht Trier (Sitzungsniederschrift vom 17.06.2014) im Rechtsstreit gegen die dienstliche Beurteilung.

53

Der Zeuge E. hat ausgesagt, dass er den Kläger in der Wachtmeisterei der Staatsanwaltschaft bei einem Telefonat mit einem externen Gesprächsteilnehmer beobachtet habe. Vor dem Kläger habe eine aufgeschlagene Ermittlungsakte über einen Motorradunfall gelegen. Der Kläger habe aus der Akte berichtet bzw. vorgelesen. Der Zeuge habe zwar nicht erkennen können, mit welcher Person der Kläger telefoniert habe, er sei sich allerdings zu hundert Prozent sicher, dass es sich um eine externe Person gehandelt habe. Dies habe er an der Telefonnummer erkennen können, die das Display des Telefongeräts angezeigt habe. Er habe auch sicher in Erinnerung, dass der Kläger über einen Motorradunfall gesprochen habe.

54

Der Zeuge war nach dem Eindruck der Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung ersichtlich bemüht, eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen, und hat dabei auch zu erkennen gegeben, wenn er einzelne Umstände nicht oder nicht genau erinnerte. Er hat sich auf Vorhalt auch zu seinen früheren Aussagen im Disziplinarverfahren und vor dem Verwaltungsgericht Trier erklärt und dabei keine Widersprüche erkennen lassen. Im Disziplinarverfahren hat er laut Vernehmungsprotokoll vom 14.11.2013 ausgesagt, dass der Kläger in der Wachtmeisterei mit einer vor sich liegenden aufgeschlagenen Ermittlungsakte ein Telefonat geführt habe. In dem Telefonat sei es um einen Motorradunfall gegangen. Der Kläger habe geschildert, dass "da und da" jemand verunglückt sei. Der Kläger habe von einem Frontalzusammenstoß geredet, ob gegen einen Baum oder ein Fahrzeug, wisse er nicht mehr. Da das Display des Telefongeräts eine mehrstellige Telefonnummer angezeigt habe, sei das Gespräch nach Außen gegangen. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Zeuge laut Sitzungsniederschrift vom 17.06.2014 ausgesagt, dass es sich um eine rote Akte der Staatsanwaltschaft gehandelt habe. Der Kläger habe in der Akte geblättert und nach seinem Eindruck Informationen aus dieser Akte an einen unbekannten Gesprächsteilnehmer weitergegeben. Er habe in der Akte Bilder, insbesondere von Straßen, erkannt, wie sie in Gutachten enthalten seien. Soweit er im Disziplinarverfahren ausgesagt habe, es seien Bilder "ausgebreitet" gewesen, habe er damit gemeint, dass die Akte aufgeschlagen vor dem Kläger gelegen und er darin geblättert habe.

55

Der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen steht nicht entgegen, dass er sich hinsichtlich des von ihm geschilderten Telefongesprächs nicht an die konkrete Ermittlungsakte, insbesondere hinsichtlich des Inhalts oder des Aktenzeichens, erinnern konnte. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Zeuge - wie der Kläger behauptet - dieses Telefongespräch frei erfunden haben sollte. Belastbare Anhaltspunkte für eine bewusste Falschbezichtigung des Klägers durch den Zeugen E. sieht die Berufungskammer nicht. Es war auch keinerlei Belastungseifer bei der Aussage erkennbar.

56

Der Klägervertreter verkürzt die Aussage des Zeugen, wenn er geltend macht, aus dem Umstand, dass der Kläger während eines Telefongesprächs eine Akte aufgeschlagen habe, könne nicht geschlossen werden, dass er den Gesprächspartner über den Akteninhalt aufgeklärt habe. Der Zeuge E. hat nicht nur beobachtet, dass der Kläger telefoniert hat, während eine aufgeschlagene Ermittlungsakte vor ihm lag, sondern dass er dem Gesprächspartner aus der Akte über einen Motorradunfall berichtet bzw. vorgelesen habe.

57

e) Eine auf diese Pflichtverletzung gestützte ordentliche Kündigung ist nicht unverhältnismäßig.

58

aa) Zwar hat das beklagte Land den Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder eines gleichartigen Pflichtverstoßes abgemahnt. Eine Abmahnung des Klägers war nach den Umständen des vorliegenden Falls entbehrlich.

59

Zwar gilt das durch § 314 Abs. 2 BGB konkretisierte Erfordernis einer Abmahnung grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Die Abmahnung ist aber, wie § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB zeigt, unter besonderen Umständen entbehrlich. Das ist ua. der Fall, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

60

Danach war im Streitfall eine Abmahnung entbehrlich. Dem Kläger musste vollkommen klar sein, dass er als Beschäftigter in der Wachtmeisterei einer Staatsanwaltschaft keinem Dritten Inhalte aus einer Ermittlungsakte (telefonisch) preisgeben darf. Er ist zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Verschwiegenheit verpflichtet und über die Folgen einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht belehrt worden. Eine Hinnahme seines Verhaltens war erkennbar ausgeschlossen.

61

bb) Die Kündigung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können. Das beklagte Land muss darauf vertrauen können, dass Beamte und nicht beamtete Beschäftigte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften ihre Pflicht zur Verschwiegenheit einhalten, insb. keine Informationen aus den Akten an Dritte weitergeben. Aus diesem Grund wäre eine Versetzung des Klägers kein geeignetes Reaktionsmittel.

62

cc) Aus dem Umstand, dass ihn das beklagte Land über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2014 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe am 19.01.2015 als Probebeamter weiterbeschäftigt hat, kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Das beklagte Land war nicht verpflichtet, die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung anzuordnen, um sich nicht mit der ordentlichen Kündigungserklärung in Widerspruch zu setzen. Im Fall der beabsichtigten Entlassung eines Probebeamten soll es nach dem Willen des Gesetzgebers beim Regelfall des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dh. am Bestehen der aufschiebenden Wirkung, verbleiben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz 26.06.2012 - 2 B 10469/12 - Rn. 4 mwN).

63

f) Die abschließende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Der Kläger war im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs erst zwei Jahre bei dem beklagten Land beschäftigt, so dass er keinen nennenswerten sozialen Besitzstand erworben hat. Der 1988 geborene Kläger ist ledig und hat keine Unterhaltspflichten. Er ist von Beruf Wasserbauer, so dass es ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schnell gelingen dürfte, eine neue Beschäftigung zu finden.

64

Zugunsten des beklagten Landes fällt entscheidend ins Gewicht, dass die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage unwiederbringlich zerstört ist. Im Übrigen sind die Leistungen des Klägers, was rechtskräftig feststeht, mit "nicht geeignet" bewertet worden. Er hat es sowohl an dem für einen Beamten in der Probezeit erforderlichen Engagement, einer uneingeschränkten Verlässlichkeit und an der notwendigen persönlichen Integrität fehlen lassen. Es ist dem beklagten Land deshalb nicht zuzumuten, ihn im Arbeitsverhältnis weiterzubeschäftigen.

III.

65

Da weitere Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung weder geltend gemacht werden noch ersichtlich sind, hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.03.2014 geendet. Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag des beklagten Landes fällt daher nicht zur Entscheidung an.

IV.

66

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

67

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


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#BJNR001950896BJNE031602377 (1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung

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Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächs

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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 7 Wirksamwerden der Kündigung


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen


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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

2

Der im Jahre 1988 in der Stadt ... geborene Kläger wurde bei der ... in der Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012 als Tarifvertragskraft mit Aufgaben des Wachtmeisterdienstes betraut. Nach erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes für die Laufbahn des ersten Einstiegsamtes im ... 2012 mit der Note „befriedigend“ ernannte der Beklagte den Kläger zum ... 2012 zum Justizoberwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe.

3

Bereits im November 2011 wurde ein Vorfall zum Anlass genommen, den Kläger abzumahnen. Unter dem 11. September 2012 wurde der Kläger vor dem Hintergrund von Beschwerden angewiesen, seinen täglichen Dienst vor 7:30 Uhr anzutreten. Am 2. Oktober 2012 wurden dem Kläger feste Arbeitszeiten vorgegeben. Ab 1. Dezember 2012 durfte er wieder an der Gleitzeit teilnehmen.

4

Ausweislich eines Vermerks vom 8. Februar 2013 häuften sich Beschwerden über nicht ordnungsgemäße Erledigung des Aktenabtrags. Die Kollegen der Wachtmeisterei beschwerten sich, dass der Kläger, wenn überhaupt, lediglich seine fest zugeteilten Aufgaben erledige und ansonsten zwei bis drei Stunden täglich im Internet surfe. Außerdem würde er regelmäßig ausgedehnte (ca. 30 Minuten und länger) Raucherpausen machen. Er empfange und beantworte täglich eine große Zahl an SMS (20-30). Aufgrund dessen wurde ein Gespräch unter Beteiligung u.a. des Klägers und des Vorsitzenden des Personalrats geführt.

5

Aus Anlass des Ablaufs der festgelegten Probezeit von elf Monaten am 30. April 2013 erstellte der ... in ... am 13. März 2013 eine dienstliche Beurteilung mit dem Gesamtergebnis: „ Die Leistung des Beamten wird mit nicht geeignet bewertet“. In den Anmerkungen ist festgehalten, dass der Kläger „Potential für eine positive Entwicklung“ zeige.

6

Mit Bescheid vom 29. April 2013 wurde die Probezeit des Klägers um sechs Monate bis zum 31. Oktober 2013 verlängert.

7

Zu einem Zeitpunkt nach Juli 2013 kam es zu weiteren Beschwerden über das Verhalten des Klägers im Dienst. Es wurden unter dem 3., 5. und 12. September 2013 hierzu Vermerke gefertigt. Am 2. Oktober 2013 ist festgehalten, dass der Kläger am 18. September 2013 in der Zeit von 12.05 bis 13.28 Uhr außer Haus war, ohne die Zeiterfassung zu bedienen.

8

Unter dem 27. September 2013 erging eine dienstliche Beurteilung, die wiederum mit der Gesamtbeurteilung „die Leistung des Beamten wird mit nicht geeignet bewertet“ schloss. Die Beurteilung einzelner Merkmale der Ausprägungen der Leistungen schloss in einem fünfstufigen System vierzehnmal mit dem Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“, 31mal mit dem Ausprägungsgrad „weniger ausgeprägt“ und elfmal mit dem Ausprägungsgrad „kaum ausgeprägt“ (letzte Stufe). In den Anmerkungen zur Gesamtbeurteilung heißt es:

9

„Justizoberwachtmeister A... hat mitunter Schwierigkeiten Sachverhalte zu erfassen und Sachzusammenhänge zutreffend zu überblicken. Er ist normalem Arbeitsanfall gewachsen und lässt sich durch Schwierigkeiten nicht entmutigen. Sein Arbeitspensum kann er in angemessener Frist bewältigen. Nach wie vor fehlt es ihm aber an der Bereitschaft, seine Kollegen über sein eigenes Arbeitspensum hinaus zu unterstützen.

10

Vorgesetzten gegenüber trifft Justizoberwachtmeister A... nicht immer den richtigen Ton. Unsicherheiten, die anfangs häufig auftraten, sind zwischenzeitlich nur noch selten zu beobachten. Allerdings wirkt er gelegentlich im Umgang mit seinen Vorgesetzten unbeholfen. Gegenüber seinen direkten Kollegen bemüht er sich nach eigenen Aussagen zwar, kein schlechtes Verhältnis aufkommen zu lassen, dennoch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Probleme zeigt er noch immer im Umgang mit Fremdkritik. Er fühlt sich leicht ungerecht behandelt.

11

Auf der anderen Seite mangelt es ihm an dem für sein Aufgabengebiet erforderlichen Pflichtbewusstsein. Zeitweise legte er sogar Gleichgültigkeit an den Tag. In vielen Situationen erkannte er die Tragweite seines Handelns nicht und war auch nicht in der Lage, die notwendigen Lehren aus ihm aufgezeigten Fehlern zu ziehen. Immer wieder musste er in Gesprächen ermahnt und auf seine Pflichten hingewiesen werden. Die dabei getroffenen Zielvereinbarungen hatte er nicht selten schon nach kurzer Zeit wieder aus den Augen verloren. Zwar führte die schließlich ausgesprochene Verlängerung seiner Probezeit zunächst zu einer Verbesserung des Pflicht- und Verantwortungsbewusstseins. Allerdings kam es in der Folge zu einem erneuten eklatanten Missbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens seiner Vorgesetzten und Kollegen. Als besonders gravierend ist sein Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht festzuhalten.

12

Justizoberwachtmeister A... zeigte von Beginn an unterdurchschnittliche Leistungen, die sich nach einer ersten Probezeitverlängerung nur vorübergehend und nicht nachhaltig verbesserte, sondern deutlichen Schwankungen unterlagen. Der Verstoß gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit sowie der Vertrauensmissbrauch zeigen jedoch nachdrücklich, dass Herr A... nicht zuverlässig ist. Er ist weiterhin nicht in der Lage, die in einen Beamten des ersten Einstiegsamtes gesetzten Erwartungen zu erfüllen.

13

Weder die Verlängerung der Probezeit noch zahlreiche Ermahnungen haben in der Vergangenheit zu einer nachhaltigen Leistungssteigerung geführt. Deshalb ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass er die Anforderungen erfüllen wird.“

14

Das erkennende Gericht wies die diesbezügliche Klage des Klägers mit Urteil vom 17. Juni 2014 – 1 K 152/14.TR – ab. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurden die präsenten Zeugen B... und C... vernommen und der Beurteiler gehört. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unter dem Aktenzeichen 2 A 10632/14.OVG anhängig.

15

Am 14. Oktober 2013 wurde der Kläger unter Hinweis, dass zum Ablauf des 31. Oktober 2013 ein erfolgreicher Abschluss der Probezeit nicht festgestellt werden könne und eine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht möglich sei, zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angehört.

16

Unter dem 16. Oktober 2013 leitete der ... gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren mit dem Vorwurf ein, der Kläger habe im Juni 2013 bei mindestens zwei Gelegenheiten während der Dienstzeit das Internet unbefugt genutzt, im Juni 2013 im Rahmen eines privaten Telefongesprächs Akteninhalte weitergegeben und somit gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen und am 18. September 2013 das Dienstgebäude zumindest für die Zeit von 12.05 bis 13:28 Uhr verlassen, ohne die Zeiterfassung zu bedienen.

17

In Anwesenheit des Klägers und seines Verfahrensbevollmächtigten fanden im behördlichen Disziplinarverfahren Vernehmungen der Beamten B..., E..., D... und C... als Zeugen statt.

18

Mit Disziplinarverfügung vom 5. Februar 2014 wurde dem Kläger wegen des Vorwurfs der Verletzung der Bestimmungen zur Internetnutzung im Dienst und zur Zeiterfassung sowie wegen des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht ein Verweis erteilt.

19

Mit Urteil vom 11. November 2014 wies die Kammer für Landesdisziplinarsachen die diesbezügliche Klage des Klägers ab -3 K 1198/14.TR-. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Entscheidung ist folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

20

1. Im Juni oder Juli 2013 nutzte der Beamte in einem Fall während der Dienstzeit zu ausschließlich privaten Zwecken den dienstlich zur Verfügung gestellten Internetzugang. Hierzu benutzte er den Rechner von JHW C..., der zuvor die Wachtmeisterei verlassen hatte, ohne seinen Rechner zu sperren. Bei dieser Gelegenheit hatte JHW C... noch die für das Online-Banking benutzte Seite seiner Bank, der ..., geöffnet. Der Kläger nahm hierbei Einblick in die Daten des fremden Kontos. Darüber hinaus öffnete er bei dieser Gelegenheit weitere Internet-Seiten wie Facebook und Gmx.

21

2. Im Juni 2013 teilte der Beamte einem unbekannt gebliebenen Gesprächsteilnehmer in einem Telefonat Inhalte aus einer Ermittlungsakte mit. Gegenstand des Verfahrens war ein Verkehrsunfall unter Beteiligung eines Motorrades bei dem es zu einem Frontalaufprall gekommen war.

22

3. Am 18. September 2013 verließ der Kläger kurz nach 12:00 Uhr das Dienstgebäude und trat seine Mittagspause an. Er kehrte erst um 13:28 Uhr an seinen Arbeitsplatz zurück. Er hat weder zu Beginn noch zum Ende der Mittagspause die Zeiterfassung betätigt.

23

Unter dem 5. Februar 2014 verfügte der Beklagte mit Ablauf des 31. März 2014 die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Es habe sich im Laufe der Probezeit herausgestellt, dass der Kläger für die Verwendung im ersten Einstiegsamt der Laufbahn des Justizwachtmeisterdienstes sowohl persönlich als auch fachlich nicht geeignet sei. Es dürfe zum Beamten auf Lebenszeit nur ernannt werden, wer sich in der Probezeit bewährt habe. Die fehlende dienstliche Eignung ergebe sich aus der dienstlichen Beurteilung vom 27. September 2013. Nach pflichtgemäßer Ermessensausübung sei die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auszusprechen. Eine weitere Verlängerung der Probezeit sei nicht zulässig. Die Einberufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit sei nach diesem Sachverhalt ausgeschlossen.

24

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er nachfolgend damit begründete, dass die dienstliche Beurteilung, auf welche die Entlassungsverfügung gestützt werde, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalte. Im Übrigen sei diese nicht bestandskräftig, weshalb die Entlassung aus dem Dienst hierauf auch nicht gestützt werden könne. Der auf seinen Abänderungsantrag hinsichtlich der dienstlichen Beurteilung ergangene Bescheid vom 22. Oktober 2013 genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, da nicht ersichtlich sei, dass die eigentliche dienstliche Beurteilung sachlich erneut aufgegriffen worden sei. Es sei ferner nicht erkennbar, aus welcher Quelle der Beurteiler seine Erkenntnisse gewonnen habe, zumal der Beurteilung zugrunde liegende Tatsachen weder dokumentiert, geschweige denn erkennbar seien. Es handele sich um Wertungen ohne erkennbare Grundlagenfeststellung. Die Darstellung, es sei zu einem erneuten eklatanten Missbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens seiner Vorgesetzten und Kollegen gekommen, werde nicht dargestellt und erläutert. Soweit ihm im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zur Last gelegt worden sei, in einem PC des Kollegen C... dessen Bankseiten aufgerufen und sich die Konten angesehen zu haben, beruhe dies auf nicht tragfähigen Aussagen des Kollegen B... und der Kollegin E... Auch ein Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht sei nicht erkennbar und nicht zu verifizieren.

25

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2014, zugestellt am 27. Februar 2014, zurückgewiesen. Zur Begründung führte der ... in ... aus, dass die unter dem 27. September 2013 erfolgte Beurteilung mit dem Prädikat „nicht geeignet“ zu Recht erfolgt sei. Es sei auf den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2013 Bezug zu nehmen. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 Beamtenstatusgesetz und § 31 Abs. 2 Landesbeamtengesetz könne ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt habe. Dies sei der Fall. Sowohl die Beurteilung vom 13. März 2013 als auch die Beurteilung vom 27. September 2013 schlössen mit der Gesamtbeurteilung der dienstlichen Eignung und Leistungen mit „nicht geeignet“ ab. Eine positive Tendenz für eine zukünftig zu erwartende Leistungssteigerung enthalte die letzte Beurteilung nicht mehr.

26

Der Kläger hat am 20. März 2014 Klage erhoben. Dazu trägt er vor, die Entlassungsverfügung beschränke sich rechtlich völlig unzureichend auf die Mitteilung, dass der ... in ... die dienstliche Leistung und Eignung mit „nicht geeignet“ beurteilt habe. Die dienstliche Beurteilung vom 27. September 2013 halte einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Wären bei ihm tatsächlich nicht den Anforderungen entsprechende Leistungen zu verzeichnen gewesen, so hätte im Beurteilungsformular jeweils das für eine derartige Bewertung vorgesehene Merkmal „kaum ausgeprägt“ angekreuzt werden müssen. Dies gelte umso mehr als ausweislich der Entlassungsverfügung noch nicht einmal dargestellt worden sei, dass es sich um nicht behebbare Mängel handele. Dies verwundere umso mehr als am 13. März 2013 seitens des Beurteilers bescheinigt werde, dass zuletzt Leistungen weitgehend stabil und überzeugender geworden seien und ein unverkennbares Potential für eine positive Entwicklung gezeigt worden sei. In der Beurteilung überwögen auch die Bewertungen in der Rubrik „normal ausgeprägt“ und „weniger ausgeprägt“. Die verbale Bewertung im Rahmen der Gesamtbeurteilung sei wenig aussagekräftig. Sie beruhe nicht auf Erkenntnisquellen des Beurteilers, die eine ausreichende Tatsachenbasis bilden könnten. Die Werturteile blieben im Ergebnis formelhaft und seien weder für ihn noch für außenstehende Dritte nachvollziehbar. Die abweichenden Wertungen zur Vorgängerbeurteilung bedürften einer besonderen Plausibilisierung. Es sei falsch, dass er gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen habe. Es sei ebenfalls nicht aufgezeigt, welche Ermahnungen erfolgt seien, die nicht zu einer nachhaltigen Leistungssteigerung geführt hätten. Die Entlassungsverfügung sei bereits mangels Vorliegen einer rechtskräftigen Probezeitbeurteilung rechtswidrig.

27

Der Kläger beantragt,

28

die Entlassungsverfügung vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 aufzuheben.

29

Der Beklagte beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Dazu führt er aus, dass der Kläger mangels Bewährung nicht auf Lebenszeit übernommen werden könne. Der Entlassungsverfügung stehe schließlich nicht entgegen, dass die ihr zugrunde liegende Beurteilung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht bestandskräftig gewesen sei. Der Dienstherr habe schon aus Gründen der Fürsorgepflicht alsbald nach aus seiner Sicht festzustellender Nichteignung die Entlassung des Beamten zu verfügen.

32

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie den Verwaltungsakten des Beklagten, der Gerichtsakte 1 K 152/14.TR und der Gerichtsakte 3 K 1198/14.TR. Die genannten Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

33

Die Klage hat keinen Erfolg.

34

Der Entlassungsbescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

35

Zu Recht hat der Beklagte die Entlassung auf §§ 21 Nr. 1, 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG -) gestützt. Danach kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat.

36

In formeller Hinsicht begegnet die Entlassungsverfügung keinen Bedenken. Sie wurde nach Anhörung des Klägers und dessen Stellungnahme von der zuständigen Behörde erlassen (§ 32 Abs. 1 Satz 1 LBG in Verbindung mit § 1 Satz 1 Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des für die Rechtspflege zuständigen Ministeriums vom 31. Januar 2013). Da die Entlassungsverfügung dem Kläger am 10. Februar 2014 zugestellt wurde, ist die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LBG vorgeschriebene Entlassungsfrist von sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres eingehalten. Der Bezirkspersonalrat hat der Entlassung zugestimmt. Die Gleichstellungsbeauftragte wurde beteiligt.

37

Der angegriffene Entlassungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.

38

Nach §§ 21 Nr. 1 und 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Eine Bewährung setzt voraus, dass der Probebeamte nach seiner Eignung und Befähigung (die für die dienstliche Verwendung wesentlichen Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften) sowie den von ihm in der Probezeit gezeigten Leistungen den Anforderungen, die mit dem auf Lebenszeit zu verleihenden Statusamt verbunden sind, voraussichtlich gerecht werden wird (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 2 B 10469/12.OVG -). Die Probezeit soll insbesondere erweisen, dass der Beamte nach Einarbeitung die übertragenen Aufgaben erfüllt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Laufbahnverordnung – LbVO -).

39

Die Entscheidung des Dienstherrn, ob der Beamte sich in der Probezeit nach diesen Kriterien bewährt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Akt wertender Erkenntnis des für diese Beurteilung zuständigen Amtswalters. Seine Bewertungen sind gerichtlich deshalb nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzliche Grenze des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt, wesentliche Verfahrensregeln verletzt sind, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012 a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, Urteile vom 24. November 1983 – 2 C 28.82 – und 19. März 1998 – 2 C 5.97 -).

40

Aus der Formulierung „in der Probezeit“ ergibt sich, dass für die Frage der Bewährung oder Nichtbewährung ausschließlich das Verhalten des Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit maßgebend ist. Innerhalb dieser Zeit ist dem Beamten die Möglichkeit zu geben, seine Eignung nachzuweisen. Sind in der Probezeit Mängel zu erkennen, ist der Dienstherr somit von der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Probebeamten nicht zweifelsfrei überzeugt, so darf die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nicht ausgesprochen werden.

41

Liegen Mängel vor, so ist zu unterscheiden: Sind es behebbare Mängel, so ist dies dem Beamten mitzuteilen und ihm aus Gründen der Fürsorge Gelegenheit zu geben, die bestehenden Leistungsdefizite abzustellen. Hierzu kann die Probezeit verlängert werden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 LbVO). Davon wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Gelangt der Dienstherr nach Verlängerung der Probezeit – wie hier - zu der Überzeugung, dass der Beamte hinsichtlich Eignung, Leistung und Befähigung nicht mehr behebbare Mängel aufweist, so muss er ihn entlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1998, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012, a. a. O.).

42

Hier hat der Beklagte sein Urteil der endgültigen Nichteignung vor Ablauf der am 31. Oktober 2013 endenden Probezeit mit der dienstlichen Beurteilung vom 27. September 2013 getroffen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

43

Die Feststellung nicht mehr behebbarer Mängel begründete der Dienstherr mit mangelnder persönlicher und fachlicher Eignung, wobei er sich auf die dienstliche Beurteilung vom 27. September 2013 stützte. Der Umstand, dass die Probezeitbeurteilung vom Kläger angegriffen wurde, hindert ihre Verwertung nicht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2009- 3 CS 09.1773-).

44

Die Probezeitbeurteilung kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht geeignet ist. Weder die Verlängerung der Probezeit noch zahlreiche Ermahnungen hätten in der Vergangenheit zu einer nachhaltigen Leistungssteigerung und Verhaltensänderung geführt, weshalb nicht zu erwarten sein, dass der Kläger die Anforderungen erfüllen werde. Diese Einschätzung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

45

Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren rügt, die vom Beklagten getroffenen Einschätzungen und Feststellungen in der Probezeitbeurteilung erwiesen sich als unsubstantiiert, ist dem nicht zu folgen. Der Beklagte hat seiner der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht entspringenden Aufgabe, die Grundlage seiner Entscheidung transparent zu machen, hinreichend entsprochen. Er muss die in Bezug genommenen Werturteile nicht sämtlich mit konkreten und im Einzelnen glaubhaft gemachten Vorfällen belegen. Soweit er im textlichen Teil der Probezeitbeurteilung Vertrauensmissbrauch gegenüber Kollegen und Vorgesetzten sowie einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht angeführt hat, ist der entsprechenden Nachweis gegeben. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil der erkennenden Kammer im Verfahren 1 K 152/14.TR sowie im Verfahren 3 K 1198/14.TR Bezug genommen.

46

Das Urteil der Nichteignung beruht entgegen der Auffassung des Klägers auf plausiblen Werturteilen und einem belastbaren Sachverhalt. Im Ergebnis werden dem Kläger unterdurchschnittliche Leistungen sowie mangelhafte Befähigung und fachliche Eignung auch vor dem Hintergrund dienstpflichtwidrigen Verhaltens attestiert. Insoweit sah der Beurteiler im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 152/14.TR Kernkompetenzen in Gestalt von sorgfältigem, zuverlässigem, genauem Arbeiten, Pünktlichkeit und Verschwiegenheit sowie Teamfähigkeit als nicht in ausreichendem Maße gegeben an und legte dies im Einzelnen unter Benennung seiner Quellen dar. Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Kammer im vorgenannten Verfahren verwiesen.

47

Dass der Kläger das Vertrauen seiner Kollegen und der Vorgesetzten missbraucht hat und gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen hat, steht aufgrund der Ermittlungen u.a. durch zeugenschaftliche Vernehmung im behördlichen Disziplinarverfahren sowie der gerichtlichen Vernehmung der Zeugen B... und C... in dem Verfahren 1 K 152/14.TR vor dem erkennenden Gericht fest.

48

Der im textlichen Teil der dienstlichen Beurteilung angeführte Vertrauensmissbrauch gegenüber Vorgesetzten und Kollegen findet im Übrigen eine ausreichende tatsächliche Grundlage bereits darin, dass der Kläger gegen die Regelungen zur Zeiterfassung bewusst verstoßen und das Internet nach dem zugrundeliegenden Akteninhalt unstreitig über das erlaubte Maß hinaus genutzt hat. Die Feststellung des Vertrauensverstoßes ist ferner hinreichend dadurch untermauert, dass sich der Kläger private Daten des Beamten C... u. a. aus „Facebook“ zugänglich gemacht hat, ohne von diesem dazu autorisiert worden zu sein. Von daher kommt es hinsichtlich dieser Feststellung des Dienstherrn im textlichen Teil der angegriffenen Beurteilung auch nicht darauf an, ob der Kläger zusätzlich Einblick in die Bankdaten genommen hat, wovon aber nach vorstehenden Ausführungen auszugehen ist.

49

Die Vernehmungsprotokolle durfte das Gericht entgegen der Auffassung des Klägers im vorliegenden Verfahren als Urkundsbeweis verwerten; dies widerspricht nicht dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.

50

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift regelt die Art und Weise der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung. Sie erfordert nach ihrem Wortlaut zunächst, dass diejenigen Richter, die über einen Rechtsstreit entscheiden, regelmäßig auch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung durchführen, um ihre Entscheidung auf den unmittelbaren Eindruck der Beweisaufnahme stützen zu können (formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). Nach ihrem Sinn lassen sich ihr indes auch Maßstäbe für die Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln entnehmen (materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme).

51

§ 96 Abs. 1 VwGO soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach der Rechtsprechung nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel ausreicht oder ob das unmittelbare Beweismittel (erneute oder erstmalige gerichtliche Vernehmung des Zeugen) zu nutzen ist.

52

Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, im Rahmen eines geordneten Verfahrens an der Sachaufklärung durch das Gericht teilzuhaben, ist unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten, insbesondere wenn aus den vom Gericht ermittelten Tatsachen nachteilige Folgen für diesen Verfahrensbeteiligten gezogen werden können. Ihm muss deshalb die Möglichkeit eingeräumt sein, an der Erhebung von Beweisen mitzuwirken, um sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln machen zu können, sein Fragerecht auszuüben und durch eigene Anträge der Beweiserhebung ggf. eine andere Richtung zu geben. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) folgt darüber hinaus, dass der Verfahrensbeteiligte hinreichend Gelegenheit haben muss, sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf der Grundlage eines eigenen unmittelbaren Eindrucks auseinanderzusetzen und ggf. dazu Stellung zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 -2 C 28/10-, m.w.N.).

53

Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, eine durchgeführte gerichtliche Zeugenvernehmung zu wiederholen; wenn allerdings das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will, bedarf es in aller Regel einer erneuten Einvernahme des Zeugen (zur Pflicht des Obergerichts bei Zeugenvernehmung in erster Instanz: BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011, a.a.O.). Ebenso wenig ist es stets ausgeschlossen, Protokolle behördlicher Vernehmungen als Urkundsbeweis zu verwenden; dabei müssen allerdings die Grenzen dieses Beweismittels berücksichtigt werden. Denn die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren ist nicht in gleicher Weise mit rechtlichen Garantien ausgestattet wie eine Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren. Auch steht auf Grund einer Verwendung von Vernehmungsprotokollen als Urkundsbeweis nur fest, dass der Zeuge die protokollierte Aussage gemacht hat, nicht aber, ob sie inhaltlich richtig ist; dies ist vielmehr eine Frage der Beweiswürdigung (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1984 - 9 CB 149.83 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 30). Denn Grundlage der Wahrheitsfindung ist in einem solchen Fall nur die Urkunde und nicht der Eindruck der behördlichen Verhörperson von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen; das Gericht darf sich von der Beweiswürdigung der Behörde nicht leiten lassen (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2002 - 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259). Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage oder - erst recht - zur Glaubwürdigkeit der außergerichtlich vernommenen Zeugen bedürfen daher einer zusätzlichen Grundlage und sind häufig kaum begründbar (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - DVBl 2011, 366).

54

Demgegenüber verbietet § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Entscheidung des Gerichts allein auf Grund des Inhalts von Vernehmungsprotokollen, wenn einem Beteiligten nicht die Möglichkeit eröffnet war, an den Vernehmungen teilzunehmen und Fragen zu stellen, und wenn dieser Beteiligte begründet die Vernehmung der - erreichbaren - Zeugen verlangt. Es verstößt daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ohne allseitiges Einverständnis tatsächliche Feststellungen ohne erneute Prüfung durch das Gericht auf eine bloße schriftliche Wiedergabe der Erklärungen von Personen gestützt werden, die als Zeugen hätten vernommen werden können. Denn durch die Verwendung von Beweismitteln, die in anderen Verfahren entstanden sind, im anhängigen Gerichtsverfahren dürfen die Beteiligten keine Rechte verlieren, die ihnen zustehen würden, wenn die Beweismittel gerade in ihrem Prozess eingeholt worden wären. In einem solchen Fall kann ein Vorrang des unmittelbaren Beweismittels vor dem mittelbaren bestehen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O unter Hinweis auf seine zuvor ergangene Rechtsprechung).

55

Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im vorliegenden Fall keiner weiteren Beweisaufnahme. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren im behördlichen Disziplinarverfahren und im gerichtlichen Verfahren 1 K 152/14.TR bei der jeweiligen Beweisaufnahme zugegen. Dabei hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die Möglichkeit gehabt und genutzt, von seinem Fragerecht Gebrauch zu machen. Der Kläger hatte deshalb die Möglichkeit, das Zustandekommen der im Gerichtsverfahren gefertigten Vernehmungsprotokolle zu beeinflussen oder in Frage zu stellen. Er hatte auch ausreichend Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Da der Prozessbevollmächtigte bereits im behördlichen Disziplinarverfahren bestellt war, war ihm der Sachverhalt auch hinlänglich bekannt. Der Umstand, dass ihm der Hinweis an den Beklagten, die Anwesenheit präsenter Zeugen im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 152/14.TR sicherzustellen, nicht übermittelt wurde, hinderte ihn mithin nicht in der Wahrnehmung seines Rechts auf Beweisteilhabe.

56

Eine weitere Beweisaufnahme über die Verwertung der Protokolle hinaus drängt sich, unabhängig davon, dass ein dahingehender Beweisantrag nicht gestellt wurde, dem Gericht auch nicht auf. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren gegen die bisherige Sachverhaltsfeststellung keine begründeten Einwände erhoben. Eine weitere Sachaufklärung ist nur dann geboten, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiteren Aufklärungen sehen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011, 2 C 28/10 – juris -). Dies ist dann der Fall, wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen.

57

Derart begründete Einwände im vorgenannten Sinne hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, er könne die Glaubwürdigkeit der betroffenen Zeugen nicht in Abrede stellen.

58

Soweit der Kläger hinsichtlich der Feststellung eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht schriftsätzlich vortragen ließ, dass man aus dem Umstand, dass eine Akte geöffnet sei, nicht darauf schließen könne, dass dahingehende Inhalte dem Gesprächsteilnehmer am Telefon weitergeleitet werden, lässt keine Zweifel an der Sachverhaltsfeststellung aufkommen. Dazu ist im Urteil des erkennenden Gerichts vom 11. November 2014 – 3 K 1198/14.TR- bereits ausgeführt worden, dass der Zeuge B... zu dem Telefonat mit einem außenstehenden Dritten detailliert dargelegt hat, dass während des Telefonats die Akte der ... geöffnet gewesen sei und der Kläger Einsicht in Lichtbilder genommen hat, dass dieser darüber hinaus vernehmen konnte, dass es um einen Motorradunfall und einen Frontalzusammenstoß gegangen ist, und dass er aus dem Inhalt des Gesprächs und dem einsehbaren Inhalt der Akte den Schluss gezogen hat, dass Gegenstand des Telefonats das Verfahren war, dessen Ermittlungsakte der Kläger vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Weiter hat die Disziplinarkammer unter Berücksichtigung der Ausführungen des ... im Termin vor dem erkennenden Gerichts am 17. Juni 2014, wonach der Kläger in der Wachtmeisterei im Wesentlichen mit der Logistik der Behörde beschäftigt ist, ausgeführt, dass keine Dienstpflicht besteht, die ein Öffnen der Akte der ... und erst recht sich in der Akte befindlicher Lichtbilder erforderlich macht. Von daher ist das Ermittlungsergebnis nicht begründet in Zweifel gezogen und ein anderer Sachverhalt nahegelegt. Somit drängte sich von daher dem Gericht keine weitere Sachverhaltsaufklärung auf.

59

Soweit der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich darauf hingewiesen hat, die Beamtin E... habe nicht gesehen, dass der Kläger Bankdaten des Beamten C... geöffnet habe, ist dies bereits nach vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Entlassungsverfahren nicht durchschlagend. Im Übrigen stellt dies den festgestellten Sachverhalt nicht in Frage, weil sich die Bankseite unstreitig nach Ablauf von Minuten schließt. Damit sind die Angaben des Beamten B... auch nicht begründet in Zweifel gezogen.

60

Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren über seinen bisherigen Vortrag hinaus noch betont, die Bewertung, es lägen „nicht mehr behebbare Mängel“ vor, sei nicht gerechtfertigt, so ist dem nicht zu folgen. Hierbei handelt es sich angesichts der dem Kläger ausweislich der Aktenvermerke und der Angaben des Beurteilers im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 152/14.TR erteilten Ermahnungen um eine plausible Wertung des Dienstherrn.

61

Keine andere Entscheidung folgt daraus, dass nicht alle Einzelwertungen der Beurteilung mit „kaum ausgeprägt“ ausgestaltet waren. Ausweislich der dienstlichen Beurteilung waren die Einzelmerkmale „Pflichtbewusstsein“, „Fähigkeit zur Selbstkritik“, „Fähigkeit zum Umgang mit Fremdkritik“, „Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen“, „Engagement“, „Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft“, „Teamfähigkeit“, „Bereitschaft zur eigenen Weiterentwicklung“, „Korrektes Durchführen von Sicherheitsaufgaben“ und „Sicherheitsbewusstes Verhalten“ mit der Wertung „kaum ausgeprägt“ eingeordnet. Vor dem Hintergrund, dass der Beurteiler im Termin zur mündlichen Verhandlung im Beurteilungsrechtsstreit nachvollziehbar sorgfältiges, zuverlässiges, genaues Arbeiten, Pünktlichkeit und Verschwiegenheit sowie Teamfähigkeit als Kernkompetenzen benannt hat, die er beim Kläger vermisst hat, was aktenmäßig nachvollziehbar ist, ist damit das Werturteil „nicht mehr behebbarer Mängel“ hinreichend plausibilisiert. Dies gilt umso mehr, als dieser Einschätzung auch dienstpflichtwidriges Verhalten zugrunde zu legen ist und Ermahnungen letztlich nachvollziehbar als fruchtlos geblieben bewertet wurden.

62

Soweit der Kläger an seiner Rüge festhält, die Schlechterbewertung gegenüber der dienstlichen Beurteilung vom 13. März 2013 sei nicht plausibilisiert, ist dem nicht zu folgen. Wie bereits im Verfahren 1 K 152/14.TR ausgeführt, ist diese Wertung wegen des mit der Beurteilung vom 27. September 2013 gewerteten disziplinarrechtlich relevanten Verhaltens und der dargestellten Beschwerden nach einer kurzzeitigen Leistungsverbesserung schlüssig.

63

Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Beklagte zu der Einschätzung gelangt, dass sich ein Beamter, der resistent Kernvoraussetzungen seines sicherheitsrelevanten Tätigkeitsfeldes ignoriert und sich dienstpflichtwidrig verhält, persönlich und fachlich nicht bewährt hat. Es liegt innerhalb des dem Dienstherrn zukommenden Bewertungsspielraums, ein solchermaßen gezeigtes Verhalten auch bei einem Beamten des ersten Einstiegsamtes nicht hinzunehmen. Hinzu kommt, dass der Probebeamte wiederholt auf diese Defizite hingewiesen wurde, es ihm jedoch trotz eines Leistungsanstiegs im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit letztlich nicht gelang, seinen Kernpflichten zuverlässig nachzukommen.

64

Dass bei dem Probebeamten auch in einzelnen Merkmalen eine „durchschnittliche“ Bewertung wiedergegeben ist, stellt das Ergebnis der mangelnden Bewährung rechtlich nicht in Frage. Denn die Bewertung der in der Probezeitbeurteilung ebenso dokumentierten Leistungsmängel des Klägers als gewichtiger gegenüber auch positiven Leistungsansätzen mit dem Gesamtergebnis zu sehen, dass sich der Beamte in der Probezeit nicht bewährt hat, liegt innerhalb des gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Dienstherrn.

65

Auch der Umstand, dass der Beurteilungszeitraum mit der Probezeitbeurteilung am 27. September 2013 geendet hat, führt nicht zu deren rechtlicher Fehlerhaftigkeit. Ob und welcher Zeitraum vor Ablauf der Probezeit für das Urteil des Dienstherrn ausreichend ist, dass ein Probebeamter sich nicht bewährt hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art und Schwere des Versagens gegenüber dem vom Dienstherrn gestellten Anforderungen (BVerwG, Urteil vom 24. November 1988 – 2 C 24.87-). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger über den gesamten Zeitraum die dargestellten Kernprobleme in der Wahrnehmung seiner dienstlichen Pflichten gezeigt hat bzw. in dienstpflichtwidriges Verhalten zurückgefallen ist. Damit war die bereits einen Monat vor Ablauf der Probezeitverlängerung erfolgte prognostische Bewertung, dass er sich in der Probezeit persönlich und fachlich nicht bewährt hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Die zunächst gezeigte Leistungssteigerung konnte sich über den maßgeblichen Zeitraum nicht bestätigen bzw. wurde durch sein Verhalten konterkariert.

66

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Für den Beklagten steht die mangelnde Bewährung endgültig fest, sodass kein Handlungsermessen mehr hinsichtlich der Entlassung und einer Weiterbeschäftigung des Klägers bestand. Nach der zwingenden Vorschrift des § 10 Satz 1 BeamtStG darf ein Beamter nur dann in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden, wenn er sich in der Probezeit bewährt hat. Von der Möglichkeit der Verlängerung der Probezeit wurde Gebrauch gemacht.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

68

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

69

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben (§§ 124, 124a VwGO).

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

6
1. a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die ursprüngliche Bezeichnung der Vertretungsbehörde der Beklagten in der von den Klägern bei Gericht eingereichten Klage unrichtig war (s. § 2 der Hessischen Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. September 2002, StAnz. 2002, 3882) und eine Zustellung an diese Behörde nicht zu einer wirksamen Klagezustellung führen konnte (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - LM StrEG Nr. 11; BayObLGZ 1995, 61; Senatsbeschluss vom 19. Dezember 1986 - III ZR 98/84 - juris Rn. 5). Im Ansatz liegt also darin, dass die vorliegende Klage statt am 15. April 2003 erst am 12. Mai 2003 (wirksam) zugestellt worden ist, eine von den Klägern zu vertretende Verzögerung. Denn ihrem Prozessbevollmächtigten ist vorzuwerfen, dass er - unbeschadet dessen, dass im Entschädigungsfestsetzungsverfahren das Amt für Straßen- und Verkehrswesen in M. für die Beklagte aufgetreten war und dass die Fassung des Entschädigungsfestsetzungsbeschlusses einschließlich der Rechtsmittelbelehrung möglicherweise zu dem Missverständnis führen konnte, auch "der Prozess" sei gegen diese Behörde zu führen (dazu unten zu 2) - bei sorgfältiger Prozessführung sich selbständig aus den maßgeblichen amtlichen Mitteilungsblättern über die richtige Vertretungsbehörde der Beklagten für den Fall eines gerichtlichen Verfahrens über die Enteignungsentschädigung hätte informieren müssen (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 1986 aaO).

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

10
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnen- den Verzögerungen der Zustellung der Klage in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 2/14, ZWE 2015, 375 Rn. 5; BGH, Urteil vom 3. September 2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rn. 15; jeweils mwN).

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Für die in § 1 bezeichneten Zwecke ist die Enteignung zulässig.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. Juni 2011 - 4 Sa 252/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 4. März 2010 - 4 Ca 8208/09 - in den Ziffern 3. und 4. abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009.

2

Der 1959 geborene Kläger war seit Juni 1991 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.200,00 Euro.

3

Der vormalige, zwischenzeitlich einem Krebsleiden erlegene Inhaber der Beklagten suchte den damals arbeitsunfähigen Kläger am 27. Juni 2009 zuhause auf und übergab ihm ein auf den 30. Juni 2009 vordatiertes Schreiben, das lautet:

        

„K Ü N D I G U N G

        

Sehr geehrter Herr Sch,

        

hiermit kündigen wir Ihnen fristgemäß zum 30.09.09.

        

Die Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

D S“   

4

Vom Kläger, der eine außerordentliche Kündigung vermeiden wollte, darauf angesprochen, versicherte Herr S, er habe dies geprüft. Die ordnungsgemäße Frist zum 30. September 2009 sei wie das Wort „fristgemäß“ ausdrücklich im Kündigungsschreiben enthalten. Der Kläger zeichnete das Kündigungsschreiben gegen und wurde von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

5

Zum 1. November 2009 ging der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis ein, in dem er 1.800,00 Euro brutto monatlich verdiente.

6

Mit einem per Telefax am 27. Oktober 2009 eingereichten und der Beklagten am 31. Oktober 2009 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend gemacht hat. Außerdem hat er einen allgemeinen Feststellungsantrag anhängig gemacht und ein Zeugnis sowie - für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag - Weiterbeschäftigung begehrt. Darüber hinaus hat er „vorsorglich Wiedereinsetzung“ beantragt und dazu unter Beweisantritt vorgetragen, er sei im Anschluss an die Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und weder prozess- noch geschäftsfähig gewesen. Erst am 26. Oktober 2009 sei er wieder soweit hergestellt gewesen, dass er erkannte, der Beklagten müsse bei der Kündigungsfrist offenbar ein Irrtum unterlaufen sein.

7

Nach der Güteverhandlung hat der Kläger erklärt, es sei ihm - auch wenn Wiedereinsetzungsgründe vorlägen - nur noch an der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und dem Erhalt der entsprechenden Vergütung gelegen. Er sei im Oktober 2009 arbeitslos gewesen, habe aber wegen fehlender Arbeitsbescheinigung kein Arbeitslosengeld erhalten.

8

Der Kläger hat erstinstanzlich - unter Klagerücknahme im Übrigen - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.760,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.200,00 Euro seit dem 1. November 2009, weiteren 160,00 Euro seit dem 1. Dezember 2009 und weiteren 400,00 Euro seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III auszustellen und zuzusenden.

9

Die Beklagte hat wegen eines Betrags von 2.200,00 Euro brutto Klageabweisung beantragt und im Übrigen die Anträge anerkannt. Sie hat zunächst geltend gemacht, im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug gewesen zu sein. Der Kläger habe erstmals mit der Zustellung der Kündigungsschutzklage seine Arbeitsleistung angeboten und zuvor das Arbeitsverhältnis für beendet gehalten. In der Revisionsinstanz hat die Beklagte sich darauf berufen, die Kündigung sei nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden und habe das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist, soweit sie in der Revisionsinstanz anhängig geworden ist, unbegründet. Der Kläger hat für den Monat Oktober 2009 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB.

12

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 30. September 2009, sondern erst zum 31. Dezember 2009 geendet. Davon geht das Landesarbeitsgericht mit der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend aus.

13

1. Die ordentliche, auf den 30. Juni 2009 vordatierte und zum 30. September 2009 ausgesprochene Kündigung der Beklagten hat die gesetzliche - verlängerte - Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt. Ohne dass es auf den wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr anwendbaren § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 18 mwN, BAGE 135, 255) ankäme, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 15 Jahre bestanden. Die Kündigungsfrist beträgt somit nach § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats. Das Arbeitsverhältnis konnte deshalb durch eine am 27. Juni 2009 übergebene ordentliche Kündigung erst zum 31. Dezember 2009 beendet werden.

14

2. Die Kündigung der Beklagten ist nicht nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden.

15

Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in ein anderes Rechtsgeschäft, nämlich in eine Kündigung mit zulässiger Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege(§ 4 Satz 1, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 20, BAGE 135, 255; vgl. auch APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66 ff.; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 4 KSchG Rn. 5; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18 ff.; KR/Rost 10. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich 10. Aufl. § 13 KSchG Rn. 289; Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71, jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Insoweit besteht entgegen der Auffassung des Klägers keine Divergenz zwischen dem Fünften und dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278).

16

3. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in der Vergangenheit angenommen, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 25 ff., BAGE 116, 336; dem folgend: BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 32, BAGE 117, 68; ausdrücklich offengelassen: BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 31; nicht entscheidungserheblich: BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 13, BAGE 135, 278). Einer solchen Auslegungsregel fehlt die hinreichende Tatsachenbasis. Ob Arbeitgeber tatsächlich stets - und für die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger erkennbar - die objektive einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollen, ist bislang empirisch unerforscht geblieben. Zudem ist eine Kündigung zum 30. September ein anderes Rechtsgeschäft als eine solche zum 31. Dezember. Das Risiko, einen ausdrücklich genannten Kündigungstermin rechtlich zutreffend bestimmt zu haben, darf nicht auf den Empfänger der Kündigungserklärung abgewälzt werden (zutr. Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71; vgl. auch vHH/L/Linck 15. Aufl. § 4 KSchG Rn. 22a).

17

4. Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit rechtlich zutreffender Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Im Streitfall kann die Kündigung der Beklagten nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31. Dezember 2009 ausgelegt werden.

18

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungserklärung der Beklagten nicht ausgelegt, sondern ist durch Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ohne nähere Begründung der Auslegungsregel des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, obwohl es in der Berufungsverhandlung zur Erläuterung seines Vergleichsvorschlags noch auf - vermeintlich - „unterschiedliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts“ hingewiesen hatte. Die Auslegung der atypischen Willenserklärung kann der Senat aber selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 225).

19

b) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 spricht, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 30. September 2009 enthält. Damit hat die Beklagte den Wirkungszeitpunkt ihrer Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „fristgemäß zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass die Beklagte auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (insoweit aA Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71). Ob es der Beklagten entscheidend auf das Datum oder die Einhaltung der „richtigen“ Kündigungsfrist angekommen ist, erschließt sich aus den vom Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung festgestellten, außerhalb der Kündigungserklärung liegenden Begleitumständen. Diese bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt als (nur) zu dem im Kündigungsschreiben festgehaltenen Datum. Denn bei der Übergabe des Kündigungsschreibens wurde dem Kläger auf sein Begehr, keine außerordentliche Kündigung zu erhalten, von dem damaligen Inhaber der Beklagten versichert, er habe dies geprüft, die ordnungsgemäße Frist sei im Kündigungsschreiben benannt. Daraus ist - für den Kläger erkennbar - deutlich geworden, dass es der Beklagten wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist.

20

c) Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336), ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, BAGE 135, 225). Dem genügt die Kündigung der Beklagten. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „fristgemäß zum“. Nachdem zwischen den Parteien außer Streit steht, dass für ihr Arbeitsverhältnis keine anderen als die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, kann der Kläger anhand von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB in einem einfachen Rechenschritt die maßgebliche Kündigungsfrist selbst berechnen, ohne dass er von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in die Irre geführt werden könnte.

21

II. Die Beklagte befand sich im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28 mwN). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14; 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 18, jeweils mwN). Soweit der Zweite Senat in einer älteren Entscheidung (BAG 21. März 1996 - 2 AZR 362/95 -) angenommen hat, § 296 BGB könne auch im ungekündigten Arbeitsverhältnis Anwendung finden, hält der nunmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Vergütung wegen Annahmeverzugs allein zuständige erkennende Senat daran nicht fest.

23

2. Gemessen an diesen Grundsätzen war ein Angebot der Arbeitsleistung nicht nach § 296 BGB entbehrlich. Die fehlerhafte Kündigungsfrist bedingt im Streitfall nicht die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern lässt sich als solche zu dem „richtigen“ Termin auslegen.

24

Andererseits war der Kläger nicht gehalten, die Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten. Auch bei einem Streit lediglich über den Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber mit der Aufnahme eines Datums in die Kündigung erklärt, er werde nach diesem Zeitpunkt keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Ein wörtliches Angebot ist aber erst mit der am 31. Oktober 2009 zugestellten Kündigungsschutzklage erfolgt. Dieses Angebot wirkt nicht zurück. Danach hat der Kläger für den gesamten Monat Oktober 2009 die Arbeitsleistung nicht wörtlich angeboten. Er hat bis dahin auch nicht gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2009 in anderer Weise protestiert.

25

3. Ein Angebot der Arbeitsleistung wäre entbehrlich gewesen, wenn der Kläger im Monat Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt gewesen wäre. Denn die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13). Ob der Kläger über den 30. September 2009 hinaus freigestellt war, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, zwischen den Parteien sei eine Freistellungsvereinbarung zustande gekommen, die sich zumindest auch auf den Monat Oktober 2009 bezogen habe, steht im Widerspruch zur - vorherigen - Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der damalige Inhaber der Beklagten habe bei Übergabe des Kündigungsschreibens am 27. Juni 2009 den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung „einseitig“ freigestellt. Mit welchem (ungefähren) Wortlaut dies erfolgte, ist ebenso wenig festgestellt wie möglicherweise für die Auslegung ergiebige Begleitumstände der Freistellungserklärung.

26

4. War der Kläger - zu seinen Gunsten unterstellt - im Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und deshalb ein Angebot der Arbeitsleistung nicht erforderlich, ist die Klage gleichwohl unbegründet. Denn unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein, ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien(BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13 mwN).

27

Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert darlegt, dass er gleichwohl arbeitsfähig war.

28

Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, nach Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und bis fast Ende Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig gewesen zu sein. Er hat dafür sogar Beweis angeboten durch das Zeugnis des ihn behandelnden Arztes. War der Kläger aber aufgrund einer schweren Erkrankung bis zum 26. Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig, musste er erläutern, aufgrund welcher Tatsachen er gleichwohl ab dem 1. Oktober 2009 für die geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer arbeitsfähig gewesen sein soll. Das ist nicht erfolgt.

29

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben gemäß § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

       

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

       

        

        

    Ilgenfritz-Donné    

        

    A. Christen    

                 

Für die in § 1 bezeichneten Zwecke ist die Enteignung zulässig.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. Juni 2011 - 4 Sa 252/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 4. März 2010 - 4 Ca 8208/09 - in den Ziffern 3. und 4. abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009.

2

Der 1959 geborene Kläger war seit Juni 1991 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.200,00 Euro.

3

Der vormalige, zwischenzeitlich einem Krebsleiden erlegene Inhaber der Beklagten suchte den damals arbeitsunfähigen Kläger am 27. Juni 2009 zuhause auf und übergab ihm ein auf den 30. Juni 2009 vordatiertes Schreiben, das lautet:

        

„K Ü N D I G U N G

        

Sehr geehrter Herr Sch,

        

hiermit kündigen wir Ihnen fristgemäß zum 30.09.09.

        

Die Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

D S“   

4

Vom Kläger, der eine außerordentliche Kündigung vermeiden wollte, darauf angesprochen, versicherte Herr S, er habe dies geprüft. Die ordnungsgemäße Frist zum 30. September 2009 sei wie das Wort „fristgemäß“ ausdrücklich im Kündigungsschreiben enthalten. Der Kläger zeichnete das Kündigungsschreiben gegen und wurde von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

5

Zum 1. November 2009 ging der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis ein, in dem er 1.800,00 Euro brutto monatlich verdiente.

6

Mit einem per Telefax am 27. Oktober 2009 eingereichten und der Beklagten am 31. Oktober 2009 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend gemacht hat. Außerdem hat er einen allgemeinen Feststellungsantrag anhängig gemacht und ein Zeugnis sowie - für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag - Weiterbeschäftigung begehrt. Darüber hinaus hat er „vorsorglich Wiedereinsetzung“ beantragt und dazu unter Beweisantritt vorgetragen, er sei im Anschluss an die Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und weder prozess- noch geschäftsfähig gewesen. Erst am 26. Oktober 2009 sei er wieder soweit hergestellt gewesen, dass er erkannte, der Beklagten müsse bei der Kündigungsfrist offenbar ein Irrtum unterlaufen sein.

7

Nach der Güteverhandlung hat der Kläger erklärt, es sei ihm - auch wenn Wiedereinsetzungsgründe vorlägen - nur noch an der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und dem Erhalt der entsprechenden Vergütung gelegen. Er sei im Oktober 2009 arbeitslos gewesen, habe aber wegen fehlender Arbeitsbescheinigung kein Arbeitslosengeld erhalten.

8

Der Kläger hat erstinstanzlich - unter Klagerücknahme im Übrigen - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.760,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.200,00 Euro seit dem 1. November 2009, weiteren 160,00 Euro seit dem 1. Dezember 2009 und weiteren 400,00 Euro seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III auszustellen und zuzusenden.

9

Die Beklagte hat wegen eines Betrags von 2.200,00 Euro brutto Klageabweisung beantragt und im Übrigen die Anträge anerkannt. Sie hat zunächst geltend gemacht, im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug gewesen zu sein. Der Kläger habe erstmals mit der Zustellung der Kündigungsschutzklage seine Arbeitsleistung angeboten und zuvor das Arbeitsverhältnis für beendet gehalten. In der Revisionsinstanz hat die Beklagte sich darauf berufen, die Kündigung sei nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden und habe das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist, soweit sie in der Revisionsinstanz anhängig geworden ist, unbegründet. Der Kläger hat für den Monat Oktober 2009 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB.

12

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 30. September 2009, sondern erst zum 31. Dezember 2009 geendet. Davon geht das Landesarbeitsgericht mit der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend aus.

13

1. Die ordentliche, auf den 30. Juni 2009 vordatierte und zum 30. September 2009 ausgesprochene Kündigung der Beklagten hat die gesetzliche - verlängerte - Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt. Ohne dass es auf den wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr anwendbaren § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 18 mwN, BAGE 135, 255) ankäme, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 15 Jahre bestanden. Die Kündigungsfrist beträgt somit nach § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats. Das Arbeitsverhältnis konnte deshalb durch eine am 27. Juni 2009 übergebene ordentliche Kündigung erst zum 31. Dezember 2009 beendet werden.

14

2. Die Kündigung der Beklagten ist nicht nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden.

15

Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in ein anderes Rechtsgeschäft, nämlich in eine Kündigung mit zulässiger Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege(§ 4 Satz 1, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 20, BAGE 135, 255; vgl. auch APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66 ff.; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 4 KSchG Rn. 5; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18 ff.; KR/Rost 10. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich 10. Aufl. § 13 KSchG Rn. 289; Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71, jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Insoweit besteht entgegen der Auffassung des Klägers keine Divergenz zwischen dem Fünften und dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278).

16

3. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in der Vergangenheit angenommen, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 25 ff., BAGE 116, 336; dem folgend: BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 32, BAGE 117, 68; ausdrücklich offengelassen: BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 31; nicht entscheidungserheblich: BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 13, BAGE 135, 278). Einer solchen Auslegungsregel fehlt die hinreichende Tatsachenbasis. Ob Arbeitgeber tatsächlich stets - und für die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger erkennbar - die objektive einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollen, ist bislang empirisch unerforscht geblieben. Zudem ist eine Kündigung zum 30. September ein anderes Rechtsgeschäft als eine solche zum 31. Dezember. Das Risiko, einen ausdrücklich genannten Kündigungstermin rechtlich zutreffend bestimmt zu haben, darf nicht auf den Empfänger der Kündigungserklärung abgewälzt werden (zutr. Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71; vgl. auch vHH/L/Linck 15. Aufl. § 4 KSchG Rn. 22a).

17

4. Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit rechtlich zutreffender Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Im Streitfall kann die Kündigung der Beklagten nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31. Dezember 2009 ausgelegt werden.

18

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungserklärung der Beklagten nicht ausgelegt, sondern ist durch Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ohne nähere Begründung der Auslegungsregel des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, obwohl es in der Berufungsverhandlung zur Erläuterung seines Vergleichsvorschlags noch auf - vermeintlich - „unterschiedliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts“ hingewiesen hatte. Die Auslegung der atypischen Willenserklärung kann der Senat aber selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 225).

19

b) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 spricht, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 30. September 2009 enthält. Damit hat die Beklagte den Wirkungszeitpunkt ihrer Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „fristgemäß zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass die Beklagte auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (insoweit aA Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71). Ob es der Beklagten entscheidend auf das Datum oder die Einhaltung der „richtigen“ Kündigungsfrist angekommen ist, erschließt sich aus den vom Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung festgestellten, außerhalb der Kündigungserklärung liegenden Begleitumständen. Diese bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt als (nur) zu dem im Kündigungsschreiben festgehaltenen Datum. Denn bei der Übergabe des Kündigungsschreibens wurde dem Kläger auf sein Begehr, keine außerordentliche Kündigung zu erhalten, von dem damaligen Inhaber der Beklagten versichert, er habe dies geprüft, die ordnungsgemäße Frist sei im Kündigungsschreiben benannt. Daraus ist - für den Kläger erkennbar - deutlich geworden, dass es der Beklagten wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist.

20

c) Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336), ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, BAGE 135, 225). Dem genügt die Kündigung der Beklagten. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „fristgemäß zum“. Nachdem zwischen den Parteien außer Streit steht, dass für ihr Arbeitsverhältnis keine anderen als die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, kann der Kläger anhand von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB in einem einfachen Rechenschritt die maßgebliche Kündigungsfrist selbst berechnen, ohne dass er von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in die Irre geführt werden könnte.

21

II. Die Beklagte befand sich im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28 mwN). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14; 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 18, jeweils mwN). Soweit der Zweite Senat in einer älteren Entscheidung (BAG 21. März 1996 - 2 AZR 362/95 -) angenommen hat, § 296 BGB könne auch im ungekündigten Arbeitsverhältnis Anwendung finden, hält der nunmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Vergütung wegen Annahmeverzugs allein zuständige erkennende Senat daran nicht fest.

23

2. Gemessen an diesen Grundsätzen war ein Angebot der Arbeitsleistung nicht nach § 296 BGB entbehrlich. Die fehlerhafte Kündigungsfrist bedingt im Streitfall nicht die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern lässt sich als solche zu dem „richtigen“ Termin auslegen.

24

Andererseits war der Kläger nicht gehalten, die Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten. Auch bei einem Streit lediglich über den Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber mit der Aufnahme eines Datums in die Kündigung erklärt, er werde nach diesem Zeitpunkt keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Ein wörtliches Angebot ist aber erst mit der am 31. Oktober 2009 zugestellten Kündigungsschutzklage erfolgt. Dieses Angebot wirkt nicht zurück. Danach hat der Kläger für den gesamten Monat Oktober 2009 die Arbeitsleistung nicht wörtlich angeboten. Er hat bis dahin auch nicht gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2009 in anderer Weise protestiert.

25

3. Ein Angebot der Arbeitsleistung wäre entbehrlich gewesen, wenn der Kläger im Monat Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt gewesen wäre. Denn die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13). Ob der Kläger über den 30. September 2009 hinaus freigestellt war, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, zwischen den Parteien sei eine Freistellungsvereinbarung zustande gekommen, die sich zumindest auch auf den Monat Oktober 2009 bezogen habe, steht im Widerspruch zur - vorherigen - Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der damalige Inhaber der Beklagten habe bei Übergabe des Kündigungsschreibens am 27. Juni 2009 den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung „einseitig“ freigestellt. Mit welchem (ungefähren) Wortlaut dies erfolgte, ist ebenso wenig festgestellt wie möglicherweise für die Auslegung ergiebige Begleitumstände der Freistellungserklärung.

26

4. War der Kläger - zu seinen Gunsten unterstellt - im Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und deshalb ein Angebot der Arbeitsleistung nicht erforderlich, ist die Klage gleichwohl unbegründet. Denn unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein, ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien(BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13 mwN).

27

Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert darlegt, dass er gleichwohl arbeitsfähig war.

28

Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, nach Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und bis fast Ende Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig gewesen zu sein. Er hat dafür sogar Beweis angeboten durch das Zeugnis des ihn behandelnden Arztes. War der Kläger aber aufgrund einer schweren Erkrankung bis zum 26. Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig, musste er erläutern, aufgrund welcher Tatsachen er gleichwohl ab dem 1. Oktober 2009 für die geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer arbeitsfähig gewesen sein soll. Das ist nicht erfolgt.

29

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben gemäß § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

       

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

       

        

        

    Ilgenfritz-Donné    

        

    A. Christen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Für die in § 1 bezeichneten Zwecke ist die Enteignung zulässig.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

Für die in § 1 bezeichneten Zwecke ist die Enteignung zulässig.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. April 2009 - 6 Sa 429/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die Klägerin trat 1984 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der beklagten Landeshauptstadt. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Vorschriften des TVöD anwendbar. Die Klägerin war zuletzt als Altenpflegerin beschäftigt. Sie ist behindert mit dem Grad 40 und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

3

Die Klägerin erhielt ab 1. Juli 2006 - zunächst bis zum 30. September 2009 befristet - Rente wegen voller Erwerbsminderung. Inzwischen wurde die Rentenbezugsdauer verlängert bis zum 30. Juni 2012.

4

Die Beklagte führte die von ihr unterhaltenen Seniorenwohnanlagen und Pflegeheime bis zum 31. Dezember 2007 als Eigenbetrieb. Zum 1. Januar 2008 übertrug sie diese Einrichtungen auf eine neu gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Nach Unterrichtung durch die Beklagte widersprach die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die GmbH nach § 613a Abs. 6 BGB.

5

Nach Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung beantragte die Beklagte am 20. März 2008 die Zustimmung des zuständigen Personalrats. Der Personalrat nahm den Antrag „zur Kenntnis“, ohne sich weiter zu äußern. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 11. April 2008 zum 31. Dezember 2008.

6

Die Klägerin hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Die von der Beklagten angeführten betrieblichen Erfordernisse seien nicht dringlich gewesen. Weil das Arbeitsverhältnis noch bis zum 30. Juni 2012 ruhe, wirke sich der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit nicht aus. Die Beklagte müsse abwarten, ob bei Ablauf der Ruhenszeit eine Beschäftigung wieder möglich sei.

7

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 11. April 2008 aufgelöst wird.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Der Arbeitsplatz der Klägerin als Altenpflegerin sei aufgrund des Betriebsübergangs und dem von der Klägerin erklärten Widerspruch dauerhaft entfallen. Freie Arbeitsplätze, die der Qualifikation der Klägerin entsprächen, stünden nicht zur Verfügung.

9

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung ist weder nach den Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes Sachsen-Anhalt (I.) noch nach § 85 SGB IX (II.) oder § 33 Abs. 2 TVöD (III.) unwirksam. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG gerechtfertigt (IV.).

11

I. Die nach § 67 Abs. 1 Nr. 8, § 61 Abs. 1 LPersVG erforderliche Zustimmung des Personalrats gilt nach § 61 Abs. 3 Satz 8 LPersVG als erteilt. Der Personalrat hat die Zustimmung nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 61 Abs. 3 Satz 3 LPersVG verweigert. Die Unterrichtung des Personalrats war nicht fehlerhaft. Die Beklagte hat zwar eine unzutreffende Kündigungsfrist angegeben: 7 Monate zum Schluss eines Kalendermonats, § 622 Abs. 2 BGB statt 6 Monate zum Ende des Kalendervierteljahres, § 34 Abs. 1 TVöD. Wie das Landesarbeitsgericht aber festgestellt hat, beruhte dies auf einem Irrtum der Beklagten, der nach den Grundsätzen der subjektiven Determination nicht zur Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung führt. Aus dem Anhörungsschreiben ergab sich im Übrigen die Anwendbarkeit des TVöD, sodass der Personalrat die zutreffende Kündigungsfrist leicht erkennen konnte.

12

II. Die nach § 85 SGB IX notwendige Zustimmung des Integrationsamts liegt vor.

13

III. Die Kündigung ist nicht nach § 33 Abs. 2 TVöD unwirksam. Die Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD ordnet das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an, wenn der Arbeitnehmer befristet voll erwerbsgemindert ist. Damit ist kein besonderer Kündigungsschutz verbunden.

14

1. Auch ruhende Arbeitsverhältnisse können, bei Vorliegen der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen, gekündigt werden. Das gilt insbesondere für betriebsbedingte Kündigungen. Der Arbeitnehmer im ruhenden Arbeitsverhältnis kann - ohne besondere gesetzliche oder tarifvertragliche Anordnung - nicht allein um des Ruhens seines Arbeitsverhältnisses willen besser geschützt sein als der „aktive“ Arbeitnehmer.

15

2. Zu der mit § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung des § 59 Abs. 1 BAT hat der Senat entschieden, dass sie einer personenbedingten Kündigung aus Krankheitsgründen nicht entgegensteht(vgl. 3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - BAGE 90, 230). Daran hält der Senat für die Bestimmung des § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD fest. Wie die Überschrift des § 33 TVöD(„Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung“) belegt, regelt die Vorschrift allein die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet. Die Beendigung durch Kündigung behandelt dagegen § 34 TVöD. Diese Vorschrift bestimmt auch, in welchen Fällen ein über das Gesetz hinausgehender Schutz gegen Kündigungen gewährt wird. Der Fall des Ruhens nach § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD ist dort nicht erwähnt.

16

IV. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 KSchG. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die der Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen.

17

1. Als eine die Gerichte grundsätzlich bindende unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung darstellen kann, ist die Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten an ein anderes Unternehmen anerkannt (Senat 7. Dezember 2006 - 2 AZR 748/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 88 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 74; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 66/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 133 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136).

18

2. Die Beklagte hat die städtischen Seniorenwohnanlagen und Pflegeheime, bei denen die Klägerin beschäftigt war, zum 1. Januar 2008 an die von ihr gegründete gemeinnützige GmbH übertragen. Damit war bei Zugang der Kündigung am 16. April 2008 die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bereits seit mehreren Monaten entfallen.

19

3. Die Kündigung war nicht unverhältnismäßig.

20

a) Eine Beendigungskündigung ist unter Beachtung des in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch dann nicht geboten und deshalb sozial ungerechtfertigt, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens - ggf. zu veränderten Arbeitsbedingungen - weiter beschäftigt werden kann. In diesem Fall ist anstelle einer Beendigungskündigung eine den verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten Rechnung tragende Änderungskündigung auszusprechen (vgl. nur Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).

21

aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, ist derjenige des Kündigungszugangs. Da das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit zum Kündigungsgrund gehört, sind auch die insoweit maßgeblichen Tatsachen aus dem Blickwinkel des Zeitpunkts der Kündigung zu beurteilen (Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121).

22

bb) Dabei kann die Erweiterung des Blickfeldes auf in der Vergangenheit liegende Umstände und auf solche zukünftigen Entwicklungen geboten sein, für die bereits bei Kündigung greifbare Anhaltspunkte bestehen. Eine Rückschau muss insbesondere insoweit stattfinden, als der Arbeitgeber nicht durch zweckvolle Bestimmung des Kündigungszeitpunkts auf der Hand liegende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten außer Acht lassen und dadurch den Kündigungsgrund selbst herbeiführen kann, indem er beispielsweise den Kündigungszeitpunkt verschiebt, um zunächst freie Beschäftigungsmöglichkeiten zu beseitigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 178 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 161; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - BAGE 102, 197). Eine Vorausschau zu Gunsten des Arbeitgebers findet statt, wenn der Beschäftigungsbedarf zwar bei Ausspruch der Kündigung noch besteht, aber sein Wegfall bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sicher absehbar ist. Zu Gunsten des Arbeitnehmers ist ggf. zu berücksichtigen, dass er zwar nicht bei Ausspruch der Kündigung, wohl aber bei Ablauf der Kündigungsfrist im selben Betrieb oder Unternehmen auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (Senat 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75).

23

cc) Besteht nach diesen Grundsätzen ein Kündigungsgrund, so ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt. Vom Arbeitgeber kann dann nicht verlangt werden, seinen Kündigungsentschluss, zB weil das Arbeitsverhältnis ruht und ihn kaum „belastet“, so lange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht, der Kündigungsgrund aber - möglicherweise - wieder entfallen ist (Senat 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - BAGE 114, 258 für den Fall der Sozialauswahl). Das dem Arbeitgeber eingeräumte Recht zum Ausspruch der Kündigung bei Vorliegen der in § 1 Abs. 2 KSchG normierten Voraussetzungen lässt sich nicht dadurch beiseite schieben, dass ihm, zB mit Blick auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, angesonnen wird, solange zu warten, bis die Gründe eventuell nicht mehr vorliegen. Die Einbeziehung zukünftiger Entwicklungen ist nur für diejenigen Umstände gerechtfertigt, die aus dem Blickwinkel des Zeitpunkts der Kündigung für den Arbeitgeber erkennbar sind, nicht aber für solche, deren späterer Eintritt ungewiss ist. Andernfalls wäre dem Arbeitgeber die Möglichkeit genommen, eine rationale Kündigungsentscheidung zu treffen.

24

b) Hieran gemessen fehlt es im Streitfall nicht wegen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit an den vom Gesetz verlangten dringenden betrieblichen Erfordernissen.

25

aa) Bei Ausspruch der Kündigung war kein freier Arbeitsplatz für die Klägerin vorhanden. Das hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, ohne dass die Klägerin insoweit eine Verfahrensrüge erhoben hätte.

26

bb) Die Beklagte war auch nicht, wie die Klägerin meint, verpflichtet, abzuwarten, ob nach Ablauf der Frist, für die ihr Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt worden war, eine Beschäftigungsmöglichkeit entstünde. Eine solche Möglichkeit war bei Ausspruch der Kündigung nicht absehbar. Die Klägerin hat hier im Wesentlichen auf die zweifellos gegebene Möglichkeit verwiesen, dass die Privatisierung des Altenpflegebereichs von der Beklagten aufgrund neuer Überlegungen wieder rückgängig gemacht werden könnte. Damit ist aber keine sicher erkennbare zukünftige Einsatzmöglichkeit dargetan. Nicht absehbar war im Übrigen auch, wie lange die Erwerbsminderung vorliegen und deshalb das Arbeitsverhältnis ruhen würde. Wie der spätere Verlauf zeigt, wurde die ursprüngliche Frist um drei Jahre verlängert. Es ist nicht auszuschließen, dass die Frist erneut verlängert wird oder eine Erwerbsfähigkeit bei der Klägerin gar nicht mehr eintritt.

27

cc) Es kommt auch nicht darauf an, welche wirtschaftlichen Nachteile der Verzicht auf den Kündigungsausspruch zeitigen würde. Es ist nicht Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung, dass ihr Unterbleiben den Arbeitgeber schädigt. Maßgeblich ist allein, ob bei ihrem Ausspruch die Beschäftigungsmöglichkeit auf Dauer entfallen ist. Dies ist hier der Fall. Dass das Arbeitsverhältnis seiner Funktion, dem Leistungsaustausch, nicht nur mangels Beschäftigungsmöglichkeit, sondern zusätzlich infolge des Ruhens der vertraglichen Pflichten nicht mehr dienen kann, verschlägt nichts. Dass ein Rechtsverhältnis nicht nur aus einem, sondern aus mehreren Gründen funktionslos geworden ist, ist kein überzeugendes Argument für seine Aufrechterhaltung.

28

V. Die Kosten der Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch über den Bereich eines Dienstherrn hinaus sowie nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.

(2) Absatz 1 gilt nicht, soweit

1.
Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind,
2.
Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen,
3.
gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer durch Landesrecht bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird oder
4.
Informationen unter den Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder offengelegt werden.
Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Absatz 1 unberührt.

(3) Beamtinnen und Beamte dürfen ohne Genehmigung über Angelegenheiten, für die Absatz 1 gilt, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilt der Dienstherr oder, wenn das Beamtenverhältnis beendet ist, der letzte Dienstherr. Hat sich der Vorgang, der den Gegenstand der Äußerung bildet, bei einem früheren Dienstherrn ereignet, darf die Genehmigung nur mit dessen Zustimmung erteilt werden. Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass an die Stelle des in den Sätzen 2 und 3 genannten jeweiligen Dienstherrn eine andere Stelle tritt.

(4) Die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass die Verweigerung der Genehmigung zur Aussage vor Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages oder der Volksvertretung eines Landes einer Nachprüfung unterzogen werden kann. Die Genehmigung, ein Gutachten zu erstatten, kann versagt werden, wenn die Erstattung den dienstlichen Interessen Nachteile bereiten würde.

(5) Sind Beamtinnen oder Beamte Partei oder Beschuldigte in einem gerichtlichen Verfahren oder soll ihr Vorbringen der Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen dienen, darf die Genehmigung auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 1 erfüllt sind, nur versagt werden, wenn die dienstlichen Rücksichten dies unabweisbar erfordern. Wird sie versagt, ist Beamtinnen oder Beamten der Schutz zu gewähren, den die dienstlichen Rücksichten zulassen.

(6) Beamtinnen und Beamte haben, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, auf Verlangen des Dienstherrn oder des letzten Dienstherrn amtliche Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen sowie Aufzeichnungen jeder Art über dienstliche Vorgänge, auch soweit es sich um Wiedergaben handelt, herauszugeben. Die gleiche Verpflichtung trifft ihre Hinterbliebenen und Erben.

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 29. März 2012 und der Disziplinarverfügung des Beklagten vom 25. Mai 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2011 wird gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 500 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner monatlichen Dienstbezüge in einer Disziplinarverfügung des Beklagten.

2

Der 1959 in W…. geborene Kläger steht als Polizeibeamter im Dienst des Beklagten. Am 1. Februar 1978 wurde er in den Polizeidienst eingestellt. Seit dem 1. Juli 1989 verrichtet er seinen Dienst bei der Polizeiinspektion F…. als polizeilicher Sachbearbeiter im Wechselschichtdienst. Im Rahmen des Bewährungsaufstiegs erfolgte am 21. Mai 2005 seine Ernennung zum Polizeikommissar. Seine Leistungen wurden in der letzten dienstlichen Beurteilung mit „C“ (entspricht den Anforderungen) bewertet.

3

Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein monatliches Bruttoeinkommen beträgt ca. 3.300,00 Euro. Disziplinar- und strafrechtlich ist der Beamte bisher nicht in Erscheinung getreten.

4

Mit Verfügung vom 13. Juli 2009 leitete der Beklagte gegen ihn ein Disziplinarverfahren ein. Ihm wurde zur Last gelegt, unbefugt Daten in den polizeilich genutzten Datenbeständen POLIS und EWOIS abgefragt und offenbart sowie darüber hinaus eine dritte Person unter Mitführen seiner durchgeladenen Dienstwaffe bedroht zu haben. Das wegen des Datenvorfalls eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Mainz mit Verfügung vom 22. April 2009 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung – StPO – ein. Dagegen verurteilte ihn das Amtsgericht Worms wegen Bedrohung mit Urteil vom 31. August 2009 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60,00 Euro. In der Berufungsinstanz wurde das Strafverfahren vom Landgericht Mainz am 23. Februar 2010 gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße von 2.500,00 Euro vorläufig und am 11. August 2010 endgültig eingestellt.

5

Am 12. April 2010 führte der Beklagte das zuvor ausgesetzte Disziplinarverfahren fort und ordnete mit Disziplinarverfügung vom 25. Mai 2011 an, dass die monatlichen Dienstbezüge des Klägers um 1/10 für die Dauer von 15 Monaten gekürzt werden. Dem Kläger wurde angelastet, dass es am 9. Mai 2008 gegen 17 Uhr vor einer gewerblichen genutzten Halle in W…. zu Streitigkeiten zwischen ihm und den Zeugen R…. und D…. gekommen sei. Nach Übergabe einer schriftlichen Kündigung habe sich der Kläger zunächst von der Örtlichkeit entfernt und sei nach Hause gegangen. Dort angekommen habe er den Entschluss gefasst, beim Zeugen R…. eine sogenannte Gefährderansprache durchzuführen. Aus diesen Gründen habe er den Zeugen R…. auch bereits in POLIS.net überprüft gehabt und hierdurch die Erkenntnis erlangt, dass dieser zweimal wegen Bedrohung erfasst sei. Er habe seine Dienstpistole Walther P 5 eingesteckt und sich wieder zurück zu der Halle begeben. Hier habe er die Zeugen R…. und D…. aufgefordert, ihre Arbeiten auf dem nicht gemieteten Teil des Geländes einzustellen und sich von diesem zu entfernen. Es sei ein verbaler Schlagabtausch gefolgt, in dessen Verlauf der Kläger gegenüber dem Zeugen R…. im Beisein des Zeugen D…. entgegnet habe, dass er ihn aufgrund der zurückliegenden Drohungen gegen seine Familie „durchleuchtet“ habe. Durch die Abfrage habe er Kenntnis erlangt, dass der Zeuge R…. bereits zweimal wegen Bedrohung polizeilich in Erscheinung getreten sei. Der Zeuge D..., der bereits einen Fäustel zum Verrichten seiner Arbeiten in der Hand gehalten habe, habe einen weiteren Fäustel ergriffen und sei damit auf den Kläger zugelaufen. Hierbei habe er die Arme nicht erhoben, sondern diese nach unten hängen lassen. Durch diese Handlung des Zeugen D... habe der Kläger sich bedroht gefühlt. Er habe seine verdeckt mitgeführte und durchgeladene Dienstpistole Walther P 5 gezogen und sie auf den herannahenden Zeugen D... gerichtet. Nach eigenen Angaben habe er den Zeugen D... zusätzlich mit den Worten „Fallen lassen oder es knallt“ dazu aufgefordert, die Fäustel fallen zu lassen. Demgegenüber hätten die Zeugen D... und R... übereinstimmend angegeben, dass der Kläger nach dem Ziehen der Waffe den Zeugen D... nicht zum Fallenlassen der Hämmer aufgefordert, sondern lediglich die Äußerung „Ich knall euch ab“ von sich gegeben habe. Nach Konfrontation mit der gezogenen Waffe habe der Zeuge D... unter deutlichem Schock gestanden. Er sei sofort stehengeblieben und habe zugleich die Fäustel aus den Händen fallen lassen.

6

Hinsichtlich dieses Sachverhalts sei dem Kläger der Vorwurf zu machen, dass sein nochmaliges Erscheinen vor der Halle nach den vorangegangenen verbalen Streitigkeiten nicht nachvollziehbar sei. Eine Eskalation dieser Situation sei gerade für ihn als erfahrenen Polizeibeamten vorhersehbar gewesen. Die Tatsache der Mitnahme der Dienstwaffe belege, dass er die Eskalation zumindest als möglich erachtet und die Pistole gerade aus diesem Grund eingesteckt habe. Überdies sei das Ziehen und Richten der Waffe auf den Zeugen D... nicht erforderlich gewesen. Selbst bei Annahme, dass der Zeuge mit den Fäusten und herunterhängenden Armen in drohender Haltung auf ihn zugelaufen sei, habe für ihn sehr wohl noch die Möglichkeit bestanden, den Zeugen D... zuerst zum Stehenbleiben aufzufordern, oder aber zu flüchten, ohne dass er die mitgeführte Waffe in der vorliegenden Form hätte einsetzen müssen. Mit wenigen Schritten wäre er außerhalb einer anzunehmenden Reichweite der schweren Fäustel gewesen. Insgesamt habe man von ihm ein gänzlich anderes Verhalten erwarten dürfen.

7

Nach der Auswertung von Protokolldaten im Verfahren POLIS.net im zurückliegenden Zeitraum bis zum 9. Mai 2008 stehe außerdem fest, dass der Kläger am 15. April 2008, 19.45 Uhr, eine Abfrage des Zeugen R... durchgeführt habe.

8

Durch die unzulässigen Ermittlungen auf eigene Faust und die Abfrage der Personalien des Zeugen R... in POLIS.net und EWOIS liege ebenfalls eine unzulässige Verknüpfung von Amts- sowie Privatinteressen vor. Insoweit sei festzustellen, dass bis zur Eskalation der privaten Streitigkeiten am 9. Mai 2008 weder das durch den Kläger gemutmaßt hohe Gefährdungspotential des Zeugen R... noch dessen angeblichen Drohungen dienstlich bekannt geworden seien. Von daher sei der Datenabruf in POLIS.net und EWOIS aus rein privaten Interessen heraus erfolgt.

9

Die durch die Abfrage erlangten Erkenntnisse habe der Kläger im Beisein der Streifenbesatzung an Polizeioberkommissar H…. und Polizeikommissar W…. preisgegeben. Hierzu sei er unabhängig davon, dass das Gespräch noch auf einem Privatgelände stattgefunden habe, sowohl nach der Rahmendienstanweisung für den Datenschutz und der Datensicherheit bei der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz sowie den einschlägigen Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes nicht befugt gewesen.

10

Daraus folge, dass der Kläger durch sein Verhalten eklatant gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe. Selbst eine angenommene Provokation durch die Zeugen R... und D... stelle keine Entschuldigung für sein Verhalten dar. Infolgedessen sei eine Kürzung der monatlichen Dienstbezüge um 1/10 für die Dauer von 15 Monaten erforderlich, um den Kläger eindringlich auf seine Dienstpflichten hinzuweisen. Das Verhalten hätte sogar durchaus eine Zurückstufung als Disziplinarmaßnahme gerechtfertigt. Dies sei jedoch deshalb nicht möglich gewesen, weil er sich im Eingangsamt seiner Laufbahn befinde. Dass sich die Kürzung der Dienstbezüge im mittleren Bereich und nicht im oberen Bereich bewege, sei dem Umstand zu verdanken, dass sich das Disziplinarverfahren über einen langen Zeitraum hingezogen habe und der Beamte hierdurch belastet gewesen sei. Der Verhängung der Disziplinarmaßnahme stehe schließlich mit Blick auf die Ahndung im Strafverfahren kein Maßnahmeverbot nach § 13 LDG entgegen, da der Kläger ein Dienstvergehen begangen habe, das aus mehreren Dienstpflichtverletzungen bestehe, von denen nicht alle zur Verhängung einer Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme geführt hätten, so dass nicht „derselbe Sachverhalt“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege.

11

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2011, dem Kläger zugestellt am 17. November 2011, unter Wiederholung und Vertiefung der in der Disziplinarverfügung enthaltenen Erwägungen zurück.

12

Der Kläger hat am 15. Dezember 2011 Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht: Soweit ihm ein unbefugter Datenabruf und ein rechtswidriges Offenbaren von Daten vorgehalten werde, sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Anzeige dieses Vorfalles durch den Zeugen R... ausschließlich um einen Racheakt gehandelt habe, um ihm zu schaden. Der Zeuge habe seine Ehefrau und Tochter sowie seinen Vater wiederholt bedroht. Diese ständige Bedrohung sei dadurch verstärkt worden, dass er einer einschlägig berüchtigten Motorradrocker-Szene angehöre. Davon abgesehen stehe einer Ahnung § 12 Landesdisziplinargesetz – LDG – entgegen. Der Datenabruf habe zeitlich vor dem 9. Mai 2008 gelegen und sei für sich betrachtet zeitlich nicht einzuordnen. Die Zweijahresfrist für einen insoweit allenfalls in Betracht kommenden Verweis sei jedenfalls abgelaufen. Hinsichtlich des Vorwurfs der Bedrohung greife überdies das Maßnahmeverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG ein. Dessen ungeachtet sei der Zeuge D... im Begriff gewesen, ihn mit zwei Hämmern anzugreifen, wohingegen er lediglich zu seiner Verteidigung die Dienstwaffe gezogen habe.

13

Das Verwaltungsgericht Trier hat die Klage mit Urteil vom 29. März 2012 abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass sich das Verhalten des Klägers disziplinarrechtlich in mehrfacher Hinsicht als relevant darstelle. So wäre von ihm nach Übergabe der schriftlichen Kündigung an den Zeugen R... aufgrund seiner beruflichen Stellung gerade auch im außerdienstlichen Bereich ein besonneneres Verhalten zu erwarten gewesen. Vor allem hätte er sich gegen den Mieter seines Vaters mit den der Familie zur Verfügung stehenden legalen Möglichkeiten zivil- und strafrechtlicher Art zur Wehr setzen können. Bereits das Ansinnen einer „Gefährderansprache“ müsse selbst vor dem Hintergrund der privatvertragswidrigen Nutzung einer Gewerbefläche und eventueller Bedrohungen des Zeugen R...s in der Vergangenheit als unangemessen bewertet werden. Der Kläger habe damit klar die Bereitschaft zu einer weiteren Eskalation und zudem zu einem Einsatz seiner Dienstwaffe gezeigt. In Anbetracht der konkreten Gesamtsituation stelle sich das Mitführen der zur Verfügung gestellten Dienstwaffe in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Beklagten als eklatant pflichtvergessen dar und sei Beleg für einen unverantwortlichen Umgang mit dieser. Nach der weiteren Eskalation des Gespräches mit dem Zeugen R... und D... habe es sich ihm auch insoweit aufgrund seiner besonderen Berufserfahrung aufdrängen müssen, dass das Offenbaren der abgefragten Daten ein möglicherweise unberechenbares Verhalten der Betreffenden habe hervorrufen können. Angesichts dessen habe sich der Kläger von Anfang an auf weniger gewichtige Reaktionen seinerseits einstellen müssen als das Ziehen seiner Dienstwaffe. Aber auch dies habe der Kläger offensichtlich nicht getan. Statt die Provokation überhaupt zu unterlassen und zu versuchen, einem Angriff auszuweichen oder die Halle zu verlassen, sei es zum unmittelbaren Einsatz seiner Dienstwaffe gegen den mit Fäusteln auf ihn zu eilenden Zeugen D... gekommen. Damit sei gegen ihn der Vorwurf zu erheben, durch den erneuten Entschluss, sich unter Mitführung seiner Dienstwaffe zur Halle zu begeben, einen Kausalverlauf in Gang gesetzt zu haben, der in dieser Form und mit der Folge des Einsatzes seiner Dienstwaffe vermeidbar gewesen wäre. Von einem Polizeibeamten sei zu erwarten, dass er im außerdienstlichen Bereich zumindest insoweit besonnen reagiere, als er keine Straftaten Dritter herauf beschwöre, sich zur Regelung privater Streitigkeiten der allgemein zugänglichen legalen Mitteln bediene und insbesondere nicht seine Dienstpistole zu Gesprächen mitführe und dann auch einsetze. Ein derart handelnder Beamter verstoße nicht nur gegen die den Umgang mit Dienstwaffen und Munition regelnde Dienstvereinbarung (Polizeidienstvorschrift – PDV – 986 Nr. 3.4) und damit gegen die sich aus §§ 64 Abs. 1 Satz 2, 65 Satz 2 Landesbeamtengesetz – LBG – bzw. §§ 34 Satz 1, 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - ergebenden Pflichten, sondern verhalte sich im höchsten Maße achtungs- und vertrauensunwürdig (§ 64 Abs. 1 Satz 3 LBG, § 34 Satz 3 BeamtStG) und schädige im Besonderen das Ansehen der Polizei (§ 214 LBG), die sich rückhaltlos für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzusetzen habe. Darüber hinaus habe der Kläger durch die Datenabfrage und das unbefugte Offenbaren seiner Erkenntnisse gegen die Rahmendienstanweisung für den Datenschutz und der Datensicherheit bei der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz sowie die einschlägigen Vorschriften der §§ 3 und 8 Landesdatenschutzgesetz – LDSG – und damit abermals gegen seine Hingabe- und Gehorsamspflicht sowie seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 70 LBG) verstoßen. Das einheitlich zu würdigende Dienstvergehen habe ein derart erhebliches Gewicht, dass in jedem Fall die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme gerechtfertigt sei. Denn der zuverlässige Umgang mit der dienstlich überlassenen Waffe gehöre zu den Kernpflichten eines jeden Polizeibeamten. Die Schwere der Verfehlung werde weiterhin nicht unerheblich dadurch geprägt, dass der Kläger zudem die ihm dienstlich eröffnete Möglichkeit der personenbezogenen Datenabfrage zu privaten Zwecken ausgenutzt und sodann die erlangten Daten gegenüber Dritten offenbart habe. Die objektiven und subjektiven Tatumstände indizierten eine Persönlichkeit, die dazu neige, private Belange über die erkennbar dienstlichen Interessen seines Dienstherrn zu stellen. Schließlich stehe der verhängten Disziplinarmaßnahme kein Disziplinarmaßnahmeverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG entgegen, weil das Landgericht Mainz das Strafverfahren wegen der von ihm vorgenommenen Bedrohungshandlung eingestellt habe. Der im Disziplinarverfahren zugrunde gelegte Sachverhalt sei weitergehender als der im Strafverfahren geahndete, so dass diese Vorschrift nicht zur Anwendung komme.

14

Mit der dagegen gerichteten, vom Senat durch Beschluss vom 25. Juli 2012 zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren, die Disziplinarverfügung aufzuheben, weiter. Er ist der Auffassung, dass ein Offenbaren von Dienstgeheimnissen gegenüber Dritten nach der Datenabfrage nicht gegeben sei, da der Zeuge R... von sich aus über die POLIS-Abfrage mit seinem Bekannten D... gesprochen habe. Auch habe sich, anders als der Beklagte meine, seine Ehefrau bei dem Gespräch über die betreffenden Erkenntnisse nicht in der Nähe aufgehalten. Dieser Sachverhalt bilde entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts mit demjenigen, der sich auf die Androhung des Schusswaffengebrauchs beziehe, kein einheitliches Dienstvergehen, so dass das Maßnahmeverbot des § 13 Abs. 1 Nr. 2 LDG anwendbar bleibe. Im Übrigen liege in dem Einstecken und Mitnehmen seiner Dienstwaffe keine Dienstpflichtverletzung, weil er hierzu unter Zugrundelegung der einschlägigen Polizeidienstvorschriften des Beklagten berechtigt gewesen sei.

15

Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 29. März 2012 die Verfügung des Beklagten vom 25. Mai 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2011 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Er schließt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an und tritt dem Vorbringen des Klägers mit eigenen Darlegungen entgegen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge (fünf Hefte, darunter drei Bände Personalakten) sowie zwei Strafakten (3228 Js 2094/09 und 3128 Js 14929/08) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

21

Die Berufung des Klägers hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 25. Mai 2011 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 9. November 2011 sind abzuändern, da die Verfügung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 21 Landesdisziplinargesetz – LDG –).

22

Der Kläger hat eine Dienstpflichtverletzung begangen, indem er unberechtigt aus einem polizeilichen Informationssystem Daten abgerufen und Dritten gegenüber offenbart hat (1). Keine Dienstpflichtverletzung liegt dagegen in der ihm vom Beklagten vorgeworfenen Androhung eines Schusswaffengebrauchs und dem vorangegangenen Beisichführen seiner Dienstwaffe (2). Das in diesem Umfang vorliegende Dienstvergehen rechtfertigt nicht mehr eine Kürzung der Dienstbezüge, sondern eine Geldbuße in der festgesetzten Höhe (3).

23

1. Der Kläger hat seine Dienstpflichten dadurch verletzt, dass er am 15. April 2008 um 19.45 Uhr die personenbezogenen Daten des Zeugen R... in dem Polizeidatensystem POLIS abgefragt hat. Dass er darüber hinaus Daten im Einwohnermeldesystem EWOIS genutzt hat, wie von dem Beklagten ursprünglich behauptet, ist demgegenüber nicht nachgewiesen. Ferner hat der Kläger seine durch die Abfrage gewonnenen Erkenntnisse am 9. Mai 2008 gegen 17.00 Uhr gegenüber den Zeugen R... und D... sowie – nach dem Eintreffen eines Streifenwagens der Polizei – den beiden vorgenannten Personen ein weiteres Mal sowie den zwei Polizeibeamten erstmals mitgeteilt.

24

In dem Verhalten des Klägers liegt ein Dienstvergehen nach § 85 Abs. 1 Landesbeamtengesetz – LBG – in der Fassung vom 14. Juli 1970 (GVB. S. 241) sowie der hier noch maßgebenden letzten Änderungsfassung vom 14. Juni 2007 (GVBl. S. 77; vgl. nunmehr § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –). Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensgeboten gehört die sich aus § 64 Abs. 1 Satz 3 LBG (vgl. § 34 Satz 3 BeamtStG) ergebende Pflicht des Beamten, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten, das es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordern. Dies umfasst die Pflicht, sich gesetzestreu zu verhalten; der Beamte hat die von Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen (§ 65 Satz 2 LBG bzw. nunmehr § 35 Satz 2 BeamtStG). Nach § 70 Abs. 1 LBG (vgl. § 37 Abs. 1 BeamtStG) besteht die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit. Dazu gehört auch die Bewahrung des Datengeheimnisses nach § 8 Landesdatenschutzgesetz – LDSG –, also das Verbot der zweckwidrigen Verarbeitung oder Offenbarung personenbezogener Daten (vgl. auch die am 15. September 2000 in Kraft getretene Ziffer 2.1 der Rahmendienstanweisung für den Datenschutz und die Datensicherheit bei der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz).

25

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegen halten, er habe lediglich eine „Gefährderansprache“ durchführen und sich zu diesem Zweck Daten über etwaige Vorstrafen des Zeugen R... verschaffen wollen. Denn der von ihm vorgenommene Datenabgleich im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LDSG beruht nicht auf einem dienstlichen Anlass, sondern ist ausschließlich auf das gestörte persönliche Verhältnis des Klägers zu dem Zeugen R... zurückzuführen und erfolgte damit allein zur Verfolgung privater Zwecke. Auch liegt jedenfalls gegenüber den Zeugen R... und D... ein Offenbaren im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LDSG vor. Der Senat teilt insofern die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass eine Übermittlung der Daten schon in der unstreitigen Bekundung des Klägers gegenüber dem Zeugen R... in Gegenwart des Zeugen D... gelegen hat, er habe den Mieter „durchleuchtet“ und hierbei Erkenntnisse über strafrechtlich relevante Auffälligkeiten gewonnen. Der späteren vom Zeugen R... provozierten Wiederholung seiner Erkenntnisse in Anwesenheit der beiden Polizeibeamten kommt demgegenüber keine darüber hinausgehende selbständige Bedeutung zu. Beide Vorgänge müssen vielmehr einheitlich bewertet werden. Wie viele Personen außer den Zeugen D... und R... bei der Preisgabe der Datenabfrage zugegen waren, fällt hier nicht ins Gewicht. Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Frau des Klägers mitanwesend war und die hinzugekommenen Polizisten als Dritte im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LDSG anzusehen sind.

26

2. Dagegen kann dem Kläger der Umgang und die Benutzung seiner ihm zu dienstlichen Zwecken überlassenen Waffe entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht als Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden, so dass dieses Geschehen bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme unberücksichtigt bleiben muss.

27

Insofern folgt der Senat im Wesentlichen der Sachverhaltsdarstellung in den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§§ 21 LDG, 117 Abs. 5 VwGO), soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts anderes ergibt. Ergänzend klarzustellen ist lediglich, dass sich der Kläger etwa drei bis fünf Meter weit von dem Zeugen D... entfernt befand, als dieser mit zwei Fäusteln in der Hand auf ihn zuging. Ob dieser nach der Offenbarung der POLIS-Abfrage durch den Kläger den zweiten Hammer erst ergriffen hat, bevor er sich diesem näherte – so die Feststellung des Beklagten in der Disziplinarverfügung – oder aber schon beide Hämmer in der Hand gehalten hat und erst dann in Richtung des Klägers ging – wie das Amtsgericht meint – ist vorliegend unerheblich.

28

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen lässt sich zunächst aus der am 9. Mai 2008 erfolgten Androhung des Schusswaffengebrauchs gegenüber dem Zeugen D... kein disziplinarrechtlicher Vorwurf herleiten. Zwar verbietet Nr. 3.4 Satz 4 der rheinland-pfälzischen Polizeidienstvorschrift – PDV – 986 (Umgang mit Dienstwaffen und Munition) in der hier maßgebenden Fassung vom 10. April 2006 (vgl. auch die insofern inhaltsgleiche Fassung der PDV 986 vom 21. April 2011) dem Polizeibeamten die Nutzung, mithin den konkreten Einsatz bzw. den Gebrauch von dienstlichen Schusswaffen und Munition zu privaten Zwecken; ein pflichtwidriges Handeln ist jedoch dann nicht gegeben, wenn dem Betroffenen ein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht, der die Pflichtwidrigkeit entfallen lässt. Zu den im Disziplinarrecht anerkannten Rechtfertigungsgründen gehört das Bestehen einer Notwehrsituation nach § 32 StGB. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Androhung des Klägers, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, war geboten, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff des Zeugen D... abzuwehren.

29

Der Annahme von Notwehr stehen hier nicht die Grundsätze der Absichtsprovokation entgegen. Eine Absichtsprovokation begeht, wer zielstrebig einen Angriff herausfordert, um den Gegner unter dem Deckmantel der äußerlich gegebenen Notwehrlage an seinen Rechtsgütern zu verletzen. In einem solchen Fall ist dem Betreffenden eine Notwehr – jedenfalls grundsätzlich – versagt, weil er rechtsmissbräuchlich handelt, indem er Verteidigungswillen vortäuscht, in Wirklichkeit aber angreifen will (BGH, Urteil vom 7. Juni 1983 – 4 StR 703/82 –, NJW 1983, 2267). Dass der Kläger einen solchen Tatplan hatte, ist auszuschließen. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen verbalen Auseinandersetzungen nahm der Kläger die Waffe allein zur Eigensicherung mit, um sich vor eventuellen Tätlichkeiten auf diese Weise zu schützen. Auch im Übrigen ist dem Kläger kein Vorwurf zu machen. Eine schuldhafte Provokation, die zu einer Einschränkung der Notwehrbefugnisse führen kann, ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Kläger den Zeugen D... zuvor mit seiner Digitalkamera fotografiert bzw. in einer kurzen Videosequenz aufgenommen hat. Denn damit wollte der Kläger in zulässiger Weise zu Beweiszwecken dokumentieren, dass unberechtigte Arbeiten auf einer nicht an den Zeugen R... vermieteten Grundstücksfläche seines Vaters ausgeführt worden sind. Ebenso führt das bloße Wortgefecht zwischen dem Zeugen D... und dem Kläger nicht zu einer abweichenden Betrachtung. Entscheidend ist vielmehr, dass der Zeuge D..., als er mit zwei Fäusteln auf den Kläger zuging, seinerseits den erkennbaren Versuch unternahm, den Kläger gegebenenfalls unter Androhung von Gewalt zum Weggehen zu nötigen. Diesem Ansinnen brauchte der Kläger nicht zu entsprechen. Es berechtigte ihn zu einer deutlichen Warnung. Gegenüber dem Angriff durfte er deshalb zu einer wirksamen Abwehrmaßnahme übergehen. Nur das hat der Kläger getan; das Ziehen seiner Pistole und die von ihm dabei verwendeten Worte bedeuteten objektiv die Ankündigung, er werde (lediglich) im Falle eines tätlichen Angriffs schießen. Auch die Intensität dieser Drohung ist nicht zu beanstanden. Schon angesichts der geringen Entfernung zwischen ihm und dem Zeugen D... durfte er die Waffe, die ihm als einziges effektives Abwehrmittel zur Verfügung stand, ebenso benutzen, wie er z.B. eine Gaspistole, ein Messer oder ein Beil, hätte er einen solchen Gegenstand bei sich gehabt, als Drohmittel hätte vorzeigen können. Der Kläger ist insofern nicht schlechter zu stellen als jeder andere Bürger in einer vergleichbaren Situation. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts brauchte er insbesondere vor einer drohenden Gewalteinwirkung des Zeugen D... nicht auszuweichen, sondern durfte sich seiner Waffe in der vorgenommenen Weise bedienen, um eine sofortige und endgültige Beseitigung der von dem Zeugen D... ausgehenden Gefährdung herbeizuführen.

30

Ferner hat sich der Kläger nicht dadurch dienstpflichtwidrig verhalten, dass er die ihm zugewiesene Dienstwaffe zu der erneuten Begegnung mit den Zeugen R... und D... mitgenommen hat. Die Beschuldigung eines pflichtvergessenen Handelns und eines unverantwortlichen Umgangs mit Schusswaffen ist nicht gerechtfertigt, weil ihm eine Mitnahme der Pistole auch in der konkreten Situation ausdrücklich gestattet war.

31

Nach Nr. 3.1 Absatz 1 der PDV 986 sind Polizeibeamte zum Umgang mit dienstlichen Schusswaffen und Munition ermächtigt (Satz 1). Dies gilt auch für den außerdienstlichen Umgang, soweit die Schusswaffen und Munition, wie im vorliegenden Fall, persönlich zugewiesen sind (Satz 2). Unter Umgang ist gemäß der Legaldefinition in Ziffer 1.2 Absatz 3 der PDV 986 nicht nur der Besitz, sondern auch das Führen einer Dienstwaffe, also die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sie außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen befriedenden Besitztums, zu verstehen. Generell verboten ist das Führen von Dienstwaffen nur bei der privaten Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen (z.B. Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten), Versammlungen und Aufzügen sowie dann, wenn eine sichere Handhabung der Schusswaffe und Munition nicht gewährleistet ist, insbesondere nach dem Genuss alkoholischer Getränke oder nach der Einnahme von Medikamenten oder anderen Stoffen, welche die geistige oder körperliche Leistung nicht nur unbedeutend beeinträchtigen können (Nr. 3.2 Satz 1 PDV 986). Weiterhin kann der Dienstvorgesetzte aus begründetem Anlass den Umgang mit Schusswaffen und Munition ganz oder teilweise untersagen (Nr. 3.2 Satz 2 PDV 986). Da keine dieser Ausnahmen hier gegeben ist, war dem Kläger das Führen der Waffe vorliegend erlaubt. Eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass eine Mitführung der Dienstpistole nur auf dem Weg vom und zum Dienst möglich sein soll, wie der Vertreter des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat, ist mit dem weitgefassten Wortlaut der PDV 986 nicht zu vereinbaren. Insbesondere enthält Nr. 3.4 Satz 3 PDV 986 i.V.m. Nr. 3.3 Abs. 1 PDV 986 nur eine Regelung über besondere Verhaltens- und Vorsichtsmaßnahmen, wenn der Polizeibeamte in den vorgenannten Situationen seine Uniform trägt.

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3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sind alle Umstände des Einzelfalles, die be- und entlastenden Gesichtspunkte sowie die Persönlichkeit des Beamten zu bewerten und zu würdigen. Auch können die Motive des Fehlverhaltens eine Rolle spielen, sowie die Prognose auf sein zukünftiges Verhalten. Es sind aber auch Sinn und Zweck des Disziplinarverfahrens in der Würdigung mit einzubeziehen. Dieses dient der Wahrung der Integrität und dem Ansehen der Beamtenschaft sowie dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung.

33

Die Gesamtwürdigung ergibt hier, dass die Verhängung einer Geldbuße als Pflichtenmahnung ausreicht, aber auch erforderlich ist, um die Dienstverfehlung des Klägers zu ahnden. Eine Geldbuße ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 LDG die zweitmildeste Maßnahme. Sie kann bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge auferlegt werden (§ 5 Abs. 1 LDG). Bei monatlichen Bruttobezügen in Höhe von ca. 3.300,00 Euro bewegt sich der vorliegend festgesetzte Betrag im unteren Bereich des von § 5 Abs. 1 LDG bestimmten Rahmens. Ausschlaggebend hierfür sind neben dem Umstand, dass ein erheblicher Vorwurf der Disziplinarverfügung weggefallen ist, folgende Überlegungen:

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Die Pflicht des Beamten zur Amtsverschwiegenheit gehört zu seinen Hauptpflichten und dient sowohl dem öffentlichen Interesse, vor allem dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde, als auch dem Schutz des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers. So liegt in der Verletzung des Amtsgeheimnisses ein schwerwiegender Treuebruch, der durchaus geeignet ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten in Frage zu stellen. Wegen der großen Spannbreite der Verhaltensweisen hinsichtlich einer derartigen Pflichtverletzung lassen sich allerdings feste Regeln für eine Disziplinarmaßnahme nicht aufstellen. Je nach der Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht unterschiedliches Gewicht haben (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1970 - 2 II G 32.69 - BVerwGE 43, 57; Urteil vom 18. Oktober 1984 – 1 D 107.83 –, juris; Urteil vom 19. Mai 1989 – 1 D 37.97 –, juris). Erstere wird dabei maßgeblich durch die möglichen Folgen einer unbefugten Offenbarung, letzterer im Wesentlichen durch die dienstliche Stellung und den funktionalen Aufgabenbereich des Beamten beeinflusst (vgl. BayVGH, Urteil vom 24. November 2004 – 16a D 03.2668 –, juris). Ein Beamter, zu dessen funktionalen Aufgaben gerade die Wahrung bestimmter Geheimnisse gehört, verstößt gegen den Kernbereich seiner Dienstpflichten, wenn er der Geheimhaltungspflicht nicht nachkommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1970, a.a.O., Urteil vom 27. Juni 1995 – 1 D 12/94 –, BVerwGE 103, 248; zusammenfassend VGH BW, Urteil vom 10. März 2008 – DL 16 S 5/07 –, juris).

35

In Anwendung dieser Grundsätze fällt zu Lasten des Klägers ins Gewicht, dass er Daten nicht nur unberechtigt abgefragt, sondern diese Daten unbefugten Personen offenbart hat. Zu seinen Gunsten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass er zuvor disziplinarrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, es sich um einen einmaligen Vorfall ohne Schädigungsabsicht gehandelt hat und dienstliche Ermittlungen nicht gefährdet oder auch nur erschwert worden sind. Ferner war die Kundgabe mit keiner größeren Wirkung auf die Öffentlichkeit verbunden. Daher ist auch nicht von einem derart gravierenden Vertrauensverlust beim Dienstherrn auszugehen, dass eine weitergehende Ahndung angezeigt wäre. Schließlich stellt der Senat in Rechnung, dass der Beklagte seit dem Bekanntwerden der Abfrage mehr als ein Jahr verstreichen ließ, ehe er ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet hat. Allerdings erscheint die Belastung des Klägers durch die Länge des Verfahrens nicht als so schwerwiegend, dass allein aus diesem Grund eine weitere Milderung der Disziplinarmaßnahme angezeigt wäre.

36

Das Urteil des Senats vom 29. März 2004 (3 A 10291/04.OVG, esovgrp), auf das sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2013 berufen hat, gibt keinen Anlass für eine andere Bewertung. In dem dort entschiedenen Fall hatte sich ein Polizeibeamter zwar auch unerlaubt persönliche Daten (hier: ZEVIS-Halterdaten) verschafft. Schwerpunkt des dem Betroffenen vorgeworfenen Dienstvergehens, das zu seiner disziplinarrechtlichen Entfernung aus dem Dienst führte, waren jedoch die festgestellte wiederholte außerdienstliche Unterstützung privater Sicherheitsdienste, die Verursachung eines Verkehrsunfalls mit Personenschäden durch eine Trunkenheitsfahrt unmittelbar nach Einleitung des Disziplinarverfahrens, Schlafen während des Nachtdienstes und unerlaubtes Entfernen aus dem Dienstzimmer sowie die unberechtigte Nutzung einer dienstlichen Telefonanlage für private Telefongespräche. Mit diesem Sachverhalt, der durch zahlreiche sonstige Pflichtverstöße von erheblichem Umfang gekennzeichnet ist, kann das vorliegend zu beurteilende Dienstvergehen des Klägers auch nicht ansatzweise verglichen werden.

37

Da ein Maßnahmeverbot im Sinne § 12 Abs. 2 LDG nicht gegeben ist, weil die darin vorgesehene Frist von drei Jahren zwischen dem Zeitpunkt der Begehung des Dienstvergehens und dem Erlass der Disziplinarverfügung durch die rechtzeitige Einleitung des Disziplinarverfahrens gemäß § 12 Abs. 4 LDG unterbrochen worden ist, und auch die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage einer Anwendung des § 13 Abs. 1 LDG nicht mehr entschieden zu werden braucht, nachdem es im Hinblick auf den Vorwurf einer Bedrohung des Zeugen D... schon an einer Dienstpflichtverletzung fehlt, war der Berufung des Klägers weitgehend stattzugeben.

38

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 LDG und entspricht dem Maß des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 27. März 2012 wird abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 14. Februar 2012 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf jeweils 28.929,10 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hätte dem Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die vom Antragsgegner am 2. März 2012 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung seines Bescheides vom 14. Februar 2012, durch den sie mit Ablauf des 31. März 2012 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen werden soll, stattgeben müssen. Denn diese Anordnung erweist sich sowohl aus formellen (I.) als auch aus materiellen (II.) Gründen als rechtsfehlerhaft.

I.

3

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ist bei einer Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wegen des Ausnahmecharakters dieser Maßnahme (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) das besondere Interesse an dem Sofortvollzug schriftlich zu begründen, falls es sich nicht um eine sog. Notstandsmaßnahme im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO handelt. Auch wenn nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte eine vollständige und eingehende Überprüfung der Gründe für die Anordnung grundsätzlich nicht erfolgt, so ist hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Anordnungsgründe doch der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht Rechnung zu tragen, die Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt ist.

4

Danach soll die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels beimisst. Deshalb bedarf es – vor allem bei grundrechtsrelevanten Eingriffen – einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 - 1 DB 26/01 -, juris). Dies gilt in besonderem Maße bei statusverändernden und grundrechtlich (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) bedeutsamen Maßnahmen im Beamtenrecht, wozu Entlassungen von Probebeamten gehören. Der Gesetzgeber zählt nämlich in § 126 Abs. 3 Nr. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz die Personalmaßnahmen abschließend auf, bei denen bereits kraft Gesetzes der Suspensiveffekt von Rechtsmitteln ausgeschlossen werden soll. In allen anderen Fällen (und damit auch im Fall der beabsichtigten Entlassung eines Probebeamten) soll es dagegen nach dem Willen des Gesetzgebers beim Regelfall des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO verbleiben.

5

Diesen Anforderungen wird die vom Antragsgegner gegebene Begründung in der Vollziehungsanordnung vom 2. März 2012 nicht gerecht. Sie enthält lediglich allgemeine Erwägungen und benennt keine konkreten Umstände des Einzelfalles, auf die sich die angeführten Gründe für den angeordneten Sofortvollzug beziehen könnten. Nur allgemeine Erwägungen ohne nachvollziehbaren Bezug zu bestimmten Gefahren für die Allgemeinheit reichen jedoch nicht aus, um dem grundsätzlich bestehenden Anspruch der Antragstellerin auf eine vorläufig weitere Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO entgegengehalten zu werden.

6

Begründet wird die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom Antragsgegner lediglich mit zwei Erwägungen: Erstens mit einer Gefahr für die Allgemeinheit bei einem weiteren Tätigwerden der für ihren Beruf nach Auffassung des Antragsgegners nicht qualifizierten Antragstellerin als Veterinärin und – zweitens – mit fiskalischen Gründen, die sich aus der Gefahr ergäben, zu Unrecht ausgezahlte Bezüge nach Bestandskraft der Entlassungsverfügung von der Antragstellerin nicht mehr erfolgreich zurückfordern zu können.

7

In Bezug auf den erstgenannten Grund wird schon nicht mit konkreten Anhaltspunkten belegt, warum die seit dem Jahre 2002 und damit seit fast zehn Jahren (mit Unterbrechungen wegen ihrer Elternzeit) beim Antragsgegner als approbierte Tierärztin und Veterinärin tätige Antragstellerin nunmehr eine Gefahr für die Allgemeinheit geworden sein sollte. Weder in der vorgelegten Personalakte noch im Vortrag des Antragsgegners finden sich greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für in der Vergangenheit zu beobachtende schadensträchtige Schlechtleistungen der Antragstellerin.

8

Nicht nachvollziehbar ist die weitere Begründung in der Anordnung, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergebe sich aus der haushaltsrechtlichen Erwägung, rechtsgrundlose Besoldungsleistungen zu vermeiden, und der Verwaltung sei das Risiko, einen eventuellen Rückforderungsanspruch gegen die Antragstellerin nicht durchsetzen zu können, nicht zuzumuten. Insofern fehlt schon eine auf den Einzelfall bezogene schlüssige und substantiierte Darlegung der Gründe, warum gerade im Fall der Antragstellerin die Gefahr bestehe, möglicherweise zu Unrecht erhaltene Dienstbezüge würden von ihr zu einem späteren Zeitpunkt nicht erstattet. Zwar würde es dem öffentlichen Interesse grundsätzlich widersprechen, aus öffentlichen Mitteln Beträge zu zahlen, die im Fall der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels in der Hauptsache offensichtlich nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten wieder eingefordert werden könnten. In einem solchen Fall können fiskalische Gründe einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich rechtfertigen. Dem formellen Begründungserfordernis wird hingegen nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn in der aufgezeigten Weise auch dargelegt wird, warum im konkreten Einzelfall die Realisierung eines Rückzahlungsanspruchs zumindest gefährdet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001, a.a.O.). Daran fehlt es hier, weil in der Anordnung dargelegt wird, die Antragstellerin verfüge über genügend finanzielle Mittel, um ein vorläufiges Absehen von weiteren Besoldungszahlungen rechtfertigen zu können. Warum dann ein Rückzahlungsanspruch bei einem Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nicht realisierbar sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.

II.

9

Unabhängig von diesen Erwägungen führt auch die im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zum Erfolg des Eilantrags. Hierbei kann dahinstehen, ob bei einer Folgenbetrachtung die Nachteile für die Antragstellerin im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache wegen des vorübergehenden Statusverlustes als schwerwiegender zu bewerten wären als die Folgen für den Antragsgegner, falls dieser im Hauptsacheverfahren obsiegt (mit der Konsequenz, erst nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache die Stelle der Antragstellerin neu besetzen zu können). Denn die Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten fällt schon deshalb zugunsten der Antragstellerin aus, weil sich die Entlassungsverfügung vom 14. Februar 2012 bei einer summarischen Überprüfung im Rahmen des Eilverfahrens offensichtlich als rechtswidrig erweist und an der vorläufigen Inkraftsetzung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach allgemeiner Ansicht kein öffentliches Interesse bestehen kann.

10

Als Rechtsgrundlage für die Entlassung der Antragstellerin kommen allein § 21 Nr. 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Beamtenstatusgesetzes - BeamtStG - in Betracht. Nach diesen Vorschriften können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Eine Bewährung setzt voraus, dass der Probebeamte nach seiner Eignung und Befähigung (die für die dienstliche Verwendung wesentlichen Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften) sowie den von ihm in der Probezeit gezeigten Leistungen den Anforderungen, die mit dem auf Lebenszeit zu verleihenden Statusamt verbunden sind, voraussichtlich gerecht werden wird (vgl. Zängl, in: Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Loseblattsammlung, Stand Dezember 2005, § 9 BBG Rn. 8). Die Probezeit soll nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Laufbahnverordnung - LbVO - insbesondere erweisen, dass der Beamte nach Einarbeitung die übertragenen Aufgaben erfüllt.

11

Die Entscheidung des Dienstherrn, ob der Beamte sich in der Probezeit nach diesen Kriterien bewährt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Akt wertender Erkenntnis des für diese Beurteilung zuständigen Amtswalters. Seine Bewertungen sind gerichtlich deshalb nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzliche Grenze des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. Urteile vom 24. November 1983 - 2 C 28.82 -, BVerwGE 85, 177 [180] und vom 19. März 1998 - 2 C 5.97 -, BVerwGE 106, 263 [266]). Daneben ist – wie stets bei dienstlichen Leistungsbewertungen – zu gewährleisten, dass der Probebeamte nicht von einem voreingenommenen (befangenen) Sachwalter beurteilt wird.

12

Aus der Formulierung „in der Probezeit“ ergibt sich, dass für die Frage der Bewährung oder Nichtbewährung ausschließlich das Verhalten des Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit maßgebend ist. Innerhalb dieser Zeit ist dem Beamten die Möglichkeit zu geben, seine Eignung nachzuweisen. Sind in der Probezeit Mängel zu erkennen, ist der Dienstherr somit von der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Probebeamten nicht zweifelsfrei überzeugt, so darf die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nicht ausgesprochen werden.

13

Liegen Mängel vor, so ist zu unterscheiden: Sind es behebbare Mängel, so ist dies dem Beamten mitzuteilen und ihm aus Gründen der Fürsorge Gelegenheit zu geben, die bestehenden Leistungsdefizite abzustellen. Hierzu kann die Probezeit verlängert werden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 LbVO). Gelangt der Dienstherr dagegen – wie hier – zu der Überzeugung, dass der Beamte hinsichtlich Eignung, Leistung und Befähigung nicht mehr behebbare Mängel aufweist, so muss er ihn entlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1998, a.a.O.).

14

Da die Feststellung „nicht mehr behebbarer“ Mängel den Probebeamten in seiner Berufswahl erheblich einschränkt, bedarf es für eine derartige Entlassung im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG besonders sorgfältiger und belastbarer Feststellungen. Dies gilt erst recht, wenn der Probebeamte, wie die Antragstellerin, mit sofortiger Wirkung entlassen werden soll. Derart belastbare Feststellungen enthält die angefochtene Entlassungsverfügung vom 14. Februar 2012 jedoch nicht, weil sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht (1.) und darüber hinaus die allein zu diesem Zweck erstellte dienstliche Beurteilung vom 12. Dezember 2011 im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben wird (2.).

15

1. Nach der – hierfür allein maßgeblichen – Begründung in der Entlassungsverfügung weist die Leistung der Antragstellerin nicht mehr behebbare Mängel auf, weil ihr Leistungsverhalten von allen Beurteilern als „nicht den Anforderungen entsprechend“ bewertet worden sei. Dies entspricht jedoch offensichtlich nicht den Tatsachen. Vielmehr haben die Beurteiler in der dienstlichen Beurteilung vom 12. Dezember 2011 sämtliche Einzelmerkmale der Leistungsbeurteilung mit „D“ bewertet. Nach den textlichen Erläuterungen im verwendeten Beurteilungsformular handelt es sich bei Bewertungen mit dem Merkmal „D“ um eine teilweise den Anforderungen entsprechende Leistung. Wären bei der Antragstellerin tatsächlich nicht den Anforderungen entsprechende Leistungen zu verzeichnen gewesen, so hätte im Beurteilungsformular jeweils das für eine derartige Bewertung vorgesehene Merkmal „E“ (= nicht den Anforderungen entsprechende Leistung) angekreuzt werden müssen. Dies gilt umso mehr, als ausweislich der Entlassungsverfügung bei der Antragstellerin nicht nur Mängel, sondern sogar „nicht mehr behebbare“ Mängel vorliegen sollen, die zudem so schwerwiegend seien, dass auch eine weitere Verlängerung der Probezeit nicht mehr angezeigt sei. Da in der dienstlichen Beurteilung vom 12. Dezember 2011 jedoch keines der Leistungsmerkmale mit „E“ bewertet worden ist, kann diese für die Plausibilisierung von „nicht mehr behebbaren“ Mängeln von vornherein nicht herangezogen werden.

16

Weitere Leistungseinschätzungen während der Probezeit sind in der vom Antragsgegner vorgelegten Personalakte nicht, jedenfalls nicht bis zum Beginn der Elternzeit der Antragstellerin am 6. April 2008, enthalten. Eine während der Elternzeit im Jahre 2010 gefertigte und der Antragstellerin eröffnete Beurteilung, die grundsätzlich eine Plausibilisierung von in der bisher zurückgelegten Probezeit „nicht den Anforderungen entsprechenden Leistungen“ – insbesondere für die Zeit vom 18. Mai 2007 bis zum Beginn der Elternzeit am 6. April 2008 – ermöglicht hätte, ist vom Antragsgegner aus nicht nachvollziehbaren Gründen vernichtet worden.

17

Ein weiterer Begründungsmangel ist darin zu sehen, dass die in der Entlassungsverfügung angeführten „wiederholten Interventionen seitens der Beurteiler“ mit Ausnahme des Gesprächs am 8. Juli 2011 in den Akten nicht dokumentiert sind. Nach den glaubhaften und bislang auch nicht substantiiert in Abrede gestellten Ausführungen der Antragstellerin sind ihr erstmals Mitte des Jahres 2010 – während der seinerzeit noch laufenden Elternzeit – nicht ausreichende Leistungen vorgehalten worden. Es versteht sich von selbst, dass sie zu diesem Zeitpunkt möglicherweise bestehende Leistungsdefizite nicht abstellen konnte, war sie doch zu diesem Zeitpunkt von jeder Dienstverrichtung befreit. Hiervon abgesehen sind weder zuvor noch nach der Wiederaufnahme ihres Dienstes am 8. Februar 2011 Kritikgespräche der Beurteiler mit der Antragstellerin in der (ansonsten vollständigen) Personalakte dokumentiert. Ob der Antragsgegner bei einem Vorliegen derart schwerwiegender Mängel der Antragstellerin aus Fürsorgegründen verpflichtet gewesen wäre, noch zu Beginn ihrer Elternzeit Anfang des Jahres 2008 Hinweise auf ihr angebliches Eignungsdefizit zu erteilen (in diese Sinne wohl BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 C 27.90 -, BVerwGE 92, 147 [151]), kann im Rahmen dieses Eilverfahrens offenbleiben. Denn jedenfalls kann nach der vorliegenden Aktenlage von „wiederholten“ Interventionen ihrer Fachvorgesetzten nicht ausgegangen werden.

18

2. Unabhängig von diesen Erwägungen ist eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Entlassungsverfügung auch deshalb erforderlich, weil die dienstliche Beurteilung vom 12. Dezember 2011, die von ihr mit der erstinstanzlich anhängigen Klage 1 K 219/12.NW derzeit angefochten wird, nach der im Eilverfahren allein möglichen – aber auch gebotenen – summarischen Überprüfung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Denn sie ist sowohl in formeller (a) als auch in materieller (b) Hinsicht mit erheblichen – und bereits im Eilverfahren erkennbaren – Fehlern behaftet. Wegen dieser Mängel ist aufgrund der oben dargestellten gesetzlichen Wertung die Antragstellerin bis zu einer Neubeurteilung im Status einer Probebeamtin zu belassen (c).

19

a) In formeller Hinsicht ist die dienstliche Beurteilung fehlerhaft, weil der Beurteilungszeitraum in nicht rechtlich zulässiger Weise verkürzt worden ist. Da dienstliche Beurteilungen nach gefestigter Rechtsprechung ein vollständiges Bild des Beamten von seinen in der Vergangenheit gezeigten Leistungen und seiner beruflichen Entwicklung abgeben sollen, muss bei aufeinanderfolgenden Beurteilungen der Beurteilungszeitraum lückenlos an den vorherigen Zeitraum anknüpfen. Eine derartige Beurteilungslücke ist grundsätzlich auch bei Anlassbeurteilungen zu vermeiden (vgl. OVG RP, Urteil vom 3. November 1995 - 10 A 11040/95.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP). Diesen Beurteilungsgrundsatz haben die Beurteiler nicht beachtet, nachdem sie ausweislich der vorliegenden Angaben in dem Beurteilungsformular ihren Leistungsbewertungen den nur rund acht Monate umfassenden Zeitraum vom 10. Februar bis 25. November 2011 zugrunde gelegt haben. Der gesamte übrige Zeitraum seit der letzten Anlassbeurteilung über die Antragstellerin vom 27. Februar 2007, insbesondere auch die nach ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe am 18. Mai 2007 zurückgelegte Probezeit, auf die es wegen der Statusamtsbezogenheit von dienstlichen Beurteilungen besonders ankommt, wurde dagegen nicht erfasst. Bereits dieser Fehler erfordert eine Neubeurteilung, zumal er nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 (der für die Bewertung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung) auch nicht mehr geheilt werden kann.

20

Hinzu kommt, dass es sich vorliegend um eine Beurteilung aus Anlass der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit handelt. Dabei haben die Beurteiler zu Unrecht den Zeitraum ab der Ernennung der Antragstellerin zur Beamtin auf Probe bis zum Beginn ihrer Elternzeit ausgeblendet. Denn die Feststellung einer Nichtbewährung setzt unabdingbar voraus, dass die zu erstellende Bewährungsbeurteilung den gesamten Zeitraum seit Beginn der Probezeit erfasst (vgl. Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und Richter, Loseblattsammlung, Stand Februar 2012 Rn. 352). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn für den vorangegangenen Zeitraum seit der Ernennung zur Beamtin auf Probe bereits eine Beurteilung vorliegen würde. Das ist jedoch nicht der Fall, da die aus Anlass des Ausscheidens des früheren unmittelbaren Vorgesetzten der Antragstellerin im Jahre 2010 gefertigte Beurteilung vom Antragsgegner ohne erkennbare Gründe vernichtet worden ist.

21

Zwar ist es bei der Eignungsbewertung eines Probebeamten grundsätzlich zulässig, den zum Ende der Probezeit festgestellten Leistungen ein stärkeres Gewicht als den zu Beginn gezeigten zu geben. Die für die Feststellung einer endgültigen Nichtbewährung erforderliche Prognose darf sich dagegen nicht allein – wie hier – auf einen Zeitraum von wenigen Monaten beschränken, sondern muss die gesamte laufbahnrechtliche Probezeit in den Blick nehmen. Dies ist hier offensichtlich nicht geschehen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Beurteilung vom 12. Dezember 2011 bereits aus den bisher dargelegten Gründen neu zu fertigen ist. Hierbei ist der gesamte Zeitraum vom 28. Februar 2007 bis zum 8. August 2011 (dem Tag des Ablaufs der vom Antragsgegner verlängerten Probezeit) einzubeziehen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die vom Antragsgegner nach der Ernennung der Antragstellerin auf ein Jahr festgesetzte Probezeit zu Beginn ihrer Elternzeit am 8. April 2008 fast abgelaufen war, da – anders als es der Antragsgegner meint – sowohl krankheitsbedingte Fehlzeiten als auch die Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes nicht zu einer Unterbrechung der Probezeit führen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 LBG, § 11 Abs. 3 Satz 2 LbVO).

22

b) Zu diesen formellen Mängeln kommt eine bereits bei summarischer Überprüfung erkennbare inhaltliche Fehlerhaftigkeit der dienstlichen Beurteilung, die auch im Rahmen der oben dargestellten eingeschränkten Überprüfbarkeit dienstlicher Leistungs- und Eignungseinschätzungen vom Senat festgestellt werden kann. Die Beurteilung vom 12. Dezember 2011 geht – so wie sie vorliegt – zum Teil von einem unrichtigen Sachverhalt aus (aa). Darüber hinaus verstößt sie gegen anerkannte Beurteilungsgrundsätze (bb) und enthält sachfremde Erwägungen (cc). Schließlich sind bislang nicht sämtliche der Bewertungen hinreichend plausibel gemacht worden (dd). Diese Gesichtspunkte sind in ihrer Gesamtheit, zusammen mit den bereits dargestellten formellen Mängeln, derart schwerwiegend, dass sie – falls nicht bereits zuvor eine Neubeurteilung erfolgt – jedenfalls einer Abklärung im Hauptsacheverfahren bedürfen.

23

aa) Einen nicht zutreffenden Sachverhalt enthält die dienstliche Beurteilung zunächst insofern, als der Antragstellerin nach den Vermerken des Zweitbeurteilers vorgeworfen wird, ihre fachlichen Entscheidungen im Rahmen der sog. Cross Compliance-Kontrollen hätten Mängel offenbart. Dieser Vorhalt ist unzutreffend, weil sie, wie der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid zwischenzeitlich auch eingeräumt hat, im Beurteilungszeitraum derartige Kontrollen nicht durchführte. Weitere angebliche fachliche Fehlentscheidungen der Antragstellerin sind in den vorgelegten Akten nicht dokumentiert.

24

Die als Begründung für das Gesamturteil von den Beurteilern auf Seite 5 der Beurteilung angeführten häufigen Erkrankungen der Antragstellerin, die ihre dienstliche Einsetzbarkeit einschränkten und sich „nachhaltig negativ“ auf den Dienstbetrieb auswirkten, sind nach Aktenlage gleichfalls unzutreffend, was wiederum zwischenzeitlich auch vom Antragsgegner eingeräumt wird. Die Antragstellerin war in dem – von Beurteilern (allerdings fehlerhaft) als allein maßgeblich angesehenen Beurteilungszeitraum vom 10. Februar bis zum 25. November 2011 – ausweislich der Personalakte lediglich an sieben Tagen dienstunfähig erkrankt. Selbst wenn man zusätzlich den weiteren – aus den oben dargestellten Gründen zu berücksichtigenden – Zeitraum seit der letzten Beurteilung vom 27. Februar 2007 heranzieht, ergibt sich kein anderes Bild, da die Erkrankungen der Antragstellerin Ende des Jahres 2007 offenbar im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft standen und nach der Geburt ihres Sohnes jedenfalls nicht mehr für eine Einschränkung der künftigen dienstlichen Verwendbarkeit herangezogen werden können. Die der Antragstellerin vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang vorgehaltenen „psychischen Probleme“ (S. 5 des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2012) sind weder in der Personalakte noch sonst dokumentiert.

25

bb) Unabhängig hiervon bedürfen weder die Ursache der während der Schwangerschaft bei der Antragstellerin aufgetretenen Erkrankungen noch die Fehltage im Jahre 2011 oder ihre psychische Verfassung einer weiteren Abklärung im Klageverfahren gegen die dienstliche Beurteilung vom 12. Dezember 2011. Denn diese Vorhalte verstoßen zusätzlich gegen anerkannte Beurteilungsgrundsätze. Die Heranziehung von Krankheiten, die ein Beamter schuldlos erleidet, kann nur dann eine tragfähige Begründung für seine endgültige Nichtbewährung sein, wenn eine Einschränkung der dienstliche Einsetzbarkeit von dem – hierzu allein berufenen – Amtsarzt festgestellt worden ist. Dies gilt allerdings nicht bei Erkrankungen während einer Schwangerschaft. Diese sind bereits aus Gründen des gesetzlichen Schutzes werdender Mütter von vornherein auszublenden. Sollten also mit den in der dienstlichen Beurteilung angeführten „häufigen Erkrankungen“ (wofür nach Aktenlage alles spricht) die schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten der Antragstellerin gemeint sein, ist die Beurteilung aus einem weiteren Grund rechtlich fehlerhaft. Darüber hinaus setzt auch die in der Beurteilung weiter enthaltene Einschätzung, durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten werde die dienstliche Verwendbarkeit der Antragstellerin „erheblich eingeschränkt“, eine entsprechende (amts)ärztliche Sachkunde voraus, welche die Beurteiler ersichtlich nicht haben.

26

Ein weiterer Verstoß gegen allgemein anerkannte Beurteilungsgrundsätze liegt vor, weil die Beurteilung zu einem Zeitpunkt gefertigt wurde, als die Entlassung der Antragstellerin bereits feststand. Dies ergibt sich aus der schon am 8. Dezember 2011 erfolgten Beteiligung des Personalrats zur – für den Antragsgegner damit offensichtlich bereits feststehenden – Entlassung. Zu diesem Zeitpunkt war die Beurteilung jedoch weder erstellt noch der Antragstellerin eröffnet. Letzteres erfolgte erst am 15. Dezember 2011, zu einem Zeitpunkt, als der Personalrat der beabsichtigten Entlassung sogar schon zugestimmt hatte (vgl. Bl. 258 PA). Eine dienstliche Beurteilung die, wie hier, nur noch zu dem Zweck erstellt wird, eine bereits zuvor feststehende Personalmaßnahme zu begründen, widerspricht dem allgemeinen Beurteilungsgrundsatz der unvoreingenommenen Bewertung von Leistungen und der Befähigung eines Beamten. Mit diesen, nach der Aktenlage offensichtlichen, Ablauf der Dinge wird ein Beurteilungsverfahren gleichsam „auf den Kopf“ gestellt.

27

cc) Die als Begründung für das Gesamturteil der Antragstellerin vorgehaltenen „häufigen Erkrankungen“ stellen zudem, ebenso wie das „schlechte Ergebnis der Laufbahnprüfung“ und die als Beleg für eine mangelhafte Dienstauffassung zitierte Äußerung im Personalgespräch vom 8. Juli 2011, erkennbar sachfremde Erwägungen dar.

28

Dabei ist ein Abstellen auf die „bemerkenswert schlechte“ Prüfungsnote der Antragstellerin schon deshalb nicht zulässig, weil diese Note dem Antragsgegner bereits bei ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe bekannt war und er die Antragstellerin, wie der Vermerk vom 7. März 2005 (Bl. 129 PA) belegt, in voller Kenntnis dieser Note in das Probebeamtenverhältnis übernommen hat. Das Ergebnis der (im Übrigen zum Beurteilungszeitpunkt fast sieben Jahre zurückliegenden) Laufbahnprüfung als Beleg für eine Nichteignung heranzuziehen, widerspricht somit bereits dem vorangegangenen Verhalten des Antragsgegners. Dies gilt umso mehr, als die Probezeit am 14. Mai 2007 – in Kenntnis dieser Note – vom Antragsgegner sogar noch auf die (nicht mehr unterschreitbare) Mindestprobezeit abgekürzt wurde.

29

Sachfremd ist des Weiteren das Abstellen auf die in der dienstlichen Beurteilung wiedergegebene Äußerung, welche die Antragstellerin anlässlich eines Gesprächs mit den Beurteilern am 8. Juli 2011 gemacht habe. Zwar können Aussagen, die ein Beamter während eines Gesprächs mit Vorgesetzten macht, grundsätzlich auch in eine Beurteilung einfließen. Dabei ist vorliegend jedoch der Kontext der Äußerung zu berücksichtigen: In diesem Gespräch wurde die Antragstellerin erstmals mit ihrer – für die Beurteiler seinerzeit bereits feststehenden – Entlassung konfrontiert. In welchem Zusammenhang dabei die zitierte Äußerung gemacht worden ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Um diese dann als Beleg für eine mangelhafte Dienstauffassung heranziehen zu können, müssten zumindest weitere oder ergänzende Anknüpfungspunkte vorhanden sind. Derartige Anhaltspunkte bestehen jedoch nach Aktenlage nicht und sind auch nicht vorgetragen.

30

dd) Weiterhin sind die schlechten Bewertungen der Beurteiler bislang nicht ausreichend plausibel gemacht worden. Dabei fällt schon auf, dass weder der Erstbeurteiler ….. noch sein Vorgänger im Amt …. eigene Stellungnahmen zu den inhaltlichen Einwänden der Antragstellerin abgegeben haben. Die erstmals im Eilverfahren vom Antragsgegner in der Art einer „Nebenakte“ vorgelegten Kopien von Vermerken stammen fast ausschließlich vom Zweitbeurteiler. Auch diese betreffen aber lediglich die im Jahre 2011 angeblich festzustellenden fachlichen Defizite. Plausibel wird der von den Beurteilern beschriebene Leistungsabfall damit nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

31

Zwar gibt es im Beamtenrecht keinen Anspruch auf „Fortschreibung“ einer einmal erhaltenen Beurteilungsnote. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass die Antragstellerin zu Beginn ihrer Probezeit bereits knapp fünf Jahre als amtlich bestellte Veterinärin offensichtlich beanstandungsfrei gearbeitet hatte. Dies belegt die erkennbar lückenlos geführte Personalakte, in der sich keinerlei Feststellungen finden wie die erstmals im Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2012 angeführten Schlechtleistungen. Ob diese Mängel bei der zu diesem Zeitpunkt mehr als neun Jahre als Veterinärin beschäftigten Antragstellerin, bei der zuvor noch die abzuleistende Probezeit auf ein Jahr abgekürzt werden konnte, tatsächlich vorhanden sind, bedarf einer plausiblen Begründung im Hauptsacheverfahren. Dabei sollte auch nachvollziehbar werden, warum ihre Fachkompetenz, die noch in der vorletzten dienstlichen Beurteilung als „stark ausgeprägt“ bewertet worden ist, nunmehr nur noch schwach vorhanden sei.

32

Zudem wurde die Antragstellerin – wie bereits oben dargestellt – erstmals während ihrer Elternzeit auf ihre angeblichen Leistungs- und Eignungsmängel hingewiesen. Zwar ist es grundsätzlich vorstellbar, dass sich die Leistungen eines Beamten während der Probezeit erheblich verschlechtern. Ein derartiger Leistungs- und Befähigungsabfall ist jedoch im Bestreitensfall nachvollziehbar zu machen. Dies gilt umso mehr, wenn sich – wie hier – in der Personalakte keinerlei Belege für Schlechtleistungen finden und auch sonst keine Vorfälle dokumentiert sind, die derart gravierende Leistungs- und Eignungsdefizite plausibel machen könnten. Darüber hinaus haben Personalführungsgespräche in der Probezeit auch den Zweck, derartige Mängel frühzeitig anzusprechen, damit der Probebeamte in die Lage versetzt wird, sein dienstliches Leistungsverhalten zu verändern. Insofern hat die Antragstellerin indessen glaubhaft vorgetragen, sie sei von Beginn ihrer Tätigkeit im Jahre 2002 bis Mitte des Jahres 2010 zu keinem Zeitpunkt auf etwaige Leistungsmängel hingewiesen worden. Diese Aussage entspricht der Aktenlage, da ihre Bewährung als Veterinärin im Dienste des Antragsgegners bis zu ihrer Schwangerschaft – auch von ihrem damaligen Vorgesetzten – wiederholt festgestellt bzw. inhaltlich bestätigt worden ist (vgl. Bl. 79, 128, 149 und 172 PA).

33

Dem lässt sich nicht erfolgreich entgegenhalten, dass die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung nicht von zuvor stattgefundenen Kritikgesprächen abhängt. Befindet sich der Beamte – wie hier die Antragstellerin zu Beginn ihrer Elternzeit am 6. April 2008 – kurz vor Ablauf der festgesetzten Probezeit (da nach § 11 Abs. 3 Satz 2 LbVO weder ihre Erkrankung noch der gesetzliche Mutterschutz zu einer Verlängerung führen), so ist nicht plausibel, warum ihr eine fehlende Bewährung nicht schon zu einem früherem Zeitpunkt oder wenigstens zu Beginn der Elternzeit mitgeteilt worden ist. Dies gilt umso mehr, als ihre Personalakte so vollständig vorliegt, dass eine nur versehentlich nicht aufgenommene Dokumentation eines Kritikgespräches kaum vorstellbar ist.

34

Einer Erläuterung im Hauptsacheverfahren bedarf letztlich die von den Beurteilern für die „nicht behebbaren“ Mängel unter anderem herangezogene mangelhafte Dienstauffassung der Antragstellerin, die sich aus einer Äußerung ergeben soll, die sie im Rahmen eines Gesprächs mit den Beurteilern am 8. Juli 2011 gemacht habe. Auch für eine mangelhafte Dienstauffassung finden sich in der vorgelegten Personalakte keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil hat die Antragstellerin, nachdem sie sich in einem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter ihrer Fachabteilung Gedanken um eine sinnvolle Regelung ihrer Schwangerschaftsvertretung gemacht hat, sogar ausdrücklich darum gebeten, ihr während ihrer Elternzeit wichtige E-Mails des Landesuntersuchungsamtes nach Hause zu übermitteln, damit sie nicht ganz den Anschluss verliere. Diese Bitte wurde sowohl von dem Mitarbeiter ihrer Abteilung als auch von ihrem Zweitbeurteiler abgelehnt, unter anderem, weil es nach Auffassung dieser Beamten zu zeitaufwändig sei, eingehende E-Mails auf interessante Informationen hin zu sichten und an die Antragstellerin weiterzuleiten (vgl. den Vermerk vom 13. September 2007, Bl. 186 f. PA). Wie ein derartiger Sachverhalt mit „nicht behebbaren“ Mängeln in der Dienstauffassung der Antragstellerin vereinbar sein kann, erschließt sich dem neutralen Leser dieses Vermerks (und der dort vorhandenen weiteren handschriftlichen Bemerkungen des Zweitbeurteilers) nicht.

35

c) Wegen all dieser aufgezeigten – bereits nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Beteiligten erkennbaren – Fehler in der Entlassungsverfügung vom 14. Februar 2012 und der dienstlichen Beurteilung vom 12. Dezember 2011 ist die Antragstellerin aufgrund der gesetzlich als vorrangig angesehenen Wirkung ihres Widerspruchs (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Status einer Probebeamtin zu belassen.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

37

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Abweichend von der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung ist hierfür die Hälfte des 13fachen Betrages des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 13 (monatlich 4.450,63 €) maßgebend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.